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Full text of "A.G. Meissners Sämmtliche Werke .."

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ſaͤmmtliche Werte 
Bmanzisfer Band. 
Enthält: 
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Sehen Theit. 


Wien, 1814. 
In Sommiffion bey Anton Doik 








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ſaͤmmtliche Werke. 
3wanzigſter Bans— 
Enthaͤlt: 
Bianca Capello. 


Erſter Theil. 


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Wien, 1814. 
In Sommiffion bey Anton Dolt. 


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Bianca Capello. 





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A. G. Meißner. 
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Erfter Theil, 
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es nach dem ſtolzen Plan ſeiner Erbauer, und nach der 


Dorzüglichkeit feiner Lage ſeyn follte, — das Band 
des Aufgangs und des Niedergang! , die Königinn des 
bſtlichen Europa's und des weftlihen Aftens. Dem 
Zepter, oder vielmehr dem Schwerte eines wilden Sie⸗ 
gers anheim gefallen , von einem Mole beherrſcht, 
unter deffen Süßen, feinem eigenen Sprichwotte nach, 
Eein Gras und Eeine Staude gedeiht, war ed nun ganz 
von Kunft und Wiſſenſchaft, von Handlung und Ges 
werben entblößt,, die fonft alda, wenn auch nit an⸗ 
haltend , doch abwecfelnd , geblüht hatten. Diefe 
Flüchtlinge wählten fich jegt Italien zu ihrem Zufluchtss 
ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗ 
reifeen aͤhnlich, durch die Verpflanzung noch verbeſſert 
wurden. 

Eine Menge von Freyſtaaten und von kleinen, 
nicht unbefchränkt regierten Fuͤrſtenthuͤmern, zertheil⸗ 


ten im Anfange des ſechzehnten Jahrhunderts dieſes 


fruchtbare Land. Die ewig ſcheinenden Kämpfe der Gi⸗ 
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des Aufgangs und ded Niedergangs , bie Königinn des 
Bftlihen Europa’d und des weftlihen Aftens. Dem 
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gers anbeim gefallen , von einem Wolke beherrſcht, 
unter beffen Süßen, feinem eigenen Sprichworte nach⸗ 
kein Gras und keine Staude gedeiht, war es nun ganz 
von Kunft und Wiffenfhaft, von Handlung und Ges 
werben entblößt , die fonft alda, wenn auch nit an⸗ 
haltend , doch abwechſelnd, geblüßt hatten. Diefe 
Flüchtlinge wählten fi) jegt Stalien zu ihrem Zufluchtss 
ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗ 
reifen aͤhnlich, durch die Verpflanzung noch verbeſſert 
wurden. 

Eine Menge von Freyſtaaten und von kleinen, 
nicht unbeſchränkt regierten Fürſtenthümern, zertheil⸗ 
ten im Anfange des ſechzehnten Jahrhunderts dieſes 
fruchtbare Land. Die ewig ſcheinenden Kaͤmpfe der Gi⸗ 

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beflinen und Guelfen waren doch allmählig erloſchen. 
Aber der Geift der Freyheit, oder vielmehr der republi⸗ 
kaniſchen Laune, verbunden mir manchen, theild we 
ſentlichen, theild zufälligen Vortheilen ihres Klimas, 
ihrer Regierung, felbft des vielfältigen Mechfels ihrer 
Schickſale, hatte in den Buſen vieler damapligen 
Welſchen ſchlafende Fähigkeiten erweckt, lebendige See— 
Ienkräfte erhöht, und geiſtigen Arbeiten ein vorzügli⸗ 
ches Gedeihen verſchafft. Ihre Künſtler, durch Ruinen 
belehrt, durch Meiſterſtücke, aus Schutt und Trüm— 
mern gezogen, beſchämt, durch Wetteifer angefacht, 
arbeiteten für Zeit und Ewigkeit; ihre Dichter vers 
banden die lieblichfte , wohlklingendſte Sprache mit 
ſchwaͤrmeriſcher Einbildungskraft; ihren Profaiiten zeigte 
Machiavel und Boccaz einen Pfad, der fie ſicher zur 
Unfterblichkeit zu leiten verſprach. Echon wallfahrteten 
zu ihnen die Wißbegierigen aus Deutſchland, England 
und Frankreich. Schon bildeten fih nad ihren Dich⸗ 
tern die Chaucer und Spenſer, nad ihren Ges 
mählten die Dürer ’s:; 

‚Aber weit wichtiger noch für gonz Europa war bie 
Thatkraft, die fi in Fstaliens Schifffahrt und in dem 
Unfang feiner Gewerbe zeigte, Schon feit den Zeiten 
der Kreuzzüge, — jener für den Beobachter menfdli« 
her Thorheiten und Schwachen fo überreichen Epoche — 
batte hier der Handel feinen Wohnplag aufgeſchlagen; 
hatten Venedig und Genua im ſtäten Wetteifer ſich bes 
mübt ; hatten von- Greunden und Feinden gleichen 
BEkei: ‚Sterben gewußt; hatten Zeitumitände und 
2a , Wluͤck und Unglück, Krieg und Frieden zu ih⸗ 
sem ugen angewandt, — Bald floßen bier die Reich⸗ 






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thuͤmer des ganzen weſtlichen Europa‘ zufammen. 
Die Städte glichen Königsfigen ‚ ihre Kaufleute Fürften, 
Aber hoch vor hundert Andern, bob auch Florenz fein 
Haupt eınpor. Milder als in den meiſten Übrigen italies 
nijchen Freyſtaaren war hier die Ebbe und Fluth der 
Stantsveränderungen gewefen. Ein günſtiges Geſchick 
hatte hier das edfe Haus der Medizis auffeimen laſſen. 
Mit ihm zugleich war auch der Wohlſtand von Florenz 
gewachfen. In allen Meeren wehten jegt feine Flag 
‘gen, feine Kriegsheere erwarben fih die Ehrfurcht der 
Nachbarn; feine Gefege galten ald die Muſter für ent« 
fernte Völker. Ein zahlreicher Adel lebte hier mir bür⸗ 
gerlihen Geſchlechtern friedlich vermifhr, und glaubte 
ſich nicht zu erniedrigen, "wenn er ber Handlung fi noch 
- weit emfiger als den Kriegsdienften widme; Arbeitfam- 
keit ſchien ihm ehrenvoll, und Vermehrung feiner Gü— 
ter auf erlaubten Wegen wünſchenswürdig zu ſeyn. 
Ganz vorzüglich zeichnete ſich von Geſchlechtern 
dieſer⸗ Art das Geſchlecht der Salvidti aus. Mo 
nur Kaufmannſchaft blühte , Hatte diefes angeſehene 
Haus feine Niederlagen. Eine große Anzahl junger 
Slorentiner ftand in feinen Dienften. Von Zeit zu Zeit 
pflegte e8 Diejenigen, die durch Fleiß und Eifer ſich 
hervorthaten, in ausländiſche Comtoirs zu verſenden. 
Das größte. diefer Letztern befand ſich in Venedig, und 
in dem Zeitpuncte, wo nachſtehende Geſchichte Theil⸗ 
nahme zu erwecken verdient, lebte hier, nebft mebrern 
Slorentinern, ein gewiſſe Pietro Bonaventus 
ri — ein junger Mann , in der Blüte feiner Jahre, 
artig „ wohlerzogen , der Feder und der männlichen 
Wohlredenheit gleich mächtig, von Geſtalt fhön, von 
- Gitten gefällig, von Denfart feurig , verliebt und 


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A. G. Meißner. 


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Wien, 1814. 
In Commiffion bey Anton Dolt. 


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Zwanzigſter Band— 
Enthaͤlt: 
Bianca Capello. 


Erſter Theil. 


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Wien, 1814. 
In Commifſfion bey Anton Dolt. 





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Conſtantinopel war ſchon laͤngſt Das nicht mehr, was 
es nach dem ſtolzen Plan ſeiner Erbauer, und nach der 
Vorzüglichkeit feiner Lage ſeyn ſollte, — das Band 
des Aufgangs und des Niedergangs , die Königinn des 
Bftlichen Europa’ und des weftlihen Aftens. Dem 
Zepter, oder vielmehr dem Schwerte eines wilden Sie⸗ 
gerd anheim gefallen , von einem Molke beberrfcht, 
unter deffen Süßen, feinem eigenen Sprichwotte nach, 
Fein Gras und Feine Staude gedeiht, war ed nun gang 
von Kunft und Wiffenfchaft, von Handlung und Ges 
werben entblößt,, die fonft allda, wenn auch nicht an⸗ 
haltend , doch abwechſelnd, geblüht hatten. Diefe 
Flüchtlinge wählten ſich jegt Stalien zu ihrem Zufluchts« 
ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗ 
reifern aͤhnlich, durch die Verpflanzung nod) verbeffert 
wurden. 

Eine Menge von Frepftaaten und von Kleinen, 
nicht unbefchränkt vegierten Fürftenthüümerg , zertheile 
ten im Anfange des fechzehnten Jahrhunderts dieſes 
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Aber der Geift der Zrepheit ,. oder vielmehr der republi⸗ 
kaniſchen Laune, verbunden mir mandyen, theild we 
fentlichen , theild zufälligen Vortpeilen ihres Klima, 
ihrer Regierung, felbft des vielfältigen Wechſels ihrer 
Sqickſale, hatte in den Bufen vieler damapligen 
Welſchen ſchlafende Fähigkeiten erwedt , Iebendige See— 
lenkraͤfte erhöht, und geiftigen Arbeiten ein vorzügli⸗ 
ches Gedeihen verfohafft. Ihre Künftler, durd Ruinen 
belehrt, dur Meifterftücke, aus Schutt und Trüm⸗ 
mern gezogen, befhamt , durch Wetteifer angefadht, 
arbeiteten für Zeit und Ewigkeit; ihre Dichter vers 
banden die lieblichſte, wohlklingendſte Sprache mie 
fhwärmerifcher Einbildungskraft ; ihren Profaiiten zeigte 
Macchiavel und Boccaz einen Pfad, der fie ſicher zur 
Unfterblichkeit zu leiten verſprach. Schon wallfahrteten 
zu ihnen Die Wißbegierigen aus Deutſchland, England 
und Frankreich. Schon bildeten ſich nach ihren Dich⸗ 
tern die Chaucer und Spenſer, nach ihren Ge⸗ 
maͤhlden die Dürer's. 

Aber weit wichtiger noch für ganz Europa war bie 
Thatkraft, die ih in Sstaliens Schifffahrt und in dem 
Unfang feiner Gewerbe zeigte. Schon feit den Zeiten 
der Kreuzzüge, — jener für den Beobachter menfdli« 
der Thorheiten und Schwaden fo überreichen Epode — 
batte bier der Handel feinen Wohnplag aufgeſchlagen; 
hatten Venedig und Genua im fiäten Wetteifer ſich bes 
mübt; harten von: Zreunden und „Senden gleichen 
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sem ugen angewandt, — Wald floßen hier die Reich⸗ 


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thuͤmer des ganzen weftlichen Europa zufammen. 
Die Städte glichen Königsſitzen, ihre Kaufleute Fürſten. 
Aber hoch vor hundert Andern, hob auch Florenz ſein 
Haupt empor. Milder als in den meiſten übrigen italie— 
niſchen Freyſtaaten war hier die Ebbe und Fluth der 
Staatsveränderungen geweſen. Ein günſtiges Geſchick 
hatte hier das edle Haus der Medizis aufkeimen laſſen. 
Mit ihm zugleich war auch der Wohlſtand von Floren; 
gewachſen. In allen Meeren wehten jetzt ſeine Flag 
gen, ſeine Kriegsheere erwarben ſich die Ehrfurcht der 
Nachbarn; feine Geſetze galten als die Muſter für ent⸗ 
fernte Völker. Ein zahlreicher Adel lebte hier mir büts 
gerlichen Geſchlechtern friedlich vermifhr, und glaubte 
fih nicht zu erniedrigen, wenn er ber Handlung fi noch 
-weit emfiger ald den Kriegsdienſten widme; Arbeitſam⸗ 
keit ſchien ihm ehrenvoll, und Vermehrung feiner Gir- 
ter auf erlaubten Wegen wüͤnſchenswürdig zu ſeyn. 
Ganz vorzüglich zeichnete ſich von Geſchlechtern 
dieſer⸗ Art das Geſchlecht der Salviätl aus. Wo 
nur Kaufmannſchaft bluͤhte, hatte diefes angefehene 
Haus feine Niederlagen. Eine- große Anzahl junger 
Florentiner fland in feinen Dienften. Won Zeit zu Zeit 
pflegte ed Diejenigen, die durch Fleiß und Eifer ſich 
hervorthaten, in ausländifhe Comtoirs zu verfenden. 
Das größte. diefer Letztern befand fich in Venedig, un 
in dem Zeitpuncte, wo nachſtehende Geſcichte Theil⸗ 
nahme zu erwecken verdient, lebte hier, aͤebſt mehrern 
Florentinern, ein gewiſſer Pietro Bonaventus 
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Wohlredenheit gleich maͤchtig, von Geſtalt ſchoͤn, von 
Sitten gefällig , von Denkart feurig, verliebt, und 
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anternebmend. Ein Mann für tauſend Mädchen, und 
doch auch wieder nur für Wenige; denn er war unbe⸗ 
mittelt und ſtolz. 

Er hatte der Bekannten und Freunde viefe; aber 
der Einzige , ber diefen legten Nahmen feinem ganzen 
ehrwürdigen Umfange nah verdiente, hieß: Carlo 
Martelli, ein Mann von Abkunft, Tebensars und 
Gluücksgütern ihm glei; doch fhon etwas abweichend 
in Rudficht des Alters und nod mehr in Stimmung 
des Charakters. Eiggewilfer , feiter Schritt bezeichnete 
Martellis Bahn. Nie handelte er ohne vorherige reife 
Überlegung. Segen fremde Thorheiten war er firens 
ge, ſich ſelbſt erlaubte er Eeine Einzige. Im Haufe 
des Altern Bonaventuri zu Florenz von erfier Jugend 
an befannt , ſah er den, ungefähr fieben oder adt 
Jahr jüngern Pietro gleihfam unter feinen Augen aufs 
wadien, nahm felkft an feiner Geiſtes-Bildung einis 
gen Antheil, und brachte ihn nachher durch Empfehlung 
in Salviatis Dienſte. Seit geraumer Zeit ſchon gingen 
fie mit einander auf dem Fuß der Gleichheit um. Einig 
im Geſpraͤche waren fie felten; boch ihr Umgang war 
em wechſelſeitiges Bedürfniß. Ihr Mund firiet 1 oft ; 
aber ıhre Herzen liebten ji. 

Auf ein Mahl ward der bis jegt muntre Bonar 
venturi traurig und mürriſch. Er fang ſich fonft des 
Zugs wohl fünfzig Lieben; jetzt ſprach er kaum eben 
fo viel Worte. Sonit war er oft der Erheiterer gan⸗ 
zer Geſellſchaften; jeßt warb er ernit und ſtumm, wie 
ein Pythagoräer. Er ftieß feinen Schooßhund fort, 
wenn er an ihm auffpringen wellte; ließ an der Tafel 
fat jede Schüffel unangerührt bey fi vorübergehen 


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und fhlug in Keyerfiunden und an Feſttaͤgen jeden 
Spaziergang aus, wozu Bekannte ihn einluden. 

Bald fpürte Martelli diefe Ünderung ‚ doc hielt 
er fie Anfangs für eine flühtige Grille, die wieder : 
weggeben werde, wie fie. gekommen fey. Doch da fie 
nun ſchon beynahe einen Monath lang anbielt, da exe 
“ und Andere ſchon von Weitem gehorcht und — nichts 
erfahren hatten, fo ſchien es ihm der Freundſchafts⸗ 
Pfliht gemäß, fi genauer zu erkundigen. Als fie 
daher einft auf der Schreibfiube allein zufammen 
gearbeitet hatten; als die Feyerglode flug, und 
Bonaventuri wieder ftumm und ftill in fein Kämmer, 
dyen fehlüpfen wollte, vertrat ihm Martelli den Weg, 
faßte ihn traulih bey der Hand, und fprah: 

Mart. Aber wo foll Das noch hinaus? Tieber 

Freund! Was gährt in dir? Was bat dich fo ſchnell 
und fo gänzlich verändert? Willſt du ſtets fo traurig 
and fo menfchenfeindlih wie das Bild eines alten Ein« 
fiedlers ausfehen? Haft du heute ſchon wieder die Feſt⸗ 
tag: Miene, die nun feit einigen Wochen bereits deine 
alltägliche wird? 

Bonav. (bitter lächeind.) Und die es wohl leicht 
für mein ganzes übriges Leben bleiben dürfte ! 

Mart. Aber weßhalb? Nichts geht dir ja ab! 
bein Herr fchägt dich; bat dich von ieber aufs liebreich⸗ 
fie, immer mehr wie feinen Freund ‚als feinen Unters 
gebenen behandelt. — Nicht wahr ! 


Bonav, Es waͤre Undank, wenn ih es laͤugnen 
wollte! 


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Mart. Du haſt Dieniigenoffen , die dic) Tieben, 
Deinen Umgang fuchen, deine Freundſchaft fhägen — 
= Deine Ausgaben find gering; felbft diejenigen, welde 
bu haft’, Überfteigen deine Einnahme nigt; du ſpielſt 
felten und überdieß noch größten Theils glücklich; geltſt 
unter allen deinen Bekannten für einen Menſchen von 
Kopf. — | - 

Bonav. (ſpöttiſd.) Ein herrlicher Vorzug! — 

Mart. Herrlich genug, Undankbarer ! denn ihn 
faufen oft Millionen nicht. Übrigens bift du gefund 
und f ıfch. 

Bonav. (wie rorbin.) Bin ih es? 

Mart. Wenigftens dem Anfehen nah !— Deine » 
Mange iit glühend und voll; dein Auge —, frage nur 
die Maͤdchen in der Nahbarfhaft rund herum. Wie 
laufhend Mande, wenn tu vorübergebft, hinter ihrem 
Gitter jtehen! Sch wette, e3 gibt Keine, der nicht 
Signor Pıetro ein willlommener Liebhaber wäre! 

Bonav. Kerne ? gar Keine ? Meint du? — 
Meint du wirklich? — Schade, daß du nicht Wahre 
fager — daß du Eein Mädchen bift! daß nicht Bin... “ 
doch ſtill! Ich will nie klagen; will dulden, fehweis 
gen, und fhwergend vergeben. — Ah, ich Eenne nur 
allzu gut das Gewicht und Übergewicht des Spottes, 
das eınen Unglüdlihen dann oft mehr noch als fein 
Unglüd ſelbſt darnieder druͤckt, wenn der Zärtling fei= 
nen Summer nicht bloß im eigenen Bufen verſchließt. 

Markt. (mie dem ernfieken Tone.) Pietro Bonas 
venturi ! 

Bonav. (ihn Keif anfehend.) Nun? 

Mart. Warum mir Das! Kennen wir uns fo 
neu? Dit welchem elenden Menfhentroß vermengfk 


N 9 wer 
du mit — Wann verleßte_ich jemahlsm mein Wort? 
Wann freute ich mich eines fremden Schadens? Wann 
habe ich dir zumahl — 

Bonav. (der ſich vorher niedergefeht Hat, doch nun 
auffpeingt , und ungebutdig feines Freundes Hand faßt.) O 
fig, fill, Martelli! Seit wann warbft du dein eiges 
nee Lobredner ? Ich liche dergleichen Herrechnungen 
nit. Du folit Alles erfahren ; auf, mein Wort, 
Alles! — Nur heute noch nicht! Morgen, morgen, 
gewiß morgen? u 

Mart. Zändeley oder Vorwand! Ich bin ſicher 
morgen um nichts Merkliches beſſer als heute. — Wozu 
alſo Aufſchub? 

Bonav. Nun wohl, Zudringlicher ‚To ſey es 
heute! — Aber wenn du dann mich verrathen, oder 
auch meiner nur ſpotten koͤnnteſt. — — Weg mit die⸗ 
ſem Ernſt, dieſem ſtarren Blick und der Runzel über 
dem Auge! Mein Mißtrauen beſtraft ſich ſchon ſelbſt. 
Ich weiß, ich fühle es, du wirft meiner nicht ſpotten. 
Aber Selbitquälerey iſt ja der Menſchen gewi oͤhbnlichſte 
Kunſt! Zum wirklichen Übel ſchafft ſich derUnglüdtihe 
fo gern noch leeren Kummer. — (mit wer, inbam, gärte 
en Ton.) D Martelli, Martelli, ich Tiebe! Sch lie⸗ 
be, wie ih noch niemahls liebte ! 

Markt. (lacheind.) Und das ift es Alles! Dem 
Himmel fey Dank, daß beine Krankheit Feinen gefähr- 
Iihern Nahmen hat! Sch fürchtete wirklich etwas ganz, 
Außerorbentlihes zu hören. O über bie Freifendem 
Berge mit ihren Mäufegeburten ! Und wen liebeft 
du denn? 

Bonav. (mit Graf und Unwillen.) Zu lachen, ehe 
bu eh noch weißt! 


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Mart. D fo made doch fort, und ſauge nicht 
an jeder Mücke! 

Bonav. Kennſt bu das Haus der Capello? 

Mart. Ich ſollte doch wohl, daͤchte ich! Es liegt 
uns ja gerade gegenüber, auf jener Seite des Ca⸗ 
nals. — Was gilt's, daß dort eine reizende Zofe. — 

Bonav. Schweig! doch nein; antworte! Sabft 
du dort jemahls Bianca? 

Mart. (erſtaunt.) Bianca? Die Tochter des als 
ten Eapello ? Sein einziges Kind ? die Erbinn eines fürfts 
lichen Schatzes? — Bonaventuri , du wirft doch 
nicht — 

Bonav. (bitter nachſpottend.) Du wirft doch nicht! 
Bonaventuri, du wirft doch nie! — Ob du fie je 
mahls ſah'ſt, nur Das fragte ich did). 

Mart. Nunja! Zwey Mahl fogar! 

Bonav. (vol ausbrechender Hige.) Odu Gluͤcklicher, 
und doch deined Glüces fo Unwürdiger! — Diefen 
töniglihen Wuchs, diefen edlen Stol; in Bid und 
Bang, diefen für jeden Pinſol unnahahmlichen Reiz 
auf Stirn und Wange, dief: göttlihe Sanftmuth ihe 
ved Auges, diefen Bufen, ber feines Schleyers ſpot⸗ 
tet, diefen niedlichen Fuß, der jeden Schritt zum Tanz 
erhebt, vieleicht gar dieſes zauberifhe Lächeln ihres 
Mundes — Dieß, Dieß ſahſt du jemahls, und fragft 
noch: du wirft doch nicht? — Ad), bey Bott, wer 
doch Martelli, wer doch eine Bildfäule, wie er, wäre! 

M art. Aber, lieber Freund! — 

Bonav. Genug, du weißt ed nun, was mid 
peinigt! du weißt, was ich mir felbft kaum geftand ! 
Aber nicht mehr mein Freund, wenn du noch ein Mahl 
und noch deutliher mi tadelſt! — Sa, ih liebe 


... 11 vos . . 


fie! — Sa, ich fühle, daß es Wahnſinn feg! Aber 
Eounte ich Armer dafür, daß ih Sie fah? (Gr reift 
fiy ſanell los, und gehe ab.) 

Martelli. cipm nawbtidend.) Ya wohl, du Ars 
mer! — Welcher fhivindelnde Gedanke! Bianca eine 
Liebe für dih! — Bianca Capelio, ber Stolz Vene⸗ 
digs, der Stolz ihres Geſchlechts! — Fürwahr ein 
Einfall, ald ob ıh mid in die Königin von Neapel 
veriiebte! (ab.) 





Man denke fih hier die Dauer von vier oder fünf 
durchlebten Zagen, — Ewigfeiten für Den, welder 
liebt und leidet, — und blide dann in Bonaventuris 
Gemach! 

Bonaventuri. (akein.) Ich Thor, der ich 
Martellis Bitten nachgab, ihm, ihm, dieſem Unem⸗ 
pfindlichen mein Leiden vertraute! Wohin ich gehe und 
trete, folgt er mir nun mit Sittenſpruch und Ermah⸗ 
nung nach; will mit Gewalt den Dorn aus meinem 
Herzen reiſſen, und drückt ihn immer noch tiefer, im⸗ 
mer noch blutiger hinein! — 

Ha! als od ich es felbit nicht genüglid wüßte — 
nicht längft in jeder Nerve fühlte, daß meine Leiben⸗ 
ſchaft Thorheit ſey! Aber Eann ih anders? Rief ih 
ihr? Ward ich nicht überraſcht, als ich am mindeſten 
es waͤhnte? — War ed nicht ſichtliche Beſtimmung! 
Hab' ich ihr nicht entgegen gekämpft mit Eifer und 
Anhalten? Wohlan, ftarred und doch zur Unzeit fo 
biegfames Herz, bulbe, büße jetzt für deine Unvor« 
fig! Ä 


un 12 0m 

Ich will, ich fol, ich muß alfo ungluͤcklich feyn ! 
Hier keine Nusfiht zum Glück, Eeine zur Ruhe — 
außer wenn ich diefes elende Leben binwegwerfe von 
mir; dieſes Leben, mie lältiger ald ein Winterkleid dem 
Wanderer am wärmften Sommertage! — (Lange Paufe , 
dann baftig :) 

Wohlan, Dad will ih! Nur wiffen muß fie es 
noch vorher ! Wilfen, wer ich war; daß ich fie liebte; 
fie anbethete; für fie flarb; gern ſtarb! — O göttli« 
ches Mädchen, nur ein Wort von dir, und Menfchen- 
alter find nichts! Nur ein freundliches, und Engelle⸗ 
ben find mir ein Zand dagegen! | 
Und wäre eö ihr denn, diefes freundlihe Wort 
zu ſprechen, fo ganz unmöglich? Ihr, die, dem Üus 
ern nach , die Gute felbft zu feyn ſcheint? 

Sonderbarer Gedanke! Ein Lichtſtrahl, der aus 
dunkler Ziefe vor mir auffteige ! Gütige Gottheit, 
wäre es dein Rathſchluß vielleicht, daß in des Lebens 
fester Daͤmmerung noch diefer Zeoft mir würde? daß 
er mir nachſchallte bis über das Grab hin! — — Dars 
auf los, Bonaventuri! darauf los und verfuche es! 

(Mit verändertem, entidloffenen Tone) Sprechen affe 
will ich — muß ih fi! — Kur wann — wie — 
wo Das? wie diefen Schatten, der fie überall beglei- 
tet, ihre ftrenge Auffeherinn , hintergeben? — Aber 
warum aud eben hintergehen? Sit fie nit ein 
Menſch, wie ih? Ein Weib, und folte nicht Liebe 
fennen? Sollte Bitten, Knieen, Verſprechen, Ge: 
fhenfe — follte Schmeicheley ungerührt zurüds 
weifen Fönıen? 

Ya — ja, ih will es verfuhhen! Morgen ſchon 
es verfuden! So früh ich nur kann: fobald ich fie aus⸗ 


! 
wow 13 —X 


gehen ſehe! Ha, und wenn es mir gelingt, dann ver⸗ 
zeihe ich dir gern, gütiger Himmel, wenn auch die 
übermocgende Sonne mein Auge nicht wieder zum 
Leben erwedr! 





Der nah Mitternacht eingefhlafene Bonavens 
turi warb mit dem früheften Lerchengefange wieder 


munter. Zaufend Mahl wiederbohlte er fich nun jedes. 


Wort, das er zu fprechen beſchloſſen hatte; den gans 
zen Morgen kaufchte und kaufchte der Züngling, bis 
er gegen die Mittagsitunde Bianca's Hofmeifterinn 
ausgehen fah. Raſch eilte er ihr nah, und hohlte fie‘ 
an einem etwad minder volfreihen Orte glücklich ein, 
Bonav. Verzeiben Sie, gute Eignora , wenn 
ich hier, aufwenige Worte nur, Ste anzureden wage ! 
Es betrifft nichts Geringeres, als das Leben eines mei⸗ 
ner Freunde. 
Hofmeiſterinn. Sprechen Sie mit mir, Sig⸗ 
nor? Irren Sie fich nicht vielleicht ganz in der Perſon? 
Bonav. Keinesweges! Sie find die Erzieherinn 
der edlen Bianca Capello, Tochter eines der Erſten 
im Staatsrath. 
Hofm. Ganz recht, Die bin ich! Aber wie ſollte 
ih olſo — 

Bonav. D, ihbin ber unglücklichſte aller Men: 
fhen, wenn Sie mid nicht hören wollen! — Einer 
meiner Qandöleute ,. mir fo werth ald meine eigene 
Wohlfahrt, fleht in Gefahr, binnen wenigen Tagen 
Güter, Seelenruhe, Leben und Alles zu verlieren, 


wenn Cie, edle, großmätbige Frau, ſich ſeiner nicht 
annehmen. 


wo 14 ven 

Hofm. (immer x verfegener,) Wie kann ih Das aber? 

Reden Sie deutlicher! 
Bonav. Sein Schickſal ſteht in Capello's rich⸗ 
terlichen Händen, Capello's Her, in Bianca's Mills 
für, Bianca’s Freyheit unter Ibrer Auffiht. — Vers 
gönnen Std mir daher nur wenige Worte mit diefem 
holden Mädchen zu fpreden! Sie fol, habe ich fagen 
bören, das Bild der Sanftmuth felbft ſeyn: Eein Zwei⸗ 
fel, daß Sie — zumahl von einer folhen Erzieherinn 
geformt — auch ein ſanftes, edelmüthiges Herz beſitzt. 
Und dann, dann wird ſie mich hören, wird ihren Vater 
lenken; wird meinem Freunde, und zugleich auch mir 
das Leben wieder geben. 

Hofm. für ſich.) Ein braver, edler Jüngling! 
— (aut.) Signor, ich verſtehe zwar noch nicht völlig 
Ihre Abſicht; aber tif Dieß Ihre ganze Bitte? 

Bonav. Meine ganze! 

Hofm. So ſey fie Ihnen gewaͤbrt! An mei⸗ 
nes Naͤchſten Unglück pflege ich nur allzu gern mit⸗ 
leidigen Antheil zu nehmen. Auch hier will ich, 
eines kleinen aufſteigenden Verdachtes willen, mich 
nicht hartherzig zeigen. — Zwar dürften Sie kühn 
nur mir ſelbſt Ibre Bitte an Bianda auftragen, und 
der päünctlihften Ausrichtung verfichert feyn — (indem 
Je einen Augendlick inne Hält und ihn forſchend anbdlickt.) 

Bonav. (vertegen.) Kein Zweifel — aber gleiche 
wohl — vergeben Sie — 

Hofm. Schon gut! Schon gut! ih merke 
wohl, daß Sie ſich und Ihren Freund nidt meiner 
@orgfalt allein anvertrauen wollen, und ed ſey — 
Spnen verziehen. Sie follen meine Pflegetochter ſelbſt 
ſprechen. 


me 15 men 


Bonav. Maris) Soll ich? Soll ih wirklich? — 
D Dank, taufend Dank dafür, trefflihe Signora ! — 
Aber wann und wo fol diefes Alles geſchehen? 

Hofm. (mit zweydeutigem Zone) In der That, 
Signor, Sie müflen Ihren Landsmann mit mehr als 
gewöhnlicher Freundſchaft lieben. Das Feuer Ihrer 
Rede, das Funkeln ihrer Augen zeugt davon, und 
dürfte mich faft ın meinem Verdachte beftärken. 

Bonav. Verdacht! Wecke Gott gegen mid) jebe 
Strafe der Hoͤlle ſchon hiernieden, wenn bier die Rede 
von einem Betruge ift! Kann Feuer der Rede für das 
Leben eines Freundes — ad, des nädften Freundes, 
den ich habe! Verdacht erregen? Sehe id) aus ‚ wie 
Einer, der falfch ſchwört? 

Hofm. Nein, wahrlih nicht! Auch würde ich 
Ihnen! dann kaum fo longe Zugehört haben. — 
Bleibe es alſo bey meinem Verſprechen, und merken 
Sie auf, wie ich es zu halten gedenke! Ich pflege zu⸗ 
weilen Vormittags mit Bianca ein Kloſter in Zuecca 

zu beſuchen, und werde es auch morgen thun. Glocke 

neun Uhr verfäumen Sie daher nicht, in einer Straße _ 
bey der zweyten Brüde fi) einzufinden! Eine Gon- 
bel, die bereits unfer wartet, die burch ihre etwas 
größere Bauart von ben Übrigen dort liegenden Fahr⸗ 
zeugen ſich ziemlich merklich unterfcheidet, und die im 
Nothfall ein Zeichen, mit einem weißen Zug von mir 
oder Bianca gegeben, noch kenntlicher machen wird, 
ſoll uns alle drey zum uͤberſetzen aufnehmen. Waͤhrend 
der uͤberfahrt koͤnnen Sie dann mit der jungen Gas 
pelld ſprechen. — Nur vergeffen Sie nicht mie Schlag 
neun Uhr da zu ſeyn! | 


—E i6 vum 

Bonav. Es vergeflen? O ehe ben Nahmen dies 
fer Stadt, eh’ felbft. den Meinigen! Leben Sie webl, 
großmüthige Signora ! Segen der heiliaen Jungfrau 
fomme über Sie, weil Sie gütig ihr Ohr auf die 
Stimme eines Befümmerten neigten! (s6.) 

Hofm. Welhe feltene Freymüthigkeit ſprach 
aus dieſem Jüngling? Welche unbekannte Kraft zwang 
mich gleichſam feinem Begehren zu gehorchen; — machte 
mich bereitwilliger, als ich ſonſt zu ſeyn pflege? Gut, 
daß ich nicht mehr ein Mädchen und jung bin; ein 
Mann , wie Diefer da, würde mir gefahrlich feyn, und 
harte ich auch das Gelübde der Keufchheit geftern erſt ab⸗ 
gelegt. — (Ibm nacblicend.) Ha, er lenkt ſich dort feit« 
waͤrts; — er gebt in Salviatid Haus! Vielleiht war 
ed Salviati felbiit D gewiß, gewiß war er ed! We⸗ 
nigftens Eein ©eringerer, ald er! — (Reine Paufe.) 
Und doch, wenn eine Liſt hierunter verborgen laͤge? 
Bianca ift ſchön, die Klorentiner find ſchlau; diefer 
Süngling war feurig und einnehmend. Wenn vielleicht 
ein verjiedter Plan — Doc nein, nein! Weg mit bır, 
allzu mißtrauiihe Klugheit! Auf einem fo ehrlichen 
Gefihte muß man feine Schminke murhmaßen ! — 
(Seht ab.) 





(Nächſte Nackt.) 


Bonaventuri (in feiner Rammer allein. Er niet nie 
der und bethet.) 


Gütigſter Gott, meinen feurigften Danf! — 
Daß er aufflöge zu bir mis Adlersſchwingen! Taf er 
lieblich und heil, wie eines Seraphs Harfe, durch alle 

deine 


won 27 vn 
deine Himmel tönte! — Sch werde Sie ſehen! werde 
-Sie ſprechen! — Jetzt keine Frage, kein Kummer: 
Wie? und Wovon? Genug ſchon, daß ich ſie ſehen, 
daß ich ſie ſprechen ſoll! 

Wär’ auch mein fünftiges , ganzes Leben Qual . 
auf Qual, Folter auf Folter., — nie, du Alleiniger; 
Allwaltender, nie dürfte ih Elagen: daß Du mir des 
Guten biernieden zu fparfam zugemeilen habeſt. — 
Diefer Augenblick, der Hoffnung und Freude fo über: 
voll, ift mehr ald ein Menſchenleben werth; ift das 
srefflipfte Geſchenk eines Gottes der Güte. (Fleine Paufe.) 

Heiliger Antonius, Leiter, Befhüger meines Les 
bens, zu dem ic) erit heute noch, bevor ich ausging, 
meine Bitten wandte; der du mich hörteft / mir Much 
verliehſt ‚ meinen ſtammelnden Worten die Fülle der 
Überredung gabit , vollende nun auch bein Merk! 
Zräufle morgen wieder deine Segenskraft auf mich 
herab! Dffne meine Lippen! &ie werden wohl und 
weife ſprechen, wenn du fie öffneft! — Sieh, ohne 
Zittern. flehe ich dich, flehe ich alle Heilige des Him⸗ 
meld, und feldft die unbefleckte, die hochgebenedeyte 
Jungfrau um Schirm bey meiner Liebe an ! — Ad, 
es iſt nit Brunft, wie die Welt fie fühlt. Es ift die 
reinite geiftigfte Liebe, die jemahls ein flerblicher Bu⸗ 
fen empfand. 





Langfam ſchlich der übrige Theil der Nacht dahin. 
Bonaventurid Augen befuchte Fein Schlaf; defte reich: 
licher waren fie oft von abwechſelnden Freudenthraͤnen 
und Schmerzensthränen erfült. Schwindelnde Ente 
würfe,, tadelnde Überlegung, zitternde Ahnung, lös⸗ 

Meißners Bianca Gap. 1. Th. VB 


we IB rueea 


Cen ſich unaufboͤrlich unter einander ab. Daß die Hofe 
meifterinn doch wohl ihr Wort nicht halten werde — 
daß ihr Blick bis in fein Herz gedrungen fey — daß 
Bianca ihm mit Zorn Stillfhmweigen gebiethen werde, 
dag — g wer Eann fie zählen die taufend und aber 
taufend Sorgen, die body immer wieder in den Aus⸗ 
rufübergingen: Nein ! Nein! ich werde fle fehen, werde 
fie ſprechen! 

Endlich erſchien der P ſehnlich gewünſchte Tag; 
endlich ſchlug es neun Uhr! 





(Straße) 


Bianca. Hofmeifterinn. (Beyde auf den Canal 
zu gebend.) 


Bianca. Sie glauben alfo wirklich, daß es 
Salviati geweſen fey ? 

Hofm. Ganz gewiß! Nede und Anſtand 
verrietben ihn faft noch mehr als feine Wohnung. Zus 
dem entfinne id mich auch, wie im Traum, ihn ſchon 
vordem geſehen zu haben. — D es ift ein edles Haus, 
das Haus des Salviati, und diefer Mann war es wahr: 
haftig niht minder! — Die Gluth, mit welcher er für 
feinen Freund fprach, ber ungekünftelte und doch rüß« 
vende Dank, womit er mid) überhäufte, die zuverſichts⸗ 
volle Miene, mit welcher er von mir fehied, Alles zeig« 
te von innerm Werth und aͤchtem Adel. 

Bianca. Sie mahen mid immer neugieriger ; 
denn ich weiß: @ie loben felten. — Db er aber auch 
gewiß unfer warten wird ? 


eo 
’ we 19 A P n 

Hofm. Wollte der Himmel ich befäße eben, 

fo fiher den Ning der Unfichtbarkeit, oder den Gürtel - 
der immerwährenden Jugend, als er nicht außen bleiben 
wird. — Schiffer, fahr an! (indem Re einfeigen.) St 
nod niemand vor und bier gewefen ? 
— Shiffer. Menfhen genug! Unter Andern ein 
junger, hübfcher, ziemlich ‘gut angezogener Burſch. — 
Er fheint etwas Beſtelltes zu haben, denn er bat ſchon 
drey Mahl meine Gondel angeftarıt, als ob er mir fie 
feil machen wollte. — Wenn ih nicht irre, Rebe er 
noch dort und paßt auf. 

Hofm. (achelnd gu Stanca.) Und wenn mich mein 
Geſicht nicht trügt, fo ift er es! 

Bianca. -Nun, fo laſſen Die uns ihm auf guf 
Glück das Zeichen geben! Ein Sremder verfteht es ja 
doch nicht. (Sie bebt den Schiever auf, und ficht durch ein 
Asınglad allentbalben fi um. Die Hofmeiſteriun ſchwingt «in 
weißen Tuch; ſogleich rufe Bianca) Er kommt — er kommt 
fhon! Ah, wie er eilt! Eine Schwalbe, duͤnkt mich, 
würde athemlos hinter ihm herflattern! 

Hofm. Iſt er nicht ſchoͤn? 

Bianca. Wenigſtens ziemlich gut gewachſen, 
fo viel ich ſehen kann! (für na.) Ziemlich ſagte ich? — 
Gütiger Himmel, verzeih mir dieſe Lüge! Ich habe 
noch nie einen fhönern Mann gefehen. 

Hofm. Werfen Sie doch Ihren Schleyer über! 
Er ift ja ſchon de. 

Bianca. (indem fie es mu). Sie haben recht. 
für A.) Wüste ich doc in meinem Leben nicht es fe 
ungern gethan zu haben! 

Bonav. (ind Sciff tretend.) Verzeihen Sie, meine 
Damen, verjeiben Sie der Dreiſtigkeit eines Unbe⸗ 

B 2 


v 


von BO rose. 


Sannten!: Und Eie, fhönfte Signora Bianca, fehen 
Sie hier zu Ihren Füßen — — 

Bianca. Cipn autpattend.) Nicht doch, Eignor! 
Bedenken Sie, wo wir find, — Meine Pflegemutter 
bat mir gefagt, daß Zie mein Vorwort wegen eines 
unylüdlichen Freundes anflehen wollten — 

Bonav. (feuriend.) Sa wohl, einds unglüdlihen 
Freundes! 

Bianca. Hurtig daher, Signor! Iſt irgend 
dinige Kraft in meiner Schwäche befindlich, — iſt es 
mir Ihnen zu nützen möglich, fo reden Sie frey und 
brein ! | 

Bonav. DO wer könnte Dad, ſobald man Eis 
ſieht und hört? — Engel des Himmels, diefe ınelodis 
fhe Stimme — 

Bianca. einfattend) Keine Schmeicheleyen, 
Signor, wenn ich bitten darf ! Sch höre fie nie gern? 
auch an rubigern Orten nicht, als diefer ba iſt. Lieber 
zur Sache ſelbſt! Wodurch kann ih Joren bedraͤngten 
FJreund retten? 

Bonav. (forternd.) Könnte ih nicht — zwar — 
aber doch — 


Hofm. Ih merke es fhon, Siguor, meine Ger 


genwart hindert Sie. Eo gern ih Sie auch ſprechen 
bore, fo will ih DLoh auch ungebethen, aus Freund⸗ 
ſchaft für Zie, diefen Zwang Ahnen erfparen. (Bie geht 
auf die andıre Seite des Schiffs.) 

Bonav. (ihr naa.) Eine Büte, die mich befhamt ! 
— (ju Bianca.) Zwar find wir nun allein, ſchönſte, 
edelite Signora! Aber noch habe ih ein anderes Be⸗ 
gehren, bevor ih zur Hauptbitte fomme. Edlagen 
ie dieſen mißguͤnſtigen Schleyer zurück! Wenn ich 


N 


os. 9 wm 


gewürdigt werde, Ihre Augen zu feben, diefe. Augen, - 
an denen die fihaffende Natur ihr Meifteritüc volle 
brachte, dann werde ich nicht nur neubefeelt mich füh⸗ 
Ien, fondern auch in ihnen Iefen können, ch mein 
Freund Erhörung finder. | 

Bianca. Eie haben eine Sprache, die mir noch 
ganz neu, und einen Zon, ber mir bey einem Fürs 
ſprecher ganz unerwarter iſt. Aber eben diefer Zelten» 
beit und meiner Neugierde wegen, fey es Ihnen ges 
währt! Gie ſchlagt den Schiene auf) Doch auch nun 
Feine Umjtände weiter! Was fordern Sie? 

Bonav. Nichts, als ein einziges Wort, edle 
&ignora! Der Eleinfte,, günftigite Hau Ihres Muns 
des, der Eleinfte zufriedene Wink Ihres Auges wirb 
einem Unglücklichen das Reben wieder fhenken, das er 
ſo eben zu verlieren in Gefahr ſteht. 

Bianca. Aber für welches Verbrechen fol er 
denn fterben ? | 

Bonav. (mis zitternder Stimme.) Füͤr die ſchuld⸗ 
loſeſte Verwegenheit, die jemahld im Bufen eines. 
Sterblichen ſich einſchlich. — Tiefer Unglückliche liebt — 
liebt mit Flammengluth; — liebt Sie, ſchönſte Bian-⸗ 
ca; und — dieſer Ungluͤckliche — dieſer Frevler — 
bin ich! 

Bianca, (erfauıt.) Wie, mein Herr — 

Bonav. (rafb.) Nein, götslihe Schöne, verzb⸗ 
gern Sie noch Ihren Ausfpruch! Laffen Sie mid) noch. 
einige Angenblide hindurch der glücklichſten Minute 
meines Daſeyns genießen: noch ein Mahl in diefes 
Auge bliken, das ein Chaos mit Schönheit, und ein 
Grab mit Leben begaben Eöunte! — Ach, ich zittere 
vor der Nacht, die von aun an mein Leben verdun⸗ 


teln, aber, zu meinem einzigen Trofte, auch bald 
enden wird, enden muß. 
(Blanca laͤtzt Hier den Sieger finfen, denn die Bofweſſte 
naht ſich Ihnen wieder.) 
Hofm. Sind fie fertig, junger Mann : 
Gondel ift am Lande! 
Bonav. Sogleich, Signoral — Nun we 
ebelmüthige Bianca, ſprechen Sie nun das Urt! 


meines Freundes! Von Ihrem Munde wird er fe 


Verdammniß mit ſchweigender Ergebung hinnehmen 
bodenlos auch der Abgrund -ift, in melden Sie 
dann hinabſtuͤrzten. — Darf er hoffen? 

Bianca. (nad einer Beinen Paufe) Sagen ( 
ihm : feine Verwegenheit fey zwar fehr groß; denn 
dürfe er hoffen! — Sein Zürfprecher fey allzu : 
gewählt, als ba er nicht wenigſtens auf meinen gu 
Willen vechnen könne. 

Bonav. (voll Entzüden.) Edelfte alle r edlen! 
netianerinnen! Nie hat der Mund himmliſcher Friede 
bothen erquicdender gefprochen. — Kräftiger wird d 
Nachricht meinen gebeugten Freund aufrichten, als 
Eommertegen verwellende Baaten. (Gr min den S 
iheed Kleides Füffen; ſie reicht ihm die Sand. Er wendet 
alsdann zur Hofmeierinn.) Gütige Signora! mein Freu 
befigt wenig, und doch von nun an mehr, als der gr 
te König des reihen Indiens. Er befhwor mid, 
Fall, daß ſein Flehen Statt fände, nicht eher abzul 
fen, bis Sie diefe Kleinigkeit in feinem Nahmen, 
gleih er Ihnen noch fremd ift, angenommen f 
ten. Verfhmähen Sie diefe Bitte eines Unbekann 
— verfhmähen Sie die Meinige nicht! (Er reich 


— 


sch 25 0 ‘ 


eing volle Börfe und entfernt füch Früher , ee fie ſich noch be⸗ 
Annen kann, mit ſtarrem Blick auf Blanca.) 
Hofm. Signor! was wollen, ‚was denken Sie? 


Nehmen Sie wieder zurück! Wofür — — — Ah, 


verſchwunden wie ein Geiſt beym erſten Hahnenruf! — 
(die Börfe öffnend.) ieh da, Gold! eitel Gold! O ges 
wiß war es Salviati felbft! Hat er Ihnen nice feinen 
Nahmen gejagt? . 

Bianca. (gielgiam erſchredend.) Ich Thoͤrinn! — 
Habe ich daran wohl mit einer Sylbe gedacht! 

Hofm. Aber die Sache ſelbſt? — Darf ih wiſ⸗ 
ſen, wovon er ſprach? | 

Bianca D allerdings! Bon — von — im 
Bapıpeit — 

Hofm. Schon gut! Ich merke, meine Frage 
mißfaͤllt, und ich erlaſſe Ihnen die Antwort. Nur 
daß Sie feine Bitte ihm ja gewähren, wofern ſie bil⸗ 
lig ift! (den Beutel wieder eröffnend.) Lauter Gold! In 
der That, diefer Tag ift gut, für mich! _ 


[3 





Was Bonaventuri jetzt im Taumel ſeiner Wonne 
Bianca's Hofmeiſterinn als Geſchenk uͤberlieferte, war 


wirklich eine ziemlich anſehnliche Summe, denn es war 


der ganze kleine Nothpfennig, den er ſeit einigen Jah⸗ 


‚ren in Salviati's Dienſten ſich erübrigt hatte; war nicht 


weniger, ‘als — ſein Alles. Und doch hatte er auch 
mit der Verſicherung recht: „Alle Monarchen Indiens 
dünkten ibm jetzt, im Vergleich feiner ferbft, Bettler 
zu fen!” Er eilte wieder in fein einfames Gemach; 
er warf fih mit einer ganzen Fluth von Freudenthraͤnen 
auf fein Lager, — „Bogen Sie ihm, er dürfe hoffen !” 


rn OA eroca 
Dieß wiederhohlte er ſich itet3 ; bald leiſe, bald Ta 
Wer ihn jegt durch eine Ritze der Wand belauſcht h 
te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude 
nes Wahnſinnigen ſey. 

Aber nicht lange ſprach er mit ſich allein dav 
Er hatte dieſen Morgen, was ſonſt nie geſchah, 
dem Schreibezimmer gefehlt. Er erſchien bey der X. 
mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wie 
die Schüffel unangerührt bey ſich vorübergehen; a 
deito Öfter ſprach er — ebenfalld gegen feine ©: 
— dem Keldyglafe zu. Ein frohes Wort folgte da 
dem andern. Martelli jtaunte mehr ald zehn M 
ihn an, und begriff ihn nicht. Nach der Tafel, fob 
er feiner allein habhaft werden Eonnte, drang er f 
gend in ihn. Heilig hatte fi) zwar Bonaventuri v 
genommen, Niemanden, ja Niemanden! nur eine © 
be von dem ganzen Morgen Abenteuer zu entded 
Doch wie ſchwer laßt fi die Hoffnung freudiger Li 
verichweigen! Wie fait unmoͤglich ift ed einem forſch 
den Freunde zu widerſtehen! Martelli erfuhr 5 
Alles. 

Er ftußte, ald Bonaventuri feine geftrige Kül 
beit geftand, er fiußte noch mehr, als er auf bei 
fam. &tumm, nur dann and warn mit einem kleu 
Kopffgütteln, hörte er der Erzahlung zu. Bonav 
turi, als er nun fertig war, mußte zwey Mahl i 
fragen: was er von dem Allen denke? — 

Mart:. Daß ich nicht der alfe Capello fegn, u 
nur einen Funken Argwohn von dieſem Worgange | 
ben möchte ! 

Bonav. Und was wollteft du dann thun I 


wen 95 — 


Mart. Eine Hofmeifterinn dieſer Art tiefer ind 
Mriatiſche Meer werfen laſſen, als je ein Done > den 
Ring am’ Bermählungstage: 
| Bonav. (valblachend.) Sonderbarer Mann! wer 
ſpricht von der Hofmeifterinn? Was du von Bianca, 
ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will &b 
wiffen. 

Mart. Unb aufrichtig ? | — 

Bonav. Allerdings. 

Mart. Daß auch das trefflichſte Mädchen nur 
ein Mädchen iſt; daß aber ein Mann nie Mann ju 
fenn vergeffen follte ! 

Bonav. Schade, daß ich diefen Gittenfpruch 
nicht ganz, mwenigften® hier nicht ganz verftehe! 

Mart. Sahſt du wirklicy Eeinen Blick ihres Aus - 
ges, der.zürnte? Hörteft Eein Wort, das did ſtraftes 

Bonav. Keines. 

Mart. Fragte ſie denn nicht einmahl, wer du 
wäreſt? 

Bonav. Nein! 

Mart. Unbegreiflih ! Und fagte doch wirklich, 
dag du hoffen dürfteft ? | 

Bonav. Sie fagte es. 

Mart. Viel, nnendlid viel! Mehr, als ich dem 
reichſten jungen Mobili beym erften Angriff verfprochen 
hatte! Aber auch wahrlid nur ein Rieſenſchritt — zum 
Abgrund. Wie Das nun fortgehen fol, haft du auch 

Das überdadt? | 
Bonav. (verdriehtib.) So weife gefprochen , baß 
deine Worte, daß diefe Figur der Frage ber erite befte 
Pater in feiner Faften = Predigs brauchen Eönnte! Frey⸗ 
lich, wer zukünftige Dinge vorausfähe! (Häpnits.) Doch 


wm 26 vw ! 


laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem Glaſe 
Wein läßt ſich eine fo unwichtige Sache ſchon übe re 
denfenz ja, durchdenken wohl gar! 

, Dart. (ganz gelaſſen.) Merkſt du nicht, lieber 
Pietro, daß deine Zunge anſtößt? Und fließt du 
nicht ſchon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, daß 
Spott — Spott Über einen forgfamen Freund? — 
bier nicht am rechten Orte ſtehe? DVerlache meine Be⸗ 
huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vieleicht wäre bein 
Teuer ſchon längft ausgebrannt, wenn es nicht meine 
Kälte bisweilen noch mäßige. — Ad, beym Sprunge 


"der Tollkühnheit if jeder Stick in die Zukunft 


freylich allzu ſchwer und aud allzu trügend. ToltEühn 
aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen auf 
nichts weiter, als auf die Gegenwart ſchaut. — Zu 
etwas follte dich doch wohl der dreifte Schritt, den du 
bey diefem Gefpräbh unternahmft, führen 4 

Bonav. Zu meinem Tode, wenn fie Rein 
fagte! 

Mart. Nun! Aber ihr Ja — wozu Das! _ 

Bonav. D des edlen fanften Gefhöpis! Sich 
bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten könne, 
ald nur je ein Sort! Und o, die doch mit eden biefer 
Güte eines Gottes Leben gab, — mir Unwürdigen 
ſolches gab! «mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hitze, 
Freund! Ihr entſchlüpfen zuweilen Worte, die freylich 
dich beleidigen können, aber nicht follen. — Wie 
Das fortgehen ſoll — nicht wahr, Das fragteft tut O 
mein Guter, wie Bann ih Das jeht beſtimmen? Aber 
Zeit, Leidenfchaft und Zufall werden mir fhon Maße 
regeln an die‘ Hand geben, wenn id auch jetzt noch 
. nicht weiß, wozu ich greifen TON. 





— 


rose "27 ua 


Mart. Zeit, Leidenſchaft, "Zufalt Drey fehr 


ungewiſſe Rathgeber! Ich wünfdte dir fiherere, beim. 
id liebe did. — Laß uns einmahl bas Heer ber Möoͤg⸗ 


TihEeiten muftern! Aus ihnen tritt oft ie Wirk: 
lichk eit hervor. — Kannſt du wohl hoffen, dich. 
durch Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß du einft 
— und dieß einft müßte noch dazu bald ſeyn — oͤf⸗ 
fentlih um Bianca werben dürfte? 

Bonav. Eine Frage, als ob id Kaifer in’ Japan. 
zu werden gebädte! ! 

Mart. Oder willft du fortfahren, heimlich ihr 
Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu hinsergehen ſu⸗ 
hen, das, in der Welt noch unerfahren, vielleicht eit- 
len Soffnungen Gehör, unbefcheidenen Wünfhen Ges 
mwahrung geben dürfte? Und wenn fie ed getban, wenn 
fie ganz dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗ 
vortreten und zu ihrem Water fagen: Das that ich! 
Nun verzeiht und gebt fie mir! 

Bonav. Elender! was denkt dis von mir? 

Mart. Nichts, als daß Liebe leicht in dir eben 
Das hervorbringen koͤnnte, was fie ſchon im taufenb, 
wohl! Lültern Menſchen hervorgebracht bat: Änderung 
unſerer erften tiefften Grundſaͤtze. 

Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder Ehre, 
zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir ver⸗ 
flucht, menn gr durd Erumme Pfade dei Trugs und 
leitet! 

Mart. Oder wie? wenn fie dich mehr als Glanz 
und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn ſie 
zärtlich ihren Arm um deinen Nacken wuͤrfe, und mit 
bir in einen einſamen Winkel der Erde Höhe? 


Ten, aber, zu meinem einzigen Trofte, auch bald 
enden wird, enden muß. 
(Blanca 1äßt Hier den Sqhleyer ſinken, denn die Bofmeſſte 
naht ſich Ihnen wieder.) 
Hofm. Sind ſie fertig, junger Mann? : 
Gondel ift am Lande! 
Bonav. Sogleich, Signoral — Nun we 
ebelmütbige Bianca, ſprechen Sie nun das Urt 


meines Breundes! Von Ihrem Munde wird er fe 


Verdammniß mit ſchweigender Ergebung hinnehmen 
bodenlos auch der Abgrund iſt, in welchen Sie 
dann hinabſtuͤrzten. — Darf er hoffen? 

Bianca. (nad einer Leinen Paufe) Sagen ( 
ihm : feine Verwegenheit fey zwar fehr groß; denn 
dürfe er hoffen! — Gein Fürſprecher ſey allzu | 
gewählt, als daß er nicht wenigſtens auf meinen gu 
Willen vechnen Eönne. . 

Bonav. (vou Entüden.) Edelſte alle v edlen‘ 
netianerinnen! Nie hat der Mund himmliſcher Friede 
bothen erquickender geſprochen. — Kraͤftiger wird d 
Nachricht meinen gebeugten Freund aufrichten, als 
Sommerregen verwelkende Saaten. (Gr win den © 
Idee Kleides küſſen; flo reicht ihm die Hand. Er wendet 
alddann zur Hofmeifterinn.) Gütige Signora! mein Brei 
befigt wenig, und doch von nun an mehr, als ber gr 
te König des reihen Indiens. Er befhwor mid, 
Fall, daß ſein Flehen Statt fünde, nicht eher abzul 
fen, bis Sie dieſe Kleinigkeit in feinem Nahmen, 
gleich er Ihnen noch fremd iſt, angenommen f 
ten. Verſchmaͤhen Sie dieſe Bitte eines Unbekann 

— verſchmaͤhen Sie die Meinige nicht! (Er reiche 


rel 25 .. N 
eing volle Boͤrſe und entfernt ſich früher , ehe fie ſich noch be⸗ 
innen Tann, mie ſtarrem Blick auf Bianca.) 

Hofm. Signor! was wollen, ‚was denken Sie! 
Mebmen Sie wieder zurück! Wofür — — — Ah, 
verfhwunden wie ein Geift beym eriten Hahnenruf! — 
(die Börfe öffnend.) Sieh da, Som! eitel Gold! O ges 
wiß war es Salviati ſelbſt! Hat er Shnnen nicht feinen 
Nahmen gefagt!. | 

Bianca. (gieigfam erſchredend.) Ich Thörinn !— 
Habe ich daran wohl mit einer Sylbe gedacht! Ä 

Hofm. Aber die Sache ſelbſt? — Darf ich wiſ⸗ 
fen, wovon er ſprach? | 

Bianca D allerdings! Bon — von — in 
Bapıbeit — 

Hofm. Schon gut! Ich merke, meine Frage 
mißfaͤllt, und ich erlaſſe Ihnen die Antwort. Nur 
daß Sie feine Bitte ihm ja gewähren, wofern ſie bil⸗ 
lig iſt! (den Beutel wieder eröffnend.) Lauter Gold! In 
der That, diefer Tag ift gut, für mich! 





Was Bonaventuri jetzt im Taumel ſeiner Wonne 
Bianca's Hofmeiſterinn als Geſchenk uͤberlieferte, war 
wirklich eine ziemlich anſehnliche Summe, denn es war 
der ganze Eleine Notbpfennig, den er feit einigen Jah⸗ 
‚ven in Salviati's Dienften fich erübrigt hatte; war nicht 
weniger, als — fein Alles. Und doch hatte er auch 
mit der Verfiherung recht: „Alle Monarchen Indiens 
dünften ihm jest, im Vergleich feiner ferbft, Bettler 
zu feyn!” Er eilte, wieder in fein einfames Gemach; 
er warf ſich mit einer ganzen Fluth von Freudenthzaͤnen 
auf fein eager. — „Basen ie ihm, er börfe hoffen !” 


or 2 24 ro. 


Dieß wiederhohlte er fi itet3 ; bald leiſe, bald Ta 
Wer ihn jetzt durch eine Ritze der- Wand befaufcht h 
te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude 
ned Wahnfinnigen fep. 

Aber nicht Tange fprah er mit fich allein dav 
Er batte diefen Morgen, was fonft nie geſchah, 
dem Schreibezimmer gefehlt. Er erfhien bey der T. 
mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wie 
die Schüffel unangerührt bey ſich vorübergehen; a 
deito Öfter fpradh er — ebenfalld gegen feine ©i 
— dem Kelchglaſe zu. Ein frohes Wort folgte da 
dem andern. Martelli jtaunte mehr ald zehn M 
ihn an, und begriff ihn nicht. Nach der Tafel, fob 
er feiner allein hbabhaft werden Eonnte, drang er f 
gend in ihn. Heilig hatte fi) zwar VBonavensuri v 
genommen, Niemanden, ja Niemanden! nur eine 
be von dem ganzen Morgen- Abenteuer zu entded 
Doch wie ſchwer laßt fih die Hoffnung freudiger Bi 
verſchweigen! Wie fat unmoͤglich ift es einem forſch 
den Freunde zu widerſtehen! Martelli erfuhr b 
Alles. 

Er ftußte, ald Bonaventuri feine geftrige Kül 
beit geftand, er ftußte noch "mehr, als er auf be 
Fam. Stumm, nur dann and wann mit einem Ele 
Kopffütteln, hörte er der Erzählung zu. Bonav 
turi, aid er nun fertig war, mußte zwey Mahl | 
fragen: was er von dem Allen dene? — 

Mart: Daß ich nicht der alfe Gapello fegn, u 
nur einen Funken Argwohn von diefem Worgange | 
ben möchte ! 

Bonav. Und was wollteft du dann thun ? 


wen 95 vs 


Mart. Eine Hofmeifterinn diefer Ark tiefer ind 
adriatifhe Meer werfen laffen, als je ein Doge den 
Ring am’ Vermählungstage: 

Bonav. (Galblachend.) Sonderbarer Mann! wer 
fpricht von der Hofmeifterinn? Was du von Bianca, 
ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will &h 
wiffen. 

Mart. Und aufrichtig | — 

Bonav. Allerdings. 

Mart. Daß auch das trefflichſte Maͤdchen nur 
ein Maͤdchen iſt; daß aber ein Mann nie Mann zu 
ſeyn vergeſſen ſollte! 

Bonav. Schade, daß ich dieſen Sittenſpruch 
nicht ganz, wenigſtens hier nicht ganz verſtehe! 

Mart. Sahſt tu wirklich keinen Blick ihres Au⸗ 
ges, der.zürnte? Hoͤrteſt kein Wort, das di ſtraftes 

Bonav. Keines. 

Mart. Fragte pet denn nicht einmahl, wer du 
wareft ? 

Bonav. Nein! 

Mart. Unbegreiflich! Und fagte body wirklich, 
daß du hoffen dürfteft ? 

Bonav. Sie fagte ee. 

Mart. Viel, unendlich viel! Mehr, als ich dem 
reihften jungen Nobili beym erften Angriff verfprochen 
hatte! Aber auch wahrli nur ein Rieſenſchritt — zum 
Abgrund. Wie Das nun fortgehen fol, haft du auch 

Das überdacht? | 
Bonav. (verdrießlich.) So weiſe geſprochen, daß 
deine Worte, daß dieſe Figur der Frage der erſte beſte 
Pater in feiner Faſten-Predigt brauchen konnte! Frey⸗ 
lich, wer zukünftige Dinge vorausſaͤhe! (Häpnits.) Doch 


mn 90 ws 
laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem Glaſe 
Wein läßt fi eine fo unwichtige Sache fiyon übe re 
denfenz ja, durchdenken wohl gar! 

Mart. (gang gelaſſen.) Merkſt du nicht, lieber 
Dietro, daß beine Zunge anftößt? Und fließt dus 
nicht ſchon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, daß 
Spott — Spott über einen forgfamen Freund — 


bier nicht am rechten Orte ſtehe? DVerlache meine Bez . 


huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vielleicht wäre bein 
Feuer ſchon Tängft ausgebrannt, wenn es nicht meine 
Kälte bisweilen noch mäßigte. — Ah, beym Sprunge 


"der Tollkühnheit ift jeder Blick in die Zukunft 


freylich allzu ſchwer und auch allzu frügend. ToltkEühn 
aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen auf 
nichts weiter, ald auf die Gegenwart ſchaut. — Zu 
etwas follte dich doch wohl der dreiftie Schritt, ben dus 
bey diefem Geſpräch unternahmft, führen % 

Bonav. Zu meinem Tode, wenn fie Nein 
fagte ! 

Mart. Nun! Aber ihr Ja — wozu Dast _ 

Bonav. D des edlen fanften Geſchoͤpfs! Sich 
bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten könne, 


als nur je ein Gore! Und o, die doch mit eden diefer 


Güte eines Gottes Leben gab, — mir Unmwürdigen 
foldyes gab! (mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hitze, 
Hreund! Ihr entfchlüpfen zuweilen Worte, die freplich 
dich beleidigen Eönnen, aber nicht follen.— Wie 


Das forsgeben ſoll — nicht wahr, Das fragteft tu O - 


mein Quter, wie kann ich Das jegt beflimmen ? Aber 
Zeit, Leidenfhaft und Zufall werden mir [hen Maße 


regeln an die‘ Hand geben, wenn ich u jegt noch 


nicht weiß, wozu ich greifen PN. 


re "27 wuse 


Mart. Zeit, Leidenſchaft, Zufall! Drey ſehr 


ungewiſſe Rathgeber! Ich wuͤnſchte dir ſicherore, denn 


ich liebe dich. — Caß ung einmahl bad Heer ber Moͤg⸗ 


TihEeiten muftern! Aus ihnen tritt oft die Wirk: 
lichkeit hervor. — Kannſt dur wohl hoffen, dich. 


dur Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß du einft 
— und dieß einft müßte noch dazu bald feyn — oͤf⸗ 
fentlih um Bianca werben dürfte? 


Bonav. Eine rage, als ob ich Kaifer in Japan. 


zu werden gebächte! ! 

Mart. Oder willſt du fortfahren, heimlich ihr 
Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu bintergehen ſu⸗ 
chen, das, in der Welt noch unerfahren, vielleicht eit⸗ 
len Hoffnungen Gehoͤr, unbeſcheidenen Wünfhen Ges 
währung geben dürfte? Und wenn fie es gethan, wenn 
fie ganz dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗ 
vortreten und zu ihrem Mater fagen: Das that ich! 
Nun verzeiht und gebt fie mir! 

Bonav. Elender! was denkft dis von mir? 

Mart. Nichts, ald daß Liebe leicht in div eben 
Das hervorbringen könnte, was fie ſchon in tauſend, 


wohl kaͤltern Menſchen hervorgebracht hat: Änderung 


unferer erften tiefften Grundſaͤtze. 

Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder Ehre, 
zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir ver« 
flucht, menn gr durch Erumme Pfade des Trugs uns 
leitet ! .. 

M art. Oder wie? wenn fie did mehr als Glanz 


und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn fie 


zärtlid; ihren Arm um deinen Naden würfe, und mit 
dir in einen einfamen Windel der Wide Höhe? 


⸗ 


* 


we 28 um 


Bonav. Buter Gott, er würde mir zu eim 
Elyjium werden! 

Mare. Sch glaube ed, fo Tange ihr verborg 
bliebet. Denn von Eünftiger Erkaltung deiner Slam 
will ich dir jege nicht einmahl etwas vorſchwatzen. 
einem Augenblick, wie dieſer gegenwärtige, müßte e 
folde Vermutbung dir Unſinn dünken. — Aber ner 
mir das Geheimniß, Bonaventuri, das immer 
Geheimniß ‘blieb; das nicht einit, felbft von zehnfad 
Hoͤhlen bedeckt, ans Sonnenlidt trat! — Und we 
man dann euch fände! Die Wuth gekränkter Altern 

Bonav. (ihm unterbrechend.) O, Die würden vi 
leidt nachgeben! gewiß nahgeben! — Knien cit 
Tochter, Thraͤnen eines einzigen lang vermißten X 
bes! ach! was konnten Die nit abwenden, 

Mart. Auch den Dolch mißgünſtiger Anv 
wandten? auch den Zorn eines ſtolzen Geſchlechts, 
ſich durch deine Verichwägerung für beleidigt, für 
ſteckt erachten würde? 

Bonav. (verdrießtich.) Das fol ed nie zu mäpr 
Urſache baden. — Zudem mus fihtit du fo eifrig ı 
einen felsit gemadten Schattenbilde? — Habe 
wohl einen von dieſen drey Vorſchlaͤgen im Sinne? 
Nein! lieder wil ih mich ia Stillen verzehren, 
nah Bianco's Beſitz fireben, und aus unbefiheide 
Gelbftliche diefes ıheure Mädchen um dad Glück ih 
Lebens betrugen! (mir Barme.) Zwar ut ſie mein & 
fefter, meii einziger Wunſch; mein erſter Geda— 
beym Erwachen, mein leßter beym Einſchlumme 
In ihe nur lebe ich ! bore, ſehe, fühle in dem gan, 
weiten Getümmel der midy umfließenden Welt nur S 
nur Sie, die Einzige! Aber dennoch entfage ic) 


voson 29. .n 


muthig; dennoch genügt mir das füße Bewußtſeyn: 
Es gab einen Augenblick, wo fie geſtand, daß fie mich 
nicht haſſe; ein Augenblick, wo icy empfand, daß nicht 
Ungleichheit der Seele, fondern nur äußeres Flitters 
werk diejes elenden Lebens und von eitiander trenne. — 
Und mit diefem Troſte will ich feiten Bußes felbft den 
Zod, wie eine Braut, erwarten. 

M art. (mir warnendem Ton.) Bruder, Bruder! du 
nimmt dir viel vor! | | 

Bonev. Nicqht mehr, als ich halten ann! Sch 
danke dir, Freund, für deine Warnung. Ih will dir, 
deiner Sreundfihare und mir felbft nie Schmach erwer- 
ben; will von nun an Bianca nice weiter fprechen. 
Mein Geiſt fol um fie ſchweben, aber nie mehr mein 
Körper. — Und wenn ih nad Mehrerem firebe, wenn 
ich je diefen Schwur verlege, dann mag mid Derjeni» 
ge ſtrafen, der Meineide firaft; der Herz und Nieren 
prüft! (Er gehe ſchleuntgſt ab, indem er ſich die Augen strodnet.) ' 

Mart. (alten Wie ſchön Das tönt! Wie ſchön 
Das ſchimmert! Und dech — arıner Freund ! ich fürd- 
te, ich fürchte, dieſes glänzende Merall it nichts wei⸗ 
ser, als ein übergülderes Meffing. Sein Werth ver 
ſchwindet, jobald es auf den Probierftein kommt. dab.) 





Ja wohl befand fih Bonaventuri jest im Zu: 
ftante der Prüfung! Verſchwunden war fein froher 
Rauſch. Trog feiner Anmaßung von Entfdloffenheit 
und Edelfinn, ſchlug ihm fein Herz qualvoll und unges 
wiß. Zu taufend Mahlen durchdachte er alltaͤglich 
jedes Wort, das Blacna geſprochen hatte; war en 
ſo künſtlicher, ſo tief durchſpaͤhender Ausleger von je— 


nm 


rn BA cos0n 
Dieß wiederhohlte er fi ſtets; bald leiſe, bald laut. 
Wer ihn jest durch eine Ritze der Wand belaufcht hät⸗ 
te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude ei⸗ 
nes Wahnfinnigen fey. 

Aber nicht large fprach er mit ſich allein davon, 
Cr batte diefen Morgen, was fonft nie geſchah, auf 
dem Schreibezimmer gefehlt. Er erfchien bey der Tafel 
mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wieder 
die Schüffel unangeruhri bey ſich vorübergehen; aber 
deito Öfter fprah er — ebenfalld gegen feine Sitte 
— dem Kelchglafe zu. Ein frohes Wort folgte haſtig 
dem andern. Martelli jlaunte mehr als zehn Mahl 
ihn an, und begriff ihn nicht. Mac der Tafel, fobald 
er feiner allein babhaft werden konnte, drang er fras 
gend in ihn. Heilig hatte fih zwar Bonaventuri vor⸗ 
genommen, Niemanden, jaNiemanden! nur eine Öyf- 
be von dem ganzen Morgen Abenteuer zu entdeden. 
Doch wie ſchwer Tai fih die Hoffnung freudiger Liebe 
verſchweigen! Wie fait unmöglich ift e$ einem forſchen⸗ 
den Freunde zu widerfichen! Martelli erfuhr bald 
Alles. 

Er ſtutzte, als Bonaventuri feine geftrige Kühne 
beit geitand, er ſtutzte noch mehr, als er auf heute 
Fam. &tumm, nur dann and wann mit einem kleinen 
Kopffhütteln, hörte er der Erzählung zu. Bonaven⸗ 
turi, aid er nun fertig war, mußte zwey Mahl ihn 
fragen: was er von dem Allen denke? — 

Mart Daß ich nicht der alfe Cavello fegn, und 
nur einen Funken Argwohn von diefem Vorgange has 
ben möchte ! 

Bonav. Und was wollteft du dann thun? 


Mart. Eine Hofmeifterinn dieſer Art tiefer ins 
adriatiſche Meer werfen laffen, als je ein Dose} den 
Ring am’ Vermählungstage: | 
Bonav. (alblachend.) Sonderbarer ann! ! wer 
ſpricht von dee Hofmeifterinn? Was du von Bianca, 
ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will Kb 
wiffen. 

Mart. Und aufrichtig ? | 

Bonav. Allerbings. 

Mart. Daß au das trefflichſte Mädchen nur 
ein Mädchen ift; daß aber ein Mann nie Mann zu 
ſeyn vergeſſen ſollte! 

Bonav. Schade, daß ich dieſen Sittenfſpruch 
nicht ganz, wenigſtens hier nicht ganz verſtehe! 

Mart. Sahſt du wirklich keinen Blick ihres Au: 
ges, der.zürnte? Hoͤrteſt kein Wort, das dich ſtraſtet 

Bonav. Keines. 

Mart. Fragte net denn nicht einmahl, wer du 
waͤreſt? 

Bonav. Nein! 

Mart. Unbegreiflich! Und ſagte boh wirklich, 
daß du hoffen bürfteit ? | 

Bonav. Sie fagte es. 

Mart. Viel, nnendlid viel! Mehr, als ich dem 
reichſten jungen Nobili beym erften Angriff verſprochen 
hatte! Aber auch .wahrli nur ein Rieſenſchritt — zum 
Abgrund. Wie Das nun fortgeben foll, haft du auch 

Das überdacht? 
Bonav. (verdriegtih.) So weife geſprochen, daß 
deine Worte, daß dieſe Figur der Frage der erſte beſte 
Pater in feiner Faſten-Predigt brauchen koͤnnte! Frey⸗ 
lich, wer zukünftige Dinge vorausfähe! (Häpnits.) Doch 


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laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem GI 
Wein läßt fi eine fo unwichtige Sache ſchon üb: 
denfenz ja, durchdenken wohl gar! 

, Markt. (ganz getaffen.) Merkſt du nicht, lie 
Pietro, daß beine Zunge anftößtt Und fließt 
nicht fon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, dd 
Spott — Spott über einen forgfamen Freund 
bier nicht am rechten Orte ſtehe? Verlache meine 2 
huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vielleicht wäre d 
Feuer ſchon längft ausgebrannt, wenn es nicht me 
Kälte bisweilen noch mäßigte. — Ah, beym Spru 


"der Tollkühnheit ift jeder Blick in die Zuku 


freylich allzu ſchwer und auch allzu trügend. Toltku 
aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen « 
nichts weiter, als auf die Gegenwart fhaut. — . 
etwas follte dich doch wohl der dreiſte Schritt, den 
bey diefem Geſpräch unternahmft, führen % 

Bonar. Zu meinem Tode, wenn fie Ne 
fagte ! 

Markt. Nun! Aber ihr Ja — wozu Das! _ 

Bonav. D des edlen fanften Geſchoͤpfs! € 
bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten Eön: 
als nur je ein Gore! Und o, bie doch mit eden bie 
Güte eines Gottes Leben gab, — mir Unmwürbig 
foldhes gab! «mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hi 
Freund! Ihr entſchlüpfen zuweilen Worte, die frep) 
dich beleidigen Eönnen, aber nit follen.— % 
Das fortgehen ſoll — nicht wahr, Das fragteft du! 
mein Guter, wie Bann ih Das jetzt beflimmen ! A 
Zeit, Leidenfhaft und Zufall werden mir ſchon M: 
regeln an die‘ Hand geben, wenn ic aud jet m 
nicht weiß, wozu ich greifen FON. 


wo 27 wuse 

Mart. Zeit, Leidenfhaft, "Zufall! Drey fehr 
ungewiſſe Rathgeber! Ich wuünſchte dir fiherere, denn. 
id liebe did. — Cap ung einmahl das Heer ber Moͤg⸗ 
lichkeiten muftern! Aus ihnen tritt oft die Wirk: 
lichkeit hervor. — Kannſt du wohl hoffen, dich. 
dur Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß bu einft 
— und dieß einft müßte noch bazu bald ſeyn — oͤf⸗ 
fentlih um Bianca werben dürfter? 

Bonav. Eine Frage, als ob id Sailer in Japan 
zu werden gedaͤchte! 

Mart. Oder willſt du fortfahren, heimlich ihr 
Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu hintergehen ſu⸗ 
hen, das, in der Welt noch unerfohren, vielleicht eit⸗ 
len Hoffnungen Gehör, unbeſcheidenen Wünfhen Ges 
wöhrung geben dürfte? Und wenn fie ed getban, wenn 
fie ganz; dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗ 
vortreten und zu ihrem Water fagen: Das that ich! 
Nun verzeiht und gebt fie mir! 

Bonav. Elender! was benkft du von mir? 

Mart. Nichts, ald daß Liebe leicht in div eben 
Das hervorbringen Eönnte, was fie ſchon in taufend, 
wohl kaͤltern Menfchen hervorgebracht hat: Änderung 
unferer erften tiefften Grundſaͤtze. 

Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder pre, 
zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir vere 
flucht, menn ge dur Erumme Pfade des Trugs und 
leiter ! 

M art. Oder wie? wenn fie did mehr als Stanz 
und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn fie 
zäreli; ihren Arm um deinen Naden würfe, und mis 
dir in einen einfamen Winkel der Erde Höhe? 


2 m 


Bonav. Buter Gott, er würde mir zu ein 
Elyſium werben ! 

Mart. Sch glaube ed, fo Tange ihr verbor; 
bliebet. Denn von künftiger Erkaltung deiner Flam 
will ich dir jege nicht eınmahl etwas vorjchwagen. 
einem Augenblick, wie Diefer gegenwärtige, müßte e 
folhe Vermutbung dir Unſinn dünken. — Aber neı 
mir dad Geheimniß, Bonaventuri, das immer 
Geheimniß ‘blieb; das nicht einit, felbft von zehnfad 
Hnhlen bedeckt, ans Sonnenliht trat! — Und wa 
man dann euch fände! Die Wuth gefränkter Altern 

Bonav. (ihm unterbrechend.) O, Die würden vi 
leicht nachgeben! gewiß nachgeben! — Anien ei 
Tochter, Zhränen eines einzigen lang vermißten K 
bes! ach! was Eonnten Die nicht abwenden) 

Mart. Auch den Dolch miſigünſtiger Anv 
wandten? auch den Zorn eines jtolzen Geſchlechts, 
ſich durch deine Verichwaägerung für beleitigt/ für 
ſteckt erahten würde? 

Bonav. (verdrieß!ich.) Das ſoll ed nie zu mähr 
Urſache haben. — Zudem mus fihtit du fo eifrig ı 
einen felsit gemadten Schattenbilde? — Habe 
wohl einen von dieſen drey Vorſchlaͤgen im Sinne? 
Nein! lieber will ih mich ia Stillen verzehren, 
nah Bionco's Beſitz fireben, und aus unbefiheide 
Gelbftliche dieſes theure Mädchen um dad Glück ib 
Lebens betrügen! (mie Bärme.) Zwar ut jie mein h 
fefter, meui einziger Wunſch; mein eriter Geda— 
beym Erwachen, mein legter beym Einſchlumme 
In ihr nur lebe ich ! bore, fehe, fühle in dem gan, 
weiten Getümmel der mich umfließenden Welt nur S 
nur Sie, die Einzige! Aber dennoch entfage ic 


muthig; dennoch genügt mir das ſüße Bewußtſeyn: 
Es gab einen Augenblick, wo ſie geſtand, daß ſie mich 
nicht haſſe; ein Augenblick, wo ich empfand, daß nicht 
Ungleichheit der Seele, ſondern nur aͤußeres Flitter⸗ 
werk dieſes elenden Lebens uns von einander trenne. — 
Und mit dieſem Troſte will ich feſten Fußes ſelbſt den 
Tod, wie eine Braut, erwarten. | 

M art. (mir warnentem Son.) Bruder, Bruder! du. 
nimmit dir viel vor! | | 

Bonav. Niqht mehr, als ich halten fann! Ich 
danke dir, Freund, für deine Warnung. Ich will dir, 
deiner Sreundfihafe und mir felbfi nie Schmach erwer- 
ben; will von nun an Bianca nicht weiter fpreden. 
Mein Seit fol um fie ſhweben, aber nie mehr mein 
Körper. — Und wenn id nach Mebrerem firebe, wenn 
ich je dieſen Schwur verlege, dann mag mid) Derjeni: 
ge ſtrafen, der Meineide ftraft; der Herz und Nieren 
prüft! (Er geht ſchleuntgſt ab, indem er ſich Die Augen trocknet.) 

Mart. (allein.) Wie ſchön Das tönt! Wie ſchön 
Das ſchimmert! Und dech — armer Freund! ich fürd- 
te, ich fürchte, dieſes glänzende Merall iſt nichts wei⸗ 
‚ser, als ein übergüldetes Meſſing. Sein Werth vers 
ſchwindet, jobald es auf den Probierftein kommt. (ab.) 





Sa wohl befand ſich Bonaventuri jetzt im Zu⸗ 
ſtande der Prüfung!’ Verſchwunden war ſein froher 
Rauſch. Trotz ſeiner Anmaßung von Entſchloſſenheit 
und Edelſinn, ſchlug ihm fein Herz qualvoll und unges 
wiß. Zu tauſend Mahlen durchdachte er alltaͤglich 
jedes Wort, das .Blacna geſprochen hatte; war ein 
fo künſtlicher, fo tief durchſpähender Ausleger von je: 


wa 30a vr... 


dem Blick ihrer Augen, von jedem Haud ihres M— 
des. Zu taufend Mahlen nahm er fi vor, ihr ı 
Neuem aufzupaflen, fle anzureben, fih bin zu wer 
zu ihren Füßen. Sreutig fprang er dann auf und f 
eben fo ſchnell in dumpfer Unentfchlofienheit zurück. D 
er gedachte an feine Armuth, die feldft ein neues ( 
ſchenk für die Hofmeifterinn unmöglich machte; an 
nen Schwur, und an den graufam = getreuen Spie; 
ben ibm Martelli fo nahe vorgehalten hatte, daß 
ftet$ gezwungen war hinein zu fehen, gezwungen i 
folgen mußte. 

Indeß Eonnte man Bianca’ Loos beynabe n 
banger nennen!— Zwar war Alles, was fie 
. jegt wußte, reizend und fhön, was fie dachte, a 
reizender. Eine ganz; neue Schöpfung Tag dor 1 
Augen ihres Geiftes ; aber fie war leider einzig 
derfeiben; hatte nicht einmahl eine vertraute Frei 
dinn, bey der fie ihre liebekranke Seele durch ſchw 
meriſche, ſchoͤn klingende Worte zu erleichtern verme 
hätte. Taͤglich erwartete fie neue Nachricht von ihr 
Anbether zu hören, und Eeine Nachricht fam. Sch 
hatte fie wieder einen Gang nad) Zuecca vorgeſchlage 
und — fein Salviati zeigte fih. Unbegreiflich ſch 
ihr Das. In ſich allein verſchloß fie ihren Gram. N 
mit ſich ſprach fie oft genug von der Urſache besfelb: 
Möchte doc nachſtehender Monolog nur einige | 
Heinften Züge ihrer Empfindung barftellen! 

Sie dielt ihn am Morgen bes fünften Zag 
nach ihrer Unterredung mit dem Liebenswürbigen u 
auch fihon Heißgeliebten. 


[| ee U d 


vorn 1 vosen 


Bianca. Daran gebraih es noch, daß du auch 
das Traumbild meiner Nächte würbeft !— Verſcheuchſt 
du nicht fo bereits die größte Hälfte meined Schlum⸗ 
mers ? Erfchöpft nicht ſchon der ewige Gedanke an dich 
mich des Tages hindurd genug? Soll aud Das mir 
fehlen, was dem Laftträger feine Taften und oft dem : 
Gefangenen feine Ketten lindert — Schlaf, wenn Ale 
les ruht? — — Stahl ſich dein Bildniß nicht tief ger 
nug in das Herz, daß es nun ſelbſt zwiſchen die Wim⸗ 
per meines zugeſchloſſenen Auges ſich eindrängt ? 


Wie er daftand! Wie er flehte! — Sein funkelne 


der Blick mitten durch Thraͤnen noch glänzend! Seine 
maͤnnlich⸗ſchoͤne, noch im zitternden Tone lieblich⸗ 
ſchallende Stimme! Sein Anſtand in Geberde und 
Bang! Sein — o! wann hätte wohl das Verzeichniß 
ſeiner Vollkommenheiten Maß und Ziel? — Aber 
was ſoll Das? Was nützt Dast— Warum will ih 
mich einfam abhärmen, wie ein kloͤſterliches Opfer t 
warum ftumm und Tangfam dahin fehwinden, wie ein 
Morgennebel am hohen ftiten Gebirge! — Ein Wort . 
von mir, undbiefer Adonis liegt zu meinen Füßen ; lebt 
für ' mid, für mich Beneidenswerthe nur ! — — Schwur 
er mir nicht Liebe! — Kann ein Mund, mie der 
feinige ,. täufhen? Bin ich nicht eines edlen Geſchlech⸗ 
te8 letzte Sproffe? Iſt Er nicht das Haupt eines ge: 
ebrten Haufest Sind nicht die Töchter des Eönigli« 
hen Venedigs ſchon oft die Zierden von Florenz ge: 
worden ?— (nachdentend. Ein Wort nur Eofter es mich 3 
— O ich will diefe6 Wort ausfpreden! — Eines Win« 
kes bedarf es nur? Wohlan, ich will ihn geben !-Tenn 
ſchon ſehe ich, ohne dieſes Wort und diefen Wink ers 
fgeint es nimmer wieder. — Allzu furchtſamer Sal⸗ 


wen 59 u. 


viati! ich follte es nicht chum, aber ich will es! 
Wenn er dann dankbar vor mir knieet; wenn ev, n 
mehr der zitternde Verbrecher „ ſich jetzt mit ſtumn 
Entzücken erhebt, jetzt das ſchamhaft erröthende V 
chen mit feurigen Küſſen umarmt; o dann, da 
milder Himmel, dann trage mit Nachſicht die dai 
fineende Echwärmerinn ! 


Einen. Aufruf an ihren Geliebten ergehen zu 
fen, dazu war alfo Bianca feit entſchloſſen; dod u 
dieſer Auf ihn erreichen Eönne, darüber berathfchla 
fie nod. Es war ihre erſte Liebe, und fie verft 
fih daher ſchlecht auf Lift und Beftehung. Dody ic 
fie weisfih, noch während diefer Unfclüffigkeit, 
entfcheidenden Brief, und fand den Briefträger d 
bald genug. 

Denn nichts bleicht fo ſchnell die Mädchenwan— 
als verſchwiegene Liebe; und die Hofmeiſterinn hi 
zu feſt an der holden Bianca, als nicht bald ihre V 
änderung zu merken, und mit liebevollem Ernft n 
deren Urſache zu forſchen. 

„Es it umſonſt, liebe Bianca!” redete fie fol 
eintt an — „Shre angenommene Munterkeit tauf 
„mich nicht. — Sie hegen im Innerſten Ihres H 

„zens einen Gram, der Sie verzehrr.” 

Bianca. Nicht doc, meine Tpeuerfte! — a 
nicht doch ! 

Hofm. Nicht doch? und felbft dieß: Nici 
do ch mit einem Deufzer begleitet dO diefe abgebär 
te Wange, dieſer Abſcheu vor Gpielgefelfhaft u 
Epeife, diefe Unruhe bey Nacht, dieſes Traͤumen 

Ta⸗ 


wre 35 — 
Tage, diefer bange herumirrende Bid, - — d! diej 
Alles iſt nicht umjonft da. 

Bianca. Und wenn es nun ſeine Urſachen haͤt⸗ 
te! Was dann? 

Hofm. D dann, Mittheilung derfelben! Eis 
gießung Ihres Grams in meinen Sie liebenden Bus 
fen! War ich nicht immer miehr Ihre Freundinn, als 
Auffeherinn? War es nicht Wolluft für mich, jeden 
Ihrer kleinſten Wünſche zu errathen und zu gewähren ? 
Haben Sie jemahls etwas von mir vergebens begehrt } 
— Oder babe ich je mein Anſehen und’ Ihr Vertrauen 
gemißbraucht ? 

Bianca. Nie! nie! Nur foffen Sie mich jetzt! 

Hofm. Nie weniger, als eben jest! Sch 
will Sie mit Fragen entkräften, fo oft wir allein find; 
win mich feft an Sie fchließen, wohin Sie geben, und 
felbft in Geſellſchaft Ihnen in das Ohr raunen: Ente 
deckung Ihres Kummers, mißtrautfhe Bianca! — So 
will ih, bey der Hochgelobten fey es gefhworeny 
fortfahren, bis ich Ihren Eigenfinn überwunden habe! 

Bianca (ſchmeribaft Tähelnd.) Und wenn id) ihn 
nun felbft überwände, würden dann meine Wuͤnſche 
Erhörung finden! 

Hofm. In jedem Billigen gewiß. und es 
was Unbilliges wird die edle Capello nicht begehreri. 

Bianca. So recht, Das genügt mir! — Wiſſen 
Sie dann, theuerfte Signora, befte einzige Sreundinn, 
meine mir- übrig gebliebene Mutter, willen Sie 
dann, — — gen auf zwey Secunden nicderſchlagend.) 
Ich liebe; 6 ianca ſchmeichelnd geſprochen / nun führt 
fie mie Warme for): Salviati, diefen liebenswüre 
digen Fremdling, mit Igm Sie ſelbſt * neulich be⸗ 

Meißners Bianca Cap. 1. ht. 








wen 34 una: 


dannt machten. — Und aud er glüht für mid. D« 
halb nur fuchte er mich zu fprechen. Er felbft war | 
Verbrecher, für den er barh. Liebe zu mir war fi 
Verbrechen; Gegenliebe war feine Bitte; ich fagte 
ihm zu, und ich halte fie. 

Hofm. (alb erkaun.) Was figen Giet - 
Sit ed möglich ? 

Bianca. Fragen Sie lieber: ob bad Geg 
theil möglich fey ? — Ihn fehen und ihn lieben, n 
das Werk einer Minute. Was fag id ? Einer Minu 
D nein! Einer Secunde! Einer Secund » Secun! 
Selbſt wenn er fein Wort gefprochen hätte, wäre ihm m 
Herz anheim gefallen; und jetzt, jegt ift es feſt, 
fter ald mit demantnen Ketten an ihn gebunden; jı 
iſt es heiliger als Glaubenspflichten bey mir befchloife 
Nur er, oder nie ein Sterblicher fol mein Gem 
werden! | 

Hofm. Bianca! liebe Bianca ! 

Bianca. Liebe Eignora, Eeine Widerfprüd 
— &ie find Samenkörner auf Zelfen gefireut. A 
was Salviati ausfate, traf ein guted Land.— | 
fühl’ e3, ohne ihn würde ich nie (eben Eönnen, wü 
die Elendejte aller Elenden noch gegen mich beneide 
würdig finden. Wohin ich nur blicke, erblicke ich if 
fo oft ih nur denke, denke ich mir ihn; fo oft ih ı 
rede, möchte ich Taut den Nahmen Salviati ausruf 
— — O Salviati! Salviati! 

Hofm. Aber was wollen Sie? 

Bianca. Sie bey allem, wa 
heilig iſt, bey Ihrer zärtlichen liehe, bey m 
ner kindlichen Ergebenbeit, bey rquell aller Li 
befgwören: mir auch jekt Ihren Bepitand zur A 


N 
en wertb ı 








a 


irn ZH own 
fühtung meines Vorhabens, das, wie Cie wohl fes 
ben, meine Ehre nicht befledt, zu gönnen. — Das 
bitte und fordere ich von Ihnen, 

Hofm. Laſſen Sie mich minderteng zu Wor⸗ 
ten kommen, gute Bianca! — Zwar ſollte ich aller⸗ 
dings ſchon über eine ſo heftige Liebe gegen einen un— 
bekannten, kaum ein Mahl von Ihnen geſehenen Mann 
erſtaunen. Doch kenne ich dieſe Art von Leidenſchaft 
bereits: je ſchneller ſie kommt, deſto heftiger, 
jedoch zum Glück auch deſto kür zer wüthet ſie. 

Bianca. Elende, trügliche Kenntniß! Haben 
Sie mein Herz noch nicht beſſer geprüft? Wiſſen Sie 
nicht, daß es eben ſo ſtandhaft ausdauert, als 
ſchnell wählt? — Habe ich je unter den Tauſenden, 
die ich ſah, Einen geliebt, auch nur Einen, wenigſtens 
mit Wärme, erhoben? — O nein! Nur Salviati muß 
man ſeyn, um mir zu gefallen, um mich auf immer, 
auf immer! anf feifeln. 

Hofm. Die wahre diebe mit allen ihren 
Täuſchungen! Sie gibt Schattenbilder einen Körper, 
verſtopft die Ohren der Jugend vor Vernunft und 
Warnung, und — — 

Bianca (verbrießtih.) Und — und! — Keine 
Eittenfprüdhe, Signora! — Um Ihre Mithülfe, nicht 
um Ihren Unterricht, flehe ih Sie jetzt an. 

Hofm. Aber fielen Sie fih denn die Hei— 
rath eines Fremdlings als eine fo ganz leichte Sache 
vor, daß man nicht erſt Ältern und Freunde um Rath 
befragen, nicht erſt ſich ſelber unterfuchen müſſe: aus 
idelchem Grunde man liebe? 

Bianca. Kann ih Das wiſſen, beſte Mutter? 
Würde Liebe wohl Liebe bleiben, ſebald fie auf Vers 

C 2 


wre 50 um 
nünfteleyen beruhte? — Der erfie Augenblick, 
id den Jüngling fah, war der Anfang meiner Leib 
ſchaft, der letzte meines Lebens foll deren Ende fe 
Ohne zu mwiffen, warum? gewann ich ihn lieb: 4 
Das weiß ih, von nun an werde ıch ihn lieben, 
lang ein Herz in diefem Buſen fehlägt. Sie brich 
Shränen aus.) 
Hofm. Und worin alfo verlangen Sie mei 
Beyſtand? 

Bianca. Bringen Sie dieſen Brief in ſe 
Hände! Ich laͤugne es nicht, er enthält eine Einladi 
von mir. Aber, o ih will und muß ibn ſehen, o 
die glühende Liebe tödtet mich. 

Hofm. (nad einigem Befinnen.) Wenn ed in n 
ner Gegenwart gefchieht, fo Eönnte ich vielleicht 

Bianca D daß fol es! Nur dieſen Brief 
feine Hande ! (Geht weinend ab.) 

Hofmeift. (allein, ipr nahblidend.) Aa ih T 
rinn, bie ich Dieß nicht vorher fehen, oder wenigft 
die Krankheit, als fie nun einmahl da war‘, nicht 
rathen Eonnte! Armes Mädchen, deine Flamme 
ftarf! Könnte ich fie löſchen, ich wäre bann mehr 
ein Menfh! — Und was nun machen? Befoͤrd 
oder hindern? — Der Geliebte wäre freylich ih 
nicht unwerth ; aber wird auch dem Senator: ©to 
des alten Capello der bloße Reichthum eines flor 
Sinifhen Kaufmanns genügen? — Wird er nicht z 
nen, wenn er erführe, daß ich felbft — Nein! Ne 
Zwar füllt jede ihrer Thränen blutig auf mein He 
aber noch il! ich anſtehen, diefe Bitte zu erfülle 
Mitleid ſoricht dafür, Pflicht dawider. Heilt die 
nicht, was fie oft ſchon beilte; wohl, fo will ich dx 


Alles wagen, was ich kann; denn fie ift ja mein Kind, 
mein theures Kind. Doch fol wenigftens diefen Brief 
der geliebte Salviati fo fehnell nicht in feine Hände 
bekommen. 





Und es verliefen wieder acht Tage, voll der Qual 
auf unferer beyden Liebenden Seite. Todtenbleich trat . 
am neunten Bianca vor ihren Spiegel, blickte hinein 
und feufzte. 

„Bin ih Das noch? Oder taͤuſcht mich ein Schat⸗ 
ten? — Keine Kraft mehr in meinem Gebein! Kein 
Blut auf meiner Wange! Ausgetrodnet das Mark 
meiner Möhren, weggefhwunden der Schimmer meis 
ner Jugend! — — Ewiger, Emwiger, deine Hand 
Tiegt fhwer ouf mir! Aber Dank, dag du den Troft 
mir Tießeft: Ich leide um Schwaͤche, nicht um Las 
ſter. — — — — — — O Salviati, Salviati! 
wo biſt du? Was fuͤhlſt auch du? Kannſt du dich mefe . 
fen mit mie? Komm ber und ſieh! — Nicht dein Les 
ben, wie du vorgabft, das Meinige allein fegt biefe 
Liebe in Gefahr! 

Hofm. Commt.) Gott, Signora Bianca, wie 
feben Sie aus! Aber faffen Sie Muth, Theuerfte! She 
Brief ift fo eben beftellt. 

Bianca (at) So richtig ohne Zweifel,‘ wie 
Bie ſchon vor fieben Tagen es mir zufagten? 

Hofm. Nein! bey der heiligen Jungfrau , er 
ift es! Sch habe ıhn in feine eigene Hand gegeben. 

Bianca (reundlich.) Haben Sie wirklich? Und er? 

Hofm. Starte mih an, 4 und zerbrach 
das Siegel. 


wen 50 res 


dem Stie ihrer Augen, von jedem Hauch ihres Mi 
des. Zu tauſend Mahlen nahm er fih vor, ihr ı 
Neuem aufzupaflen, fle anzureden, fih bin zu wer 
zu ihren Küßen. Sreudig fprang er dann auf und fü 
eben fo ſchnell in dumpfer Unentſchloſſenheit zurüd. De 
er gedachte an feine Armurd, die feldft ein neues ( 
ſchenk für die Hofmeifterinn unmöglich machte; an | 

nen Schwur, und an den graufam » getreuen Spieg 
ben ihm Martelli fo nahe vorgehalten hatte, daß 
ſtets gezwungen war hinein zu fehen, gezwungen i 
folgen mußte. 

Indeß konnte man Bianca's Loos beynaben 
banger nennenI— Zwar war Alles, was fie | 
. jegt wußte, reizend und fhön, was fie dachte, a 
reizender. Eine ganz neue Schöpfung lag dor i 
Augen ihres Geiftes ; aber fie war leider einzig 
derfeiben; hatte nicht einmahl eine vertraute Fra 
dinn, bey der fie ihre liebekranke Seele durch ſchw 
meriſche, ſchoͤn klingende Worte zu erleichtern verme 
haͤtte. Täglich erwartete fie neue Nahricht von ihr 
Anbether zu hören, und keine Nachricht kam. Sch 
hatte fie wieder einen Gang nad) Zuecca vorgeſchlag 
und — fein Salviati zeigte fih. Unbegreiftich ſch 
ibr Das. In ſich allein verſchloß fie ihren Gram. % 
mit fich ſprach fie oft genug von der Urſache desſelb 
Möchte doch nachſtehender Monolog nur einige | 
Heinften Züge ihrer Empfindung barftellen! 

Sie bielt ihn am Morgen des fünften Ta— 
nad ihrer Unterrebung mit dem Liebenswürdigen u 
auch ſchon Heißgeliebten. 


ITTr 


vorn 31 vosen 


Bianca. Daran gebraih es no, daß du auch 
das Traumbild meiner Nächte würdeſt! — Verſcheuchſt 
du nicht ſo bereits die gröfte Hälfte meines Schlum: 
mers % Erfchöpft nicht ſchon der ewige Gedanke an dic) 
mich des Tages hindurd genug?! Soll 'aud) Das mir 
fehlen, was dem Laftträger feine Taften und oft dem : 
Befangenen feine Ketten Tindert — Schlaf, wenn Al⸗ 
les ruht? — — Stahl fi dein Bildniß nicht tief ges 
nug in das Herz, daß es num ſelbſt zwifihen die Wins 
per meines zugefchloffenen Auges ſich eindrangt ? 


Vie er daftand! Wie er flehte!— Sein funkeln- 


der Blick mitten durch Thränen noch glaͤnzend! Seine 
maͤnnlich⸗ ſchoͤne, noch im zitternden Tone lieblich⸗ 
ſchallende Stimme! Sein Anſtand in Geberde und 
Bang! Sein — o! wann haͤtte wohl das Verzeichniß 
ſeiner Vollkommenheiten Maß und Ziel? — Aber 
was ſoll Das? Was nützt Das? — Warum will ich. 
mich einſam abhärmen, wie ein kloͤſterliches Opfer t 
warum ftumm und langſam dahin fhwinden, wie ein 
Morgennebel am hohen ſtillen Gebirge — Ein Wort . 
von mir, undbiefer Adonis liegt zu meinen Füßen; lebt 
für mich, für mich Beneidenswerthe nur | — — Schwur 
er mir nicht Liebe! — Kann ein Mund, wie der 
feinige ,. täufhen? Bin ich nicht eines edlen Geſchlech⸗ 
tes letzte Sproſſe? Iſt Er nicht dab Haupt eines ge: 
ehrten Haufest Sind nicht die Töchter des Eonigli« 
hen Venedigs ſchon oft die Zierden von Florenz ge: 
worden? — (nachdentend.) Ein Wort nur Eoftet es mich ? 
— Did will dieſes Wort ausfprehen! — Eines Win« 
kes bedarf ed nur? Wohlan, ih will ihn geben !-Tienn 
fon fehe ih, ohne diefes Wort und diefen Wink ers 
fheint es nimmer wieder. — Allzu furchtfamer Sal: 


wen 52 esse 


viati! ich follte es nicht thun, aber ih will es! 
Wenn er dann dankbar vor mir knieet; wein ev, n 
mehr der zitternde Verbrecher‘, fi jegt mir ſtumm 
Entzüden erhebt, iegt das ſchamhaft erröshende Mi 
hen mit feurigen Küſſen umarmt; o dann, da 
milder Himmel, dann trage mit Nachſicht die da} 
fintende Echwärmerinn ! 


Einen. Aufruf an ihren Geliebten ergehen zu 
fen, dazu war alfo Bianca feit entſchloſſen; doch n 
dieſer Auf ihn erreichen könne, darüber berathfchla 
fie noch. Es war ihre erfte Liebe, und fie verfk 
fih daher ſchlecht auf Lift und Beftehung. Doch Ich 
fie weisfih, noch während diefer Unſchlüſſigkeit, 
entfcheidenden Brief, und fand den Briefträger b 
bald genug. 

Denn nichts bleicht fo ſchnell die Madchenwang 
ald verfehwiegene Liebe; und die Hofmeiiterinn hi 
zu feſt an der holden Bianca, ald nicht bald ihre V 
änderung zu merken, und mit liebevollem Ernft n 
deren Urſache zu forſchen. 

. „Es it umjonfi, liebe Bianca!” redete fie fol 

eint an — „Ihre angenommene Munterkeit täuf 
„mid nicht. — Sie hegen im Innerften Ihres H 
„iens einen Gram, der Sie verzehrt. 

Bianca. Nicht doch, meine Theuerſte! — ai 
nicht doch! 

Hofm. Nicht doch? und felbft dieß: Nic 
doch mis einem Seufzer begleitet %-O dieſe abgehärı 
te ‚Wange, diefer Abſcheu vor Spielgefelfhaft u 
Speife, diefe Unruhe hey Nacht, diefes Traumen « 

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Zage, diefer bange herumirrende Bid, — d! diez 
Alles ift nicht umfonft da. 

Bianca. Und wenn es nun feilte Urſachen haͤt⸗ 
te! Was dann“ 

Hofm. O dann; Mistheilung berfelben ! Eis 
gießung Ihres Grams in meinen Sie liebenden Bus 
fen! War ich nicht immer miehr Ihre Sreundinn, als 
Auffeberinn? War es nicht Wolluft für mich, jeden 
Ihrer Heinften Wünſche zu errathen und zu gewähren t 
Haben Sie jemahls etwas von mir vergebens begehrt # 
— Der habe ich je mein Anſehen und’ Ihr Vertrauen 
gemißbraucht? | 

Bianca. Nie! nie! Nur Lſſen & Sie mid) jegt! 

Hofm. Nie weniger, als eben jest! Sc 
will Sie mit Fragen entfräften, fo oft wir allein find; 
win mich feft an @ie fchließen, wohin Ste geben, und 
felbt in Geſellſchaft Ihnen in das Ohr raunen: Ente 
deckung Ihres Rummets, mißtrauiſche Btarica!— So 
will ih, bey der Hochgelobten ſey es gefhworeny 
fortfahren, bis ich Ihren Eigenfinn überwunden habe! 

Bianca (ſchmeribaft Tähelnd.) Und wenn ich ihn 
hun felbft überwände, würden dann meine WBinfge 
Erhörung finden Y 

Hofm. In jedem Billigen gewiß. und et⸗ 
was Unbilliges wird die edle Capello nicht begehren. 

Bianca. So recht, Das genligt mir! — Wiſſen 
Sie dann, theuerſte Signora, beſte einzige Freundinn, 
meine mir- übrig geblieberre Mutter, willen Sie 
dann, — — gen auf zwey Secunden nicderſchlagend.) 
Ich liebe; ianca ſchmeichelnd geſprochen / nun führt 
fie mie Wärme for) Salviati, diefen liebenswüre 
digen Fremdling, milIg Sie ſelbſt mich neulich be⸗ 

Meißners Bianca Cap. 1. Ei. € 









wen 4 vena « 


dbannt machten. — Und aud er glüht für mich. De 
halb nur fuchte er mich zu ſprechen. Er felbit war | 
Verbrecher, für den er barh. Liebe zu mir war fi 
Verbrechen; Gegenliebe war feine Bitte; ich fagte 
ihm zu, und id) halte fie. 

Hofm. (das erſtauut.) Was fügen Giet - 
Sit es möglich ? 

Bianca. Fragen Sie lieber: ob das Geg 
theil möglich ſey? — Ihn fehen und ihn lieben, u 
das Werk einer Minute. Was fag ih? Einer Minut 
D nein! Einer Secunde! Einer Secund » Gecunt 
Selbſt wenn er keinWort gefprochen hätte, wäre ihm mı 
Herz anheim gefallen; und jetzt, jegt ift es feit, 
fter als mit demantnen Ketten an ihn gebunden; ji 
it es heiliger als Glaubenspflichten bey mir befchloife 
Nur er, oder nie ein Sterbiicher fol mein Gem 
werden! | 

Hofm. Bianca ! Tiebe Bianca ! 

Bianca. Liebe Eignora, Feine Widerfprüd 
— &ie find Samenkörner auf Zelfen gefireut. A 
was Salviati ausfate, traf ein gutes Land.— | 
fühl’ e3, ohne ihn würde ich nie leben Eönnen, wü 
die Elendejte aller Elenden noch gegen mich beneibe: 
würdig finden. Wohin ich nur blicke, erblicke ich ih 
fo oft ich nur denke, denke ih mir ihn; fo oft ih ı 
rede, möchte ich laut den Nahmen Salviati ausruf 
— — HD Salviati! Salviatil 

Hofm. Aber was wollen Sie? 

Bianca. Sie bey allem, wa 
heilig üt, bey Ihrer zärtlichen liebe, bey m 
ner kindlichen Ergebenheit, bey rguel aller Li 
befgwören: mir auch jekt Ihren Beyitand zur A: 


“ 


en wertb ı 







uses 55 sn 
fühtung meines Vorhabens, das, wie Cie wohl fes 
ben, meine Ehre nicht beflekt, zu gönnen. — Das 
bitte und fordere ich von Ihnen. | 

Hofm, Laffen Sie mich mindetens zu Wor⸗ 
ten kommen, gute Bianca!— Amar follte ich allers 
dings fhon Uber eine fo heftige Liebe gegen einen uns 
bekannten, Eaum ein Mahl von Ihnen gefehenen Mann 
erttaunen, Doh Eenne ic diefe Art von Leidenſchaft 
bereitö: je ſchneller fie Fommt, deito heftiger, 
jedoch zum Glück auch deſto kürzer wüthet fie. 

Bianca. Elende, trügliche Kenntniß! Haben 
Sie mein Herz noch nicht beſſer geprüft? Wiſſen Sie 
nicht, daß es eben ſo ſtandhaft ausdauert, als 
ſchnell wählt? — Habe ich je unter den Tauſenden, 
die ich ſah, Einen geliebt, auch nur Einen, wenigſtens 
mit Wärme, erhoben? — O nein! Nur Salviati muß 
man ſeyn, um mir zu gefallen, um mich auf immer, 
auf immer! anf feifeln. 

Hofm. Die wahre Liebe mit allen ihren 
Taäuſchungen! Sie gibt Schattenbilder einen Körper, 
verſtopft die Ohren ber Jugend vor Vernunft und 
Warnung, und — — 

Bianca (verbriehtih.) Und — und! — Keine 
Eittenfprühe, Signora !— Um Ihre Mithülfe, nicht 
um Ihren Unterricht, flehe ih Sie jetzt an. 

Hof. Aber fielen Sie fih denn die Hei— 
rath eines Freindlings als eine fo ganz leichte Sache 
vor, daß man nıdt erſt Altern und Freunde um Rath 
befragen, nicht erjt ſich ſelber unterfuchen müſſe: aus 
idelchem Grunde man liebe? 

Bianca. Kann ih Das wiſſen, befte Mutter? 
Würde Liebe wohl Siebe: bleiben, ſebald fie auf Vers 

C 2 


wen 50 um 


nünfteleyen beruhte? — Der erfie Augenblick, 
ih den Züngling fah, war der Anfang meiner Leid 
ſchaft, der legte meines Lebens foll deren Ende fe 
Ohne zu wiſſen, warum? gewann ich ihn lieb: «a 
Das weiß ih, von nun an werde ich ihn lieben, 
lang ein Herz in diefem Bufen fihlägt. (Sie brich 
Spränen aus.) 

| Hofm. Und worin alfo verlangen Sie meiı 
Benftand ? 

Bianca. Bringen Gie diefen Brief in fe 
Hände! Ich Taugne es nicht,er enthalt eine Einladı 
von mir. Aber, o ih will und muß ibn feben, o 
bie glühende Liebe tödtet mich. . 

Hofm. (may einigem Befinnen.) Wenn e in n 
ner Gegenwart geſchieht, fo Eönnte ich vielleicht 

Bianca. D daß fol es! Nur biefen Brief 
feine Hande ! (Sept weinend ab.) 

Hofmeifl. (allein, ihr nachblidend.) Ha ih T 
rinn, bie ich Dieß nicht vorher fehen, oder wenigft 
die Krankheit, als fie nun einmahl da war, nicht 
rathen Eonnte! Armes Mädchen, deine Flamme 
ftarf! Könnte ich fie löſchen, ich wäre dann mehr 
ein Menfh! — Und was nun machen? Befoͤrd 
oder hindern? — Der Geliebte wäre freylich ih 
nicht unwertb ; aber wird au dem Senator »Öto 
bes alten Capello der bloße Reichthum eines flor 
finifhen Kaufmanns genügen? — Wird er nicht z 
nen, wenn er erfübre, daß id) feldft — Nein! Ne 
Zwar fält jede ihrer Thränen blutig auf mein He 
aber noch will ich anftehen, diefe Bitte zu erfüllt 
Mitleid ſpricht dafür, Pflihe dawider. Heilt die 3 
nicht, was fie oft ſchon heilte; wohl, fo will ich de 


Alles wagen, wa ich kann; denn fie ift ja mein Kind, 
mein theures Kind. Doch fol wenigftens biefen Brief 
der geliebte Salviati fo ſchnell nicht in feine Hände’ 
befommen. 


— — — — 


Und es verliefen wieder acht Tage, voll der Qual 
auf unſerer beyden Liebenden Seite. Todtenbleich trat 
am neunten Bianca vor ihren Spiegel, blickte hinein 
und ſeufzte. 

„Bin ih Das noch? Oder taͤuſcht mich ein Schat⸗ 
ten? — Keine Kraft mehr in meinem Gebein! Kein 
Blut auf meiner Wange! Ausgetrodnet das Mark 
meiner Möhren, weggefhwunden der Schimmer meis . 
ner Jugend! — — Ewiger, Emwiger, deine Hand 
Tiegt fhwer auf mir! Aber Dank, dag du den Troft 
mir ließeft: Sch leide um Shwähe, nicht um La⸗ 
ſter. — — — — — — O Salviati, Salviati! 

wo biſt du? Was fuͤhlſt auch du? Kannſt du dich mefe . 
fen mit mir! Komm ber und ſieh! — Nicht dein Les 
ben, mwie du vorgabft, das Meinige allein ſetzt dieſe 
Liebe in Gefahr! 

Hofm. Eommt.) Gott, Signora Bianca, wie 
ſehen Sie aus! Aber faſſen Sie Muth, Theuerſte! Ihr 
Brief iſt ſo eben beſtellt. 

Bianca (ar) So richtig ohne Zweifel,‘ wie 
Sie ſchon vor fieben Tagen ed mir zufagten? 

Hofm. Nein! bey der heiligen Jungfrau, er 
ift e8! Sch habe ihn in feine eigene Hand gegeben. 

Bianca (reundiich.) Haben Sie wirklich? Und er? 

Hofm. Starte mih an, rigen und zerbrach 
Das Siegel. 


woran BB — 


. Bianca. Nun? oo Ä 
Hofm. Mehr Eonnte ih nice ſehen; denn 
eilte. | Ä | 

Bianca. Sehr zur Unzeit gefhwind; in der? 
fteflung felbit waren Sie doch langſam genug! 

Hofm. Bianca! it dad mein Lohn? 

Bianca (fih ihr anden Hals werfend.) O verzeil 
Sie mir! Noch find meine Sinne irre! — Tiefe Ne 
umgab fie, und nur muhſam dammert ed wieder. 
Aber it Ihre Nachricht au zuverläffig? 

Hofm. Sh babe gefhmworen, und daß id) 
Meineive ſchwöre, davon, liebite Bianca, däd 
ich, follten Sie überzeugt ſeyn! — Wer wäre ich au 
wenn mid) diejes arıne liebefranfe Mädchen’ nicht rü 
te! «- D blüden Sie wieder auf, Bianca; nicht ı 
uns allein, auch für Ihren Salviati blühen Sie aı 
Cie ſollen ihn ja fehen : morgen ſchon fehen! 

Bianca. Wenn anders diefes Herz morgen n 
ſchlägt! Wenn er anders die Einladung annimmt ! 

Hofm, Eher würde eine abgeihiebene Zeile I 
Ruf zum Himmel verſchmähen! 

Bianca. Iſt das Ihr Ernit? Sagte Ihren d 
wirklich fein Blick? Wie fanden Sie ihn! Frohd tr 
rig? gleichgültig? War feine Wange rorh oder bleie 

Hofm. Sie glih der Zhrigen, und Schw 
muth ſprach deutlih aus feinem Auge. Doch ſchwa 
fie bey meinem Andli und mehr noch beym Empfa 
Ihres Briefes! 

Bianca. D daß Sie mir nicht ſchmeichelt« 
Daß Sie nicht felbit vielleicht ſich täufhen! Frei 
dinn, — beite Zreundinn, wie wandelbar find 
Wünſche ter Sterblihen! Vor wenig Nugenblid 


’ — 39 ⸗ 
noch glaubte ih meinen legten Tag zu erleben; glaubte 
es mit dem brünftigften. Wunſche, mid ja nicht zu ir⸗ 
ren. Jetzt — jetzt — ſchon fühle ih, wie mit jeder 
neuen Minute neue Liebe zum Leben in meine &eele 
zurückkehrt! wie der Wunſch nach Salviatis Anblick 
auch für keinen Einzigen mehr Platz übrig läßt! — 
Morgen alſo! erſt morgen? (nad einer Heinen Pauſe.) O 
Signora! welches Kleid ratben Sie mir dann wohl an⸗ 
zuziehen? 

Hofm. Eine ſonderbare Frage! Dazu iſt es doch 
noch lange Zeit. — Auch wußten Sie es ja ſonſt nie⸗ 
mahls nur zwey Stunden vorher. 

Bianca. Sonſt? O Das glaubl ich. Aber mor⸗ 
gen — werde ich dann wohl im freudigen Erwarten 
darauf denken können? — Und gleichwohl wählte ich 
gern gut. — Denn wahrlich, Salviati iſt wohl werth, 
daß man auf ihn ſich vorbereite; daß man Alles hervor⸗ 
ſuche, um ihn deſto ſicherer zu feſſeln, (Sehen a6.) 


V V 
Martellis Zimmer. 
Bonaventuri, (hineinftürgend.) 


Martelli, liebſter Martelli, ſieh in mir den Glück⸗ 
lichſten aller Sterblichen! 

Mart. (Gerwunderungsvoll.) Den Gluͤdlichſten! 
Woher dieſer Wechſel? Was iſt dir begegnet? 

Bonav. Nun find mir Königskronen ein Tand, 
und felöft des Kaiferd Würde ein perächtlihes Pofe 
fenfpiel. 

M art. (Immer Ausiger) Bruder, du machſt mie 
bange! Dein Verftand — | 


mn da — 

Wonav. D nein, kein Übereiltes Wort entſchlüpft 
meiner Zunge. Es iſt ein Rauſch der Freude; doch 
ein Raufh mie Bewußtſeyn. Drey Mahl feuriger 
als fonit fhlägt mein Puls; doch nur vor Wonne, nicht 
vor Unſinn. — (Sid überall umfehend.) Sind wir auch 
frey von Seugen? 

Mart. Das fiebft du ja! | 

Bonav. (ipm einen Brief — Bianca's Brief, Hinmere 
fend.) So nimm bin und fies ! 

Mart, (tier). 

Liebenswuͤrdigſter Fremdling! 

Unerwartete Neuheit der Sache, Erſtaunen über 
Ihre Bitte, und innerer Kampf zwiſchen Scham und 
Leidenſchaft machten, daß ich jüngſt das Urtheil, das 
Sie von mir forderten, nur halb ſprach. War es Ih⸗ 
nen ein Ernſt, ſolches ſeinem völligen Umfange nach 
zu wiſſen, ſo erſcheinen Sie morgen um drey Uhr an 
der Hinterthür unſers Pallaſt's, und meine Hofmeiſte⸗ 


vinn wird Sie ſicher zu mir geleiten. 
Bianca Capello. 


Bonav. (nach einer Heinen ſtummen Pauſe.) Nun, 
was denkſt du hierbey? 

Mart. Daß ich erſt zwanzig Mahl meine Au⸗ 
gen reiben muß, um gewiß zu ſeyn, daß ich wache. 
Das härte Sie — dir — wirklich geſchrieben? 

Bonav. (mit ſtotzem zägeln.) Cie! Mir! und 
wirklich! 

Mart. Bianca Capello dieſen Brief? 

Bonav. (beleidigt.) Ruf lieber ihren Nahmen 
zum Fenſter hinaus, daß die halde Straße das Eritaus 
nen mit dır cheilen Eann ! 

Mart. Cie Das an did? Und fühlt du neh 


vo... 42 vor. 


Mart. (im nehfehend.) Sa, wohl ein Wa 
firom! Er brauſ't oft fürchterlich, und doch vertrock 
ihn eine eınzige Eommer - Bode. — Armer Bo 
venturi! Phaetons Vorſatz iſt nun in meinen Any 
feine Fabel mehr. Fahr hin Denn! aber wenigit 
kannſt du mir die unterlaifene Pflicht einer freundich: 
lichen Warnung nicht vormwerfen. 





Bianca. 
(Sie iR allein auf iprem Zimmer; es ſchlägt fo eben dran U 


Endlich! endlich! Schon glaubte ih, bu würt 
nimmer ſchlagen. — Zeyerlihe Etunde, fo bange 
wartet und doch fo heiß gewünſcht, warum bebe 
vor dir, einer Verbrecherinn gleich, und blidfe bir d 
ſehnlicher, ald der Kranke feiner Genefung entgege 
— (Zie gebt unrupig auf und ad.) Fürwahr, die Adi 
flügel der Zeit find gelähmt! Ihre fonft pfeilfehn: 
Eile iſt ein Schnedenfhlid gersorden. Jede Gecun 
fiebt und ſtockt. — (Mu ſchwärmeriſchem Tone.) Al 
nicht fo ſchnell, gute Welt! Kreislauf der Stunde 
zoͤzere dann erft mit deinem Umfchwunge, wenn. 
bier vi, wenn er mir wieder geiteht, daß er mich mı 
als alle Güter der Erde liebt; wenn ih mich anften 
ihn nicht zu verftehen, um nod zchn Mahl diefe X 
thbeuerung zu hören. — (Huf tie Uhr blidend.) Gu 
Gott, ſchon zwey Minuten darüber! und er Eom 
roh mit? — Schon dritehalb, — ſchon drey! 
(BVreter.) Furwahr, feine Erle iſt nicht groß, feine € 
nauigfeit nicht pünctlih! Der Gebisther laͤßt bere 
auf jih warten, ehe nod der Braͤutigam zu werd 


1 


—XRX 43 u. 


beginne. — Aa, die Thür! Es lenkt fi ſeicwirts: 
Es iſt ein Weibestritt! — Daß ſie ver — Unbeſonne⸗ 
ne, was wollteſt du ausftoßen? Soil alles in ber 
Heide der Dinge fih andern, weil du ungeduldiger 
bift, ald ein verzogened Kind? — Schon wieder ein 
Sremder — ein doppelter Schritt! Richtig, o Das iſt 
er! Dad iſt er! — Ruhig, ruhig, liebes Herz!’ Hals 
aus, bebende Bruft! Das iſt — Das ift er! 

(Bonaventuri tritt herein, gleich nach ihm Lie Hofmeifterinn. 
Dianca wi ihm mit offenen Armen ertgegen eilen; bes 
finnt ſich aber noch und fintt auf einen Stuhl, wo fie, vor 
iungfräuliger Scham halb ihe Beficht wegwendet, und 
doch ihm, ebe er noch fpricht, ſchon merklich die Hand zum 
Kuſſe darbeut.) . 

Bonav. (fh ſchüchtern nahend.) Hier, Schönfte 
aller Schönen, naht ih ein Zitternder, um vielleicht 
von Ihren Lippen das Todesurtheit zu empfangen, und 
dann zu Ihren Füßen zu fterben. 

(Er niet nieder vor ihr. Spr Bud fallt mit mwärmfter Zart⸗ 
tigkeit auf ihn. Sie reicht Ihm ganz die Hand. ) 
Bianca O nein, nein! — Leben Sie! Leben 

Sie für Bianca! 

Bonav. (m ſprachloſen Entzücken zwey Minuten lang 
auf ihre Hand geſunken, dann auffpzingend.) Gott — Gott, 
gib mir Kraft, daß ich es aushalte! tiefes Meer der 
unausſprechlichſten Wonne! (Sid wieder aufs Knie ſtür⸗ 
send.) Theure, ewig Theure! Iſt Dieß kein Wahnfinn 
‚meiner Leidenſchaft? Sol ich wirklich leben ? 

Bianca (an feinen Hals und ihn umarmend.) Leben! 
Leben! und für mid! 

Bonav. O daß mein Glück Worte, und meine 
Sreude Thränen hätte! Leben für Sie, Sirene Ihres 
Geſchlechts, she Bianca! 


wen Al vwron 

Bianca Nicht zu meinen Fügen langer, du 
Theurer! — SHeraufin meinen Arm, ©eliebter! Du 
fandeft ja fo leicht und fiher den Weg zu meinen 
Herzen; o fühle, es glüht für dich. auf meiner Lippe 
und fhlagt für dich in diefem Bufen ! 

Hofm. (mit einer Art von warnendem Unwillen. 
Bianca, Tochter des edlen Capello, Diefer X — 

Bianca (entſchloſſen einfatend.) Iſt der Ton de 
Natur, iſt Ton der allmächtigen Liebe, und ih ſchaͤm 
mich feiner nicht. — Noch nie hat meinen Mund eiı 
Mann gefüßt; Diefer bier ift der Erſte, und bey ben 
Allſehenden, er fol aud) der Einzige feyn ! (Sie rüßt ihn. 
Bonav. D nimm Schwur gegen Schmwur! ©: 
heiß liebte vielleicht noch Eein Mann auf Erden; fü 
will id anhalten, mit Eifer ohne Maß und Ziel 
Der Kuf, den ich-je einer andern weiblichen Lipp 
Aufcrücke, werde mir zur Verdammniß hier und dort 
Nur in diefen Armen — (indem er ploͤtzlich inne Hält.) 

Bianca. Du fhweigft! du ſtockſt! — Wa 
ftarıft du mid) fo an? Warum erblicke ich trüben Erni 
in einem Auge, wo id nur Entzüden zu finde 
hoffte ? 

Bonav. O Bianca, meld’ ein fürdterliches Er 
wachen! So ftarrt der Elende vor ſich hin, der fe 
von Wellen fich verfchlungen glaubte, jegt zwar an 
Land geworfen wird , dod nun plöglih aus bei 
Schlummer der Ermattung auffährt, und nichts al 
Einöten und fürdterlihe Wüſten erblidt. — O Tod 
ter des edeln Capello, zwar ift es neidenswertd: 
Glück für Ste, ewig Geliebte, zu leben, aber d< 
grengenfofe Unglück, nicht mit Ihnen leben zu dä 
fen, verſchlingt die Freude über Jenes. 


Bianca. Zraumer!— Warum fhaffen Sie fi 
Qual, wo Eeine iſt? Allerdings follen Sie mit mie 
leben; Hand in Hand, Bruft an Bruft! — Hier ift 
mein Wort: entweder Ihre Oattinn zu werden oder 
nie eined Mannes Weib _— Ich Eenne meinen Vater; 
er ift der gütigfte aller Väter. Noch nie verfagte. er 
feiner Tochter eine billige Bitte. 

Bonav. Und Eönnten Sie wohl hoffen — . - 

Bianca. Feſt ftebt mein Entfhluß ; nur der Tod 
ſteht fefter als er. Wenn Derjenige, der mir das Les 
ben gab, es auch erhalten wiffen will, fo darf — 
fo wird er fih meinem Wunſche nicht wiberfegen. — 
Zudem iſt das Haus der Galviati ja wohi nech des 
Hauſes der Capello würdig! 

Bonav. der bdisher begierig — gleichſam nicht degrei⸗ 
fend, doch aufmerkſam, ihr in's Auge geſchaut Hat, bebt bey 
dieſen letzten Worten zurück, und ruft erſchrocken aus:) Ha! 
Wie? Was ſagen Sie? Das Haus der Salviati? 

Bianca. Nun ja! 

Bonav. Gerechter Himmel! ein Blitzſtrahl, der 
mir eine ſchreckliche Tiefe ſichtbar macht! Wie, ſchoͤn⸗ 
ſte Bianca, denken Sie, daß der Frevler ſich nenne, 
der jetzt vor Ihnen ſteht? 

Bianca (erſtaunt.) Wie? find Sie nicht Satviati t 

Bonav, (ſinkt ſprachtos auf einen Stuhl, und verhüllt 
fein Ungefiht; Bianca und die Hofmeiſterinn eilen erfchroden 
au ihm.) 

Bianca. Großer Gott! was ift Dad? — Ges. 
Tiebter, o Oeliebter meiner Seele reden Sie! — Bianca 
bittet; hören Sie doch! Bianca beſchwört Sie darum ! 
— — — Mod nicht? — D reden Sie! blicken Sie 
wieder auf und ſprechen Sie! 


» 00908 46 20 


Hofm. Lıebiter junger Herr! Was Bedeu 
Dieb? Faſſen Eie ih, reden Sie doch! Wer fi nd & 
denn, wenn Sie nicht Derfind! 

Bonav. (Mid ſchnell erhebend, mit dem Tone des 
faßten Muthes.) Dein, angebethete Bianca, nit I 
ger fo Ihe Irrthum dauern! Zwar ift er mir günf 
— it vielleiht die Quelle meines ganzen bisherig 
Glücks geweſen: doch er verfchwinde, weil ihn zu u 
terhalten Betrug feyn würde! (Sic vor ihr niederwerfen 
Edelſte aller edlen Venetianerinnen! Der hier vorS 
nen kniet, ut nit Salviati, fordern nur ein arn 
junger Mann aus feiner Handlung. War es ftrafi 
von ihm, feine Wünſche und Neigungen zu einem’ 
unermeßlih erhabenen Gegenftand zu lenken; wol 
fo firafen Eie den Verbrecher: gefhähe ed auch m 
Strafe des Todes, er trüne fie ohne Murren. 

Bianca. Mäaͤchte des Himmels! Was Hör ic 
Sie nicht Salviati? — Unbeſonnener Züngling, n 
iſt Ihr Nahme? 

Bonav. Pietro Bonaventuri, aus Florenz. 
ich weiß wohl, daß ſelbſt das börhfte ſterbliche BI 
nicht edel genug iſt, um nah Ihrer Verbindung 
ſtreben; aber leider ! hingen Geburt und außeres El: 
nicht von unferer Willkür ab. — Mein ganzer Adel 
angeerbte Rechtſchaffenbeit; mein ganzer Reichthi 
diefes Herz, das für Cie einzig ſchlaͤgt. 

Bianca die Hinde ringend.) Gott! Gott! we 
ein Irrthum! Dahin meine Hoffnungen! Alles, AU 
verloren! 

Bonav. O daſt Fülle der Liebe und ein bieder 
zaͤrtlihes Herz Anfprüche auf Ihre Hand geben Eön 
ten, dann wäre auf Wortes werter Erde kein Man— 


u 


der mit mir fih meſſen, Eein "König, der neben 
mir auftreten dürfte! Dann dürfte der arme, jegt 
verſchinähte Bonaventuri! ihr würdigfter edeliter Ges 
mahl zu werden hoffen. — Zum eriten Mahle in mei« 
nem Leben wünſchte ich von Eöniglihem Blut entfprofe 
fen zu feyn ; erkaufte gern Schimmer und Gchäße 
mit meinen Blute, um Ahnen fie darzubiethen. — 
Mie? kein Blick von Shren Augen, der mid tröfter ? 
Kein Wort von Ihren Lippen, das mid aufrichtet? 
— — Sie blickt weinend und mit ringenden Händen emvor.) 
O hier — hier liege ich! Hierher ihr belebendes Auge, 
göttliche Bianca! Vergebung, Theuerſte, Verge—⸗ 
bung! Warum ſoll ich ſo grauſam für einen Irrthum 
büßen, der nicht meine Schuld war, und den ich ſelbſt 
zernichtete, ſobald ich ihn entdeckte? 

Bianca (die das Setzte nicht gebört zu haben ſcheint, 
mit aufgehobenem Btid gen Himmer.) Wohl, es fey dir 
gebracht, diefed Opfer! Aber deine Kraft von oben 
herab, du Mächtiger in den Schwachen! die Meinige 
it längft dahin. — Bonaventuri — | 

Bonav. (einfattend.) Ha! ich errathe es, wozu 

„dieſes Gebeth um Kraft: zum Ursheil meined Todes. 
Aber bey eben tem Gott, u dem Ste fleben, bes 
fhwöre ih auch Sie, es nod ein Mahl zu durchden⸗ 
ken: über wen Sie den Stab zu brechen Willens 
find! — Über einen Mann, ber in der ganzen uns 
ermeßlihen Schöpfung nichts Werthes hat, als @ie; 
dem es Himmelsluſt wäre, für Eie fein Blut dahin 
zu gießen ; den Sie feldft einft hoffen hießen; auf 
deifen Lippen noch Ihre Küffe glühen. — — — O 
Gott, Bott) Milliouen Empfindungen, und doch 
kaum einer Splbe maͤchtig, fie hervorzuſtammeln! — 


— — Nur Dad, nur Das noch! — Muß eb ‘ 
feyn , o fo geben Sie mir ihn felbft! Sit es ſchne 
Tod, fo dank ich. Nur daß Sie nicht in langſan 
Schmachten mein Leben, wie auf ewiger Folter, 
hin ſcwinden laſſen — 

Bianca. O Bonaventuri! (aufs Herz beut: 
Iſt es hier noch nicht zerriſſen genug? Wollen Sie n 
noch ftarker quälen ? 

Bonav. Bott, kann ich — 

Bianca. Still! und hören Sie mich! — 
iſt genug, liebenswürdiger Jüngling, Sie ein M« 
geliebt zu haben, um Sie ewig zu lieben. — A 
denkt mein Herz zu edel, als, bewogen du 
die Ungleichheit unſeres Standes und unſerer Güt 
gegen Denjenigen feine Geſinnungen zu ändern, | 
es auch im Bettloakleide geliebt Huben würde. — D 
nie, nie darf ih mir weiter ſchmeicheln, einen e 
fühtigen Vater nad meiner Neigung zu lenken. 
— Es muß alfo — mit innerm Kampf fpreche i 
aus — Bonaventuri, ed muß gefchieden feyn. 8: 
erften und zum legten Mahle ſah ich Sie hier, wei 
nie Sie wieder fprechen! Jeder Ihrer Fünftigen % 
fuhe — wozu nügte er, ald meine Tugend verbä 
tig zu machen‘! Und doc, ift Diefe allein mie werthe 
als unſere Liebe: das Leben ſteht weiter hinter ih— 
Beyden. — Gehen Sie, gehen Sie daher, Arm 
Und wenn Das Ihnen ein Troſt ſeyn kann, fo trä 
Sie die Gewißheit: nie wird Bianca die Gatti 
eines Andern werdet, ba fie bie Ibrige nicht werd 
ſoll. (Sie will ſich losreiſſen.) 

Bonav. (im Zone der mung Bianca ! 

Bianca 


Bianca (urüdtehrend.) Wahr! Der gehört Ih⸗ 
nen noch. (Sie küßt ihn drey Mahl und flieht ab.) 

Bonav. (ihr nach zur Thür, wo fie adgegangen: fin⸗ 
bet ſie verriegeit.) Gott! Gott! Was verbrach ih Staub! 
Warum unmenfhlihe Qualen ausgegoffen über ein 
menfchliches Haupt ! (Gtürge Hinmeg.) 

Hofm. Fürwahr er dauert mih! Doch da er- 
nicht Salviati iſt, ja freylich, wer Eann da beifen t 
(Sans aelaſſen.) Bianca! Bianca! öffnen Sie die Thür! 
er iſt ja ſchon fort. 


\ 





Töne, weldhe weit: bie Kräfte der nienfchlichen 
Zunge überfchreiten, hat deſſen Feder in ihrer Ges 
malt, der Bonaventuri's Schmerz bey feinem Weg: 
gange von Bianca auszubrüden vermag. — eine 
tollfühne Hoffnung, dem Anſcheine nach, ſo dicht be⸗ 
reits am Lande, und nun ſo ganz geſcheitert! Seine 
Geliebte binnen der kurzen Friſt von vier Minuten 
an ſeinem Halſe, in ſeinen Armen, und nun auch 
getrennt, getrennt wahrſcheinlicher Weiſe auf immer. 

Trotz des Meeres von Gefühlen, die auf allen 
Seiten in ihn einſtürmten, flieht doch nicht empfin⸗ 
dungsloſer der Pfeil vom Bogen, als Bonaventuri 
von Bianca's verfhloffener Thür. — Wie er wieder: 
aus ihrer Wohnung, über die Straße, und in fein 
Simmer gekommen, von dem Allen wußte er nachher 
feine Spibe. Er fand fi erft am tiefen "Abend auf 
feinem Bette wieder, umringt von einem Schwarme 
von Menfchen, die ihn durch Reiben und andere Mit: 
tel ind Leben zurüd riefen, und neben ſich feinen. 
Freund Marteli, ber ihn forgfam und oft, bald laut, 

Meifners Bianca Cap. 1. Theil. 


een BO rien 


Bald leiſe, um die Urſache feiner Keankheit befra 
Bonaventuri ließ Tange Zeit bindurd Alles mir 
maden, was man nur wollte. Abgebrodhene W 
waren feine ganze Antwort. Exit nah Verlauf e 
Stunde vermodte er die Bitte heraus zu ſtamme 
daß man ihn mit Martelli allein laffen möge. 

Man gewährte fie ihm, und fein beklemn 
Herz lüftete fih dur Erzählung feines Ungli 
Natürlich, daß fein Freund ihn durch taufend 3 
dungen, dur Trofigrlünde,“neu und alt, zu. ber: 
gen fuhte! Doch noch natürlıher, daß fie war 
was eig Eleiner Becher Waſſer ift, auf einen gro 
glühenden Stein gegoffen. Er loͤſcht die Gluth ni 
er verftärks fie vielmehr. Martelli ſelbſt begriff endl 
daß jeßt der Zeitpunct der Schinerzensftillung unm 
lich ſchon vorhanden feyn Eönne. Aber er rierh ih 
wenigftend an Befanftigung feines Kummers zu 
beiten, und auf Verbergung deöfelben zu denken. £ 
fig verfpra ihm Bonaventuri das Letztere, und h 
es — faſt 619 zu feinem eigenen lintergange. 

Drey Tage lang droheten die Kräfte feines juge 
lichen Körpers feinem verſchloſſenen Harme zu er 
gen. Drey Inge kam er nit vun feiner Lagerſt. 
hinweg. Was bey lüngerem Anbalten gefiegt ba 
würde, fein Vorſatz oder feine Gemürhsbewegu: 
Dieß wäre nutzloſe Unterſuchung. Auch Bianca verdi 
einen beobachtenden Blick! Sie war nur allzu treu 
- eine Genoifinn feines Leidens. . 

Die Arıne! Sie empfand jeßt, daß die Schu 
zen der wartenden Liebe noch nicht, wie fie 
Kurzer gewahnt, der Liebe höchſte Schrnerzen 
sen. Eden diejenige Zuſammenkunft, vor- welcher 


won Di vom | 
Ruhe und Heiterkeit einzuernten gehofft hatte, ſtürzte 
fie jegt unabfsklich rief in Gtam und Jammer; ftürzte 
fie um fo tiefer , je mehr Erwartung und Ausgang von 
einander abwihen. 

Vorwurf an Vorwurf arbeitete fih in ihrer Seele 
empor; bald gegen ſich felbft, bald gegen Bonaͤven⸗ 
turi, bald fogar gegen ihre allzu nachſichtig geweſene 
Aufſehetinn, dieſer uͤberbringerinn der erſten Nahe. 
richt, dieſer Urquelle der Vermuthung: daß Salviati 
der Bittende ſey. — Jetzt bereute fie die Unvorſich⸗ 
tigkeit, mit welcher fie fo blindlings einem Unbekann⸗ 
ten fi in den Arm geworfen, jegt zürnte fie auf bie 
Heftigkeit, mit der fie ihn von fih geitoßen habe. 
Sept fhmähre fie auf den Verwegenen, ber bey fo 
niederer AbEunft, beym Mangel aller irdischen Glücks⸗ 
güter ſich erfrehen Eonnte, feine Wünfche und Abſich⸗ 
ten fo hoch zu erheben; jegt hätte fie wieder diefen 
armen Handlungddiener nicht gegen den Doge von 
Venedig vertauſcht. Seine Kühnheit hieß nun Edel 
muth., feine unbefonnene Liebe Lie reinfte Slamme, 
feine Verzweifelung das Muſter jeden Gefühls. 

Eine traurige Lage! Doch wer erräth nicht, daß 
in diefem ungleichſten aller Kämpfe — im Rampfe 
der Vernunft und Liebe, die fo unzählige Mahl über⸗ 
wundene Bernunft zulegt wieder unterlag * Die fehlaue 
Leidenfhaft, eine geraume Zeit mutbig beftritten , 
flüchtete fih endlich unter das Panier des Mitleid, 
hüllte fi fogar ind Gemand der Großmuth; und 
Branca, das edle Mädchen — fonft nie gewohnt ih— 
ren Nebenmenfhen, bo defto leichter ſich ſelbſt zu 
täufhen — Bianca war feft überzeugt, daß es nur 
die Beforgniß für das Leben ihres Geliebten, nur das 

D 2 


won 52 PAR ' 


Bedauern eines Unglücklichen fey, was fie am bri 
Tage zu folgendem Schreiben antrieb. 


„Mitleidswerther Züngling ! 


„Als wir das legte Mahl uns fahen und fo fd 
„wieder trennten, war mein ganzes Wefen in fe 
„Seundfeften erſchüttert; war mein Bewußtſeyn 
„ganz dahin. — Welches Urtheil ih damahls g: 
„Dich gefprochen, weiß ich nicht mehr. War es 
„hartes, fo vergih mir; mein Mund ſprach es a 
„ohne daß mein Herz eine Sylbe davon wußte!” 

„Nur des Schwures entfinne ich mid) no: / 
„ne oder Feines Mannes Gattinn zu werben; und 
„wiederhohle ich auch jegt, zwar nicht bey berubih 
„Herzen, aber doch bey ruhigerem Blute. Auch 
„mir noch etwas mein Gedaͤchtniß aufbehalten ; 
„ſchreckliches Bild! das Bild Deines Schmerzens. 
„Juüngling, verzweifele nit! Die größten Vef 
„niſſe verwandeln fi oft in Hoffnungen! Bott 
„der Liebe ift ja Bein Ding unmöglih. Immer no 

Deine 
Bianca, 
N. ©. „Du Eannft kühnlich 
„diefer Mohrina trauen; 
„ihr Merz it eben fo weiß 
„und treu gegen mich, als 
„ihr Angefiht ſchwarz ift.” 


Schnell und richtig beitellte die Vertraute di 


Brief. Ein günftiges Ungefähr führte fie auch zu « 
Minute bin, wo der beislägrige Bonaventuri 


N 


ganz allein befand. Sein Erftsunen war faft fo groß, 
wie fein'bisheriger Oram. Was einem Kranken, dem 
Sreunde und Arzt und Wärter bereits das Leben abs 
geſprochen haben, die erfte günftige Verfiherung wahre 
ſcheinlicher Sefferung feyn muß, Das war ihm auch) 
je&t diefer Brief. Haſtig verfehlang er ihn mit dem 
erften Blicke, um dann noch taufend Mahl das Lefen 
desfelben zu wiederhohlen; der Mohrinn plattes Ges 
ſicht (bien ihm das Antlig eines Engels ; zabllofe 
Fragen that er an fie; fprang dann auf von feinem 
Qager und fehrieb Dieß zur Antwort: 


„Krone bes weiblichen Geſchlechts! 


„Vom Fieberfroſte zitterte vor wenig Augenblicken 
„erſt eben dieſe Hand, die jetzt vor Freuden zittert. 
„— Iſt es möglich, daß Bianca noch meiner ſich er⸗ 
„innert? daß fie im fürchterlichen Zorne nicht aufeim⸗ 
„mer Auge und Seele von mir abgewandt hat! — 
„Alein ift wahrſcheinlich die Zahl der mir. noch ab⸗ 
„gemeffenen Augenblicke ; aber ruhig ſehe ich nun dem 
„Schlafe entgegen, der meine Qualen enden fol. — 
„— — Gottes Segen und der Segen jener unbes 
„fleckten Mutter Eomme über die edle Capello !” 

„Ich nehme den Schwur an, den fie that, meine 
„oder Eeines Mannes Gattinn zu werden; aber die 
„freufe Hoffnung, Sie zu befigen, hält ſich eben fo 
„entfernt von mir, als der neidifche Wunſch: daß der 
„Schöpfung fhönftes Meiſterſtück den Nonnenſchleyer 
„wähle. Bald wird das Grab mich aufnehmen; und 
„dann befelige meine Verlobte einen Mann, der Bor 
„naventuri'd Her, mit Salviati’d Reihthum und Gas 
„pello's Range verbinde!” 


wen BA u 


„Sieh, ich ſammle meine ganzen Kräfte für d 
„und doch find deren fo wenige in mir, daft ſchon ; 
„dritten Mahle die Feder meiner Hand entfunfen 
„Rebe wohl! und .wenn bald vielleicht ein leiſes 8: 
„hen unvermuchet dir an deiner Wange hinweht, 
„denke, daß es mein Geiſt ſey, ber fidy halb vergeb 
„bemübs, fein Dafeyn Dir anzuzeigen! Bis zum | 
„ten Lebenshauch x 

Dein 

Bonaventuri. 

Arme, beforgte Bianca ! So liebevoll diefed Sch 
Ben Elang , fo wenig war ed doch ganz nad ihr 
Wunſche. Sie mußte nob nicht, daf tie Todes⸗A 
dungen eines Liebhabers felten eine buchſtaͤbliche Wo 
beit zu feyn pflegen, und die Erzählung ihrer M 
vinn yon dem bedenklichen Zuftande , in welchem fie 
‚jungen Mann angetroffen babe, vergrößerte noch i 
Angft. Äber mit eben derfelben wuchs auch die Lie 
wuchs nitt jeder Stunde fo ftark, daß fie fon bes 
dern Morgens die Mohrinn zum zweyten Mahle mit 
gendem Säreiben abfandte: 

„Nein, geliebter Bonaventuri, Dein Brief 
„nicht das letzte Lebewohl mir fagen! Ich gebiethe 7 
„zu leben ; gebiethe Dir, das Grab noch nicht 
„Deine baldige Wohnung , den Tod noch nicht 

„Deinen einzigen Zreund anzufehen. — Unachtſam 
„baft tu fo flüchtig meines vorigen Briefes let 
„Zeile überfehen I" 
„D Mann, daß eine fo tiefe Kluft uns trenı 
„muß! Und boch ift fie noch nicht allzutief und al 
„graufend für meinen Geiſt! — Erſt nach dem To 


ro. B5 ns 


„will der Deinige mich udſchweben I Ah der Meinige 
„thut Dieß bey Deinem Leben fhon. — Süngling, 
„Züngling , im Wettftreit tärkerer Liebe dürfte 
„das ſchwächere Geſchlecht wohl obfiegen!” 
„Auch meinen Schwur mißdeureſt du. Deine oder 
„keines Andern Gattinn! Dieſen Eid würde ſelbſt 
„Dein frübes Einſchlummern nicht vernichten. — Blüht 
„nicht fir Dich die Blume meiner Jugend, fo fol 
„Niemand — ich kanns nicht enden; allaugenblicklich 
„febe ich mich geftört. und in Gefahr der Entdedung. 
„Doc barf ich es nicht länger anftehen laffen, Dir zu 
„gebiethen: Zrage Sorge für Did ſelbſt! — 

„Gehorche! oder zittere, wenn Du es unterlaffen koͤnn⸗ 
„seit! Denn bann verklagt Dig auch noch dort die 
nThräne 

Pa Deinge 
“ Bianca” 
mie faſt noch gebßerer Freude „ als den vorigen, 
empfing Bonaventuri diefen Brief. Die Eile, mit 
welder er ankam, der dringende Zon deſſelben beſtaͤrk⸗ 
te ihn immer mehr und-mehr, daß Bianca, nod, und 
zwar, daß fie ihn brünftig liebe. 

. Aber fo ifk die menfhlihe Natur! Kaum wırb 
der kleinere Wunſch ihr gewährt, fo glaubt fie auch 
fhon auf den größern vechtöfräftige Anſprüche machen 
zu dürfen. Eben der Bonaventuri, der damahls, als 
er troftlos an Martelli's Bufen fein Leid ausfchüttete, 
den Eeinften Funken Hoffnung : daß Bianca feiner 
noch günftig bedenke, für Himmelswonne geachtet ha« 
ben wiirde; eben diefer Bonaventuri ſah nun Eaum jer 
nen Funken unwiderſprechlich glühen, als er ſofort 


auch nad groͤßern Vortheilen ftrebte; als er ſich 
vornahm, Alles oder nichts zu beützen. 

Bilder des Gluͤcks laͤchelten ihm nun ſchonr 
ber winkend von fern; und die Drangfalen im X 
bergrunde erſchreckten ihn nicht. Er wollte hindu 
. oder nicht mehr leben. Vorſichtig genug, feinem V 
telli, deſſen kalte Klugheit zu grell von ber glüben 
Jugendhitze abſtach, die legtern Briefe nicht mehr 
zeigen, ſchrieb er tief in der Nacht folgendes Bil 
welches er der wieder nachfragenden Mohrinn einp 
digte. 


„Edelſte aller Venetianerinnen! 


„Zum zweyten Mahl alſo befiehlſt Du mir zu 
„ben und zu dulden? befiehlſt es mir, voll Bewu 
„ſeyn Deiner Allmacht Über mern gatzzes Geſchick? 
„Aber ſelbſt die himmliſche Hufdz dieſe mir Ti 
„zuſprechende Güte — o wie verſchieden iſt ſie von 
„nem beſeligenden Tone, als ich in deine ausgebrei 
„ten Am: fan, ald Du noch den glüdlihen Salvi 
„in den. verfannten Bonaventuri zu umarmen gla 
„teſt! — Röniginn meiner Seele! o vergib mir, we 
„id, der ich fonft kühn für jede Erfüllung meiı 
„Pflichten Dir bürge, doch nur zur Selbſterhaltu 
„mic zu verpflichten zage !” 
„Entfrseite felbit, wenn Du mid, füheft, verfe: 
„in einem dunkeln Kerker, von giftigen Sclang 
„rings umflridt, von einem nahen Feuer langfam ; 
„röitet, und nur einen einzigen Arm noch ungefeffelt- 
„tiefen Arm bewaffnet mit einem Dold,e ; würdeſt 2 
„mir wohl zurufen: „Freund, nüße diefen Do 
„nice! bulde lieber beine Aual ! Du mußt zwar 


— BT — 
„einigen Stunden ſterben; aber ſtirb wenigſtens jetzt 
„noch nicht !” \ 
„Oft war, wenn ſchon der Gedanke des Todes 
„in feiner ganzen Kraft erwachte; wenn ich ſchnell nach 
„Dolch und Giftbecher Iangte, erhob ſich ein anderes 
„Gefühl gleih mächtig in mir. Nicht etwa Gefühl der 
„Furcht, nicht Liebe diefes elenden Lebens, fondern 
„die Vorſtellung: der Zod trennt did von einer Welt, 
„in welcher Bianca noch Iebt! Ohne fie iſt ſelbſt der 
„Himmel für dich eine Hölle! — Und dann, dann 
„entſchloß ich mich zu leben; dann erſchienen mir thd« 
„richte Möglichkeiten reigend beym eriten Anblick; aber 
„ach, dem Stich der Tarantel ähnlich, deſſen Wirkung 
„mit frohen Zänzen beginnt, und mit tödtlihen Ver“ 
„zuckungen endet! Denn dachte ich eh: sielleidht, daß 
. ngleihwohl noch — 

„O vergib mir, wenn ich hier ſtocke! Der hat 
awenige oder höchft Ealte Entwürfe, ber fie der Feder 
. „und dem Papiere anzuvertrauen vermag! Und eben 
„daher noch eine Bitte, meine Letzte vielleiht!. — 
„Theure, edelfte Bianca, ich befchwäre Did) bey dei⸗ 

Her fhönen Seele, bey unferer Wohlfahrt hier und 
Bpert, ‚bey dem Schußbeiligen, vor deſſen Bildniß 
„Du vielleicht fo eben Enieeft , bey der Goͤttlichen ſelbſt, 
„die ohne Sünde empfing : verfage mir diefe legte ' 
‚nGefäligkeit nicht! Gönne mir noch ein Geſpräch 
gmit Die! | 

„Ort, Zeit und Art Überlaß id Deiner Willkür, 
„Gebeut mir die mühfamften, die gefahrvollften Wege. 
„Ah, was ift Mühe und Gefahr, gegen wenige Mis 
„nuten im Geſpräche mit Dir vollbracht Sie follen 
„mein Geſchick für immer beftimmen ; fie fallen — 


won 52 mm 


Bedauern eines Unglücklichen ſey, was fie am brit 
Tage zu folgendem Schreiben antrieb. 


„Mitleidswerther Süngling! 


„als wir das legte Mahl uns ſahen und fo ſchr 
„wieder trennten, war mein ganzes Wefen in fei: 
„Srundfeften erfchüttert; war mein Bemußtfeyn | 
„ganz dahin. — Welches Urtheil ih damahls ge, 
„Dich geſprochen, weiß ich nicht mehr. War es 
„hartes, fo vergih mir; mein Mund ſprach es ar 
„ohne daß mein Herz eine Sylbe davon wußte!” 

„Nur des Schwures entfinne ih mih nor D 
„ne oder Feines Mannes Battinn zu werben; und 
„wiederhohle ich auch jegt, zwar nicht bey beruhiht 
„Kerzen, aber doch bey ruhigerem Blute. Auch | 
„wir noch etwas mein Gedaͤchtniß aufbehalten ; 
„ſchreckliches Bild! das Bild Deines Schmerzens. 
„Süngling, verzweifele nicht! Die größten Beſo 
„niſſe verwandeln fi oft in Hoffnungen! Gott ı 
„ber Liebe ift ja Bein Ding unmöglid. Immer nod 

Deine 
Blanca.” 
N. S. „Du Eannft kühnlich 
„dieſer Mohrina trauen; 
„ihre Merz iſt eben fo weiß 
„und treu gegen mich, als 
„ihr Angeſicht ſchwarz ift.” 


Schnell und richtig beitellte die Vertraute die 
Brief. Ein günfliges Ungefähr führte fie auch zu ei 
Minute hin, wo der beislägrige Bonaventuri 


zer 55 nes 


ganz allein befand. Sein Erftsunen war faft fo groß, 
wie fein'biöheriger Sram. Was einem Kranken, dem 
Sreunde und Arzt und Wärter bereits das Leben abs 
geſprochen haben, die erfte günftige Verſicherung wahre 
ſcheinlicher Beſſerung ſeyn muß, Das war ihm aud 
jet diefer Brief. Haſtig verfhlang er ihn mit dem 
erften Blicke, um dann noch täufend Mahl das Lefen 
desfelben zu wiederhohlen; der Mohrinn plattes Ges 
ſicht ſchien ihm das Antlig eines Engels ; zahlloſe 
Fragen that er an fie; fprang dann auf von feinem 
Lager und ſchrieb Dieß zur Antwort: 


„Krone des weiblichen Geſchlechts 


„Vom Fieberfroſte zitterte vor wenig Augenblicken 
„erſt eben dieſe Hand, die jetzt vor Freuden zittert. 
„— Iſt es möglich, daß Bianca noch meiner ſich er⸗ 
„innert? daß ſie im fürchterlichen Zorne nicht aufeim⸗ 
„mer Auge und Seele von mir abgewandt hat? — 
„Klein iſt wahrſcheinlich die Zahl der mir noch ab⸗ 
„gemeffenen Augenblicke; aber ruhig ſehe ich nun dem 
„Schlafe entgegen, der meine Qualen enden ſoll. — 
„— — Gottes Segen und der Segen jener unbes 
„fleckten Mutter Eomme über die edle Capello !” 

„Ich nehme den Schwur an, den fie that, meine 
„oder keines Mannes Gattinn zu werben; aber die 
„frevle Hoffnung, Sie zu befigen, hält ſich eben fo 
„entfernt von mir, ald der neidifche Wunſch: daß der 
„Schöpfung ſchönſtes Meifterftücd den’ Nonnenſchleyer 
„wähle. Bald wird das Grab mid aufnehmen; und 
„dann befelige meine Berlobte einen Mann, der Bor 
„naventuri’d Herz mit Saldiati's Reichthum und Ca⸗ 
„pelo’s Range verbindet!” 


wen Ba wen 

„Sieh, ich ſammle meine ganzen Kräfte für ı 
„und doch find deren fo wenigein mir, daß fchon | 
„dritten Mahle die Keder meiner Hand entfunfen 
„Lebe wohl! und .wenn bald vielleicht ein leifed 2 
„hen unvermuthet dir an deiner Wange binweht., 
„denke, daß es mein Geiſt fey , der fi) halb vergeb 
„bemüht, fein Dafeyn Die anzuzeigen! Bis zum. | 
„ten Lebenshauch on 

Dein 

Bonauenturi. 

Arme, beforgte Bianca ! So liebevoll dieſes Sch 
Ben Elang , fo wenig war ed doch ganz nad ihr 
Wunſche. Sie mußte nob nicht,/ daß tie Todes⸗A 
dungen eines Qiebhabers felten eine buchitäbliche We 
beit zu feyn pflegen, und die Erzählung ihrer M 
vinn gon dem bedenklichen Zuftande , in welchem fie 
jungen Mann angeteoffen habe, vergrößerte nody i 
Angft. Äber mit eben derfelben wuchs auch die Lie 
wuchs nitt jeder Stunde fo ftark, daß ſie ſchon bes 
dern Morgens die Mohrinn zum zweyten Mahle mit 
gendem Säreiben abfandte: 

„Nein, geliebter Bonaventurt, Dein Brief 
„nicht das legte Lebewohl mir.fagen! Ich gebiethe ( 
„zu leben ; gebiethe Dir, das Grab noch nicht 
„Deine baldige Wohnung , den Tod noch nicht 

„Deinen einzigen Freund anzufehen. — Unachtſam 
„baft du fo flüchtig meines vorigen Briefes let 
„Zeile überfehen I" 
„D Mann, daß eine fo tiefe Kluft uns tren 
„muß! Und doch iſt ſie noch nicht allzutief und al 
ꝓ„grauſend für meinen Seit! — Erſt nach dem To 


no B5 vera 


„will der Deinige mich ud ſchweben Ach ber Meinige 
„thut Dieß bey Deinem Leben ſchon. — Juͤngling, 
„Jüngling, im Wettſtreit ſtärkberer Liebe bürfte 
„das ſchwaͤchere Geſchlecht wohl obſtegen!“ 
„Auch meinen Schwur mißdeuteſt du. Deine oder 
„keines Andern Gattinn! Dieſen Eid würde ſelbſt 
„Dein frübes Einſchlummern nicht vernichten. — Blüht 
„nit für Dich die Blume meiner Zugend, fo foll 
„Niemand — ih kanns nicht enden; allaugenblicklich 
„ſehe ich mich geftört. und in Gefahr ber Entdedung. 
„Doch barf ich es nicht länger anſtehen laffen, Dir zu 
„gebiethen: Zrage Sorge für Did ſelbſt! — 

„Gehorche! oder zittere, wenn Du es unterlaffen koͤnn⸗ 
„seit! Denn dann verklagt Sig auch noch bort die 
„Thrane 

Dein 
Bianca” 
mit faſt noch geßßerer Freude „ als den vorigen, 
empfing Bonaventuri diefen Brief. Die Eile, mit 
welder er ankam, der dringende Zon befielben beſtaͤrk⸗ 
te ihn immer mehr und-mehr, daß Bianca. noch, und 
zwar, daß fie ihn brünftig liebe. 

- Aber fo ift die menfhlihe Natur! Raum wırb 
der Eleinere Wunſch ihr gewährt, fo glaubt fie auch 
fon auf den größern rechtskräftige Anfprüde machen 
zu dürfen. Eben der Bonaventuri, der damahls, als 
er troftlos an Martelli's Bufen fein Leid ausfchüttete, 
den Eeinften Funken Hoffnung : daß Bianca feiner 
noch günftig dedenke, für Himmelswonne geachtet ha⸗ 
ben würde; eben diefer Bonaventuri fah nun kaum je⸗ 
nen Funken unwiderſprechlich glühen, als er ſofort 


wer 36 — 


auch nad) aröfiern Vortheilen firebte; als er fi 
vornahm, Alles oder nichts zu beſitzen. “ 

Vilder des Glücks lächelten ihm nun fhon ı 
der wirken! von fern; und die Drangfalen im X 
dergrunde erſchreckten ihn nicht. Er wollte hindu 
. oder nicht mehr leben. Vorſichtig genug, feinem W 
telli, deſſen kalte Klugheit zu grell von der glüben 
Jugendhitze abſtach, die letztern Briefe nicht mehr 
zeigen, ſchrieb er tief in der Nacht folgendes Bil 
welches er der wieder nachfragenden Mohrinn einh 
digte. 


„Edelſte aller Venetianerinnen! 


„Zum zweyten Mahl alſo befiehlſt Du mir zu 
„ben und zu dulden? befiehlſt es mir, voll Bewu 
„ſeyn Deiner Allmacht Über mern ganges Geſchick? 

„Aber felbit bie himmliſche Huld, diefe mir &ı 
„zufprechende Gute — o wie verſchieden ift fie von 
„nem befeligenden Tone, als ich in deine ausgebrei 
„ten Arın: ſank, ald Du nod den glüdlichen Salvi 
„in den. verkannten Bonaventuri ju umarmen glaı 
„teſt! — Koeniginn meiner Seele! o vergib mir, we 
„in, der ich fonft kühn für jede Erfüllung mein 
„listen Dir bürge, doch nur zur Selbſterhaltu 
„mid zu verpflibten zage!“ 

„Entfreite felbft, wenn Du mich ſäheſt, verfei 
„in einem bunkeln Kerker, von giftigen Schlang 
„rings umfleidt, von einem nahen Feuer langfam ; 
„röitet, und nur einen einzigen Arm noch ungefeffelt- 
„tiefen Arm bewaffnet mit einem Dold,e; würbeit 3 
„mir wohl zurufen: „Freund, nüge biefen Do 
„nicht! dulde lieber deine Qual! Du mußt zwar 


„einigen ‚Stunden ſterben; aber ſtirb wenigſtens jetzt 
„noch nicht!” 

„Oft zwar, wenn ſchon der Gedanke des Todes 
„in ſeiner ganzen Kraft erwachte; wenn ich ſchnell nach 
„Dolch und Giftbecher langte, erhob ſich ein anderes 
„Gefühl gleich mächtig in mir. Nicht etwa Gefühl der 
„Furcht, nicht Liebe dieſes elenden Lebens, ſondern 
„die Vorſtellung: der Tod trennt dich von einer Welt, 
„in welcher Bianca noch lebt! Ohne ſie iſt ſelbſt der 
„Himmel für dich eine Hole! — Und dann, dann 
„entſchloß ich mich zu leben; dann erfchienen mir thö⸗ 
„richte Möglichkeiten reizend beym erften Anblick; aber 
„ach, dem Stich der Tarantel ähnlich, deſſen Wirkung 
„mit frohen Zänzen beginnt, und mit tödtlichen Ber’ 
„zuckungen endet ! Denn bachte ich of: vielleicht, daß 
aoleichwohl noch — 

„O vergib mir, wenn ich hier ſtocke! Der hat 
„wenige oder höchſt kalte Entwürfe, ber fie der Feder 
. „und dem Papiere anzupertrauen vermag! Und ebeu 
„daher noch eine Bitte, meine este vielleicht! — 
„Theure, edelfte Bianca, ic befhwäre Dich bey bei* 
añer ſchönen Seele, bey unſerer Wohlfahrt hier und 
Idoert, bey dem Schutzheiligen, vor deſſen Bildniß 
„Du vielleicht fo eben knieeſt, bey der Göͤttlichen ſelbſt, 
„die ohne Sünde empfing : verfage mir biefe legte 
„Gefälligkeit nit! Gönne mir noch ein Geſpräch 
gmit Dir! | 

„Ort, Zeit und Art überlaß ih Deiner Wiſlkür. 
„Gebeut mir die mühſamſten, die gefahrvollften Wege. 
„Ah, was iſt Mühe und Gefahr, gegen wenige Mi⸗ 
„nuten im Geſpräche mit Dir vollbracht“ Sie follen 

„mein Geſchick fir immer beftimmen ; fie follen — 


„mildes, himmliſches Mädchen , vertweigere mir bi 
„flebentliche Bitte nicht! An ihr will ich erkennen: 
vich wirklih no in Deinem Auge fey 


Dein 
Bonaventuri.“ 


Sehnlicher blickt der Unglückliche, der an eiı 
wüſten Snfel ftrandete, dem einzelne, am Felſen 
fundene Beeren Faum noch das Leben friſten, den 
legten Späne feines Bretes, das ihn ans Ufer tru 
Faum nod erwärmen — fehnlicher blickt er nicht nı 
ber See hinaus: ob vieleicht der Rauch feines fü 
merlichen Feuers ein Segel herbeylocke? ald Bor 
venturi, einige Tage hindurch, der Antwort auf fi 
Begehren entgegen fhaute. Sie Fam endlich und le 
tete alſo: 

„Meinen Dank dafür, Liebling meiner See 
„Daß Du ſelbſt die große Wahrheit erkennſt: um r 
„nigftens jenfeits für einander zu leben, miffe m 
„dießſeits ausdulden. Deine Einwürfe miderlege 
„nicht, Sit dein Herz äleich geffimmt mit bem mei 
„gen, fo bedarfes nit einmahl diefer Wederlegun 

„Aber ach! daß ich, die ich fo gern jede billi 
„Bitte, noch kaum gedacht, geſchweige wukl 
„ausgeſprochen, Dir gewähren möchte, — «a 
„daß ich nicht Hoffnung — nicht Hoffnung einm 
„iu einem mündlihen Gefprähe Dir machen Far 
„Mein Herz blutet; aber diefes Bluten macht lei 
„Unmöglichkeiten nicht moͤglich.“ 


® 


„Laß meine Mobrinn Die erzählen ; ‚ wie ben gans 
„zen Tag hindurch Auffeher mid belauern; wie fein 
„Augenbli für mich ſicher, Kein Winkel einfam’ ift. 


„Muthmafite weine Hofmeifterinn. nur eine Rüden ' 


„innerung, gefhweige ein Verftändniß zwi⸗ 

„chen ung ; fie würte fogleich ed meinem Vater anzeis 
„gen; ein Kofter würde für mid) feinen Schlund aufs 
„thun, für Dich vieleicht ein Kerker. Alles, Alles 


„wäre dann verloren. — O daf die Liebe einen Rath 
„wüßte, und ich würde denfelben willig hören; aber 


„iegt bat für Dich nur Seufzer, nur Spränen und 
„Wüuünſche 
Deine | 
Bianca” 


% 





ben wollte. Dieß der Brief. — und zum Troſt für 
meine Leſer, der legte Brief! den die Mohrinn zu⸗ 
ruͤck trug: 

| „Uunmöglich alſo iſt es Dir, mich. am Tage zu 
„Dir, oder ſonſt irgend wohin zu beſcheiden? Unmög— 


„lich, ob Du ſelbſt gleich ſonſt meine Bitte billig 


„findet? Wohlan, fo bleibt mir doch ein Vorſchlag 
„übrig. Zwar thu' ich ihn mit Zittern; aber ich weiß, 
„daß ich mit einer Heldinn,, mit einer edlen Geele, 


F 
Lv 


Jetzt war Bianca da, wohin Bonaventuri fie has. 


J 


⸗ 


„gleich erhaben über Furcht und Vorurtheile, ſpreche; 


„und ich wag ihn daher, — 
„Von jeher war die Nacht der Siebe Freundinn. 
„Laß uns ſolche auch zu der Unſerigen machen! Wann 


x. 


IIER 60 r208 


„Dein Vater, wann Deine Auffeberinn ſchlafen, dar 
„Du Theure, wache für mich! danıı Eomme Du fe 
„zu Dem, der leider nicht zu Dir binfommen da 
„Du weißt das Haus, worin id wohne; das le 
„Fenſter gegen Welten, — das Einzige, in weld 

„Du nad) zwölf Uhr noch Licht fehen wirft, — ift! 
„Meinige; da will ich fieben Nächte hindurch anf t 
„warten; da hoffe ih —“ 

„O zürne nicht, zürne nicht, Du Einzige! T 
„für die ich Iobe und ſterbe! — Für Dich wollte 
„freudig den glühenden Sand Afrika's, für Didy- 
„ftarren Gebiethe des Nordens durdivandeln; ſollt 

„Du Did) weigern , wenige Schritte uͤber die Stra 
„für mich zu thun? 

„Auch zage nicht, Did in einer fo gefährlich 
„Stunde allein mir einem Manne zu fehen, der D 
„liebt! — Gottes unmwiderruflicher Fluch falle auf me 
„Haupt; jeder feiner Heiligen verfhmähe die Vorbii 
„für mid, und Feine Meſſe, am Hocdaltar, zur h 
„ligften Zeit gelefen , exlöfe dereinft meine See 
„wenn ich einen Wunfch oder nur ein Wort gen 
„Dich wage, das bie firengite Tugend fhamroth m 
„ben könnte! — Die Ruhe deines Gewiſſens, De 
„guter Nahme und Glück find allein mir tbeurer ne 
„ald meine Liebe — Nur erhöre mih! Ich beſchwi 
„Did ; erhöre mih! Bis zum Ende meines Leben 
„und gewiß dort noch 

Dein 
Bonavensuri.” 





Ich zweifele nit, daß die meiflen Damen, . 
die durch ein Ungefähr dieſen Brief zu Gefichte bekor 


wen 62 mem 


men, und zumahl diejenigen, welche vergeffen , daß 
das welſche Blut um ein gutes Theil glühender, als 
unſer deutſches phlegmatiſches walle — Bonaventuri’s 
Vorſchlag ziemlich dreiſt und unſchicklich finder dürften, 
Bianca felbft fand ihn Anfangs fol Jungfräu—⸗ 
fihe Scham, —— vor der oft geleſenen Behaup⸗ 
tung: daß Meineid bey der Liebe, im Puncte der 
Enthaltfamkeit, für keine Sünde gelte; die Schwie⸗ 
rıgkeiten des nächtlichen Entweichens ; Die fürdhterlichen 
Folgen der Entdeckung: alles Das ſchreckte fie; und 
fürwahr, ihre Vorfag, gegen ih felbft zu kämpfen, 
mußte ftandhafter als ein gewöhnlicher weiblicher Vor- 
fa feyn, denn ganger zwey Nächte hielt er an, fo 
ſchlaflos auch drey Viertheile von ihnen Bianca ba- 
hinſchlichen. — Dieß ift der Monolog der‘ dritten 
Nacht, als fie abermahls die Mitternachtsſtunde ſchla⸗ 
gen hoͤrte: | 
„Unmöglich, unmdglih, daß ich. an etwas ans 
ders denke, ald an ihn! — Selbſt Gebethe, die ic 
zum Himmel fenden will, werden zu Spott gegen 
den Himmel; werden Gedanken an ihn — an ihn, 
der mır mangelt, und Alles mitibm !’ — (paufe). 
„Was er jegt machen mag?! Ob er. auch wacht? 
auch feufze? auch fi fehnt nad mir? — O gewiß, 
gewiß! Sagen es mir nicht feine Briefe? Sagt es 
mir nit mein Herz? — (Uuffpeiigend, indem fie ihr 
Bette weit wegwirft.) Hinweg mit dir, ebemähls die 
Beruhigung meiner kleinen Sorgen, nun meine be 
ſchwerlichſte Laft! Du gehörftfür Schlafende; aber für 
mich iſt auch diefe Erquidung dahin. — Selbſt als 
Kranke babe ich keinen Anſpruch mehr auf did. Meine 
Krarkheit heilt ein Einziger, oder ein Bett von Erde, 


— (Gcht einige Nahle auf uud ab, und bleibt vor dem B 
ihrer Hofmeiſterinn Reben, A fer Idiäft.) 

„Und du fdlummerit fo fanft? fo fett? DI 
Sorgfalt für mi, die ich fo ſehr deiner Sorgi 
bebürfte? — Kein Traum von Liebe, Eeine Sehnſu 
nad einem Manne, der nicht dein Mann feyn Eur 
bennruhigt dih. — Haſt du auch jemahls gefühlt, w 
Gluth der Zärtlichkeit vermag, fo har jest das Al 
dene Flamme erlöſcht, beine Wünſche befänftige.” 
Pau.) 

„O, daß ich wäre, was du biſt! Wie gern wı 
te ich diefe Enöcherne Hand, dieſes runzelvolle Geſie 
diefen verwachfenen Wuchs gegen meine Tugend ı 
Geſtalt umtaufhen, befüme id nur zugleid dein H 
mit; dein Herz, deſſen größte Glückſeligkeit &p 
und Trank, Kleider und ein richtiger Jahreslohn a 
maden! — — — (Auf und abgeheud.) Bonaventu 
Bonaventuri! — Welch erbittertes Geſchick ſpr 
über und das Urtheil aus: daß wir Unſchuldige ur 
wechfelfitiges Elend machen folltent — Wie} w 
ex jetzt vielleicht meiner barıte ? Bey jedem rauf 
ben Lüftchen an Zhür und Fenſter eiltet Zürnte, | 
id nie Aime?’ — 

„Zürnen! Könnteer Das? War fein Vorfch 
von der Art, daß ich ihn gemähren Eonntet 2 
man mich nun binfchlüpfen fühet Wenn man mid 
def vermißte ? Meine alsdann jeder Verleumdung pr: 
gegebene Ehre, der Spott meiner Scweſtern, 
Zorn meines Vaters, die Vorwürfe meines Gewiff 
— — o Bonuaventuri, dem Allen wolltet du rn 
bloßitellen?! Du, für den ich willig ſelbſt in den ‘ 


u wa 63° vorn 
gehen würde! — (Eis sefinnend.) Inden Tod?” (Mirfe 
find mit betretener Miene in einen Gelen. . 

„Pfui, Bianca! hier ertappft du dich ſelbſt auf 
einer Unwahrheit. Iſt ſpöttiſches Stadtgeflüſter, iſt 
ſtrenge Behandlung deines Vaters, ſind Schlaͤge und 
Einfperrung ſelbſt, mehr als der Zod? Ihm willſt du 
für Bonaventurs dich unterziehen, und jenen Prüfun⸗ 
gen nicht? (Schnell auffpringend.) Auf! auf! Was dich 
bintern kann, ſchlaͤft. — Auf! auf! bin jun ihm! Er 
bat nichts Unmögliches gebethen! — (Einhaltend.) Aber 
wenn er — — — Schwaches Mädchen, wie ver⸗ 
mödtet du — — —“ 

„Stein! nein! er hat geſchworen; und Mißtrauen 
in feinen Schwur wäre Mißtrauen gegen den Himmel 
ſeibſt. Sort ſelbſt könnte nicht Meineid in dem Herzen 
eines Mannes ungeftraft erbulden, in deſſen Augen 
und Mund er fo viel Redlichkeit und Überrebung legte. 
— Auf! auf! zu ihm!” 





— 


Bianca eilte jetzt eben ſo leiſe als ſchnell die Trep⸗ 
de hinab > riegelte die Hausthüre anf, lehnte fie vor⸗ 
jihtig an, und flog zum Pallaſt des Salviati. _ 

Drey halbe Nächte hatte hier der junge Mann 
vergebens an feinem Fenſter geharrt ; hatte auf jebes 
lifpelnde Lüftchen gehorcht; auf jede noch ferne Geftalt 
ängftlih gelaufht. Schon nahm feine Hoffnung, es 
jemahls mit glücklichem Erfolge zu thun, allmählig 
ab; ſchon beforgte er, durch feine allzudreifte Forde⸗ 
zung alles verloren zu haben; fhon war ihm auch 
‚einige Mahl der ſchreckliche Gedanke: ber ertappten 


ea 64 nosea , 
Bianca, burdhdie Seele gebrauft. Die ganze San 
Iung feiner Kräfte war ihm dann nöthig, einer X 
ftelung diefer Art nicht zu erliegen. 

Raum traute er daher jeht feinen Augen, alı 
fie daherſchlüpfen ſah; als er das Rauſchen ıhres 
denen Gewandes vernahm, und ihre Geſtalt erfanr 
Kaum vermochte er ihr entgegen zu eilen, ald end 
ihr Hüfteln, ihr Winfen und ihr leifer Gruß ihn ut 
zeugte, daß es kein Trugbild fey, was in biefer i 
fo iheuern Korm erfcheine; und noch minder vermo: 
er dann zu ſprechen, als das liebevolle, gütige M 
chen ihm mit ſinkenden Augen, ftatt einer wörtlid 
Bewillkommung, die Wange zum Kuffe darboth. 

Aber ihre Unterredung ſelbſt? — Nein, eb | 
nit Nachahmung jenes Mahlers Timanthes fe 
der feinen AgamemnondsKopf *) verhüllte, weil 
den leidenſchaftlichen Ausdruck desfelben zu erreid 
verzweifelte! Doch was dem Liebenden von der G 
Tiebten fo unnachahmlich ſchön dünkt, wird Teidht 
dem Papiere für einen Dritten zur Übertreibung ‚ 
nicht gar zur Thorheit; Gefprache der Zärtlichkeit, 
der wirflihen Natur fo ſchnell verfliegend, dehnen | 
in der Wiebererzählung zur oft unerträglihen Lan; 
und daher wird man fich hoffentlih auch mit die 
Eurzen Nachricht begnügen. — Zwey Stunden v 

ſtrichen 





*) Ben einer Opferung der Iphigenia. Der Nabme 
manthes, und dieſe Begebenheit intbeſondere, ſind 
allbekannt, daß es Beleidigung der Leſer ſeyn dürfte, 
ters Hiee umſtandlich zu erzählen. 


x ven 65 TOR, 
ffrihen den - Liebenden unter Betheurungen ihrer in: 
brünftigen Liebe, unter Iuftigen Entwürfen für Ge⸗ 
genwart und Zufunft, Trotz mander innern Anreis 
zung bielt der Züngling den Schwur feiner Enthalt⸗ 
ſamkeit; und Capello 8 Tochter erneute den isrigen : einit 
diefes oder keines Mannes Gemahlinn zu werden. 

Beym Abfchied.. vereinten fie ſich, fiber eine gfeis 
he Zufammenfunft in der deitten Naht; meinten, 
trockneten ſich wechfelfeitig die Thraͤnen; trennten ſich 
unter tauſend Küſſen, mit zehnfachem Zurückkehrem. 

Armes Moͤdchen, als du im Heimgehen mit bee 

frohen, blinkenden Thraͤne zum geſtirnten Himmel 
emporſchauteſt, und für dieſe zwey ſeligen Stunden 
ihm dankteſt, da ahndeteſt du noch nicht: welchen 
kränkenden Streich ein feindſeliges Geſchick dir indeß 
erweiſen Eönne, und wirklich erwieſen hatte! Durch 
eine Hinterthür in einem engen, ſchmalen Gäßchen 
war. Bianca aus dem väterlichen Haufe. gefchlunft, 
‚hatte fie hinter fih nur angelehnt. Ein Luftzug 
mochte die Thüre merklicher geöffnet haben: ein Be: 
Eannter des alten Capello ging vorbey ; fah es; glaubte, 
daß hier bloß ein Ungefähr obwalte; glaubte den Pal⸗ 
laft feines Freundes ‚vor Dieben fihern zu müſſen, 
und — warf fie, aus unzeitiger Dienfibegier, zu. 

Welch ein Entfegen für Bianca, als fie 1egt 
ſchnell wieder in ihre Wohnung zurüdkehren. wollte, 
und fie — verfchloffen.fand. Starre Betäubung faßte 
fie zwey Minuten hindurch; fprachlos fanE fie während 
derfelben auf eine iteinerne Ruhebank. Dann fprang 
fie fhnel wieder empor; bann war ihe Entfchluß ges 
faßt auf — immer! | 

Meißners Bianca Gap. 1. Thi. a | Zu 


own 66 men 

Aber mm denke man ſich auch auf der and 
Seite das Erjtaunen, das Bonaventuri durchdrar 
als ihn, der eben , wonnetiunfen feinem Schl 
gemach zueilen wollte, eine Stimme unter fein 
Benfter beym Nahmen rief; als er die Thür Öffne 
und Bianca abermahls hereintrat. 

Bonav. (indem er die Thür aufthut.) met e 
Sie ſchon wieder da, Bianca? 

Bianca, Und für i immer , wenn e3 das es 
fol vergönnt! 

Bonav. Kürimmer? Wie ift Das moͤglich 28 
iſt hier vorgegangen? 

Bianca. (Mit freudiger UEntſchloſſenheit.) Nich 
was uns betrüben darf! Mein Theuerſter, der gl 
lihite Augenblick unferer Liebe ift erfihienen. 9 
beym Abichiede fehnten Sie fih nad der Minute, 
Ste mid) Battinn nennen Eönhten; jegt bin ich's 
will es bleiben, fo fang ich lebe. Nur mit ber klei 
Bedingung — nicht zu Venedig! 

Bonav. Wie? was? — Bianca ! Höre 
recht, eder — — — 

Bianca. Laß mich ausreden, und dann 
ſcheide! "Ah, Lieber! ſchon hatten wir vorhin ı 
hinaus in die Zukunft geträumt; doc fo ſpottet 
Himmel menfhliher Entwürfe! — Als ich zur IL 
meiner Wohnung kam, fand ich fie verihloflen. € 
nabrnenlofe fürchterlihe Empfindung; aber zum & 
auch nur von der Dauer weniger Secunden; d 
hatte ich Partey ergriffen, hatte gewählt für 
ganzes Leben. — Nichts, nichts kann mid hier 
dem fchredlihen Zorn meines Vaters jhüßen, mw 
er erfährt, was er bald erfahren muß — mein: ni 


% 


een 67 — 

fie Ahweſenheit. Seine Wuth, die Wuth meinet 
Familie, erpreßt oder erraͤth dann leicht mein Geheim⸗ 
niß; heimlicher jäher Tod wird dein Loos / langſame 
Abzehrung das Meinige. — Nichts, nichts rettet 
uns hier; um uns zu erhalten, müſſen wir flleben. 

Bonav. Fliehen? Gerechter Gott, wohin? 
Bianca Kein Einwurf, keine Zweifel, keine 
Thraͤnen jetzt! Glaubſt du, Jüngling, daß id daran 
Mangel hätte, wenn ich fie nicht durch gefammelten 
Much zurücdwiefe ? — Nunmehr. ift es Zeit, mir zu 
bewähren, daß du mich liebſt! Harre keinen Augen⸗ 
blick länger, als die höchſte Noch gebiethet! Der Mor⸗ 
gen muß uns ſchon fern, fern von Venedig finden, - 
an unjerm geringiten Verzuge hängt. vielleicht Ehre, 
Glück und Leben. — Halt du nit einen Varer! 
Iſt nicht auch Florenz ſchön und groß? 

Bonav. Wohl habe ich einen Vater! Wohl iſ 
Florenz ſchön und groß! Aber ach! mein väterliches 
Haus ift die Wohnung der Armuth. Von dem Weni—⸗ 
gen, mir bier abgedardt, leben dort größten Theils 
meine Ältern. Kaum würde uns bey ibnen ein dürf- 
tiges Dad) vor ben Unbequemlichfeiten der äußern Rufe 
befhügen; Waſſer und Bros wäre dort unfer einziger 
Unterhalt. — Nein, theuerite Bianca, wie könnten 
&ie, in uͤberfluß und Reichthum erzogen, jenen äͤußer⸗ 
ſten Mangel ertragen, der ſelbſt Diejenigen, die in 
ihm geboren find, ſchmerzhaft genug drückt! Mie? 
würde die Tochter des edlen Capello nicht bald dem 
Manne fluden, der fie in Mangel und Elend herab 
erniedrigte? 
Bianca (miternftem Biice.) Bonaventuri! ich dem 
Monne fluchen, den ich mir ſelbſt erwaͤhlte . 

" &$ 


[7 777° 68 —X 


Bonav. Und mit dem Sie gleichwohl nur 
in der erſten Aufwallung des Schreckens ſich verbin 
und ihm folgen wollen! — O Bianca! der Üßerg 
vom Unglüd ;um Ölude it jo fuß und leicht, 
der Weg zur Hölle; aber der Pfad vom uͤterfluß 
Düräftigkeit iſt ſteil und ſchwer. Sit die erfte £ 
.Ihrer Liebe weggedunſtet, dann dürften Sie in 
nicht mehr ten Gegenſtand Ihrer Zaͤrtlichkeit, font 
bloß fie Quelle all Ihres Jammers fehen. 

Bianca. Mein, lieber Mann, bu ireft & 
Meg mir tem Zwang, ber deine Reden erkultet! ! 
find vor ten Augen ber Gottheit fo gut ald vermal 
und das vertraulihe Du ziemt unsnun. Hier iſt m 
Hand, und unfere Verbindung, bezeichnet durch 
fen Handſchlag und durch diefen Kuß, trennt 
des Tod. 

Bonav. D Bianca, wie fehr beforge ih — 

Bianca. Beforge nichts! Sch thu jet BI 
was ich auch ohne diefen Zufall gethban hätte, et 
fpäter zwar, doch nicht minder gewiß. — G 
ih dich ſah, warft du mein heifeiter, mein gro 
Wunſch; was frage ih nun nad ber Erfüllung 
Geringern 

Bonav. Aber der außerite Mangel, der u 
wartet? 

Bianca Warum eben außerfier Man 
Verzage niht an unferm Unterhalt! Das, was m 
Hände ehemahls zum Zeitvertreib erlernten, ı 
de num ihre wirkliche Arbeit! — Sch veritehe 
auf Stickerey von jeder Art; fie naͤhrt dürftig, 
fie nährt dog. — Selbſt wenn ich eile Heerde 
Weide führte, würde ich Sonnenſtrahlen und Re 


‚ nafe one Murren tragen, wean ich an den Abend 
gedaͤchte, wo ich froh in deinen Arm zurüchſliehen 
koͤnnte. 

Bonav. Und wenn man uns nun fände ? Wie 
dann! — — 

Bianca. Iſt Florenz nicht ein ferner, weitläufs 
tiger Ort? Gibt es dort gar Beinen einfamen , "abges 
Iegenen Winkel? Kein Dorf, wo wir uns bergen Fönn« 
ten ?!— Und gefept auch, daß man uns fande, Eönns 
te ein härtered Schickſal, als jete bier, auf und wars 
ten!— Doch Mann, ift e billig, daß du hier den 
Verzagten fpieft, und ich die Tröfterinn mahe? — Bo⸗ 
naventuri, Bongventuri! weffen Brief ift an dem 
Alten ſchuld? Ich fürdte, du liebſt mich nicht halb ſo 
feurig, als ich dich liebe.. 

Bonav. Ich? — Götter, vernichtet die Aber 
oder die Merye, die nicht ewig, ewig für Bianca 
glüpe! 

Bianca. Nun fo laß uns, ftatt zu flreiten und 
zu zandern, flieben'— Jeder diefer Augenblicke ift 
uns hoc) angerechnet. Wehe und, wenn wir fienugen 
Bönnten, und aus Zweifelfucht nur verfhleudern! 
— Diefe Nacht, der Würfel falle, wohin er wolle, iſt 
fiber die wichtigftein unferer Beyder Bisherigem Leben. 
Mache, daß fie der Anfang Eünftigen Glückes, nicht 
künftigen Elendes ſey! — Sieh! Sieh! die Morgen- 
zöthe ift nahe! Wie Hleich bereits die Sterne glänzen ! 
Schon erkenne ich jedes Steinchen auf, ber Etrafe, 

— — D Öeliebter, wir find verforen, wenn wir nad) 
fo vielen Wageſtücken nicht noch das Legte wagen! 

Bonav. Wohlan, ich folge dir! — Gott der 

Liebe, und ihe alle feine Beiligen , habt Erbarmen mit 


ron 79 nero 

ung Fliebenden! — Ah, ich mwähnte nicht, daß d 
Macht meine Braͤutigamsnacht werden follte; aber r 
dieſe Bitte erhört: Nehmt euch unfer ſchützend an, 
lange wir uns lieben! Macht meine theure Bia 
eben ſo ſtandhaft in ihrer Zärtlichkeit gegen mid) , 
“ ein jeder Blutstropfen in mir — und ‚ware er co 
mein letzter — fi) freuen wird, wenn ich ihn für bi 
| ca vergieße. 





Bonaventuri ſammelte nun haſtig von feiner. 
be alle die kleinen Koſtbarkeiten, die wenigſtent 
Betracht feiner Armuth fo beiffen Eonnıen. We 
Zechinen waren feine ganze Barſchaft, eın Paar 
bedeutende Rınge feine fammelihen Juwelen. Ern: 
fie, und floh mit Bianca — einer Juwele, die | 
Füuͤrſt bezahlen konnte, — dem eriten Sciffchen 
das fie glüdlih von dannen und in Kurzem an das | 
Fand brachte. Die Sonne war ındeß aufgegan; 
das ganze ftolze Venedig Tag von fern ın feiner Pı 
vor ihnen. Bianca blickte oft hin, und wandte 
dann ſchnell zum Schiffer, um ein Paar Worse mit 
zu ſprechen, oder vielmehr, um Bonaventuri'n 
Thräne zu verbergen, die unwillkürlich über 
Wange berabrollte. 

Als fie aber an das Land traten, (eine Vorſ 
die fie deßhalb ergriffen, weil fie glaubten, daß ı 
ihnen vorzüglid zu Waſſer nachſetzen würde) und als 
Bianca ganz allein mit ihrem Geliebten auf dem Ü 
nad Bologna bineilte, da vermochte fie freylich ni 
ihm ganz denfummer zu verhehlen, ven fie biöher als. 
binn unterbrädt hatte; und auf einem Hügel, von 


non: TI came 
gan noch in grauer gerne Venedig fehen Eonnte, machte 
ein. halblauter Seufzer, daß Vonoventuri ſie ſchnell 
und ſtarr anblickte. | 

Bonav. (fe umarmend.) D ih ſehe — ich ſehe 
fie doch, liebſte Bianca, dieſe Perle, die auf die Er⸗ 
be fallen ſollte, und hier auf-beinen Schleyer fiel. Laß 
mich fie auftüffen! — Aber was zamderfi bu? Reuet 
dich vieleicht jegt erſt, jest ſchon dieſe fchnelle Flucht? 
Noch iſt es Zeit zurüczufehren. 

Bianca. Nicht zur ückzukehern,, wohl aber 
noch zur ückzublicken! — Sieh, Bonaventuri, noch 
zwey Schritte tiefer hinab, und die Stadt, die mich gebar, 
ſchwindet aus meinen Blicken; fhwirder wahrſchein⸗ 
lich auf ewig, — Bonaventuri! wenn ih mir Den, 
den ich bis jegt Vater nennen durfte, denke, wie 
er mit dumpfem Erftaunen die Nachricht meiner under. 
greiflihen Berfhwindung hört; wie er vergebens nach mir 
jeden Winkel feines weiten Gebaͤudes durchſucht; verge⸗ 
bens feine Bothen ausfendet; wie er dem Tage, ber 
ihm ein ungehorſames Kind gab, und dem, der ihn kin⸗ 
derlos machte, mit gleichem Schmerze flucht; wenn ich 
fein graues ehrwuͤrdiges Haupt ſich fhnell um viele 
of tiefer zum Grabe. hinabnergen fehe; — o dann, 
dann muß ich wohl zaudern und Beben. — (Paufe; mit 
Gtändertem Zone.) Und doch bebe .id ohne Grund. — 
„Du wirft Water und Mutter verlaflen, und beinem 
„Manne anhängen;” ſo fpriht er ja, ber Ewige, 
deſſen Wort ich ſchon oft verftohlen las, und dann mit 
ernftem Bli auf diefer Stelle haftete, ohne zu ahn⸗ 
den, daß fie mir bald fo theuer werben würbe. — Lebe 
wohl, lebe wohl, Venedig! — (Bie geht einige Sqcritie 
weiten) Sieh, Bonaventuri! da entflieht ber lette 


— 6A mein + 
Bianca, durch die Seele gebrauft. Die ganze San 
Iung feiner Kräfte war ihm dann nöthig, eıner X 
ftelung diefer Art nicht zu erliegen. 

Kaum traute er daher jetzt feinen Augen, alı 
fie daherſchlüpfen fah; als er das Rauſchen ihres 
denen Gewandes vernahm, und ihre Geftalt erkan— 
Raum vermodte er ihr entgegen zu eilen, ald end 
ihr Hüfteln, ihr Winken und ihr leifer Gruß ihn ül 
zeugte, daß es Fein Trugbild fey, was in diefer i 
fo theuern Form erfheine; und noch minder vermo« 
er dann zu ſprechen, als das liebevolle, gütige M 
hen ihm mit finkenden Augen, flatt einer mörtfid 
Bewillfemmung, die Wange zum Kuffe darboth. 

Aber ihre linterredung ſelbſt? — Nein, es 
nicht Nachahmung jenes Mahlers Timanthes fe 
der feinen AgamemnondsKopf *) verbüllte, weil 
den leidenſchaftlichen Ausdruck desfelben zu erreid 
verzweifelte! Doch was dem Liebenden von der C 
Tiebten fo unnachahmlich ſchön dünkt, wird Teiche | 
dem Papiere für einen Dritten zur Übertreibung, 
nicht gar zur Thorheit; Gefprade der Zärtlichkeit, 
der wirklichen Natur fo ſchnell verfliegend, dehnen 
in ber Wiebererzählung zur oft unerträglichen Län, 
und daher wird man fich hoffentlich auch mit die 
kurzen Nadriht begnügen. — Zwey Stunden v 

ſtrichen 





2) Bey einer Opferung der Iphigenia. Der Nahme 
manthes, und dieſe Begedenheit intbeſondere, Aint 
allbekannt, daß es Beleidigung der Leſer ſeya dürfte, 
tere dier umRändlich zu erzählen. 


v⸗ 65 —— 
ſtrichen den Liebenden unter Betheurungen ihrer in: 
brünftigen Liebe, unter Iuftigen Entwürfen für Ge: 
genwart und Zufunft. Troß mander innern Anreis 
zung hielt der Süngling den Schwur feiner Enthalte 
famkeit ; und Capello 8 Tochter erneute den ihrigen: einit 
diefes oder Feines Mannes Gemahlinn zu werden. 
Beym Abſchied vereinten fie ſich, fiber eine gleis 
he Zufammenkunft in der deitten Nacht; meinten, 
trockneten ſich wechfelfeitig die Thränen ; trennten ſich 
unter taufend Küffen, mit zehnfachem Zurückkehren. 
Armes Mädchen, als du im Heimgehen mit der 
froben , blinkenden Thräne zum geftienten Himmel 
emporfchauteft, und für, diefe zwey feligen Stunden 
ihm danfteft, da ahndeteft du noch nit: welden 
Erankenden Streich ein feindfeliged Geſchick dir indeß 
erweifen Eönne, und wirklich erwiefen hatte! Durch 
eine Hinterthür in einem engen, ſchmalen Gäßchen 
war Bianca aus dem väterlichen Haufe. gefchlupft, 
‚hatte fie hinter fih nur angelehnt. Ein Luftzug 
mochte die Thüre merklicher geöffnet haben: ein Bes 
Eannter des alten Capello ging vorbey ; fah es; glaubte, 
daß bier bloß ein Ungefähr obwalte; glaubte den Pal⸗ 
laft. feines Freundes ‚vor Dieben fichern zu müſſen, 
und — warf fie, aus unzeitiger Dienftbegier, zu. 
Welch ein Entfegen für Bianca, als fie jetzt 
fhnell wieder. in ihre Wohnung zurückkehren. wollte, 
und fie — verfchloffen.fand. Starte Betäubung faßte 
ſie zwey Minuten hindurch; ſprachlos ſank ſie während 
derſelben auf eine ſteinerne Ruhebank. Dann fprang 
fie fhnell wieber empor; dann war ihre Entfchluß ges 
faßt auf — immer! | | 
Neißners Bianca Gap. 1. Thl. a | Zu 


Aber nun denke man fih auch auf ber anb 
Seite das Eritaunen, das Bonaventuri durchdrar 
als ihn, des eben , wonnetrunfen feinem Schl 
gemach zueilen wollte, eine Stimme unter feir 
Senfter beym Nahmen rief; als er die Thür öffne 
und Bianca abermahls hereintrat. 

Bonar. (indem er die Thür aufthut.) er e 
Sie ſchon wieder da, Bianca? 

Bianca, Und füri immer , wenn das es 
fal Wergönnt ! 

Bonav. Kürimmer? Wie ift Das mögric t x 
ift hier vorgegangen ? ? 

Bianca. ( Mit freudiger ntfeteffengeit.) Nie 
waß uns betrüben darf! Mein Theuerſter, der gl 
lihite Augenblick unferer Liebe ift erſchienen. 5 
beym Abjchiede fehnten Sie jih nad der Minute, 
Sie mid) Battinn nennen könnten; jegt bin ich's 
will e$ bleiben ‚ fo lang id febe. Nur mit ber klei 
Bedingung — nicht zu Venedig! 

Bonav. Wie? wat — Bianca ! Höre 
recht, eder — — — 

Bianca. Laß mich ausreden, und dann 
ſcheide! "Ad, Lieber! ſchon hatten wir vorfin ı 
hinaus in die Zukunft geträumt; doch fo fportet 
Himmel menfhliher Entwürfe! — Als ih zur TE 
meiner Wohnung Fam, fand ich fie verſchloſſen. ( 
nahmenloſe fürchterlihe Empfirdung; aber zum & 
auch nur von der Dauer weniger Gecunden; dd 
hatte ich Partey ergriffen, hatte gewählt für r 
ganzes Leben. — Nichts, nichts kann mid hier 
dem fihredlihen Zorn meines Vaters Ihüßen, n 
er erfährt, was er bald erfahren muß — mein: n 


% 


een 67 — 
liche Ahweſenheit. Seine Wuth, die Wuth meinet 
Familie erpreßt oder erraͤth dann leicht mein Geheim⸗ 
niß; heimlicher jäher Tod wird dein Loos ‚ langfame 
Abzehrung das Meinige. — Nichts, nichts rettet 
uns hier; um uns zu erhalten, müffen wir fliehen. 

Bonav. Fliehen? Gerechter Gott, wohin? | 
Bianca Kein Einwurf, Beine Zweifel, keine 
Thraͤnen jetzt! Glaubſt du, Jüngling, daß id daran 
Mangel hätte, wenn ich fie nicht durch geſammelten 
Muth zurückwieſe? — Nunmehr iſt es Zeit, mir zu 
bewähren, daß du mich liebſt! Harre keinen Augen⸗ 
blick länger, als die höchſte Noch gebiethet! Der More 
gen muß uns fhon fern, fern von Venedig finden; - 
an unferm geringiten Verzuge hängt. vieleihe Ehre, 
Glück und Leben. — Haft du nit einen VBasert 
Sit nicht aud Florenz ſchön und groß ? 

Bonavb. Wohl habe ich einen Vater! Wohl iſ 
Fiorenz ſchoön und groß! Aber ach! mein väterliches 
Haus ift die Wohnung der Armuth. Won dem Weni: 
gen, mir bier abgedardt, leben dort größten Theils 
meine Altern. Kaum würde uns bey ihnen ein duͤrf⸗ 
tiges Dach vor ben Unbequemlichkeiten der’ äußern Rufe 
befhüsen; Waſſer und Brot wäre dort unfer einziger 
Unterhalt: — Nein, theuerite Bianca , wie Eönnten 
&ie, in uͤberfluß und Reichthum erzogen, jenen außer: 
ſten Mangel ertragen, der ſelbſt Diejenigen, die in 
ibm geboren find, ſchmerzhaft genug drückt! Mie? 
würde die Tochter des edlen Capello nicht bald dem 
Manne fluhen, der ie in Mangel und Elend herab 
erniedrigte? 

Bianca (miternftem Blice.) Bonaventuri! ich dem 
Manns fluchen, den ich mir ſelbſt erwähltet . 
" C * 


v⸗3 68 [77277] 


Bonap. Und nic dem Lie gleihwohl nur 
in der eriten Aufwallung des Schreckens fi verbin 
und ihm folgen wollen! — O Bianca! ber Überg 
vom Unglück zum Glüde it jo ſüß und leicht, 
der Weg zur Hölle; aber der Pfad vom uͤberfluß 
Dürftigkeit iſt ſteil und ſchwer. Iſt die erfie 4 
.Ihrer Liebe weggetunitet, dann dürften Sie in 
nicht mehr den Gegenitand Ihrer Zärtlichkeit, font 
bloß tie Quelle al Ihres Jammers fehen. 

Bianca. Mein, lieber Mann, bu irrft b 
Meg mit tem Zwang, ber deine Neben erkultet! ' 
find vor ten Augen ber Gottheit fo gut ald vermäl 
und das vertrauliche Du ziemt unsnun. Hier iſt m 
Hand, und unfere Verbindung , bezeichnet durch 
fen Handſchlag und dur dieſen Kuß, trennt 
der Tod. 

Bonav. O Bianca, wie ſehr beſorge ih — 

Bianca. Beſorge nichts! Sch thu jeke bi 
was ich auch ohne diefen Zufall gethan hätte, et 
ſpäter zwar, doch nis minder gewiß. — ( 
ih dich ſah, warft du mein heifeiter, mein grö 
Wunſch; was frage ih nun nad ber Erfüllung 
Geringern © 

Bonav. Aber ber auferite Mangel, der u 
wartet ! 

Bianca. Warum eben außerfler Man 
Verzage nit an unfern Unterhalt! Das, was m 
Hände ehemahls zum Zeitvertreib erlernten. ı 
de nun ihre wirklihe Arbeit! — Sch veritebe . 
auf Stickerey von jeder Art; fie nuhrt dürftig, 
fie nahre dog. — Selbſt wenn ich eiıle, Heerde 
Weide führte, würde ih Sonnenjtrahlen und Re 


— 6g — 

„naͤſſe ohne Murren tragen, wenn ih an den Abend 
gebädhte, wo ich froh in deinen Arm surückfliepen 
koͤnnte. 

Bonav. Und wenn man uns nun fände ? Wie 
dann? — — | 

Bianca. Zft Florenz nicht ein ferner, weitläufs 
tiger Ort? Gibt es dort gar feinen einfamen , 'abge⸗ 
legenen Winkel! Kein Dorf, wo wir uns bergen Eönn« 
ten? — Und gefeßt au, daß man ung fande, könn⸗ 
te ein härteres Schickſal, als jeße bier, auf und wars 
tent— Doch Mann, ift es billig, daß du hier den 
Verzagten fpieft, und ich bie Tröfterinn mahet— Bo: . 
naventuri, Bongventuri! weffen Brief ift an dem 
Allen ſchuld? Ich fürchte, du liebſt mich nicht halb fo 
feurig, als ich dich liebe.. 

Bonav. Jh? — Götter, vernichtet die Aber 
oder die Nerye, bie nicht ewig, ewig für Bianca 
glüht! 

Bianca. Nun ſo laß uns, ſtatt zu ſtreiten und 
zu zandern, fliehen! — Jeder dieſer Augenblicke iſt 
uns hoch angerechnet. Wehe uns, wenn wir fienugen 
Eönnten, und aus Zweifelfucht nur verfhleudern! 
— Dieſe Nacht, der Würfel falle, wohin er wolle, iſt 
fiher die wichtigftein unferer Beyder bisherigem Leben. 
Made, daß fie der Anfang Eünftigen Glückes, nicht 
Fünftigen Elendes ſey! — Sieh! Sieh! die Morgen: 
zöthe ift nahe! Wie Hleich bereits die Sterne glänzen ! 
Schon erkenne ich jedes Steinchen auf, ber Straſte. 

— — O Geliebter, wir find verloren, wenn wir nad 
fo vielen Wageſtücken nicht noch das Letzte wagen! 

Bonav. Wohlan, ich folge dir! — Gott der 
Liebe, und ihr alle feine Heiligen, habt Erbarmen mit 


ron 79 vos 

uns Fliebenden! — Ah, id mahnte nit, daß d 
: Nacht meine Braͤutigamsnacht werden follte; aber 
biefe Bitte erhört: Nehmt euch unfer ſchützend an, 
Tange wir uns lieben! Macht meine theure Via 
eben fo ftanohaft in ihrer Zartlichkeit gegen mich, 
Rein jeder Blutstropfen in mir — und ware er 
mein letzter — ſich freuen wird, wenn ich ihn für B 

ca vergieße. 





Bonaventuri fammelte nun baflig von feiner 
be alle die Eleinen Koftbarkeiten, die wentgitene 
Betracht feiner Armuth fo beiffen Eonnıen. We 
Zechinen waren feine ganze Barſchaft, eın Paar 
bedeutende Rınge feine fümmelihen Zumwelen. Er ne 
fie, und floh mit Bianca — einer Juwele, die | 
Fuͤrſt bezahlen konnte, — dem erſten Sciffchen 
das ſie glücklich von dannen und in Kurzem an Das | 
Land brachte. Die Sonne war indeß aufgegany 
das ganze ſtolze Venedig lag von fern ın feiner Pr 
vor ihnen. Bianca blickte oft bin, und wandte 
dann ſchnell zum Schiffer, um ein Paar Worte mit 
zu ſprechen, oder vielmehr, um Bonaventuri'n 
Zpräne zu verbergen, die unwillkürlich über 
Wange herabrollte. 

Als fie aber an das Land traten, (eine Vorf 
die fie deßhalb ergriffen, weil fie glaubten, daß ı 
ihnen vorzüglich zu Waſſer nachſetzen würde) und als 
Bıanca ganz allein mit ihrem Geliebten auf dem Ü 
nad) Bologna hineilte, da vermochte fie freylich ni 
ihm ganz denKummer zu verhehfen, ven fie bisher als. 
binn unterdruͤckt hatte; und auf einem Hügel, von 


wa I *— 
man nod in grauer gerne Benebig fehen konnte, machte 
ein. halblauter Seufzer, daß Bonaventuri ſie ſchnell 
und ſtarr anblickte. 

Bonav. (fie umarmend.) O ich ſehe — ich ſehe 
ſie doch, liebſte Bianca, dieſe Perle, die auf die Er⸗ 
be fallen ſollte, und hier auf deinen Schleyer fiel. Laß 
mich ſie aufkuͤſſen! — Aber was zauderſt du? Reuet 
dich vielleicht jetzt erſt, jetzt ſchon dieſe ſchnelle Flucht? 
Noch iſt es Zeit zurückzukehren. 

Bianca. Nicht zur ückzukehern,, wohlaber 
nodzurädzubliden!— Sieh, Bonaventuri, noch 
zwey Schritte tiefer hinab, und die Stadt, die mich gebar, 
ſchwindet aus meinen Blicken; fhwirder wahrſchein⸗ 
lich auf ewig, — Bonaventuri! wenn ih mir Den, 
den ich Bis jegt Vater nennen durfte, denke, wie 
er mit dumpfem Erftaunen die Nachricht meiner under. 
greifliden Berfhwindung hört; wie er vergebens nach mir 
jeden Winkel feines weiten Gebäudes durchſucht; verge⸗ 
bens feine Bothen ausſendet; wie er dem Tage, ber 
ihm ein ungehörfames Kind gab, und dem, der ihn kin⸗ 
derlos machte, mit gleichem Schmerze flucht; wenn id) 
fein graues ehrwürdiges Haupt ſich ſchnell um viele 
Kol tiefer zum Grabe. hinabneigen fehe; — o dann, 
dann muß ich wahl zaubern und beben. — (pauſe; mit 
Geändertem Tone.) Und doch bebe .ich ohne Grund. — 
„Du wirft Mater und Mutter verlaflen, und beinem 
„Manne anhangen;” ſo fpriht er ja, ber Ewige, 
befien Wort ich ſchon oft verftohlen lad , und dann mit 
ernftem Blick auf diefer Stelle haftete, ohne zu ahn⸗ 
den, baß fie mir bald fo theuer werben würde. — Lebe 
wohl, lebe wohl, Venedig! — (Bie gebt einige. Garäüte. 
weiter) Sich, Bonaventuri! da entflieht der Iehte 


won MB — 
Flimmer feiner Thürme! (Indem fie wieder einige os@ 
zurüd geht.) Vergib mir, Geliebter! ih muß bie 
Slimmer noh ein Mahl fehen.— So! ſo — 1 
nun fort, tbeurer Gemahl, fort! — Auch Flor 
bat der Käufer und Ihürme genug; bat Vater ı 
Mutter, und — o ber tröjtenden Wonne!— hat 
nen Bonaventuri für mid. 





Bier Tage unV Mäckte beachten unfere Lieben 
zu, ehe fie Bologna erreihten. — Ihr erfied Na 
lager war in einer elenden Dorffhenke, wo man. 
nen in einer dunkeln einfamen Kammer eine St 
von halb moderigem Stroh anwies. 

Bonav. (indem er ſich trausig auf einen wanker 
Scqchamel Hinwirft,) Dieß, Dieß alfo der Ruheort ei, 
Dame, deren Blut an Adel mit manchem fürftlihen Se 
fe wetteifern Eönnte! die hoch am naͤchſten Abend auf 
nem Lager .rubte, deffen Werth-vielleicht den We 
diefer ganzen Hütte weit überſtieg! — Theure Bian 
welch ein Anfang | 

Bianca. (täbernd.) Sahſt du denn, Lieber, | 
beym Anblick diefer Streu der geringfte Seufzer m 
nen Bufen höher als gewöhnlich hob? — Habe ich 
fache gu murren, wenn ich mit dem Geliebten mei 
Seele gleiches Schickſal theile! — Oder maden | 
derdunen und prächtige indifche Decken einen gefünb 
Schlaf, als Eörperlihe Bewegung und ein rupi, 
Herz t— D wäre nur dieſes Legtere bey mir noch g 
fo, wie es feyn follte; vielleicht wetteiferte die R: 
dieſer Nacht mis der füßeften meines zeitherigen Lebe 


wen© „5 ...s 

— Gleichwohl Eine Bitte ‚ theurer Gemabl, gewaͤh⸗ 
re mir noch, ehe wir zur Nuhe uns legen! 
Bonav. Warum bittet meine Bianca, da ſie 
befehlen kann? 

Bianca, Als ich auf deinen Brief zu dir kam, 
Fam ich vol Vertrauen in deine Tugend; denn du hat⸗ 
teft geihworen, und ich kam als ein bloß verlobtes 
Maͤdchen zu einem edlen Züngling. — Aber alt ich 
dir meine Hand gab; als ich in dir meinen Gemahl be: 
grüßte, da entfagte ich allerdings der Sicherheit mei- 
ne Schwurs — — (Mit dem wärmften Tone.) Bonaven⸗ 
turi, arte mid nicht geringer, weil ich meine and | 
che bir eingeffehen will! Aufrichtigkeit ift ja eine T 
gend, die ſchwerlich ganz ohne Begleitung im weibl 
den Herzen zu wohnen pflegt. — Wenn ich mich jetzt 
fo allein an deiner Seite niederlege ‚wenn dein Arm 
mich umſchlingt, dein Kuß mich entzückt; dann nur 
ein einziges liebevolles, bittendes Wort — und ich — 
verzeih, Die jungfräulihe Schamhaftigkeit hat für 
gewiffe Sachen Beine Worte. — Kurz, ih würde dann 
ganz deine Gattinn; und doch, Lieber, fühle id es, 
noch fol. ich Diefe nicht ganz feyn. 

Bonav. Nicht ganz, da du mid liebſt? | 

Bianca. Hebt Tiebe jedes andere Geboth auf? 
Noch haben Eeine heiligen Hände die unfrigen in eins 
ander gelegt; nod bat Fein ehrwürdiger Vater siber | 
- und gebethet, uns gejegnet; uns, die. wir jeßt des 
Segens fo fehr bedürfen! — Zwar find, was 
uns gebricht, nur Gebräudhe, und der, welcer Altes 
ſieht, fiebt bloß das Harz an. Aber, ad! es gibt 
Augenblicke, wo. au unfchuldigere Handlungen Ges 
wiſſens zweifel erregen; "die flüchtige, ungehorfame 


.... 74 > 

To Öter will wenigfiend den Himmel ice .« 
fo erzürnen, wie jie leider! ihren Bater erzär 
muß. — Verfprih mir ed daber, nicht eher in mid 
dringen, bis wir vor dem Altare — biefer Altar 
auch, wo er wolle — durch kirchliche Gebräuche 
fo verbunden worden find, wie unfere Deren 
fyon langit verbanden. 





Zwar ließ der junge Mann deutli merken, 
viel ihm diefe Selfibezwingung Eofte; und es war 
Kampf , über den Bıanca ſelbſt — heimlich nicht gi 
te: Doc ſicherte er ihr endlih Alles zu, was fie 
langte; und mit einer Freudigkeit, als fey fie 
Jugend an gewöhnt, warf fih dann das edle — 
wohl zweyfach edle Mädchen neben ihrem Lieb 
auf das Lager nieder, und fhflimmerte bad fi 
ein, ermübet von der getragenen Laſt des Tages, 
deß Bonaventuri's Augenlieder der Schlaf weit f 
famer befucdhte. 

Aber auch diefe letzte freywillige Enthaltfam 
unferer Liebenden bauerte nicht lange, Am vie: 
Abend, ald fhon Bologna in der Ferne fihtbar, 
ihnen lag, Tangten fie bey Sonnenuntergang in 
nem Eleinen Sieden an; und Bonaventuri, der 
eriten beiten Wirthehaus, das ihm aufitoße, nur 
in Bologna, übernachten wollte, ſah, indem er 
einkehrte, einen Geiſtlichen vorbengehen, den er fogt 
für einen Geipielen feiner Jugend erkannte, und di 
Redlichkeit er trauen durfte, 

Natürlich, daß der Gedanke, fi dur ihn 
dem Befige Bianca’ zu verfihern „ foglei in © 


on 75 — 


penturi's Geiſte aufſtieg; Er folgte dem Prieſter nach; 
erneuerte die ehemahlige Freundſchaft; entdeckte ihm 
ſeine Flucht mit einer jungen Venetianerinn — deren 
Stand er jedoch zur Vorſicht um ein Großes erniedrig⸗ 
te — Elagte ihm die Gewiſſenhaftigkeit derfelben-, und 
bath um feine priefterlihe Einfegnung.: Der Geiftliche 
gewährte ihm fein Begehren, und befchieb ihn in eine 
nahe Kapelle. Bonaventuri ermangelte nicht, in mer 
nig Minuten allda zu. erfheinen. — Als fie jeßt vor 
das Altar traten; Bianca ihren Schleyer zurückſchlug, 
und fhön, wie ein Engel Gottes — verfchönert noch 
dur die Farbe der Scham, und durch den Schein 
einiger flanmenden Lampen — vor dem Priefter ftand, 
da fingte Diefer merklich bey ihrem Anblick; warf einen 
halbneidiſchen Blick auf feinen ‚ehemahligen Jugend⸗ 
Geſellſchafter, ſchwieg eine halbe Minute lang mit 
nachdenkender Ungewißheit, und — erfüllte dann doch 
ſein Verſprechen. | 
Schon hatte unfer neu verbundenes Paar für 
feine Mähmwaltung ihm gebankt; ſchon wollte dasfelbe 
fih vom Altare enıfernen, ald der Priefter Bianca 
ſchnell bey der Hand ergriff, und durch folgende Frage 
in Beſtuͤrzung ſetzte: 
„Nur ein Wort no, fhönes junges Weitchen! 
Heißen Sie wirklich Roſaura Carini ?” 
Bianca. Ich hieß fo, bis jezt. Daß mein Nah⸗ 
e fi) nunmehr ändert, wiſſen Sie, hodmürdiger 
Vater, ja felbit. 
Priefter. (gu Bonavensu ) Lieber Pietro , nicht 
wahr im Haufe der Salviati Ichteft bu zu Venedig! 
Bonav. Allerdings. 


Priester. Gacheind. Und lag diefes Sans m 
ab vom Pallafte der Capello ?: 

Bonav. (Herren): DO ja — ziemlich weit! 
Warum Dac? (lürfid.). Unbegreiflicpes Schickſal, w 
es moglich? J 

Priester (Gedeutend.) Hatteſt bu nicht vielle 
in dieſem Pallaſte zuweilen wichtige — ſehr wicht 
Geſchaͤfte zu beſorgen? 

Bonav. (um ein kiein wenig gefaßter) Nie, | 
th mich entfäanne. — Wie kommſt du auch jegt 
diefe Srage ? | 

Priefter. Schaͤme dich Pietro deines 5H 
chelns! Es iſt jetzt zweyfache Sünde, da du nicht | 
auf geweibter Stelle, fondern au vor Freundes 
gen ſtehſt! Und Sie, reizende, edle Venetianerir 
vergeben Sie mir, wenn id, um ihrem neugemor 
nen Ehemann nod höhere Schanröthe und ſtaͤrke 
Stottern zu erfparen, Sie frey beraus als Bia 
Capello begrüße. Zudringlich dürfte vielleicht mie 
Verwegenheit Ihnen ſcheinen, doch die Warnur 
die ich Shen mitzutbeilen gedenke, wird hoffen: 
Alles vergüten. 

Bianca, (in äuferker Verlegenheis) Eine Warnu 
— Bianca Capello $ — Ehrwärdiger Water, ih ı 
fiehe Sie nid ! 

Driefter. Möge doch der Himmel Shnen ı 
mir — bier und an jenem großen Tage, eben fo 
wiß Gnade erweifen,, ald Sie mich jetzt, Troß bi: 
Ablaugnung, verſtehen! — Wiſſen Sie affe, um 
nicht langer mis Umſchweifungen zu verzögern, wi 
Eie, reizende Bianca, daß ıch erſt feit zwey Stun 
von Bologna zurüdgefommen bin, wo heute Mor 


ihre Entweihung ans Venedig die Neuigkeit war, bie 
von Haufe zu Hanfe lief , die. jeder Cicisbeo, noch 
unfrifire, feiner Dame zu binterbringen eilte. — Gkaubt 
ihr denn, arme, bethörte, von Liche geblendete Leut⸗ 
chen, daß ein fo reicher ,. vornehmer Water feine eine 
jige, und zumahl eine. folche. Tochter, fi rauben laſ⸗ 
fen werde, ohne Himmel, Erde, und — wenn es 
möglich it — die Hölle felbft in Bewegung zu brins 
gen? Mehr als zwanzig ausgeſchickte Diener fuchen, 

euch überall. Ihre Augen , ſchoͤne Capello, Ihre Baare, 
Ihr Wuchs „ Ihre Geſichtszüge — jede Miene, jedes 
Faͤdchen Ihrer Kleidung find auf das forgfältigfte ber 
ſchrieben. Ein hoher Entdedungspreis reist die Aufs 
merkfamfeit. von taufend Menfchen; und bloß der un« 
mistelbare Schuß bed Himmels muß euch bi jeßt ex« 
halten, — mußgerade mich dir, toukühner Juͤngling, 
entgegen geſchickt haben, um euch Beyde zu warnen, 
und vielleicht auch zu reiten: .. | 

Bianca. Wenn ih Eure Hochwuͤrden aber nun 
verſichere — 

Prieſter. Wie? immer noch? — Zögern Sie, 
ich beſchwre Sie, nicht länger ſich mir zu entbeden! 
Man würde das Himmelblau von Bianca Tapello’s 
Augen, ihre fchön geformte Stirne, ihres Mundes 
reizvolle Form nicht fo einitimmig durch halb Ita⸗ 
lien preiſen, wenn die Augen, Stirn und Mund, 
bie id jegt vor mir fehe, einer andern Venetianerinn 
als ihr zugehörten. 


Und wenn ein Frauenzimmer auf nichts ſich ver⸗ 
räth, fo geſchieht es doch alsdann, wann' man ihr 


von 72 vos. 

Flimmer feiner Thürme! (Indem fie wieder einige Sar 
zurüd geht.) Bergib mir, Geliebter! ih muß die 
Flimmer noch ein Mahl fehen. — So! ſo! — U 
nun fort, tbeurer Gemahl, fort! — Auch Flor 
bat der Häufer und Thürme genug; hat Water u 
Mutter, und — o ber tröjtenden Wonne!— hat 
nen Bonaventuri für mid. 





Bier Tage uny Nächte brachten unfere Liebent 
zu, ebe fie Bologna erreichten. — Ihr erftes Nat 
lager war in einer elenden Dorffchenfe, wo man- 
nen in einer dunkeln einfamen Kammer eine Sti 
von halb moderigem Stroh anwies. 

Bonav. (indem er fi trausig auf einen wanken 
Schamel Jinwirft,) Dieß, Dieß alfo der Ruheort eir 
Dame, deren Blut an Adel mit manchem fürſtlichen Ha 
fe wetteifern Eonnte! die hod am nächiten Abend auf 
nem Lager .rubte, deffen Werth-vielleicht den We 
diefer ganzen Hütte weit überſtieg! — Theure Bian 
wel ein Anfang | 

Bianca, (täsermd.) Sahſt du denn, Lieber, k 
beym Anblick diefer Streu der geringfte Seufzer m 
nen Bufen höher als gewöhnlich hob? — Habe ich I 
ſache zu murren, wenn ih mit dem Geliebten mei 
Seele gleiches Schickſal theile! — Dder maden ( 
derdunen und prächtige indifche Decken einen gefünb: 
Schlaf, als Eörperlihe Bewegung und ein ruhic 
Herz? — D wäre nur diefed Legtere bey mir noch ge 
fo, wie es feyn follte; vielleicht wetteiferte die Re 
Diefer Nacht mis der füßeften meines zeitherigen Leben 


wen® 73 —X 

— Gleichwohl Eine Bitte ‚ theurer Gemahl, gewaͤh ⸗ 
re mir noch, ehe wir zur Ruhe und Tegen! 

Bonav. Warum b ittet meine Bianca, da fie 
"befehlen kann ? 

Bianca. Als ih auf deinen Brief zu dir Fam, 
Fam ich voll Vertrauen in deine Tugend; denn du hat: 
teft gefhworen, und ich kam als ein bloß verlobtes 
Mädchen zu einem edlen Süngling. — Aber alt ich 
dir meine Hand gab: als ich in dir meinen Gemahl be: 
grüßte, da entfagte ich allerdings der Sicherheit mei- 
nes Schwurs — — (Mit dem wärmften Tone.) Bonaven⸗ 
turi, achte mich nicht geringer, weil ih meine Eichwär . 
che bir eingeffehen will! Aufrichtigkeit ift ja eine Tur 
gend, die fehwerli ganz ohne Begleitung im weiblir 
den Herzen zu wohnen pflege. — Wenn ich mic) jetzt 
ſo allein an deiner Seite niederlege, wenn dein Arm 
mich umſchlingt, dein Kuß mich entzuͤckt; dann nur 
ein einziges liebevolles, bittendes Wort — uud id — 
verzeih, Die jungfräufihe Schamhaftigkeit hat für 
gewiffe Sachen feine Worte. — Kurz , id würde dann 
ganz deine Gattinn; und doch, Lieber, fühle ih es, 
noch fol ich Diefe nicht ganz feyn. 

Bonav. Nicht ganz, da du mid fiebftt | 

Bianca. Hebt Tiebe jedes andere Geboth auf? 
Noch Haben Eeine heiligen Hände die unſrigen in eine 
ander gelegt; noch hat Fein ehrwuͤrdiger Vater siber | 
- and gebethet, uns gefegnet; uns, die. wir jetzt des 
Segens fo fehr bedürfen! — Zwar find, was 
und gebricht, nur Gebräuche, und der, welcder Altes 
ſieht, fiebt bloß das Harz an. Aber, ad! es gibt 
Augenblicke, wo auch unfhuldigere Handlungen Ge⸗ 
wiſſens zweifel grregen; die flüchtige, ungehorſame 


zo Öter will wenigſtens den Himmel nie -q 
fo erzürnen, mie fie leider! ihren Vater erzürr 
muß. — Verſprich mir ed baber, nicht eher in mich 
dringen, bis wir vor dem Altare — bdiefer Altar 
auch, wo er wolle — durch Eirhliche Gebräuche e 
fo verbunden worden find, wie unfere Herzen 

ſchon langit verbanven. 





Zwar ließ der funge Mann deutlich merken, 
viel ihm biefe Selſtbezwingung Eofte; und e6 war 
Kampf, über den Bianca ſelbſt — heimlich nicht zi 
te! Doc) ſicherte er ihe endlich Alles zu, was fie ı 
langte; und mit einer Freudigkeit, als fey fie 
Jugend an gewöhnt, warf fi dann das edle — 
wobl zweyfach edle Mädchen neben ihrem Lieb! 
auf das Lager nieder, und ſchkuͤmmerte bald fı 
ein, ermübet von der getragenen Laſt des Tages, 
dep Bonaventuri's "Augenlieder der Schlaf weit fi 
famer befuchte. 

Aber auch diefe letzte freywillige Enthaltſam 
unſerer Liebenden dauerte nicht lange. Am vier 
Abend, als ſchon Bologna in der Ferne ſichtbar, 
ihnen lag, langten ſie bey Sonnenuntergang in 
nem kleinen Flecken an; und Bonaventuri, der 
erſten beiten Wirthehaus, das ihm aufſtobe, nur: 
in Bologna, übernachten wollte, ſah, indem er 
einkehrte, einen Beiitlihen vorbeygehen, den er fogl 
für einen Befpielen feiner Jugend erkannte, und bi 
Redlichkeit er trauen durfte, 

Natürlich, daß ter Gedanke, ſich durch ihr 
dem Befige Bianca's zu verfibern „ fogleid in & 


mon 75 — 


penturi's Geiſte aufſtieg; Er folgte dem Prieſter nach; 
erneuerte die ehemahlige Freundſchaft; entdeckte ihm 
ſeine Flucht mit einer jungen Venetianerinn — deren 
Stand er jedoch zur Vorſicht um ein Großes erniedrig⸗ 

te — klagte ihm die Gewiſſenhaftigkeit derſelben, und 
bath um ſeine prieſterliche Einſegnung. Der Geiſtliche 
gewaͤhrte ihm ſein Begehren, und beſchied ihn in eine 
nahe Kapelle. Bonaventuri ermangelte nicht, in wer 
nig Minuten allda zu. erfcheinen. — Als fie jetzt vor 
das Altar traten; Bianca ihren Schleyer zurückſchlug, 
und ſchön, wie ein Engel Gottes — verſchönert noch 
durch die Farbe der Scham, und durch den Schein 
einiger flammenden Lampen — vor dem Prieſter ſtand, 
da ſtutzte Dieſer merklich bey ihrem Anblick; warf einen 
halbneidiſchen Blick auf ſeinen ehemahligen Jugend⸗ 
Geſellſchafter, ſchwieg eine halbe Minute lang mit 
nachdenkender Ungewißheit, und — erfüllte dann doch 
ſein Verſprechen. | 

Schon hatte unfer neu verbundene Paar für 
feine Mühwaltung ihm gebankt; ſchon wollte dasfelbe 
fih vom Altare enıfernen, als ber Priefter Bianca 
f nel bey der Hand ergriff, und durch folgende Frage 
in Beſtuͤrzung ſetzte: 

„Nur ein Wort noch, ſchoͤnes junges Weitgen! 
Heißen Sie wirklich Roſaura Carini ?” 

Bianca. Ich hieß fo, bis jetzt. Daß mein Nah⸗ 
me fi) nunmehr ändert, wiſſen Sie, hochwuͤrdiger 
Vater, ja felbft. 

Priefter. (m Bonavensusi ) Lieber Pietro , nicht 
wahr im Haufe der Salviati Ichteft bu zu Venedig! 

Bonav. Allerdingäes. 


Prieiter. Gadeind.) Und lag dieſes Haus ve 
ab vom Pallaſte der Capello ?- 

Bonav. Getreten.) DO ja — ziemlich weit! 
Barum Dac? (für ſich.) Unbegreifliches Schickſal, w 
es moͤglich? Ze 

Prieſter Gedeutend.) Hatteſt bu nicht viellei 
in diefem Pallafte zuweilen wichtige — fehr wicht 
Geſchaͤfte zu beſorgen? 

Bonav. (um ein kiein wenig gefaßter) Nie, t 
th mich entfänne. — Wie kommſt du auch jept 
diefe Frage? 

Priefter. Schaͤme dich Pietro ‚ deines 9 
chelns! Es ift jetzt zweyfache Sünde, da du nicht ı 
auf geweihter. Stelle, fondern aud vor Freundes ? 
gen ftehft! Und Sie, reizende, edle Venetianerin 
vergeben Sie mir, wenn ih, um ihrem neugemor! 
nen Ehemann nod höhere. Schamröthe. und ftärke: 
Stottern zu erfparen, Sie frey heraus als. Biar 
Capello begrüße. Zudringlicd dürfte vielleiht me 
Verwegenheit Ihnen fcheinen, doch die Warnun 
die ich Ihnen mitzutheilen gedenke, wird boffent! 
Alles vergüten. 

Bianca. (in äußerfer Verlegenheis) Eine Warnun 
— Bianca Capello $ — Ehrwürdiger Vater, ih v 
fiehe Sie nicht ! 

Driefter. Möge doch der Himmel Shen u 
mir — bier und an jenem großen Tage, eben fo 
wiß Gnade erweifen , ald Sie mich jeßt, Trotz die 
Abläugnung, verftehen! — Willen Sie alfe, umı 
niht langer mit Umfchweifungen zu verzögern, wil 
Eie, reizende Bianca , daß ich erſt feit zwey Stun! 
von Bologna zurüdgelommen bin, wo heute Mor; 


ihre Entweihung aus Venedig die Neuigkeit war, bie 
von Haufe zu Hauſe lief , die. jeder Cicisbeo, noch 
unfrifire, feiner Dame zu binterbringen eilte. — Glaubt 
ihr denn, arme, bethörte, von Liebe geblendete Leut⸗ 
den, daf ein fo reicher, ,. vornehmer Vater feine eine 
jige, und zumahl eine. folde. Tochter, fich rauben laſ⸗ 
fon werde, ohne Himmel, Erde, und — wenn: e6 
möglich iſt — die Hölle felbft in Bewegung zu brins 
gen? Mehr als zwanzig ausgeſchickte Diener fuchen, 
euch überall. Ihre Augen , ſchoͤne Capello, Ihre Haare, 
pr Wuchs „ Ihre Geſichtszüge — jede Miene, jedes 
Fadchen Ihrer Kleidung find auf das forgfältigfte ber 
ſchrieben. Ein hoher Entdedungspreis reist die Aufs 
merkſamleit von taufend Menfcyen; und bloß der uns 
mittelbare Schuß des Himmels muß euch his‘ ießt era 
halten, — muß gerade mich dir, toilkühner Jüngling, 
entgegen geſchickt haben, um euch Beyde zu warnen, 
und vielleicht auch zu retten: 

Bianca. Wenn ih Eure Hochwuͤrden aber nun 
verſichere — 

Prieſter. Wie? immer noch? — Zoͤgern Sie, 
ich befchwäre Sie, nicht Tänger ſich mir zu entdecken! 
Man würde dad Himmelblau von Bianca Tapello’s 
Augen, ihre fchön geformte Stirne, ihres Mundes 
reizvolle Form nicht fo einitimmig durch halb Ita⸗ 
lien preiſen, wenn die Augen, Stirn und Mund,’ 
bie ich jegt dor mir febe, einer andern Venetianerinn 
als ihr augehörten. 


Und wenn ein Frauenzimmer auf nichts ſich ver⸗ 
räth, fo geſchieht es doch alsdann, wann' man ihr 


J 


on HB on u 


unvermutbet eine Schmeicheley ſagt. Auch Bihr 
Eonnte fi nun nicht länger verftellen; fie blickten 
ſchlüſſig ihren Gatten an, und da er ihr Vollmacht 
geben fchien, nah Willkür zu handeln, fo entber 
fie dem Pater ihre ganze Geſchichte, und fand keit 
Grund ed zu bereuen. Denn durch ihn erhielt fie’ 
anderes Gewand, das ihren Stand minder verrie 
: und eine Farbe, die ihre Haare und Augbraur 
veränderte. Auch Bonaventuri verfchaffte er and 
Kleider, und ertheilte ihm fo gute Maßregeln 
Vorſicht, daß fie Beyde den folgenden Tag unerfaı 
in Bologna eintrafen und eben fo wieder wegging 

. Bologna wird, wie man weiß, von dem florı 
tinifhen Gebiethe dur die höhen Apenninen | 
ſchieden; ein ſteiles rauhes Gebirge, wo aud | 
gewöhnlichen Wege vol Befchwerlichkeiten u 
Gefahren find. Aber felbft auf diefe gemöhnlicden Wi 
wagten unfere Liebende fih nicht, aus Furt ı 
nachgeſchickten Ausfpabern; fie wandten fih red 
Hand, und verſuchten es, den gefährlichen Fußſt 
hißanzuklemmen, der über die fteilften Klippen n 
Piſtoja führt. 

Hier, wo Feld auf Feld ſich thürmte; wo 
beynahe Eein menihliher Fußtritt fihebar war; ı 
überdieß gerade damahls ein anhaitender Regen f 
immer ın undurdfichtigen Nebel fie verhüllte, il 
Kleider durchnäßte, ihre Körper erkältete, ihren M 
verinlimmerte ; wo Hunger und Elend von je 
Seite ıhnen drohte, bier ohne Wegweifer, Geld ı 
Kräfte, — unglüdlihe Bianca, wie groß mul 
beine Seele feyn, daß du niche ganz erlagft! 


we. 0 wa 

Pſlanzen, Warzen und einige herbe Beeren wa⸗ 
ten ihre Speife; und die Erde des Nachts ihr Bert, 
und der Himmel ihr Dad. Der harse Boden harte 
fait ganz ihre Schuhe vernichtet ; fie warf fie ger 
laffen weg, und Bonaventuri fah mit der Empfindung\ 
eines für Menſchenzungen unausſprechdaren Jammers 
ihre lilienweißen Süße von Dornen und Geſträuchern 
zerriſſen; ſah, daß fie blutige Merkmahle auf jedem 
betretenen Steine zurück ließ, und daß endlich die äus- 
herſte Müdigkeit und Eörperlihe Schmerzen ihr kaum, 
fo fehr fie fih zwang, noch fortzumandern erlaubten. 

In diefer hoͤchſten Noth erblickte er endlich nicht 
weit von ſich, in einem kleinen Thale, gelehng an ein 
ungehenrds Felſenſtuck, einen jungen Hirten ſtehen, 
der ſorgenfrey ſein Liedchen brummte, indeß ſeine we⸗ 
nigen Ziegen hier und da am Abhange weideten. — 
Eine himmliſche Erſcheinung hätte nicht kräftiger ihn 
entzücken können. Mit einigen raſchen Sätzen ſchwang 
er ſich von den Felſen herab, flog auf ihn zu, und 
rief ſchon von Weiten: 
O mein Freund, wie unbeſchreiblich erfreues 
bin ih, in dieſer Wildniß endlich einen Menſchen zu 
finden, und zwar einen, dem ich's anfehe, daß er 
auch menichli denken wird! 

H irt Giemiuich gleihgäteig.) Haha! gewiß detirer? 

Bonan. Ja wohl, und noch mehr als Das! Dicht 
An den Rund des Werderbens gerathen, 
. Dirt. Es thus mir leid. Ihr fepd freylich ſtark 
ſeitabwärts gefommen. Wenn meine Ziegen nicht wären, 
wollte ih Euch herzlidy gern den rechten Weg zeigen. 

Bonav. Ad, das wirft du gewiß , auch une 
geachtet deiner Ziegen. | 


wen BO wu 


Hirt. Nein, wahrlich nicht! bie. kann ih 
möglich im Stiche laſſen; denn fie nehmen gar zu le 
Schaden. 

Bonav. Doch darf ich nur etwas dich frag 
und du wirft dann gewiß noch mehr für uns thun. 

Hirt. Nu! und was wäre denn Das} 

Bonav. Sage mir einmdhl aufrihtig, gu 
Süngling, haft du niemahls geliebt? 

Hirt. Senun, id dähte, man fühe mir’s b 
wohl an, daß ich meine volle zwanzig Jahr alt 6 
und mein Nachbar Jeronimo hat drey bligfhme 
Mädchen. - 

Bonav. Das freuet mid. — Wohlen daı 
Sreund, wenn du, wie du felbft geftanden, jema 
empfunden haft, was zärtlihe Liebe fey, fo erbar 
dich meiner unglücklichen Gattinn, bie ic) dort ol 
bingefunfen verlaſſen mußte, und bie, wie bu fei 
fehen wirft, unvermögend ift, diefes jähe Bebirge 
erfteigen. — Piftoja kann nicht fern mehr feyn; dal 
gedenken wir. Du Eennft gewiß den nachſten We 
hilf mir fie auf denfelben fhaffen! und richt nur un 
feurigiter Dank, nit nur der Segen des Himme 
der jede gute That vergilt, fondern auch ih felbft u 
dich aus meiner Eleinen Barfhaft fo belohnen, t 
dich Schweiß, Mühe und Verfüaumniß nicht gereuen fü 

Hirt. Hm! das feste läßt ſich allerdings hör: 
— Wo ift denn Euer müdes Schätzchen? 

Bonav. (Hinaufzeigend.) Siehſt du fie nicht di 
oben? — Komm mit zu ihr! (Gie ſteigen hinauf.) 

Bıanca. Lieber Fremdling, haft du Mitleit 
bey unfern Bitten, und Rath für unfere Noth? 

Hirt. 





Yessa 8ı ver 


Hirt. (oerwunderungsvalt.) Heilige Mutter Dia 
tia! — da muß man wohl Mitleid haben, wenn fo 
ein niedlich Weibchen unfer Einen bittet! — (Zum Bo⸗ 
naveneuri.) Du haſt mir vorhin ein. Langes und ein 
Breites vorgefhwagt; die Mühe ‚hättet du erfparen 


Eönnen, wenn du, flatt alle dem Wirrwarr , mit 


gleich die Fraubild gewiefen hätteft. 

Bıanca Dein Mitleid alfo hätte ih. — 
Wie wird’s ader noch um die Hülfe ſtehen? 

Hirs. Se, dafür wird wohl auch noch Rath 
werden ! Der Weg, auf dem ihr euch befindet, iſt 
freylich weiterhin kaum für Maulthiere gangbar, und 
eure zarten, jebt fhon wund gelaufenen Füßchen waͤ⸗ 
ren auf ihm fo gut als geliefert. — Alles, mas ih 
euch alfo hierbey anbiethen kann, ift, euchauf eben die 
Art aufzubhuden und fortzubelfen, wie wir’; mit uns 
fern Kranfen machen, wenn wir fie in's Bad nad Pos 
retta, daß Enapp drey Stunden von hier liegt, brins 
gen. Ich habe fo einen Traͤgſeſſel; meine Schultern find 
ſchon mehrmahls dabey gewefen, und id, feldft bin de 
veit, euren Zrager abzugeben. 

Bianca. Braver, vortreffliher junger ann! 

Bonav. (ihn umarmend.) Unfer Schugengel! . 

Hire Na, nul Mache nur nicht des Lärmens 
fo gewaltig viel. Man müßte ja wohl ein rechter Bar 
ſeyn, wenn man euch bier fo Tiegen und verſchmachten 
laſſen wollte! (Hab bey Bette.) Zumahl, da ſie: meine 
Mühe nicht ganz umſonſt verlangen! 





Der Hirt, indem er dieß noch halblaut brummte, 
lief ſchnell zu feiner Hütte, die unweit davon im näch⸗ 
Meißners Bianca Sap. 1. Tb. . 


wen 82 rw 


fien Diefigt lag; Fam bald darauf mit feiner Schr 
fier, einem noch jüngern bräunlichen Mädchen, 

den ſchlank gewachſenen Bonaventuri mit ziemlid 
Wohlgefallen anftarrte, zurüd; übergab diefer fe 
Herde mit der Einfhärfung, ja nicht indeß zu ı 
und zu lederhaft mit den jungen Mannskerlen in 
Nachbarſchoft zu fohakern, und etwa darüber gar 
ner Ziegen zu vergejlen; zeigte Bianca feinen Tr 
ſeſſel; rühmre deflen Bequemlichkeit, und redete 
zu, fi nur getroft hinein zu ſetzen. 

Indem fie Dieb that‘, befhwur ihn Vonavent 
mit einer Angſt, die beynahe in Übertreibung gefal 
wäre, zur möglihiten Vorſicht. 

Der Much, oder vielmehr die Verwegenheit 
fer Bergbewohner,, fpra er, iſt durch ganz Sta 
berufen; und audy du, lieber Hirt, fcheinft mir- 
dem Worte Gefahr wenig oder gar Ecinen Bes 
zu haben. Aber mit Ihränen bitte ich, beſchwöre 
dich, lieber zu furchtſam, ald zu Eühn zu feyn. 
Sollten uns Abgründe aufftoßen,, jo wage Dich jan 
allzn dreiit hinein. 

Hirt (achend.) Ein guter Rath! Und was d 
fonft machen? Warren vielleicht , bis die Kluft 
wächit ! 

Bonav. Fühlloſer, der bu jegt meiner fpo 
kannt! — Sie umgehen, und wenn es Zagere 
erforderten. Bedenke wenigitend, daß deine Bı 
die edelſte We — (er ſtodt deſtürzt ein Paar Gecur 
und fünee dann fore:) das ſchönſte Weib in ganz Me 
land fep. 

Hirt. Nu, nu! Möglich wäre Das wohl; 
boch ließe ſich Das noch vergeilen, ba ıd fie mut 


⸗ 


des Fortſchreitens nicht fehen kann. Aber fen nur ge⸗ 
troft, du Furchtſamer! Ich will noch etwas bedenken, 
was fi) nicht fo leicht vergeflen laͤßt; — die Gefahr 
meines eigenen Halſes. Er iſt nicht der ſchoͤnſte in ganz 
Welſchland; aber er ift mir dech herzlich lieb, denn es 

ift mein Einziger. | 





Der Zug ging nun fort. Ooſchon, wie ihr Küßs 
rer vorher gefagt hatte, das Steigen mit jedem neuen 
Schritte auch immer mähjamer ward , jo ſah tech 
Bonaventuri's zagender Blick mehr auf den voranges 
benden Hirten , ald auf feinen Weg; und fie erflie: 
gen nad) wenigen Stunden den Gipfel des Berges. 

Wer da behauptet, daf es durchgängig bergab 
befler ald bergam gehe, ‚der hat ficher gewiſſe Berge, - 
und wenigitens den Apennin nie geftiegen. Bonaven⸗ 
turis Todesangſt vervielfältigre ſich jetzt, als er auf 
der fo ſehnlich gewunſchten Spitze ſtand. Gleich ‚einer 
abgeſchnittenen Wand ſchießt hier das Gebirge in ein 
Thal herab, bey deſſen Abgrund die Augen ſchier ver⸗ 
blinden. Ein niedergelaſſenes Senkbley faͤnde hier Lei⸗ 
nen Anſtoß. Durch das Thal ſelbſt brauſt ein Bach, 
der Urſprung des fogenannten kleinen Rbheins *), mit 
fürchterlichem Getoͤſe. Ein jedes Ohr, das ihn dort 
unten in ber Nähe zu hören befommt, ftarrt betäubs 
und hört zu viel, um irßend etwas Beſtimmtes 





) Der Meine, Rhein if einer der fhädlihfien , verwüſtend⸗ 
Ben Stroͤme in gan) Europa; er verliert ſich endlich in 
Ben flachen Gefilden Bononiens, ohne einen ordentlichen 
Auttano zu finden. 


own BA wen 


bören zu können; fo mannigfaltig bricht er feine ı 
thenden Gewäſſer an den hier und da ihm en: 
genitebenden Klippen; und fo reich an Fällen ift 
Boden, über den er binrollt. Aber doch, Troß fei 
Braufens, it das Thal viel zu tief, als daß man o 
das Eleinfte Geräufch des Stroms vernähme; nur 
Mühe erblidt man den weißen Schaum, ber | 
bier aus zu ſchleichen fheint, da er doch unten pf 
ſchnell dahin ſchießt. 

Schief quer hinab ſchlingt ſich ein einziger ihm 
ler Steig; doch auch ihn hatte jet ein Kegenguß y 
Gen Theils zerriffen und hinweggefpült. Zwar hat 
tie Hirten der daſigen Gegend , denen diefer % 
unentbehrlih war, in das fchlüpfrige weiche Erde 
tiefe Tritte von der Größe eines Menfchenfußes 
gegraben ; aber fie blieben, Trotz ihrer Tiefe, bi 
unficher ; blieben die fürchterlichite Treppe , die je 
menfchlicher Wagehals ſich zu befteigen erkühnen & 
Jene kühnen franzofifhen Luftdurdjegler *) dä 
fiher hier gezaudert, und vielleicht die Unvergeß 
keit Preis gegeden, auf die fie jet fo fihern Anſp 
mathen dürfen. 

tun zum eriten Maple bebte Bonaventuri für 

ſelbſt, als er dinabzuklimmen begann. — Aber, Mi 
des Himmels, wie ward ihm vollends dann zu Mu 
als er den Hirten ausglitſchen und auf's Anie fa 
fah! Aus feinen glühenden Wangen wid) kligfchnel 
der Bluröteopfen; Kalte, gleich jener legten Kälte 





*) Edarles und Robert, die gerade damabls, ald B 
Capello zuerſt erſchier, die Bewunderung von gan 
ropa auf ſich zogen. 


ar 85 vvov 


menſchlichen Erſtarrens im Tode, ergoß ſich durch ſei⸗ 


nen ganzen Körper; er wollte ſchreyen, aber ſeine 


Stimme erſtarb, und ſeine Angſt war ſo heftig, daß 
fie ihm ſelbſt die Kraft zum kleinſten Laute raubte. 

Doch über Bianca's Leben, zu größern Schick⸗ 
ſalen beſtimmt, waltete jetzt ein günſtiger Schutzgeiſt. 
Mit bewundernswürdiger Geſchicklichkeit verlor auch im 
Ausgleiten der Hirt das Gleichgewicht nicht ; ſein Fuß 
gewann noch abgeriffenes Erdreich genug, ehe er bis zum 
äufieriten Rand des jaͤhen Abfchuffes fortgeglitfeht war; 
er erhob ſich raſch wieder, und endete dann unbefchäe 
digt dicfen gefährlihen Steig, der ſich unten, feit- 
waͤrts von jenem wiederhallenden Thale, mit einer Eleis 
nen Wieſe ſchloß. 

Als Bonaventurt hier bald nah ihnen ankam, 
fand er feine Geliebte mitten unter Blumen figen, 
wovon fie die ſchönſten brach, foldye in einen Strauß 
zufammenband, und auf ihrem heiter dabey laͤchelnden 
Geſichte auch nicht die Heinjte Spur der Surcht mehr 
blicten ließ. 

Bonav. lauf fie zurilend, ergreift ihre Hand.) Meine 
Xheure, meine Einzige! gefhenit mir duch Wunder, 
und jest auch durch ein Wunder erhalten! Wie if 
dir Kepıt. 

Bianca. Wohl; denn du fiehft, daß ich tändle; 
und ratbe einmahl, für wer! (Sie Hierher ihm die Blu⸗ 
wen dar.) 

Bonav. Dank, Tiebe Bianca, Dank! Aber 
wie war dir bey dieſem ſchrecklichen Hinahitsigen zu 
Mutpe ? 

Bianca (lädelnd.) So, daß ich freylich dieſen 
Muth nicht oft wieder zu bewähren wünfhe. Mit feft 


e⸗ 


on BG ww 
zugeſchloſſenen Augen war ich mir alle Augenblicke 
Hinunterftürgens ın diefen fürchterlihen Abgrund 
wärtig; wußte, daß dann mein Körner an jenen F 
fen ın taufend Stücken zerfchmettert werden, und m 
Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen 
Tage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln 
Kimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen. 

Bonav. Heldinn! und ald dein Träger ausglt 

Bianca Was follte ich fonft denken, als 
der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih num wirklich e 
ſtelle? Und doch, aufrichtig geftanden, lieder Bo 
venturi, war diefer fohft fo graufende Beſuch mir m 
der durch fich feldft, als dur den Gedanken fehr: 
lich, daß er von dir mich fheide. — (Misvem 5 
Aöyften Tone.) Scheiden von dir? — Böfer, Mann! w 
che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in die, 1 
mir deine Trennung fo zabllos qualvodler, als al 
übrige Schredniß der Natur dünkt? — Zumahl jeg 
da ih nur zu ſehr beforgte, dieſes Scheiden dür 
Echeiden auf immer ſeyn. 

Bonav. Scheiden auf immer ! Warum Das 

Bianca. Und wie? Wenn ich vielleicht be 
eriten Wiederbefinnen der erwachenden Seele die Ne 
richt vernommen hätte, Daß du, zu treu wur, mir ne 
eilen wollen; daß du den Poiten verlaffen habeft, I 
die Vorfiht uns anwies, daß du mir nachgeftürzt fer 
in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi 
Kluft uns trenne? 

Bonuv. Bianca, liebes fhwärmerifches Be 
chen! ſprichſt du doch ernſthafter und weiſer, als 
sin Prieſter ſprach! — Dir nachzufolgen, dich n 
Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen 


— BI — 
Auge eines Gottes ſeyn, der dieſe endloſe Liebe 
mir gab? 

Bianca. Ja mohl endlas ; auch auf meiner 
Seite! Aber eben deßhalb wünſchte ih, daß fie auch 
dore daure, und auch dort noch befohnt würde. (Ihm 
umarmen.) Mann! und wenn ich Metpufalems Alter 
erreichte, ich würde ipn ja doch nicht austrinken, den 
tiefen Becher der Liebe, womit ich ich liebe. 

Bonap. (freudig) Nicht? Nicht ? O fo fen ſicher, 
daß für den meinigen die Ewigkeit ſelbſt nit zureicht! 





Dieſes Geſpraͤch — wovon das fondersarfte der 
Umftand if, daß es der Hochzeit nahfolgte, da 
bey andern Menſchenkindern fonft dergleichen Betheue⸗ 
zungen ihr bloß vorberzugehen pflegen — warb 
durch die Zwiſchenkunft des Hirten unterbrochen, ber 
feitwärts feinen Durſt bey ei 
und jie nun zum Aufbruch 
lich feine Ziegen fo lange 
als / ein Mädchen fey, an 
ten ihm, und erreichten in 










— EB — 
langen; warb von den Küffen feiner Mutter faſt 
ſtickt, und von Beyden mit Bragen und Zärtlidl 
überhäuft. 

Eine ſchoͤne Scene in der Bietfigkit ſelbſt! D 
da Scenen dieſer Arc fi ſchon in fo manchen Sch 
ſpielen finden, fo ſtehe hier nur das Ende von der 
genwärtigen. 





Vater. Dank! Dank dem Gott, der mei 
mattgelebten Augen, noch ehe fie fich ganz verbunke 
die größte unter allen menſchlichen Freuden, den I 
oͤlick meines Sohnes, wiederſchenkt! — (Au feiner de⸗ 
Mutter, wenn ic) einft ſterde, und ber Tod mir fa 
werden follte, dann erinnere mid) an diefe Minu 
und ihr Andenken wird feine Herbe mil! — 
wird Bianes geipabr, die mod is jet unbamertt amd 
.) Aber wer, licher Piet 
itgebradit hat, und die 
top nicht einmahl wahr 
ben Sie mir, unbekan 








— 9 

Bonav. (deiter lacheind.) Ich verſtehe Euch, meine 
theuere Ältern, verftehe biefe abgebrochenen Worte und 
Das, was Ihr ihnen abbrecht. — (Indem er den Salever 
aufdedt.) Ab-r feht her und entſcheidet, ob ich bey dies 
ten Reizen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo 
fange verziehen konnte, bis ed dem Glücke gefiel, feine 
Ungereptigfeiten gegen uns zu verbeffern ? 

Bianca (Bepder Hände mit Warme ergreifend und 
tüend.) O mein Vater! — o meine Mutter! noch nie 
von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie 
unendlich theuer, empfangt eure gehorfame Tochter, 
empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliehten 
nicht mit Unwillen ! 

Mutter (fr umarwend.) Großer Gott! wer könnte 
wohl den fühlen; bey dieſem Reiz und biefem Ton 
der Unfhuld$ — Du haft die Beredfamkeit eines 
Monchs, ohne feine Weitläuftigkeit 

Vater. Sey mir geküßt 
terliebe! — — (Si mit © 
erkenne ih dad Blut der B ie waren 
zwar arm, von jeher arm; ab) jeher ſchon 
gewohnt, nur am Buſen fü 

















nur für ein reizendes Weibchen ib, Herz und 
Hand hinzugeben. — Selbſt mein altes, nun 
graugewordenes Mütterden inſt berühmte 


Schönheit. Ihre Wangen fta 
Tochter, an Blüthe und Rei 
mancher Graf und Mardeje, d 
nen man zuräd gewiefen hatte ‚| 
die Freuden der Brautnacht, als ferhörten, daß die 
ſchöne Jolantha Cornari die Meinige geworben fa 


⸗ ww. 90 AA 

Mutter. Mas du nun da wieder tinmahl ſchr 
tzeſt! So ſchäme did, doh, Mann! 

Vater Gaqelnd) Und fo ziere dih doch, lie 
Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem ne: 
jıgiten Jahre *) gar zu gern loben ließet; ald wi 
es Bir jege nocdy unangenehm wäre, wenn ich jezun 
len verjihere, daß deine Augen kohlſchwarz und f 
kelnd find. Wahrlich, ich müßte doch fehr vergeß 
ſeyn, wenn ich es vergaße, daß euer ganzes Gefchle 
Eitelfest und Lobeserhebung nod weit über Nahrı 
und Wopfftand fegt. — Aber es fey darum. Kurz, li 
Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz 
Reiz deiner würdig, und du wirit ihr, hoffe ich, a 
dafür an ehelicher Tugend gleiden. 

Bianca. Wenigftens werde ihhmid ein fo et 
Mufter nachzuahmen beſtreben. 

Vater. Das verforicht mir dein Auge; und ı 
erzähle mir auch, wein Sohn: wie biſt du fo fhnell 
fo haftig in den Orden des Glücks und Elen 
der Nahrung@leieige and der Hörner eingetreten 
Wer warft buch, Tochter, ehe du meine Tod 
wurdeit? 

Bianca. pen Vater, Michael Albani, ı 
ein begüterter A" in Venedig. Pietro, de 













a, wie manchmahl der Bcheifek 
in wird! — Aus diefee Stelle Bi 
BB: ade Ginige, und zwar fogar Welch 
» Mbmaventuri’6 Mutter fen ſelbſt neun 
* alt geweſen, und haben mir bewieſen, daß Dieß ı 
angehe; weil dann Pretro Bonaventuri [dom funſzig 
alt feon, aber. ich eine Art won Iſaals Gebure anneb 
mäft. 


"008 9 Zn 77770 

Herr mie und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt, 
und fand Mittel, mein Herz zu geroinnen, aber‘ 
feider! zur Einwilligung meines Vat ers fand er eine; 
denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg noch feinen 
Reichthum bey Weitem. — Nur eine Tugend hatte 
er, die Öeizige fonft felten zu haben pflegen ; er war. 
eintreuer Freund; und doch, — fonderbar genug, 
— war es vorzüglich diefe einzige Tugend, bie ihn um 
feinen mühſam erworbenen Moplftand brachte. Als 
Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver⸗ 
fit auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗ 
Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein 
baltes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nadricht, 
daß ein gefcheitertes Schiff ihn um. die andere Shalfte 
beinge, und ftarb am Dritten. — (Gtodend.) Muthet es 
der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder 
Gram. 

Water. Armes Mädchen! BR 

Mutter (ein Kung d 
nius bitte für ihm! J * 

Bonav. (teiſe für na.) H Miällen Vorz üͤ⸗ 
gen, die jemahls ihr Geſchlech? Befaß ‚ boch wenig» 
ſtens auch einen feinee Fehler! Sie weiß Erdichs 
tung zu erzählen, als 06'$ die beifigfte Wahrheit wäre, 

Bianca. Kaum war er todt, ald ih Bonaven⸗ 
turi rufen ließ. Meine Sorge für tler Fiebe wuchs 
durch dieſen Fall, ſtatt daß fie ſich ¶ —— Follte; denn 
ich fiel nun in die Gewalt eines hari Wheims, deſſen 
Sohn mid ſchon laͤngſt mit feiner wörigen Neigung 
gequaͤlt hatte. Ihr mußte ich jetzt entgehen, oder ich 
vermochte es nie. — Mein Geliebter erſchien. „Theu⸗ 
„ter, ſprach ih, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für 






ellige Anto⸗ 









„ ns 923 ww... 

„mich empfunden halt, fo beweife es jege! Ich Ein 
„reit, mit dir zu fliehen; aber wiſſe, fo wie id ı 
»dir ſtebe, fiebft du auch meine ganze Habe. M 
„Vater —“ Hier erzählte ich ihm alles, was ih er 
fo eben erzähle habe ; und ber brave junge Mann fi 
ald ich endere, zu meinen Füßen, ſchwur mir ew 
Treue, und entflob mit mir. — — Verzeidt, verze 
ihm, wenn er Unrecht that! Ich bin’s, die ihn v 
leitete. 

Vater (gerüpre) Er that, was er thun fol 
— Ich erfennte ihn für meinen Sohn nicht mehr, wi 
er anders gehandelt hatte. 

Mutter. Du bit unfere liebe Toter. M 
möütterliher Segen ruhe auf dir! Aber rimm a 
meine Bedaurung! Dein Vater war reih, uud | 
bey uns, wohin du blickſt, it Elend und Mangel. 

Mater (etwas unwilig) Mangel? Mutter , 
weißt ja, ich hab's nich gern, wenn man Wahr! 
durch übertreindag zur Unwahrheit macht. 
Nenne mir den Müttag, den wir gezwungen faſtet 
Oder den Abend, un welchen der Schlaf und hun: 
uberrafıhte ! 

Mutter. Das nicht. Aber auch Sättigung 
bloß trockenem Brode iſt Demjenigen halber Hung 
der an Braten und 4 Wein ſich gemohnt hat. 

Biansa.Sehr richtig vielleicht bey man d 
Denkungsart, über nicht bey der meinigen! 
Nennt miepagufiebte AÄltern, irgend eine Beſche 
gung, und febt, obich mich ihrer ſchaͤme, ſobald fie e 
bar iſt! Habt ihe bisher von ber Arbeit eurer Si 
gelebt, fo follen von nun an zwey Haͤnde mehr « 
ein Mehreres zu erwerben fi) bemühen. 


veron 93 wesen 

Vater. Herzbaft gefprochen ! Laß fehen, ob es 
dein Ernft ſeß! — Wir hielten uns bis jegt eine Adr 
chinn; unſere auswärtigen Gefhäfte beforgt ein Eleis 
nes armes, ganz’ verwaifetes Mädchen, bie uns, als 
Pa:he, und als unfere nächſte Muhme, anbeimfiel. 
Theile, liebe Mutter, von nun an die Arbeit der Küche 
mit unfrer neuen Hausgenoflinn, fo haben wir ſchon 
eine Erfparnıß mehr, und für ben Erwerb Deſſen, was 
ihr kochen follt , wird der Himmel und unfer Fleiß 
forgen. 

Bianca. Ich nehme euern Vorſchlag freudig 
an. — Nur, liede Mutter, habt im Anfange ein we⸗ 
nig Geduld mit mir! Sch bin eine angehende Schüler 
rinn, amd Diefe fehlen ‘oft Troß dem beften Willen. 
(Irdem fie auf DBonaventuri blickt, und flieht, daß er fi eine 
Shräne vom Kuge wifcht, bineitend und Ihn umarment.) Weich⸗ 
ling!- was fehlt dir, da wir nun in Sicherheit find? 
Meg mit diefer und jeder folgenden Thrane! Damahls, 
als ich in die Gondel flieg, die ungzngg.-Wenctig ent 
fernte, oder ald ich in fäter Todes auf fremdem 
Mücken fhwebte, da vergab ich ſſe aber ietzt? — 
Heſorgſt du vielleicht, daß ich dir dann nicht reitzend 
genug mehr ſcheinen werde, wenn die Glaͤtte und Weis 
fie diefer Hände fih von Eonne und Arbeit ein wenig 
mindern dürfte? 

Bonav. Verzeih dir der Himmel diefe Frage, 
die obnedem gewiß dein Mund nur fpxihe ! — O bu, 
dann noch ſchön, wenn aud dein Körper zuſam⸗ 
menfchrumpfte, wie ein verwelfendes Blatt, wer uns 
ter den Menſchen verbient dich, Engel, zu befigen? 
Und weicher verachtete Sterbliche befiße dich? <Gr eilt 
in Die nähfte Kammer; fie ibm nad, ihn zu tröften.) 









un BA wen he 


hören zu Eönnen; fo mannigfaltig bridt er feinen 
thenden Gewäſſer an den hier und da ihm enı 
genitebenden Klippen; und fo reich an Fällen ift 
Boden, über den er binrollt. Aber doch, Troß fei 
Braufens, iſt das Thal viel zit tief, als daß man o 
das Heinfte Geränfch de3 Stroms vernähme; nur | 
Mühe erblidt man den weißen Schaum, ber ı 
bier aus zu ſchleichen fheint, da er doch unten pf 
ſchnell dahin ſchießt. 

Schief quer hinab ſchlingt ſi 6 ein einziger ſchm 
ler Steig; doch aud ihn hatte jet ein Regengußg 
ben Theils zewriffen und hinweggefpült. Zwar bat 
tie Hirten der daſigen Gegend , denen diefer X 
unentbehrlich war, in das fchlüpfrige weiche Erde 
tiefe Tritte von der Größe eines Menfchenfußes 
gegraben ; aber fie blieben, Trog ihrer Tiefe, pi 
unficher ; blieben die fürchterlidite Treppe , die je 
menfhlicher Wagehals ſich zu befteigen ertühnen d 
Jene kühnen franzofifhen Luftdurchſegler *) ba 
ſicher hier gezaudert, und vielleicht die Unvergeß 
eis Preis gegeden, auf die fie jegt fo fihern Anfp: 
machen dürfen. 

tun zum eriten Mahle bebte Bonaventuri für 
ſelbſt, als er dinabzuklimmen begann. — Aber, Mi 
des Himmels, wie ward ihm vollends dann zu Miu 
als er den Hirten ansglitfhen und auf's Knie fa 
fah! Aus feinen glühenden Wangen wid, bligfchnef 
der Blurtöteopfen; Kälte, gleich jener legten Kalte 





*) EAdarles und Rob:rt, die gerade bamahis, ald B 
Capello zuerft erſchien, die Bewunderung von gan 
ropa auf ſich zegen. 


on 85 ..... 


menihlihen Erftarrens im Tode, ergoß fh durch feis 


nen ganzen Körper; er wollte ſchreyen, aber. feine 


Stimme erftarb, und feine Angft war fo heftig, daß 
fie ihm ſelbſt die Kraft zum Eleinften Laute raubte. 

Doch über Bianca’d Leben, zu größern Schick⸗ 
falen beſtimmt, waltete jegt ein günftiger Schußgeift. 
Mir bewundernswürdiger Geſchicklichkeit verlor auch im 
Ausgleiten der Hirt das Gleichgewicht nicht ;- fein Fuß 
gewann noch abgeriffenes Erdreich genug, ehe er bis zum 
äufieriten Rand des jühen Abſchuſſes fortgeglitfcht war; 
er erhob fich rafch wieter, und endete dann unbefchä« 
digt diefen gefährlihen Steig, der fih unten, ſeit⸗ 
waͤrts von jenem wiederhallenden Thale, mit einer klei⸗ 
nen Wieſe ſchloß. 

Als Bonaventurt bier bald nach ihnen ankam, 
fand er feine Geliebte mitten unter Blumen fißen, 
woron fie die ihönften brach, foldhe in einen Strauß 
zuſammenband, und auf ihrem heiter dabey laͤchelnden 
Geſichte auch nicht die Heinite Spur der Furcht mehr 
blicten ließ. 

Bonav. lauf fie zurilend, ergreift ipre Hand.) Meine 
Theure, meine Einzige! gefhenie mir dur Wunder, 
und jest auch durch ein Wunder erhalten! Wie ifi 
dir Jetzt !. 


⸗ 


Bianca. Wohl; denn du ſiehſt, daß ich tändle; 


und ratbe einmahl, für wer! (Sie Hierher ihm die Blu⸗ 
wien dar.) 

Bonav. Dank, liebe Bianca, Dank! Aber 
wie war dir bey dieſem ſchrecklichen Hinahſteigen zu 
Mutde? 

Bianca (lächeln) So, daß ich freylich dieſen 
Muth nicht oft wieder zu bewähren wünſche. Mit feft 


ern BO wm 
zugeſchloſſenen Augen war ih mir alle Augenblide 
Hinunterſtürzens ın diefen fürchterlihen Abgrund 
wärtig; wußte, daß dann mein Adrner an jenen 9 
fen ın taufend Stücken zerfchmettert werden, und m 
Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen 
Tage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln 
Kimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen. 

Bonav. Heldinn! und als den Träger ausglt 

Bianca. Was folte ich fonft denken, als 1 
der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih nun wirklich « 
ſtelle? Und doch, aufrichtig geftanden, licher Bo: 
venturi, war Diefer fohft fo graufende Beſuch mir m 
der dur ſich felbft, als durch den Gedanken fahr: 
lich, daß er von dir mich fheide. — (Mir dem s 
Näyften Tone.) Scheiden von dir? — Böſer, Maun!m 
che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in dir, I 
mir deine Trennung fo zabllos qualvoller, als al 
übrige Schredniß der Natur bünft ? — Zumahl jet 
da ih nur zu fehr. beforgte, dieſes Scheiden dür 
Echeiden auf immer feyn. 

Bonav. Scheiden auf immer? Warum Das 

Bianca. Und wie? Wenn id vielleicht be 
eriten Miederbefinnen ber erwachenden Seele die Ns 
richt vernommen hätte, daß du, zu treu wur, mir ne 
eilen wollen; daß du den Poiten verfaflen habeft, I 
die Vorfiht und anwies, daß du mir nachgeſtuͤrzt fer 
in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi 
Kluft und trenne? 

Bonuv. Bianca, liebes fhwärmerifhes We 
hen! ſprichſt du doch ernfthafter und weifer, als 
sin Priefter ſprach! — Die nadzufolgen, dich n 
Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen 


— BI — 
Auge eines Gottes ſeyn, der dieſe endloſe Liebe 
mir gab? . 

Bianca. Ja wohl endlos ; aud anf meiner 
Seite! Aber eben deßhalb wünſchte ih, daß fie auch 
dort daure, und auch dort noch belohnt würde. Ita 
umarmend.) Mann! und wenn ih Methuſalems Alter ' 
erreichte, ich würde ipn ja doch nicht austrinken, den 
tiefen Becher der Liebe, womit ic dich liebe. 

Bonav. (freudig) Nicht? Nicht? O fo fen fiber, ' 
daß für den meinigen die Ewigkeit felsft nicht zureicht! 

— — 

Dieſes Geſpraͤh — wovon das ſonderbarſte der 
Umſtand iſt, daß es der Hochzeit nachfolgte, da 
bey andern Menſchenkindern ſonſt dergleichen Betheue⸗ 
rungen ihr bloß vorherzugehen pflegen — warb 
durch die Zwifpenkunft des Hirı nterbrochen, ber 
feitwwärts feinen Durſt bey ei f 
und fie nun zum Aufbruch 
lich feine Ziegen fo. lange { 
als ein Mädchen fey, a 
sen ihm, und erreichten in Mi 

bier einen 










— BB — 
Wangen; warb von ben Küſſen feiner Mutter faſt 
fidt, und von Beyden mit Fragen und Zärttid 
überhänft. 

Eine fhöne Scene in der Wirklichkeit ſelbſt! D 
da Scenen diefer Arc fi ſchon in fo manden Sch 
frielen finden, fo ftehe hier nur das Ende von der 
genwäctigen. 





Bater. Dank! Dank dem Gott, der mei 
mattgelebten Augen, noch ehe fie fi) ganz verdunke 
die größte unter allen menſchlichen Freuden, den | 
oͤlick meines Sohnes, wieberfhenkt! — (Zu feiner Bu 
Mutter, wenn ich einft fterde, und der Tod mir fa 
werben follte, dann erinnere mich an diefe Minu 
und ihr Andenken wird feine Herbe mildera! — 
wird Wianga geipabr, die mod his jeht unbamsrte 
Aber wer, kieber'Piet 
itgebracht baſt, und die 
och nicht einmahl wahr 
ben. Sie mir, unbekan 









Bonav. (beiter lacheind.) Ich verfiche Euch, meine 
theuere Altern, verftehe biefe abgebrochenen Worte und 
Das, was Ihr ihnen abbrecht. — (Indem er den Salever 
aufdedt.) Ab-r feht her und entſcheidet, ob ich bey die⸗ 
ten Reigen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo 
fange verziehen Eonnte, bis es dem Glücke gefiel, feine 
Ungerechtigkeiten gegen uns zu verbeffern ? 

. Bianco (Werder Hände mit Wärme ergreifend und 
tüffend.) O mein Vater! — o meine Mutter! nod nie 
von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie 
unendlich theuer, empfangt eure gehorfame Tochter, 
empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliebten 
nicht mit Unwillen! 

Mutter (fe umarwend.) Großer Gott! wer koͤnnte 
wohl den fühlen; bey diefem Reiz und biefem Ton 
der Unfhuld$ — Du haft die Beredſamkeit eines 
Moͤnchs, ohne feine Weitläuftigkeit zu haben. 

Vater. Sey mir gelüßt ß und Bar 
terliebe! — — ESu mit Bar; 
erkenne ich das Blut der Bi ie waren 
zwar arm, von jeher arm; abı jeher ſchon 
gewohnt, nur am Buſen fi zu ruhen, 
















nur für ein reizendes Weibchen Hb, Herz und 
Hand hinzugeben. — Selbſt mein altes, nun 
graugeworbenes Muͤtterchen ; berühmte 


Schönheit. Ihre Wangen ftan 
Tochter, an Blüthe und Rei; 
mancher Graf und Mardefe, de 
nen man zurüd gewieſen hatte, I 
die Frenden der Brautnacht, als fie N, daß die 
fhöne Jolantha Eornari die Meinige geworben ſeſ 


. — s0 — 

Mutter. Mas du nun da wieder dinmahl fchr 
geft!.So ſchaͤme did doh, Mann! 

Vater uageted) Und fo ziere dich doch, lie 
Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem nei 
zigſten Jahre *) gar zu gern loben ließet; als we 
es Bir jege noch unangenehm wäre, wenn ich jezun 
len verſichere, daß deine Augen koblſchwarz und fi 
kelnd find. Wahrlich, ih müßte body fehr vergeß! 
ſeyn, wenn ich es vergäfie, daß euer ganzes Gefhli 
Eitelfest und Cobeserhebung noch weit Über Nahri 
und Wohlſtand fegt. — Aber es fey darum. Kurz, li 
Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz 
Reiz deiner würdig, und du wirſt ihr, hoffe ih, a 
dafür an eheliher Tugend gleiden. 

Bianca. Wenigftens werde ih mid ein fo et 
Mufter nachzuahmen beſtreben. . 

Väter, Das verforiht mir bein Auge; und r 
erzähle mir al in Sohn: wie bift du fo fönell ı 


fo haftig im rden des Glücks und Elen 
der Nahrn d der Hörner eingetreten? 
Wer warft Tochter, ehe du meine Tod 
wurdet · 

Bianca, Vater, Michael Albani, ı 


ein begüterter x in Venedig, Pietro, de 


wie manchmadl der Sarifen 
wird! — And dieſer Seelle d⸗ 
Be Vinige, und zwar foger Seleh 







Jahr ait gewelen, mud Haben ınir beroiefe 
angehe; weil Dann Pietro DB: nturi fon fünfzig 2 
alt feun, der im eine Art you Aaals Chehutt anneb 
wär. 





Tue gr — 
Here mit und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt, 
und fand Mittel, mein Herz zu gewinnen, aber’ 
feider! zur Einwilligung meines Vater 6 fand er Feine; 
denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg nod feinen 
Reicht hum bey Weiten. —Nur eine Tugend hatte 
er, die Geizige fonft felten zu haben pflegen; er war 
ein treuer Freund; und doch, — fonderbar genug, 
— war e$ vorzüglich diefe einzige Tugend, die ihn.um 
feinen mühfam erworbenen Woplftand brachte. Als 
Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver« 
ficht auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗ 
Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein 
halkbes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nachricht, 
daß ein geſcheitertes Schiff ihn um die andere Hälfte 
bringe, und ſtarb am Dritten. —(Gtodend.) Muther eb 
der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder 
Sram. ö 
Vater. Armes Mädhenh 
Mutter (ein Krend ſqhla ilige Antor 
nius bitte für ihn! 
Bonav. (ieife für Ma.) Ai 
gen, bie jemahls ihr Geſchlech 
ſtens auch einen feiner Fehler! Sie weiß Erdich⸗ 
tung zu erzählen, als ob's die heifigfte Wahrheit wäre, 
Bianca. Kaum war er als ih Bonaven- 







turi rufen ließ. Meine Gorge'fär liebe wuchs 
durch diefen Fall, ftatt daß fie ſich ſollte; denn 
ich fiel nun in die Gewalt eines har jeims, deſſen 


Sohn mic ſchon längft mit feiner wehrigen Neigung 
gequält hatte. Ihr mußte ich jegt entgehen, ober ih 
vermochte es nie. — Mein Geliebter erſchien. „Theu· 
„rer, ſprach ich, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für R 


mn BO wow 
zugeſchloſſenen Augen war ih mir alle Augenblide 
Hinunterſtürzens ın diefen fürdterlihen Abgrund 
wärtig; wußte, daß dann mein Adrrer an jenen £ 
fen ın taufend Stücken zerfgmettert werden, und m 
Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen 
Zage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln 
ſtimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen. 

Bonav. Heltinn! und als dein Träger ausgli— 

Bianca. Was follte ich fonft denfen, als I 
der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih nun wirklich « 
ftele? Und doch, aufrichtig geftanden, licher Bo 
venturi, war dieſer fohft fo graufende Beſuch mir m 
der durch fich felöft, als durch den Gedanken fohr 
lich, daß er von dir mich fheide. — (Mit vom s 
Näyften Tone.) Scheiden von dir? — Böſer, Mann! 
che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in die, | 
mir deine Trennung fo zabllo® qualvoller, als a 
übrige Schredniß der Natur dünkt? — Zumahl jet 
da ih nur zu ſehr beforgte, dieſes Scheiden dür 
Scheiden auf immer feyn. 

Bonav. Scheiden auf immer ? Warum Dat 

Bianca. Und wie? Wenn id vielleiht be 
eriten Wiederbefinnen der erwachenden Seele die Ri 
richt vernommen hätte, daß du, zu treu nur, mir ne 
eilen wollen; daß du den Poſten verlaffen habeſt, 
die Vorfiht uns anmwies, daß du mir nadgeftürzt fei 
in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi 
‚Kluft uns trenne?. 

Bonuv. Bianca, liebes ſchwaͤrmeriſches Be 
chen! ſprichſt du doch ernſthafter und weiſer, als 
sin Prieſter ſprach! — Dir nachzufolgen, dichen 
Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen 

Ä ’ 


e\ 


— BI — 

Auge eines Gottes ſeyn, ber dieſe endloſe Liebe 
mir gab? . 

Bianca. Ja wohl entlas ; auch auf meiner 
Seite! Aber eben deßbalb wünſchte ih, daf ie auch 
dort daure, und auch dort noch belohnt würde. Ida 
umarmen.) Mann! und wenn ich Methuſalems Alter ' 
erreichte, ich würde ipn ja doch nicht auötrinten, den 
tiefen Becher der Liebe, womit ich dich liebe. 

Bonad. (freudig) Nicht? Nicht ? O fo fey ſicher, 
daß für den meinigen die Ewigkeit ſelbſt nicht zureicht! 


— 


Dieſes Geſpraͤch — wovon das ſonderbarſte der 
Umſtand iſt, daß ed der Hochzeit nachfolgte, da 
ben andern Menſchenkindern ſonſt dergleichen Betheue⸗ 
tungen ihr bloß vorherzugehen pflegen — warb 
durch die Zwifhenkunft des Hirten unterbrochen, ber 
feitwärts feinen Durft bey ei f 
und fie nun zum Aufbrut 
lich feine Ziegen fo. lange & 
als’ein Mädchen fey, a 
sten ihm, und erreichten in 










— BB — 
langen; warb von den Küffen feiner Mutter faſt 
flilt, und von Beyden mit Beagen und Zärtlichl 
überhänft. 

Eine ſchoͤne Scene in der Wirllihleit ſelbſt! D 
da Scenen dieſer Arc fi ſchon in ſo manchen Sch 
frielen finden, fo ſtehe hier nur das Ende von der 
genwärtigen. 





Bater. Dank! Dank dem Gott, ber melı 
mattgelebten Augen, noch ehe fie fih ganz verdunke 
die größte unter allen menf&ligen Sreuden, ben \ 
blick meines Sohnes, wiederſchenkt! — (Au feiner Zu 
Mutter, wenn id einft ſterde, und der Tod mir fa 
werden follte, dann erinnere mic) an diefe Minu 
und ihr Andenken wird feine Herbe mil! — 
wird Bianes br die mod bis jetzt unbemerkt und 
idieberi von fen 3 Aber wer, lieber Piet 
tgebracht haft, und die 
och nicht einmahl wahr 
eben Sie mir, unbekan 
nicht Ban! einer Art zu fe 
i isst hätte m 












die man font eich 


‚Groß 





— BG — 

Bonav. (beiter iacheind.) Ich verſtehe Euch, meine 
theuere Ältern, verſtehe dieſe abgebrochenen Worte und 
Das, was Ihr ihnen abbrecht. — (Inden er den Salever 
auſdedt.) Ab-r ſeht her und entſcheidet, ob ich bey die⸗ 
ten Reizen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo 
fange verziehen Eonnte, bis es dem Glücke gefiel, feine 
Ungerechtigkeiten gegen uns zu verbeffern? 

Bianca (Bender Hände mit Warme ergreifend und 
tüffend.) O mein Vater! — o meine Mutter! noch nie 
von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie 
unendlich theuer, empfange eure gehorfame Tochter, 
empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliebten 
nicht mit Unwillen! 

Mutter (ne umarwend.) Oroßer Gott ! wer könnte 
wohl den fühlen; bey diefem Reiz und diefem Ton 
der Unfhuld* — Du haft die Beredſamkeit eines 

















Vater. Seymirgeküßt 
terliede! — — (Eis mie Der; 
erkenne ih das Blut der Bi 
zwar arm, von jeher arm; abı 
gewohnt, nur am Buſen fü 


jeher ſchon 
zu ruhen, 


nur für ein veizended Weibchen t, Herz und 
Hand hinzugeben. — Gelbit mein altes, nun 
graugewordenes Muͤtterchen i berühmte 


Schönheit. Ihre Wangen ftaı 
Tochter, on Bläthe und Rei, 
mandyer Graf und Marche ſe, d 
nen man zurüd gewieſen hatte, beneibeten mid um 
die Freuden der Brautnacht, als ſie Härten, daß die 
ſchöne Jolontha Eornari die Meinige geworben faß 


— s — 

Mutter. Mas du nun da wieder dinmahl ſchn 
geft!. So fhäme did) doch, Mann! 

Vater Caaelad) Und fo ziere dich doch, fiel 
Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem nen 
zigſten Zapre *) gar zu gern loben ließet; als we 
es Bir jege noch unangenehm wäre, wenn ic jegum 
Ien verſichere, daß deine Augen koblſchwarz und fı 
Feind find. Wahrlich, ih müßte body fehr vergeßt 
ſeyn, wenn ich es vergäfie, daß euer ganzes Geſchle 
Eitellert und Cobeserhebung noch weit Über Nahru 
und Wopfftand fegt. — Aber es fey darum. Kurz, li— 
Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz 
Reiz deiner würdig, und bu wirit ihr, hoffe ich, aı 
dafür an eheliher Tugend gleichen. 

Bianca. Wenigftens werde ich mich ein fo ed 
Mufter nachzuahmen beftreben. 

Vater, Das verforicht mir bein Auge; und ı 
erzehle mir auch⸗ in Sohn: wie biſt du fo ſchnell ı 
fo haftig im rden des Glücks und Eien 
der Naprum d der Hörner eingetreten? 
Wer warſt Tochter, ehe du meine Toqh 

wurdet ? 

Bianca, Vater, Michael Albani, ı 
ein begüterter in Venedig. Pietro, de 









. mie wangmabt der Soriten 
geirien, wird! — Aus Diefer Stele d 
6 Ginige, und zwat foger Setah 
jenturi's Mutter fen fe 
Jahr atk geapefen, und haben mir Bew 
angehe; foeil Dann Pietro Bonaventuri fon funfjig I 
alt feon, dar im eine Art won Aaate Sedurt anneb 
wäf. 





Tun gr — 

Herr mit und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt, 
und fand Mittel, mein Herz zu gersinnen, aber“ 
feider! zur Einwilligung meines Vat ers fand er Feine; 
denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg noch feinen 
Reicht hum bey Weitem. —Nur eine Tugend hatte 
er, die Geizige fonft felten zu haben pflegen ;'er war 
ein treuer Freund; und doch, — fonderbar genug, 
— war es vorzüglich diefe einzige Tugend, die ihn um 
feinen mühſam erworbenen Wohlſtand brachte. Als 
Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver⸗ 
ficht auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗ 
Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein 
* haltes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nachricht, 
daß ein geſcheitertes Schiff ifn um. die andere Hälfte 
bringe, und ſtarb am Dritten. — (Gtodend.) Muther es 
der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder 
Gram. ’ 

Barer. Armes Mädchen! NT 

Mutter (ein Kıeny Idia, ilige Antor 
nius bitte für ihn! 

Bonav. (teife für a6.) Gmiii Men Vorz ü⸗ 
gen, die jemahls ihr Geflecht befaß, doch wenige 
ſtens au einen feiner Fehler! Sie weiß Erdich⸗ 
sung zu erzählen, als ob's die heifigfte Wahrheit wäre, 

Bianca. Kaum war er als ih Bonaven- 







turi rufen ließ. Meine Gorge'fär liebe wuchs 
durch dieſen Ball, ftatt daß fie ſich ſollte; denn 
ich fiel nun in die Gewalt eines har jeims, deſſen 


Sohn mich ſchon längft mit feiner wißrigen Neigung 
gequält hatte. Ihr mußte ih jegt entgehen, oder ih 
vermochte ed nie. — Mein Geliebter erſchien. „Iheus 
„rer, ſprach id, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für 


* oo 93 ... 

„mich empfunden hait, fo beweife es jetzt! Ich Ein 
„reit, mit bir zu fliehen; aber wiſſe, fo wie dp ı 
‚mdir ftebe, ſiehſt du auch meine ganze Habe. M. 
„Vater —“ Hier erzählte ich ihm alles, was ih ei 
fo eben erzählt habe; und der brave junge Mann fi 
ald ich endete, zu meinen Füßen, ſchwur mır ew 
Treue, und entjloh mit mir. — — Verzeiht, verze 
ihm, wenn er Unrecht that! Ich bin’s, die ihn v 
leitete. 

Vater (gerührt.) Er that, was er thun fol 
— Ich erkennte ihn für meinen Sohn nicht mehr, we 
er anders gehandelt hätte. 

Mutter. Du bit unfere liebe Tochter. M 
möütterliher Segen ruhe auf dir! Aber nimm a 
meine Bedaurung! Dein Vater war reih, und 
bey uns, wohin du blickſt, it Elend und Mangel. 

Vater (etwas unmilig) Mangel?! Mutter , 
weißt ja ‚ ih hab's nicht gern, wenn man Wahr! 
dur) Übertesiäiing zur Unwahrheit macht. 
Nenne mir ben Mittag, den wir gezwungen faſtet 
Oder den Abend, an welchen der Schlaf und hung 
überraſchte! 

Mutter. Das nicht. Über auch Daͤttigung 
bloß trockenem Brode iſt Demienigen halber Hung 
der an Braten und IM Wein ſich gewohnt hat. 

Biansa.:Sehr richtig vielleicht bey man d 
Denkungsart, i Über nicht bey der meinigen! 
Nennt mir Xrilebte Aitern, irgend eine Beſcheè 
gung, und ſeht, obich mich ihrer ſchaͤme, ſobald fie e 
bar iſt! Habt ihr bisher von ber Arbeit eurer SI 
gelebt, fo jollen von nun an zwey Hände mehr ı 
ein Mehreres zu erwerben ſich bemühen. 


Vater. Herzbaft gefprocden ! Laß fehen, ob es 
dein Ernft ſeß! — Wir hielten uns bis jegt eine Adr 
chinn; urſere auswartigen Geſchaͤfte beforgt ein Eleir 
ned armes, ganz’ verwaifeted Mädchen, vie und, als 
Parhe, und als unfere nächſte Muhme, anbeimfiel. 
Theile, liebe Mutter, von nun an die Arbeit der Küche 
mit unfrer neuen Hausgenoffinn,, fo haben. wir ſchon 
eine Erfparniß mehr, und für den Erwerb Deſſen, was 
ihr kochen follt , wird der Himmel und unfer Fleiß 
ſorgen. 

Bianca. Ich nehme euern “Borfchlag freudig 
an. — Nur, liebe Mutter, habt im Anfange ein we⸗ 
nig Geduld mir mir! Sch bin eine angehende Schüler 
sinn, amd Diefe fehlen 'oft Troß dem beften Willen. 
(Indem fie auf Donaventuri bild, und ſieht, daß er fih eine 
Shräne vom Kuge will, hineilend und ihn umarmend.) Weiche 
Iing!-was fehlt dir, da wir nun in Gicherheir find? 
Meg mit diefer und jeder folgenden Thräne! Damahls, 
als ich in die Gondel flieg, die ungen @Benchig ent⸗ 
fernte, oder ald ich in ſtaͤer Tddeſs auf fremdem 
Mücken fhwebte, da vergab ich ſie Maber jest?! — 
Heſorgſt du vielleicht, daß ih dir dann nicht reißend 
genug mehr fiheinen werde, wenn die Glaͤtte und Wei⸗ 
fie dieſer Hände fih von Eonne und Arbeit ein wenig 
mindern dürfte? 

Bonav. Verzeih dir der Himmel diefe Frage, 
die obnedem gewiß dein Mund nur fait! — O du, 
dann noch ſchön, wenn auch dein Kbrper zuſam⸗ 
menſchrumpfte, wie ein verwelkendes Blatt, wer uns 
ter den Menſchen verdient dich, Engel, zu befigen? 
Und welcher veracdhtete Sterbliche befigt dich? (Er eilt 
in Die nähe Kammer; fie ihm nad, ihn zu sröflen.) 











Bianca hielt treulih , was fie zugelagt ba 
Mit einem Eifer, ald wäre fie von Jugend auf 
Haushaͤlterinn erzogen worden, griff fie jede, fü 
die bärtefte Arbeit, glüdlich an, und ihre Scdwie 
mutter hatte öfter nöthig, ihr die Ruhe, als 
Gefchäft anzubefehlen. Oft, wenn -fie, müde ı 
der Laft des Tages, fih des Abends freundlih an 
Seite ihres Gatten fhmiegen wollte, fah fie den Ku 
mer in feinem Blicke, und zwang fi denn ;u dop 
ter Munterkeit und Stärke. Doc ihre Liit betrog 
nicht ; feine Ihräne träufelte oft heiß mitten im K 
fen auf ihre Wange, und als er einft fie üßerrafd 
wie ſie ihre in der Küche blutig gerigte Hand heim 
mit einem leinenen Tuche umwand, warfer fih, ı 
des bitterften Schmerzens, zu ihren Süßen nieder. 

„Wozu, rief er aus) wozu diefe himmliſche Gi 
„mit der du jede Schmach und jeden Unfall deiner 
„niedrigung mir zu verbergen ſuchſt? diejer Erniel 
„gung,. die ich Unglücklicher allein über dich brach 

„Glaubſt bu wohl, daß ich mich feldft minder mit U 
„würfen quäfe, weil bu dir dieſelben nicht laut erlauf 
„— Oder verklagt mid dein heimbicher Seuf, 
„verklagt mid) der Gram, den du lange in dir x 
„fchließeft, und den du nur dann lüfteſt, wenn du! 
„allein fichft, minder vor dem Richterſtuhl Sort 
„als eine öffentlich geweinte Thrane Dieß ıhun würd 

Bianca (ipn aufpedend.) Was fhwapeit du 
wieder? — Mein Theurer, welche finftere, grundl 
Borftellung quält did) % 

Bonav. Voritelung?! Iſt ed Vorftelung bI 
wann ich mit fihtlihen Augen den Schweiß ei 
Magd vom Angefiht eines Dame herabtraͤufeln fi 


die fonft zwanzig leibeigen⸗ Hände bedienten? Iſt es 
Vorſtellung bloß, wenn ich dieſes Blut von deiner 
Hand wegküſſe, die du in der niedrigſten Arbeit ver⸗ 
letzteſt? 

Bianca. Niedrig t Was nennſt du fo, lieber 
Bonaventuri? Iſt eine Arbeit niedrig, die zu unſerm 
Lebensunterhalt unumgänglich iſt, und edie fein Vor⸗ 
wurf det Gewiſſens vergällt? Iſt eine fürſtliche Mahl⸗ 
zeit ſüßer, als diejenige, die mein eigener Fleiß bes 
veitet, und zu welder mir Mühe und Bewegung eine 
reichliche Begierde erregt haben? Fehlt es einer treuen 
Sattinn an Vergnügen, wenn fie mit ihrem felbft ers. 
wählten Gemahl unter einem Dadye wohnt, an feinem 
Bufen ausruht, an feinen Bliden, Worten und Küfs 
fen ſich weidet? — Sieh, Sophift, Dieb ift mein 
Lost, und du murreft, da du dem Himmel danken ſoll⸗ 
teft? Ja, ja, du Lieber, ich will dir's nicht verhehlen, 
daß ic) diefe Hand mir bey der Arbeit blutig geriffen 
babe; und um gan; von meiner Au ichtigkeit übers 
zeugt zu ſeyn, fo wiſe es geſchah p einer Arbeit 
für did. | 
Bonav. Tür miht Ha, graufame Bianca, 
und du verbiethbeit mir, mich zu betrüben , mich 
ſelbſt deßhalb anzuklagen? 

Biansa.- Ya wohl verbiethe ich es dir. Füuͤhlſt 
du denn nicht, daß es ein Vergnuͤgen ſeyn müſſe, ſein 
Blut für Denjenigen zu vergteßen, den man liebt? 
Sen es nom fo wenig, fey es auf welche Art es wolle, 
ed bleibt doch eine gewiile füße Wolluſt, die Die mit 
taufend Freuden gemein har, daß fie ſich beffer e m⸗ 
pfinden, als ausdrücken laßt. 

Bonav. Liebe Schwärmerinn! . 


[| 


a 


Bianca. Nun wahrhaftig in diefem Pun 
brauchte ich mich wohl vor der Abrehnung mie 
kaum zu ſcheuen, ſo lange ich noch des Appennins -i 
meines damahligen Trägers gedenken werde. Laß | 
auch fhwärmen, Bonaventuri! Laß uns mis: dan 
rem Herzen des Himmels mildeftes Geſchenk, we 
felfeitig fih ergießende Liebe, genieß 
— (indem fie nad ber einen Gcke des Bimmmers blickt) 
Aber fieh da, faft hätte ich8 vergeflen, daß nach v 
brachter Arbeit es felhfi an Zeitvertreib mirn 

gericht. 

Bonav. An Zeisverereib? 

Bianca. Iſt diefe Laute hier Eeiner? Habe 
dir ſchon das neue Liedchen auf ihr vorgefpielt und x 
gefungen, Das überdieß wohl gar halb und halb me 
eigene Erfindung ſeyn dürfte? 

Bonav D weldest welches Ich beſchm 
dich, laß mich es hören! 

Bianca (die Laute nehmend.) So höre ed dei 
und laß Balfam für dein Herz ſeyn, was v 
feige Mißklang deinem Ohr ſeyn dürfte. — ı 
ſingt mit zärtlichſtem Blick auf Bonaventuri gerichtet: ) 


Was llagſt du, Mann, daß nicht fein Gold. 
Uns Indien und Peary zollt? 
Daß nimmer, von Gewinnſbeſchwert, 
Für und ein Schiff tur Fluthen führt? 
Daß mir im Haar nicht Perlen prangen, 
Woran die blut’gen Tropfen noch 
Des armen Negers bangen? 


Ma 


® 


May unfere Tafel Enapp und klein, 
Oft trocken unſer Becher ſeyn! 
Macht trocknes Brot und truben Moſt 
Die Liebe nicht zur Göoͤtterkoſt? 
Kann Armuth Seu:zer dir erzwingen 
Menn, Ranten glei, ſich feſt um dich 
Der Sattinn Arme ſchlingen? 


Laß ſeyn, daß unſere Lagerſtatt 

Kein Pfühl von Eiderdunen hat! 

Daß uns, ſtatt füßer Melodey, | 

Bor Morgen wet des Hahns Geſchrey! 
Wohl und, wenn nie im ernften Grimme/ 

Wie den Tyrann, Ttog Kiön’ und Wach', 
Schreckt des Gewiſſens Stimme! 


Blick ber ins Auge, ſonnenhell! 
Noch ward ed keiner Tpröne Quell; 
Noch hob rein liebevolles Herz 
Die Reue mi mit bitterm Schmerz; 
Noch ſchaut' ich auf verlaſſ'nes Gluͤck/ 
Auf Überfluß, auf Rang’ und Pracht/ 
Mit keinem trüben Blick, 


Denn du mein Stolz, mein Glück and Ruhm/ 
Gabft mir bein Herz zum Eigenthum; 
Gabſt zu der Treue fiherm Pfand 
Mir Wort und Schwur und Ring und Hand. — 
Sm deutfchen und im welfchen Reiche, 
Wo nun der Kaifer? wo der Fürſt, 
Der mir an Hoheit gleiche ? 


eltzners Bianca Gap. 1. Tbl. G 


4 


(Sie legt Hey dieſen Ichten Worten die Laute weg, und 
arme ihn.) . 

Bonav. (außer ih.) D daß fein Engel jetzt 
fähet Neid Über meine Seligkeit Eönnte fonft 1 
aus ihm einen Abgefallenen mehr maben. — &ı 
deined Geſchlechts! aud mit mir kann der Beherrf 
von Indoftan felbft ji nicht an Reichthum meſſen 

Bianca. Schmeichler, lieber Schmeich 
(Man Hört ein Geräufh von fern; Bianca eilt and Fent 
Aber was ift das für ein Getümmel bes Volks 
der Straße? Was foll der Sreudenruf der Menge 
deuten ? 

Bonadv. (der auch and denſter geht.) Nichts n 
und nichts minder, als daß unſer Großherzog hier | 
bey reiten wird. 

Bianca. Der Großherzog?! -— Noch habe 
ihn nie gefehen. — (Dura den Vorhang biidend.) | 
fhöner Here! Seine Miene verräth Hoheit 
Seele. 

Bonav. Und doch verraͤth fie ſicher nochen 
dad Drittheil von Derjenigen, die er wirklich beſ 
Sein edles Herz würde ihn auch im tiefiten ta 

eben fo über alle Slorensiner erheben, als ed jeßt St 
und Geburt thun. 

Bianca. Der verzweifelte Vorhang! Ich ke 
feinethalben dieſen gerühmten Zürften nidt fo ganz 
kennen, wie id wohl wünſchte. 

Bonav, (fpätteind.) Eine wichtige Unannebmt 
keit, die du mit einem einzigen Zinger aus dem W 
räumen kannſt. 

Bianca (Gqerzend.) Meinft du? Hab ih te 
Erlaubniß dazu (Gie öffnet ein wenig Genfer und Vortza⸗ 


— 99 em ' 
Bonav. Sieh einmahl, er biidt herauf! 7 
Jetzt wieder! — Ha, Bianca, lafeit du nicht in feines 
Miene den Gedanken: beym Himmel! ein reizendes .. 
Wen: 
Bianca (tadend.) Nein, wahrhaftig, Das las 
ich nie! Glaubſt du denn, daß alle Männer fo ſchlecht 


ſehen, und fo übel wählen, wie bu? (Der Broßberzog * 


ſieht IH no ein Mahl um ; Bianca läßt den Vorhang 
fallen.) 
Bonap. Lagen.) Kommt es nit auf meine" 
Meder — Sah er fih nicht noch ein Mahl nach die 
um? — Weibchen, Weibchen, daß ih nicht eiferſuͤch⸗ 
tig werde! | 

Bianca. Hahaha! Eiferfügeigt Und auf wen ? 
Man darf freylih euch Männern jede Ungerechtigkeit 
zutrauen ; doch diefe hier wäre beynahe allzu groß, 
als auch nur glaublich zu feyn.- 


, 





Läachelnd eilte Bianca bey bdiefen Worten vom 
Fenſter hinweg, und ſchritt wieder zu irgend einer, » 
fhon auf fie wartenden, häuslichen Arbeit. Daß es 
Bonaventuri mit feiner angedrohten Eiferfucht Eein 
Ernft war, ergibt ſich von felbft. Denn er war nur zu 
überzeugt von Bianca's Tugend, von ihrer Eingezo« 
genheit, von ihrer Unbelanntfhaft mit dem gans 
zen Übrigen Florenz. Auch war der Vorfall, daß ein 
junger Fürſt nach einem weiblichen Gefiht am Fenfter 
ſich umfhaut, fo unbedeutend ;. Pietro hatte denfelben 
am nächften Morgen bereits ganz; vergeſſen. | 

Gleichwohl — da das Glüuͤck ſchon oft das Schick⸗ 
fal ganzer Staaten an einen Männerbli, oder ein 
-&3. 


vo. 100 vw 


Meiberfächeln, an einen Seuerfunfen, oder ein S« 
torn band, — gleichwohl ſchien auch jetzt eine fei 
Sefttags » Launen fih ind Epiel zu mifhen; und 
gefüfteter Vorhang ſollte in Bianca's Leben faft m 
nod als jene zugeworfene Hausthür bewirken. | 

Stanziscus, Großherzog von Florenz, der Alt 
Sohn bes berühmten Cosmus I. war nit nur ei 
der ſchoͤnſten, reichten, mädtigften Fürſten, die 
. mohls das Zepter Über Toskana geführt, fordern a 
"mit Geiftegaben fo mild, wie mit Glücksgütern a 
geſtattet. Das Erbtheil ded medicäifhen Haufes, { 
be zu Künften und Wiffenfhaften, war ihm reich 
zugefallen. Seine Hauptftadt zu verfchönern, fe 
GStaaten zu bereichern, feine Unterthanen zu beglück 
war fein fehnliher Wunſch, der — nicht bloß Wur 
blieb. Wiewohl gerave damahls Zeiten einzulen 
begannen, die dem Flor des florentinifhen Hand 
mit Verminderung, — mo nicht gar mit Verwel 
drohten; wiewohl Spaniens finkender Wopfftand, H 
Yands fteigende Größe auch aufs mittelläntifche M 
wirkten — bennod) erhielt Franzens Boftreben das 
terländifche Gewerbe beym bisherigen Gedeihen. W 
Senkte er die Zügel der Regierung. Durch Ger: 
tigkeit ſchreckte er den Frevler, befeligte durch Mi 
den Biedermann. Glänzend war er bey feinen Feſt 
sund um fi ber ſuchte er Heiterkeit zu verbreit 
und — befaß fie doch felbft nıhe ganz; wenigfteng 
nicht, wie er fie derdiente. 

Denn dieſer gefühlvolle, jedem zärtlichen Einb: 
offene Prinz haste als Jünglıng ſchon eın Opfer bi 
gen müſſen, das beym Zurftenrange ſich — gemöhn 
Gndes; haste fi nicht verheiracher, fondern war : 


"we LOL mw 


werbeirathet worden. Johanna von Oſterreich „Maxil⸗ 
milians U. Schweſter, arm an Eörperliher Schönheit, 
und noch ärmer an jener Anmuth, die nicht ſelten den 
Abgang der Schönheit erſetzt, ja zuweilen wohl gar 
mir Wucherzins vergüset , harte aus Waters Willkür 
feine Hand empfangen; feines Herzens fi) zu bemeis 
ftern war ihr unmöglich. Der verbandelte Prinz ere 
bedte heimlich, alder zum erſten Mahl die ihm beſtimm⸗ 
te Gemahlinn erblidte, und fie fo — reizlos fand. 
Noch ahndete er nicht, was er bald nur zu genau ers 
fuhr, daß diefer äußerlihe Mangel ihr Fleinfter Fehler 
fey. Pfaͤffiſche Erziehung batte fie zur Andachteley, 
die zwangvolle Sitte ihres väterlichen Hofes zum 
Stolz, oder wenigftend zum Anſchein deſſelben geleitet. 
Die Kaiſerstochter giaubte: der Großherzog muͤſſe ſich 
durch Ehe mit ihr überfhwenglich geehrt finden; ihre 
Eiferfuht war ohne Maß und Ziel. Jede noch fo eis 
ne Schadloshaltung fhien ihr eine Verlegung. der ehe⸗ 
lichen Pflicht zu feyn. Sie fhmollte und Flagte dann, 
bald bey ihrem Schwiegervater, fo fange er nach lebte, 
bald bey ihrem Bruder, Daß fie Dieß nicht beliebter 
machen Eonnte, erräth jeder. Franz entfrempete fein Herz 
taͤglich mehr von ihr. Eine bängliche Leere herrſchte in 
feiner Seele. Er hatte fie einige Mahl ſchon an feinem 
Hofe auszufüllen gefuht, und — nicht vdrmodt. Man 
teug ihm manches Herz entgegen, was doch nicht ein 
Herz für ihn war. Die Schelſucht Johanna's vers 
bannte überbieß aus bem Zirkel ihre Umgangs jeben 
Reiz weıt hinweg, der ihr gefährlich bünkte. -. 
Sept traf ein ungefährer Blick des Fürften auf 
Bianca’s Blick; und ſchneller fliege kaum der Lichte 
ſtrahl duch unermeßliche Räume, als die Liebe mir 


wu. 102 rem 
diefem einzigen Blick fih in fein Herz ergoß. 9 
daͤucht' ihm, babe er ein Geficht erblickt, das an Sc 
heit mit dieſer Unbekannten ſich vergleihen dürfe. Se 
Hand erbebte am Zügel des Pferdes; die G 
entſank aus feiner Rechten; des Eeiniten Seitenfpr 
ges von feinem Roſſe hürte es bedurft, fo wäre 
feibit bügel = und fatrelios geiworden. Er zauderte, 
fih noch zehn Mahl um; watd roth; jegt bloß, | 
wieder roth; fab auf der Jagd, zu welcher. er ritr, 
die er fonft faft leidenſchaftlich liebte , weber Fußſteigr 


Graben, weder Baum noch Wild; vermochte es ul 


haupt kaum einige Stunden dabey auszuhalten; | 
eilte dann, mit verhängtem Zügel, nah Klon 
zurück. 

Sein Rückweg trug ihn auch jetzt natürlicher. W 
wieder bey Bianca's Wohnung vorüber; er ſah 
nicht. — Sein Pferd, mit Abſicht von ihm, ſelbſt 
reizt, baͤumte; faſt alle Bewohner und Bewohne: 
nen diejer Straße eilten, bey dem Oetöfe, neugie 
an das Fenſter, und blickten beſorgt auf ihn berg 
nur Bianca fam nicht; nur fie, die Einzige nicht ,, 
deren Fenſter er hinauf fhaute. Er ſah fi aberma 
wobl jehs Mahl um, und alle ſechs Mahl vergebe 
Verdrießlich Fam er in feinem Pallaft an; begab - 
einfam in fein. Gemach; erſchien fpat bey der Taf 
war einſylbig, ja faft ſtumm, fegte einige Tage 5 
durch Alle Morgen feinen Jagd⸗ Ausritt fort, und k 
fters nochwerbrießliher heim. Die Veränderung feiı 
Gemüths war augenfheinlihd genug, um felbft x 
feinen niedrigften Bedienten bemerkt zu werden. A 
ihm fehlen könne, war Allen unbegreiflich. 


‘ ma 103 oa 9, 

Einer feiner erften Höflinge hieß Mondragone. 
Bon Geburt ein Epanier, war er doch feit vier oder 
fünf und zwanzig Zahren fhon in Slorenz einheimiſch 
geworden; hatte felbft an der. Erziehung des Prinzen 
und feines Bruders, Serdinand, — damahligen Cars 
dınal von Mebdicis, vielen Antheil, obſchon herzlich 
wenig Verdienft gehabt. Denn er gehörte zu jener 
zabllofen Claſſe von Hofſchranzen, die zuerft an ihren 
Fürſten und nurjezumweilen — wenn eds donnert, 
oder wenn fie erfranken, oder auch wenn ihr An⸗ 
febn wantt, — an eine Gottheit glauben. An 
ibm hatte ed wahrlich nicht gelegen: daß Großherzog 
Franz nit ein Stiefvater feines Yandes ward; denn’ 
jeder Puit des Zünglings hatte er gewillfahrt, mandye 
Begierten in ihm gewedt. Ein anfehnlihes Amt und 
ein beträchtliches Zahrgeld war fein Lohn geworden. 

Männern diefer Art, welchen ein durchlauchtiges 
Lächeln mehr als die zehn Gebothe, ein. heimliches Wort, 
von ihrem Regenten zugeflüftert,, mehr, als die ganze 
Neligion,, und ein Schritt höher im fürftlihen Vers 
trauen mehr als Zreu und Menſchlichkeit gilt, — 
Männern diefer Art, .wenn ‚fe eınmahl den fchlüpfris 
nen Poften des Günftlings errungen haben iſt nichts 
peinlicher, als wenn fie bey ihrem Gebiether irgend ein 
Geheimniß zwar wittern, doch nihe.errathen 
Eonnen. Mondragone befchloß daher auch das Ge⸗ 
genwärtige auszufpöpen ; befchloß, Franzen ins Her; zu 
ſchauen, es möge Eoften, was ba wolle. _ 

„Haben Eure Durchlaucht ((fragte er ihn eines Tas 
ges glei trüb nad) den erfen Eintrittöcomplimenten.) „ſchon 
„Ddas neue Singſpiel geſehen, das ber iunge neapoli⸗ 

„tanifhe Tonkünſtler geſetzt hat?” 


Bianca Nun wahrhaftig in diefem Pun 
brauchte ich mich wohl vor der Abrechnung mit 
kaum zu fheuen, fo lange ich noch des Appennins r 
meines damahligen Trägers gedenken werde. Laß ı 
auch fhwärmen, Bonaventuri! Laß uns mis: danf 
rem Herzen ded Himmels mildeftes Geſchenk, we 
felfeitig fih ergießende Liebe, genieß 
— (indem fie nach ber einen Gde des Bimmers biide:) 
Aber fieh da, faft hätte ich$ vergeflen, daß nah vı 
bradhter Arbeit es felbfi an Zeitvertreib mir mi 

gebridht. 

Bonav. An Zeisverereib? 

Bianca. Iſt diefe Laute bier Feiner? Habe 
dir ſchon das neue Liedchen auf ihr vorgefpielt und v 
gefungen, das überdieß wohl gar halb und halb me 
eigene Erfindung feyn durfte! ‘ 

Bonav O weldest welches Ich beſchw 
dich, laß mich es hören! 

Bianca lie Laute nehmen.) So höre eö der 
und laß Balfam für dein Herz ſeyn, was v 
feige Mißklang deinem Ohr ſeyn dürfte. — ı 
ſingt mit zärtlichſtem Blick auf Bonaventuri gerichtet: ) 


Was klagſt du, Mann, daß nicht fein Gold. 
Uns Judien und Perg zollt? . 
Daß nimmer, von Gewinn befchwert, 
Zür und ein Schiff durch Fluthen führt? 
Daß mir im Haar nicht Perlen prangen, 
Moran die blutigen Tropfen noch 
Des armen Negers bangen 9 


M a. 


® 


Mag unfere Tafel Enapp und klein, 
Oft trocken unſer Becher ſeyn! 
Macht trocknes Bros und trüben Moſt 
Die Lebe nicht zur Götfertoit! 
Kann Armuth Seutzer dir erzwingen; 
Menn, Ranten gleich, fi feft um dig 
Der Öattinn Arme ſchlingen? 


Laß ſeyn, daß finfere Lagerſtatt 

Kein Pfühl von Eiderdunen hat! 

Daß uns, ftatt füßer Melodey, | 

Bor Mörgen weckt des Hahns Geſchrey! 
Wohl uns, wenn nie im ernſten Grimme/ 

Wie den Tyrann, Tiog Kroͤn' und Wach', 
Schreckt des Gewiſſens Stimme! 


.. Blick her ins Auge, ſonnenbell! 
Noch ward ed Eeinet Tpröne Quell; 
Hoch hob mein liebevolles Herz 
Die Reüe nie mit bitterm Schmerz 3 
Noch ſchaut' ich auf verlaſſ'nes Gluͤck/ 
Auf Überfluß, auf Rang’ und Pracht/ 
Mir Eeinem trüben Slid, 


Denn du mein Stolz, mein Süd and Ruhm/ 
Gabſt mir bein Herz zum Eigenthum ; 
Gabſt zu der Treue ſicherm Pfand 
Mir Wort und Schwur und Ring und Hand. — 
Im deutfchen und im welfchen Reiche, 
Wo nun der Kaifer? wo der Fuͤrſt, 
Der mir an Hoheit gleiche ? 


reitet Bianca Gap. 1. Tbl. G 


4 


(Sie legt Hey dieſen Ichten Worten die Laute weg, und 

armt ihn.) . 

Bonav. (außer ib.) O daß fein Engel jegt ı 
fähet Neid Über meine Zefigkeit könnte fonft 1. 
aus ihm einen Abgefallenen mehr machen. — Ki 
deines Geſchlechts! auch mit mir kann der Beherrf 
von Indoſtan ſelbſt ſich nicht an Reichthum meſſen 

Bianca. Scheichler, lieber Schmeich! 
(Man hoͤrt ein Geräuſch von fern; Bianca eilt and Zenf 
Aber was ift das für ein Getümmel bes Volks 
der Straße? Was fol der Greudenruf der Menge 
deuten? | 

Bonadv. (der auch and Zenſter geht.) Nichts m 
und nichts minder, als daß unfer Großherzog hier ı 
bey reiten wird. 

Bianca. Der Großherzog?! -— Noch habe 
ihn nie gefehen. — (Durh den Vorhang blidend.) | 
fhöner Here! Seine Miene verräth Hoheit 
Seele. 

Bonav. Und doch verraͤth fie ſicher nochen 
das Drittheil von Derjenigen, die er wirklich bef 
Sein edles Herz würde ihn auch im tiefiten Sta 
eben fo über alle Zlorensiner erheben, als ed’ jetzt &r, 
und Geburt thun. 

Bianca. Der verzweifelte Vorhang! Ich Ec 
feinethalben dieſen gerühmten Zürften nicht fo ganz 
Eennen, wie id wohl wünſchte. 

Bonav. (fpötteind., Eine wichtige Unannehmt 
Beit, die du mit einem einzigen Finger aus dem W 
räumen kannſt. | 

Bianca (GEqerzend. Meinit du? Hab ich te 
Erlaubniß dazu (Gie Iffnet ein wenig Fentter und Goran 


on 99 re 
Bonav. Sieh einmahl, er blickt herauf! — 
Lebt wieder! — Ha, Bianca, lafeit du nicht in ferner 
Miene den Gedanfen: beym Himmel! ein reizendes 
Wen: | 
Bianca (achend.) Nein, wahrhaftig, Das las 
ih nicht! Glaubſt du denn, daß alle Dränner fo ſchlecht 


fehen, und fo übel wählen, wie du? (Der Großberzeg 


ſieht ſich no ein Mahl um ; Bianca läßt ben Vorhang 
fallen.) | 
Bonap. (aqend.) Kommt es nicht auf meine" 
Meder — Sah er ſich nicht noch ein Mahl nach die 
um? — Weibchen, Weibchen, daß ih nit eiferfücr 
tig werde! 

Bianca. Hahaha! Eiferfügtigt Und auf wen ? 
Man darf freylich euh Männern jede Ungerechtigkeit 
zuteauen ; doch diefe hier wäre beynahe allzu groß, 
als auch nur glaublich zu feyn.- 


— 


Laͤchelnd eilte Bianca bey dieſen Worten vom 
Fenſter hinweg, und ſchritt wieder zu irgend einer, n 
fhon auf fie wartenden, häuslichen Arbeit. Daß es 
Bonaventuri mit feiner angebrobten Eiferfucht Eein 
Ernft war, ergibt ſich von felbft. Denn er war nur zu 
überzeugt von Bianca’d Tugend, von ihrer Eingezo⸗ 
genheit, von ihrer Unbekanntfhaft mit dem gan⸗ 
zen Übrigen Florenz. Auch war der Vorfall, daß ein 
junger Zürft nach einem weiblihen Geſicht am Fenfter 
ſich umfhaut, fo unbebeutend ;. Pietro hatte denfelben 
am naͤchſten Morgen bereits ganz vergeffen. 

Gleichwohl — da das Glüuͤck ſchon oft das Schick⸗ 
fal ganzes Staaten an einen Männerblid, oder ein 


3. 


vo. 100 vw 


Weiberlaͤcheln, an einen Seuerfunfen, oder ein &a 
korn band, — gleichwohl ſchien auch jest eine fei 
Sefttags : Launen fih ind Epiel zu miſchen; und 
gefüfteter Vorhang ſollte in Bianca's Leben faft m 
nod als jene zugeworfene Hausthür bewirken. 

Sranziscus, Großherzog von Zlorenz, der Alt 
Sohn des berühnen Cosmus I. war nit nur ei 
ber ſchoͤnſten, reichſten, mädtigften Zürften, die 
mahls das Zepter über Toskana geführt, fondern a 
mit Geiftetgaben fo mild, wie mit Glücksgütern a 
geftattet. Das Erbtheil ded medicäifhen Haufe, | 
be zu Künften und Wiffenfhaften, war ihm reich 
zugefallen. Seine Hauptftadt zu verfhönern, fe 
GStaaten zu bereichern, feine Unterthanen zu beglück 
war fein fehnliher Wunfh, der — nicht bloß Wur 
blieb. Wiewohl gerade damahls Zeiten einzulen 
begannen, die dem Flor des florentinifhen Hank 
mit Verminderung, — mo nicht gar mit Verwel 
drobten; wiewohl Spaniens finfender Wopfftand, H 
Yands fteigende Größe auch aufs mittellaͤndiſche M 
wirkten — dennoch erhielt Franzens Beſtreben das 
terländifche Gewerbe beym bisherigen Gedeihen. WB. 
Senkre er die Zügel der Regierung. Dur Gere 
tigkeit fchrecfte ex den Frevler, befeligte durch Mi 
den Biedermann. Ölanzend war er bey feinen Feſt 
rund um fih ber fuchte er Heiterkeit zu verbreit 
und — befaß fie doch felbft nihe ganz; wenigfteng 
nicht, wie er fie derdiente. 

Denn dieſer gerühlvolle, jedem zärtlichen Einda 
offene Prinz hatte als Jünglıng fon eın Opfer bi 
gen müjlen, das beym Zurftenrange ſich — gewoͤhn 
Gndes; hatte fi nicht verheiracher, fondern war : 


we LOL mus 


werbeirathet worden. Johanna von Oſterreich „Maxi⸗ 
milians 11. Schweſter, arm an Eörperliher Schönheit, 
und noch ärmer an jener Anmuth, die nicht felten den 
Abgang der Schönheit erfegt, ja zuweilen wohl gar 
mit Wucherzins vergüset , harte aus Waters Willkür 
feine Hand empfangen; feines Herzens fi) zu bemeis 
ftern war ihr unmöglich. Der verbandelte Prinz ere 
bedte heimlich, alder zum erſten Mahl die ihm beftimms 
te Gemahlinn erblidte, und fie fo — reizlos fand. 
Noch ahndete er nicht, was er bald nur zu genau ers 
fuhr, daß diefer äußerlihe Mangel ihr Fleinfter Fehler 
fey. Pfäffifhe Erziehung hatte fie zur Andachteley, 
die zwangvolle Bitte ihres väterlichen Hofes zum 
Stolz, oder wenigftend zum Anſchein deſſelben geleitet. 
Die Kaiſerstochter giaubte: der Großherzog muͤſſe ſich 
durch Ehe mit ihr überfhwenglich geehrt finden; ihre 
Eiferfuht war ohne Maß und Ziel. Jede noch fo Eleis 
ne Schadloshaltung fhien ihr eine Verlegung. der ehe⸗ 
lichen Pflicht zu feyn. Sie fhmollte und klagte bann, 
bald bey ihrem Schwiegervater, fo lange er noch lebte, 
Bald bey ihrem Bruder, Daß fie Dieß nicht beliebter 
machen Eonnte, ercäth jeder. Franz entfrempete fein Herz 
sägli mehr von ihr. Eine bängliche Leere herrfchte in 
feiner Seele. Er hatte fie einige Mahl fchon an feinem 
Hofe auszufüllen gefucht, und — nicht vͤrmocht. Man 
trug ihm manches Merz entgegen, was doch nicht eim 
Herz für ihn war. Die Schelſucht Johanna's ver⸗ 
bannte überdieß aus dem Zirkel ihres Umgangs jeden 
Heiz weit hinweg, der ihe gefaͤhrlich dünkte. 
Sept traf ein ungefährer Blick des Fürſten auf 
Bianca's Blick; und fihneller fliege Kaum der Licht 
ſtrahl durch unermeßlihe Räume, als die Liebe mis 


wur. 102 rem 

biefem einzigen Blick fih in fein Herz ergoß. 

daͤucht' ihm, babe er ein Geficht erblickt, das an E 
beit mit diefer Unbekannten fih vergleichen dürfe. € 
Hand "erbebte am Zügel des Pferdes ; die ı 
'entfanE aus feiner Rechten; bes Eleinften Geitenfi 
ges von feinem Roſſe hätte es bedurft, fo wä 
ſelbſt bügels und fatteioß ‚geworden. Er zaubert: 
fih nody zehn Mahl um; watd roth; jegt blaß, 
wieder roth; fab auf der Jagd, zu welcher. er ritr 
die er fonft faft leidenſchaftlich liebte, weder Fußſtei, 


Graben, weder Baum noch Wild; vermochte es 


baupt kaum einige Stunden dabey auszuhalten ; 
eilte dann, mit verhängtem Zügel, nad 1 
jurü. 

Sein Rückweg trug ihn auch jetzt natürlicher $ 
wieber bey Bianca's Wohnung vorüber; er. fe 
nicht. — Sein Pferd, mit Abfiht von ihm, ſelb 
reizt, baͤumte; faſt alle Bewohner und Vewohꝛ 
nen dieſer Straße eilten, bey dem Getöoſe, NEU 
an das Fenſter, und blickten beforgt auf ihn be 
nur Bianca kam nit; nur fie, die Einzige nicht 
deren Fenſter er hinauf fhaute. Er fab fi abern 
wohl jehs Mahl um, und alle ſechs Mahl verge 
Verdrießlich Eam er in feinem Pallaſt an; begat 
einfan in fein. Gemach; erfchien fpat bey der 2 
war einſylbig, ja faft ſtumm, feßte einige Tage 
durch alle Morgen feinen Jagd » Ausritt fort, und 
fters noch werbrießlicher heim. Die Veränderung | 
Gemüths war augenfheinlihd genug, um felbft 
feinen niedrigften Bedienten bemerkt zu werden. 
ihm fehlen könne, war Allen unbegreiflich. 


. r > 


[4 


4 ma 103 - , 


Einer feiner erften Höflinge hieß Mondragone. 
Bon Geburt ein Epanier, war er doch feit vier oder 
fünf und zwanzig Jahren fhon in Florenz einheimiſch 
geworden ; hatte felbft an der. Erziehung des Prinzen 
und feines Bruders, Ferdinand, — damahligen Cars ' 
dinal von Medicis, vielen Antheil, obſchon herzlich 
wenig Verdienſt gehabt. Denn er gehörte zu jener 
zahllofen Claſſe von Hoffchranzen , die zuerft an ihren 
Fürſten und nurjezumweilen — wenn es dbonnert, 
oder wenn fie erfranfen, oder auch wenn ihr Ans 
fehn wantt, — an eine Gottheit glauben. An 
ibm hatte es wahrlih nicht gelegen: daß Großherzog 
Franz nicht ein Stiefvater feines dandes ward; denn’ 
jeder Luſt des Jünglings hatte er gewillfahrt, manche 
Begierden in ihm geweckt. Ein anſehnliches Amt und 
ein detraͤchtliches Jahrgeld war ſein Lohn geworden. 

Maͤnnern dieſer Art, welchen ein durchlauchtiges 
Lächeln mehr als die zehn Gebothe, ein heimliches Wort, 
von ihrem Regenten zugeflüftert,, mehr. als die ganze 
Religion, und ein Schritt höher im fürftlihen Ver⸗ 
trauen mehr als Treu und Menſchlichkeit gilt, — 
Männern diefer Art, wenn fe eınmahl den fchlüpfri⸗ 
nen Poften des Günftlings errungen haben, ift nichts 
peinlucher, ald wenn fie bey ihrem Gebiether irgend ein 
Geheimniß zwar wittern, doch nicht errathen 
können. Mondragone beſchloß daher auch das Ge⸗ 
genwaͤrtige ausjufpöhen ; beſchloß, Franzen ins Herz zu 
ſchauen, es möge koſten, was da wolle. 

„Haben Eure Durchlaucht ((fragte er ihn eines Ta⸗ 
geb gleich früb nach den erſt en intrittöcomplimenten.) „ſchon 
„das neue Singſpiel geſehen, das ber junge neapoli⸗ 

„tanifhe Tonkünftler gefept hat?” \ 


— 104 

Bro6h. (etwas verdrießlich.) > Wi bu auch ſo 
gen kannſt? Du biſt ja überall, wo ich bin ; wann fi 
‚ich's gefeben haben ? 

Monde. Man rühmt es mir, als vortreff 
. Eine fo fröbliche, ſchöne Muſik und fo zärtliche A 
ſou man nirgends kennen. Auch bie Fabel ſelbſt 
gut verflochten und gut gelöst feyn. 

| Großh. (gleichgũitig.) So! 

Mondr..Die Hoffanger find ſchon ſeit vorgeſt 
mit Erlernung deffelben fertig. Befehlen Eure Du 
laucht es heute zu ſehen? 

—Großh. Nein, gewiß nicht. Froͤhliche Mu 
und meine Laune! Soll Jene durch Dieſe traurig, © 
Diefe tur Jene heiter werden? 

”  Mondr. Hoffentlich das Letztere. 

&rofb. Eine fehr eitle Hoffnung! Völlig 
naͤhmliche Plan, als wenn du den Paufenfgall | 
einer Flöte überräuben wollteft. 

Mondr. Der Kaufmann, ber das Bild von] 
chael Angelo zu ſchaffen verſprach, ift wieder ba, a 
bat Wort gehalten. Alles Lob veriiummt,'wenn u 
es ſieht! Man fpricht lieber nichts, weil man fäb 
fi) tod nicht genug darüber ausipreben ;u köonn 
Die Miene in Lucretia’s Geiiht, dad Warme u 
Werde ihres Fleiſches, die Schenheie ihred Buſen 
dus Edle ın ihren ;urüdfullenten Gewändern ift 

zausernd. Man wünſcht ſich Zereus Tarquinius 

ſeyn „und wenn man aruich ein Königreich darüber verls 

Großeh. Man tel’ es in die Gallerie! 

Moendr. Und der Englänter, den Eure Dur 
laucht neulich ſahen und zu reiten wilnfhten , it mn 


won 305 um 


ausgeforfht und feil gemacht. — Sqhoner, als er, 
war nie ein Pferd; fen — — 

Grofih. (ungeduldig.) Mondragons! Soll ih es 
noch ein Mahl ſagen, daß meine beutige Laune traurig 
iſt, und traurig ſeyn will! Du verlſuchſt umſonſt 
j de Neuigkeit auszukramen, die mich ſonſt zerſtreuen 
konnte; denn ſo uſt iſt wicht jetzt! — Blick in mein 
Herz! lies in ihm, und dann! 

Monde. Wie gern Iäff ich dariu, um ju ra⸗ 
then, und vielleicht zu helfen, wenn ich anders dürfte: 
und Eönnte! Aber wer vermages, in einen verſchloſſe⸗ 
nen Schrank zu hiden? 

Großh. (aitter lächeind.) Auch dann nicht, armer 
angeblicher Menſchenkenner, wenn bfoß eine gläſerne 
Thür ihn verwahrt? — Mondragone, man bedarf ja 
wohl, dädre ich, keiner ſibylliniſchen Bücher, um den 
Sram zu erraten, der an meinem Herzen nagt! — 
Herr über ein glückliches, zahlreiches Volk, hin ich viele 
leihe der einzige Unglückliche, wenigftend ganz gewiß 
der Unglückli vſte dieſes Volks. Wie mander unter 
Deuen, die meing Pferde fürtern, meine Zimmer faus- 
bern, ruht, wenn die Stunden ber Arbeit dahin find, 
‘au dem Buſen eined Weibes aus, das er liebt, das 

ihn beſeligt; indeß ich ſeufzend wache, durch Staats⸗ 
feſſeln an eine Gemahlinn geſchmiedet, die mich haßt 
und qualt. 

Monde. Eure Durchlaucht! 

Großh. {ver gleich wieder einfäut, mb ihn mit Wärme 
Ben der Hand faßt.) Mondragone , du kennſt es ja ohnes 
dem, diefes unruhig fhlagende Harz! Du haft ed ja 
fon ſeit den Jahren beobachtet, wo nod ein recht 

hocfliegender Ball mein erſter Wunſch, und eine neue, 


— 1006 — 


wit Brillanten beſetzte Hutſchleife mein Glück w 
Du weißt es ja, wie zeitig Liebe mein ſtärkſtes X 
türfniß ausmachte, und du fragfi noeh, warum 
jegt mich grame ? 

onde. Aber wie in aller Welt ift es möglich, d 
diefes Bedürfniß ſtets, oder auch fo lange nur 
nem Prinzen ungewahrt bleiben kann, den, als Ki 
ftien, Alle anbethen; als Menſchen Alle fchögen, u 
als Mann alle Weiber lieben müffen ? Warum , 
Prinz , wollen Sie, erbaben über alle menfhli 
Geſetze, doch fo ängftlid fireng an menſchlichen S 
bräuchen Hangen?— Sind der Schönen nit gen 
am Hofe zu Florenz, die deym erften Winfe ihre: 
Gebiether in die Arme ſinken, und burd die fröhli 
ften Nächte der Liede ihm die wenigen traurigen Sta 
den ter Ehe verguren würden? — Friſchen Mut ; 
faßt, Eure Durthlaucht! Dem Sram nahbhänge 
heißt ihn veritarken. Wer hat jemahls die-Mit 
zu feinem Glück in Händen, wenn fie ein Fürſt ni 
biste? — Geben Sie mir Befehl, geben Eie mir 
nen einzigen Wink, und ih will Damen In Ahr E 
mach führen, bey deren Reizen ber Neid felbit ſchw 
gend erblajfen, und in deren Armen. fih Ihr glühe 
der Durit nach Liebe und Schönheit gewiß reichlich | 
friedigt finden fall. 

Großh. Id danke bir, Mondragone, für d 
nen Eifer, aber ich bedarf deinee Auswahl nicht. 
D ich ſelbſt, ich felbft habe fie gefunden; nach dei 
Liebe ich fo heiß verlange, als der geiagte Hirſch n 
einem ruhigen Didicht. 

Monde. (verwüunderungdvok;) Bi, „Eure Dut 
laucht? — Sochon gefunden?! Fürwahr, ih erſtau 


on 107 . 

„Großh. Ja, ja, fage ich dir, ‚ich babe fie ger 
funden, nad der ic) fo Heiß glühe, als ich noch nie: 
mahls glühte. — Was ftaunft du fo ftarr darüber? 
(gleihfam heteidigt.) Sol ich vielleicht ſtets durch frem- 


de Augen ſehen und wählen! Soll ich eben fo vorten . 


Altären der Liebe handeln , als ich es leider, . ewig 

leider.! vor dem Altar der Ehe thun mußte! — Hat 
denn ein Zürft gar Eein Herz, das ihr Grauſamen, 
die ihr feine Füße zu küſſen fheint, und von feine 


Beute lebt, immer fo über ihn fchalten wolk, als 


wäre er das DOpfertbier , das ihr jegt mit Blumen 
ſchmücken, jetzt ſchlachten, und jest nad Ägypterfitte 
wieder göttlich verehren könnt? — Ha! bey Gott! 
Thiere felbft haben: ja die Freyheit zu kieſen und zu ver⸗ 
werfen; und pur wir? — — 

Mondr. Eure Durchlaucht erhitzen ſich ohne 
Grund; Sie zürnen, obne daß ich den geringſten 
Stoff zu ikgend einem Unwillen geben wollte. Wer 
zweifelt wohl, daß Sie eben fo unbeſchraͤnkt Herr über 
Ihr Herz, ald über unſer Aller Leben ind!— 


Nicht darüber alfo flaunte ich vorbin, dag Sie Jenes 


verfchenkten ; fondern nur, tafı Sie ſo unbemerkt es 


thaten; daß man die edle Dame noch nicht einmahl 


kennt, der dieſes Glück widerfuhr. 

Groß h. (eerdrießlich.) Edle ! Edle Dame ? Warum 
ſchen wieder eine Edfe? ' 

Monde. Am Reizund Seele meine ich. 

Greßh.-Und dann, o fa, dann haft du recht! 
dann ift fie die Perle in Florenz, gegen beren Rei; 
dieſes ganze fhöne, große, reiche Lund mir nur eine 


bleyerne Einfoffung zu feyn duͤnkt. — Die ganze Dauer, 


in der ich ſie ſah, war zwar nur die. Dauer eines Au⸗ 


? 


RIO 10B ua L 


genblidd; aber, guter Himmel, welch' eines Aug 
biides! — So ein Angefidht voll Würde, fo ei 
Liebreiz, fold eine Harmonie in jedem Eleinften Zu 
fo ein fternenhelles Auge ſah ih nimmer. — M 
nie hörte ich zwar noch ein Wort von ihr; aber A 
verfteht nichts, der ihre ſprechende Miene nicht ı 
ſteht; in ihr ftand das ſchönſte Bild der ganzen wei 
hen Zugend ausgedrüdt; in ihr — — Was läd 
du? Glaubſt du nicht an weiblide Zugen 
Weißt du nicht, was fie iſt? 

Mondr. Wenigftens, was fie feyn follte. 
babe ja genug Dichter und Romanenfhreiber gelefe 

Großh. Und fie fonft nirgends gefunden I N 
im Gange des wirklihen menfchlichen Lebens — 3 
mit dir, Menſch! Du haft deine Weiberkenntniß nun 
liederiihen Häuſern erworben ! 

Monde. Eure Durchlaucht! — 

Großh. Dder hoͤchſtens, was oft noch ſchl 
mer als ein Gemeinhaus ſeyn dürfte, in den Sch 
jenmern derjenigen feilen Damen, beren id, leil 
genug an ‚meinem Hofe babe; die jedem ſchoͤnen 
gen, jedem durchreifenden Deutfchen,, jedem nen 
oft noch unbezahlten Gallakleide zuminken ; und | 
wer weiß, wie bitter, auf den Eeinften Liebesfe 
ihrer beſſern Nachbarinn zu ſchmaͤhen pflegen. — W 
Freund, wer weciblihe Tugend Täugnet, der ſchilt 
Schöpferhand Gottes für eine Stümperhand, und 
tritt den ſchönſten Ebdelftein im Kranze menſchl 
Vorzüge. 

Mondr. (gefameidig doch wit Anktand.) Berg 
mir mein Fürft, wenn ich anzumerken wage, baf 
verführeriſche Liebe auch hier ihre Allgewalt ausge 


oo 109 AR 

and feldft bey Eurer Durdlaudt ein wenig jenen Ad⸗ 
lerblick zu trüben verfucht habe, dem fonft nichts ſich 
zu bergen vermag: — Sie widerlegen mie nun heute 
{bon zum zwehten Mahl Wotite und Mienen, deren 
ih mich — iwenigftens in der angenommenen Bedeu⸗ 
sung — nicht fhuldig weiß. Hab’ ih ja — mas ich 
weder bejaben,, noch vetneinen kann — habe ih ja 
vorhin gelädelt, fo geihah es nur, weil Eure Durchs 
laucht mit ſolchem Eifer, mit fo gewißheitsvoller Kennts 
niß von den Verdienſten einer Dame fprachen , die 
Sie, Deko eigenen Vorten nad, nur einen Augen 
blick hindurd fahen. — Darf ich mich erfühnen, zu 
fragen: wer denn wohl .diefe Siegerinn ſey, die noch 
mit größerm Rechte als Cäfar einft: Ich Eam, fah 
and fiegte! ausrufen Eann % 

Großh. (mireinem Seutzer.) Ah fragen, licher 
Mondragone, fragen darfft du wohl, denn du weißt, 
wie fehr ih dich ſchaͤtze; auch wirft du dem Liebetruns 
Eenen leicht vergeben, wenn er unwillkuͤrlich im Rauſche 
feiner Leidenfhaft nach feinem Freunde gefchlagen has 
ben fellte. — — Aber wollte der Himmel, daß ich 
dir nur eben fo leicht zu antworten vermöchte! 
Alles, was ich von Derjenigen weiß, die jeßt mein 
ganzes Selbſt beherrſcht, iſt nicht viel mehr, als dag 
fie — zu Slorenz lebt, und daß ich das Haus Eenne, 
wo fie wohnt. | 

Monde. Wo ſie wohnt? O genug, genug, . 
wenn wir Das nur willen! Mad Anffindung eines fols 
hen Leitfadens, fol bie fernere Durdiwanderung bies 
fes Labyrinths Hoffentlich keine Noth haben. — Wo 
wars denn, daß Eure Duͤrchlaucht ſie zuerſt wpen⸗ 


* 


ws. ıULoe we. 


Großb. Als ih auf die Jagd ritt. — T 
am Pallaſt der Bonateſta, nicht weit von der Ri 
der Verkündigung , fteht ein Eleines, nur ein Ci 
werk hobes, kaum vier Zenfter breites Häuschen , 
verblichener gelber Farbe. Dort, bortwohnt fie, wi 
fibeinfich im tiefiten Staube; aber dennoch von 
unentftellt, dennoch werth, Alles rings um fidh 
überglänzen. Ihr großes, blaues, himmelvolles Aı 
die liebenswürdige Beſcheidenheit ‚ .mit der ihr x 
ſich fenkte, ihr — — — Doch nein! ih falle 

Lob und Entzückung zurück, und Das will ih nid 

Mondr. Aber, Eure Durchlaucht, mich di: 
Sie ritten geflern auf die Jagd; und diefe Schu 
mutb dauert ſchon viel langer % 

Großh. Auch fah ich fie nicht geftern erſt; 
ſie vor fuͤnf Tagen ſchon! 

Mondr. Heiliger Gott, das nenne ich He 
ſchaft über ſich ſelbſt! Glücklich, glücklich das Lan 
welches ein Fürſt regiert, den ſelbſt die glüben! 
Leidenſchaft nicht ganz zu unterjochen vermag! 
Fünf Tage lang ſchon verliebt, und nodh.. ber allein 
Vertraute feines Grams zu feyn; — fünf Tage le 
von einer Flamme zu brennen, die ſonſt jeden Bit 
fiund vernichtet, und doch noch jene. Macht nicht 
nutzt zu haben, die das Schickſal Ihren Haͤnden r 
lieb! Wahrlich, Eure Durchlaucht, das,iſt ein E 
muth, mehr als zehn Siege auf dem Schlachtfe 
werth! — Wohlan, ich gehe, um Alles aufzul 
then, was Kopf und Geiſt vermögen, wab. Lift ı 
Eifer Gutes herbey ſchaffen koͤnnen. Bin ich im we 
gen Tagen nicht der Üerbringer einer guten Vo 
ſchaft, fo Fämpft entweder das Schickſal ſelbſt ge; 


vu. 111 vo... 


mi, oder ih will unmerth meines hoben Poſtens, 
unwerch Ihres Vertrauens, ja felbft des Lebens uns 
werth feyn. (Seht ab.) on Ä 


Tr — 


In mancherley Unterhandlungsfädern erhielt das - 
männliche Sefchlecht von, der Natur Vor;lige und Vor: 
theile; doc in Liebeshändeln ift die größere Geſchick⸗— 
lichkeit dem weiblihen Geſchlechter gan; unſtreitig zu 
Theil geworden. Herzen zu verſtricken, zaͤrtliche Nei— 
gung’ für ſich ſelbſt ſowohl, als für Andere, jetzt aus⸗ 


zuſtreuen, jetzt auszuforſchen — Das verſteht das Weib 


unendlich beifer, als der Mann. 

Auch Mondragone, fo viele Achtung er font für 
feinen eigenen Kopf zu hegen pflegte ‚war do von 
diefer Wahrheit fo vollfommen überzeugt, daß er jebt, 
von feinem Fürſten mit dem Auftrag beehrt, Bianca 
aussuforfhen und zu gewinnen, Eein ſichereres Mittel 
wußte, als fpornftreihs: zu feiner Gemahlinn zu eis 
len, ihr Alles anzuvertrauen, und ihrem Scarfjinne 
die Einleitung diefes Handels forgfältig anzuempfehlen. 

Zwar warf Signora mädtiglich ihr ohnedem aufs 
geſtülptes Näschen in die Höhe, als fie hörte; in 
welchem elenden Häusdyen die glückliche Diegerinn 
wohne; zwar rief ſie das: 

„Gott ſteh uns bey! Wohl gar eine ehrbare Bür⸗ 

„geröfrau 4” | 
mit dem veraͤchtlichſten Tene aus; und ihr Seitenblick 
verrieth deutlich genug den Gedanken: Wenn es we⸗ 
nigſtens unfer Eine wäre! Doch ſchon im voraus 
hatte fih Mondragone auf Einwürfe diefes Schlage⸗ 
gewaffnet. 


\ 


wur 112 won 
„Nicht zu raſch — ſprach er; nicht zu x 
meine Iheure, mit einem Tadel, der vielleicht 
in Billigung übergeben dürfte! Auch ic) konnte 
fangs kaum den Gedanken, den du fo eben äußert 
unterdrücden; aber ein einziger Blick der Ealten 9 
nunft machte, daß ich mich feiner ſchämte. 
Sign. Mondr. mög) Wollte dw ı 
wohl inden Stand ſetzen, auch fo ſcharfſichtig zu- fe 
Monde. Won Herzen gern! Sieh, nod 
vielleicht die Glückliche, die unfern Fürſten betht 
auf die wahrfcheinfih bald halb Florenz mit Neib 
Ken, deren Juwelen und Perlenfhmuck felbft- die 4 
ſerstochter überftrahlen dürften — noch iſt fie viele 
ihren, nädhften Nachbarn unbekannt und unbedeute 
tft vieleicht vom niebrigften Stande: aber möchte 
doch meinetwegen noch niedriger, noch bedeutur 
tofer feyn; denn um defto mehr muß fie, wenn 
Aun aus ihrer Dunkelheit hervorgeht, es Dem oder 3 
fren verdanken, die ıhre Erhöhung zu beförtern q 
wohl gar zu bewirken ſcheinen. — Obne mädhı 
Verwandte, shne den Schutz von angefehenen Brüd 
und Oheimen, bloß durch Das unteritügt, was 
ſchnell wieder ſinkt und verfliege — durch ihren juge 
lichen Reiz, muß fie, auch nur mir mäßigen X 
ftande begabt, gleich beym eriten Eintritt in Die.gr 
Welt, nah fremder Ecuge fi umfehn. Und ı 
wird ihr dann naber feyn, als wır? Wem it fie d< 
mehr verpflichtet ald uns! — Notürlich, daß ı 
aud dann Dasjenige mır ihr theilen, mas der lie 
teunfene Sean; ıhr zu Füßen legen wurd; und D 
dürfte, wie ich hoffe, nicht viel weniger ald Aul 
feun. Erfahren in den Kunften des Hofes, regieren ı 
dann 


wo 118 vr. 


dann defto fiherer, weil wir mittelbar und durch 
eine ungeübte Mittelsperſon regieren, und gebie⸗ 
then eben fo unbeſchraͤnkt Über ganz Florenz, als ehe⸗ 
mahls der Bohn des Perifles *) ber ganz Griechene 
land; nur mit dem Unterſchiede: dag wir beſſer, als 
dieſer Knabe, den Vortheil verſtehen werden, den 
wir beſitzen, 

Nicht immer hatten Mondragonens Gründe das 
Gluͤck, bey feiner Gemahlinn für — unwiderleglich zu 
gelten; doch dieß Mahl gab ſie ihnen wenigſtens im 
Stillen Recht. Der Gedanke zu herrſchen — dieſe 
uns Männern fo werthe, und ten Frauen fo un⸗ 
endlich theure Ausjiht — war nun hinlänglich, 
die ftolze Signora ihres Adels vergeſſend, und zur 
Beförderung eines embryoniſchen Liebeshandels will⸗ 
faͤhrig zu machen. Sie ſandte ſogleich Kundſchafter aus, 
die nach Bianca's häuslichen Umftänden forſchen muß⸗ 
ten; erfuhr leicht Eines und das Andere, was ihr 
Anlaß zu Plänen gab; und fuchte nun nichts eifris 
ger, als bald mit der Mutter unfers Bonaventuri 


zu ſprechen. 





Auch hierzu fand ſich in Eurzem Gelegenheit. &ie 
hörte, daß die alte Bonaventuri täglich sine gewiſſe 





Peritkles pflegte bekannter Maßen oft ſcherzend zu feinen 
Breunden zu ſagen: „die Aibdener herrſchen über Griechen⸗ 
„land; ich beherrſche die Athener z meine Gebietderinn 
„iR Alpalia; Sie thut, was ihr Meiner Sobn begehrt. 
„Dieter Knabe IR alfo Sriecheniands Her.” 

Meißners Bianca Cap. 1. Th. 


vos 114 voosä 

Kirche zu beſuchen pflegte; fuhr des andern Tages zus 
beflimmten Stunde hin, fand die Gefuchte, und nahm 
dicht neben der armen andächtigen Betherinn ihren 
Platz. — Als fie Beyde, Diefeihren wirklich en und 
die Hofdame ihren fheinbaren Gottesdienſt voll⸗ 
endet hatten und weggehen wollten, nahm bie Letztere 
von einem ſtarken Negen, der eben niederfiel, einen 
Vorwand ber, ihrer Nachbarinn, die fie fhon vorher 
freundlich gegrüßt hatte, einen Plag in ihrem Wagen 
anzubiethen. Dian kann leicht ermeflen, wie fehe das 
gute Mütterhen über diefen Vorfhlag flaunte, unb 
wie höflich fie eine fo unverdiente Ehre fi) verbath; 
aber Signora Mondragone verficherte fo Tiebreih, daß 
fie ihr ſchon längft, fo wohl dem Anfehen nach bes 
kannt, als ihrer Oottesfurdt wegen angenehm gewe⸗ 
fen wäre, und wiederhohfte ihr Anerbiethen fo ernſt⸗ 
lich, daß endlid die ehrliche Bonaventuri es body, 
wiewohl unter taufend Entfhuldigungen und Beſorg⸗ 
niffen von Unſchicklichkeit und von verurfachter Ungele. 
genheit, annehmen mußte. 

. Große biefer Erde! nihtd, dünkt mich, fey für 
euch, die ihr aus leicht begreiflihen Urfahen Satyre 
fo wenig leiden Eönnt, eine beiffendere Satyre, als 
jene Freude, die der fo genannte gemeine Mann 
dann empfindet, wenn ihr jezumeilen (was noch übers 
dieß taufend Mahl Verftellung und kaum ein Mahl 
Redlichkeit zu ſeyn pflege) mit Herablaflung, oft nur 
gar mit Menfhlihkeit, eure armern Brüder zu bes 
bandeln geruht. — O ihr Ihoren, die ihr dann wohl. 
gar mit dem erhaltenen Lobe euch krüftet! Man 
wunbert fih nur über ungewöhnliche Begeben⸗ 
heiten; und ihr freuet euch des Zujauchzent, das euch 





. won 215 wem 
dann zu Theil wird, wenn ihr doch ein Mahl euh — 
menſchlich zeigt? Es Eofter euch oft nur weniger Worte, 
nur eines Blickes, um geehrt, geliebt, angebetber 
fogar zu werben; und ihr Eönnt noch ohne die bren- 
nendfte Schamröthe über den Haß Elagen, der eunch 
gewöhnlich zu verfolgen pflege ? 

Auch jetzt bewies Bonaventuri's Mutter » bag 
diefe Ausfhweifung — die mir wahrfcheinlich ein ges 
wiffer Theil meiner Refer nicht fonderlih verdanken 
wird — menigitens fehr gegründet fey. Was. hätte 
die arme Frau nit gern gethan, um fi) gegen ihre 
neue Bekannte dankbar zu beweifen! In einer fo ſchön 
vergoldeten Caroſſe, neben einer Dame zu figen; eines 
fo freundlihen Geſprächs gewürdigt zu werden, o! 
Das -war ihr eine Ehre; Das verfchaffte ihr beynahe - 
mehr Entzücken, als fie manchmahl in den Stunden der 
Trübfal von jenem leben ſich verfprochen hatte. 

Signora Mondragone wußte bald das Geſopraͤch 
dahin zu fpielen, wohin fie es haben wollte. Mit der 
Frage: Wer denn ber junge angenehme Mann fey, 
der fie zuweilen in und aus der Kirche begleitet fchloß 
ſie der treuberzigen Schwägerinn dem Mund zu einem 
ganzen Strom von Lobeserhebungen ihres einzigen, 
geliebten Sohnes auf, und hörte ihr lange mit einer. 
Aufmerkfamfeit zu, die aud an der Eleinjten Kleinig- 
Eeit Theil zu nehmen ſchien. 


* Ru] 
* . 


„Fürwahr,“ fing fie endlich an einzulenken; „es 
„freut mich doch alle Mahl herzlich, wenn ich von der 
„Ihaffenden Natur Dasjenige an der Seele eines 
„Menſchen erfüllt finde, was fie in feinem Geſ ichte 

H 2 


soon 116 won u 
„zu leiften verfprochen hat. Der Anitand biefes jungen 
„Mannes gefiel mir ſchon längft; um defto mehr - muß 
„ed mich jegt freuen, wenn ich höre, daß er eine fa 
„brave Fran auh zur glüdliden Muster 
„macht. — Mit feinen Gaben, mit feiner Bildung 
„kann euerm Sohne eine höhere Ausſicht nicht ger 
„brechen ; und er muß wenigftens einen fehr ſtarken 
„Eindruck auf unfer Geſchlecht hervorbringen.” 

Mutter (ſchmumelnd.) Hihihi! Das nun wohl 
eben nicht, Em. Ercellen; — und wäre au Dem fo, 
was hilfe ed ihm viel? 

Sign. Montr Warum nicht ? Zaufend junge 
Männer haben ſchon ihr Glück durch eine vortheilhafte 
Heirath gemadt : ſollte Ahr Sohn denn nicht zu 
einem gleihen Scidjale fid Hoffnung machen Eönnen % 

Mutter Gmit bedeutendem Ahfesuden.) Freylich, frey⸗ 
lich, guter Gott! dachte ich ſonſt auch ſo zuweilen; 
aber nun iſt es Punctum damit. 

Sign. Mondr. Und weßwegen? 

Muster (Halb unwillig nächelnd.) Weil chriſtliche 
und florentiniſche Geſetze verbiethen, zwey Weiber 
auf ein Madl zu haben. 

— Sign Mondr Ah! &o% Iſt er bereitd ver⸗ 
heirathet? 

Mutter. Leider! 

Sign. Mondr. Und warum leider! Ich win 
doch hoffen, daß ein fo braver Jüngling aud weiſe 
gewehlt haben wırd. Wer iſt feine Gattinn? 

Mutter. Eine Venetianerinn ; und wenn Schöne 
beit, dornehme Geburt und ein engliſchgutes Der, 
das ganze Glück der Ehe ausmachten, dann, Eure Ex⸗ 


"a 


wma 117 war 
rellenz, wäre mein Pietro der Seligfte aller Männer. 
Aber leider waren: biefe drey Stücke auch der ganze 
Brautfhag meiner Schwiegertodhter. 

Sign. Mondr. Um Vergebung, Tiebe Mute 
ter! Mid duͤnkt, eine ſolche Mitgift fey eben fo wüne 
ſchenswerth, als ſelten. | 

Mutter. Freylich wohl! freyfich wohl, Eure Ers 
sellenz! Aber du lieber Gott! Schönheit und Tugend, 
ganz ohne bare, Elingende Münze, bleiben immer 
nur ein leichtes Sommerkfleid, das man im Wins 
ger tragen will; es fey noch fo (hön, nod fo glans 
gend, unbequem bfeibs es immer; denn fein Inhaber 
erfriert foft darin. 

Sign. Monde. Aber wie ſchickt fie ſich in ihre 
gegenwärtige Lage? — Eine weiße weiche Hand ente 
zieht ſich fonft gern der Arbeit. 

Mutter. Mein, nein, Eure Ercellenz! Mein 
Treu! Dos thut fie doch nichts und eben das iſt es, 
was mich oft bitterlicd weinen macht. Eine größere 
Ergebung, eine ungezwungenere Bereitwilligkeit zu je⸗ 
dem Gefcäfte, wovon ich ihr nur winke ober fage, 
iſt pfotterdiggs unmdglih. Nie noch bat es ihr in irs 
gend einer Arbeit an gutem Willen, und beynahe 
eben fo felter an Kräften gemangelt.. Um Mitter⸗ 
nacht erft zu Bette, und mit Sonnenaufgang wieder 
heraus, macht fie ot mich felbft, wider meinen Wile 
Ien, zur Müffiggängerinn; und wahrlid mein Herz 
blutet, wenn ich fehe, daß fie bey allen Dem fi) nie 
euch nur einen Seufzer erlaubt. — Guter Gott! Ih 
wollte ja gern Eümmerlih und elend gelebt haben, 
wenn ich nur einft ruhig mis dem Bewußtſeyn ftärbe, 
meine Kinder im Wohſſtaude zurüc zu laffen. 


nern 118 oeva 


Sign. Monde. Ein Wunſch, ber Ahnen f 
erfüllt werden wird! 

Mutter (ven Kopf ſchüttelnd. ) Ach nein! U 
Unvermögen — — 

Sign. Mondr. (fie ben der Hand faffend.) € 
vieleicht bald verfchwinden! Brave Frau! Ihr E 
muth und Shre ungekünftelte Erzählung rühren | 
gleich ſtark. — So begierig ich ſonſt war, Sie ſ 
kennen zu lernen, eben fo ſehr verlange mich jı 
Ihre reizende S:chwiegertochter zu fehen und zu f 
hen. Wir find reih; mein Mann befißt die Liebe 
das Vertrauen eines Fürſten, von deſſen Stuhle 
weinehde dürftige Unſchuld nie anders, ald mit & 
denthränen und vollen Händen zurüd ging, Binde 
— woran id niet zweifele — die Gattinn. Zi 
Eohnes fo, wie Sie mir fie fchilderten; finde 
diefen Sohn ſelbſt feinee Mutter werth; fo will 
Alles, was ich durch meinen Gemahl über den Für 
vermag, zu Ounften Ihrer Familie aufbiethen. U 
leiht , daß man dann Ihren Sohn in Gefcdyäf 
braucht, die feinen Wünſchen und Talenten beffer 
gemeſſen find; oder daß feine Gattinn an bem + 
unferer Großherzoginn gezogen wird, und bald 
jeßige Dürftigkeit | mit Überfluß und Adhtung v 
tauſcht. 

Murter (ie ihr die Hand tuſſen wid.) O bi 
Gnade — 

Sign. Mondr. Nicht doch! Nicht doch! 8 
für danken Sie mir? Für ein Verſprechen, das 
gewiſſer Maßen mir ſelbſt thue. Glauben Sie mir, 
fuhle zus gut die Laſt meines Standes, als nicht ai 
das einzige Vorrecht deſſelben, die Sorge für k 


wo. 119 oe 

Wohl weiner Ärmern redlichen Mitbrüber, geniegen zu 
wollen. Eine dankbare Thräne freut mich mehr, als 
ein feftliher Bad, an welchem man neidifh meine Zus 
welen anftarıt. Senden Sie morgen Ihre Schwiegers 
tochter zu mir, und bann lailen Sie mid und den Him⸗ 
mel für das Übrige forgen! 

Mutter. Verzeihen mir Eure Ercellenz, wenn 
ich noch einen einzigen Zweifel frey heraus geſtehe. — 
So unendlich Ihre Güte unſere Würdigkeit und meine 
Hoffnung überſteigt, fo beſorge ich doch, es duͤrfte 
Mühe koſten, meine Tochter zu dieſem Gange, we: 
nigſtens auf morgen ſchon, zu bewegen. Seit ihrem 
Eintritt in unſer Haus ſoll ſie auch noch den erſten 
Schritt außer demſelben thun, und — lieber Gott! 
ſie hat nur mehr als zu vielen Grund dazu. Der ganze 
Vorrath ihrer Kleider beſteht in demjenigen, das ſie an 
ſich tragt; und wenn ichs gerabezu befenne, daß diefer 
ſchlechte mollenzeugene-Anzug mein Feſtagskleid fey, fo 
werden Eure Ercellenz wohl ſelbſt auf unfere Üsrigen 
ſchließen Eönnen. — Zudem ift ſie ſo ganz der Sthate 
ten ihres Mannes, daß fie oßne feine Einwilligung — 

Sign. Monbr. (acheind. Ba! Ha! Schwierige 
Eeiten, bie ſich leicht heben Taffen! — Ihr Sohn ift ja 
ein vernünftiger Mann; wie follte er wohl als ein 
Solcher feinem eigenen Glück entgegenftreben ? Und was 
die Kleidung betrifft, fo babe ih deren von aller Art 

überflüffig genug, um auch diefem Mangel abzubelfen, 

— Bon welder Statur ift Ihre Tochter ? | 

Mutter, Ziemlich von gleicher mit Euer Excel⸗ 
lenz. 

Sign. Mondr. Vortrefflich! Ganz alſo wie 
ichs nur wünſchen konnte! — Morgen früh fell ein 


urn YI2O sam 


WBedienter von mir ihrer Tochter die Stunde mel 
wo ich fie Nachmittags zu ſprechen wünſche, unt 
gleich einen Anzug mitbringen, deſſen fie fi 
Ihamen darf. — Meine eigene Kutſche fol fie | 
abhohlen, und wenn Sie meine Freundſchaft ih 
voraus verfihern: wern Sie ıbr den Vortheil von 
Yen, der durch mid; und meinen Gemahl vielleich 
vem ganzen Haufe zuwächſt: fo wird fie fiher von 
ner Eindifhen Scham, oder von fonft einer Brille 
Ihrem Beſuch fih hindern laſſen. 





Der Wagen hielt jegt bey ber Wohnung der‘ 
naventuri; bie gute Frau ſchied mit taufend Dar 
gungen von ber Dame, und war baum in ihr dun 
Stübchen hineingefhlüpft, als ihre ganze Familie 
ohnedem . durch den Anblick der fhönvergolderen , 
ibrem Haufe baltenden Caroſſe in nie geringe 2 
wunderung gefegt worden war) ſich um fie ber verf 
melte, und mehr in wenigen Augenbliden frag 
als das arme Mütrterken bey allee Bereitwillig 
und allem innern Drang zur Erzählung beantw 
sen konnte. 

Endlih Fam jie aber doch zu Athem und Wort 
und gewiß; gröner war jene Kreude nicht, mit wel, 
die Gefährten des Columbus bey der Rückkehr aus 
neuen Welt ihre Entdeckungen durch halb Europa a 
pofaunten, als diejenige, mit welcher jeßt das lei 
glaͤubige Weibchen die Geſchichte diefes merkwürdt 
Vormittags herplauderte. Da ward fein Wörth: 
Roıne, Miene der Signora Mondragone vergeflen, ı 


a 12 L vo 


ihre ganze Rede ſchloß fich mit der Ermahnung an ihre 
Schwiegertochter, einen fo glinftigen Wink des Glückt 
ja nicht zu verſäaumen. | 

Diefe Shtußermabnung, fo wie der guten 
Mutter vorherige Umſtändlichkeit, war kei— 
neswegs ganz überflüffig; denn Bianca, obſchon nicht 
minder, als die übrigen Zuhörer, durch biefe- Erzäh: 
lung überrafht, blieb doch lange unſchlüͤſſig, was fie 
thun follte. Die Nachſuchungen ihres Waters und de: 
ren Fortdauer, waren ihr gar wohl bekannt; fie Hatte 
daher fhon oft gewuͤnſcht, fih einen Freyheitsbrief 
vom Großherzoge erbitten zu können, ohne auf eine 
Öelegenpeit hierzu hoffen zu dürfen. Jetzt zwar ſchien 
diefer glüdlihe Angenblid vorhanden, und der Weg 
zum Fuͤrſten ihr eröffnet zu ſeyn. — Aber der Gedanke: 
„Wie, wenn dieß Alles ein Fallſtrick, Mondragone 
ein Sreund deines Vaters, und biefer vergefchlagene 
Beſuch ein Mittel dic aufzufangen wäre 1’ flieg eben 
fo ſchnell und kräftig in ihr empor. Die menſchliche 
Seele, von Natur geneigter ein großes Unglüd, 
als ein großes Gluͤck zu glauben, gibt in dergleichen 
Sälen den Beforgriffen auh immer Wahre 
ſcheinlichkeit, und Die ſchwankende Bianca theilte 
baher Beydes, Hoffnung und Zweifel, ihrem Gemahl 
mit, auf defien Ausſpruch fie ihre eigene Entfgeibung 
simzlih ankommen ließ. 

Jedoch bey ihm, deffen herrſchende Leidenſchaft, 
gleih nach der Liebe, Eitelkeit war, überwog bie 
Hoffnung den Argwohn bey Weitem. Er beftürmte feine 
Sattinn mit Zureden und Anrathen, und fie gehordte 
ihm willig. — Auch die Spanierinn hielt in. beyden 
Puncten getreulih Wort. Ihr Bedienter brachte Biam . 


' oa 122 we 


ca eine anfländige Kleidung, und ihre Wagen be 
Mutter und Tochter zur beftimmten Stunde ab. 

Die ganze Unterrebung vom Anfange ‚bis € 
bier aufzuzeichnen wäre zweckloſe WeitläuftigEett. 9 
kann gar zu leicht von felbft fich vorftelen, womit | 

Zufammenfunft begann. 

" Die ältere Bonaventuri trat herein mis elle: 
fen DVerbeugungen , und mit einer ganzen Predt 
„Bie fehr fie fih ſchaͤme, überläftig zu feyn! Wie 
„überfhwänglicde Gnade ihnen wiberfahre! Wie 
„entfchloffen ihre Zochter deweien fey, ob fie ed 
„wagen dürfe! Wie man gleihwohl fo hohen We 
„nicht unbefolgt laſſen woßen” — u. f. w. 

Bianca hingegen fprad in den erften einigen ' 
nuten nur ein Paar Worte. Schücternheit und .ein 
wifes Mißtrauen mahlte fih in ihren Blicken. 
flammende Röthe ihrer Wangen, und ein leifes,« 
ganz unbemerkbared Zittern ihres Körpers verriet 
innere Bewegung. Doch war, was fie ſprach, 
im Ausdrucke, echt befcheiden im Vortrag. She T 
ihre Art fih zu halten, ihre Verbeugung ſchon ze 
ten von vorbergegangener Bildung. Die Spanieri 
als fie Bianca mit neugierigen Blicken mufterte, 
ftand ſich heimlich ſelbſt: ein fhönered Frauenzim 
babe ſie noch nie geſehen; ſchloß ſehr richtig aus bi. 
Augen und dieſen wenigen Worten: daß ihr Umg 
nicht mindern. Liebreiz als ihr Äußeres haben dür 
fand des Großherzogs Thorheit doch nun ſchon ein. 
nig verzeihlicher; konnte aber durchaus nicht begreif 
woher ihr, ſelbſt als Kaufmannstochter, dieſer we 
hart feine Anſtand eigen geworden ſey. 

Nuht bloße Schmeicheley war ed daher, als D 


nn 193 vom ' 


na Mondragone in Lobeserhebungen ihrer j jungen, neuen 

Freundinn, — wie fie Bianca zu nennen geruhte — 
ausbrach; und wenigſtens für etwas redlicher, als 
fonft böfiſche Verfprechungen zu feyn pflegen, konnte 
ihre Rede dann gelten, als fie zu allen niöglichen 
Freundfihaftsdienften für die Zukunft ih erboth! — - 
Auch widerftand die unbefangene Bianca fo lockenden 

Zuredungen nit. Ihr Argwohn verflog, ihr Ver« 


trauen erwachte. So raſch, daß es die Dame nie . 


hindern Eonnte, beugte fie fi) nieder, drückte die Lippe 
auf ihre Hand, und rief: 

Bianca. Hätte ich auch zehnfache Kraft des 
menſchlichen Zunge, dba ich Faum mit einfacher begabt 
worden bin, fo würde ich doc) die Empfindungen nicht 
auszudrücken vermögen, die beym Anerbiethen Euer 
Ercellenz meine Seele durchſtrömen. Zu groß ift zwar 
diefe Güte; doch fie ganz ungenügt zu laſſen, Fönnte 
leichte für Verſchmähung oder Thorheit gelten. Auch 
weiß ich jet nur einen einzigen Gall, wo ich ‘von ihr 
Gebrauch zu machen wünſche und fiehe. \ 

Mutter rür ns.) Einen Einzigen? Sehr genüge 
fam, Gott verzeih's ihr! Ich wüßte wenigftend ein 
Dugend hülfsbedürftiger Fälle. 

Sign. Mondr. Und warum fagen Sie ihn dann 
nicht gleich heraus, liebe Bianca? Ich bin zu jeder Ge⸗ 
währung Ihrer Bitten bereitwilliger, ald Gie ed zum 
Vortrag derfelben feyn können. 

Bianca. Glücklich in der Liebe meines Gatten, 
glücklich in meiner häuslichen Lage, wo bisher ung 
wenigitens noch nie erwas zur Nothdurft gebrad, 
babe ih nur einen einzigen Kummer, und diefen 
wünſchte ich unmittelbar in einer Bitrfchrift meinem 


124 ww 

Kürften vortragen zu dürfen. — Ein Rort, ein W 
ein Federzug von ihm machte mich dann zur Beneibt 
würdigften meines ganzen Geſchlechts. 

Sign. Wirklich? — Aber Ihre gute Mu 
Hagte ja neulich auch über die Dürftigkeit ihres H 
fes, und fiber die unwürdigen Beſchaͤftigungen, zu 
nen Sie ſich oft herablaſſen müßten. 

Bianca (etwas beſchamt.) Das hätte meine M 
ter gethan? 

Mutter. Sa wohl, liebe Tochter. FW 
diefes Verfielen? — Deine Zurücdhaltung — 

Bianca (eufsuen.) Iſt nicht Zurückhaltu 
wenigſtens nicht Heucheley. Der Reichthum der — 
friedenheit iſt freylich oft nur ein einge bil 
ter Reichthum, aber dennoch der unfhäsbar 
von allen. Mein jetziges Loos — (Dis Thär des Gew 
oͤffnet ſich.) 

Sign. Ha, mein Gemahl! Schon vom ©& 
zierritt zur? Das freut mich; fürwahr, das fe 
mid. 

Mondr. (im Hereintreten.) Vergebung meine J 
men, wenn ich ftoren ſollte! 

Sign. Nicht doch, liebfter Gemahl! Sie ko: 
ten nie gewünſchter, nie gerufener Eommen; denn 
eben bedurften wir Ahrer. — Gehen Sie (indem fie 
Bianca rorfelie) bier eıne ber fiebendwürdigften Per 
nen meines Gefchlechts, ſammt ihrer würdigen M 
ter; Beyde zwar erft nanz feit Kurzem meine ‚freund 
nen, aber auch dafür defto wärmer von mir geliebt 

Mondr. (täyeind.) Selbſt wenn Neuheit mi 
eine fo günſtige Empfehlung in Frauengunſt zu fü 
sflegte, würde ich doch gleich beym erſten Büd ı 


wen 2185 mm 


Ibre Freundinn ben Vorzug, den Sie ihr geben, ges . 
muthmaßt und gebilligt haben. (Bu Biancd®mis einer 
höftichen Verbeugung.) Ich war fonft eitel genug zu glau⸗ 
ben, daß ich alles Reisende in Slorenz kenne; bes 
fhämt ſehe ich, daß ich mich bis jegt gewaltig ierte. — 
Darf ih Sie um. Shren Nahmen bitten, ſchönſte 
Signora? | 
Bianca (mis niebergefhlagenen Augen und Erräthen.) 
Martela Bonaventuri. . 
Monde. Ich firitt geftern erit mit einem Engs 
ander: ob Welfchland oder Brittannien die größten. 
weiblihen Schönheiten erzeuge? — Jeder von uns 
blieb, wie gewöhnlich, bey feiner Meinung. — Wie 
unendlich bedaure ich nun, daß er ſchon heute früh 
abgereifet ift! Ein Blid, sin Bild pon Ihnen entſchiede 
gewiß unfern Streit, und ich würde Gieger feyn. 
Bianca. Euer Erzeßenz,meine Befhämung — 
meine Selbſtkenntniß — vergeben Sie, wenn ich, fo 
niedrig als ih bin, Sie doch ;u bitten wage, daß 
Ihr jchmeichelhafter Spott meiner fchonen möge. 
Sign. Spott? Nein gewiß, meine liebe Frem⸗ 
de, mein Gemahl ſchmeichelt nicht, und fpottet noch 
minder; er fpricht nur wahr! Zehn Jahr früher würde 
ih, fo ſebr ich Sie auch liebe, mich wohl gehüthet haben, 
ſeinen Beſuch in Ihrer Gegenwart anzu⸗ 
nehmen. 2 
Monde. Und id bin viel zu wahrheitäliebend, 
ald Ihrer Vorſicht nicht die Gründlichkeit einzuräumen. 
— Aber Fremde fagten Sie, tiebe Gemahlinn? — 
Signora find alfo eine Fremde? 
Bianca. Eine Benetianerinn von Geburt, aber 


un 126 um 
feit meiner Heirath Ihrer großherzoglichen Durchla 
demüthigſte sreuefte Unterthaninn. 

Sign. But, daß Sie mid daran erinn 
(Zum Gemahl.) Mein Befter, unfere Freundinn wäı 
dem Großberzog eine Bittſchrift überreichen zus din 
Ich habe ihr zur Unterftügung derfelben ſchon alle m 
geringen Kräfte zugefagt, und ih zweifle nicht, 
fie auch auf die Ihrigen wird rechnen können. 

Mendr. O gern, fehr gern! Man bat noch 
Beyſpiel, Signora, daf die Grazien eine Fehll 
gethan haͤtten. Mein ganzer Wille und mein ga 
Vermögen ift Ihnen beyzuſtehen erböthig; und. 
nit bloß, weil. Sie es jo fehr verdienen, fon! 
weil ih auch im Voraus überzeugt bin, (mie Sebemtn 
Blide) daß meinem gnadigiten Heren Ihr Anbrir 
‚ nide mififallen werde. Sagen Die mir daher frey 
aus, Signora, um was foll id Seine Durchla 
in Ihrem Nahmen bitten? 

Bianca (etwas verlegen.) Ilm was? — Um w 
— Wahrlich diefe Frage, fo billig fie feyn mag — 
(ſich faſſend.) Entſchuldigen Sie mich, edelſter Mar 
wenn id, wiewohl mein Herz vom Gefühle SZ 
Huld überfließt, doc freymüthig zu befennen wa 
Mein Anliegen Bann nur einzig Ihro Durchlaucht fel 
ohne Zeugen und aus meinem eigenen Munde, ı 
nehmen. — &o gewiß mir Ihre Großmuth für die @ 
verkeit Ihres Verſprechens gutjagt, fo it doch Di 
was id) wünſche, das einzige Geheimniß, welches 
felbit vor den enridiedeniten Zierden der Menſchh 
nur ver meinem Fürſten nicht, verihmeigen muß; ı 
Alles, warum ich flehe, iſt eine Mudienz bey Sr 
Durchlaucht. 


won Jar even 


Mondr. Und Dieß alles fol Ihnen gewährt werz 
den! So beleidigend ein ſolches Mißtrauen vieleicht 
in jedem andern Munde flr mid) ſeyn würde, fo foll 
doch keineswegs dadurch mein Eifer für Sie erkalten. 
Übermorgen um dieſe Zeit, aufs Tängfte-gerechnet, has 
ben Sie fiher fhon Gehör gehabt, dafür ftehe-ich Ihe 
nen mit meinem Kopf und Leben. — (Mit laqelnder ger 
deimnißvoller Miene.) Und vielleicht wechſelt dann die 
Ordnung des Bittens und Gewährens Eünfe - 
tighin unter und Beyden ab. 

Bianca (detreten.) Euer Ercellenz, dieſe dunkle 
Sprache — 

Mondr Wird Ihnen bald licht werden, ſchoͤne 
Bonaventuri! (Nach der Uhr ſehend.) Aber jetzt rufen 
mich meine Geſchaͤfte. Nie vielleicht waren ſolche mir 
laͤſtiger; aber doch muß ich gehorchen. Leben Sie wohl! 
(Sept mit einer hoͤflichen Verbengung ab.) 

Bianca Gie ſich auf einen Augenblick niederfeht, und 
ihre Geſicht mit der hohlen Hand verdedt.) Ha! beynahe möchte 
ih Dieß alles nur für einen füßen Traum halten. 

Mut ter (He freundtih auf die Achſel Flopfend.) Nicht 
doch, liebe Tochter, nicht doch! wir wachen! Oder 
wenn Dieß bloß ein Ruftgefpinnft feyn follte, — guter 
Gott! dann wollte ih deine ganze liebe Wirklichkeit 
dafür hingeben. — Doch es wird Zeit, uns Em. Er: 
cellenz wieder zu empfehlen. 

Sign. Empfehlen? Weggehen, gute Mutter, 
werden Sie fagen wollen; weggehen, um bald wieder 
zu kommen. Sch liebe jene Umſtände nicht, fo ſebr 
aud mein Vaterland fonit das Waterland der Ceremo⸗ 
nien zu ſeyn pflegt *). — Aber ehe Sie Abſchied neh⸗ 





Ich Hefte, man wird nicht vergeffen haben, deß Diondras 
goue ſpaniſcher Abkunft war. 


\ı 
wo ich fie Nachmittags zu ſprechen wünſche, und zus 


urn 120 sam 


Medienter von mir ihrer Tochter die Stunde melden, 


Hgleih einen Anzug mitbringen, deſſen fie fih nicht 
Thamen darf. — Meine eigene Kutſche fol fle dann 
abhohlen, und wenn Sie meine Sreundfchaft ihr im 
voraus verfihern:; wenn Die ıbr den Vortheil vorſtel⸗ 
Ten, der durch mic, und meinen Gemahl vielleicht th⸗ 
vem ganzen Haufe zuwächſt; fo wird fie ficher von kei⸗ 
ner Eindifhen Scham, oder von ſonſt einer Grille, an 


ihrem Beſuch ſich hindern laſſen. 


Fuel 


Der Wagen hielt jegt bey ber Wohnung der Bon 
naventuri; bie gute Frau ſchied mit tanfend Dankſa⸗ 
gungen von ber Dame, und war Baum in ihr dunkles 
Stübchen hineingefchlüpft, als ihre ganze Yamilie (die 
ohnedem durch den Anblick der fhönvergolderen ,. wor 
ihrem Haufe haltenden Caroffe in nice geringe Vers 
wunderung gefeßt worden war) ſich um fie her verfams 
melte, und mehr in wenigen Augenbliden fragte, 
ald das arme Muͤtterchen bey aller Bereitwilligkeis 
und allem innern Drang zur Erzählung beantwors 
sen konnte. 

Endlich Fam fie aber doch zu Athem und Worten, 
und gewiß; größer war jene Freude nicht, mit welder 
die Gefährten des Columbus bey der Rückkehr aus den 
neuen Welt ihre Entdeckungen durd halb Europa aus⸗ 


poſauntén, als diejenige, mit welcher jeßt das leicht⸗ 


gläubige Weibchen die Geſchichte diefes merkwürdigen 
Vormittags berplauderte. Da ward fein Woͤrtchen, 
Aane Miene der Gignora Mondragone vergeffen, und 


ss. 121 ns 


ihre ganze Rede ſchloß ſich mit der Ermahnung an ihre 
Schwiegertochter, einen fo glinftigen Wind. des Stüds 
ja nit zu verfäumen. ' 

Diefe Shkußermahnung, fo wie der guten 
Mutter vorherige Umſtändlichkeit, war kei— 
neöwegs ganz überflüffig; denn Bianca, obfchon nicht 
minder, als die übrigen Zuhörer, durch biefe- Erzaͤh⸗ 
lung überraſcht, blieb doch lange unſchlüſſig, was fie 
tbun follte. Die Nachſuchungen ihres Waters und de: 
ren Fortdauer, waren ihr gar wohl bekannt; fie hätte 
daher (don oft gewuͤnſcht, fih einen Freyheitsbrief 
vom Großherzoge erbitten zu können, ohne auf eine 
Gelegenpeit. hierzu hoffen zu dürfen. Jetzt zwar ſchien 
diefer gluͤckliche Augenblid vorhanden, und der Weg 
zum Fürften ihr eröffnet zu ſeyn. — Aber der Gedanke: 
„Wie, wenn dieß Alles ein Fallſtrick, Mondragone 
ein Freund deines Vaters, und biefer vorgefchlagene 
Beſuch ein Mittel dich aufzufangen wäre?” flieg eden 
fo ſchnell und Eräftig in ihr empor. Die menſchliche 
Seele, von Natur geneigter ein großes Unglüd, 
als ein großes. Gluͤck zu glauben, gibt in dergleichen 
Faͤlen den Beforgriffen auch immer Wahre 
ſcheinlichkeit, und bie ſchwankende Bianca theilte 
daher Beydes, Hoffnung und Zweifel, ihrem Gemahl 
mit, auf deſſen Ausſpruch ſie ihre eigene Entſcheidung 
gzoͤnzlich ankommen ließ. 

Jedoch bey ihm, deſſen herrſchende Leidenſchaft, 
gleich nach der Liebe, Eitelkeit war, überwog bie 
Boffnung den Argwohn bey Weitem. Er beftürmte feine 
Sattinn mit Zureden und Anrathen, und fie gehorchte 
ihm willig. — Auch die Spanierinn hielt in. beyden 
Puncten getreulih Wort. Ihr Bedienter brachte Biau⸗ 


' oa 122 wm 


ca eine anftändige Kleidung, und ibe Wagen hohlte 
Muster und Tochter zur beffimmten Stunde ab. 

Die ganze Unterredung vom Anfange bis Ende 
hier aufzuzeichnen wäre zweckloſe Weitläuftigkelt. Man 
kann gar zu leicht von felbft ſich vorſtellen, womit diefe 
Zuſammenkunft begann. 

Die ältere Bonaventuri trat herein mit ellentie- 
fen Verbeugungen , und mit einer ganzen Predigt: 
„Bie fehr fie fih ſchaͤme, überläftig zu feyn! Wie viel 
„überfchwängliche Gnade ihnen widerfahre! Wie. uns 
„entichloffen ihre Zochter geweſen fey, ob fie es au 
„wagen dürfe! Wie man gleihwohl fo hohen Befehl 
„nicht unbefolgt laſſen woßen” — u. f. w. 

Bianca hingegen ſprach in den erften einigen mi⸗ 
nuten nur ein Paar Worte. Schüchternheit und ein ge⸗ 
wiſſes Mißtrauen mahlte ſich in ihren Blicken. Die 
flammende Roͤthe ihrer Wangen, und ein leifes, nicht 
ganz unbemerkbares Zittern ihres Koͤrpers verriethen 
innere Bewegung. Dod war, was fie ſprach, nett 
im Ausdrucke, echt befcheiden im Vortrag. Ihr Ton, 
ihre Art fich zu halten ‚ ihre Verbeugung ſchon zeugs 
ten von vorhergegangener Bildung. Die Spanierinn,. 
als fie Bianca mit neugierigen Blicken muſterte, ges 
ftand ſich heimlich ſelbſt: ein ſchöͤneres Frauenzimmer 
habe ſie noch nie geſehen; ſchloß ſehr richtig aus dieſen 
Augen und dieſen wenigen Worten: daß ihr Umgang 
nicht mindern. Liebreiz als ihr Außeres haben dürfte, 
fand des Großherzogs Thorheit doch nun [hen ein wes 
nig verzeihlicher; Eonnte aber durchaus nicht Ergreifen: 
weber ihr, ſelbſt ald Kaufmannstochter, diefer wahrs 
haft feine Anıtand eigen geworden fey. 

Nicht Hope Schmeicheley war es daher, als Don⸗ 


on 183 rom ' 


na Mondragone in Lobeserhebungen ihrer j jungen, neuen 
Freundinn, — wie fie Bianca zu nennen geruhte — 
ausbrach; und wenigftens für etwas redlicher, als 
fonft böfiſche Verſprechungen zu feyn pflegen, konnte 
ihre Rebe dann gelten, als fie zu allen niöglichen 
Sreundfchaftsdienften für die Zukunft fi erboth ! — 
Auch widerftand die unbefangene Bianca fo lockenden 
Zuredbungen nit. Ihr Argwohn verflog, ihr Wer« 
trauen erwachte. So raſch, daß es die Dame nicht . 
hindern Eonnte, beugte fie fi nieder, drückte die Lippe 
auf ihre Hand, und rief: 

Bianca. Hätte ih auch zehnfache Kraft deu 
menfchligen Zunge, da ich kaum mit einfacher begabt 
worden bin, fo würde ich dody die Empfindungen niche 
auszutrüden vermögen, die beym Anerbiethen Euer 
Ercellenz meine Seele durchſtrömen. Zu groß ift zwar 
diefe Güte; doch fie ganz ungenügt zu laſſen, Eönnte 
leihe für Verſchmähung oder Thorheit gelten. Auch 
weiß ich jegt nur einen einzigen Gall, wo ich von ihr | 
Gebrauch zu machen wünſche und flehe. 

Mutter (für na.) Einen Einzigen? Sehr genüge 
fam, Gott verzeih'3 ihr! Ich wüßte wenigftend ein 
Dugend bülfsbedürftiger Fälle. 

Sign. Mondr. Und warum fagen Sie ihn dann 
nicht gleich heraus, Tiebe Bianca? Ich bin zu jeder Ge⸗ 
währung Ihrer Bitten bereitwilliger, ald Sie ed zum 
Vortrag derfelben feyn Eönnen. 

Bianca. Glücklich in der Liebe meines Gatten, 
glücklich in meiner hauslihen Lage, wo bisher uns 
wenigftens noch nie erwad zur Nothdurft gebrach, 
babe ih nur einen einigen Kummer, und biefen 
wünfchte ich unmittelbar in einer Bitiſchrift meinem 


wn. 124 m 
Kürften vortragen zu dürfen. — Ein ort, ein Wü 
ein Gederfug von ihm machte mich dann zur Beneiber 
würdigften meines ganzen Geſchlechts. 

Sign. Wirklich? — Aber Ihre gute Mutt 
Hagte ja neulich auch über die Dürftigkeit ihres Ha 
fes, und fiber die unwürdigen Befhäftigungen, zut 
nen Sie ſich oft herablaſſen nrlhten. . 

. Bianca (emasseiham) Das hätte meine Mu 
ter gethan? 

Mutter. Ja wohl, liebe Tochter. Was f 
dieſes Verſtellen? — Deine Zurückhaltung — 

Bianca (enfauend.) Iſt nicht Zurückhaltun 
wenigſtens nicht Heucheley. Der Reichthum der 3 
friedenheit iſt freyfich oft nur ein eingebild 
ter Reichthum, aber dennod ber unfhäsbarf 
von allen. Mein jegiges Loos — (Die Ei bed Gem⸗ 
Sffnet fi.) 

Sign. Ha, mein Gemahl! Shen vom Sp 
zierritt zurück! Das freut mich; fürwahr, dab fee 
mid. | 

Mondr. (im Heeintreten.) Vergebung meine D 
men, wenn ich ftören ſollte! 

Sign. Nicht doch, liebſter Gemaht! Sie fon 
ten nie gewünſchter, nie gerufener Eommen; denn 
eben beturften wir Ahrer. — Sehen Ste (indens fie i 
Bianca rorfen:) hier eıne ber fiebendwürdigften Per! 
nen meines Geſchlechts, ſammt ihrer würdigen Miu 
ter; Beyde zwar erft ganz seit Kurzem meine Freundi 
nen, aber auch dafür defto wärmer von mir geliebt. 

Mondr. (tägeind.) Selbſt wenn Neuheit ni 
eine fo glinftige Empfehlung in Krauengunfi zu fe 
sflegte, würde ich doch gleich beym erften Blick a 


wen 285 um 


"pre Sreundinn den Vorzug, den Sie ihr geben, ge 


muthmaßt und gebilligt haben. (Yu Biancd® mit einer 
höftihen Berbeugung,) Sch war fonft eitel genug zu glau⸗ 
ben, daß ich alles Reisende in Florenz kenne; bes 
fhämt ſehe ich, daß ich mich bis jest gewaltig irrte. — 
Darf ih. Sie um. Shren Nahmen bitten, ſchönſte 
@ignorat | 
Bianca mis niedergefehfagenen Augen und Errdthen.) 
Martella Bonaventuri. on 
Mondr. Sch firitt geftern erft nit einem Eng⸗ 
länder; ob Welihland oder Brittannien die größten. 
weihlihen Schönheiten erzeuge ? — Jeder von uns 
blieb, wie gewöhnlich, bey feiner Meinung. — Wie 
unendlich bedaure ich nun, daß er fhon heute früh 
abgereifet ift! Ein Blid, sın Bild pon Ihnen entſchiede 
gewiß unfern Streit, und ic) würde Gieger fepn. 
Bianca. Euer Erzelenz,.meine Beſchäniung — 
meine Selbſtkenntniß — vergeben ie, wenn ich, fo 
‚niedrig als ih bin, Sie doch ;u bitten wage, daß 
Ihr ſchmeichelhafter Spott meiner fchonen möge. 
Sign. Spott? Nein gewiß, meine liebe Frem⸗ 
de, mein Gemahl ſchmeichelt nicht, und fpottet noch 
‚minder; er ſpricht nur wahr! Zehn Jahr friiher würde 
ich, fo ſebr ich Sie auch liebe, mich wohl gehüthet haben, 
ſeinen Beſuch in Ihrer Gegenwart anzu⸗ 
nehmen. U 
Mondr. Und ic bin viel zu wabhrheitsliebend, 
ald Ihrer Vorſicht nicht die Grünplichfeit einzuräumen. 
— Aber Fremde fügten Sie, tiebe Gemahlinn? — 
&ignora find alfo eine Fremde? 
Bianca. Eine Venetianerinn von Geburt, aber 


won 126 um 
feit meiner Heirath Ihrer großherzoglichen Durchlaucht 
demüthigſte treuefte Unterthaninn. 
Sign. But, daß Sie mich daran erinnern & 
(Zum Gemahl.) Mein Befter, unfere Freundinn wünſcht 
dem Großberzog eine Bittfchrift überreichen zu dürfen. 
Ich habe ihr zur Unterftügung berfelben fhon alle meine 
geringen Kräfte zugefagt, und ich zweifle nicht, daß 
fie auch auf die Ihrigen wird rechnen Eännen. 
Mondr. DO gern, fehr gern! Man bat noch Eein 
Beyſpiel, Signora, daß die Grazien eine Zehlbitte 


! 


gethan hatten. Mein ganzer Wille und nrein ganzes 


Vermögen ift Ihnen beyzuſtehen erböthig; und Das 
nicht bloß, weil. Sie es jo fehr verdienen, fondern 


weil ih aud im Voraus überzeugt bin, (mir bedentendem 


Btide) daß meinem gnabigiten Heren Ihr Anbringen 
nicht miffallen werde. Sagen Sie mir daher frey her⸗ 
aus, Signora, um was foll id Seine Durchlaucht 
in Ihrem Nahmen bitten? 

Bianca (etwas verlegen.) Im was? — Um was? 
— Wahrlich diefe Frage, fo billig fie feyn mag — — 
(ſich faſſend.) Entfhuldigen Sie mich, edelfteer Mann, 
wenn ich, wiewohl mein Herz vom Gefühle Ihrer 
Huld überfließt, doch freymüthig zu bekennen wage: 
Mein Anliegen kann nur einzig Ihro Durchlaucht felbft, 
ohne Zeugen und aus meinem eigenen Munde, vers 
nehmen. — &o gewiß mir Ihre Großmuth für die Lau⸗ 
terkeit Ihres Verfprechens gutfagt, fo it doch Dieß, 
was ich wünſche, das einzige Geheimniß, weldes ich 
felbit vor den enrfhiedeniten Zierden der Menſchheit, 
nur ver meinem Fürſten nicht, verfhweigen muß; und 
Alles, warum ich flede, iſt eine Audienz bey Weiner 
Durchlaucht. 


won 127 mm 


Mondr. Und Dieß alles foll Ihnen gewährt were 
den! &o- beleidigend ein ſolches Mißtrauen vieleicht 
in jedem andern Munde für mich feyn würde, fo foll 
doch keineswegs dadurch mein Eifer für Sie erkalten. 
uͤbermorgen um dieſe Zeit, aufs laängſte gerechnet, ha⸗ 
- ben Sie ficher ſchon Gehör gehabt, dafür ftehe-ich She 
. nen mit meinem Kopf und Leben. — (Mit laͤqelnder ger 
beimnißvoiier Miene.) Und vielleicht wechſelt dann bie 
Ordnung des Bittens und Gewährens Eünfe - 
tighin unter ung Beyden ab. 

. Bianca Uetreten.) Euer Ercellenz, dieſe dunkle 
Sprache — 

Mondr. Wird Ahnen bald licht werden, ſchöne 
Bonaventuri! (Nach der Uhr ſehend.) Aber jetzt rufen 
mich meine Geſchäfte. Nie vielleicht waren ſolche mir 
laͤſtiger; aber doch muß ich gehorchen. Leben Sie wohl! 
(Bene mit einer hoͤflichen Berbeugung ab.) 

Bianca vie fid auf einen Augenblick niederfeht, und 
ihr Geſicht mit der hohlen Hand verdedt.) Ha! beynahe möchte 
ih Dieß alles nur für einen füßen Traum halten. 

, Mutter (fie freundtih auf die Achfel Flopfend.) Nicht 
doch, liebe Tochter, nicht doh! wir wachen! Oder 
wenn Dieß bloß ein Luftgefpinnft feyn follte, — guter 
Gott! dann wollte ih beine ganze liebe Wirklichkeit 

dafür bingeben. — Doch es wird Zeit, uns Em, Cr: 
cellenz wieder zu empfehlen. 

Sign. Empfehlen? Weggehen, gute Mutter, 
werden Sie fagen wollen; weggehen, um bald wieder 
zu kommen. Sch liebe jene Umftande nicht, fo febr 
auch mein WBaterland fonit das Vaterland der Ceremo: 
nien zu ſeyn pflegt *). — Aber ehe Sie Abſchied neh: 





) Ich hoffe, man wird nicht vergeſſen haben, daß Mondraa 
gone fpanifcher Abkunft war. 


en ARD 44 

men, muß ih Ihnen doch noch einen Theil dieſes Pal⸗ 
laſtes, unſers Gartens und der verfchiebenen Kunſt⸗ 
werke in Beyden zeigen. Vielleicht, daß Ihnen Einiges 
davon gefällt. 

Bianca, O daran zweifle ich nicht; nur — 

Sign. (einfaliend : mit angenommener Dienffertigfeit.) 
Ich verfiehe! — Ihre gute Mutter wird bereits vom 
Alter ſchwach zu Zuße geworben feyn. Aber eben deß⸗ 
balb mollte ich fie bitten, unfer indeß bier zu ware 
ten. Es werten fogleich Erfrifhungen hergebracht wer« 
den. Kürzen Sie fi) mittlerweile, fo gut ald möglich, 
die Zeit damit! 

Mutter. Nicht doch, Euer Excellenz! — Dem 
Himmel fey Dank, noch — 

Sign. (einfaltend.) Nein, nein, Eeinen Zwang! 
Sn einem Viertelitündchen fehen wir und wieder. (Nnimmt 
hurtig Bianca und geht mit ihr ab.) 





Es war natürlich, daß bey ſolchen Maßregeln die 
gute alte Bonaventuri, fo gern ihre Neugier Alles 
mit befehen hatte, zurücdbleiben mußte. — Die fhlaue 
Spanierinn führte nun Bianca dur eine Menge 
Zimmer, immer Eines prächtiger ald dad Andere. Aber 
die Ruhmredigkeit der Dame felbit, und die beyrällige 
Bewunderung Bianca's wird man hoffentlidh wieder 
dem Erzähler fhenken. Genug, daß Bianca allerdings 
mande ſehr ſchöne Saucen ;u ſehen befam, und daß 
fie ſolche ſämmtlich mit Verſtand beurtheilte, unters 
fhied und lobte, 

Sign. (na einem fangen Herummandern.) Ahr Bey⸗ 
fall fhmeichelt mir unendlih; denn bie Art, mit der 

j &ie 


—E 


vvv 129 —XRX 
Sie ihn geben, bezeichnet die Kennerinn; und die 


Anordnung in allen den Gemäcern, die wir zeither 
ſahen, war, ohne Eigenliebe gefprochen, von meiner 


. eigenen Erfindung. — Gleichwohl habe ich es gemacht, u 


wie⸗es gewöhnlich nur die Dichter und Redner zu mas 
chen pflegen: ich Habe das Vorzüglichſte bis zuletzt 
aufgefpart. Alle Zimmer, die wir bisher durchſchlüpf⸗ 
sen, zufammengenommen, Foften kaum halb fo viel, 
als diefes einzige Cadinett. (Sie öffnet die Thür eines ſehr 
prachtizen Cabinetts. Diefed foll, wenn unfer einziger 
Sohn von Reifen zurückkehrt, und die Heirath mit 
einer naben Anverwandtinn unfers gnädigfien Herrn 
vollzieht, fein Schlafgemach werden. Auch verwahre 
‘ich hier Aller, was mir Eoftbar und werth iſt. (Sie ers 
öffne einen ſehr ſchönen Schrant.) Sehen Cie bier diefe 
Aumelen! Ich glaube nit ruhmredig zu fpreden, 
wenn ich fage, daß vielleicht manche Fürſtinn Dieß nich 
aufzuweifen vermöchte. 


Bianca So wie es gewiß auch mande Für: 


flinn geben dürfte, die diefes Beſitzes minder würdig 
wäre! 

Sign. Holde Schmeidlerinn! — Aber verzies 
ben Sie einmahl hier ein Paar Augenblicke allein?! 
»Ich will Ihnen nur einige Kleidungsflücde von ganz 
neuer Erfindung hohlen, um zu fehen, welden Anzug 
Sie wohl für meine Bildung am vortheilhafteiten Hals 
ten. — Vertreiben Sie ſich indeffen die lange Weile 
durch Auslefung eines Andenkens in diefem Schranke, 
Diejenige Zuwele, die Ihnen am .beften gefällt, ſey 
beitimmt, Sie an meine Freundfhaft zu erinnern. 
(Geht ſchnell ab.) 

Bianca (die ihr einige Augendtide verwunderungeron 

Meißners Bianca Cap. 1. Thl. | 3 


. wen 130 mm”, 
aachgeſehen hat.) Sonderbar ! Was fol ich von dieſer 
außerordenilichen Herablaſſung, von diefer Überbäus 
fung mit Anerbietbungen, Schmeicheleyen und Wohle 
- thaten denken ?— Eine Dame aus der großen Welt, 
und diefes Betragen 8 Unerhöre! — Uneigennügigkeit, 
Menfhenliebe und Freundſchaft, — Eigenfchaften, bie 
man fo fhwer einzeln findet — Tugenden, die fo fels 
ten den geringern Claſſen der Menſchen, und noch feltes 
ner den Großen und Mächtigen diefer Erde zu Theil - 
werden; fol ich nicht ſtaunen? fol ih eu trauen, » 
da ich euch jegt ‚im Pallaft eines Hoflingsd und einer 
Hofdame finde? — (Keine Paufe.) Und doch! welchen 
Nutzen könnten fie jemahld von uns zu erfhleichen hof: 
fen? Von und? Von diefer auferften Armuth? — 
(Mit einem Blick quf die Juwelen) Gute Signora! glaubft 
du vielleicht, daß der Anblick ähnlicher Koitbarkeiten 
mir fo ganz fremd fey? daß ich mit ihnen fpielen foll, 
wie ein ‚Kind mit einem noch nie gefehenen bunten 
Steinchen? Ad! es gab eine Zeit, wo — (Aer Schmerz 
unterbricht fie eine Minute lang.) Auch das Haus der Gas 
pello hatte der Eoftbaren Gemählde, der reichen Tape— 
ten, der Prunfgefhirre und Juwelen — (Sie fäpıt ers 
ſchroden zufammen, weit fie hinter fi ein Geräuſch hört.) Hu! 
wer — (Indem fie ſich umfieht , fieht fie den Großherzog, der 
durch eine verborgene Seitenthür focben bereingetreten ift.) Gott! 
was ſehe ich? 

Groß h. (mit verbindlichſtem Tone und Blid.) Eine, 
Perſon, die wenigſtens nicht die Abſicht hatte, Sie zu 
erſchrecken. 

Bianca (beſtürzt halb wor fi.) Er iſt es! Er iſt 
es! — Ha! nun erkenne ih, wo id bin — — (fig 
pn zu Füßen werfend.) Ew. Durchlaucht — 


7 


wen 131 ned 

Grob: (fie ſanft aufbeben wollen.) Stehen Si - 
auf! Ich bitte Sie. 

Bianca (tegen Steisend.) Nein! Nicht eher, bis 
Sie mid ange hört, bis Sie mich erhört haben. — 
Sch Tiege jegt zu den Füßen eines Zürften, ber über 
viele Zaufende herrſcht, den aber noch weit mehrere 
Zaufende lieben und ehren: O mein Fürft, gönnen 
Sie mir, auch mir, Ihrer demüthigften Selavinn, 
noch ferner dad Glück, meine Stimme mit bem allges 
meinen Chor zu Ihrem Lobe vereinen zu konnen! Diefe 
fhnelle Erſcheinung, der abgelegene einſame Ort, wo 
ich mich jegt befinde, die Umftände , die ellen Diefem 
‚vorher gegangen find; die Einladung, die mich hierher 
gebracht hat, der Blick Ihres Auges — o Prinz, id 
fürdte mich zu geflehen, was ich nach alle Dem be⸗ 
ſorge. — 

Großh. taͤcheind.) Und was beſorgen Sie! 

Bianca. Was ih mih zu nennen fheue: 
was vielleicht ſchon Sünde iſt, es nur gedacht zu ha⸗ 
ben. — (Mit geſlammelter Stimme.) Doch nein, nein! Ich 
beſorge nichts. Ein unglückliches Verhän niß raubte 
mir Stand, Vermögen, Sreundinnen, Altern, Bar 
terland , Alles, Alles! nur meine Ehre nit. Sie. 
allein ;und die nicht ganz unverdiente Liebe meines 
Gatten find mein jegiger Reichthum; aber auch ihn ver» 
tauſchte ih nicht um Zepter und Purpur. — Vater 
Ihres Volks, Gnädigfter unter der Heinen Zahl, des 
nen Bott einen Thron, und, was nöd) feltener ift, 
ein Herz, diefes Thrones würbig, verliehen 
bat! Sie beſchwöre ich jegt bey diefem Ihren oberften 
Lehnsherrn, erhalten Sie mir jenen einzig übriggeblie= 
benen Schatz! Sorge für dad Glück ber Unterthanen, 

| 32 


vorn 132 vo... 


Wachſanikeit für die ſchwaäͤchere Unſchuld geböten ia 
unläugbar zu den Hauptoflichten eines Regenten. Was 
aber iſt ſchwaͤcher, als ein Weist Was iſt verletzba⸗ 
rer, als ihr guter Nabme? 
Großh. (indem er ne aufpebt.) Stehen Sie auf! 
Ohne Zurdt, edle Ihöne Frau, ſtehen ie auf, wenn 
ih anderd auf Ihre Bitte antworten ſoll! — Nicht 
Shre Ehre zu beſtricken, vielmehr fie noch zu vere 
größeren, kam ich hierher; aber wäre ich auch gefoms. 
men, in welder Abjiht man immer wolle, fo würden, 
ſelbſt beym fhwärzeiten Entwurf, diefe Ihre Worte 
meine &eele durhdrungen, meinen Willen gelenkt ha— 
ben. — (Bianca bey der Hand ergreifend, die immer unruhig 
nach der Thür Hindlidt, und fih wendet.) Ruhig, Signora, 
ruhig! Trocknen Sie dieſe Thraͤnen! Jede, aus fo fchd« 
nen Augen vergoifen, würde mih noch auf dem Todbetie 
drüden. Ih habe Ihnen ja mein fürftlihes Wort ges 
geben, und ich hoffe, diefe Bürgichaft ift noch unbe⸗ 
fholten und fider. 
| Bianca. O! fo fiher, wie die Worte einer 
himmliſchen Erfheinung. Aber die Tugend einer Bat 
tinn muß nicht Schuld allein, fie muß auch felbit 
den Argmwohn zu vermeiden ſuchen. Criauben Sie 
mir daher — 
Großh. (ibr den Weg vertictend.) Nein, Signora, 

verziehen Sie noch einen Augenblick! Allerdings nice 
ein bloßes Ungefähr, fondern eine Abſicht — nur Feine 
fo gefährlihe, wie Sie argwohnen — bringt mic) 
hierher. Sch erfuhr von Mondragone: daß eine derteis 
zendften Slorentinerinnen ſich unverfhulber in Noth 
und Dürftigkeit befinde. Seine Echilderung weckte 
meine Neugierde und mein Mitleid zugleich. Sch wollte 


— 133 and ‘ 


felbſt hören, felbit fehen; und ich base nun genug ge⸗ 
fehen, genug gehört, um in Ihnen die Zauberinn | 
wieder zu finden, die mich neulich ſchon faſt vom Roß 
herabgeworfen hätte, und der id mich jegt zu ihrem 
eifrigften Befchüger für nun und immer anbiethe. — 
(gäweind.) Sie wiffen, ih vermag etwas in Slorenz. 
Es kommt bloß auf Sie an, Fünftig Gebrauch von dies 
Tem Etwas zu maden. Sie Eönnen gewiß feyn, daß 
mein Betragen gegen Sie an Huld und Anftand ſich 
ſtets gleich verbleiben wird; nur eine einzige Bedingung 
verbinde ich damit; die, daß Sie mir die Erlaubniß 
geben — Sie zu lieben. | 
Bianca (urückweichend.) Mich lie ben! Trügen 
mich meine Sinne, oder vergeſſen Eure Durchlaucht, 
mit wem Sie ſprechen, und wer Sie ſind? — Ein 
Fürſt, entſproſſen aus dem edelſten Blute, vermählt 
mit einer Kaiſerstochter! — Und ich, ich, vielleicht 
die Dürftigfte in Ihrem ganzen Gebietbe! — Selbſt 
diefe geringen Kleider find erborgt; find noch viel zu 
Foftdar für meine Armuth und Erniedrigung. 
Großh. Was thut Stand zur Liebe? Sit fie 
nicht die einzige Leidenſchaft, die, erhaben über allen 
thoͤrichten Rangſtreit, nur auf den Werth des ge 
fundenen Schatzes ſieht, und den Ort nicht achtet, 
wo ſie denſelben fand? Gleicht ſie nicht auch darin 
dem Weſen aller Weſen, daß vor ihrem Thron der 
Edle und der Bauer, der König und der Sclave, 
gleichviel gelten? — Aber weg mit allen Spitzündig— 
keiten, allen Bildern! Wozu ward mir Überfluß, 
als ihn da zu nügen, wo fih unverdienter Man- 
gel finden? Ein einziges gewährendes Wort von Ihr 
nen, fehönftes Weibchen, ‚und ich will dieſe ganze Are 


—W 154 won 

muth, diefe ganze vorgebliche Niedrigkeit in Glanz 
und Reihthum verwandeln. Grafen follen den Saum 
Ibres Kleides küſſen; was Kunfl, was Pracht und 
Fleiß vermögen, fol zu Ihren Füßen liegen; Gold 
und Juwelen — 

Bianca (einkallend. Gott! Gott! Welche Spras - 
che muß ich hören! Daran nur gebrachs noch, um den 
Becher meines Leidens voll zu maden. — Nein, Eure 
Durchlaucht, auf alle diefe Anerbierhungen habe ich 
Eeine Antwort. Soon der Eleinfte Lan würde Vers 
brechen, w ürde Verletzung meiner ebelichen Pflichten 
ſeyn. — Und Erwiederung dieſer Geſinnungen? 
Nein, Monarch! So mächtig Sie auch find, fo viel 
gebricht Ibnen doch noch zu dieſer Allmacht! Nicht 
dieſe reiche Stadt, nicht dieſes Land, ſelbſt gan; Eu⸗ 
ropa nicht, kann mein Gewiſſen ſchweigend machen, 
kann meine Pflicht beitenen. — Ach habe einen Ges 
mabl; bab’ ihn felbft gemählt; fhwur ihm Treue les 
benslang, und halte ihm diefeloe. Sein Herz iſt mein 
ganzer Reichthum. Was ihm das Meinige iſt, weiß 
ih zıvar minder gewiß; aber nie werde ich dasfelbe zwi⸗ 
fhen ihm und einem Andern theilen. Selbſt Sie, mein 
Fuürſt -- felbit Sie ind zwar der fhönitte Mann — 

Großh. Scmeicheleyen, Eignora! 

Vianca. Schon meine jetzige Lage verbiethet 
fie, Und ſtarker noch mein Herz; aber was .ich ſagte, 
iſt Wahrheit, und ich wiederhohle es. Selbſt Sie, 
mein Furſt, ſind zwar der ſchoͤnſte Mann, den ich je⸗ 
mahls ſah: die Liebe unſers ganzen Gefchlechts könnte, 
auch obne Thron, Ihnen nicht entſtehen; aber eher 
regne es Flammen vom Himmel auf mein Haupt her⸗ 
eb; eher werde das Schickſal finnrei in Erfindung 


woran 55 FRE 


nener unerbörter Qualen gegen mich, ehe ich sich 
das fhimmerndfte Glück auf Koften meines Gatten era 
faufe ! 

Großh. und dennoch werden Sie mich an Fort⸗ 
ſetzung meiner Liebe nicht hindern können — Wenn 
wahre Liebe ſich auf Verehrung der Tugenden iM dem 
gelietten Gegenitande gründet, wo foll ich dann flärs 
tern Grund zu diefer mächtigen Neigung‘ finden, als 
bey Ihnen? Was hätte dann glühender meine Zärts - 
lichkeit anfachen fonnen , ald unfer heutiges Geſpraͤch! 
— Die Folge ſoll mich rechtfertigen , ob ich auf Koſten 
Ihres Gatten mih um Zhr Herz beitrebe; fie foll be- 
weiſen, wie aufrichtig der Antheil fey, den id an Ihr 
rem Glück und Shrer Rube nehme. Vielleicht, daß — 
aud Sie dann, wenn Ihr Wahn verjchloindet, ein 
günftigeres Urtheilüber mich fprechen ! Leben Sie wohl, 
und verzeihen Ste mir, ich bitte nochmahls darum, 
diefe Überrafhung ! Daß fie Ihnen nicht Furcht, , niche 
Schmerzen bringen follte, brauche ich nicht erft zu far 
gen..Man macht ja Derjenigen nicht gern den Beinften 
Kummer, mit der man gern Alles‘, was man nur 
kefigt, und wäre es auch felbft das Leben, theilen 
möchte. (Seht mit einer vöflichen Verbeugung ab.) 

Bianca. callein) Ha! daß meine Sinne dieß 
Mahl treuer, als ich felbft vermuthete, mit ihrem Bes 
wußtſeyn mir blieben! daß ich nicht in Todesohnmacht 
hinſank, als das Räthſel mit geföfet ward, dafür, ba= 
für empfünge meinen Dank, Mutter des göttlichen 
Sohnes!'— (kleine Paufe.) Dieß ,. Dieß alfo der Grund 
von jener mir unerklärbaren Freundſchaft? Dieb das 
Geheimnis , auf welches jene dunkeln Worte des 
fürſtlichen Kupplers vom Abwechſeln im Bitten 


. V 


PAY YYN ı 56 essie 


und Bewähren zielten! — Gich niederwertend auf& _ 
Rnie, mit gefalteten Händen.) Ewige Vorſicht! wäre es 
wohl möglich , dag du haſſeteſt, wie Menſchen halfen ? 
Und menn ed wäre, was that id Krmfte dir, daß dich 
der Gegenitand‘ deines Haſſes ward ? (Huffpringend.) 
O, ich fühle fie.nun, armer, beleidigter Water, ich 
fühle fie nun, die Folgen jenes ſihrecklichen Fluches, 
den du wahrſcheinlich deinem entlaufenen Kinde nach⸗ 
ſandteſt! Aber wenn tu wüftelt, wie unmillkürlich 
ich fiel; wußtelt, wie tief ich jest büße; du widerrier 
feit diefen gerechten und nur allzu erhörten Fluch. — 
(finige Augendlicke nachdenkend.) Eine fürchterlihe Verfur 
Hung ! (Mit Enktſchloſſenbeit. Aber nein, nein! Eheliche 
Zreuefey mir heilig! beiliger, ald ed die Kindespfliche 
war — Bor der Liebe ſchweigt fo gern jede andere 
Empfindung ; vor dem Ehrgeiz, vorber Eitelfeit 
foll die Tugend nicht fhweigen. — Capello's Tochter 
Eonnte die Oattinu eines armen Sünglingd werden ; 
aber tie Bepfchlaferiun eines Fürſten wird fie nie! Er 
kaufe ſich Dirnen zu biefer ſchimmernden Schmach, 
in deren Adern Eein fo edles Blut als in den meinigen | 
fhlagt! — (Sie Hört ein Geräuſch.) Ha! wer kommt — 
"wenn er wieder — Nein, fie iſt's! Sie, die Elende, 
zu alt für die Sünde felbft: aber nit zu alt, fremde 
Sünden zu fördern. (Signora Mondragone tritt herein.) 
Sign. Mondr- Ich bitte um Entfhultigung, 
liebes Weibchen, wenn id) vielleicht ein wenig zu fange 
— Aber was fehle Ihnen denn? Sie find fo bloß, fo 
beftürze. — Eind Cie etwa krank? 
Bianca. (mit Falten fpöttifhen Tone) O nicht 
doch! Ein wenig betreten nur. Freylich kin ich noch fe 


N 197 . wen 
wenig daran gewoͤhnt mit regierenden Aduptern zu - 
fpreben, dag — 

Sign. Mondr. Gerwunderungsvell einfallend.) 
Miet Was ſagen Sie? Sind’ Shro Durdlaudt au 
in diefem Zimmer gewefen? 

- Bianca. (mit immer ſichtlicherem Unwillen.) E3 gibt 
Fragen, Signora, auf welche man die Antwort vor: UL 
ber fhon weiß, che man nod fragt. 

Sign. Mondr. (im unbefangen feinenden Tone.) 
Wenigſtens, wenn es gefheben ſeyn follte, dürfte e6 
Sie nicht befremden. Sm Umgange mit meinem Ger. 
mahl mehr Freund als Regent, befannı mit jedem 
MWinfel unferd ganzen Gebaudes r pflegt Großherzog 
Kranz uns hier oft ohne die geringfte Vegleitung zu. 
befuchen; bat mid und meine Gefellfhafterinnen in 
dieſem nähmlichen Cabinett ſchon oft auf das unvermus 
thefte überraſcht. — Eine Gewohnheit, von der ih 
Sie aber freylich wohl hatte unterrichten follen! 

Bianca. (wie vorhin.) Freylich wohl! denn erra⸗ 
then läßt fie ſich kaum, und mir kam fie aͤußerſt uner⸗ 
wartet. 

Sign. Mondr. Sande; was thut auch uͤber⸗ 
vafchung feiner Seits, und ein wenig Schüchternheit 
auf der Ihrigen bey einem Herren, der fo gan, mit 
ollen Denen, die ihm aufitoßen, als ein Menſchen⸗ 
freund „ als Gleicher mit Gleichen umzugehen pflegt! — 
Haben Sie die Zeit genügt, ihm Ihr Anliegen vor⸗ 
zutragen? 

Bianca. Nein, gewiß nicht. 

Sign. Mondr. Das iſt Schade! die Gelegen⸗ 
heit war ſo günſtig. Indeß ſteht es auch nur bey Ih⸗ 
nen, wenn er Zie wieder ſehen, wieder anhören ſoll 


ww 138 — 


— (Keine Pauſe, worin fie ihre Verlegenheit zu verbergen 
tuyi.) Kam er denn gleich darauf her, als ih Sie al⸗ 


lein gelaſſen hatte? 
Bianca. Sogleich darauf, als waͤre es abge⸗ 
redet worden; kaum zwey Minuten ſpaͤter! 


Sign. Mondr. Und hatten Sie vielleicht dieſe 
zwey Minuten vorher dazu angewendet, ſich hier ei⸗ 


ne Juwele auszuſuchen? (Indem fie folche wieder zun⸗ 
Schranke hinführen will.) 

Bianca. (ſich mit verädtlidem Blide loswindend.) 
Was ſollte ich mir hier wählen? Was nur mir wün⸗ 
ſchen? In dieſem ganzen Zimmer fehe ih nun nichts, 
was mir nicht unecht und trügerifh vortame. — IK 
emviehle mid Ihnen, Signora; denn es ift Zeit, 
daß ih meine Mutter wieder auffuce. - 

Sign. Mondr Ihre Mutter! — Ab! fo 
eben wollte ih es Ihnen fagen, daß fie nicht länger 
unten verziehen wollte, und daß ich ihr daher meine 
Caroſſe bereitd gegeben habe. 

Bianca, Vortrefflih! Pflegen Sie Die oft im 


ähnlihen Fallen zu thin ? Hofften Sie, dab ih länger. 


noch in diefem niedlichen Cabinett Seiner Durchlaucht 
Geſellſchaft Leiten würde? — Aber leben Sie wohl! 
Ich finde hoffentlich auch zu Fuße den Weg nad unfes 
ver Wohnung. 


Sign. Mondr. So verziehen Sie bob nur 


noch ein wenig! In ein Paar Minuten ift ja mein ans 
derer Wagen angefpannt. 

Bianca. Den vielleihs Ihro Durchlaucht auf 
feinem Heimwege brauchen dürfte. Vergeben Sie 
mir, wenn ih gebe. Die Hochachtung, mit ber 
ih Eam, war ohne Maß: wie diejenige Empfindung 


vena 159 w. 


iſt, mit welcher ich ſcheide, bedarf nicht erft gefagt zu 


werden. (ab.) 

Sign. Monde. Gahaha! das wahre leibbaf⸗ 
tige Bürgerweib! Noch fo züchtig und tugendhaft, 
als wenn fie das erſte Mahl am Beichtſtuhle kniete! 
Aber Geduld nur! Diefe Tugend wird bald ſich fügen, 
wie das Gold in ber Münze, das, in der Gluth ge⸗ 
ſchmolzen, dann jeglihen Stämpel annimmt. Zwar, 
daß fie einem Fürſten, "und zumahl einem fo liebrei- 
genden Mann, den erften Sturm abfhlug — Das kann 
fhon fur ein mertwürdiges Abenteuer gelten. Doch 
wenn fie beharrte auf diefem Trog, auf diefer elenden, 
unerfprießlichen Tugend — wahrlich, das wäre felhft 
für ein Wunder zu fabelhaft! Dann wollte ich eher 
glauben, daß einft die Eonne ſtille ſtand, um zehn⸗ 
oder zwanzigtaufend Menſchen mehr abgeſchlachtet zu 
erblicken. (ah.) 





Bianca, als ſie nach Hauſe kam, fand ihre Mut⸗ 
ter wieder in der lobpreiſendſten Erzählung von allen 
ben himmliſchen Dingen, die fie gefehen und genoffen 
hätten. Bonaventuri zwar fragte beforgt: Warum feine 
Gattinn nit mit zurück Eomme 8. aber die Verficherung : 
daß fie bald nachfolgen würde; daß fienur noch erit mit 
der Dame vom Haufe alle möglihen Schönheiten dies 
ſes unglaublidy Eoftbaren Pallaſtes bzfehen wolle, und 
daß Jene fie felbft in ihrem Wagen hierher zu beglei⸗ 
ten verfprochen habe, beruhigte ihn, wenigfiend zum 
Scheine wieder; und indem fie noch darüber ſprachen, 
trat ſchon Bianca ſelbſt zur Thür hinein. 


— 140 —X 

Bonav. Nun, meine Liebe? 

Vater, Mutter | 

(ine enrgegeneitend. ) 

Bonav. (ipe zärtlich um den Held ſallend) Wie 
ging's indeß meine Liebe ? 

‚ Mutter Haſt du noch feitdem u viel Neues ger 
feben ? 
Bianca, (feufzend.) Mehr, als ih dachte! 

‚Mutter. Wirklich? Ei! Ei! 

Bianca. (ipren Gatten umarmend,) O mein Lieber ! 
o mein Theurer! Florenz ift nicht der Ort, wo un« 
fere Verbindung gedeihen, unfere Ruhe gefichert blei« 
ben Eann! Tief — tief wird zwar did und mid die 
Trennung von fo gütigen Altern fhmerzen. Dod ein 
furdtbares Wetter fteigt, über und empor. — Laß ung 
fliehen, bald fliehen, weil ein längerer Verzug uns 
Beyden gefährlih, wo nicht tödtlich werben könnte! 

Bonav. (erxſchroden) Wie? was? Bianca! Verr 
ſtehe ih dich? Was ift dir begegnet? 

Bianca. ZH base ihn beſchen; ich babe ihn 
geſprochen! 

Mutter. Je wen denn? wen denn? 

Bianca. Den Großherzog. 

Alle. Den Großherzog! 

Bonav. Ha! und er hat beine Bitte um einen 
Srepheitsbrief dir abgefhlagen? — (Bianca ſchlingt fi 
ſchluchzend um ihn.) Nicht wahr? Du fhweigft! — du 
bejabft dur dein Schweigen ? 

Mutter. (die Hände zufammenfhlagend.) Lieber, 
beiliger Gott ! Wer hätte fih nun wieder, nad fo - 
fhöner Hoffnung, den Querſtrich vermuthen follen $ 


Nun, meine Tochter ? 


ww 3% 41 


Bonav. (fe aufrihtend, ihre thränenden Augen küf: 
fend.) Bianca, meine Liebe, rede! Warum fol ich 
nit auch hören, was du hören mußteft? Warum 
‚nit auch Dieß dir tragen helfen, die du mit mir fo 
viel tragt? — Du ſchweigſt ımmer noch! Diefer 
fiumme Gram foltert mich zweyfach; rede! - | 

Bianca. (chtuchzend.) Das kann ich nicht! Das 
nügt dir nicht! Genug, um unfere Eiherbeit, um 
das Glück unfere Liebe gu friften, müſſen wir fliehen. 





= — 


. Sieriß ſich hier loß, eilte in ihre Kammer ‚und 
warf fi mit abgemandtem Antlıg auf ihr Luger. Bo⸗ 
naventuri, der ihr nadhfolgte, drang mit vielfältigen 
Sragen vergebens in fie. Aus Furcht vor feiner hefti— 
gen Gemürhaart, ja vieleicht ſelbſt dor ſeinem Arg⸗ 
wohn — denn die Zeit, während welcher fie ſich allein 
in Mondragone’s Pallajt befunden batte, Eonnte, in 
den Augen der Eiferſucht, allerdings Schon für eine be= 
trächtliche Zeit gelten — hatte fie auf Dem Heimwege 
fih feft vorgenommen , ihn und allen Übrigen den Kir: 
Bes:Antrag des Fürſten zu verſchweigen, und hielt 
ihren Vorſatz. Nur, daß in Florenz Ihnen Gefahr 
drohe; Dieß wiederhohlte ſie mehrmahls, und Bona— 
venturi hegte daher auch keine weitere Vermuthung: 
als daß ſie um den oft erwähnten Sicherheitsbrief 
gebethen und eine verweigernde Antwort erhalten ba: 
ben werde. | 

Durch Zröftungen mander Art — bald von tee 
Möglichkeit hergenommen, ihren Verfolgern doch zu 
entgehen, bald von feiner Bereitwilligkeit , noch more 
gen mit ihr Florenz zu verlaſſen, bald von dem Hel⸗ 


sn 142 wien 

denmuthe, mit welchem echte Liebe ja felbft dem T 
troge — ſuchte er fie aufzuheitern; und eben, n 
Verlauf einer guten Stunde hoffte er, daß es i 
gelingen würde, eben fingen ihre Thränen nachzu 
fen an , als feine Mutter haſtig in das Gemad | 
einftürzte, und mit einem Mitteltone von Angfl ı 
Verwunderung ausrizf: 

„Pietro, ums Himmels willen, komm bin 
aberaus! Im Zimmer draußen ift eın fremder, 
„ßerſt fein gefleiderer Herr! Er behauptet, daß er: 
„Seiner Durchlaucht hergefhicft worden wäre, ı 
„nothwendig mit dir felbft fprechen müßte,” 

Bianca fuhr erfhroden auf: Pietro fiut 
Sprachlos fahen fie einige Augenblicke ſich wechfel 
tig an; dann waren fie Beyde der Meinung: bi 
. großberzoglihe Auftrag werde — ein Werbhaftsbel 
feyn. Gern hätte Bianca zur Flucht gerathen; dd 
fie verboth füch in Ddiefer Kammer, die nirgends 
nen Ausweg hatte, von felbit. Mit Zittern gin. 
entlih Mutter, Sohn und Echwiegertochter bine 
Aber mit noch weit größerm Eritaunen hoͤrten fit ı 
dem Höflıng, der ein Kammerjunker des Großl 
zogs war, folgende Erklärung: 

„Signor Pietro Vonaventuri, unſer gnadig 
„Herr, der Großherzog Franz, hat von Ihrer Geſch 
„lichkeit, von ihrem Arbeitseifer und von ihrer Ker 
„niß verfdhiedener neuern Sprachen, fo viel Gu 
„und Rühmliches vernommen, daß er, ohnedem «< 
„merkfam auf jedes Zafent in feinen Staaten, es 
„billig achtet, fo mannıgfache Verdienſte nicht ur 
„nügs verroften zu laſſen. Er bedarf eines Seeret 


we 143 —RR 
| „gut Korreipondenz mit dem franzöfifchen Hofe, und 
„has Sie dazu ernannt.” 

Bonav. (verwunderungsvoll einige Sqrritte zurücktre⸗ 
tend). Wie? der Großherzog? Mich? 

Hoftarglie⸗ r. Sa, Signor! — Fuͤnf hbundert 
Zechinen ſind Ihnen einſtweilen zur Beſoldung ausge⸗ 
ſetzt; und ich hoffe, daß Sie dieſe außerordentliche 
Gnade, die wahrſcheinlich nur die Vorlaͤuferinn von 
baldigen weit größern Ebrenſtellen iſt, gehörig zu ſchaͤ⸗ 
tzen wiſſen werden. 

Bianca. (heimlich.) Pa, der ſchlaue Wonäftling! 
Sch fehe ihn Eommen; aber bey meinem Leben, er ſoll 
ſich trügen! 

Bonav. Urtheilen Sie von meiner Empfindung 
nad) der Miene meines Erftaunend, nah dem Unver⸗ 
mögen, meinen Dank herauszuſtammeln! 

Hofc. Eben deßwegen gibt Ihnen unſer guͤtige 
Fürſt eine Stunde Zeit, um ſich zu faſſen und anzu— 
kleiden; dann aber verlangt er Ihren mündli⸗— 
hen Dant. — Leben Sie wohl! Vergeſſen Sie, 
wenn id bitten darf, aud im künftigen Glücke nie, 
daß ich der Überbringer diefer guten Bothſchaft, und 
— ohne mid zu rühmen — auch in verſchiedenen Punc⸗ 
ten Ihr Vorfprecher bey Seiner Durchlaucht gewefen 
bin. (Gehe mit einer tiefen Verbeugung ab.) 

Bianca (bey Leite, Er hat feine Bothen gut zu 
wählen gewußt; fie gleihen ihm! — Der Niederträd: 
tige! der uns wahrſcheinlich nie mit einem Auge ſab, 
erft heute nnfern Nahmen hörte, und dod jetzt den- 
Schutzpatron fpielen will! Wollte Gott, daß ich einen 
andern Vorſprecher nicht allzu gut nür ertiethe! 


WE 5 n 
j 3 
cos 156 ertie 


und Gew ähren ‚zielten — Sich niederwerfend auf's | 
Rnie, mit gefatteten Händen.) Ewige Vorſicht! wäre es 
wohl möglich , daß du hafleteft, wie Menfchen haffen ? 
Und menn es wäre, was that ich Armfte dir, daß dich 
der Gegenitand deines Haſſes ward T (Huffpringend.) 
O, ich fühle fie.nun, armer, beleidigter Vater, ih 
fühle fie nun, bie Folgen jenes ſchrecklichen Fluches, 
den du wahrfiheinlich deinem entlaufenen Kinde nach⸗ 
ſandteſt! Aber wenn du wüßteſt, wie unwillkürlich 
ich fiel; wüßteſt, wie tief ih jest büße; du widerries 
feit dDiefen gerechten und nur allzu erbörten Fluch. — 
(iFinige Augendlide nahdentend.) Eine fürchterlihe Verfur 
bung! (mit Enktſchloſſenbeit. Aber nein, nein! Eheliche 
Treue fey mir heilig! heiliger, als ed tie Kindespflicht 
war!˖ — Bor der Liebe fohmeigt fo gern jede andere 
Empfindung ; vor dem Ehrgeiz, vorber Eitelkeit 
fol die Tugend nicht fhweigen. — Capello's Tochter 
Fonnte die Gattinu eines armen SJünglingd werben ; 
aber tie Bepfchlaferinn eines Fürſten wird fie nie! Er 
Eaufe ſich Dirnen zu dieſer ſchimmernden Schmad, 
in deren Adern kein ſo edles Blut als in den meinigen 
ſchlägt! — (Sie Hört ein Gerauſch.) Ha! wer kommt — 
"wenn er wieder — Dein, fie iſt's! @ie, die Elende, 
zu alt für die Sünde feldft: aber nicht zu alt, fremde 
Sünden zu fördern. (Signora Mondragone tritt herein.) 
Sign. Mondr- Ich bitte um Entfhultigung, 
liebes Weibchen, wenn ich vielleicht ein wenig zu fange 
— Aber was fehlt Ihnen denn? Kie find fo bloß, fo 
beſtürzt. — Eind Eie etwa Frank I 
Bianca. (mit kraltem fpöttifhen Tone.) O nicht 
doch! Ein wenig berreten nur. Freylich kin ich noch fe 


vun 197 . wen 
wenig daran gewöhnt mit regierenden Häͤuptern zu 
ſprechen, daß — 

Sign. Mondr. Gerwunderungsdoll einfallend.) 
Wie? Was ſagen Sie! Sind Ihro Durchlaucht auch 
in dieſem Zimmer gewefſen? 

Bianca. (mit immer ſichtlicherem Unwillen) Ed gibb — 
Fragen, Signora, auf welche man die Antwort vor | 
ber ſchon weiß, che man noch fragt. — 

Sign. Mondr. (im unbefangen ſcheinenden Tone.) 
MWenigitens, wenn es gefhehen feyn follte, dürfte e6 
Sie nicht befreimden. Im Umgange mit meinem Ger. 
mahl mehr Sreund ald Regent, bekannt mit jedem 
Winkel unfers ganzen Gebäudes, pflegte Großherzog 
Franz uns bier oft ohne bie geringfte Begleitung zu. 
befuchen; bat mich und meine Geſellſchafterinnen in 
diefem nähmlichen Cabinett ſchon oft auf das unvermu⸗ 
theſte überrafht. — Eine Gewohnheit, von ter ich 
Sie aber freylich wohl hätte unterrichten follen ! 

Bianca. (wie vorhin.) Freylich wohl! denn erra⸗ 
then läßt fie ſich kaum, und mir kam fie aͤußerſt uner⸗ 
wartet. 

Sign. Mondr. Indeß, was thut auch Über⸗ 
raſchung ſeiner Seits, und ein wenig Schüchternheit 
auf der Ihrigen bey einem Herrn, der ſo ganz mit 
allen Denen, die ihm aufſtoßen, als ein Menſchen⸗ 
freund , als Gleicher mit Gleichen umzugehen pflegt! — 
Haben Sie die Zeit genügt, ihm Ihr Anliegen vor⸗ 
zutragen? 

Bianca. Nein, gewiß nicht. 

Sign. Mondr. Das iſt Schade! die Gelegen⸗ 
heit war fo günſtig. Indeß ſteht es auch nur bey Ih⸗ 
nen, wenn er Sie wieder ſehen, wieder anhören ſoll 


ww 238 — 


— (Reine Yaufe, worin fie ihre Verlegenheit zu verbergen 
Tui.) Kam er denn gleich darauf her, als ich Sie ale 


lein gelaffen hatte! ' 
Bianca. Sogleich daranf, ald wäre es abge⸗ 
redet worden; Eaum zwey Minuten ſpaͤter! 


Sign. Mm ondr. Und hatten Sie vielleicht biefe 
zwey Minuten vorher dazu angewendet, fi bier ein‘ 
ne Juwele auszufuchen ? (Indem fie folde wieder zum 
Schranke hinführen will.) 

Bianca. (ib mit verächttichem Btide toswindend.y 
Was follte ih mir hier wählen? Was nur mirwüns 
ſchen? In diefem ganzen Zimmer fehe ih nun nichts, 
was mir nicht unecht und trügerifh vorkame. — I 
empfehle mich Ihnen, Signora ; denn e$ ift Zeit, 
daß ih meine Mutter wieder aufſuche.“ 

Sign. Mondr. Ihre Mutter! — Ab! fo 
eben wollte ih es Ihnen fagen, daß fie niche länger 
unten verziehen wollte, und daß ich ihr daher meine 
Caroſſe bereits gegeben habe. 

Bianca. Vortrefflih! Pflegen Sie Dieß oft in 
ähnlichen Fallen zuthun ? Hofften Sie, dab ih länger. 
noch in diefem niedlichen Eabinett Seiner Durchlaucht 
Geſellſchaft Leiten würdet — Aber leben Sie wohl! 
Ich finde hoffentlich au zu Fuße den Weg nad unſe⸗ 
ver Wohnung. 

Dign. Mondr. So verziehen Sie doch nur 
noch ein wenig! In ein Paar Minuten ift ja mein ans 
derer Wagen angefpannt. 

Bianca. Den vielleihs Ihro Durdlaudt auf 
feinem Heimwege brauden dürfte. ergeben Sie 
mir, wenn ih gebe. Die Hochachtung, mit ber 
ich Eam, war ohne Maß: wie diejenige Empfindung 


my 159 wre 


At, mit welcher ich ſcheide, bedarf nicht erſt geſagt zu 


werden. (Gab.) 


Sign. Mondr. Gahaha! das wahre leibbof⸗ | 


tige Bürgerweib ! Noch fo züchtig und tugendhaft, 
als wenn fie das erite Mahl am Beichtſtuhle Eniete ! 
Aber Geduld nur! Diefe Tugend wird bald fi fügen, 
wie das Gold in der Münze, das, in der Gluth ges 
ſchmolzen, dann jegliden Stämpel annimmt. Zwar, 
daß fie einem Fürſten, “und zumahl einem fo liebrei- 
genden Mann, den erftien Sturm abſchlug — Das fann 
fbon fur ein merkwürdige Abenteuer gelten. Dod 
wenn fie beharrte auf diefem Trog, auf diefer elenden, 


unerfprießlichen Tugend — wahrlich, das wäre felbft 


für ein Wunder zu fabelhaft! Dann wöllte ich eher 
glauben, daß einft die Sonne ftifte ſtand, um zehn⸗ 
oder zwanzigtauſend Menſchen mehr abgeſchlachtet zu 
erblicken. (a$.) 





Bianca, als ſie nach Hauſe kam, fand ihre Mut⸗ 
ter wieder in der lobpreiſendſten Erzaͤhlung von allen 
den himmliſchen Dingen, die ſie geſehen und genoſſen 
hätten. Bonaventuri zwar fragte beſorgt: Warum ſeine 
Gattinn nicht mit zurück komme? aber die Verſicherung: 
daß ſie bald nachfolgen würde; daß ſie nur noch erſt mit 
der Dame vom Haufe alle möglichen Schönheiten dies 
fes unglaublich Eoftbaren Pallaftes bzfehen wolle; und 
daß Jene fie felbft in ihrem Wagen hierher zu hegleis 


ten verfprochen habe, beruhigte ihn, wenigfiend zum 


Scheine wieder; und indem fie noch darüber ſprachen, 
trat fhon Bianca felbft zur Thür hinein. 


+ 
m 140 0 


Bonav. _ Nun, meine Liebe? 
Barer, Mutter | Nun, meine Toter? 

(ihr entgegeneitend.) 

Bonav. (ir zärtlich um den Held Feld) V 
ging's indeß meine Liebe ? 

‚ Mutter. Haft bu noch feitdem viel Neuep ; 
fehen ? 

Bianca, (feufiend.) Mehr, als ich dachte: 

‚Mutter. Wirklich? Ei! Ei! 

Bi ianca. (ipren Gatten umarmend.) O mein Lieb 
o mein Theurer! Florenz iſt nicht der Ort, won 
ſere Verbindung gedeihen , unfere Nube gefichert bi 
ben Eann! Tief — tief wird zwar did und mid 
Trennung von fo gütigen Altern fhmerzen. Doch 
furdtbares Wetter fteigt, über und empor. — Laß ı 
fliehen, bald fliehen, weil ein längerer Verzug u 
Beyden gefährlich „ wo nicht toͤdtlich werden könn 

Bonav. (eſchroden) Miet was? Bianca! V 
ſtehe ich dich? Was iſt dir begegnet? 

Bianca. Sh habe ihn sehen; ich babe 
gefproden ! 

Mutter. Se wen benn? wen denn? 

Bianca. Den Großherzog. 

Alle. Den Großherzog! 

Bonav. Ha! und er hat deine Bitte um ein 
‚Srepheitsbrief dir abgefhlagen? — (Bianca ſchlingt 
ſchluchzend num ihn.) Nicht wahr?! Du ſchweigſt? — 
bejahft durch dein Schweigen? 

Mutter. (die Hände aufammenfhiagend.) Lieb 
beifiger Gott ! Wer hätte fi nun wieder, nad 
fhöner Hoffnung, den Querjtrih vermuthen fol 


rn 3% 41 vo 


Bonav. (fle aufrichtend, ihre thränenden Augen küſe 
fend.) Bianca, meine Liebe, rede! Warum ſoll ich 
nit auch hören, was du bören mußteft? Warum 
nicht aud Dieß dir tragen helfen, bie du mit mir fo 
viel tragt? — Du ſchweigſt ımmer noch! Diefer 
fiumme Gram foltert mich zweyfach; rede! - 

Bianca. (ſchtuchzend. Das kann ich nicht! Das 
nüßt dir nit! Genug, um unſere Sicherheit, um 
das Glück unfere Liebe gu friften, müſſen wir fliehen. 





= — 


Sice riß ſich hier loß, eilte in ihre Kammer, und 
warf ſich mit abgewandtem Antlitz auf ihr Lager. Bo⸗ 
naventuri, der ihr nachfolgte, drang mit vielfältigen 
Fragen vergebens in fie. Aus Furcht vor feiner hefti— 
gen Gemurhaart, ja vieleicht ſelbſt vor ſeinem Arg⸗ 
wohn — denn die Zeit, während welcher fie ſich allein 
in Mondragone’s Pallaſt befunden batte, konnte, in 
den Augen der Eiferſucht, allerdings ſchon für eine be— 
trähtlihe Zeit gelten — hatte fie auf dem Heimwege 
fi feft vorgenommen, ihm und allen Übrigen den Lie⸗ 
Bes:Antrag des Fürſten zu verfihweigen, und bielt 
‚ihren Vorfag. Nur, daß in Florenz Ihnen Gefahr 
drohe; Dieß wiederhohlte fie mehrmahls,, und Bona— 
venturi hegte daher auch Feine weitere Vermuthung: 
ald daß jie um den oft erwähnten Sicherheitsbrief 
gebethen und eine verweigernde Antwort erhalten ba= 
ben werte. | 

Durd Zroftungen mander Art — bald von tee 
Möglichkeit hergenommen, ihren Verfolgern doc zu 
entgehen, bald von feiner Bereitwilligkeit , noch more 
gen mis ihr Florenz zu veilajfen, bald von dem Hel⸗ 


sn ILS wem 

denmuthe, mit welchem echte Fiebe ja felbft dem Tode 
trotze — ſuchte er fie aufzuheitern; und eben, nad 
. Verlauf einer guten Etunde hoffte er, daß es ihm 
gelingen würde, eben fingen ihre Thraͤnen nachzulaſ⸗ 
fen an, als feine Mutter haſtig in das Gemach her⸗ 
“ tinftürzte, und mit einem Mitteltone von Angft und 
Verwunderung ausrizf: 

„Pietro, ums Himmels willen, komm burtig 
sberaus! Im Zimmer draußen ift eın fremder, Aus 
„ßerſt fein gekleiderer Herr! Er behauptet, daß er von 
„Seiner Durchlaucht bergefhift worden wäre, und 
„nothwendig mit dir felbft fprechen müßte,” 

Bianca fuhr erfhroden auf: Pietro flußte. 
Sprachlos fahen fie einige Augenblicke ſich wechfelfei- 
tig an; dann waren fie Beyde der Meinung: dieſer 
. grofiberzoglihe Auftrag werde — ein Verhaftsbefehl 
feyn. Gern hütte Bianca zur Flucht geratbenz doch 
fie verboth fich in diefer Kammer, die nirgends eis 
nen Ausweg hatte, von felbit. Mit Zittern gingen 
entlih Mutter, Sohn und Schwiegertochter hinein. 
Aber mit noch weit größerm Eritaunen börteh fit von 
dem Höfling, der ein Kammerjunfer des Großher⸗ 
zogs war, folgende Erklärung: 

„Signor Pietro Bonaventuri, unfer gnoͤdigſter 
„Herr, der Großherzog Franz, hat von Ihrer Geſchick⸗ 
„lichkeit, von ihrem Arbeitseifer und von ihrer Kennt⸗ 
„niß verſchiedener neuern Sprachen, ſo viel Gutes 
„und Rühmliches vernommen, daß er, ohnedem aufs 
„mertfam auf jedes Zafent in feinen Staaten, es für 
„billig achtet, fo mannigfache Verdienſte nicht unge⸗ 
„nügs verroften zu laſſen. Er bedarf eines Seeretaͤrs 


— 1 — 


„zur Korreſpondenz mit dem Karaiiner Zur. mm 
„har ie dazu ernannt.” 

Bonav. (verwunterusgis] zurge Eiue gain 
send). Wie? der Großherzegt I? 

Hofcavalier. Sa, Eisser: — Sir mtnz 
Zechinen find Shnen einiweilen ;ur Erieiturg amige- 
fest; und ıh hoffe, tab Sie Ya: ssfermiertks 
Gnade, tie wahrſcheinlich nur die Veriizirzer ıo= 
baldigen weit großern Eirenüelen : n,gdirz ae 
gen wiſſen werten. 

Bianca. Geinliq.) Ha, ter igizue RoMNiẽ 
Sch febe ihn Eommen; aber bey meinen: Feten, a 42 
ſich trügen! 

Bonav. Urtheilen Sie von mern Exrristuss 
nach der Miene meines Erſtaunens, nc Tem Uxzsızs 
mögen, meinen Dant nn 

Hofc. Eben tefwegen gıir Atrın unfer gie 
Fürft eine Ztunde Zeit, um ſich zu 3 falen um: 22,2 
Feiden ; dann aber verlangt er Str wtaiie 
hen Dank. — Leben Sie weht! Yarssärm Zr, 
wenn id, bitten tarf, aud im kuniugen Biüke z:e, 
daß ich der uͤberbringer Liefer guten Rerkigah, zıy 
— ohne mid zu rühmen — auch in verZiekizen Pur 
ten Ihr Vorfprecher bey Seiner Zurzischt geneiis 
bin. (Seht mit einer tiefen Derbeuaung a8.) 

Bianca (den Seite. Er har feine Kerken 5:2 „2 
wählen gewußt; fie gleikenikm! — Ter Wırkesırizs 
tige! der und wahrſcheinlich nie mit einem Aus: iz; 
erft Heute nnfern Nahmen hörte, unt 15% ji u 
Schutzpatron fpielen will! Wollte Gotu, 156 5: 217 
andern Vorfprecher nicht allzu gut nur errisye' 


8O 


— 144 — 

Bonanv. (der ganz flare geſtanden, indeß Vater und 
Mutter HET, den vornehmen Bothen hinaus Begleitet 
haben, ſich endlich gegen Bianca wendet und fie umarmt.) 
O Bianca, meine theure Bianca! Hat jeirgend etwas 
einer Feerey ühnlicher gefehen, als diefe ſchnelle, uns 
begreiflibe Beförderung?! — Welch ein glücklicher 
Wechſel! Welch eine fröhliche Ausſicht! — Und du 
freueſt dich nicht? 

Bianca (mit gegwungenem Lädein.) Allzu unver⸗ 
mutbeter Sreude fehlt ed ja immer am Ausdrud! Die 
gebrach e3 Eur; vorher an Worten; mir will es fös 
ger an Geberden bed Vergnügend gebrechen. — 
(mit roarnendem Finger.) Bonaventuri, mein ©eliebter ! 
Vergiſſeſt bu ganz, daß Gefahr unferm Pfad auflauert ? 

Bonav. Keinesweges! Aber ich hoffe nun, ihr 
bald tie Spitze biethen zu dürfen. 

Bianca. Daß vielleicht ſelbſt Dieß ein Fallſtrick 
unſerer Feinde, unſerer Anklaͤger — 

Bonav. Nimmermehr! Stande es nicht in ſei⸗ 
ner Macht, mich verhaften, mich vor Gericht ſtellen 
zu laſſen? Warum ſollte er mich zu ſich laden laſſen, 
um — Dein, fo handeln die Medicis nicht! So tü— 
kiſch verfährt kein edler Fürſt! Höchſtens die ariſtokra⸗ 
tiſche Schlauheit von Staats-Inquiſitoren Eönnte zu 
ſolchen niedern Wegen ſich herablaſſen. 

Bianca. Und wenn es ihm auch mit ſeinem 
Wohlwollen ein Ernſt waͤre — (wie vorhin, noch ein Mahl 
mis dem Finger ihm drohend) Bonaventuri, Bonaventuri! 
Selbſt wenn dein neuer Weg vielleicht glänzend ſeyn 
ſellte, bedenke es, daß er dann gewiß noqh weit, ſchlüvfe⸗ 
riger werden dürfte! 

Bona⸗ 


essen 145 essen 
Bonav. Laß ihn! Das gute Glück, das mih 
ungebethen auf denſelben führt, wird mich hoffentlich 
auch vor dem Fall zu ſchützen wiſſen, fo lange ich red⸗ 
lich handle; und Das werde ich ſtets thun. 
Bianca. Darauf hoffe ih auch; nur —— 
.Bonav, O jetzt keine Beſorgniß weiter! Jetzt 
nur Freude, nur Anſtalten mich anzukleiden, um dann 
flügelſchnell zu dieſem gütigen Fürſten hin zu eilen! 


Pries dieſer Wonnetrunkene jegt ſchon feinen Ger 
biether, bevor er. noch ihn geſprochen hatte, ſo that er 
es dann wohl noch zehn Mahl ſtaͤrker, als er von der 
Audienz zurüd Eam. | 

Nie harte ein Zürft die ſchwere Kunft, durch eine 
Mittelftraße von Hoheit und Herablaſſung zu bewir⸗ 
ten, daß man nie in ihm den Prinzen zu ehren 
vergaß, und doc immer Inniger no den Menſchen 
liebgemwann, volllommener befefien ald Franz. Je⸗ 
den, der feinem Thron: fih nahte — und Das durfte 
zu beflimmten Zagen und Stunden der Geringfte im 
Volk! — empfing er mit zuvorfommender Güte. Er 
hörte jede Bitte fo aufmerkfam an, als beträfe fie feis 
nen eigenen Vortheil. Konnte er fie gewähren, fo ver« 
doppelte die Art, womit er es that, — indem er, was 
er gab, ſchnell gab, und fich feiner Kraft wohl zu thun 
. nie überhob — den Werth der Gewährung; mußte ex 
abihlägige Antwort ertheilen, fo geſchah diefe Ver⸗ 
weigerung felbft im Tone des Troftes; war Entihuls 
digung, wo fein eigenes Herz am meiften zu leiden 
ſchien. Baterlihe Milde verband fi bey ihm mit der 
Staatsklugheit des Regenten. Seine Miene war ganz 

Meißners Blanca. Sapı 1. Ihle 8 


[v7 77 ı 46 wre - \ 


Sanftmuth, und doc nicht bloß die Miene der Vers 
ftelung. Sein Äußeres verforacy viel, doc nicht mehr, 
als fein inneres hielt, oder wenigſtens immer gern 
gehalten hätte. Selbſt feine Fehler waren bloß falfche 
Richtungen guter Grundlagen, Er lieg zum Benfpiel - 
allerdings zuweilen feine Günſtlinge ziemlich willkurlich 
falten; aber er that es, weil er fie nide für feine 
Guünftlinge bloß, fondern für feine Freunde 
hielt, und weil fein, wirklig zur Freundſchaft geſchaf⸗ 
fened Herz Dem auch traute, ben es liebte, 

Sehr natürlich, daß ein ſolchet Fürſt den Mann 
ſeiner Geliebten — für keinen? Preis ihm zu theuer! — 
mit einer Güte, mit einer Leutſeligkeit empfing, die 
den in allen Weltkünſten noch unerfahrnen Bonaven⸗ 
turi gar bald bis in den dritten Himmel entzückte. Er 
nahm ihn nun förmlich zu ſeinem Geheimſchreiber — 
wie damahls noch die beſcheidenen Titel lauteten — im 
franzöſiſchen Fach auf; und ertheilte ihm ſofort einige 
Beſchäftigungen; er befragte ihn, nicht neugierig, 
aber forgfältig, um tauſenderley Kleinigkeiten ſeiner 
individuellen Lage, und befhied ihn für den andern 
Morgen wieder zu fid. 

Die Arbeiten, die dem jungen Manne aufgetras 
gen wurden, waren äußerft Feicht; aber Franz ers 
wähnte, ald Bonaventuri fie ihm überbrachte, daß fie 
ſchwer gewefen wären. Bonaventuri hatte fie viels 
Teiche nicht übel beforgt; der Fürſt fand, daf er fie ” 
vortrefflich ausgeführt habe, Die Befoldung, die 
ihm angewiefen. wurde, belobnte die Mühmwaltung bey 
feinem Poften mehr als dreyfach; der Fürſt dachte je 
doc anders, denn er verdoppelte fie nach Verlauf wer 
niger Tage, und begleisete ſelbſt diefe Verdoppelung 


vesee 247 wie 

mit dem Ausdrucke des Bedauerns: daß die hertfchaft⸗ 
liche Caſſe jetzt nicht größere Belohnungen verſtatte, 
Franz war immer der Wohlthäter, ward es tag— 
lich mehr und mehr, und ſtellte ſich doch immer, als 
ober Schuldner wäre I 

So von Ehrenſtelle zu Ehrenſtelle, ſtets im Beſitz 
der Gnade ſeines Herrn, ſtieg Bonaventuri mit einer 
Schnelligkeit, die Jedem, der nicht um das Geheimniß 
wußte, unglaublich ſchien, vom Diener zum Rathe, 
dom Rath zum. Freunde, vom Freunde zum Günits 
ling. Ihm felbft war wie jenem trunfenen Bettler, 
Ber auf dem Stroblager einfchlief und beym Erwachen 
aus feinem Naufhe auf dem Throne ſich wieder. fand. 
Uneingeweipt i in jeder Kunft des Hofes, überftieg er 
doch bald die älteften, erfahrenſten Höflinge; hart auf 
der Ferſe folgte ihm der Neid; laut ſumſten um ihn 
Spott und Rerleumdung: Überall ſtellten Lift und 
Haß fi) ihm entgegen. Doc) die Liebe feines Fürsten 
fhügte ihn vor Dem allen. Ein einziges nachdrückli⸗ 
ches Wort des Fürften, — und Neid und Spötterepen 
ſchwiegen, oͤder ſprachen wenigfteng, leife: = 

Auch Bianca — die Gründerinn von allen die: 
fen Schimmer eines ‚armen Handlungsdieners, der 
ohne fie ruhig im Eomtoir arau geworden wäre — 
fuchte der verliebte Fürſt bald aus ihrer Einſamkeit in 
das Gewühl feines glänzenden Hofes, einẽs der glän: 
gendften in ganz Europa, zu ziehen. Einladungen von 
Mondragone's Gemahlinn, ragen des Fürften an 


Bonaventuri felbft, Selle; Öffentliche Spiele, Gewin⸗ 


nuug der Bedienten, Alles, Alles ward verſucht; und 

Alles, Alles mißlang. Bianca erſchien zwar am Hofe. 

— weil fie Das thun mußte; aber man ſah es ihr any 
| | K 3 


1248 oe 
daß fie ihre Seele daheim laſſe: und die andädtigfte - 
Nonne bleibt nicht. ftrenger ihrer Ordensregel, als ie 
anca jeder ihrer Pflichten treu. 

Denn in Eeinen Zirkeln, wie: in großen Vera 
fammlungen, nur auf wiederhohlted Bitten erft ſicht⸗ 
bar, erfhien fie ſtets im einfachften Kleide, mit der 
befcheidenften Miene; Eein Edelftein im Haar, keine 
Perle um Arm und Hals ‚ kaum’ &eide ihr Gewand, 
und einfad die Farbe ihrer Gewaänder; aber doch durch 
diefe Einfalt, biefe Beſcheidenheit doppelt ſchoͤn. — 
Menig ſprach fie nur; und je weniger fie ſprach, deſto 
mehr fland fie im Eredit, gut fprehen zu Eönnen. 
Hundert höfiſche Damen warben um ihre Freundſchaft, 
fie ſchlug keine aus und erwiederte Feine, Die Neigung 
de3 Fürſten, bald jedem Höfling nicht mehr fremd, 
entfernte von ihr die Bewerbungen der adeligen Wol⸗ 
luͤſtlinge; Alle ehrten, Keiner beläftigte fie. Sie gegen» 
theils ſah auf Keinen und hielt felbft die Bewerbungen des 
bewußten Einzigen zurüd. Franz, mit jedem Tage 
heißer verliebt, mit jedem Tage redender im Blick und 
angeduldiger in feiner Seele, ward doch ſtets karger in 
Worten und zagbafter im ganzen Betragen. 

Mondragone fab Dieb alles, und glüßte vor 
Scham und Wuth. Bonaventuri hatte ihn gleih An⸗ 
fangs in ber Gunft bes Fürften um ein Großes zurück 
gefegt; er litt es damahls gelaffen, denn er hoffte durch 
Dienfte, feinem Gebierher bey Bianca geleiftet, fich 
bald noch höher zu heben und ficherer zu gründen. Doch 
als alle feine Bemühungen, alle feine Überretungskünite 
mißlangen ; da ſank fein Anfehen auch deito tiefer, je 
gewiffer er Franzen den günftigften Erfolg vorher vers 
kündigt hatte. Freylich mußte ein Mann, deſſen höche 


wen 149 nesen 

fled Sut Gunſt des Hofes war, nit wenig flaus 
nen, als er bey einer Frau diejenige Seelenkraft, dies 
jenige unerfchütterliche Tugend wirkfih fand, die er 
jeither nur dem Nahmen nah, und überdieß noch fo 
zweifelhaft gekannt hatte, wie wir Alle etwa den Vogel 
Greif Eennen. Aber als wahrer Höfling ergab er ſich 
nicht lange einer fruchtlofen Neue; fondern dachte balı 
aufbeffere Plane und auf fihere Rache. 

Was ihn bier noch, aufer feinem innern Gefüht, 
immer ftärker, immer heftiger reijte, war — ber tägs 
lihe Spott, die bitzern Worwürfe feiner ehrfüchtigen 
Gemahlinn. Gegen diefe allein hatte Bianca, fo wie 
fie am Hofe erfchien, oder vielmehr erfheinen mußte, 
faft gar keinen Zwang ſich aufgelegt; hatte bey vers. 
ſchie denen Gelegenheiten ihr zu erkennen gegeben, daß 
ſie dieſelbe — verachte. Jedes ſchmeichelnde Wort, 
jebe dienftfertige Erbiethung diefer Donna, war mit 
einer Kälte, die nahe an Öeringfchägung grenzte, auf⸗ 
genommen worden. Drey Beſuche von ihr waren un⸗ 
erwiedert geblieben. Im Buſen der Spanierinn kochte 
dafür ein tödtlicher Groll. Da ſie ſich an der ehrbaren 
Buͤrgersfrau nicht zu rächen vermochte, bielt fie 

fi wenigſtens bey ihrem eigenen Gatten ſchadlos. 
Bon den mannigfachen Scenen häuslicher Glückſelig⸗ 
keit ſey Hier eine Einzige ausgehoben, weil fie mandek 
Licht auf bie Nachfolgenden wirft. 





wen 150 mm 
Mondragone's Haus. 


Abend. Er ſelbſt (in feinem Gemach). GSigne 
(aug einer Geſellſchaft surüdtehrend.) 


Sign. (mit fpörtifhen Lächein). Schon heim ı 
Sr. Durchlaucht? — So einfam? fo nachdenkend? 

Monde. Iſt das Legtere denn fo etwas @ 
tenest 

Sign. D nein! (Wieder mie deutendem Accent.) A 
Über eigene, oder über Gtaat3 : Angelegenheiten 
Mondr. (verdrießlich., uͤber Beyde. — Wie 
es nimmſt. 

Eign. So! L- (Mad einer Heinen Pauſe) M 
chiavell hieß der berühmte Italiener, der ein fo fcha 
finniged Buch über die Staatskunft geſchrieben bi 
nicht wahr, lieber Gemahl? | 

Mond. Richtig! i 

Sign. Und ift fein Buch oder Sücfein de 
wirklich der bewährten Hofraͤnke und Künite 
vol?! ' 

Mondr. Vielleicht übervod! — Wie kom 
du aber gerade jegt auf den Macchiavell? 

Sign. Weil ih mich über die boßhaften Red 
argerte, die einige neidifhe Witzlinge gegen dich au 
fireuen. 

Mondr. (aufmertfam werdend) Gegen mich? 

Sign. Freylich! Denk einmahl, fie fagen , 
fenit jetzt Willens, eine Fortſetzung des Macchiavells 
ſchreiben. 

Mondr. (gan) verlegen.) 391 — —Bobrhaft: 
id) weiß nicht, was bir einfällt. 


wen 151 u... 


Sign. cbittern Tond.) Und nod) minder, wa Denen 
eingefallen feyn mußte, die diefem Einfall im Ernſte 
Glauben beymaßen. Nein, nein! wahrhaftig, um sin 
folhes Buch fortzufegen, müßte man in den Künften 
der Höfe felbit eingeweiht und Meifter feyn! 

Mondr. Ha, ba! da hinaus? Und du glaubft 
alfo nicht, daß ich Dieß wäre? 

Sign. Du glaubt es doch, um des Himmels 
willen, felber nicht *— Ungleicher als du und Macchia⸗ 
vell find fih Mitternacht und Mittag nicht. Er, jener 
echte ſchlaue Höfling, würde, wenn er fih ein Mahl 
bis zum eriten Günitling. feines Herrn durchgearbeitet 
bätte, fiher nicht aus einer halbvermoderten Bettler 
hütte fih einen Nebenbubler gehohlt; ſicher nicht die 
Liebe feines Prinzen zu einer tugenbbelodten Hands» 
werköfrau fo blindlings unterftügt haben. Oder hätte 
er auch vielleicht im Fieber: Schwindel einen folchen 
Sehler begangen, — meinft du wohl, daß er dann rue 
big zufehen würde, wie biefes treffliche Paar Alles an 
fich reißt, was Stand und Rang und Stchätze Großes 
mit fih führen? Indeß der thörichte fürftlihe Ver⸗ 
ſchwender, der vieleicht ein Drittheil feines Füͤrſten⸗ 
thums verpraffen würde, um Einen aus der Hefe des 
Pöheld zum Hahnrey zu machen, auch nicht einen ein« 
zigen elenden Kuß dafür gereicht erhält! — Sagte ich 
dir Das nicht Alles vorher, ald du mit deinen weifen, 
weitausfehenden Planen angeftodhen kamſt, und mich 
zur Bephülfe, zur Unterflüßung, zur Kup 
peley, zu Bott weiß was noch mehr aufwiegeln wolls 
tet? — Schaͤndlich! vom erften Oängelbande an die 
Hofluft eingeſogen zu haben, und doch fo ſchülerhaft 


N 


wei 15% u 
noch gegen die erften Anfangsgründe zu fündig 
(Sie ftodt vor Zorn halb athemlos.) 

Mondr. (deffen Kätte natürlich ihre Hitze noch gem 
Hat) Biſt du nun bald fertig mit Schmälen ı 
Schmaͤhen?! - 

Sign. Wollte der Himmel, daß du es mit 1 
nenFehblern warefi! 

Mondr. (wie vorhin.) Alfo dag ich mich zum Kü 
Ver — wie du es zu nennen für gut befindeſt — br 
chen lief, Das war der Fehler? 

Sign. Frage doch lieber, ob es jetzt wirklich Na 
ſey! Beyde Sachen beantworteten ſich von ſelbſt. 

Mondr. Allerdings! und doch beantworteſt 
fie ſehr falſch; denn du bejahſt, wo du vı 
neinen follteft. — Gutes Weibchen, hätte 
diefe Ciebe verurfacht; hätte ich dem Großherzog 
erft Bianca, und zwar in foldy’ einer Abſicht gezei, 
dann hätteſt du ganz Recht. Ober hätte ich fei 
diefe Leidenſchaft erft im Auffeimen gefunden, u 
ihren Wachsthum befördert; fo hätteft du viellei 
wenigſtens nicht ganz Unrecht. Aber ſo — fa 
ich ſie ja bereits eichenfeſt gewurzelt; fand, daß ſie 
beugen Unmöglichkeit, und ihr nahzugeben ıı 
nigitens ein boffentlicher Nutzen fey; fand, daß we 
ih meine Hand ihr zu reichen ausſchlüge, taufe 
Andere wilfährige Hande beym erften Gedanken f 
ausitrecfen, und mid) zu gleicher Zeit von meinem u 
fibern Maulwurfs » Hügel hinabſtürzen würden. - 
Glaube nicht, als ih zu gewinnen verfudhte, & 
ich nicht einfah, was au von der andern Seite | 
verlieren möglich fey! Ich fah es und bebte; ab 


we 8 on 
die unumgänglichen Regeln bes Donrdſplele rißen 
mich mit fi fort. 

Sign. Ein trefflicher Hazarbfpiefer j der nicht - 
Herr über ſich ift! 

Mondr. Oft ift man Dieß eben dann am mei⸗ 
ſten, wenn man ed am mindeſten zu ſeyn ſcheint; oft 
fpielt man dann am beften, wenn man nichts oder 
Alles haͤlt. Aber Taf das Spiel! Da.wir doch ein« 
mahl in Bildern fprechen wollen, fo weiß ich noch 
Eines, paſſender ald Jenes. Wenn id das Haus 
meines Nachbar brennen ſehe, wenn auch dem Mei« 
nigen das fichere Schickſal bevorfteht, von der Flam⸗ 
me bald ergriffen zu werden ; handle ich dann unklug, 
wenn ich feldft einen Theil meiner Wohnung nieders 
reife, um bie größere, beffere Halbſcheid zu retten? 

Sign. Nein, unklug nie! Aber menigftend 
begnüge ich mich dann nicht mit nußlofen Klagen, fondern 
denke vielmehr einem baldigen Wiederaufbau nad. 

Mondr. Thu’ ich das nihet 

Sign. Und ih warte dann auch Eeinesweges 
fo lange, bis Wetter, Sturm und Zeit dad übrig 
gebliebene Gemäuer vollends einflürzen. 

Mondr. Weiße du denn, du Ungeduftige, - 
ob ich fo fange warten will? Ob ich nicht jet bereits 
das Mittel zu unferer Wiedereinfegung gefunden 


habe $ 
Sign. Wenigſtens weiß ich, daß du unrecht 


thaͤteſt, wenn du es mir verſchwiegeſt. (pottend) 
Das Glück deiner bisherigen Anſchlaͤge gibt die 
wahrlich Eein Necht, deine Eünftigen für untrügs 
lich zu halten. | 


XX 1 54 08008 


Monde. Wohlan, ſchau her in meine Ke 
"und fage an: 0b id die Blätter nicht weile g 
net babe? — Gefegt einmahl, du felbit hegteft 
altväterifche Grille, mit pünctliher Treue an de 
Gemahl zu bangen; nichts zu thun, nichts zu 
ten fogan, was der beym Altar ihm verfprod 
Pflicht zuwider ware — — 

| Sign. (vafig untersregend.) Ha, was folll 

Was willit du mit diefem beinem: Gef est 

mahl! Sc glaube, du fpotteft. 

Mondr. (tädemd.) Ein großes Unrecht frey 
wenn ıch deinem vorigen löblihen Beyſpiele nachfo! 
Und doch' wollte ih Dieß jetzt wirklich nicht. Id 
zweifle beine Zugend keineswegs; aber daß fie gaı 
felfenfeft wie Bianca's "Tugend, bey Bianca's 
fungen, geblieben wäre, das glaube ich freylich ke 
nicht, weil ich zu fihlecht von deiner Treue, for 
weil ih zu günftig von deinem Verſtande urt 

Sign. Ein ganz vortrefflihes Complın 
Doch immer weiter ! 

Mondr. Gefegt alfo, du glicheſt ihr! 
meinſt du, Eöante wohl ſchmerzlicher dich Erä 
als — Undanf? Beleidigung von eben dem M 
für den du Alles verſchmäht hatteft ? Untreue de 
gen Gemahls, dem du fo übertreu geblieben w 

Sign. Schändlid allerdings, doch nicht: 
mögliched bey euerem wetterwendiſchem Geſchl 

Monde. Wenn dir num zumahl Jemand 
dem du noch für" geliebt dich mwähnteft, Überzeu 
Beweiſe darböthe, daß dein Gatte feine Kraft 
feine Liebe an Buhlerinnen verfchwende, was w 
du dann thun? \ 


we 155 mm 

Sign. Mid rächen. 

Mondr. Und die Art diefer Rache? — Nice 
wahr, Wied erverg eftung wäre eine von den 
allererften ? oo 

Sign. Vielleicht! 

Mondr. Würdeſt auch wog rubig zuſeben, 
wenn dann ein Gegner deinen Treuloſen von der Höhe, 
die er nur durch dich erſtiegen, herabſtürzte? Würdeſt 
felbft vielleicht die Hand zu diefem Umfturz biethen, 
fo bald dus fiher wäreft, nicht mit dabey zu leiden? 

Sign. Wohl ındglih! Aber wo bey Bianca — 
denn auf fie wird doch dieß Alles zielen — die Urſache 
einer ſolchen Rache ſich Anden follte, das ſehe ich noch 
nicht. | 
Mondr. Ein Beweis, daß deine leibliche n 
Augen nicht fo fharf, als deine geiftigen feben! 

Sign. (mie ſotiilchem Knids.) Wollten doch die 
Goͤtter, daß bey mandem großen Herrn der Fall nicht 
umgekehrt da wäre! \ 


Mpndr. (hie lächelnd tüßend.) Brav gegeben! Aber- 


- Emilie , laß diefes wechſelſeitige Verfpötteln uns vers 


geilen; laß uns ftatt beifen lieber mit vereinten . 


Kräften einander beyſtehen! — Du Eennft Kaſſandra? 
Sign. Kaffandea! die Witwe unſers ehemah⸗ 
ligen Nachbars, Simon Bongiani? | 
Mondr. Richtig! Das Weib mit den flolzen 
Wuchfe, der vollen Bruft und dem ſchönen, flammen« 
den Auge. 
Sign. Nun, nun! nur gemach, Herr Ge⸗ 
mahl! Nur nicht gleich, fo ganz außer ſich vor Bits 


züden! Ein fliered, großes Auge ift immer noch niht 


fo außerordentlich jhön; und Kaſſändra's Wuchs — — 


“ 


— 156 me 


Monde. (has ſcherzbaft.) Der verzweifelte w 
fihe Neid! Das, meine Liebe, ift doch wohl 
läugbar, daß Kaſſandra .eine unferer fhönften Flor 
tinerinnen it? 

Sign Und fage and, eine unferer BWolluf 
fen! Der arme Simon Vongiani lebte fiher nı 
würde jicher noch immer unfere Bälle und Con; 
mit feinem fchwinbfüchtigen Huften beunruhigen, | 
te er diefe Unerfättliche nicht gebeirathet. 

Mondr. (uaacheind.) Defto beffer! defto befl 
Jemehr Gluth von innen, deſto weniger Anreiz 
braucht es von außen. — Kurz, auf fie, wenn 
nicht ſehr mich irre, wendet fchon feit einigen Ta 
Eignor Pietro Bonaventuri feine Augen; ſchießt 
ihnen Blicke, die fi Teicht deuten laffen, und 
wahrfheinlih Kaffandra auch fehr genau gedeutet 
ben wird. 

Sign. (mit dem Kopf ſchüttelnd.) Wenn ichn n 
nicht irre! Vielleicht! Wahrſcheinlich! — Lauter bl: 
Möglichkeiten! | 

Mondr. Die ih zur Wirklichkeit gar b 
durch meine Helfershelfer erhöhen will. Du mußt 
auch den Vetter der Kaſſandra, Franceſco Ricci, E 
nen. Ein Höfling, wie es beren wenige gibt! GC 
fhmeidig, verjchlagen, Herr über jede Miene und 
bes Wort, führg zu Allem, wozu man niht perſör 
hen Muth braucht, und mir Außerft ergeben. 3 
habe ich befoßlen, Bonaventuri leife zuzuflüftern: r 
heftig Kaſſandra ihn liebe; und Kalfandra ein Gleid 
von Bonaventuri vorzufhwagen. Was gilts, die bi 
ben ohnedieß nicht weit von einander entfernten P 
teyen rücen bald naher zuſam men ? Er unerfohren u 


. — 357 wesen 

unbefonnen; fie buhleriſch und liſtig! Kan Fener ſich 
bes Schwefels leichter bemaͤchtigen % Und bleibt Bianca 
bann etwas weiter übrig, ald mis ihrem Gemapl zu 
bredyen %- 

Sign. Oder ihn zu verachten. 

Mondr. Gleichviel! in beyden Fällen find wir 
die Mifcher diefer Karte, in beyden, ſobald wir wach⸗ 
ſam find, die Mittelöperfonen und die Belohnten. 

Sign. Wenn ſie nun aber im Übermaß eheli⸗ 
cher Zärtlichkeit — denn zu welchem Grad der Zaͤrt⸗ 
lichkeit verſteigt ſich nicht zuweilen eine ſolche Bürs 
ger⸗Seele! — ihrem guten Maͤnnchen bloß liebreiche 
Vorwürfe macht dihn wieder umſchmelzt! feſter als je 
an ſich kettet? An Tugend fie, an Treue er zunimmt? 
Wie denn ba? 

Mondr. Sprichſt du doch, als wäreft du erſt 
feit ehegeftern in den Stand der heiligen Ehe getreten, 
und wüßteſt noch nicht den mächtigen Unterſchied zwi⸗ 
{ben Draitreffen: Liebe. und Gattenpflicht! 
— Lop mid nur machen, und ed fol Alles noch gut 
geben. 

Sign, Meinen Wunfd dezu,n wenn auch noch 
nicht mebne Hoffnung! 


t. In der That verweigerte Signora Mondragone 
dieſe letzte nur, aus jener dem weiblichen Geſchlechte 
zur zweyten Natur gewordenen Widerſprechungsgabe. 
Der Anſchlag ihres Ehegemahls war, Das fühlte ſie 
ſelbſt, nichts weniger als unwahrſcheinlich; ſo wie er 
leider! bald darauf nichts weniger als fruchtlos blieb. 

Kaffandra Bongiani hatte alle Eigenſchaften, die 
fühig find, einen jungen, von Ehrgeiz bingeriffenen, 


von Begierde aufgefhwellten und von unverdient 
Blüde taumelnden Mann zu beſtricken. Nach der ga 
zen Summe ihrer Schönheit betragtet, wär 

Bianca’d würdige Nebenbuhlerinn; nach jet 
Einzelnheit ipr®egenbild! Hätte man Bey 
neben einander geftelt, dann wäre Kaſſandra ei 
hocherhabene Juno, {don und ſtolz, Bianca, e 
befheidene Pſyche, fanft und nur in der Liebe fi 
rig geweſen. Zum Glüc der innigiten Zärtlichkeit n 
. Bianca; Kaffantra ganz für eine Leidenfehaft gef 
fen, die Auffehen madt. Ruhig zu befißen, w 
Bianca's; allbeneibet zu herrſchen, Kajfantr 
höchſter Wunſch. Jener genügte ein einziges Haı 
dieſer nicht zehn taufend. Bianca bebte vor 
der Mebenbuhlerinn; Kajlandra freute fi dere 
denn fie erhöhten ihren Eieg. Erfalfung in ! 
Liebe war Jener größte Pein, für Diefe war es Ei 
förmigfeit. Hundert Reize, bie ſie wirklich beſa 
verbarg Bianca; Kaſſandra fügte zu ihren natür 
chen noch doppelt fo viel entlehnte. Bianca ba 
nur ein Mahl, Kaſſandra nie geliebt. 

So war das Weib beſchaffen, das Bonaventur 
Fallſtrick werden ſollte, und — ward. Kaum, d 
ſie ein wenig gegen ihn ihr Netz ausſpannte, ſo w 
er auch ſchon tief hinein verwickelt, und vergaf-d 
Befig feiner wahren Shape, um fi eines trüg 
eifhen Glanzgoldes zu bemädtigen. Vergebe 
ſprach in feinem Herzen die Stimme ber Pflicht; | 
Leidenfhaft übertäubte diefelbe bald. Vergebens fah 
Schwierigkeiten und Gefahr; er fühlte fi dadu: 
nur ftärker angefpornt. Auch war ber Mann, dem n 
ſchon feir einigen Monden jeder Wunſch erfüllt w 


D\ 


weh 159 vers 
den, wahrlich nicht mehr im Stande, irgend eine 
neuen zu unterbrüden,. ja, nit einmahl zu 
verbergen. Sn nichts ein Hofmann, als in der 
Eitelkeit, glaubte er ſich nur erklären zu dürfen, um 
erhört zu ſeyn; und erklärte fi fo laut, fo unbefan⸗ 
gen, daß bald Franzens ganzer Hof, bald das ganze 
weite Florenz mußte: Wen er liebe, und wie heiß 
er fie Liebe! 
Die einzige Perfon , vor der er ſich wenigſtens 
einiger Maßen zu zwingen und zu. verbergen fuchte, 


wareben Diejenige, um derentwillen der Leichtfinnis - . 


ge Kaffandra ganz hätte wermeiden"follen ; die Einzige, 
gegen welche feine kleinſte Sünde zur Todſünde ward. 
Ah! und doch ſahBianca gar bald, was er verbarg ; fpürs 
te feine Untreue und feinen Zwang gar wohl, vers 
ſuchte alle mögliche Mittel, den Verirrten wieder jıre 
rück zu bringen; verftärkte Zärtlichkeit, Erneuerung 
ihrer erften Liebe, Zuvorkommen feiner Heinften Wün⸗ 
fhe, Warnung vor den Gefahren des Hofes; und 
Eränkte ihn dey allem Dem mit einem Wörtchen eines 
Vorwurfs; mit keinem ſtrafenden, ja ſelbſt mit Eeis 
nem bewachenden Blicke! Die zaͤrtlichſte Gattinn 
kann am zweyten Morgen ihres Eheſtandes ſich nicht 
traulicher an den Geliebten ihres Herzens ſchmiegen, 
als fie es that, wenn er — von einem Geſpraͤch mit ih⸗ 
ver Nebenbuhlerinn heimkam. — Tief fühlte der Schül⸗ 
dige das Gefühl feiner Unwuͤrdigkeit und — blieb dech 
ſchuldig. | 

- Aber bald vermochte die gute Bianca den Kum⸗ 
mer, den fie ihrem Gatten, dem einzigen Urbeber 
desfelben , zu verbergen ſuchte, felbft fremden Zus 
ſchauern nit zu verbergen. Bwar hatte fie keine Freun⸗ 


er 160 run 


‚ Yinn, bes fie ſich mittheilen, und von ber ſte — ver⸗ 
rathen werden konnte; doch eine gewiſſe Schwermuth, 
in ihrem Auge und über bie ganzen Züge ihres Ge⸗ 
vchtes verbreitet, verriethen jedem aufmerkfamen Be⸗ 
obachter eine innere Bewegung ihres Herzens. Sie, 
die fonft nur ernſthaft zu ſeyn pflegte, war nun 
traurig geworben. Und Dieß war es, worauf Mon⸗ 
dragone mit ängftliher Sorgfalt wartete. Schüchtern 
gemacht duch fein voriges Mißratben, wollte ex erft 
die fiherften Kennzeichen abwarten, ehe er auf das 
Gedeihen feiner Ausſaat ſchlöße. Jetzt hielt er fie 
für reif. | 

Einft, an einem noch etwas ſchwülen Sommer: 
abend , faß Bianca ſchwermuüthsvoll in einer von dem 
Lauben ihres Eoftbaren Gartens; — denn es verſteht 
fih, daß Bonaventuri feinem neuen Stande gemäß 
wohnte; — mit ftarren Augen ſah fie einer pläte 
fhernden Cascade zu, ohne auch nur einen von allen 
diefen zahllofen Waffertropfen zu fehen, oder auf ihr 
Plätſchern zu hören. Da trat unvermuthet Mondras 
gone zum Garten herein, und grüßte ehrerbiethig deſ⸗ 
fen ſchoͤne Befigerinn. 





Mondr. Verzeiben Sie mir, Gignora Bonas 
venturi, wenn ich in der Hoffnung, Ihren Gemahl zu 
finden — — 

Bianca (mis Fatter Hönicptele.) ch bedaure, daß 
Sie vergebens fi herbemüht haben ; er ift ausge⸗ 
fohren. 


+‘; 


wer 101 rem 


Monde. (io verbindlich, ats möglich.) Was mir bie 
Bedienten ſchon beym Abfteigen meldeten, und wad 
ih auch die Mahl eben nicht mit allzu großem Ver 
dauern hörte. Mein heutiger Auftrag geht Sie, reis 
zende Signora, und Shren Gemahl zu gleichen Their 
fen an; er enthält eine Beftellung von unferm gnädige 
ften Großherzog an Sie Beyde. 

Bianca. Was befehlen Seine Durchlaucht? 

Mondr. Dem Signor Pietro Bonaventuri, 


daß er morgen unfer Jagdgefolge verftärke! An Sig 


nora ergeht ſeine Bitte, daß Sie einen Eleinen Ball f 
auf dem Jagdſchloße Fioro angeſtellt, verſchönern 
möge. 

Bianca. Mein Semahl wird ohne Zweifel feine 
Schuldigkeit beobachten ; mich hingegen wird bey 
Er. Durchlaucht eine Heine Verſtauchung am rechten 
Fuße — — 

Mondr. Kein Hingegen , Signora! — Ihre 
Durchlaucht verbothen mir durchaus, es dieß Mahl an⸗ 
zunehmen. Waͤre auch dieſe Unbequemlichkeit mehr 
als Vorwand; ſo würde Sie dieſelbe höchſtens hin⸗ 
dern, am Tanzen Theil zu nehmen, und Gefellfgaft 
und Geſpraͤch gewannen dann vielleicht doppelt dabey. 

Bianca. Wenigftend werden mir Seine Durch⸗ 
Taucht verzeihen, wenn ich nicht, ohne vorher die Ers 
laubniß meines Gemahls zu erhalten, meine Maß⸗ 
regeln nehme, 

Mondr. Eine zu große Beſcheidenheit, ſchoͤnſte 
Signora, unter Umftänden, wie Ihre gegen wärs 
tigen find. — (Sie ſchweigt und blickt zur Erde; er nad 
einer Paufe von einer Minute) Ausgefahren find alfo bes. 
reits Signor Bonaventuri? 

ZReifiners Bianca Cap. 1. Hl. 8 


— 162 — 


Bi-nca. Ausgersßren! 

. Mondr. Darf ih Sie fragen: Wehin? 

Bianca. Ich wei es ſelbſt nikt. 

Monde, Vielleicht zu Signota Kofantra Bi 
giani ? 

Bianca. Mozlız 

Monte. WRenigtens glaubte ich feinen Mag 
‚ unweit tiefer Wohnung halten zu fehen. 

Bianca. Co? 

Mondr. (wis leicht iu deutendem Blick und als ww 
er re Hand ergreifen wollte.) Arme Signora Tianca ! 

Biancataufketend.) Zignor werden verzeihen 

Mondr. (ver fie, jedoh mit großer Ehrfurcht zu 
san.) Nein, Eignora Bianca, verzeihen Sie m 
lieder, wenn ih Sie jest noch nit von hinnen lai 
Die Befehle meined Getiethers find noch nicht ve 
endet. (Cie ficht ihn etwas verwundernd ap, faßt ſich «a 
und Bleibt. Gr fährt mit geändersem Tone fort.) Arme S 
nora, wie vertraut müjlen Lie bereits mit Ihr 
Kummer — an dem auch fhon unfer ganzer He 
vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt — | 
worden feyn, baß Lie fo ganz gelajien ben No 
men einer Perſon anhören Eonnen, von weld 
doch all diefer Mißmuth ihnen zumädft ! 

Bianca (ebr ernſt. Eignor Mondragone, 
ſetzte mich wieder, um zu hören, was Sr. Dur 
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um ü 
men Schickſal mit Ihnen zu ſprechen. Noch b 
ih mich über dasſelbe, fo viel ich weiß, gegen M 
mand, am allermindeften gegen &ie beklagt. 

Monde. Weil Sie nıdt willen, mit weld 
Grad der Ehrfurde ich mid) Ihnen verpflichtes füh 


— 163 — 


und wie ſehr die unanftändige Aufführung Ihres Ger 


mahls au mich Eränft. Mein Vorwort *) bauptfächs 


Ih war ed, was ibn, und zwar bloß I Spretwegen, , 
auf Liefen glänzenden Poſten erhob; hätte ih das _ 
mahls gewußt, wie ſehr er fen Glück mißbrduchen | \ 
würde — — nr 


Bianca (detreten.) Mißbrauchen? — Mißbrau⸗ u 


hen, Signor? Wann that er Das! , 
Mondr. Iſt es nicht der höchſte, möglichſte Miß⸗ | 
brach , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianca 
eine Kafandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald 
fie winkte, Alles, was Florenz Großes und Edles 
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüſtigen, herrſch⸗ 
ſüchtigen Buplerinn nadzufegen, die fhon mandes 
baäuslihe Glück zertrummerte, mancher tugendhaften 
Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann wies 
der tem Erſten dem Bellen durdpreifenden Deutſchen 
Preis gab. 
I. Bianca. Nein, Signor, halten Sie ein! Ich 
wiederhohl es Ihnen, daß ich nicht begreife, was 
Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in diefe 
Sache zu belältigen? — Auch iſt das Vergehen, das 
Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht fo 
ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen 


*) Man überfehe nicht, daß Die nun fchen der zweyte Höfs 
fing ift, der fib einer Mijwirkung zu Bonaveı £.ri’6 Grüd 
rühmt; denn freylih hat diefe Art von Leuten immer 
die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gate zuzufchreiten, was 

“. fie — nit bewireten; und datür die Beſcheidenheit, 
das Böfe zu verfcyweigen, was fie — wirklich thaten. 

2 


un 104 ww 


Belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von der ans 


. bern Seite gleih ald Ernft aufgenommen wurde; 


eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebracht, 
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, mehr 
als einer unfers Geſchlechts zugleich ben Hof zu mas 
hen. — das Alles hat vielleiht einigen Schein gegen 
Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentlichen Sinne 
des Worts ſträflich zu machen. Zudem iſt fein Ber 
tragen gegen mich von einer ſolchen Befchaffenheit — 
— Doc vergeben Ste mir, ih vergaß mid. Eben 
da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will — — 
Monde. Ceinfattend.) Werden Sie aufs edelmü⸗ 
thigite die Vertheidigerinn eines Mannes, der wahr⸗ 
lich dieſer Vertheidigung längft ſchon unwerth war. — 
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bianca, 
ſchaͤndlich iſt Derjenige, ber eines bloßen Verdachts 
halber Glück und Frieden feines Nächften flört; und 
doppelt ſchaͤndlich wäre ich dann, wenn ich den Frieden 
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete. Was 
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr ſich flü« 
fterte, überhörte ich; was ich ſelbſt nur halb fah, 
mochte ich lieber ‘gar nicht gefehen haben : erſt ald mein 
Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam ih ber; 
und nun — (indem er ihr einen verfiegelten Brief barbies 
tpet) Eennen Sie diefes Pettfchaft und diefe Hand? 
Bianca (glei beym erfien Blick äußert betreten.) 
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. 
Mondr. Und die Auffhrifet An wen? 
Bianca. Öraufamer! Wollen Sie meiner und 
meiner Schmach noch fpotten * Sagen Sie, wie fom- 
men Sie zu diefem Briefe? 


—16505 

Mondr. Sey Das geſchehen, wie da wolle 
Genug, es iſt ein Brief Ihres Gemahls an Kaſſandra, 
und es ſteht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen. 

Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alſo iſt er Das 
noch nicht } 

Monde. O nein! Nicht mir ziemte es, in bie 
Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zuwollen; aber 
wohl haben Sie ein Recht dazu. 

Bianca (mit etwas Bitterteie.) Würden Sie Das 
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeites 
ben? — (alsbald wieder mis dem Tone der: Würde und ins 
des fie den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob 
ih dafür Ihnen danken fol, daß Sie mir über, 


haupt dieß Schreiben brachten, Das ſtehe ih noeh 


zu entfheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen 
dafür, daß Sie es fo mir braten, — Es bleibt 
nun fo. 

Mondr. (gan erRaunt.) Wie, Signora, und 
Sie wollten — — 

Bianca (laachelind.) Bloß Ihrem Benfpiele fols 
gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Ändern mid 
eindrangen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur 
ein Fremder, gegen mich ift ee Ehegemahl und 
Herr. Was Shnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, 
ift mir fogar verbothen. Unanftändig wäre das Aufs 
brechen bed Briefed von Ihnen gewefen, von mir 
wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondra- 

gone, ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie 
* Schreiben mir ſo brachten. (Sie will gehen, er 
hält fie abermahlss.) 

Mondr. Und den Auftrag meines gnäbigften 
Herrn alfo wollen Ste nicht hören ? 


wa . IHB m 


von Begierde aufgefchwellten und von unverdient 
Blüde taumelnden Mann zu beftricken. Nach der ga 
zen Summe ihrer Schönheit betrachtet, war 
Bianca's würdige Nebenbublerinn; nad) jei 
Einzelnheit ihr Gegenbild! Hätte man Ber 
neben einander geftellt, dann wäre Kaſſandra ei 
hocherhabene Juno, fhon und flolz, Bianca, ei 
beſcheidene Pſyche, ſanft und nur in der Liebe fi 
rig geweſen. Zum Glüc der innigiten Zärtlichkeit n 
. Bianca; Kaffantra ganz für eine Leidenfchaft geſch 
fen, die Auffehen macht. Ruhig zu befißen, w 
Bianca's; allbeneibet zu herrſchen, Kajfantr 
höchſter Wunſch. Jener genügte ein einziges He— 
dieſer nicht zehn tauſend. Bianca bebte vor 
der Nebenbuhlerinn; Kaſſandra freute ſich der 
denn ſie erhöhten ihren Sieg. Erfalfung in I 
Liebe war Jener größte Pein, für Diefe war es Ei 
förmigfeit. Hundert Reize, die ſie wirklich befe 
Herbarg Bianca; Kaflantra fügte zu ihren natün 
den noch doppelt fo vielentlehnte. Bianca ba 
nur einMahl, Kaflandra nie geliebt. 

Co war das Weib befchaffen, dad Bonaventut 
Sallftricd werden follte, und — warb. Saum, d 
fie ein wenig gegen ihn ihr Meß ausfpannte, fo n 
ec audy ſchon tief hinein verwickelt, und vergaf-t 
Befig feiner wahren Schätze, um ſich eines trüg 
eifhen Ölanzgoldes zu bemädtigen. Wergebe 
ſprach ın feinem Herzen die Stimme der Pflicht; 
Leidenſchaft übertäubte diefelbe bald. Vergebens fah 
Schwierigkeiten und Gefahr; er fühlte fih dadu 
nur ftärker angefpornt. Auch war ber Marin, dem n 
fhon feir einigen Monden jeder Wunſch erfüllt w 


* 


on * ve 
den, wahrlich nicht mehr im Stande, irgend eine 
neuen zu wnterbräden, ja, nicht einmahl zu 
verbergen. Sn nichts ein Hofmann, als in der 
Eitelkeit, glaubte er ſich nur erklären zu bärfen, um 
erhört zu feyn; und erklärte fih fo laut, fo unbefan⸗ 
gen, baf bald Franzens ganzer Hof, bald das ganze 
weite Florenz mußte: Wen er liebe, und wie bei 
er fie liebe! 

Die einzige Perſon ‚vor det er ſich wenigſtens 
einiger Maßen zu zwingen und zu verbergen ſuchte, 


war eben Diejenige, um derentwillen der Leichtſinni⸗ 


ge Kaſſandra ganz hätte vermeiden'ſollen; die Einzige, 
gegen welche feine Heinfte Sünde zur Todfünde ward, 
Ah! und doch fah Bianca gar bald, was er verbarg ; ſpür⸗ 
te feine Untreue und feinen Zwang gar wohl, vers 
ſuchte alle mögliche Mittel, den Verirrten wieder zu⸗ 
rüd zu bringen; verftärkte Zärtlichkeit, Erneuerung. 
ihrer erften Liebe, Zuvorfommen feiner Heinften Wün 
fhe, Warnung vor den Gefahren des Hofes; und 
Eranfte ihn dey allem Dem mit einem Wörtchen eines‘ 
Vorwurfs; mitkeinem firafenden, ja feibft mit.Eeis 
nem bewadenden Blide! Die zärtlihfte Gattinn 
kann am zweyten Morgen ihres Eheftandes ſich nicht 
traulicher an den Geliebten ihres Herzens fhmiegen,. 
als fie es that, wenn er — von einem Gefpräd, mit ih⸗ 
ser Nebenbuplerinn heimkam. — Tief fühlte der Schul: 
dige das Gefühl feiner Unwuͤrdigkeit und — blieb doch 
ſchuldig. 

- Aber bald vermonte bie gute Bianca den Kum⸗ 
mer, den fie ihrem Gatten, dem einzigen Urheber 
desfelben, zu verbergen ſuchte, ſelbſt fremden Zus 
hausen nicht zu verbergen. Zwar hatte fie Eeine Freun⸗ 


won ı60 rum 


inn, bes fie ſich mittheilen, und von ber ſte — v 
rathen werden konnte; doch eine gewiſſe Schwermu 
in ihrem Auge und über die ganzen Züge ihres € 
Üchtes verbreitet, verriethen jedem aufmerkfamen X 
obachter eine innere Bewegung ihres Herzens. S 
bie fonft nur ernfibaft zu ſeyn pflegte, war n 
traurig geworben. Und Dieb war es, worauf Me 
dragone mit ängftliher Sorgfalt wartete. Schücht 
gemacht durch fein voriges Mißrathen, wollte er « 
die fiherften Kennzeihen abwarten, ehe er auf t 
Gedeihen feiner Ausſaat ſchlöße. Jetzt hielt er 
fuͤr reif. | 

Einft, an einem noch etwas fohwülen Somm 
abend , faß Bianca ſchwermuthsvoll in einer von d 
Lauben ihres Eoftbaren Gartens; — denn es verft 
ih, dag Bonaventuri feinem neuen Stande gem 
wohnte; — mit flarren Augen fah fie einer pl. 
fhernden Cascade zu, ohne au nur einen von all 
diefen zahllofen Waffertropfen zu fehen, oder auf i 
Plärfhern zu hören. Da trat unvermuthet Mond: 
gone zum Garten herein, und grüßte ehrerbiethis d 
ſen ſchoͤne Beſi itzerinn. 





Mondr. Verzeihen Sie mir, Signora Bon 
venturi, wenn ich in der Hoffnung, Ihren Gemahl 
finden — — 

Bianca (mis kalter Hollichteit. Ich bedaure, bi 
Sie vergebens ſich herbemüht haben; er iſt andg 
fahren. 


wer 101 rom 

Mondr. (fo verbindtia, ats möglich.) Was mir die 
Bedienten ſchon beym Abſteigen meldeten, und was 
ih: auch dieß Mahl eben nicht mit allzu großem Bes 
bayern hörte. Mein heutiger Auftrag geht Sie, rei⸗ 
jende Signora, und Ihren Gemahl zu gleihen Theis 
Sen an; er enthält eine Beftellung von unferm gnädige 
fien Großherzog an Sie Beyde. 

Bianca, Was befehlen Seine Durchlaucht? 
Mondr. Dem Signor Pietro Bonaventuri, 


daß er morgen unfer Jagdgefolge verftärke ! An Sig: . 


nora ergeht ſeine Bitte, daß Sie einen Eleinen Ball, 
auf dem Jagdſchloße Fioro angeſtellt, verſchönern 
möge. 

Bianca Mein Semahl wirb ohne Zweifel feine 
Schuldigkeit beobachten ; mid hingegen wird bey 
Er. Durchlaucht eine Heine Verſtauchung am rechten 
Buße — — 

Mondr. Kein Hingegen, Signora! — Ihre 
Durchlaucht verbothen mir durchaus, es dieß Mahl an⸗ 
zunehmen. Wäre auch 'dieſe Unbequemlichkeit mehr 
als Vorwand; ſo würde Sie dieſelbe höchſtens hin⸗ 
dern, am Tanzen Theil zu nehmen, und Geſellſchaft 
und Gefpräcd gewannen dann vielleicht doppelt dabey. 

Bianca. Wenigftend werden mir Seine Durch⸗ 
Taucht verzeihen, wenn ich nicht, ohne vorher die Er⸗ 
laubniß meines Gemahls zu erhalten, meine Maß⸗ 
regeln nehme, 

Mondr. Eine zu große Beſcheidenheit, ſchönſte 
Signora, unter Umftänden, wie Ihre gegenmwäre 
tigen find. — (Sie ſchweigt und blidtt zus Erde; er nad 
einer Pauſe von einer Minute) Ausgefahren find alfo bes. 
veitd Signor Bonaventuri? 

Meißners Blanca Gap. 1. Thi. g 


won " 162 wu 


Bianca. Ausgefahren! 
. Mondr Darf.ih Sie fragen: Wohin? 
Bianca. Ich weiß es ſelbſt nicht. 

Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra S 
giani? 

Bianca, Moglid! 

Mondr. Wenigftensd glaubte id) feinen W 
unweit dieſer Wohnung halten zu ſehen. 

Bianca. So? | 

Mondr, (mit leicht zu deutendem Blick und als 
er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca 

Bianca Gufſtehend. Signor werden verzeihe 

Monde. (der fie, jedoch mit großer Ghrfurdt | 
hätt) Nein, Signora Bianca, verzeihen Sie 
lieber, wenn ih Sie jest noch nicht von binnen | 
"Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht 
endet. (Sie ficht ihn etwas verwundernd ap. faßt fid 
und Bleibt. Er fährt mit geänderten Tone fort.) Arme | 
nora, wie vertraut müſſen Sie bereits mit Il 
Kummer — an dem aud ſchon unfer ganzer — 
: vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt — 
worden feyn, daß Cie fo ganz gelaffen ben 9 
men einer Perfon anhören. können, von we 
doch all dieſer Mißmuth ihnen zuwaͤchſt! 

Bianca (fepr ernſt. Signor Mondragone, 
ſetzte mich wieder, um zu hören, was Sr. D 
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um 
mein Schickſal mit Ihnen zu ſprechen. Noch 
ich mich über dasſelbe, ſo viel ich weiß, gegen 
mand, am allermindeſten gegen Sie beklagt. 

Mondr. Weil Sie nicht wiſſen, mit wel 
Grad der Ehrfurcht ich mich Ihnen verpflichtet fi 


— 6 - 
und wie ſehr die unanftändige Aufführung Ihres Ges 
mahls auch mich Eränft. Mein Vorwort *) bauptfägs 
Ih war es, was ihn, und zwar bloß I Spretwegen,, 
auf dieſen glänzenden Polten erhob; hätte ih das 
mahls gewußt, wie ſehr er fein Glück mißbrduchen J 
würde — — “ 


"Mianca (beireten.) Mißbrauchen? — Mißbrau⸗ u. 


hen, Eignor? Wann that er Das? 
Mondr. Sites nicht der höchſte, möglichfte Miße 
brauch , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianca 
eine Kaſſandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald 
fie winfte, Alles, was Florenz Großes und Edles 
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüjtigen, beirfch« 
ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches 
bäuslihe Glück zertrümmerte, mander tugendhaften 
Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann fies 
der dem Erfien dem Bellen durchreifenden Deutfgen 
Preis gab. 
= Bianca. Nein, Signor, halten Sinein! Ih 
wiederhoptl" ed Ihnen, daß ich nicht begreife, was 
Sie” bewegen kann, fih nit Einmiſchung in dieſe 
Sache zu belaͤſtigen? — Auch iſt das Vergehen, das 
Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo 
ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen 


) Man überfehe nicht, daß Die nun fchen der zweyte Häfs 
fing ift, der fib einer Mifiwerfung su Bonaveı teri's Grück 
rühmt; denn feeylih hat diefe Art von Leuten immer 
die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gute zugufchreiten, was 
ſie — nicht bewirften ; und Dafür, die Beſcheidenheit, 

R das Böfe zu verſchweigen, was fie — wirklich thaten.- 
vr. Q 2 


nn 164 — 


Belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de 
dern Seite gleih ald Ernft aufgenommen wı 
eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebr 
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, 
als einer unferd Geſchlechts zugleich ben Hof zu 
chen — das Alles hat vieleicht einigen Schein ; 
Pietro erregt, ohne ihn depfalld im eigentlichen € 
des Worts ftraflich zu maden. Zudem iſt fein 
tragen gegen mic) von einer folhen Beſchaffenhei 
— Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid). 
da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will - 
Monde. Ceinfaltend.) Werden Sie aufs edge 
thigfte die Vertheidigerinn eines Mannes, der ı 
lich diefer Vertheidigung längft fhon univerth waı 
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bic 
fhändlih ift Derjenige, der eines bloßen Verd 
halber Glück und Srieden feines Nächften ſtoͤrt; 
doppelt fhändlih wäre id) dann, wenn ich den Fr 
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete. 
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr fid 
fterte, überbörte ich; was ich felbft nur halb 
mochte ich lieber gar nicht gefehen haben : erſt als 
Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam ic 
und nun — (indem er ihr einen verfiegelten Brief i 
tpet) Eennen Sie diejed Pettfhaft und diefe Han! 
Bianca (gleich dem erfien Blick äußert betr 
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. 
Mondr. Und die Auffhrift? An wen? 
Bianca. Öraufamer! Wollen Sie meine 
meiner Schmad noch fpotten $ Sagen Cie, wie 
men Sie zu diefem Briefe? 


son 105 vema 

Monde. Sey Das gefhehen, wie da wolle 
Genug, es ift ein Brief-Ihres Gemahls an Kaſſandra, 
und es ſteht nur bey Ihnen, ihn zu erbregpen. 

Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alfo iſt er Dos 
noch nicht ? 

Monde. DO nein! Niht mir ziemte es, in bie 
Geheimniſſe Bonaventuri's eindringen zumwollen; aber . 
wohl haben Sie ein Recht dazu. 

Bianca (mie etwas Bittere.) Würden Sie Das 
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeftes 
ben? — (alsbald wieder mis dem Tone der: Würde und ine 
dep fie den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob 
ih dafür Ihnen danken fol, daß Sie mir über« 
haupt dieß Schreiben braten, Das ſtehe ih noch 
zu entſcheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen 
daflır, daß Sie es ſo mir brachten. — Es bleibt 
nun ſo. 

Mondr. (gan erRaunt.) Wie, Signora, und 
Sie wollten — — 

Bianca (liacheind. Bloß Ih re m Benfpiele fol⸗ 
gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Andern mich 
eindrängen! Pietro Bonaventuri iſt gegen Sie nur 
ein Fremder, gegen mich iſt ee Ehegemahl und 
Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, 
ift mir fogar verbothen. Ananftändig wäre das Aufs 
brehen ded Briefed von Ihnen gewefen, von mir 
wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondra- 
gone, ich banfe Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie 
dieſes Schreiben mir fo braten. (Sie will gehen, er 
hätt fie abermahls.) 

Mondr. Und den Auftrag meines gnäbigfen 
Herrn alſo wollen Ste nicht hören ? 


v0 166 ee 


| Bianca (verdrießtih.) Wie oft werden Cie 
- pon diefem Auftrage fprehen, den Sie gleich & 
erften Morte wieder vergeflen, um auf Nebenwe 
auszufhwerfen, wo — — 

Mondr. Wo man freylih meiner guten Ab 
den Dank verweigert, den ſie verdiente. 

Bianca (ſpottend.) Ihrer guten Abſicht? 
Mondragone ! Die Peftluft des Hofes bat mich 3 
nicht ſchon in der Wiege vergiftet; aber doch ˖ bin 
nicht unerfabren genug, durd eine Heucheley di 
Art mich hintergehen zu laſſen. Es gibt Gifte, 
man, auch ohne Arzt zu ſeyn, kennt, und die, T 
einer leichten uͤberzuckerung „ſich bald verrathen. 
Aber ſieh da, ſchon komme ich ſelbſt wieder von 


i Hauptſache aa! — Was Sie im Nahmen Er. Du 


laut mir zu fagen haben, wünſche ih nun ju- wii] 
wünſche es fo Eur; als möglich. | 

Mondr So kurz als möglich! Ich mei 
Tbeils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, ober 
nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet. 
biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen 
hier, ſchöne, beneidenswürdige Bianca! 

Bianca (keſtüczt.) Wie ein Brief vom Großl 
zog? ein Brief an mich? Unmöglich! 

Mondr. Und doh wahr! — Eignora! ı 
nüßt diefes lange Zaudern, diefed Verftellen von ® 
feit8 und Dießſeits? Wer wüßte es nit, daß St 
Körpers trefflidie Reize das Herz des edelften Für 
bezwungen haben, und daß ihn die noch größern X 
trefrlichkeiten Zhrer Seele auf immer zu Ihrem © 
ven madten? 

Bianca. Das wüßte gr 


un 167 naran 

Mondr. Ällerdings! denn wie waͤre es moͤglich, 
daß am ganzen Hofe Ste, eben Sie! die einzige 
Unwiſſende ſeyn follten? Aber wenn Sie Diefe denn 
ja waren — wohlan, fo erfahren Sie hiermit , ſchoͤn⸗ 
ſte Signora, daß das Herz unſers angebetheten Zür- 
ften für Sie von einer Gluth entbrannt ift, wie er 
noch nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, Tebt 
nur in diefer Liebe. — Durch gegenwärtigen Brief 
und durh meinen Mund fragt er Ihnen feine innigſte 
Zärtlichkeit, trägt Jhnen nebft Gewährung jeder Ih: 
ver Forderungen, noch Alles, was Hof und Pracht und 
Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ıhm er: 
lauben — — 

Bianca. Nein, Mondragone, nur allzu lange 
habe ich Sie jetzt reden laſſen; denn das uͤberraſchende 
bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo 
tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke 
betäubt und ſtumm. — Ja, ja, Hinterliſt und 
Fallſtrick ſage ih; und Dieß von Niemanden, als 
von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen — 
wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es 
auch nicht wiſſen; — aber von unſerm edelmüthigen 
Fürſten Eommt es ficher nicht. Er Eennt zu gut. die 
Pflihten eines Negenten und eines jeden’Standes; 
ihm ift zu fehr Alles, was der Tugend heiligen Nah⸗ 
men führt, werth und ıheuer, als nad einem Rafter . 
zu ſtreben. Er genoß ſicher ſchon der echten "Spende 
genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden‘; die 
von jeder Seite her ebebrecherifch feyn würde, und 
die — — — Kein Wort mehr; verlaſſen Sie mich 
ſo bald als moͤglich! ! 


en * 162 ven 


Bianca. Ausgefahren! 
.  Mondr. Darf ih Sie fragen: Wohin? 
Bianca. Ich weiß es ſelbſt nicht. 

Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra Bon⸗ 
giani ? 

Bianca, Möglich! 

Mondr. Wenigftens glaubte ih feinen Wagen 
unweit Biefer Wohnung halten zu feben. 

Bianca. So? 


Mondr, (mit leichte zu deutendem Blick und als wenn 


er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca! 

Biancaxauffehend.) Signor werden verzeihen — 

Mondr. (der fie, jedoch mit großer Ehrfurcht zurück 
part.) Nein, Signora Bianca, verzeihen Sie mir 
lieber, wenn ih Sie jest noch nicht von binnen laffe, 
"Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht voll- 
eridet. (Sie fieht ihn etwas verwundernd an, faße fih aber 
und Eleibt. Er fährt mit geändertem Tone fort.) Arme Öigs 
nora, wie vertraut müllen Sie bereit mit Shrem 
Kummer — an dem auch fhon unfer ganzer Hof, 
: vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt — ges 
worden feyn, daß Sie fo ganz gelaffen ben Nabs 
men einer Perfon anhören können, von welder 
doch all diefer Mißmuth ihnen zuwächſt! 

Bienca (febr ernf.) Signor Mondragene, id 
feste mich wieder, um zu hören, was Sr. Durch⸗ 
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um über 
men Schickſal mit Ihnen zu fpreben. Noch habe 
ich mich über dasfelbe, fo viel ich weiß, gegen Nies 
mand, am allermindeften gegen Sie beElagt. 

Monde Weil Sie nıdht wilfen, mit weld-m 
Grad der Ehrfurcht ich mich Ihnen verpflichtes fühle, 


⸗ 


vo. 163 — 


und wie ſehr die unanſtändige Aufführung Ihres Ges 


mahls auch mich kränft. Mein Vorwort *) hauptſäch⸗ 


ih war ed, was ihn, und zwar bloß S Spretwegen, , 
auf tiefen glänzenden Poſten erhob; hätte ih da: 
mabls gewußt, wie fehr er fein Glück mißbrduchen u 
wirde — — = 
Bianca (Betreten.) Mißbrauchen? — | Mißbrau⸗ 
chen, Signor? Wann that er Das? v 
Mondr. Sites nicht der höchſte, möglichſte Miß— 
brauch, nicht des Unſinns oberſter Grad, Bianca 
eine Kaſſandra vorzuziehen? Bianca'n, der, ſo bald 
fie winkte, Alles, was Florenz Großes und Edles 
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüſtigen, Berrfch« 
ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches 
haͤusliche Glück zertrümmerte, mancher tugendhaften 
Gattinn ihren Gemahl entriß, und dieſen dann wies 
der dem Erſten dem Beſten durchreiſenden Deutſchen 


Preis gab. | 

=, Bianca. Nein, Signor, haften Siaein! Ich 
wiederhohl⸗ es Ihnen, daß ich nicht begreife, was 
Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in dieſe 
Sache zu belaͤſtigen? — Auch iſt das Vergehen, das 
Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo 
ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen 


*) Man überfehe nicht, daß Dieb nun ſchon der zwente Hoͤf⸗ 
ling iſt, der ſich einer Mifwirkung zu Bonaven tri's Giück 
rühmt; denn freylich hat dieſe Art von Leuten immer 
die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gute zuzuſchreiben, was 

Dur? — nidt bewirkten; und dafür die Beſcheidenheit, 
das Boͤſe zu verſchweigen, was fie — wirklich thaten. 

2 


nn 164 were 
belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de 


. dern Seite gleih als Ernft aufgenommen wı 


eine Hoflichkeit, etwad unſchicklich angebr 
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, 
als einer unfers Geſchlechts zugleich den Hof zu 
chen — das Alles hat vieleiht einigen Schein ; 
Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentlihen € 
des Worts ſträflich zu machen. Zudem ift fein 
tragen gegen mid) von einer ſolchen Beſchaffenhei 
— Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid. 
da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will - 
Monde. (einfallend.) Werden Sie aufs ede 
thigfte die Vertheidigerinn eines Mannes, der n 
lich diefer Vertheidigung längft fhon unwerth waı 
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bi. 
fhändlicy ift Derjenige, ber eines bloßen Werd 
halber Glück und Frieden feined Naͤchſten ſtoͤrt; 
doppelt [handlich wäre id) dann, wenn ich den Fr 
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete, 
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr fid 
fterte, überhörte ih; was ich felbft nur halb 
mochte ich lieber gar nicht gefehen haben : erſt als 
Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam id 
und nun — (indem er ifr einen verfiegelten Brief & 
thet) Eennen Sie diejes Pettfchaft und diefe Hand 
Bianca (gieih deym erſten Blick äußern betr 
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. 
Monde. Und die Aufſchrift? An wen? 
Biance. Graufamer! Wollen Sie meine 
meiner Schmach noch fpotten ? Sagen Sie, wie 
men Sie zu diefem Briefe? 


san 105 roman 


Monde. Sey Das gefchehen, wie da wolle 
Genug, es ift ein Brief Ihres Gemahle an Kaſſandra, 
und es fteht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen. 

Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alfo ift er Das 
noch niche ? | 

Mondr. O nein! Nicht mir ziemte ed, in bie 
Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zuwollen; aber 
wohl haben Sie ein Recht dazu. 

Bianca (mis etwas Bitterteit. Würden Sie Das 
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeſte⸗ 
hen? — (altdald wieder mis dem Tone der Würde und ine 
dee Fe den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob 
ih dafür Ihnen danken foll, daß Sie mir über⸗ 
haupt dieß Schreiben brachten, Das ftehe ih noch 
zu entſcheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen 
dafür, daß Sie es fo mir brachten. — Es bleibt 
nun fo. 

Mondr. (ganp erftaun.) Wie, Signora, und 
Sie wollten — — 

Bianca (acqcelnd.) Bloß Ihrem Benfpiele fols 
gen, und nicht in bie Geheimniſſe eines Andern mid 
eindrängen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur 
ein Fremder, gegen mich ift er Ehegemahl und 
Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, 
ift mir fogar verbothen. Unanftändig wäre das Aufs 
brechen des Briefe von Ihnen gewefen, von mir 
wäre ed fogar ſträflich. Nochmahls, Gignor Mondra- 
gone, ich danke Ihnen von ganzem Kerzen, daß Sie 
diefe6 Schreiben mir fo braten. (Sie wii gehen, er 
Hals fe abermahls.) 

Monde. Und den Auftrag meines gnöbigften 
Herrn alfa wollen Ste nicht hören ? 


wess 166 en. , 
Bianca (verdrießlich Wie oft werben Eie 
- pon diefem Auftrage fprehen, den Sie gleich b 
erften Morte wieder vergeſſen, um auf Nebenwe 
auszuſchweifen, wo — — 

Mondr. Wo man freylih meiner guten Ab 
den Dank verweigert, den ſie verdiente. 

Bianca (vottend.) Ihrer guten Abſicht? 
Mondragone! Die Peſtluft des Hofes hat mich 3 
nicht ſchon in der Wiege vergiftet; abet dod- bin 
nicht unerfahren genug, durd eine Heucheley di 
Art mid bintergeben zu laſſen. Es gibt Gifte, 
man, aud) ohne Arzt zu ſeyn, Eennt, und die, 2 
einer leichten Überzucerung ‚ fid) bald verrathen. 
Aber fieh da, fon komme ich felbft wieder von 


= Hanptfahe ab! — Was Sie im Nahmen Er. Du 


laucht mir zu fagen haben, wünſche ich nun zu wi 
wünſche es fo Eurz ald möglich. 

Mondr. So kurz als möglich! Ich mei 
Theils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, oder 
nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet. 
biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen f 
hier, ſchöne, beneidenswirdige Bianca! 

Bianca (beſtüczt.) Wie ein Brief vom Großl 
zog? ein Brief an mich? Unmöglich! 

Mondr. Und doch wahr! — Eignora! ı 
nüßt dieſes lange Zaudern , dieſes Verftellen von ® 
ſeits und Dießſeits? Wer wüßre es nicht, daß St 
Körpers trefflile Reize dus Herz des edelften Zür 
bezwungen haben, und daf ihn die noch größern T 
tieftlichkeiten Ihrer Seele auf innmer zu Ihrem Se 
ven madten? ' 

Bianca. Das wüßte ir 


— 167 nem 

Monde, Ällerdings! denn wie waͤre es moͤglich, 
daß am ganzen Hofe Sie, eben Sie! die einzige 
Unwiſſende feyn follten? Aber wenn Sie Diefe Nenn 
ja wären — wohlan, fo erfahren Sie hiermit, fehöne 
fte Signora, daß das Herz unferd angebetheten Zür- 
ften für Sie von einer Gluth entbrannt it, wie er 
noch nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, Tebt 
nur in diefer Liebe. — Durch gegenwärtigen Brief 
und durh meinen Mund tragt er Ihnen feine innigſte 
Zartiihkeit, trägt Ihnen nebit Gewährung jeder Ihe 
ver Sorderungen, noch Alles, was Hof und Pracht und 
Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ıhm ers 
lauben — — | 

Bianca. Nein, Montragone; nur allzu lange 
babe ih Sie jeßt reden laſſen; denn das uͤberraſchende 
bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo 
tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke 
betäubt und ſtumm. — Ja, ja, Hinterliſt und 
Falaſtrick fage ih; und Dieß von Niemanden, als 
von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen — 
wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es 
auch nicht wiſſen; — aber von unſerm edelmüthigen 
Fürſten kommt es ſicher nicht. Er kennt zu gut die 
Pflichten eines Regenten und eines jeden’&tandes; 
ihm iſt zu ſehr Alles, was der Tugend heiligen Nah⸗ 
men führt ‚ wertb und theuer, als nach einem Laſter 
zu ſtreben. Er genoß ſicher ſchon der echten Freunde 
genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden die 
von jeder Seite ber ehebrecherifch feyn würde, und 
bie — — — Kein Wort mehr; verlaffen Eie mic 
fo bald als möglich ! ! 


wma " 162 num 


Bianca. Ausgefahren! 
.. Mondr. Darf ich Sie fragen: Wohin? 
Bianca, Ich wejß es ſelbſt nicht. 
Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra 9 
giani? 
Bianca. Moͤglich! 
Mondr. Wenigſtens glaubte ich ſeinen W 
unweit dieſer Wohnung halten zu ſehen. 
Bianca. So? | 
Mondr. (mit leicht zu deutendem Bid und als 
er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca 
Biancarauffehend.) Signor werden verzeihe 
Mondr. (ver fie, jedoch mit großer ChHhrfurdt | 
hätt.) Nein, Eignora Bianca, verzeihen Sie 
lieber, wenn ih Sie jest noch) nit von hinnen | 
"Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht 
endet. (Sie ficht ihn etwas verwundernd an. faßt fid 
und Bleibt. Er führt mit geändertem Tone fort.) Arme | 
nora, wie vertraut müſſen Sie bereitd mit 3 
Kummer — an dem auch ſchon unfer ganzer « 
- vorzüglid aber unfer Gebiether Antheil nimmt — 
worden feyn, daß Sie fo ganz gelaſſen ben 9 
men einer Perfon anhören Fonnen, von we 
doch al diefer Mißmuth ihnen zumädft ! 
Bienca (fepr ernf.) Signor Mondragone, 
feste mid wieder, um zu hören, was Sr. D 
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um 
mein Schicdfal mit Ihnen zu fpreden. Noch 
ich mich über dasſelbe, fo viel ich weiß, gegen 
mand, am allermindeften gegen &ie beflagt. 
Monde Weil Sie nıcht willen, mit wel 


Grad der Ehrfurcht ih mich Ihnen verpflichtes fi 


\ 


und wie fehr die unanftändige Aufführung Ihres Ges 


mahls aud mich kräänkt. Mein Vorwort *) bauptſäch⸗ 


lich war es, was ihn, und zwar bloß? Ibretwegen, 
auf dieſen glänzenden Poſten erhob; hätte ich das 
mahls gewußt, wie fehr er fen Glück migßrhugen J 
würde — — u 
"Mianca (beireten.) Mißbrauchen? — Mißbrau⸗ | 
hen, Signor? Wann that er Das? BE 
Mondr. Iſt es nicht der höchſte, möglichfte Miß: 
brauch , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianco | 
eine Kafandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald 
fie winfte, Alles, was, Florenz; Großes und Edles 
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüjtigen, herrſch⸗ 
ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches 


haͤusliche Glück zertrümmerte, mander tugendhaften . 


Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann wies 
ber dem Erſten dem Beſten durchreiſenden Deutfhen 


Preis gab. 
= Bianca. Nein, Signor, halten Sie ein! I 
wiederhohl⸗ es Ihnen, daß ich nicht begreife, was 
Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in dieſe 
Sache zu belaͤſtigen? — Auch iſt das Vergehen, das 
Cie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo 


ganz gewiß, ſo unläugbar, wie Sie es anzunehmen 





) Man überſehe nicht, daß Dieß nun ſchon der zweyte Höf⸗ 
fing iſt, der fi einer Mifwirfung zu Bonaventeri's Grüd 
zühmt; denn feeylih hat diefe Art von Leuten immer 
die Menſchenliebe, ſich Datienıge Gute zuzuſchreiben, was 
fie — nicht bewirtten; und dafür, die Beſcheidenheit, 
das Böfe zu verſchweigen, was fie — wirklich thaten. 


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belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de 


. dern Seite gleih als Ernft aufgenommen wı 


eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebr 
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, 
als einer unſers Geſchlechts zugleich den Hof zu 
chen — das Alles hat vielleicht einigen Schein 9 
Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentliden € 
des Worts fteraflich zu machen. Zudem iſt fein 
tragen gegen mid) von einer folhen Beſchaffenhei 
— Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid. 
da ich gar nicht von diefen Sachen ſprechen will - 
Monde. Leinfatiend.) Werden Sie aufs edy 
thigfte die Vertheidigerinn eined Mannes, der n 
lich diefer Vertheidigung längft fhon unwerth wa: 
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, (hönfte Bis 
fhändlicy ift Derjenige, ber eines bloßen Werd 
halber Glück und Frieden feines Naͤchſten ſtoͤrt; 
doppelt [händlih wäre ich dann, wenn ich den Fr 
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete, 
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ober fid 
fterte, überhörte ich; was ich felbft nur halb 
mochte ich lieber gar nicht gefehen haben: erſt als 
Argwohn in Gewißheit ſich verkehrte, kam ich 
und nun — (indem er ihr einen verfiegelten Brief % 
thet) Eennen Sie diejes Pettfchaft und diefe Hand 
Bianca (gleich beym erfien Blick äußern betr 
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri. 
Monde. Und die Aufſchrift? An wen? 
Bianca. Graufamer! Wollen Sie meine: 
meiner Schmach noch fpotten ? Sagen Sie, wie 
men Sie zu diefem Briefe? 


— 165 va 


Mondr. Sey Das gefhehen, wie da wolle 
Genug, es ift ein Brief Ihres Gemahls an Kaffandra, 
und es flieht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen. 

Bianca Lie fin ſchnell Tape.) Alfo ift er Das 
noch nicht 9 

Mondr. O nein! Nicht mir ziemte es, in bie 
Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zu wollen; aber 
wohl haben Sie ein Recht dazu. 

Bianca (mie etwas Bitterteie.) Würden Sie Das 
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeftes 
hen? — (attbatd wieder mis dem Tone der Würde und ine 
Dem fie den Meist annimut.) Signor Mondragone! ob 
ich dafür Shnen danken fol, daß Sie mir über⸗ 
haupt dieß Schreiben brachten, Das ftehe ih noch 
zu entfcheiden an. Aber wenigftens danke ich Shnen 
dafür, daß Sie es fo mir brachten. — Es bleibt 
nun fo. 

Mondr. (gany erſtaunt.) Wie, Gignora, und 
Sie wollten — — 

Bianca (läachelnd. Bloß Ihrem Benfpiele fols 
gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Andern mich 
eindrängen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur 
ein Fremder, gegen mich ift ee Ehegemahl und 
Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt, 
ift mir fogar verbothen. Unanſtaͤndig wäre das Aufs 
brechen des Briefed von Ahnen gewefen, von mir 
wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondras 
gone, ih danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie. 
diefe& Schreiden mir fo braten, (Sie will gehen, er 
Hals fie abermahls.) 

Monde. Und den Auftrag meines gnäbigften 
Herrn alfo wollen Ste nicht hören ? 


. we. ı66 OR , 
| Bianca (verdrießfih.) Wie oft werben Eie 
vpon diefem Auftrage fprehen, den Cie glei & 
erften Morte wieder vergeflen, um auf Nebenwe 
auszuſchweifen, wo — — 
Mondr. Wo man freylih meiner guten a 
ben Dank verweigert, den fie verdiente. 
Bianca (vpottend.) Ihrer guten Abſicht? 
Mondragone! Die Peſtluft des Hofes hat mich z 
nicht ſchon in der Wiege vergiftet; abet dod- bin 
nicht unerfahren genug, durd eine Heucheley di 
Art mich hintergehen zu laſſen. Es gibt Gifte, 
man, auch ohne Arzt zu ſeyn, kennt, und die, T 
einer leichten uͤberzuckerung, ſich bald verrathen. 
Aber ſieh da, ſchon komme ich ſelbſt wieder von 


= Hauptfahe ab! — Was Sie im Nahmen Er. Du 


laut mir zu fagen haben, wünſche ih nun zu wiſſ 
wünſche es fp kurz ald möglich. | 

Mondr. So kurz ald möglich! Ich mei 
Theils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, oder 
nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet. 
biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen £ 
bier, ſchöne, beneidenswürdige Bianca! 

Bianca (Ceſtüczt.) Wie ein Brief vom Groß 
zog? ein Brief an mich? Unmöglich! 

Mondr. Und doh wahr! — Kignora! ı 
nüßt diefes lange Zaudern, dieſes Verftellen von © 
feit8 und Dieffeits? Wer wüßte ed nicht, daß SL 
Körpers trefflide Reize das Herz des edelften Zärı 
bezwungen haben, und daß ihn die noch größeren 7 
trefflichkeiten Ihrer Seele auf immer zu Ihrem Se 
ven nmadten? 

Bianca. Das wüßte Fre 


won 367 nem 

Mondr. Ällerdings! denn wie wäre es möglich, 
daß am ganzen Hofe Ste, eben Sie! die einzige 
Unwiſſende feyn follten? Aber wenn Sie Dieſe denn 
ja wären — wohlan, fo erfahren Sie hiermit, ſchoͤn⸗ 
fte Siguora, daß das Herz unferd angebetheten Zür- 
ften für Sie von einer Gluth entbrannt it, wie er 
nod nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, lebt 
nur in diefer Liebe. — Durch gegenwärtigen Brief 
und durh meinen Mund tragt er Shnen feine innigſte 
Zärtlichkeit, trägt Ihnen nebjt Gewährung jeder Ih: 
ver Sorderungen, noch Alles, was Hof und Pradt und 
Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ihm er- 
lauden — — 

Bianca. Mein, Mondragone; nut allıu lange 
babe ich Sie jeßt veden laffen; denn das uͤberraſchende 
bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo 
tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke 
betäubt und ſtumm. — Ja, ja, Hinterliſt und 
Falaſterick ſage ich; und Dieß von Niemanden, als 
von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen — 
wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es 
auch nicht wiſſen; — aber von unſerm edelmuͤthigen 
Fürſten kommt es ſicher nicht. Er kennt zu gut die 
Pflichten eines Regenten und eines jeden Standes; 
ihm iſt zu ſehr Alles, was der Tugend heiligen Nah 
men führt, werth und heuer, ald nad) einem Lafter . 
zu itreden. Er genoß ſicher ſchon der echten Freude 
genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden, die 
von jeder Seite ber ebebrecherifch feyn würde, und 
die — — — Rein Wort mehr; verlaffen Sie nid 
fo bald als möglich ! 


wa 168 — 


Monde. Ehebrecherifch ? Laſterhaft! Mohr! 
orte, die hart Elingen, und ungerecht oben br 
find I Sind Fürſten ihrerfeits nicht erhaben über 
Geſetze der untergeordneten bürgerlichen Geſellſcha 
Kann Vergeltung einer fo lange geduldig ertragen 
Untreue bey Bianca ein Ehebruch heiffen ? Ka 
Bonaventuri Über Entziehung eined Gutes klage 
das er felbit vorher fo ſchändlich vernadhläffigte $ ° 
der Fürft , der ihn durch Übertragung glänzenber 9 
ſten und unermeßlicher Reichthümer entſchaͤdigt, ni 
mehr als zu gütig? Und ift Tugend niche allzu fren 

wenn fie auch der Liebe allmaͤchtigem Rufe — — 
| Bianta kon.) Daß ih mich etwa herablie 
mit Shnen Über Dinge zu ſtreiten, die freylih Gin 
lingen von gemeinem Schlage ein fünfter Weltth 
find? — über Zugend und innere Empfindung! Gem 
daß die Meinige nie zu einer Buhlſchaft ſich erniebrig 
wird! Benug, daß Kranz fiher nicht — — 

Monde. Wenn Signora meinen Worten ni 
tranen will, fo traue fie wenigſtens diefem Briefe 
(ige ihn wieber darbiethend.) 

Bianca. Den ih nit annehmen werbe. 

Mondr. (ägend) Nicht? So werde ich | 
freplih wohl zurück laſſen müffen. (Lege ihn auf 
Banı.) Signora, ich beſchwoͤre Sie, verſcherzen € 
nit, was hundert tauſend Ihres Gefchlechts für ! 
beneidenswerthefte GtÄdE erkennen würden; was a 
freylich auch unter diefen Hunderttaufenden Eeine 
ganz, ald Sie verdienen könnte. (Gr win sehen.) 

Bianca Cipn Hattınd.) Signor, nehmen € 
Ihren Brief mis; ober ich ſchwöre Ihnen bey der | 


.. 269 —R& 
ligen Jungfrau, er bleibt ſo ungenützt ‚fe unerbros 
gen liegen, wie Sie jegt ihn laſſen! 

Mondr. Sie haben Recht; dann wäre er unge⸗ 
nüßt; und ich nehme ibn alfo zurüd, um fein — Sie⸗ 
gel zu brechen, und ihn fo hier zu laſſen. (Gr gerreige 
ſchnell das Convert, und entfernt fi noch ſchneller.) 





Wohl moͤglich, daß der Schrikt, den Mondragone 
hier wagte, Manchem, der ihn vernimmt, allzu ge⸗ 
wagt vorkommen dürfte! Das Schreiben ſeines Zürs 
fien — zumahl von einem Snhalte, wie er bier zu 
vermuthen ftand, offen liegen zu faflen; es liegen zu 
laſſen bey einer Dame, die ſich Eurz vorher mit bem 
Zone des ungekünftelten Ernftes erklärt hatte, es 
nicht zu lefen; Das ſcheint feinen Auftrag nicht als ein 
feiner Weltmann, fondern als ein unvorfihtiger Neu⸗ 
ling beforgt zu haben. Und doch hatte Mondragone 
gar wohl überdacht, was er that. 

Er fing wirklich an, Achtung, ober vielmebf 
Scheu — denn nur der Redliche Tiebt, der Boͤſewicht 
fürchtet jebe fremde Tugend — gegen Bianca’d innere 
Würde zu gewinnen. Doch war er auch feſt überzeugt, - 
daß ihre Eiferfucht, fo fehr fie es verberge, geweckt wors 
den fey. Er hoffte zuverſichtlich, daß weibfiche Neugierde, 
fo bald er fich entfernt habe, auch hervortreten und 
dann ganz anders als in feiner Öegenwart handeln wer: 
de; er erwartete fogar, daß das Selbſtvertrauen auf‘ 
eheliche Treue fie noch dreifter in ihren Schritten ma⸗ 
hen, obfhon endlih — im Stiche laſſen folle; und ex 


’ 


vn. 3170 XX 
rechnete i in allem Dieſen, wenigſtens zu drey Vierth 
len, nicht unrichtig. 

Denn unerwartet war in allem Betracht Bia 
ca dieſer Streich gekommen. Betroffen, keines We 
tes fähig, ſtand fie noch da, als ſchon der Höfling we 
aus ihrem Geſichte, ſchon zur Gartenthür hinaus mc 
Als fie die Befinnung zurüd erhielt, griff’fie langſa 
nach jenem, halb auseinander gefhlagenen Papier 
ſteckte es zu ih — ſchweigend, zitternd. Hier Eonn 
es ja nicht liegen bleiben, wo es fo leicht ein ‚Ander 
finden Eonnte, und dann gewiß anders, als er ſollt 
gedeutet haben wurde! — Langſam ſchlich fie in ı 
Gemach zurück. Hier ungelefen die fürftlihe Schri 
zu vernichten, war ihr anfänglicher Gedanke. Er ve 
flog, je länger fie ihn überdadte. Wer würde ihr die 
Verläugnung jemahls geglaubt haben? Womit w 
fie zu beweifen? Wozu alfo wohl nützlich? — Nun fiı 
fie an zu überlegen, zu bedingen, zu befchränfen, b 
nad funfjzehn oder fehzehn Minuten der Brief —- g 
Iefen war. Aber ein Mehreres gab fie auch ihrer Wei 
lichkeit nicht nah! Der Entſchluß nad diefem Lefei 
ja vieleicht nach Wiederhohlung deffelben, war nic) 
wie Mondragone hoffte; war Bianca's würdig. | 

Cie gab ihrem Gemahl, ald er ziemlich fpät d 
Abends nach Hauſe Eehrte, auch mir Eeiner Miene | | 
verftehen, daß fie wiſſe: woher er komme? Sie me 
dete ihm bloß die füritlihe Tinladung zur Jagd, ur 
bath ihr Nichterfheihen deym Ball durch eine Unpäl 
lichkeit zu entſchuldigen. Bonaventuri verſprgch 
gern; der Frevler hoffte bey dieſem Feſt Kaſſandi 
um deſto freyer zu ſehen. Bianca errieth feine © 
danfen, aber fie verläugnete fo ganz die Landesa 


rw 171 —R _ 

und ihr Gerhleht überhaupt, daß fie ſchweigen 
konnte. | 

Die Stunden feiner Abweſenheit nügte fie, um. 
noch genauer jedes Wort zu erwägen, das fie fagen 
wollte. Der dritte Tag, mit Abſicht von ihr zum Ges 
ſpräch beſtimmt, Eam und verging. Es war Abend; 
und die Stunde der Ruhe 'war nicht mehr fern. Bo⸗ 
naventuri trat, abermahls vom Hofe Eommend, in ihr 
Gemach; er fand jie an einem Tifhchen figend, in flile 
ler Schwermuth ihr Haupt auf ihre Nechte geſtützt. 
Eine Stellung, die ihm ungewöhnlich war! denn ime 
mer blieb die ın großer Geſellſchaft ftile Bianca; für 
ihren Gatten im Haufe ein beiteres Weib. Et fland 
daher eine Minute ftillfehweigend vor, ihr, und da fie 
ihn Eaum zu bemerken fihten, Eonnte er fih nicht der 
Frage entbrehen: 

„Barum fo außerft ernſthaft? — - Barum wohl 
„gar traurig, Wiebe Bianca?” 

Bianca. Ich denke diefem Abende nad. 

Bonav. (aufmerffam werdend.) Dieſem Abende ? 

Bianca (mit einem ernfihaften Kopffaüttein.) DO, ed 
ift eine feyerlihde Naht, Bonaventuri, dieſe heutige 
Made! Nichte fowohl ihrer ſelbſt willen — fie müß— 
te denn Dieß noch im Berfolge werden — als vielmehr 
ihres Andenkens halber. | 

Bonav. ch verftehe dich nicht, liebſtrs Weibchen. 

Bianca. Was mir weh genug thut! Man vers 
gißt feinen, oder eines theuren Sreundes Geburts— 
tag nie fo leiht; und gegenwärtige Nacht war einit 
die Geburtsnacht unferer ehelichen Verbindung. 

Bonav. (ſtutzend. So? Wirklich? Leinen Augen 
blid nachdenkend.) Es it wahr! 


una 1723 a 

Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine 
Schaubder,. der alle Gebeine durchbebte, bey der Rü 
Eehr von unferer zartlichen Unterredung, bie vaterli 
Hausthür verfchloffen fand — umkehrte — und, | 
weißt ja, in weilen Arme ich flog! 

Bonav. 'teine Hand auf ihren halbbloßen Arm 
qelnd legend.) Was dich doch hoffentlich iegt nicht reu 

Bianca (mit einem ſtarren Blick in fein Anger k 
ee Faum auspätt.), Und auch wohl nicht reuen darf! 
Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mih noch? «: 
dem fie feine Hand ergreift.) 

Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann! 

tanca (immer feine Hand haltend, mit noch eenfter: 
liebevollen Blicke.) Wenigftens Eann fie fragen: ‚Ob nı 
fo rein, fo heiß, wie damahls? 

Bonav. (mie dem Tone des ſich mühſam zwingend 
Gewiſſens. Sorein, und heiß! 

Bianca. Und aud fo einzigt— Nein, < 
naventuri, verbirg deine Werlegenheit nicht länge 
Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel 
ald ein Heuchler werd. — Einzig! Sa, ih tı 
das Wort, dad du nicht zu wiederhohlen vermag 
jene vorigen erzwangft du noch. 

Bonav. (der feine Betretung unter Beleidigtfeyn v 
Sergen wit.) Erzwangt Fehler? Was foll Das? C 
wiß, Bianca, ich weiß nicht, wie ich zu biefem Wi 
wurf komme. 

Bianca (mit aufgehobnem Bid) Mächte bes Hi 
meld und ihr heiligen Märterinnen , die ihr ehemal 
mie meine Schwäce vergabt, laßt auch diefen ®i 
wurf. Schwäche und Irrthum gewefen ſeyn! — 4 
ac) leider! er ift eg nicht. — Bonaventuri, verzeih 


soon 179 nem 

dem Weibe, das dich mehr als fich felder Tiebt, wenn 
baffelbe die Laft des Kummers, lang genug im Stillen 
getragen, endlich vor die auͤsſchüttet Biſt du es doch 
ſelbſt nur, der dieſe Laſt mir auflegt! — Bonaven⸗ 
turi, unſere Liebe iſt nicht mehr gan, wie fie ehemahls 
war; nicht mebr fo rein, fo wechfelfeitig, wie in jener 
furdtbaren Nacht. 

Bonav. Wenigftend auf meiner Seite — — 

Bianca. Lieber, fprih dieſe Unwahrheit nicht 
aus! Sch haffe einen jeden Mund, welder fügt, und 
den Deinigen möchte ich gern ewig lieben und achten 
zugleih. Sieh, ſchon wirft du bald roth, bald bleich; 
fhon ftammelft du und ſtockſt; und doch habe ich dus 
Wort noh nit einmabl. ausgefprohen, wodurd, ich 
weit mehr noch deine Farbe wegfelnd. ‚ deine Zunge 
fiammelnd machen koͤnnte. 

Bonav. (immer veriegener.) Welches Wort? 

Bianca. Kaflandra Bongiani! 

Bonav. Kaf—— Kaflandra ? Sat ſoll Dieſe! 
— Was meinſt du? 

Bianca Du wollteſt es; und meine Vorher⸗ 
verkündigung iſt eingetroffen! 

Bonav. (ſich fallend.) Nein, Bianca, die Roͤ⸗ 
the, die du mir vorwirfit, und die ich felbft gar wohl 
fühle, erzeugt nid etwa Scham, fondern Erftaunen, 
billige Erftaunen, daß meine fonft fo billig, fo edel 
denfende Gattinn enblid auch ein Mähren glauben 
Tann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an . 
irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute, 
welche glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit 
der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt, 


nn ) 174 . 
oder über den anbern britien Zag zuweilen zwan 
Worte fpridt. 

" Bianca. Und du beharrft auf deinem Raugne 
Warnung auf Warnung erfihürtert dich nicht? 
Gott, ift es dahin gekommen? Sit Dieß derfelde Man 
der ehemahls mir ſchwur, dafi die Dauer einer Ew 
keit ſelbſt nicht hinreichend für feine Liebe feyt | 
mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod? — H 
weg mit langern Umſchweifen! Taf nicht Rürkere Schr 
des Trugs noch über dein Haupt fomme; daß ich fel 
nicht die unfpuldige Urfache Liefer Sünde feyn mög 
fo (hau her! Werfen ift dieſes Siegel? (Sie ip auf 
flanden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie i 
jeigt.) 

Bonav. (erſchrocken.) Das Meinige. 

Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand bie: 
Aufſchrift? 

VBonav. (kur ſich.) Gott, wenn Dieß mein » 
foren gegangener Brief, die Urſache von ſchon mand 
meiner Zorgen were! — (Zaut und zitternd.) Auch D 
fheint meine Hand zu feyn. 

Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ı 
Weib geihrieben, mit dem nur müßige Pagen u 
Jagdiunker dich ind Gerede bringen !— Benaventu 
bey dem Ewigen, Allwiſſenden! nicht meine Müf 
nicht Liſt der Eiferſucht verfdaffte mir dıefen Brie 
bloß der Haß deiner Feinde brachte ihn in meine Haͤ 
de, und ich gebe ihn dır wieder, wie id ihn empfir 
SH durfte nur das Ziegel deifelben breden, und | 
hatte dann ficher der Beweiſe von deiner Untreue ta 
ſendfältig; aber nein! da nımm ihn bin, nur ſpri 
wahr fur künftig! 


008 175 


Bonav. (der gleichſam wie aus einem Traume aufs 
fährt, und aufnmerffam und mit Erſtaunen den Brief betrachtet.) 
Wiet— Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies 
fed Siegel? 

Bianca mie ſchmerdbaftem Lächeln.) Nun ia! ir 
noch ganz. | 

39 n a v. (mit Teuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) 
Bianca! Weib ohne Gleichen! Engel, der durch 
Scham mich niederwirft! — O wüßteſt du, was dieſer 
Brief enthalt! (Mit dem Ton der Reue.) Welche Vor⸗ 
ſchläge! Welche Wünfge! Welche Hirigefpinnfte ! Ä 

Bianca. Mag ich fie doch nit wien! Beifer“ 
freylich, diefes Schreiben wäre nie gefchrieben, aber 
da es Dieß einmahlift, fg vergehe es fo! (Sie halt den 
Brief am die Flamme des Lichte; und verbrennt ihn.) | 

Bonav. Edelſtes Weib auf Gottes weiter Erde! 
(Indem er fie umarmen will, bebt er zurüd.) Mein, nein, 
ic bin es nicht werth dich zu berühren! (@r fällt aufs 
Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmahl, den tiefſten 
Saum dieſer Gewaͤnder — — 

Bianca. Bonaventuri! Mann! Eteh auf! Er⸗ 
niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wuͤnſchte! 
(Sie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger 
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; 
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfhlungen ; 
fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gedrüdt. 
(Die küßt ihn, und ſieht ihn ſtarr an, der die Augen nicders 
ſchiägt.. Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht 
einmahl an? | 

Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen Augen 
der Verächtfichfte aller Männer! 


son 176 IR 

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen 
‚du immer noch ber. Theuerſte, der Reizendfte, der C 
ziggeliebte. — (ihn küſſend. D. Bonaventuri! D 
Nacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener um 
geßlichen zu feyn; jener — — GSie läßt ein Paar Thrä 
fallen.) Sey diefe erfte Thräne unferer Liebe, und di 
zweyte dem Andenken eines Waters heilig, den id) 
innig liebte und doch fo Eränfen mußte! — Einem? 
ter — — — ad, daß doch jede rende mit taufı 
Gram fo nahe verfhwiftert iſt, daß — — (Inden fie 
_ ſchneul wit liebevollem Drohen nad Bonaventuri wendet.) % 
fer, lieber, böfer Mann, wie viel opferte ih bir ni 
auf! 

Bonav. Ya wohl viel! Waterland, After 
Wohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, ı 
Verbannung, Elend und Niebrigkeit mit mir zu th 
len, und ich — — id — o! — — 
Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben | 
nannte Elingt freylidy rauh; ertrug ſich freylich Anfan 
ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tı 
gen, als mein jetzige s Loos. 

Bonadv. (ter fie falfh verficht) Was von nun 
dir Feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ; 
ben fol. 

Bianca. Nicht? Weißt du auch Das fogewi 
Kennft du meine ganze Lage 

Bonav. (dem Dieß etwas auffänt.) Und follte | 
fie nicht kennen? Welh ein Geheimnif verfclie 
Bianca nod) vor mir ? 

Bienca Das Peinlihfte, was fie jemahls be 

— Ja, Bonaventuri, es ift unamgänglicdy nöthi 
5 ich endlich den n Steger dir vom Auge reiſſe; ein 
Schleyer 


ea00 177 een. 


Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nicht 
ſchon längſt dir von ſelbſt entſank. — (mit ſehnell Rare 
werdendem Htide.) Oder wäre ed, vielleicht ſchon gefches 
ben? Wußteſt du vielleicht laͤngſt, was ich, um dir 
Kummer' zu erſparen, gern lebenslang verſchwiegen 
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur 
aus Kaltſinn oder Staatsklugheit dazu? Schande, 
unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem 
alſo wäre! 
Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nicht! 
Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das 
einzige Mahl, daß eine Blindheit von dir mir 
lieb iſt; wenigſtens lieber als ein vorſetzliches 
überſehen. — Wiſſe, eben diejenigen geringen 
Reize, die einſt das Glück hatten dich zu beſiegen, haben 
auch ſchon ſeit geraumer Zeit das Unglück gehabt, die 
Begierden unſers Großherzogs zu reizen. 
Bonav. Ceſtaum.) Wie, Franz liebt dich? x 
Bianca. Wenigitens fpriht er fo. . 
Bonav, Er liebt. big ? ? Franz? (Paufe und Weq ſet 
im Ton.) Zwar wer Eönnge dich fehen, und müßte big 
nicht lieben, Engel im? Weibesgeftalt! Engel, der 
fetöit in tiefer Eörperlihen Hülle noch einen reichlich 
durchbrechenden Abglanz ſeiner himmliſchen Herkunft 
beybehalten hat! — lauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein 
Haupt aufſtützend.) — Wie fo natürlih! Und doch wie. 
fo ſchrecklich für mich! — (Bid) vor die ˖ Stirne ſchlagend.) 
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich 
Alles! — Alles, nur Das nicht, daß ich Dieß nicht 
eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und 
nicht felbft ſah! — Aber woher weißt du es? Won ihm 
ſelbſt | 
- Meißnerd Blanca Cap. 1. pt. Mm 


9 


nn 270 vos. 


rechnete in allem Diefen, wenigftens zu drey Vierthei⸗ B* 


len, nicht unrichtig. 

Denn unerwartet war in allem Betracht Bian— 
ca dieſer Dtreih_gefommen. Betroffen, Eeined Wor- 
tes fähig, ſtand fie noch da, als fhon der Köfling weit 
aus ihrem Gefichte, fhon zur Gartenthür hinaus war. 
Als fie die Befinnung zurüc erhielt, griff’fie Tangfam 
nach jenem, bald auseinander gefhhlagenen Papiere ; 
ſteckte e5 zu ſich — ſchweigend, zitternd. Hier konnte 
es ja nicht liegen bleiben, wo es fo leicht ein ‚Anderer 
finden Eonnte, und dann gewiß anders, als er follte, 
geleutet haben würde! — Langſam ſchlich fie in ihre 
Gemach zurück. Hier ungelefen die fürfilihe Schrift 
zu vernichten, war ihr anfünglicher Gedanke. Er vers 
flog, je langer jie ihn überdachte. Wer würde ihr diefe- 
Verläugnung jemahls geglaubt haben? Womit wär 
fie zu beweiſen? Wozu alfo wohl nützlich? — - Nun fing 
fie an zu überlegen, zu bedingen, zu befchränfen, bis 
nad funfzehn oder fehzehn Minuten der Brief —- ger 
lefen war. Aber ein Mehreres gab fie auch ihrer Weib: 
lichkeit niye nah! Der Entſchluß nad diefem Lefen, 
ja vielleiht nah Wiederhohlung deffelben, war nicht, 
wie Mondragone hoffte; war Bianca’s würdig. | 

Cie gab ihrem Gemahl, ald er ziemlich ſpaͤt des 
Abends nach Haufe kehrte, auch mir Eeiner Miene zu 
verftehen, daß fie wiſſe: woher er Eomme? Sie mels 
dete ihm bloß die füritlihe Finladung zur Jagd, und 
bath ihr Nichterfheihen deym Ball durch eine Unpäß- 
lichkeit zu entſchuldigen. Bonaventuri verfprah es 
gern; der Frevler hoffte bey dieſem Feſt Kaſſandra 
um deſto freyer zu ſehen. Bianca errieth feine Ge⸗ 
danken, aber ſie verlaͤugnete ſo ganz die Landesart 


nme ı 7 1 [v7 37% 


und ihr Geſchlecht überhaupt, daß fie ſchweigen 
konnte. | 
Die Stunden feiner Abwefenheit nügte fie, um. 
noch genauer jedes Wort zn erwägen, das fie fügen 
wollte. Der dritte Tag, mit Abſicht von ihr zum Ges 
ſpräch beftimmt, kam und verging. Es war Abend; 
und die Stunde der Ruhe 'war nicht mehr fern. Bo⸗ 
naventuri trat, abermahls vom Hofe Eommend, in ihr 
Gemach; er fand jie an einem Tiſchchen figend, in ſtil⸗ 
ler Schwermuth ihr Haupt auf ihre Rechte geſflützt. 
Eine Stellung, die ihm ungewo öhnlich war! kenn im⸗ 
mer blied die ın großer Geſellſchaft ftille Bianca; für 
ihren Gatten im Haufe ein heiteres Weib. Et fand 
daher eine Minute flillfehweigend vor, ihr, und da fie 
ihn Eaum zu bemerken ſchien, Eonnte er ſich nicht der 
Frage entbrechen: 
„Warum fo aͤußerſt ernſthaft? — Warum wohl 
„gar traurig, Lebe Bianca!” 
Bianca. Ich denke dieſem Abende na 
Bonav. (aufmerffam mwerdend.) Dieſem Abende? 
Bianca (mit einem ernſthaften Kopfſchüttein.) O, es 
iſt eine feyerliche Nacht, Bonaventuri, dieſe heutige 
Nacht! Nicht ſowohl ihrer ſelbſt willen — fie müß— 
te denn Dieß noch im Verfolge werden — als vielmehr 
ihres Andenkens halber. 
Bonav. Ich verſtehe dich nicht, liebſtrs Weibchen. 
Bianca. Was mir weh genug thut! Man ver: 
gift feinen, oder eines theuren Sreundes Geburts 
tag nice fo leicht; und gegenwärtige Nacht war einit 
bie Geburtsnacht unferer ehelichen Verbindung. 
Bonav. (ſutzend. So? Wirklich t teinen Augen 
blick nachdentend.) Es it wahr! 


Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine 
Schauder, der alle Gebeine durchbebte, bey der Ruͤ 
kehr von unferer zartlichen Ilnterredung, die väterlic 
Hausthür verfchloffen fand — umkehrte — and, | | 
weißt ja, in weſſen Arme ich flog! 

Bonav. '(teine Hand auf ihren halbbloßen Arm 
qheind legend.) Was dich doc, hoffentlich iegt nicht reu 

Bianca (mit einem ſtarren Blick in fein Auge, dd 
ee zaum auspätt.) Und auch wohl nicht reuen barf! - 
Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mich noch? « 
bem fie feine Hand ergreift.) 

Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann! 

tanca (immer feine Hand Haltend, mit noch eenftere 
liebevollen Btide.) Wenigftens Eann fie fragen: Ob ne 
fo rein, fo heiß, wie damahls? 

Bonav. (mit dem Tone des fi mühlam zwingend 
Gewiſſens. Sorein, und heiß! 

Bianca. Und aud fo einzig? — Nein, ® 
naventuri, verbirg deine Verlegenheit nicht länge 
Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel 
als ein Heuchler werth. — Einzig! Ha, ih t 
das Wort, dad du nicht zu wiederhoßfen vermag 
jene vorigen erzwangft du noch. 

Bonav. (ker feine Betretung unter Beleidigtfeyn v 
Bergen win.) Erzwang? Fehler? Was foll Das} € 
wiß, Bianca, ich weiß nicht, wie ich zu biefem Wi 
murf komme. 

Bianca (mitaufgehodnem Blick.) Mächte des Hi 
mels und ihr heiligen Märterinnen , die ihr ehemal 
mir meine Schwäcde vergabt, laßt audy diefen Bi 
wurf. Schwädhe und Irrthum gewefen ſeyn! — U 
ac) leider! er ift ed nicht. — Bonaventuri, verzeih 


[4 


soon 179 vom 

dem Weide, das dich mehr als fich felber liebt, wenn 
daffelbe die.Laft des Kummers, lang genug im Stillen 
getragen, endlid vor. dir ausfhhttet ! Bift du ed doch 
felbit nur, der dieſe Laſt mir auflegt! — Bonaven⸗ 
turi, unſere Liebe iſt nicht mehr ganz, wie ſie ehemahls 
war; nicht mehr ſo rein, fo wech elſeitig, wie in jener 
furgtsaren Nacht. | 

Bonav. Wenigſtens auf meiner Seite — — 

Bianca. Lieber, ſprich dieſe Unwahrheit nicht 
aus! Sch haſſe einen jeden Mund, welcher fügt, und 
den Deinigen möchte ich gern ewig lieben und adıten 
zugleih. Sieh, fhon wirft du bald roth, bald bleich ; 
fhon ftammelft du und ſtockſt; und bod habe ih das 
Wort noh nicht einmahl, ausgefprochen, wodurd, ich 
weit mehr noch deine Farbe wechfelnd, beine Zunge 
fiammelnd machen fünnte. 

VBonav. (immer verfegener.) Welches Wort? 

Bianca. Kaffandra Bongiani! 

Bonav. Kaſſ — — Kaffandra ? Was fol Diefe ? 
— Was meinft du? 

Bianca Du wellteft ed; und meine Vorbers 
verfündigung ift eingetroffen ! 

Bonav. (fa kaſſend) Nein, Bianca, die Roͤ⸗ 
the, die du mir vorwirfit, und die ich felbft gar wohl 
fühle, erzeugt nicht etwa Scham, fondern Erftaunen, 
billige? Erſtaunen, daß meine fonft fo billig, fo edel 
denfende Gattinn endlid auch ein Mähren glauben 
Tann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an . 
irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute, 
welche glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit 
der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt, 


DER 174 0 
ober über. ben andern dritten Tag zumeilen zwanzig 
Worte fpridt. 

" Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugnen? 
Warnung auf Warnung erfhürtert dich nicht? — 
©ott, ift es dahin gekommen? Sft Dieß derfelde Mann, 
der ehemahls mir fhwur, daſi die Dauer einer Ewig⸗ 
keit ſelbſt nicht hinreichend für ſeine Liebe ſey? der 
mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod? — Hin— 
weg mit längern Umſchweifen! Daß nicht ſtärkere Schuld 
des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich ſelbſt 
nicht die unſchuldige Urſache Diefer Sünde ſeyn möge; 
fo ſchau her! Weſſen ift dieſes Eiegel? (Sie iR aufges 
fanden, und hohlt aus ihrem Schranuk einen Brief, den fie ihm 
zeigt.) . 

Bonav. (erfgroden.) Das Meinige. 

Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand diefer 
Aufſchrift? 

Vonav. (Ekur ſich) Gott, wenn Dieß mein ver⸗ 
loren gegangener Brief, die Urſache von ſchon mancher 
meiner Sorgen ware! — (Laut und zitternd.) Auch Das 

ſcheint meine Hand zu ſeyn. | 
Ä Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ein 
Weib geihrieben, mit dem nur müßige Pagen und 
Jagdiunker dich ins Gerede bringen — Benaventuri, 
bey dem Ewigen, Allwiffenden! nicht meine Mühe, 
nicht Liſt der Eiferſucht verfdaffte mir dieſen Brief; 
bloß der Haß deiner Feinde brachte ihn in meine Hüns 
de, umd ich gebe ihn dir wieder, wie id ihn empfing. 
Ich durfte nur das Siegel deſſelben breden, und ich 
hatte dann ficher der Beweiſe von deiner Untreue taus 
ſendfältig; aber nein! da mımm ihn bin, nur fprich 
wahr fur künftig! 


% 
wen 17D ⸗ 
Bonav. (der gleihfam wie aus einem Traume aufs 
fährt, und aufmerffam und mit Erflaunen den Brief betrachtet.) 
Wie — Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies 
ſes Siegel? 
Bianca (mit fhmerspaftem Lächein.) un je iſt 
noch ganz. | 
Bo n ad. (mit Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) 
Bianca! Weib ohne Sleihen! Engel, der durch 
Scham mid niederwirft! — O wüßteft tu, was diefer 
Brief enthalt! Mit dem Ton der Reue.) Weldhe Mor: 
fhläge! Welhe Wünſche! Welche Hirigefpinnfte ! 
Bianca. Mag ih fie doch nit willen! Beifer“ 
freylich, dieſes Schreiben wäre nie geſchrieben, aber 
da es Dieß einmahlift, fg vergebe es fo! (Sie Hate den 
Brief an die Flamme des Lichte, und verbrennt ihn.) | 
Bonav. Edelſtes Weib auf Gottes weiter Erde! 
(Indem er fie umarmen will, bedt er zurüd.) Mein, nein, 
ich bin es nicht werth dich zu berühren! (Er källt aufs 
Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmabl, den tiefiten 
Eaum diefer Gewänder — — 
Bianca. Bonaventuri! Mann! Steh auf! Er- 
niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wünſchte! 
(Sie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger 
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; 
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfhlungen ; 
fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gedrüdt. 
(Die küßt ihn, und fieht ihn ſtarr an, der die Augen nieders 
ſchiägt.) Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht 
einmahl an? 
Bonav. Darf ich Das? Ich, in meinen Aigen 
der Verächtlichfte aler Männer! 


* 


ooä 176 oa 

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen biſt 
du immer noch der. Theuerfte, der Reizendfte, der Eine 
ziggeliebte. — (in küftend.) D. Bonaventuri! Diefe 

dacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener unvers 
geßlichen zu feyn; jener — — (Sie läßt ein Paar Thräuen 
fallen.) Sey diefe erfte Thraͤne unferer Liebe, und diefe 
zweyte dem Andenken eines Vaters heilig, den id) fo 
innig liebte und doch fo Eränfen mußte! — Einem Bas 
ter — — — ad, daß doch jede Freude mit taufend 
Sram fo nahe verfhwiftert ifl, daß — — (Indem ſie ſich 
one mit liebevollem Drohen nad Bonaventuri wendet.) Bis 
fer, lieber, bofer Mann, wie viel opferte ih bir nicht 
auf! 

Bonav. Ja wohl viel! Vaterland, Älteren, 
Wohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, um 
Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu thei⸗ 
len, und id — — ich — 0! — — 

Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben ge⸗ 
nannte klingt freylich rauh; ertrug ſich freylich Anfangs 
ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tra⸗ 
gen, als mein jetzige s Loos. 

Bonad. (ter fe kalſch verſteht. Was von nun an 
dir Feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ge⸗ 
ben fol. 

Bianca. Nicht? Weißt by auch Das fogewiß ? 
Kennft du meine ganze Lage? 

Bonav. (dem Dieß etwas aufant.) Und follte ich 
fie nit Eennen? Welch ein Geheimniß verfhließt 
Bianca nod) vor mir ? 

Bianca. Das Peintihfte, was fie jemahls hat⸗ 
te. — Ja, Bonaventuri, es ift unnmgänglidy nöthig, 
daß ich endlich den n Sqleyer bir vom Auge reife; einen 

Schleyer 


Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nicht 
fhon längit dir von ſelbſt entſank. — (nit ſchnell garr 
werdendem Blide.) Oder wäre es vielleicht ſchon geſche⸗ 
ben? Wußteſt du vieleicht laͤngſt, was ih, um bie 
Kummer‘ zu erfparen, gern Iebensläng vVerfchwiegen 
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur 
aus Kaltfinn oder Staatsklugheitf dazu? Schande, 
unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem 
alſo wäre! = 
Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nice! = 
Bianca. Nun fo fi Die das erfte und bad 
einzige Mahl, daf eine Blindheit von bir mie 
lieb iſt; wenigſtens lieber. als ein vorfeslides 
Überfeden. — Wiſſe, eben diejenigen geringen 
Reize, die einit das Glück hatten dich zu defiegen, haben - 
auch ſchon feit geraumer Zeit das Unglück gehabt, bie 
Begierden unſers Großherzogs zu reizen. 
Bonav. (aſtaun.) Wie, Franz liebe dich? 
Bianca. Wenigſtens ſpricht er fo. 
Bonav. Er liebt dich? Franz? (Panfe und Wechfet 
im Son.) Zwar iver Eönnge dich fehen, und müßte dich 
nicht lieben, Engel im? MWeibesgeftalt! Engel, der 
ſelbſt in tiefer Förperliher Hülle noch einen reichlich 
durchbrechenden Abglanz ſeiner himmliſchen Herkunft 
beybehalten hat! — tauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein 
Haupt aufſtützend) — Wie fo natürlih! Und doch wie: 
fo ſchrecklich für mich! — (Bid) vor die ˖ Stirne fhlagend.) | 
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich 
Alles! — Alles, nur Tas nicht, daß ih Dieß nicht 
eher begriff! dafs ich es hören mußte von dir, und 
nicht felbft fah! — Aber woher weißt du es? Von ihm 
ſelbſt! 
Neißners Blanca co. 1. Thi. M 


vun 17 mm 
Bianca, Von ihm felbft ! Und ich wußte eB 
ſchon längft. Schon damahls, ald ich mich fo athemlos 
in unfer Eleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich fo in⸗ 
brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil 
ich ihn gefehen und gefprochen habe; ſchon damahls 
war fein Gefpräd mis mir. Erklärung der Liebe gee 
wefen! | 
Bonav. (Hakig.) Und du verfchwiegft ed mir! 
Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele 
leicht deinen Argwohn, entflammen deine Eiferfucht? 
Dich ängftizen, und doch zu Eeinem Rettungsmittel 
di beſtimmen? — Prüfe dich, Bonaventuri! Als du . 
fo trunten von Freude feinen Einladungen folgteit, 
hätte eine ſolche Erzaͤhlung dich wohl zurüdgehalten 
von jenem fchlüpferigen Pfade, deffen Betretung ich dir 
obnedem fo dringend und fo fruchtlos abriety? — Ich 
begrub daher in meiner Bruft diefes unglüdlide Ges 
“beimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unfers 
heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß diefer fürftliche 
Weichling fih betriegen follte! Kalte und abfdlägige 
Antwort, überlegt’ ih bey mir felbft, find Prinzen 
nicht gewohnt: er wird es daher fatt "werden. feine 
Zärtlichkeit und feine Leidenfhaft überhaupt an eine 
Frau zu verfchwenden , die ihr fogenanntes Glück 
durchaus nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und 
Wohlthaten foll der Fürſt reichlichen Dank und we« 
‚nigftens den Schein der Hochachtung, aber der 
Mann nie Liebe empfangen! fo ſchwur ih mir uns 
hielt es. 
Bonav. Und ſahſt nicht ein, liebe Bianca, daß 
eben diefe Maßregeln, die feine Leidenfhaft abkuͤh⸗ 
len ſellten, fie nur noch mehr erbigen mußten? 


m. 179 em 
daß eben diefer ungewohnte Widerftand einen ſolchen 
Liebhaber noch ftärker an dich Eetten würde?  _ 

. Bianca, Sonderbarer Mann! Was blieb mir 
aber anders übrig, als Widerftand oder Erges 
bung? Hätteft du denn es lieber gefehen, wenn ‘9 
zur Legtern mid) beguens. hattet 

Bonav. Bianca! | 

Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung 
um die fhone Witwe deſto fiherer, dein Glück am 
Hofe deſto glänzender gewefen. Sreylich würden dann — 

Bonav. Bianca, bey Allem, was heilig ift, 
nit diefen Spott! Er it zugraufam geredt, 
und noch nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗ 
ner Bianca Lippen. 

Bianca. Und ſollſt es auch ferner nicht hören. 
— Nur: geftehe ſelbſt, daß dein voriger Einwurf Uns 
secht war! 

Bonav, Unrecht! Unrecht! Mehr als uUnrecht! 
aber verzeih es dem Zuſtande, in dem du mich ietzt 


ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung, die nirgends _ 


Rath noch Ausweg findet! 

Bianca Noch wüßte ich einen Weg; doch ihn zu 
ergreifen wird Much und Selbftverläugnung erfordert. 

Bonav. D zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt 
Beydenicht in mir vermiffen ! 

Bianca. Sohöre ıch dich gern! Und doch duͤnkt 
mir es nöthig, daß ich erſt ganz die Erzählung von 
des Grobberzoss Werbung um mich vollende. — Lies 
dieſen Brief! In ihm ‚ wie du-fiehft, biethet er Alles 
anf, was er für fähig hält meine Tugend zu erſchüt⸗ 
tern! Laͤßt mir vor allem Übrigen die Wahl, fobald 
ih nur ihn zu wählen mich ensfhlöße: Wahl, ob ich 

mM 2 | 


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va ı80 —X 


verſtohlen fündigen, ober als erklärte Günſtlinginn 
mit meiner Schande prahlen wolle. — Der Arme, er. 
ahndet nicht das Blut venetianifher Senatoren, nicht 
dad Blut einer Capello in mir. — Auch ftellt ec es ganz 
meinem Ausſpruch anheim, ob er dich noch höher bes 
ben, oder tiefer old jemahls flürzen fol; ob ich bie 
Buhlfhaft mit Kafandra an dir beftrafen, oder 
nur burd gleiche mit ihm vergelten wolle. — Dieß 
fein Brief, den ich vorgeftern erhielt! Begreifft du 
nun, warum ich geſtern bey ſeiner Jagdluſtbarkeit durch⸗ 
aus zu erſcheinen mich weigerte? Warum er deinem 
eigenen Ausdrucke nad ſich fo zweydeutig gegen bicy 
betrug? Begreifit du es nun? 

Bonav. Ach ich begreife nur allzuviel! Sch glei⸗ 
che ganz dem Unglüdlihen, den unbekannte Räuber 
mit verbundenen Augen in ihre Mörberhöhle gefchleppe 
haben, und dem jegt eine mitleidige Hand den Vet⸗ 
. band wegnimmit. Er fieht zwar nun wieder, aber was 
er fiebt , find Bilder des Schrerfens. 

Bianca. So will id dir nunmehr von einer 
andern Seite her die reizenden Ausfihten einer fihern, ‘ 
fi genügenten Liebe zeigen. — VBonaventuri, Mann 
meined Herzens, gedenke an jene Zeiten unferer Ars 
much! Waren fie, Trog unferer Armuth, nicht die 
Zeiten unfered Glückes? Spendete nicht eben damahls 
das Schickſal gegen uns feine größten Schaͤtze, als es 
mit uns zu Eargen ſchien? — Gedenke des Entzüdens, 
mit welchem damahls die Liebe uns Alles war! Ges 
benfe der Seligkeit, mit welder wir bamahld uns, 
auch auf Minuten nur, von unferer Arbeit hinweg zu 
Küſſen der mwärmften Zärtlichkeit ftahlen; und füge: 
ift eine gleiche Wonne uns je wieder zu Theil gewor⸗ 


en 181 IR 


den, feitbem Seide uns und unfere Zimmer Eleidet? 
— Gedenke an jenes dunkle Gemach! Ah, ed war _ 
hell genug, wenn wir Aug’ in Auge gebeftet da fas . 

fen, und Jedes in: dem Andern der Liebe Funken 
glühen fah. Am fparfamen Tifh, oft nur mit 
ſchwarzem Brot und Hülfenfrüchten befegt! melde 
‚reizende Zufriedenheit empfanden wir an ihm! 
Hat diefer beneidenswertbe Gaſt und je wieder befucht, 
feit Leckerbiffen unfere Zafeln belajten, und der Zwang 
fie auftiſcht ? — O Lieber! Wir, nur wir allein kön⸗ 
nen reich und arm, beglückt und unbeglüdt uns mas 
hen; können maden, daß uns, eine Hütte zur Welt, 
und eine Welt zur Hütte wird; Eönnen über Sürften 
laden, und felbft mehr als ein Fürftenthum und ers 
werben, fobald wir wollen; nur müffen wir raſch dar» 
ju thun, weil es noch hoch am Tage ift. 

Bonav. Und wie Die anfangen?! . 

Bianca. Kurzlihtiger! fragft du noeh? Wir. 
flohen aus Venedig über hohe Gebirge, ohne Geld und 
Schug, ald wir Verfolgung nur beforgten; 
follten wir nit nun aus Florenz weichen, wo fi e wirks 
lich ſchon da iſt? | 

Bonav. Aber die Dürftigkeit , die uns folgen, 
uns wahrfheintih bald aufreiben wird! 

Branca. Sie fürdre ih night! Dem Himinel 
ſey Dank, noch bat die Weichlichkeit unfere Körper 
‚nicht entkraͤftet; noch können diefe Füße fliehen und 
diefe Hände arbeiten. Haben wir nicht jest Geld und 
Juwelen genug? Laß uns biefe retten, und ein ſpar⸗ 
ſamer Gebrauch friftet dann "leicht unfer Ceben bis zu 
glücklichern fihern Zeitpuncten. 

Bonav. Werden fie uns nicht nachſetzen? er⸗ 
greifen! zurück ſchleppen? 


2 174 voson 
oder über. den anbern dritten Tag sumeilen zwan 
Worte ſpricht. 

Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugne 
Warnung auf Warnung erfrhürtert dich nicht? 
Gott, ift esdahin gekommen ? Sit Dieß derfelbe Mar 
der ehemahls mir ſchwur, dafı die Dauer einer Em 
keit feltit nicht hinreichend für feine Liebe’ feg? | 
mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod?! — H 
weg mit langern Umſchweifen! Daß nicht Rürkere Schr 
des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich fel 
nicht die unſchuldige Urſache dieſer Sünde feyn mög 
fo ſchau ber! Weiten ift dieſes Eiegel? (Sie iR aut 
fianden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie i 
seigt.) 

Bonav. (erfäroden) Das Meinige. 

Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand die 
Aufſchrift? 

Vonav. (Ekur ſichh) Gott, wenn Dieß mein v 
loren gegangener Brief, die Urſache von ſchon manch 
meiner Sorgen were! — (Zaut und zitternd.) Auch D 
ſcheint meine Hand zu ſeyn. | 

Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ı 

Weib gefhrieben, mit dem nur müßige Pagen u 
Sagdjunker dich ind Gerede bringen — Benaventu 
bey dem Ewigen, Allwiffenden! nidt meine Mk 
nicht Lit der Eiferſucht verſchaffte mir dıefen Brie 
bloß der Maß deiner Feinde brachte ihn in meine Ha 
de, und ich gebe ihn dır wieder, wie ih ihn empfir 
SH durfte nur das Siegel deifelben brehen, und. 
hatte dann jicher der Beweiſe von beiner Untreue ta 
ſendfältig; aber nein! da nımm ihn bin, nur ſpr 
wahr fur künftig! 


% 
vo 175 XX 
Bona v. (der gleichſam wie aus einem Traume aufs 
fährt, und aufmerkſam und mit Erſtaunen den Brief betrachtet.) 
MWiet— Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies 
ſes Siegel? 
Bianca {mie fhmershaftem Lächein.) Nun ia! iſt 
noch ganz. | 
39 n a v. (mit Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) 
Bianca! Weib ohne Gleichen! Engel, der durch 
Scham mich niederwirft! — O wüßteſt du, was dieſer 
Brief enthalt! (Mmit dem Ton der Reue.) Welche Vor: 
fhläge! Welche Wünfhe! Welche Hirigefpinnfte ! 
Bianca. Mag ich fie doch nit willen! Beifer: 
freylich, dieſes Schreiben wäre nie gefchrieben, aber 
da es Dieß einmahlift, fg vergehe es fo! (Sie Hält den 
Brief am die Flamme des Lichte; und verbrennt ihn.) 
Bonav. Edelſtes Weib auf Bottes weiter Erde! 
(Indem er fie umarmen will, Bebt er gurüd.) Mein, nein, 
ich bin es nicht werth dich zu berühren! (Er källt aufs 
Knie.) Nicht werth, ad nid werth einmahl, den tiefiten 
Eaum diefer Gewänder — — 
Bianca. Bonaventuri! Mann! Eteh auf! Er⸗ 
niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wünſchte! 
(Bie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger 
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; 
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfchlungen ; 
fo habe ich dich nie glühender an meinen Bufen gedrüdt. 
(Die küßt ihn, und fieht ihn ftarr an, der die Augen nieder⸗ 
fhtäge.) Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht 
einmahl an ? | 
Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen: Augen 
der Veraͤchtlichſte aller Maͤnner! 


vosoA 176 OR 

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigenbik 
du immer noch der Theuerſte, der Reizendfte, der Eine 
ziggeliebte. — (ihn fürend.) D. Bonaventuri! Diefe 
Nacht ift allerdings werth, das Jahresfeit jener unvers 
geplichen zu feyn; jener — — (Bie läßt ein Paar Ihränen 
falten.) Sey diefe erfte Thrane unferer Liebe, und diefe 
zweyte dem Andenken eined Waters heilig, den ic fo 
innig liebte und doch fo Eränfen mußte! — Einem Bas 
ter — — — ad, daß doch jede rende mit taufend 
Sram fo nahe verfchwiftert ift, daß — — (Indem fie Rd 
ſchnell mit liebevollem Drohen nah Bonaventuri wendet.) Bde 
fer, Tieber, böfer Mann, wie viel opferte ih dir nicht 
auf! 

Bonav. Za wohl viel! Waterland, Ültern,, 
MWohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, um 
Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu thei⸗ 
ln, und ich — — ich — o! — — 

Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben ge⸗ 
nannte klingt freylich rauh; ertrug ſich freylich Anfangs 
ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tra⸗ 
gen, als mein jetzige s Loos. 

Bonav. (ter fe kalſch verſteht. Was von nun an 
dir Eeinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ges 
ben fol. 

Bianca. Nicht? Weißt du aud Das fogewiß ? 
Kennft du meine ganze Lage? 

Bonav. (dem Dieß etwas auffäne.) Und follte ich 
fie nit Eennen?t Welch ein Geheimniß verfchließt 
Bianca nod) vor mir? 

Bienca. Das Peintihfte, was fie jemahls hat⸗ 
te. — Sa, Bonaventuri, es ift unamgänglich nöthig, 
daß ich endlich den n Sqleyer bir vom Auge reiſſe; einen 

Schleyer 





ren 177° vor 

Schleyer, von dem ich e8 kaum begreife, wie er nicht 
fhon längit dir von ſelbſt entſank. — (mit ſchnell .Nare 
werdendem Slide.) Oder wäre es vielleicht ſchon gefches 
ben? Wußteſt du vielleicht fängft, "was ih, um bir 
Kummer‘ zu eriparen, gern Iebensläng verfchwiegen 
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur 
aus Kaltfinn cher Staatsklugheit dazut Schande, 
unausleihlide Schande Eonıme Über dich, wenn Dem 
alſo wäre! 

Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nicht! 

Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das 
einzige Mahl, daß eine Blindheit von bir mie 
lieb fl; wenigftens lieber. als ein vorfeglides 
Überfeden. — Wiſſe, eben diejenigen geringen 
Reize, die einit das Glück hatten dich zu befiegen, haben 
auch fihon feit geraumer Zeit das Ungläd gehabt, bie 
Begierden unſers Großherzogs zu reizen. 

Bonav. (eſtaun.) Wie, Franz liebe dich? 

Bianca. Wenigſtens fpricht er fo. u 

Bonav. Er liebt big ? Franz? (Paufe und Weste 
im Son.) Zwar iver könnge di) fehen, und müßte did 
nicht fiesen, Engel im? Weibesgeftalt! Engel, der 
felsit in tiefer Eörperlierr Hülle noch einen reichlich 
durchbrechenden Abglanz feiner himmliſchen Herkunft 
beybehalten hat! — tauf feinen Stuhl Hinfintend, und fein 
Haupt aufrügend.) — Wie fo natürlih! Und doch wie. 
fo ſchrecklich für mich! — (Si vor die Stirne ſchlagend.) 
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich 
Alles! — Alles, nur Das nicht, daß ich Dieß nicht 
eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und 
nicht ſelbſt ſah! — Aber woher weißt du es? Von ihm 
ſelbſt? 

Meißners Blanca Cap. 1. Thl. M 


», 


— 178 Rn 
Bianca. Von ihm felbft ! Und ich wußte eB 
ſchon läangft. Schon damahls, ald ih mich fo athemlos 
in unfer Eleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich fo ins 
brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil 
ich ihn geſehen und geſprochen babe; ſchon damahls 
war fein Gefpräh mis mir. Erklärung der Liebe ge⸗ 
wefen! | 
Bonav. (Hakig.) Und du verfhwiegft ed mir! 
Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele 
leicht deinen Argmohn, entflammen deine Eiferſucht? 
Dih ängſtigen, und tod zu keinem Rettungsmittel 
di beſtimmen? — Prüfe dich, Bonaventuri ! Alt dus . 
fo trunten von Freude feinen Einladungen folgteſt, 
hätte eine folhe Erzihlung dich wohl zurücgehalten 
von jenem fhlüpferigen Pfade, deſſen Betretung ic) dir 
obnedem fo dringend und fo fruchtlos abrieth  — Ich 
begrub daher in meiner Bruft diefed unglüdlihe Ges 
heimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unſers 
heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß dieſer fuͤrſtliche 
Weichling ſich betriegen ſollte! Kaͤlte und abſchlaͤgige 
Antwort, überlegt' ich bey mir ſelbſt, ſind Prinzen 
nicht gewohnt: er wird es daher ſatt werden, ſeine 
Zaͤrtlichkeit und ſeine Leidenſchaft überhaupt an eine 
Frau zu verſchwenden, die ihr ſogenanntes Glück 
durchaus nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und. 
Wohlthaten ſoll der Fürſt reichlichen Dank und we⸗ 
nigſtens den Schein der Hochachtung, aber der 
Mann nie Liebe empfangen! ſo ſchwur ich mir und 
hielt es. 
Bonav. Und ſahſt nicht ein, liebe Bianca, daß 
eben dieſe Maßregeln, die feine Leidenſchaft abküͤh⸗ 
len folten, fie nur noch mehr erhitzen mußten? 


. 179 m Ä 
daß eben diefer ungewohnte Widerftand einen ſolchen 
Liebhaber noch ſtärker an dich Eetten würde? _ 
. Bianca, Sonderbarer Mann! Was blieb. mir 
aber anders übrig , als Widerftand eder Erges. 
bunz? Hätteft du denn es lieber gefehen, wenn ich 
zur Letztern mich beguems harte! 

Bonav. Bianca! | 

Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung 
um die fhone Witwe deſto fiherer, dein Glück am 
Hofe defto glänzender gewefen. Freylich würden dann — 

Bonav. Bianca, bey Allem, was heilig ift, 
nit biefen Spott! Er iſt zugraufam geredt, 
und nod) nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗ 
ner Bianca Lippen. | 

Bianca. Und ſollſt ed auch ferner nicht bören. 
— Nur geftebe felbft, daß dein voriger Einwurf Un: 
seht war! 

Bonav, Unrecht! Unreht! Mehr als uUnrecht! 
aber verzeih es dem Zuſtande, in dem du mich ijetzt 
ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung, die nirgends _ 
Rath noch Ausweg findet! | 

Bianca, Noch wüßte ic einen Weg ; doc ihn zu 
ergreifen wird Muth und Selbftverläugmung erfordert. 

Bonav. O zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt 
Beyde nicht in mir vermiffen ! 

Bianca. Sohöre ich di gern! Und doch duͤnkt 
mir es nöthig, daß ich erft ganz die Erzählung von 
des Großberzoge Werbung um mid vollende. — lieg 
diefen Brief! Sn ihm, wie du ſiehſt, biethet er Alles 
anf, was er für fühig halt ‚ meine Tugend zu erfhlit- 
tern! Laßt mir vor allen Übrigen die Wahl, fobald 
ih nur ihn zu wählen mic entſchlöße: Wahl, ob ich 

MM 2 | 


ars0a 172 a 

Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine 
Schauber,. der alle Gebeine durchbebte, bey der Rü 
Fehr von unferer zartlichen Alnterredung, die väterli 
Hausthür verfhloffen fand — umlehrte — und, | | 
weißt ja, in weilen Arme ich flog! 

Bonav. feine Hand auf ihren Halbbloßen Arm 
qheind Iegend.) Was dich doch hoffentlich jetzt nicht reu 

Bianca (mit einem farcen Blick in fein Auge, d 
ee Faum auspätt.), Und auch wohl nicht reuen darf! - 
Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mich noch? « 
bem fie feine Hand ergreift.) 

Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann! 

tanca (immer feine Hand haltend, mit noch ernftere 
liebevollen Blicke.) Wenigftens Eann fie fragen: ‚Ob nc 
fo rein, fo heiß, wie damahls? 

Bonav. (mit dem Tone des ſich mühlam zwingen! 
Gewiſſens. Sorein, und beiß! 

Bianca, Und aud fo einzigt— Mein, B 
naventuri, verbirg beine Verlegenheit nicht Tänge 
Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel 
ald ein Heuchler werth. — Einzig! Ha, id tı 
das Wort, das du nicht zu wieberhohlen vermag: 
jene vorigen erzwangft bu noch. 

Bonav. (ker feine Betretung unter BYeleidigtfenn v 
Bergen wit.) Erzwang? Fehler? Was fol Das? E 
wiß, Bianca, ich weiß nicht,r wie ich zu dieſem Wi 
wurf komme. 

Bianca (mit aufgehobnem Bid.) Mächte des Hi 
meld und ihr heiligen Märterinnen,, die ihr ehemal 
mir meine Schwäche vergabt, laßt audy diefen Ve 
wurf. Schwähe und Irrthum gewefen ſeyn! — A 
ac) leider! er ift ed nicht. — Bonaventuri, verzeih 


s 


OR 173 wen 

dem Weihe, das dich mehr als fich felder liebt, wenn 
daſſelbe die Laſt des Kummers, lang genug im Stilſen 
getragen, endlich vor dir ausfchüttet } Biſt du es doch 
felbit nur, der diefe Laft mir auflegt! — Bonaven⸗ 
turi, unfere Liebe ift nicht mehr gang, wie fie ehemahls 
war; nicht mehr fo rein, fo wech effeitig, wie in jener 
furchtbaren Nacht. 

Bonav. Wenigſtens auf meiner Seite — — 

Bianca. Lieber, ſprich dieſe Unwahrheit nicht 
aus! Sch haſſe einen jeden Mund, welcher fügt, und 
den Deinigen möchte ich gern ewig Tieben und achten. 
zugleih. Sieh, ſchon wirft du bald voth, bald bleich ; 
ſchon ſtammelſt du und ftodft; und dod habe ih das 
Wort nod nicht einmabl. ausgefprohen, wodurch, ich 
weit mehr noch deine Farbe wechſelnd ‚ deine Zunge 
ftammelnd machen konnte. 

Bonav. (immer verlegener.) Welches Wort? 

Bianca. Kaſſandra Bongiani! 

Bonav. Kaſſ — — Kaflandra ? Bus fol Diefe e 
— Mas meinft du! 

Bianca Du wellteft ed; und meine Vorher⸗ 
verfündigung iſt eingetroffen! 

Bonav. (ſich kaſſend.) Nein, Bianca, bie Roͤ⸗ 
the, die du mir vorwirfſt, und die ich ſelbſt gar wohl 
fühle, erzeugt nicht etwa Scham, ſondern Erſtaunen, 
billiges Erſtaunen, daß meine ſonſt ſo billig, ſo edel 
denkende Gattinn endlich auch ein Mähren glauben 
kann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an . 
irgend einem Negentage ausgedacht haben; Leute, 
weldye glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit 
der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt, 


we 174 rewon 
oder über, ben andern dritten zug zuweilen zwanzig 
Worte ſpricht. 

Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugnen? 
Warnung auf Warnung erſchüttert dich nicht? — 
Gott, iſt es dahin gekommen? Iſt Dieß derſelbe Mann, 
der ehemahls mir ſchwur, daſi die Dauer einer Ewig⸗ 
keit ſelbſt nicht hinreichend für feine Liebe ſey? der 
mir juvoreilen wollte in Abgrund und Tod? — Hin: 
weg mit längern Umfchweifen! Taf nicht ſtärkere Schuld 
des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich feldft 
nicht die unſchuldige Urfache diefer Sünde ſeyn möge; 
fo ſchau her! Weſſen ift Diefes Siegel? (Sie iR aufge 
fanden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie ihm 
seigt.) . 

Bonav. (erfgroden) Das Meinige. 

Dianca (ihn umwendend.) Und die Hand diefer 
Aufſchrift? | 

Vonav. (fürfia.) Gott, wenn Dieß mein ver: 
foren gegangener Brief, die Urfache von fon mancher 
meiner Zorgen ware! — (Zaut und zitternd.) Auch Das 
fheint meine Hand zu fepn. | 

Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ein 
Weib gefhrieben, mit dem nur müßige Pagen und 
Jagdiunker did ins Gerede bringen! — Benaventuri, 
bey dem Ewigen, Alwiffenden! nicht meine Mühe, 
nicht Liſt der Eiferfucht verfdaffte mir dıefen Brief; 
bloß der Maß deiner Feinde brachte ihn in meine Hans 
de, und ich gebe ihn dır wieder, wie ih ihn empfing. 
Ich durfte nur das Siegel deifelben brehen, und ich 
bätte dann ficher dee Beweiſe von deiner Untreue taus 
ſendfältig; aber nein! da nimm ihn hin, nur ſprich 
wahr fur künftig! 





VBonav. (der gleihfam wie aus einem Traume aufs 
fährt, und aufmerkſam und mit Erftlaunen den Brief Betrachtet.) 
Wiet— Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies 
ſes Siegel? 

Bianca {mie fhmershaftem Lächeln.) Nun dar iſt | 
noch ganz. 

Bo n ad. (mie Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.) 
Bianca! Weib ohne Sleihen! Engel, der durch 
Scham mich niederwirft! — O wüßteſt du, was dieſer 
Brief enthalt! (mit dem Ton der Reue.) Welche Mor: 
fhläge! Welche Wünfhe! Welche Hirugefpinnfte ! 

Bianca. Mag ich fie doch nicht wiſſen! Beſſer— 
freylich, dieſes Schreiben waͤre nie geſchrieben, aber 
da es Dieß einmahl iſt, fg vergehe es fo! (Sie halt den 
Brief an die Flamme des Lichte, und verbrennt ihn.) | 

Bonav. Edelſtes Weib auf Bottes weiter Erde! 
(Indem er fie umarmen will, bebt er gurüd.) Mein, nein, 
ih bin es nicht werth dich zu berühren! (Er fällt aufs 
Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmahl, den tiefften 
Baum diefer Gewänder — — 

Bianca. Vonaventuri! Mann! Ste auf! Er 
niedrige dich nicht tiefer, als ich felbft es wünfchte! 
(Bie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger 
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme; 
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfchlungen ; 
fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gebrüdt. 
(Die Füße ihn, und ſieht ihn ſtarr an, der die Augen nieders 
fstäge) Du antworteft nie? Du blickſt mid nicht 
einmahl an? 

Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen "Augen 
der Verächtlichfte aller Männer! 


voson 176 OR 

Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen 
‚du immer noch der Theuerfie, ber Reigendfte, der ( 
jiggeliebte. — Ehn küftend.) O, Bonaventuri! D 

dacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener um 
geßlihen zu feyn; jener — — GSie läßt ein Paar Thrä 
falten.) Sey diefe erfte Thräne unferer Liebe, und b 
zweyte dem Andenken eined Vaters heilig, den ich 
innig liebte und doc fo Eränfen mußte! — Einem‘ 
ter — — — ad, daß doch jede Freunde mit taufı 
Sram fo nahe verfchwiftert iſt, daß — — (Indem fie 
ſchnell mit liebevollen Drohen nach Bonaventuri mendet.) 2 
fer, lieber, böfer Mann, wie viel opferte ih bir ni 
auf! 

Bonav. Ya wohl viel! Vaterland, Alter 
MWohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, ı 
Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu th 
ln, und ich — — ich — o! — — 
Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben | 
nannte Elingt freylidy rauh; ertrug fich freylich Anfan 
ziemlich hart; und war mir doch minder fhwer zu tı 
gen, ald mein jetzige o Loos. 

Bonav. (ter fe falſch verfiehe) Was von nun 
dir feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer g 
ben foll. 

Bianca. Nicht? Weißt by auch Das fogemwi 
Kennft du meine ganze Lage? 

Bonav. (dem Dieß etwas auffäne.) Und follte i 
fie nit Eennen? Welch ein Geheimniß verfälie 
Bianca nod) vor mir? 

Bienca. Das Peinkihfle, was fie jemahls ha 

— Ga, Bonaventuri, es ift unnmgänglid nöthi 
ww ich endlich den n Steger dir vom Auge reiffe; ein 
Schleyer 


ran 17 resen ' 


Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nice 
fhon längit dir von ſelbſt entſank. — (mit ſchnell gare 
werdendem Blicke.) Oder wäre es vielleicht ſchon geſche⸗ 
hen? Wußteſt du vielleicht laͤngſt, was ich, um dir 
Kummer' zu erſparen, gern lebenslang verſchwiegen 
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur 
‚aus Kaltſinn cder Staatsklugheit dazuk Schande, 
unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem 
alſo wäre! 
Bonav. Ben Gott, ig verftebe dich nicht! 
Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das 
einzige Mahl, daß eine Blindheit von bir mir 
lieb iſt; wenigſtens lieber. als ein vorfeglides 
-Überfeden. — Wiſſe ‚ eben diejenigen geringen 
Reize, die einit das Glück hatten dich zu befiegen, haben 
auch fihon feit geraumer Zeit das Unglück gehabt, bie 
Begierden unſers Großherzogs zu reizen. 
Bonav. (sun) Wie, Franz liebe dich? e 
Bianca. Wenigitens ſpricht er fo. 
Bonav, Er liebt dich? Franz ? (Gpaule und Weqlet 
im Ton.) Zwar wer Eönnge dic fehen, und müßte dich 
nicht fliesen, Engel in? * Weibesgeftalt! Engel , der 
felöit in tiefer körperlichen Hülle noch einen reichlich 
durchbzgechenden Abglanz feiner himmliſchen Herkunft 
beybehalten hat! — Lauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein 
Haupt aufftützend) — Wie fo natürlih! Und doc wie. 
fo ſchrecklich für mich! — (Sid vor die-Gtirne fhlagend.) 
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich 
Alles! — Alles, nur Das nie, daß ich Dieß nicht 
eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und 
nicht ſelbſt ſah! — Uber woher weißt du es? Won ihm 
ſelbſt? 
Meißners Blanca Cap. 1. Thi. Mm 


”» .- 


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vun 170 mem 


Bianca. Von ihm felbft ! Und ich wußte ed 


ſchon laͤngſt. Schon damahls, als ich mich ſo athemlos 


in unſer kleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich ſo in⸗ 
brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil 
ich ihn geſehen und geſprochen habe; ſchon damahls 
war fein Geſpraͤch mis mie. Erklärung der Liebe ger 
wefen! | | 
Bonav. (Hakig.) Und du verſchwiegſt ed mir! 
Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele 
leicht deinen Argmohn, entflammen deine Eiferſucht? 
Did ängſtigen, und doch zu Eeinem Rettungsmittel 
di beſtimmen? — Prüfe dich, Bonaventuri! Ald dur . 
fo trunken von Freude feinen Einladungen felgteit, 
hatte eine folhe Erzihlung did wohl zurüdgehalten 
von jenem ſchlüpferigen Pfade, deffen Betretung ich dir 
obnedem fo dringend und fo fruchtlos abrieth? — Ich 
begrub daher in meiner Bruft diefes unglüdiihe Ges 


“Heimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unſers 


heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß diefer fürftliche 
Weichling fih betriegen ſollte! Kalte und abflägige 
Antwort, überlegt’ ih bey mir felbft, find Prinzen 
nit gewohnt: er wird es daher fait ‘werden. feine 
Zärtlichkeit und feine Leidenfhaft überhaupt an eine 
Frau zu verfchwenden , die ihr ſogenanntes Glück 
durchaus.nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und 
Wohlthaten fol der Fürſt reihlihen Dank und we⸗ 
nigftens den Schein der Hochachtung, aber der 
Mann nie Liebe empfangen! fo ſchwur id mir und 
hielt es. 

Bonav. Und fahit nicht ein, liebe Bianca, daß 
eben diefe Maßregeln, die feine Leidenfhaft abEühs 
len folten, fie nur noch mehr erbigen mußten? 


®. 


- 


— 179 m 
baf eben diefer ungewohnte Widerſtand einen ſolchen 
Liebhaber noch ſtärker an dich ketten würde? 

Bianca. Sonderbarer Mann! Was blieb mir 
aber anders übrig, als Widerftand ever Erge⸗ 
bung? Hätteft du denn es Lieder gefehen, wenn 
jur Letztern mid) beguenas. hattet 

Bonav. Bianca! | 

Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung 
um die fhone Witwe defto fiherer, dein Glück am 
Hofe defto glänzender gewefen. Sreylich würden dann — 

Bonap. Bionca, bey Allem, was heilig ift, 
nit diefen Spott! Er it zugra ufam geredt, 
und nod) nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗ 
ner Bianca Lippen. 

Bianca. Und ſollſt es auch ferner nicht hören. 
— Nur: geftehe felbft, daß dein voriger Einwurf Un» 
seht war! 

Bonav. Uhrebt! Unrecht! Mehr als Unregt! 
aber verzeih e6 dem Zuftande, in dem du mich jegk 
ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung ‚tie nirgends 
Rath noch Ausweg findet! | 

Bianca. Noch wüßte id einen Weg; doch ihn zu 
ergreifen wird Muth und Selöftverläugmung erfordert. 

Bonav. D zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt 
Beyde nicht in mir vermiſſen! 

Bianca, So bore ich dich gern! Und doch duͤnkt 
mir es nöthig, daß ich erſt ganz die Erzählung von 
des Großperäogs Werbung um mid vollende. — Lie 
diefen Brief! Sn ihm, wie du- ſiehſt, biethet er Alles 
anf, was er für fähig haͤlt meine Tugend zu erſchüt⸗ 
tern! Laßt: mir vor allerh Übrigen die. Wahl, fobald 
ich nur ihn zu wählen mich entſchlöße: Wahl, od ich 

M 2 | 


woran 180 sum 


‚verftohlen fündigen, ober als erklärte Günftling 
mit meiner Schande prablen wolle. — Der Arme, 
ahndet nicht dad Blut venetianifcher Senatoren, m 
das Blut einer Capello in mir. — Auch ftellt ee e8 y 
meinem Ausſpruch anheim, ob er dich noch höher 
ben, oder tiefer ald jemahls ſtürzen fol; ob ich 
Bublſchaft mit Kaſſandra an dir beftrafen, ı 
nur durch gleiche mir ihm vergelten wolle. — 1 
fein Brief, ben ich vorgeflern erhielt! Begreifft 
nun, warum ich geſtern bey ſeiner Jagdluſtbarkeit du 
aus zu erſcheinen mich weigerte? Warum er deit 
eigenen Ausdrude nah fich fo zweydeutig gegen 
betrug? VBegreifit bu ed nun? 

Bonav. Ah ich begreife nur allzuviel! Sch; 
"de ganz dem Unglücklichen, den unbekannte Rai 
mit verbundenen Augen in ihre Mörderhöhle geſchl. 
haben, und dem jegt eine mitleidige Hand den 9 
. band wegnimnit. Er fieht zwar nun wieder, aber 
er fiebt , find Bilder des Schrerfens. 

Bianca. So will id dir nunmehr von e 
andern Seite her die reizenden Ausfihten einer fich 
fi genügenven Liebe zeigen. — Bonaventuri, Di 
meined Herzens, gedenke an jene Zeiten unferer 
much! Waren fie, Trotz unferer Armuth, nicht 
Zeiten unferes Glückes? Spendete nicht eben dam 
das Schickſal gegen ung feine größten Schäge, al 
mit und zu Eargen ſchien? — Gedenke des Entzüd 
mit welchem damahls die Liebe uns Alles war! 
denke der Seligkeit, mit welcher wir damahle ı 
auch auf Minuten nur, von unferee Arbeit hinwe; 
Küſſen der wärmſten Zärtlichkeit ſtahlen; und fi 
ift eine gleiche Wonne uns je wieder zu Theil geı 


rn 181 er. 
den, ſeitdem Seide uns und unfere Zimmer kleidet? 
— Gedenke an. jenes dunkle Gemah! Ah, ed war 
heil genug, wenn wir Aug”. in Auge gebeftet da fas . 
fen, und Jedes in dem Andern der Liebe Funken 
glühen ſah. Am fparfamen Tiſch, oft nur mit 
ſchwarzem Brot und Hüulſenfrüchten befegi! welde 
‚reizende Zufriedenheit empfanden wir an ihm! 
Hat diefer beneidenswerthe Gaſt nnd je wieder beſucht, 
feit Teckerbiffen unfere Tafeln belaiten, und der Zwang 
fie auftiſht? — O Lieber! Wir, nur wir allein kön—⸗ 
nen veih und arm, beglüct und unbeglüdt und mas 
hen; fönnen machen, daß ums, eine Hütte zur Welt, 
und eine Welt zur Hütte wird; Eönnen über Fürſten 
lachen, und felbft mehr als ein Fuͤrſtenthum uns er⸗ 
werben, ſobald wir wollen; nur müſſen wir raſch dar⸗ 
zu thun, weil es noch hoch am Tage iſt. 
Bonav. Und wie Dieß anfangen?. 
Bianca, Kurzfihtiger! fragft bu noh? Wir . 


flohen aus Venedig über hohe Gebirge, ohne Geld und 


Schutz, ald wir Verfolgung nur beforgten; 
follten wir nit nun aus Florenz weichen, wo fie wirk⸗ 
lich ſchon da iſt? 

Bonav. Aber die Duͤrftigkeit, die uns folgen, 
uns wahrſcheinlich bald aufreiben wird! 
Branca. Sie fürdre ih nicht! Dem Himmel 
fen Dank, noch bat die Weichlichkeit unfere Körper 
‚nicht entkräftet; noch können diefe Füße fliehen und 
diefe Hände arbeiten. Haben wir nicht jetzt Geld und 
Suwelen genug! Laß uns dieſe retten, und ein fpars 
ſamer Gebrauch feiftet Dann "Leicht unfer Leben bis zu 
glücklichern fihern Zeitpuncten. 

Bonav. Werden fie und nicht nachſeten? er⸗ 
greifen zurück ſchleppen? 


ou 182° 
"Bianca, Freylich wenn uns der nicht ſchi 
der mädptiger als ein Großherzog, als König und 
Kaifer ift; der einige Gott voll Liebe! — dann | 
nen fie es thun. Aber fiher, fiher wird er unfern 
beſchützen. Er, der ih größerer Noth uns ſchirr 
"wird uns ih diefer Eleinern nicht verläflen; und g 
es feinem Rathſchluſſe nicht — Bonaventuri, ich E 
fterben. Was fürchtet Der , der Dieß kann? 
Bonav. (fie umarmen.) Auch Bonaventuri f 
es! Auch Bonaventuri zieht ein Strohdach, u 
welhem er an Bianca’d Bufen fih fehmiegen, fi 
an folhem einihlummern und aus dem Schlum 
zu neuen himmliſchen Vergnügen erwachen kann, 
nem ſchimmernden Pallaſte vor, den die Sorgen 
treuer, ald der Schweizer an ber Thür, bewad 
Bianca. DO wenn Das Ernit ift, Bonavent 
dann Heil dir und mir! dann finder die dritte N 
uns fiher nicht mehr in Florenz. 
Bonav. (etwas betreten. Die dritte Nacht! 
Bianca. Oder aud dieMorgente ſchon, n 
du willſt. 
‘ Bonav. Ich ſorge nur, ih forge — — 
Bianca. Und was könnte noch zu forgen ü 
ſeyn? | 


Bonav. (nad einer Paufe von einer halten Min 
ieh, meine Theure, ich wiederhohle ed: weder Zu 
der Armuth, noch auch Scheu des Todes foll mid 
einer Flucht an deiner Eeite abhalten. Aber nur 
Zurdt, die Furcht der Schande wünfdte ichr 
mitzunehmen, und eben ihrerwegen glaube id, 
wir doch nicht ganz fo eilen Fönnen, wie wir wüpſch 

Bianco, Welcher Schande? 


x 


"nern 183 vo 

Son av. Du weißt , das Franzens anfcheinen- 
de Großmuth mir eine Menge Geſchaͤfte von größter 
Wichtigkeit anvertraut hat; die meilten unter. ihnen 
find erit halb beſorgt; jetzt fliehen, ebe fie vollender 
worden, ſchiene treulos gehandelt; gäbe unfern Zein« 
den ein zweyſchneidiges Schwert in die Hand, . 

Bianca. (den KRopffgüttend) Schiene treulos 
gehandelt! Und warten, bis fie geendet, ſchiene dir 
klug und leicht? — O Vonaventuri, verzeihe mir, 
wenn bey dieſem Vorwand ein Verdacht mit Gewalt 
empor ſich draͤngt! — Verzeih mir die Frage: Sprach 

bier Verſtellung oder Kteinmutp? 

| Bonav. Wire ed mö glih, daß du auch Bier 
mih verkennteft I 

Bianca. Mogiid vielmehr, daß ih dich beſſer 
kenne! — Die Natur gab dir fo mande von ihren treff⸗ 
lichſten Baden ; aber leider verband fie mit ihnen Furcht 
dor jeder allzumerklihen Entfagung, Zittern vor 
jedem etwas rafchen Entfhluß. Lieber Mann! warum 
biſt du fo ofe nicht ganz ein Mann? Warıım muß fo oft 
deine ’eigene Gattinn dir als Tehrerinn dienen? Müb« 
fan gelang es mir und der 'allvermögenden Liebe, dich 
zur Flucht von Venedig zu bewegen; noch müßfamer . 
“wirft du, des Glanzes und des Wohllebens nun ges 
wohnt‘, alle jene Scheingüter aufzuopfern vermögen, 
fie dir fo wichtig duͤnken und doch fo nichtdwürdig 
find. — — Bonaventuri! Nur unvoflommen jwinge 
ich den Fluß meiner Ihranen zurück, würde ihm end» 
lich noch freyen Lauf vorfiatten müſſen, wenn ic wei— 
ter ſpraͤhe. Sey es daher Pauſe für Heute! Nur bes 
ſchwöre ich dich zu überdenken: iſt da, wo von jeder 
Seite her Gefahr der Verführung uns droht, wo ver⸗ 


a 184 —* 
ſteckte Feinde auf heine und meine Tugend Tauern, 
ed da der Rlugheit gemäß, abzuwarten, bis wir e 
weder unterliegen, oder durch, unfern Wibderitand | 
Öegner zu Gewalt und Rache reizen! — Sch bü 
für meine Standhaftigkeit; aber, Mann mit 
wachsweidhen Seele und dem auffprubelnden Bei 
wer bürgt die für dich ſelbſt? (Will im das Nebengen 
gehen.) 

Bonav. (fie Hattend.) Liebſtes, theuerſtes We 
wohin? | 

Bianea. Laß mih auf einige Minuten allei 
Du Eennft die Art meines Grams. Auch Gabe ich 
ja wohl indeß Stoff genug zur Unterhaltung mit 
feldft gegeben, (Entfernt ſich.) 


— — —— 


Wohl ließ fie ihm hinlaͤnglichen Stoff zum Ne 
denken zurück; und wohl ſah fie nur allzubald, t 
fie fi in der Furcht vor feinem Charakter nicht gei 
babe. Der Eindruck, den diefes Geſpräch und das ? 
tragen Bianca's anf VBonaventuri gemacht battı 
war allerdings tief; die Verfiherung von dem -Gef 
feiner Unwurdigkeit und von der Erneuerung feiı 
ganzen ebemahligen Liebe war allerdings aufricht: 
aber er glich einem Streiter, dem ein feindlicher Wu 
fpieß den Fuß gelahınt hat; gern möchte er fein ein 
ged Heil in der Flucht verſuchen; aber er kann nı 
fliehen: das ftäte, fhmerzlihe Gefühl feiner Wur 
zieht ihn bey jedem Emporheben wieder zurück zı 
Boden. — Fürſtlicher Günftling biöher: und nun ‘ 
lem zu entfagen, was fo herrlich glängte, obſchon 


won 185 


wenig in ber Wirklichkeit galt; was zwarnur Schaum 
‚in der Verdauung , aber wenigftens ein ſüßer Schaum 
für feine Zunge war; nein, Dief vermodte er nicht! 
Immer zauderte er; immer erinnerte Bianca ihn an 
ſeine Pflicht; immer verſprach er fih zurück zu Ziehen, 
und immer blieb er, we er war. 

Doch auch jegt ward noch bad Schickſal nicht muͤ⸗ 
de ihn zu warnen. Es wollte ihm gleichſam für die 
Zukunft den Grund zu jeder Beſchwerde rauben; woll⸗ 
te bewirken, daß er durchaus nicht ſagen könne: es 
habe ihm an Gelegenheit gemangelt, über fein unver⸗ 
dientes Glück nachzudenken. Die liebevolle Ermahne: 
rinn hatte er überhört ; den ernflern Weisheitsprediger 
konnte er nicht ganz uberhbren; ja, er berief ſich fol: 
den gewißer Maßen feldft. 

‚Denn einft, ald Bonaventuri in die Meile, fuhr - 

und bey der Thür des. Tempels ausftieg, börte er 
dicht neben fich eine ihm befannt bünfende Stimme: 
bey Bott, Das ift er! .ausrufen. Er blidtefogleich nad 
diefer Gegend hin, und fah, daß unter dem Haufen 
des Volkes ein Mann in Reifekleidern ſich verbarg, den 
er gleich beym erften Hinſchauen, für feinen ehemahlie 
gen Bufenfreund , Martelli, erkannte.‘ - 

Unzählige Mahl hatte fhon an diefen "Martei 
-Bonaventuri, doch in fehr verſchiedener Ruͤckſicht, ge⸗ 
dacht. Immer wünſchte er in den Tagen der Be— 
draͤngniß feinen guten Rath befolgt zu. haben; immer 
. wünfdte er in den Zagen des nahmahligen Schimmers 
diefen Schimmer: ihm zeigen, und des Muthes fi 
rühmen zu Eönnen, mit dem er doc endlich zu Reich⸗ 
thum und. Hoheit vorgedrungen ſey. Jetzt, als er fa 
unerwartet ihn erblickte; jet wäre ex ihm herzlich germ 


— 


®. ’ 
wor 86 RE 
x 


durch das Getümmel nachgeeilt; hätte gern vor al 


Volke um feinen Naden fidy gefhlungen,, und ihn 
fi) fortgeriſſen; aber ſchnell erwadte fein Ztol; n 
der, und die Zucht, Auffehen zu erregen, übern 
jene freundfchaftliche Aufwallung. Er eilte. daher b 
die Stufen zur Kirche fo haſtig als möglich bina 
winfte einem feiner Bedienten, nannte ihm Marte 
Nahmen, befshrieb deffen Geſtalt und Kleidung | 


das befte, und entließ ihn mit dem Auftrag: die 


Fremdling aufzuſuchen, einzuladen, oder vielm 
gleich mitzubringen. 

Schon ſeit geraumer Zeit war allzufeutige 
dacht die Empfindung nicht, womit Vonaventuri | 
Himmel viel belältigte. Er, fonit en’ fo erfriger 8 
ther, als er no um Bianca's Liebe warb, ober 
den linterhalt des nachſten Tages bangte,. war ı 
fhon viel zu fehr Höfling, und Günſtling obendre 
als noch oft an unſichtbare Möchte zu denfen.. D 
beute vorzüglich Eonnte er den legten Gegen des Me 
leſenden Priefterd Eaum erwarten; und ald er hi 
kam, als er feinen Diener noch nicht fand; als er 


‚endlich mit der Verfiherung zurückehren fah: daß 


Geſuchte Trog der vielfältigſten Mühe nich, zu fin! 
fey; da ftieg feine Begierde und feine Ungeduld imr 
höher. Es wurden der Kundſchafter nun wenigſt 
ſieben bi5 acht ausgeſandt; und am dritten Tage E 
wirklich Einer nebft dem Gefundenen zurüd. 

Zwar war die Miene, mit welcher Martelli i 
Gemach trat, völlig fo befhaffen, als komme er n 
weil er — müſſe; als fey ihm weder mit diefem S 
en, noch mit dieſem Finden ein großer Öefallen 
ſchehen; bob alles Dieß irrte Bonaventuri ni 


& 


/ 


RX 187 X 


Kaum ſah er fih mit feinem ehemabligen Frrund al⸗ 


lein, ſo eilte er ihm mit offenen Armen entgegen‘; um⸗ 


halste, kuͤßte, ſchalt ihn, daß er fo Tange nach ſich 


forſchen laffe; daß er überhaupt nicht von freyen Stuͤ⸗ 


den gekommen fey; daß er wohl gar abſichtlich ſich ver⸗ 


ſteckt habe. Martelli blieb ernſt. 

„Und wie hätte ich — ſprach er endlich — dieſen 
Wunſch nah meinem Anblick bey einem Manne ver⸗ 
muthen ſollen, der zuerſt von mir ſich losriß; der 
ſeit unſerer Trennung ſehr wohl meinen Aufenthalt, 
aber ich keinesweges den ſeinigen wußte; deſſen Briefe 


mich leicht getroffen haben würden, aber ihn nicht die 


Meinigen; und der doch, ſeit zwey Jahren ſchon, we⸗ 
der nachfrogte, noch ſchrieb. Zudem, Bonaventuri, 


vergib mir! Hofluft kann ihr Gutes für mancherley 


Seelenkraͤfte haben, kann Manche erheben und ſchaͤr⸗ 


fen; doch daß durch ſolche das Gedächtniß, zumahl 
das Gedächtniß an alte Freunde ſich mindere, 
— Das iſt eine allgemeine Sage. 

Bonav. Die du hier widerlegt ſiehſt! O Mars 
telli! wenn du glauben konnteſt, daß das groͤßte Gluͤck 
des Hofes meinen Hang zur Freundſchaft erſticken 
würde, fo verkfannteft du mid. ſehr, oder haſt mich 
vielmehr nig gekannt. 

Mart. Und fo freue ich mich dann dieſes Vers 
kennens! Nur zu oft finder man die Menfcen 
fhlimmer, aldmanesglaubte; etwas Geltened und 
eben deßhalb etwas höchſt Angenehmes ift e8, wenn 
man fie beffer findet. — Aber frey heraus geftan« 
den, Bonaventurt! auch wenn ich die Fortdauer dej- 
» ner freundfhoftlihen Gefinnung vermuthet hätte, 


rn 188 ron 
doch — doch wäre ic) vielleicht jetzt vorüber gegange 
ohne dich begrüßt zu haben. 

Bonav. Und aus welchem Grunde? 

Mart. Nies fkört die Freundſchaft Alteı 
und jüngerer Geſchwiſter mehr, als ein ſchnel 
Wahsthum auf jener , ein langes Meinbleiben « 
diefer Seite: und fo find auch im bürgerlichen Let 
Diejenigen gewöhnlich auf immer von einander gefch 
den, zwifchen welchen eine allzu große Kluft ſich a 
thut. 

Bonav. Auch dann, wenn dieſe Kluft wiel 
ausgefüllt werden kann? Und Das ſey ſie hierm 
Komm, Freund und genieße von nun an mei 
Glückes, meines Reichthums, meines Anfehens 
Staate, ald ware uns ein gemeinfchaftliches Erbth 
anheim gefallen. 

Mart. Wahrlich das Anerbiethen einer edlı 
oder wenigftens einer warmen Seele! Wahrlich e 
Sreundfchaft, die ich nah Verdienſten fohäge! U 
doch, vergib mir, dürfte Annehmung diefes Anerb 
tbens ven mir nit Elügli gehandelt feyn; esg 
Standpuncte, die durchaus nur einen Beſitzer fa 
Sa, wohl und überwohl diefem Einzigen, wenn f 
eigener Fuß nicht auf feinem allzuerpabenen Piedel 
ausgleitet! 

Bonav. (fi entfärbend.) Sch verſtehe. — Haͤ 
du meinen Platz für ſo gar gefaͤhrlich? 

Mart. Ich halte ihn für den Platz des GI 
ckes felbit.' 

Bonav. Und alfo ? > 

Mart. Und alſo! O Bonaventuri, vergißt 
denn, taß das Glück auf einer Auge fleht? 


. ea 189 —* 

Bon av. (der noch flärker ſich entfärdt, feine Gemütha⸗ 
eegung aber in ein gezwungenes Säceln verbirgt.) Nun wahr⸗ 
lich, ich fpüre doch , daß auch dich die Paar Jahre 
Zwifhenraum noch nicht verändert haben. Ganz noch 
der alte Martelli, der immer in Sentenzen ſprach, der 
uͤberall Beſorgniſſe fand, überall nach fürchterlichen 
Schatten haſchte, und niemahls der Meinung des Andern 
war. — Erfehrung, Martelli, iſt ein gutes Ding; 
Leſen, Umſichſchauen und Nachdenken bringt gemei⸗ 
niglich Weis heit hervor; aber. manche Weisheit iſt 
die eines Uhus, der das Tageslicht ſcheut, und nur 
in zerfallenen Gebaͤuden niſtet. 

Mart. Bewieſen, Bonaventuri — erſt bewie⸗ 
. fen, daß Dieß der Fall mit der meinigen ſey! 

Bonav. Wer konnte diefen Beweis ftärfer füh⸗ 
ven , als ich ſelbſt? Wäre ich wohl, was ich Bin, wenn 
ich dir Folge geleifter hatte? Was war in-deinen Ger 
danfen thörichter, als meine Liebe zu Bianca? 
Ich ſprach mit ihr, und gewann ihr Herz — Was 
war tolldreifter „ ald das Streben nah ihrem. 
B efig? Ich wagte diefen Kampf, und ward Sieger. 
— Ich floh aus,einer gewiffen Verforgung 
zum ungewiffeftenSchidfal. Gewagt war aller- 
dings diefer Schritt; aber Tage der Prüfung wurden 
bald Tage der glänzendften Hoffnung ; und diefe Hoffe 
nung erhöhte fih bald zur Wirklichkeit. — Was von 
allen Diefem hätte wohl den Benfall deiner Bedaͤchtlich⸗ 
keit gehabt? Was würdeſt du mir vielleicht ſelbſt dann 
noch gerathen haben, hatteft du in jener Dürftigkeit 
unfers Großherzogs Bothfchaft an mich mit angehört ? 

Mart. Did zu entfernen! Das laugne ih 
Ä nit; ober wenigftens nichts anzunehmen, was 


se 182 ne 
- Bianca, Freylich wenn uns der nicht ſchi 
der mächtiger ald ein Großherzog; ald König und 
Kaifer ift; der einige Gott voll Liebe! — bann | 
nen fie es thun. Aber fiher , fiher wirdeer unfern 
beſchützen. Er, der ih größerer Noth uns fchirr 
"wird uns ih diefer Eleinern nicht verlaflen; und g 
es feinem Rathſchluſſe nicht — Bonaventuri, ich f 
fierben. Was fürdtet Der , der Dieß kann? 
Bonap. (fie umarmend.) Auch Vonaventuri h 
-e5! Auch Bonaventuri ‚giebt ein Strohdach, 
Delchem er an Bianca's Buſen ſich ſchmiegen, 
an ſolchem einſchlummern und aus dem Schlum 
zu neuen himmliſchen Vergnügen erwachen kann, 
nem ſchimmernden Pallaſte vor, ben die Sorge, 
treuer, ald der Schweizer an ber Thür, bewach 
Bianca. DO wenn Das Ernſt ift, Bonavent 
dann Heil dir und mir! dann finder die dritte N 
und ſicher nicht mehr in Florenz. 
Bonav. (etwas betreten. Die dritte Nacht! 
Bianca. Eder aud dieMorgente (hm, w 
du willſt. 
Bonav. Ich forge nur, ih forge — — 
Bianca. Und was könnte nod zu forgen ü 


4‘ 


ſeyn? 
Bonav. (nah einer Pauſe von einer halben Min 
Sieh, meine Theure, ic) wieberhohle es: weder Zu 
der Armuth, noch auch Scheu des Todes foll mich 
einer Flucht an deiner Seite abhalten. Aber nur 
Zurdt, die Furcht der Schande wünfdte ihr 
mitzunehmen, und eben ihretwegen glaube id, 
wir doch nicht ganz fo eilen Fonnen, wie wir wünſch 
Bianca. Welcher Schande? 


— 


J 


N nsen 183 vo. 

Son av. Du weißt, das Franzens anfcheinen- 
de Großmuth mir eine Menge Gefhäfte von größter 
. Wichtigkeit anvertraut hat; die meiften unter. ihnen 
find erit halb beforgt ; jetzt fliehen, ehe fie vollender 
worden, ſchiene treulos gehandelt; gäbe unfern Zein- 
den ein zweyſchneidiges Schwert in die Sand, . 

Bianca. den Kopf fsüttend.) Schiene treulos 
gehandelt! Und warten, bis fie geendet, ſchiene dir 
klug und leicht? — O Vonaventuri, verzeihe mir, 
wenn bey dieſem Vorwand ein Verdacht mit Gewalt 
empor ſich draͤngt! — Verzeih mir die Frage: Sprach 

bier Verſtellung oder Kteinmutp? , 
Bonav. Wire ed möglih, daß du aus bier 
mich verkennteft I 

Bianca. Möglich vielmehr, daß ich dich beſſer 
kenne! — Die Natur gab dir fo manche von ihren treff⸗ 
lichſten Gaben; aber leider verband fie mit ihnen Furcht 
dor jeder allzumerklihen Entfagung, Zittern vor - 
jedem etwas raſchen Entſchluß. Lieber Mann! warum 
biſt du fo oft nicht ganz ein Mann? Warum muß fo oft 
deine ’eigene Gattinn bir ald Lehrerinn dienen? Mühe 
ſam gelang es mir und der allvermögenden Liebe, dich 
zur Flucht von Venedig zu bewegen; noch mühfamer . 
wirit du, bed Glanzes und des Wohllebens nun ges 
wohnt‘, alle jene Eceingfiter aufzuopfern vermögen, 
fie dir fo wichtig duͤnken und doch fo nichtswürdig 
find. — — Bonaventuri! Nur unvollkommen jwinge 
ich den Fluß meiner Thränen zurück, würde ihm end- 
lich noch frenen Lauf verſtatten müſſen, wenn ich mei- 
ter fprähe. Sey es daher Pauſe für heute! Nur bes 
ſchwöre ich dich zu überdenken: ift da, wo von jeder 
Seite her Gefahr der Verführung uns droht, wo ver⸗ 


oa 184 urn 
ftedte Beinde auf deine und meine Tugend lauern, 
es da der Klugheit gemäß, abzuwarten, bis wir e 
weder unterliegen, oder durch unfern Wideritand | 
Öegner zu Gewalt und Rache reizen! — Sch bi 
für meine Standhaftigkeit; aber, Mann mit 
wachsweichen Seele und dem auffprubelnden Gei— 
wer bürgt die für did fetöft? (Will in das Nebengen 
gehen.) 

Bonav. (fie valtend.) Liebſtes theuerſtes We 
wohin? 

Bianca. Laß mid auf einige Minuten allei 

Du Eennft die Art meined Grams. Auch Gabe ich 
ja wohl indeß Stoff genug zur Unterhaltung mit 
felbft gegeben, (Entfernt ſich.) 


— — — — 


Wohl ließ ſie ihm hinlaͤnglichen Stoff zum Na 
denken zurück; und wohl ſah fie nur allzubalb, t 
fie fih in der Surcht vor feinem Charakter nicht gei 
habe. Der Eindruck, den diefes Geſpräch und das 
tragen Bianea's auf Bonaventuri gemacht hatt 
war allerdings tief; die Verfiherung von dem Gef 
feiner Unwürbdigfeit und von ber Erneuerung ſeit 
ganzen ehemahligen Liebe war allerdings aufricht: 
aber er glich einem Streiter, dem ein feindlicher Wu 
fpieß den Fuß gelahınt hat; gern möchte er fein er 
ges Heil in der Flucht verfuhen; aber er kann mı 
fliehen: das ftäte, ſchmerzliche Gefühl feiner Wu 
zieht ihn bey jedem Emporheben wieder zurück zı 
Boden. — Fürſtlicher Günftling bisher: und nun ‘ 
lem zu entfagen, was fo herrlich glängte, obſchon 


— 


wen 105 mann | 
wenig in der Wirklichkeit galt; was zwar nur Schaum 
‚in der Verdauung, aber wenigfteng ein füher Schaum 
für feine Zuge war; nein, Dieß vermochte er nicht! 
Immer zauderte er; immer erinnerte Bianca ihn an 
ſeine Pflicht; immer verſprach er fih zurück zu sieben, 
und immer blieb er, we er war, 

Doch auch jegt warb noch das Schickſal nicht mü⸗ 
de ihn zu warnen. Es wollte ihm gleichſam für die 
Zukunft den Grund zu jeder Beſchwerde rauben; woll⸗ 
te bewirken, daß er durchaus nicht ſagen könne: es 
habe ihm an Gelegenheit gemangelt, über ſein unver— 
dientes Glück nachzudenken. Die liebevolle Ermahne— 
rinn hatte er überhört; den ernſtern Weisheitsprediger 
konnte er nicht ganz libexhören; ja, er v berief fi fol: 
den gewißer Maßen feldft. 

‚Denn einft, ald Vonaventuri in die Meile. fuht 
und bey der Thür des Tempels ausſtieg, hörte er 
dicht neben ſich eine ihm bekannt dünkende Stimme: 
bey Gott, Das iſt er! ausrufen. Er blickte ſogleich nach 
dieſer Gegend hin, und ſah, daß unter dem Haufen 
des Volkes ein Mann in Reiſekleidern ſich verbarg, den 
er gleich beym erſten Hinſchauen, für ſeinen ehemohli— 
gen Buſenfreund, Martelli, erkannte. 

Unzaͤhlige Mahl hatte ſchon an diefen Martelli 
Bonaventuri, doch in ſehr verſchiedener Ruͤckſicht, ge⸗ 
dacht. Immer wünſchte er in den Tagen ber Be: 
drängniß. feinen guten Rath befolgt zu- haben; immer 
. mwünfdte er .in den Zagen des nachmahligen Schimmer 
biefen Schimmer: ihm zeigen, und des Muthes fid 
rüpmen zu Eönnen, mit dem er doch endlich zu Reich⸗ 
thum und. Hoheit vorgedrungen fey. Jetzt, ald er fa 
uneswartet ihn erblickte; jet wäre ex ihm herzlich germ 


— 


n...a 86 en 

dur das Getümmel nachgeeilt; hätte gern vor all 
Volke um feinen Naden fidy geſchlungen, und ihn: 
fi) fortgeriſſen; aber ſchnell erwadte fein Stolzen 


der, und die Zucht, Auffehen zu erregen, übern 


jene freundfchaftlihe Aufwallung. Er eilte. daher & 
die Stufen zur Kirche fo haſtig ald möglich bina 
winkte einem feiner Bedienten, nannte ihm Marte 
Nahmen, beſchrieb deifen Öeftalt und Kleidung | 


das beſte, und entließ ihn mit dem Auftrag: die 


Sremdling aufzufuchen, einzuladen, oder vielm 
gleih mitzubringen. 

Shen feit geraumer Zeit war allzufenrige 7 
dadıt die Empfindung nide, womit Bonaverturi | 
Himmel viel beläftigte. Er, fonit eın'fo eifriger 9 
ther, aldö er noch um Bianca's Liebe warb, ober 
den linterbalt des nachſten Tages bangte,. war — 
fhon viel zu fehr Höfling, und Günſtling obendre 
als noch oft an unſichtbare Mächte zu denfen.. D 
beufe vorzüglich konnte er den legten Gegen des Me 
Iefenden Prieiters kaum erwarten; und ald er bi 
kam, als er feinen Diener nod nicht fand; als er 


‚endlich mit der Verfiherung zurückkehren ſah: daß 


Geſuchte Trog der vielfältigiten Mühe richg zu fin! 
fey; da ftieg feine Begierde und feine Ungeduld imr 
höher. Es wurden der Knndſchafter nun mwenigft: 
ſieben bi5 achr ausgefande; und am dritten Tage F 
wirklich Einer nebft dem Gefundenen zurüd. 

Zwar war die Miene, mit welcher Martelli i 
Gemach trat, vollig fo befhaffen, als komme er n 
weil er — müſſe; als fey ihm weder mit diefem S 
en, noch mit tiefem Finden ein aroßer Öefallen, 
ſchehen; doch alles Dieß irrte Bonaventuri nt 


Er 


wer. 187 ER 


Koum fah er fih mit feinem ehemabligen Freund al⸗ 


lein, ſo eilte er ihm mit offenen Armen entgegen-; um⸗ 


halste, kuͤßte, ſchalt ihn, daß er fo lange nach fi 


forſchen laſſe; daß er überhaupt nicht von freyen Stuͤ⸗ 
den gefommen fey; daß er wohl gar abſichtlich ſich ver⸗ 
ſteckt habe. Martelli blieb ernſt. 

„Und wie "hätte ih — ſprach er endlih — dieſen 
Wunſch nah meinem Anblick bey einem Manne 'ver« 
muthen follen, der zuerft von .mir fi losriſt; ber 
feit unſerer Trennung fehr wohl meinen Aufenthalt, 
aber ich keinesweges den feinigen wußte; deffen Briefe 
mich Teicht getroffen haben würden, aber ihn nicht die 
Meinigen; und der doc, ſeit zwey Jahren ſchon, wer 
der nachfrogte, noch fhrieb.. Zudem, Bonaventuri 


vergib mir! Hofluft kann ihr Gutes für manderley | 


Serlenkräfte haben, kann Manche erheben und fchärs - 


fen; doch daß durch ſolche das Gedacht niß, zumahl 
dad Gedächtniß an alte Freunde ſich mindere, 
— Das iſt eine allgemeine Sage. 

Bonav. Die du hier widerlegt ſiehſt! O Mars 
telli! wenn du glauben konnteſt, daß das gröfite Gluͤck 
des Hofes meinen Hang zur Freundſchaft eritiden 
würde, fo verfannteft du mid ſehr, oder haſt mich 
vielmehr nig gekannt. 

Mart. Und fo freue ich mich dann dirfes Vere 
kennens! Nur zu oft finder man die Menfchen 
fhlimmer, alsmanedglaubte ; etwas Seltenes und 
eben deßhalb etwas höchſt Angenehmes ift e8, wenn 
man fie beffer findet. — Aber frey heraus geftan- 
den, Bonaventuri! auch wenn ich die Fortdauer dei: 
» ner freundfhoftlihen Gefinnung vermuthet hätte, 


ara 188 on 
doch — doch wäre id) vielleicht jetzt vorüber gegarige 
ohne dic) begrüßt zu haben. 

Bonav. Und aus weldem Grunde? 

Mart. Nies stört die Freundſchaft Alte 
und jüngerer Gefchmwifter mehr, als ein ſchnel 
Wahsthum auf jener, ein langes Kleinbleiben < 
diefer Seite: und fo find aud im bürgerlichen Let 
Diejenigen gewöhnlich auf immer von einander gefch 
den, zwifchen welchen eine allzu große Kluft fi ih a 
thut. 

Bonav. Auch dann, wenn dieſe Kluft wiel 
ausgefüllt werben Eann ? Und Das fey fie bierm 
Konım, Freund , und genieße von nun an melı 
Glückes, meines Reichthums, meines Anfehens 
Staate, ald ware uns ein gemeinſchaftliches Erbth 
anheim gefallen. 

Mart. Wahrlih das Anerbietben einer edl. 
oder wenigftend einer warmen Seele! Wahrlich e 
Sreundfchaft, die ih nah Verdienſten fhäge! U 
Doch , vergib mir, dlrfte Annehmung diefes Anerb 
thens ven mir nit klüglich gehandelt feyn; es g 
Standpuncte, die durchaus nur einen Vefiker fall 
3a, wohl und überwohl diefem Einzigen,, wenn f 
eigener Fuß nicht auf feinem allzuerhabenen Piedei 
ausgleitet! 

Bonav. (ſich entfärbend.) Ich verſtehe. — Ha 
du meinen Platz für ſo gar gefaͤhrlich? 

Mart. Sch halte ihn für den Platz des SI 
des felbit.' 

Bonav. Und alfo? - 

Mart. Und aljo ! O Bonaventuri, vergißt 
denn, taß das Glück auf einer Auge ſteht? 


nern 1ÖQ Fo | 
Bonav. (bevmod färker ſich entfärdt, feine Gemütha⸗ 
Bergung aber in ein gezwungenes Säceln verbiege.) Nun wahr⸗ 
lich, ich ſpuͤre doch, daß auch dich die Paar Jahre 
Zwiſchenraum noch nicht veraͤndert haben. Ganz noch 
der alte Martelli, der immer in Sentenzen fpradh, der 
überall Beforgniffe fand, überall nad) fürchterlichen 
Schatten haſchte, und niemahls der Meinung des Andern 
war. — Erfahrung, Martelli, iſt ein gutes Ding; 
Leſen, Umſichſchauen und Nachdenken bringt gemeir 
niglih Weisheit hervor; aber. manche Weisheit iſt 
die eines Uhus, der das Tageslicht fheut, und nur 
in zerfallenen Gebäuden niftet. 
Mart. Bewiefen, Bonaventuri — erſt bewies 
. fen, daß Die der Fall mit der meinigen fey! 
Bonav. Wer Eönnte diefen Beweis ftärfer füh⸗ 
ren, als ich ſelbſt? Wäre ich wohl, was ich Bin, wenn 
ich dir Folge geleiftet hätte? Was war in-deinen Ge⸗ 
danken thö richter, als meine Liebe zu Bianca? 


Ich fprad mit ihr, und gewann ihr Herz. — Was 


wor tolldreifter ,„ ald das Streben nah ihrem. 
B efiß? Ich wagte diefen Kampf,-und ward Sieger. 
— Ich floh aus,einer gewiffen Verforgung 
zum ungewiſſeſtenSchickſal. Gewagt war aller= 
dings diefer Schritt; ‚aber Tage der Prüfung wurden 
bald Tage-der glänzendften Hoffnung; und diefe Hoffe 
nung erhöhte fih bald zur Wirklichkeit. — Was von 
allen Diefem hätte wohl den Benfall deiner Bedaͤchtlich⸗ 
keit gehabt? Was würdeſt du mir vieleicht felhft dann 
noch gerathen haben, hätteft du in jener Dürftigkeit 
unſers Großherzogs Bothſchaft an mich mit angehört ? 

Mart. Dih zu entfernen! Das läugne id 
nit; ober wenigſtens nichts anzunehmen, was 


| rn 100 — ' 
allzumädtig ben Neid reizt, allzu uüͤberſchwenglich 
Kräfte .überfleigt, — Bonaventuri, wenn du nu 
Mahl nad mir ſenden, und mit mie fprecdhen wol 
dann mußt du nun auch Wahrheit hören Einnen, 
mir gesiethen, mic zu entfernen, für bieß und 
Mahl. 

Bonan. Bleib und ſprich, was du willſt! 
fprih ed ald mein Freund! _ 

Mart. Wäre ih Das minder, fo würde ja 
Aufrichtigkeit Unſinn ſeyn. — O Bonaventuri, 
ich dir wohl etwas Neues, wenn ich behaupte, 
ſelbſt die auf's glücklichſte ausgeſchlag 
Unbeſonnenheit deßhalb doch nichts minder 
Unbeſonnenheit bleibt? Iſt es ſelbſt nach 
gelungenen Tollkühnheiten wohl klug, eine ei 
zu wagen? wohl klug, auf deren Gelingen im‘ 
aus su pohen? — Verdient mein ehemahls bi 
geberrer Rath deinen Spott? Und wenn du auß d 
Nichterfüllung auf die Schwäche meines Jetzigen, 
nes Künftigen fchließeft,, ut diefer Schluß richtig 
Darf ich dieſe zwey ragen wohl näher betrady 

Bonav. Wenn dir es beliebtes warum Dasn 

Mart. Sieb, Bonaventuri , wenn du 
mahls, als ein armer Diener in Salviatis Com 
auf des fürftlich reichen, fürſtlich edeln Gapı 
Zohter, Her; und Meigung zu richten. gerul 
follte ih) dir wohl, Bravo! oder, Eingebalı 
zuruſen? — Wenn du Bianca, beftinmt das ( 
eines der erften Venetianer , die Wonne ihres 
ters, den Glanz ihrer Vaterfladt zu maden, 
tet, taufchteft, in deine Pläne, deine Iuftigen 
winfe mit hinein verwebteft; — ſprach ih du e 


— 191 a oo. 
anders, als die Stimme deines eigenen Herzeus; 
indem ich dir zurief: Wohlzugefehen, Freund, daß 
du Fein Bbſewicht werdet? — War es klüglich, wer | 
es vor irgend einem Richterſtuhl dieſer und jener 
Melt verantwortlid , Venedigs trefflichſten Juwel ſo 
heimlich hinwegzuſtehlen ? — GBonaventuris Miene wird 
unwille. Hinwegzuſtehlen! fage ich mit Bedacht; denn 
ich babe ja doch kein anderes Wort für. jene naͤcht⸗ 
liche Entführung*) — Und als du nun litteſt, was 
wahrlich nsch eine fehr leichte, eine vorher gefehene 
Strafewar, — Armuth und Dunkelheit; was konnte 
dich berechtigen ein Anerbiethen anzunehmen, womit 
es ſicher dem Glück kein Ernſt ſeyn kann, und wo⸗ 
bey kein innerer Werth dich unterſtützt? Unerfah⸗ 
ren in Staatsgeſchaͤften, unbekannt mit dem gläſer⸗ 
nen Pfade des Hofes; wie Fannft du hoffen, Jenen 
gewachſen zu feyn und auf Dieſem dich aufrecht zu er⸗ 
halten? J 
Bonav. (mit etwas bitterm Lächeln.) Wie ſehr doch 
oft weiſe Männer, eben ihrer Weisheit wegen, die 
Sachen felbft uͤnnbihig ſich erſchweren! Entſinnſt du dich 
- wohl, von einem Philoſophen gehört zu haben, der die 
Bewegung längnete, und deſſen tiefgedachte Gründe 
ein Anderer ſtillſchweigend bloß dadurch wiberlegte, 
daß er auf und niederging? 





*) Meine Lefee merden fin bier erinnern, dag Martelli irey⸗ 
lich nicht fo genau, wie fie, die eigentlichen Umſtande 
von Vianca's Verſchwindung, von zugeivorfener Hausthüt 
u. ſ. w. wiſſen Fonnte : fondern daß er in ſeiner Rede und 
in ſeinem Raiſonnement dbioß von der Wahrſcheiulichkcit 
aue ging. 


vun 202 von 
Mart. Verſtehe ib dich? Meinſt tn vielleic 
daß ſchon dein bloßer Anblick mir ſagen müffe, ! 
du doch nicht ganzlich fremd in Staatsſachen feyn, d 
Hofkenntniſſe genug befigen müſſeſt, um ſo langed d 
gehalten zu haben! 

Bonav. Mid dünkt allerdings, daß er etw 
dergleichen fagen Eönne! 

Mart. DO Bonaventuri! fo fol ich denn -t 
dürten, berben Morten die erflären, welcher Rohrſt 
dich bisher geſtützt hat, und noch erhaäͤlt? Durch w 
ches Verdienſt deine niedere Hütte ſich zum Pallaſt 
bob? — Bianca, Bianca's Schönheit allein that 
Jes Dieß! Nicht ein Ahnen deiner Wiſſenſcha 
ein ſiüchtiger Blick in ihr Auge machte, daß Fre 
auch dich näher zu ſehen begehrte! Nicht du biſt f 
Günſtling, wohl aber it Bıansa fein Wunſch, vi 
leicht auch ſchon lanigft fein Glück. — Du erröthe 
Geſchieht Dieß aud Staunen über noch ungehe 
Wahrheit! Oder au Scham, daß bein Behei 
nift fo ruchtbar iſi? — Wahrlıh, Freund, es we 
fhımpflider , ald es Worte faffen; ed wäre ein Brat 
flef , den zwanzig Ordensbänder nicht verftecken Et 
ten, Alles für eine Stau und deren Beſitz gewagt 
haben, und dann diefen Befis mit irgend einem Ma 
ne, wäre edaud ein Fürſt — für irgend einen Prei 
und wäre ed auch ein halbes Fürſtenthum — freymil 
‚zu theilen! Sieh, ich liedte nie wie du, aber ei 
ſolche Entweihung einer Liebe und meines Eheber! 
würde ich für alle Schäße der Erde nicht dulden. 

Bonav. Habe ich dih nun ausreden laffen, u 
habe ih nun auch auf dein ruhiges Zuhsren ein gl 
ches Recht? | 

Mart. 


\medve 105 nano 
e art. Das haſt du allerdings. | 
Bonav. So will id mit wenigen Worten dich 
„ widerlegen. ie ſtahl ich Biancan; nie rieth ich ibr 
nur mit einem Worte zum Entfliehen. Ausgeſchlo fr 
fen vom väterliben Haufe, warf fie fih in einer 
Naht, wo ich auf nichts weniger ald auf das Entweis - 
hen dachte, in meine Arme. Das ift Wahrheit, beym 
heiligen Antonius! — Nicht einmahl muthmaßen 
konnte id Franzens Liebe, als er mich hier an ſeinen 
Hof berief. Ein ſonderbares Ungefaͤhr machte gerade 
damahls uns mit Mondragone bekannt; und ich hielt 
für Menfhenliebeund Mitleid, was ich freys 
ch nachher für Hinterlift und Trug erkannte. 
Es war ein Fehler, ein großer Fehler ſogat, Bey einem 
Höfling von Mondragone’d Art Tugend zu vermu⸗ 
then. Doch verdiente derfelde bey meiner. damahligen 
Weltkenntniß Verzeihung, und entforang aus gutem 
Herzen — Das befhwöre id) dir bey jener unbeflecteii 
Mutter Gottes! Wahrheit endlih, mit zwanzig Ei⸗ 
den zu betheuein, iſt es, daß ich erſt feit wenig Tagen. 
Franzens Reigung für Bianca kenne; daß Bianca 
ſelbſt mir freywillig und unerwartet das große Geheim⸗ 
niß eröffnete; daß ihre Tugend feſt bey jeder Lockung 
fih erhält; daß weder Hofluft noch Weichlichkeit ihren 
Edelſinn erſchüttert; ja, daß fie zum zweyten Mahl 
Flucht und Elend mit mir wäpfen würbe, wenn id) 
einen folhen Schritt nicht für unndthig hielte; wenit 
ich nicht feit überzeugt wäre: felbft der verliebte 
Franz wird nie zum Tyrannen fi) umgeſtalten. Bianca 
mochte freylich wohl zuerft feine Begierden weden; 
aber er hoffte nur, fo lange er fie noch nicht Eannte. 
Seht wird er ihre Tugend ehren , wie er Anfangs ih⸗ 
Meißners Bingen Cap. 1. Speit. N 


:f 


sen Heiz bewundert. — Sie — fie allein mochte f 
ich zuerft meine Berufung noch Hofe veranlajfen ; d 
auch ich felbft war nachher glücklich genug, einen eigen 
wahren Antheil an feiner Gunſt zu gewinnen. 
1, Mars, (erſtaunt.) Pietro, babe ich recht gehoͤr 
‚ Bianca — Bianca felbjt entdedte dir zuerft tieri 

des Fürſten? 

Bonav. Bianca — zuerft — und freywill 

Markt. (alch.) Sie erboth fich fogar zur Verl 
fung des Hofes — zu einer zweyten Flucht? 

Bonav. Erboth ſich nid nur dazu, ſondern ba 
vielmehr um dieſelbe. 

Mart. Und Dieß — verzeihe meiner Schwergl. 
bigkeit — Dieß mit einer Art, die gewiß mehr | 
Frauenliſt, mebr als bloß gefchminfte Tugend we 

Bonav. Miteiner Wahrheit, die den Verda 
der Zweifelſucht ſelbſt zernichtet haben würde Mei 
Willkür überlieferte ſie Franzens Briefe; meiner E 
fiht allein überließ fie deren Beantwortung. &d 
derte ich dir vollends Ort und Stunde und Lage, wa 
und wie fie diefes Geheimniß mir aufſchloß, dur wi 
deft glauben ein Mähren aus Pennelopens Zeit 
vernehmen. — Sneiner Minute, wo ich befhämt ı 
mir felbft zurückhebte, wo ich gern mid) vor mir fel 
verborgen hatte — in einer Minute, wo taufend « 
dere Frauen ihren Gatten mit Eirerfucht geftraft, r 
Vorwürfen überhäuft, einen flüchtigen Leichtfinn ı 
Meineid, einen raſchen Fehltritt ald Merbrechen | 
trachtet haben würden, ftand fie vor mie fo rein u 
mild, wie ein Bothe des Himmels; tröftete, verg: 
fhwur mir unbegebrt neue, ewige Liebe; verfhmäl 
Großherzogs Franzens Beliebte zu werden, um 


195 — 

Bonaventuti's Gattinn zu bleiben, um mit ſhm viele 
leicht wieder zu Staub und Armuth herabzufteigen! 

Mart. Za wahrlih, dann ift fiemehr, als eine 
gewöhnliche Frau ; verdient mehr , ald gewöhnliche 
Liebe ! Verziehen ſey dir nun alle jene Thorheit, die bu 
in Venedig begangen ; verziehen Schwärmerey und 
Flucht! aber Eines verzeihe dir nur Gott, und wenn 
es möglid ift, dein eigenes Gewiſſen! Wor meinem - 
Richterſtuhl würde der Stab über dic) gebrochen. 

Bonav. (befremder.) Und diefes Einewäret 

Mart. Daß da hier noch zu bleiben wagſt! — 
Wie, Mann , du befigeft einen Schatz, den Eein Kö— 
nigreich aufzuwiegen vermag, ein ſchönes, liebevol⸗ 
les, tugendhaftes Weib; das Weib deiner eigenen 
Wahl! Du kennſt die wollüſtige Begier eines Maͤchti⸗ 
gen, und kannſt in unbegreiflicher Sicherheit hier noch 
zögern ? willſt warten, bis Gewalt fie dir entwende, 
oder Lift und Trug fie dir entweibe? Laß Bianca rein 
und lauter, wie ein Engel Gottes feyn; aber bedenke: 
auch Engel widerftanden einft nicht jedes Verſuchung! 
Auch Engel fielen — und zwar um fo tiefer, je höher 
fie Anfangs ftanden! Kann Leckerey der üppigften Ta- 
fel dir [hmeden? Kann Reichthum did) reizen, Ehren: 
amt dich locken? Kann ein geheucheltes Lob dich freuen, 
ja felbft nur ein ruhiger Schlaf dich erguicken, da fläte 
Furcht und drohende Ungewißheit deine Tiſch- und Bette 
genoffen fegn müſſen? O fliche,, fliehe von einem Pfade, 
wo mitten im Quftwandeln unvermeidliche Gruben deis 
ner warten, und tüdifche Feinde auf dich Tauern ! 

Bonav. (Hard unwitig.) Fliehen! Fliehen! Und 
bedenkt du dena nicht — 
N 2 


wor 196 vorne 

Mart. (Ceinfallend.) O ich bedenke gar wohl 
ſehe gar wohl voraus, daß du Manches dahinten laff 
von manchem feheinbaren Vorzuge dich trennen mı 
teft! Doch, von wahren Gütern gitft du auch F 
Einziges Preis; und fetbft mit Vermeidung des M 
gels in den Mittelftond ſich zurück zu ziehen, Eanıy 
jegt nicht unmöglid fallen. Laß vaber ja nicht lan 
ungenuͤtzt was — 


Eine Bothſchaft des Großherzogs, die Beinen 2 
{hub vertrug, unterbrach bier den Fluß von Marte 
Beredſamkeit, und mochte wahrſcheinlich Bonavent 
felbft nicht unwillkommen ſeyn, denn fhon begann 


verlegen um Antwort zu werden. Doch befchwor 


feinen Sreund — dem er vergebens eine Wohnung 
feinem Pallafte antrug — ihn bed andern Morg 
wieder zu befuhen, wo fie das heutige Gefpräd voll 
den Eönnten; und wo er Entfhluß faſſen ivofle. V 
teli, nad einigem Weigern , verfprach Zurückku 
Auf feinem einfamen Zimmer, da er meht als ein Y 
noch Daß, waser vernommen, und wozu er gerat 
babe, durchdachte, — da war er zwar in feinem 
wiſſen überzeugt: daß nur aufdiefem Wege fein re 
noch zu retten fey. Aber er geftand ſich auch felbft: 
diefer begehrte Entſchluß viel zu viel Geiſteskraft 
Seelenftärke erfordere, als ihn.von Bonapenturi he 
zu dürfen ; and fein Nichtpöffen ging in Erfüllung 
So fehr das Übereintreffen von Bianca’ X 
und Martellis Rath die Seele Bonaventuri’s erfe 
terte ; fo wenig er fih nun feldft die Unſicherheit fe 
Lage, die Unanftändigkeie feines laͤngern Hierbleil 


ws |] 9 7 Kt 


obzulaͤugnen vermochte; der Schimmer ſeines Range, 
Die Nege ber Weiclichkeit, die Süßigkeit des Hof⸗ 
lebens behaupteten doch ihren unwiderftehlichen Zauber. 
Er ſtrebte, Here Über ſich felbft zu werden, aber er 
ftrebte vergebens. Er glih dem Schwaͤchling, der vor 
einem hohen Belfen ſtebt, auf den er fo gern ſich 
ſchwaͤnge, um dann einer freyen Ausficht in die herrliche 
Meite zu genießen, dem aber Süße und Bruft ihren 
Dienft verfagen, — Endlich nahm er wieder zum Lieb⸗ 
Iingsmittel träger oder feiger Seelen, sum — Auf 
ſchub feine Zuflucht. — 
Als er am Morgen darauf feinen Freund verſichere 
te, — was auch wahr ſeyn mochte, — daß er ſchlaf⸗ 
los und nachſinnend die halbe Nacht hingebracht habe; 
als er Mortellis Urtheil das Lob ber Gründlichkeit er⸗ 
theilt hatte, und nun mit der Betheurung endete: 
er ſey entſchloſſen nach Monathsfriſtdem Hofleben 
abzuſagen, da laͤchelte Martelli etwas bitter, und rief: 
Feſt entſchloſſen! Nach Monathsfriſt ſchon? Bedacht⸗ 
ſamer Pietro, übereile dich nicht! Als die Thür des 
Kerkers vor deinem Nahmenspeiligen fh aufthat, als 
eine Stimme ihm befahl, fih zu gürten und hinweg zu 
begeben, wartete da St. Peter wohl bis zum nädhften 
Morgen? That er nicht fogefhwind, als möglid, was 
er für gut erfanntz? 

Bonaventuri errbthete ein wenig; doch par er; 
wenn nicht auf dieſe, doch auf ähnliche Fragen. ſchon 
vorbereitet. Manche Entſchuldigung yon aufgetragenen 
Geſchaͤſten, deren frühere Beendigung ſein Gewiſſen 
gebiethe — von der Unmoͤglichkeit, gerade jetzt bie Auf⸗ 
merkſamkeit dei Fürſten zu täuſchen — von der Mpthe 
menbigkeit ‚ fid doch vorher einiger Maßen flir die Zu⸗ 


! 00008 198 0008 

Eunft zu ſichern — ward vorgebracht. Die Worte n 
ten ſcheinbar genug, aber fie bintergingen Mart 
nicht. | | 

„Du wirſt es, fprad er, einem Manne, der fch 
ſo manches Garneval mit ahfah , nicht verargen , we 
er mifitranifeh gegen Masken it. Ich Eenne frey) 
deine Gefhäfte nicht; wie Eönnte ich fie alfo dir 
läugnen ? Sch billige deine Morfiht , wenn fie ı 
Map gefhieht; aber ich Fenne etwas anderes ;iem! 
genau (indes er auf's Herg feines Zreundes geigt) Und 
jorge, das Bild eines Vogels, der von der Leimruthe 
losreiſſen könnte und figen bleibt, bid er erhaſcht wi 
weil ervor dem Verlufte von einigen Federn ſich für 
tet, dürfte bey dir ein treffendes Bild feyn. — 8 
wohl! Mich rufen Gefhafte nah Ravenna. Wäl 
du Einfamfeit und landlide Stille; bedarfit du | 
ihr eines Gefaͤhrten, fo melde es mir! IK. ı 
laſſe fogleih Allee, um mis meinem weifer gemot 
nen Freunde zu leben und zu iterben. Aber die Bri 
des Höflings, des Günſtlings, des halben Großh 

3095 fogar, bleiben unbeantivortet; denn mich tr. 

mein Einn abwärtd von diefer Atmofpbäre !” 

Fruchtlos wandte Bonaventuri alles Mögliche ı 
um Martelli noch langer bey fih zurüd zu baltı 
fruchtlog bediente er fid) dee Verſprechen jeder Art, 
Beſchwörungen und Selübte! Derftarre, aber bied 
Mann blieb feſt auf feinem Sinne. Seldit Biar 
mochte er nicht vorgeftellt werden, weil Dieß feine E 
fernung erfchwere ; felbit Lie Geſchenke, die fein Fret 
auf das edelmüthigfte ihm darboth, fhlug er a 
weiler deren nicht bedürfe. Er reifte ab, und überl 
Bonaventuri feinem Schickſale; denn er fah vora 


wre® 199 v... . 
baß alle Mühe, diefer Deele von Wachs männliche 
Feſtigkeit zu ertheilen,, vergebens feyn werde. 

Auch gefhah, was er verkündigt hatte! Der Moe 
nath verlief; noch ein Paar folgten, und Kein Brief 
vom Bonaventuri fuchte in Nevenna ihn auf. Der 
Verblendete, , weit entferne, ſich durch eine edle Anſtren⸗ 
gung loszureiſſen, verfank jetzt — da Martefli’d ware 
nende Stimme ſo ſchnell wieder verhallte, und Bianca, 
der öftern fruchtlofen Vorſtellungen müde, zu ſchwei— 
gen begann, — nicht nur in feine vorige Betäubung 
jerüd, fondern gab ſich auch bald der Verſtrickung gir 
ned Feindes preis, der deſto furchtbarer war, je ſchlei⸗ 
chender er heranrückte; defto gefährlicher , je tiefer feine 
Schaͤdlichkeit fih in dag Gewand inniger Zärtlichkeit 
verbüllte! Daß diefer Feind, oder diefe Feindinn viels 
mehr, — abermahls Kaffantra Bongiani war , wirb 
man wahrfheintih im Voraus vermuthen. 

Zwar, wenn jemahls ein Schwur Bonaventuri 
aus vollem, entfhloffenen Herzen quoll, fo war es jes 
ner, ald er Bianca die Aufopferung ihrer Nebenbube 
lerinn zuſchwur! Zwar hatte er es hierin nicht, wie 
er fonft wohl pflegte, beym bloßen loͤblichen Vorfag 
gelaſſen; hatte wirklich eine geraume Zeit felbft den 
entfernteften Ilingang mit diefer gleich reizenden, gleich 
gefährlichen Perfon abgebrochen, und war ſchon breit 
genug fich felbft zur Geneſung heimlich Glück zu wün⸗ 
fhen. Doch viel zu voreilig war diefe Beibitzufriedene 
beit! Sie entfprang , wie falt immer zu geſchehen 
pflegt, aus Unbekanntfhaft mit feiner eigenen Schwäche 
und mit der jenfeitigen Starke. 

Nie hatte Kaffandra das göttliche Gefühl der wah⸗ 
ren eigentlichen Liebe empfunden; hatte. ſicher au im 


wev⸗ 200 ..“ 

Bonaventuri's Umgang diefelbe nicht: Eennen geler 
Doc die Empfindungen des beleidigten Stolzes, 
gekrankten Eiferſucht Eannte fie defto beſſer, und fill 
folde in ihrer ganzen Gewalt, ald fie Denjenigen pl 
Iih in feiner Bewerbung erkalten, ja, ganz zurt 
weichen ſah, über den fie ſchon als unbefchränkte ( 
bierherinn zu herrſchen glaubte. Aufeinige Augenbl 
wähnte fie: Dieß fey die Wirkung einer neuen Liel 
und fah forfhend rund umher, welche Nebenbubhler: 
dreift genug fey, dieſe Beute ihr entreiifen zu woll 
Doch als fie Keine erblickte, als fie durch Kundſch 
von Bonaventuri's häuslichem Reben [bloß ; daß ni 
eine neue Werirrung , fondern die Rückkehr zur Pfl 
ihr diefen Anbether entziehe; Eurz, als fie Bianı 
Mafregeln, wenn aud nicht vollftändig, dach 3 
Theil errieth ; da rief fie mit ſtolzer, lächelnder 
nügfamkeir aus : ‚diefe Belehrung fol nicht fa 
dauern !— und der Weg, den fie einidlug, waı 
einfach und doc fa zweckmäßig, ald möglich, 

Drey Wochen lang entzog fi Kaſſandra dem H 
und jeder andern Geſellſchaft, um beym Aufang 
vierten mit defto bemerkteren Reizen wieder zu erſch 
nen. An einem Sefte, wo ſich Alles mit Schmuck üt 
deckt und — wohl kann man fagen, aud) überputzt hat 
trat fie wieder auf in einem bloß ſeidenen, ungeſt 
ten, ſchwarzen, Eunftlofen Gewande, veizend 
durch fich felbft und eben deßhalb reizender, alß 
ihre Schmeftern. 

Bonaventuri bebte ſchon, als er fie eintreten fi 
denn ſo ſchoͤn, dünkte ihn, habe er fie noch nie gefeh 
Er bebte noch ftärker, als fie auf ihn ihr Auge ri 
Ite, Er fuͤrchtete in demfelben verdienten Unillen 


sowa SDNE vorn 


eerblicken; ſah fhüchtern auf, und glaubte feiner eige⸗ 
nen Bemerkung kaum; denn er fah in ihm nichts als — 
Riebe. Sie wandte, als er fi) zu nahen noch Beden⸗ 
fen trug, gelegentlich) anihn ihre Rede. Nun glaubte 
er doch gewiß verſteckte Vorwürfe zu hören, und vers 
nahm wieder den Zon der Sanftmuth felbft. — Schon 
wanfte der Arme; feine Stimme ftodte. Kaflandra bes 
merkte es nicht. Sie erzählt ihm bloß: daß fie eine 
geraume Zeit geſiecht, — daß Herzens kummer fie bes 
troffen — daß mancher Sreund, von dem fie cd nicht 
beforgs , fie verlaffen habe. Ihr Mund nannte Beinen 
einzigen Nahmen ; ihr Auge nanııte ihn. Bonaven⸗ 
turi würde zu ihren Süßen gefunten feyn, hätte er 
nicht in der Nähe fo viele und vielfältige Zeugen gefes 
ben. Eben hatte er-nun. Gedanken und Worte zu ein 
Paar mühſamen Entfehuldigungen geſammelt, da ent« 
fernte fie ſich raſch, doch zurückſchauend. Ihr nachzufol⸗ 
gen vermochte er nicht. Seine ganze Seele war bewegt. 
Ein Briefchen ihm nachher heimlich, als er in Gedanken 
ganz verloren am Spieltiſch des Großherzogs ſtand, zu⸗ 
geſteckt, (er wußte ſelbſt nicht, von wem,) verfehlte 
ſeinen Endzweck noch minder. Folgendes ſtand in dem 
Briefchen, ohne uͤberſchrift und Unterzeichnung. 
„Ein Mann hoͤrte von einem Schatze, den ein 
Geiſt bewache. Zwar war er ſelbſt ſchon begütert 
genug; dennoch hing ihm das Herz nach dieſem 
neuen Beſitze fo eifrig, daß er beffen theilhaftig 
zu werden ſchwur, und ſollte es auch Aufwand und 
Müdhe tauſendfach erfordern. Won der Ferne ber 
wurden Beſchwörer verfchrieben ; Opfer wurden 
dargebracht; der Bewerber felbft umging zu jeder 


use 2OR ern 


Stunde, bey Tag und Naht, forgfam den | 
flimmten Ort. u 
"Range wiberftand der Geiſt; endlich warb 
nachgibiger: zuletzt beſchied eine dumpfe Stim: 
den Suchenden, in naͤchſter Nacht mit dem Schla 
zwölf Uhr ſich einzuſtellen. Bis funfzig Minus 
vor zwölf hr machte der Wann; dann ward er I 
ſchläfrig, fchlief ein, und — verfchlief ten Glock 
flag. War Dieß zu verzeihen War eine fo fpı 
Nachlaͤſſigkeit nit doppelt firafbar! — Au, | 
ex es oft nachher bereur; oft ſechs oder firben M 
ternächte hinter einander ji eingeitellt; mand 
Morgen wahend entgegen geſchaut. Aber wei 
Meue, Wachen, Opfer noch Befbwörung halfe 
der Geift kam nicht wieder; nur ein fpottendes € 
lächter antwortete zuweilen dem Beſchwörer. 
Laffiger, der zwölften Stunde fo Naher: 
weißt du dir wohl biefes Mährchen zu deuten?” 
Hätte Bonaventuri auch nicht Kaffantra’s n 
zum Schein in einigen wenigen Zügen verftellte , 
hundert andern fih mit Fleiß verrathende Handſchr 
erkannt, ee würde liber ben Schreiber des Briefes di 
Beinen Augenblick zweifelhaft geweſen ſeyn; aber wi 
war er zweifelhaft, was bier zu thun oder zu lai 
fey. Lange rangen in feinem Innerſten Pfliht und L 
denfhaft. Der Sieg flug endlich) dahin aus, wol 
er gewöhnlich fih lenkt. Kaſſandra fah den Flüchtli 
wieder zu ihren Füßen. Inniger und fanfter | 
gleich, ald ehemahls, ſchlangen fih ihre Nege ı 
ihn. Aus Furcht ihn abermahls zu verlieren, mit 
deritand und Nahchgibigkeit zugleich — — — 2 


er 209 
diefe Strihe nicht verfteht, dem em follen fie wenige 
ftens hier nicht gedeutet werden. 

Bald war Bonaventuri’t Gluͤck dem ganzen Hofe 
kein Geheimniß mehr; Junker und Damen flüfferten 
ſich, was fie vermucheten , mit verftärktem Haß und 
Merde von Mund zu Munde zu. Auch daß ed Bianca 
nie lange unbekannt bleibe — beforgte man treufid. 
Was fie erfuhr, war ihr wenigftens keine unerwartete 
Neuigkeit mehr. Schon hatte fie aus dem’ nnfläten 
Blick feines Auges „ wenn fie das Ihrige fanft auf ihn 
heftete, aus dem Farbenwechſel ſeiner Waͤnge, aus 
der innern Unruhe, die zuweilen ein unwillkürlicher 
Geufzer lüftete — mehr noch aus der unpaſſenden Hei⸗ 
terkeit, wozu er ſich ſichtlich zwang und dann nicht ſel⸗ 
ten die Mittelſtraße uͤberhüpfte, auf Erneuerung ſei⸗ 
ned Wankelfinnes geſchloſſen; hatte aus Grundfägen 
fieber getäufht al8 überzeugt ſeyn wollen. Jetzt, als 
man ihr Umitände binterbrachte,, die ſelbſt den klein⸗ 
ſten Zweifel zeritörten, vernahm fie ſolche mit einer: 
Faſſung — ihrer felbft, obſchon nicht einer ſolchen Be⸗ 
leidigung werth. Ihr Auge blickte mit einer großen, 
den Ungetreuen wider Willen verklagenden Thraͤne ge⸗ 
gen Himmel; ihr Mund erlaubte ſich die wenigen, und 
doch fo bedeutungsvollen Worte: Das babe ich nicht 
verdient um ihn! . 

„Und win es auch künftig nie verdienen !” fügte 
fie in nächfter Secunde, noch lindern Tones, hinzu; 
und war Heldinn genug, ferner von etwas Anderm zu 
ſprechen. Welche Ihränen auch dann vielleicht flogen, 
wenn fie allein fih ſah; doch ftand fie wenigftens, fo 
oft als Zeugen um fie laufchten, mit ber hohen 
Miene eines großen unſchuldig verklagten Mannes 
vor bem Richterſtuhl der Welt und ihres, sigenen Her 


wen 204 - 
zens zugleich; blieb feſt auf dem pied⸗ der Tuger 
und ſchlug jede neue Bewerbung ihres fürſtlichen Li 
habers ſtandhaft aus. Vergebens fuchte Dieſer 6 
durch glanzende Pracht, bald durch reiche Geſchenke 
wirken. Vergebens haufte vorzuglih Mondragone V 
fuhung auf Verfuchung. Jede noch fo Einftlihe H 
terlift bfieb fruchtlos; bey jeder war am Ende ein ı 
williger Bli det Sürften, ein bieterer Spott ſei 
Gattinn und innerer nagender Verbruß des fürftlid 
Aupplere ganzer Lohn. — Ein Lohn, dag ihn db 
jeder Mondragone empfinge, und lebenslang behiel 
Doch nur allzu ausdauernd ift die Boßheit ei 
vollendeten Höflings; nur allzu reich und ül 
ſchwenglich ift das Arſenal feiner Sinterliften und 
ner Tücken ausgerüftet. Hundert können wereitelt n 
den: er bat zum andern Hundert noch gyten Wil 
und Kraft genug. — Auch Mondragone ermattete nid 
„Wenn dann (dachte er bey fich felbft) nichts, bu 
„aus nichts diefe Thörinn von ihrem Pietro fren 
„ann, fo wollen wir diefen Pietro feldft ihr raub 
„Wenn fie mit fo fübelhafter Treue fogar un eir 
„ebebrecherifchen Gatten hängt, wird fie denn aud 
„nen Schatten — — Wohlan, meine Tegte M 
- „fpringe! Sie macht wenigftens eine Öffnung 
„Walls, — und der Stürmende wird fi deren 
„bedienen wiiten!” 
Etwas raͤthſelhaft Efingt vieleicht diefes Zei 
geipräh ; doch was Mondragone fih dabey dachte, 
leicht und faßlich genug! 





Kaſſandra's Geſchlecht war alt» adelig und fl 
Am folzeften unter Alen war Robert Ricci, 


Haupt der Familie, und Kaſſandra's Oheim; ein 
Mann, nicht ganz vom gemeinen Schlage; ein Mann, 


der zwar nicht Ehrfurcht; ; aber auf jeden Fall Bemer⸗ J 


kung verdiente. Von Jugend auf, bald bey dieſem, 
bald bey jenem kleinen italteniſchen Fürſten in Kriegs⸗ 
dienſten angeſtellt, und nun — wie er gern von ſich zu 
ſagen pflegte, — unter den Waffen ergraut, hatte 
ed ſchon frühzeitig das Gluück gehabt, für tapfer zu 
gelten, nicht, weil er Heldenthaten gethan, ſondern 
. ein Paar unbedeutende Narben im Geſicht davon ges 
tragen hatte. Schwelgend im Geheim, fhielte er öfr 
fentlich den Haſſer jeder Wolluſt; war nicht reich, und 


machte fih oft im Geſpraͤch noch ärmer, als er war, | 


um das Selbſtlob einzuweben: zwey Erbſchaften wäs 
teh von ibm verfhmaht worden, weil er fih nicht zu 
büden wife. Sein rauhes Eriegerifhes Weſen, fein 
Eurzgefaßter Ton im Sprechen, feine Sreymürbigkeit, 
womit er. zumeilen den Vornehmften im Staat Wahr⸗ 
beiten fagte, feine Hinwegſetzung über alle höfiſche 
Zierlichkeit, machten, daß er bey Allen, die ihn nicht 
nahe und lange genug kannten, für einen Biedermann 
galt. Aber fein Werth war bloßer Schein; fein 
Inneres entſprach nicht ſeiner Form. Auf ernſten Grund⸗ 
fügen beharrte er nur da, wo Rache, Hochmuth und 
Eigennutz es forderten. Dieſem Letztern opferte er 
nicht ſelten bie beyden Erſtern auf, wenn es nur mit 
einigem Anftande gefchehen Eonnte. 

So zum Vepfpiel war Wonaventuri’& Liebe ‚u 
feiner Nichte und ehemapligen Mündel, gleich von ih⸗ 
ver erften Entftebung an, ihm zwar bekannt und — 
unangenehm genug gewefen, weil in den Augen des 
ähnenftolzen Thoren des fürftlihe Guͤnſtliag, Tretz 


- 


won 206 wa 

feines hohen Poſtens, nur wie ein Mann aus t 
Wolke ſich zeigte; fo hatte er wirklich ſchon ein 
Mohl auf Kaſſandra's Entfernung, wohl gar auf i 
Einfperrung in ein Klofter gedacht; aber die Vorf 
lungen feines Sohnes — eben besjenigen Francı 
Nicci, deſſen Mondragone fon ein Mahl im ( 
fpräche mit feiner Gattinn erwähnte — und die Hı 
nung, daß doch wohl nord durch diefe Liebfchaft fei 
Familie ein weſentlicher Vortheil zu wachſen kön 
machten, daß er eine geraume Zeit ſchwieg; 1 
wahrſcheinlich hatte er immer geſchwiegen, hätte fi 
ftet6 mit einem halblaut gemurmelte Wortchen, hd 
ftens mit einem ſchelen Blick gegen Kaffandra begnüͤ 
hätte nur Bonaventuri auch Mäßigung genug 
habt, um dieſen Seitenblick, den. Robert feinem R 
fhuldig war, zm überfeben; oder Klugheit gen: 
um bem Stolz; und Eigennug diefes alten Krieg 
anderwärts zu ſchmeicheln. 
Aber der unvorfihtige Bonaventuri, ber je 
Glück feft umklammert zu haben glaubte, weil er 
Gunſt des Fürften befaß, — oder vielmehr zu befüi 
fbien, hatte nicht einmahl hinlaͤngliche Einſicht, 
Blursverwandten feiner Geliebten in feinen Nugen 
verwideln, um dann defto ruhiger Tieden zu Eönn 
Ohne eine Partey zu ſuchen, die ihn ſchirmen u 

. ftügen könne, verfhmähte er fogar diejenige , bie ' 
ungefuht ihm darboth. — Denn als einft der jur 
Franceſco Ricci in einem wichtigen und fihleunig 
Geſuch ihn um fein Vorwort anſprach, vergaß er d 
Fürſten aufzinvarten, bloß damit er nit ein Stü— 
chen fpäter zu feiner Gebietherinn Eomme; ein ande 
Mahl war er ſtolz genug, über Signor Robert fe 

des Vorrangs dep einer öffentlichen Feyerlichkeit 


‚wna 207 den 
anzumaßen; und ein drittes Mahl erwieberte er deſſen 
ziemlich höflihe Werbeugung mit einem bloßen nach⸗ 
läffigen Kopfnicken. 

Die Farbe des Unwillens flog über Roberts Wan⸗ 
ge; das Feuer des Zorns glühte in ſeinem Auge. 
Montragone bemerkte es, und ſprach heimlih zu fih . 
ſelbſt: „Run babe ih ihn!“ — Noch diefen Abend. 
fand Ricci auf feinem Tiſche einen Zettel liegen, den 
— Niemand hingelegt haben wollte, und auf-welchem 
die Worte flanden: 

„Leider iſt Kaflantra nit Lucretia; aber Nobert 

folte doch Brutus feyn! — Zwar nein! nein! diejer 

Brutus ſchlaͤft!“ 
Einer ſtaͤrkern Anreizung bedurfte es nicht. Robert 
nahm nun wirklich die Miene an, die ibm als Haupt 
feines Stammes, ald Räder einer beleidigren Ehre 
gebührte. Gegen Bekannte und Nichtbefannte entfie 
len ibm bittere Ausdräcde Über den Mißbrauch, den 
unwürdige Menſchen von fürſtlicher Gnade 
machten ; bey jeder Gelegenheit richtete er mit offens 
barer Geringſchaͤtzung auf den Günftling felbft fein‘ 
Auge; und ald Bonaventuri gleichwohl es nicht merkte, 
oder nicht merken wollte, da wußte er es gefhidt ges 
nug fo einzurichten, daß Bonaventuri einft beym Weg: 
geben aus dem fürftlihen Gemach im Vorzimmer uns 
ausweichbar auf ihn ſtieß; daß zwar Niemand ganz 
in der Nähe, doch aud Verfhiedene nicht fo weit fh 
befanden, um nicht aus Geberden und halb verftander 
nen Worten auf das Übrige zu fliegen, und hier.xex 
bete ev alfo ihn an: 


were 208 mom 

Mobert Ricei. Vortrefflid, dag mein Tori; 
Suchen doch nicht ganz fruchtlos bleibt l Nach Ihne 
Signor Pietro, ſah ich geſtern und heute ſchon über 
mich um. ie allein, oder wenigſtens Sie am beſte 
Eönnen über einen Streit eutſcheiden, d den ich vor 
ſtern Ibretwegen hatte. 

Bonav. (ka. And der betraf? 

Rob. Nichts Größeres, und nichts Geringer: 
als die Frage: ob Eie ein geborner Slorentiner war 
oder niche ? 

Bonav. Allerdings bin ih ein Florentiner v 
Geburt. 

Rob. Wirklich! Und am Ende wohl gar aus! 
Stade felbft 3 

Bonäp. Ganz gewiß! 

Red. Sonderbar! So hätte ih doch mei 
Werte verloren! Kaum hätte ich mir Das gedacht. 
Bonav. (etwas vertegen.) Und warum denn kaur 

Rob. Weil Sie mir für einen hier geborne 
hier erzogenen jungen Dann zu unbekannt mit unfe 
alten Geſchlechtern, ihren Sitten und ihrer Denkung 
art zu feyn fohienen. 

Bonav. (immer seriegener) Wie? Sch Eennte 
nicht? . 

Robert. Wenigftens bas uralte Gefchlechted 
Ricci nicht! 

Bonav. Sie ſprechen in. Raͤthſeln! — % 
meinen Sie Das? 

Rob. Wohl ſich ausgebrädt, Signor Pier 
Bonaventuri? Es wird freflih Zeit, hoͤchſte Ze 
baf wir endlich wechfelfeitig unfere Meinung uns ı 

klaͤren 


dere 289 J 
Bären. Ich ſchwieg Tangez’aßer bie Ehte Meiner as 
milie und die Rechtſchaffenheit, deren ih mich immer 
befließ — zwey Güter; Bende mir unendlich theuer® — 
zwey Güter, für die ich mein Leben felbit in Gefechten 
und in deg- noch weit gefbrlichern Kämpfen der Höfe 
niemahls fhonte! — zwingen! mich jetzt zu reden. 

Bonav. (eine fafß trotzige Faſſung aunehmend) Mas 
haben. @ie denn aber fo mächtig Großes zu reden? 

Robert. Kaflandra Bongiani it meine Niger. 

Bonav. Dad weiß ic! j 

,. Rob. Sie war einit, als Waiſe, ganz meiner 
Aufſicht unterworfen. 

Bonav. Wer zweifelt daran? 

Rob. Und iſt mir noch jetzt in mehr als einem 
Betracht Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig. 

Bonav. Wirklich? Aus welchem Rechte? 

—Rob. Weil. ih dad anerkannte Haupt ‚ihre 
Serhleäts bin. 

Bonav. Sind Sie Das? (mit äftiem dagetn.) 
Nun fo wünſche id Ipnen Glück dazu. 

Rob. Und doc ſteht eben dieſe Kaſſandra Bon⸗ 
giani jegt im Begriff, ſich ſelbſt, ihr Geſchlecht unn 
uüns Alle zu beſchimpfen. 

Bonav. Cerngen Blids.) Ju beſchimpfen? 

Nob. Zu beſchimpfen, ſag' ih‘, und Dieß durch 
bie blinde Liebe, die zwiſchen Jonen und ihr obwaltet, 
ader wenigſtens obzuwalten ſcheint, 

Baonav. (mit außerſter Hitze.) Tod und Hoͤlle! 
Veſchimpfung/ Beſchimpfung durch eine Liebe zu mir! 
Ha! alter Graukopf, wenn ich hier einen Degen haͤt— 
ke, und wenn Dieß nicht fürſtliche Gemaͤcher waren! 

Meißners Bianca Gap. 1. THE O 


r7 8 


an LIO we, 


Kot. (dot.) &o würden Sie Anden, daß ai 
meine Klinge nicht eingeroftet, daß aud) von ihr 
Spitze noch nicht abgebrochen ſey. 

Bonapv. (verächtlich lächelnd. Weil Sie wa 
fcheinlich, dieſe von jeher treulih fhonten. — A 
warum, wenn id) e6 willen darf, ober wenn Sie fel 
anders wiffen, was und zu wen Sie fpreden — — 

Rob. (kart eintanene.) Zum Signor Bonavent: 
fprech’ ih; und von einem Schandfled meines Hau 
iſt die Rede! 

Bonav. So ſagen Sie mir: warum beſchim 
Kaſſandra, die ſonſt fo ſchöne und.fo edle Kaffand 
eine Liebe zu mir? zu mir, den Se. Durchlaucht fei 
ihrer vorzügfichften Gnade würdigen ? 

Rob. Gnade des Zürften, fo fehr fie auch ch 
gibt doch den Vorfahren des Begnabigten befhalb | 
nen Tropfen edlern Blut. Ein olter Gelbat, ı 
ich, beugt fi vor Gottheiten nicht, die nur die Lar 
eines Höhern einige Tage hindurch auf den Altar 
hebt, und dann vielleicht auf immer zertrümnsert. 
fennen nur zweyerley echten Adel: den geerbten, o 
den turd Narben und Verdienſt erworbenen. Se 
geſchenkte, geſchenkt aus fürſtlicher Nachſicht, gıle ı 
am fürſtlichen Hofe, in Vorgemaͤchern und ‚bey © 
mäblern; aber nicht in der Verſchwoͤgerung. 

Bonav. Ob Sie nit Luft härten, dieſet tr 
ſiche Theorie zu Papiere zu bringen? 

Rob. Das mögen Andere thun, deren gan 
Verdienft böchſtens ın ber Feder beftehen ann! 
bin gewohnt Wahrheit zu ſprechen, und den Beim 


wen 211 res 

(er melner Worte mit Blut, nicht mit Dinte zu wis 
Derlegen. — Aber felbit wenn jened ewig unaßänter: 
libe Ainderniß des edlen Blutes bier nich⸗ vordanden 
waäre; wie Eönnte aud dann nod ein⸗ Vetſchwagerung 
zwiſchen Bonaventuri und Ricci nur denkdar ſeyn, a - 
Sie ſchon der Gemahl einer ſchönen würdigen Gasınn - 
find? — Und Kaffandra vielleicht bloß Geliedte neben⸗ 
bey? Ha, verdammt fey derjenige Riccı, verdammt 
zur unterften Hölle, der auf jeiner enıfernteiten Ver⸗ 
wandtinn biefe Schande ſitzen ließe! — Hier haben 
Sie mein Bekenntniß! Sch hofte, Ste werden - fid 
darnach richten. 

,  Bonan. Ridten, ich bürge dakur, daß Ihnen das 
Ohr wiebertönen, und das Herz erbeben foll!- Zenn 
Die, Signer Robert, ift mein Gegenbekenntniß. — 
Sch bethe Kaffandra an, und werde ed thun, fo lange 
ic) athme. Oft babe ih fie heſucht; nod aͤfter werde 
ich es künftig thun; und biethe Ihnen T Trotz hierdurch, 
mich daran zu hindern. Kaſſandra's Vormund waren 
Sie ehemahls? O ja, ich weiß es recht wohl, und auch 
fie weiß es noch allzu gut; deun ſie empfindet es an 
der Abnahme ihres Vermögens. Dabet Signor Kos 
berts Wunſch/, eine Bekanntſchaft zu trennen, die ehe⸗ 
mahligen ungerechten Haushaltern ſchädlich werden 
Ednnte; denn wahrscheinlich fürchter er, was fonft kaum 
geſchehen waͤre, aber nun ganz gewiß geſchehen wird 
— abgeforderte Rechenſchaft. Zu feinem Nagtheil, 
ich ſtehe ihm dafür, fol er nun eriahren, dafı -3 ibm 
Pfliggt geweſen fey, von Kaſſandra's Gütern- räuberifhe 
‚Hände zurüc zu haften; fol erfahren, unter weiten 
&ichuß? fie ſteht! (enttkernt ſich ſchnell.) 

O 2 


wa 212 ren 

Rob. Tod und Verderben! Darf ich meinen L 
ven trauen? Er droht mie noth! — Er mir! — € 
dem vor zehn Monarhen noch eine Kammerdien 
Stelle bey mir ein neidenswerthed Glück geſchien 
baben würde! Mix, vor bem er fi büden follte, we 
er anders feinen Weg fortzumandeln gedähte? — H 
bey Himmel und Hölle, es fol dem Leder fo ungen: 
fen nicht ausgeben! Er fol bald fehen, ob ich wahr | 
fprochen habe, als ich verfiherte : daß manche Gewel 
‚gegen ibn ihre Spigen nicht verloren'pätten! (Berniga 





Das Geruͤcht von dieſem Streite durchlief 6 
den ganzen Hof. Keiner zweifelte, daß die Fami 
Ricci, die eine große Anzahl von kühnen Züngling 
und erfahrenen Männern in fich faßte, eine ſolche 2 
Teidigung, ihrem Oberhaupte zugefügt, und einen | 
chen befchimpfenden Umgang mit einer ihrer Nicht 
Öffentlich eingeflanden, nicht ungeraͤcht laſſen wür 
Bianca felbft, ald fie es erfuhr (und Mondragone fo 
te weislich Dafür, daß ſte es bald erfahren mußte) fü 
te mehr Sorgfalt für den Unvorfihtigen, als Schm 
über ihre eigene Schmach. Ahr hoher Beift vermo« 
ed nicht, fih ned ein Mahl zu münt!ihen Vorſ 
lungen und Bitten berabzulaffen; aber fie that ed 
verfhiedenen Mahlen duch Briefe, die einen 
Minuten lang dauernden Eindrud auf ihn macht 
einen Eindrud, den Kaffandra’s Eleinfter Blick, 
flüchtigſte Zeile ihrer Hand, ſogleich wieder verlöfd 

Aber eine Wirkung hatten die Bitten und X 
nungen Bianca's doch auf ihn; diefe, daß er won ı 


\ * 


mr 213 ron Bu 

an feine nächtlichen Beſuche bey Kaſſandro mit mehr 
Worſicht anſtellte. Einer feiner tägl; Tiſchfreunde, 
Nicolaus Bilocchi, ein Kerl, ſtets das Wort 
Her, im Munde, und dafür, nach gewöhnlichen 
Laufe ber Narur, keines ım Bufen hatte, mußte 
ihn gewaffnet begleiten ; ein deutſcher Miethſoldat 
folgte ihnen Beyden von Weitem. Bonaventuri ſelbſt 
verfah fih mit Rüftung und Gewehr, und fein anges 
borner Muth machte, daß er nad einer ſolchen Vers 
faſſung zu einer jeden Stunde der Nacht ſich hinläng⸗ 
lich ſicher achtete. 

Der Unglückliche! Er wußte nicht, daß eben der 
Elende, den er an feiner Tafel nährte — daß Bir 
locchi fein gefährlichfter Feind, ein Söldner bes Nicci 
und Mondragone zugleih, und im eigentlichften Vers 
flande Betrieger gegen alle Drey fey. 

In Geſellſchaft diefer feiner beyden Miethlinge 
kehrte Bonaventuri einfk, in einer Auguſt⸗Mitternacht, 
von der Liebe Schwelgereyen beim. Es war eine der 
ſchoͤnſten Sommernädte; der heiterfte Himmel; Eein 
Wölfen, das den Eleinften &tern bedeckte; kühle 
wehende Lüfte; Stille weis umher. Ach, wie fröhlich 
"über genoffene Wergnügungen, wie voll Hoff⸗ 
nung von bald zu wiederhbohlenden, ging der 
Arme feinen Tegren Gang! Sie kamen zu der Drey⸗ 
einigkeit6- Brüde. Pioting! fholl eine Srimme 
dumpf vom jenfeitigen Ufer! Piotina! Elang +8 vom 
diepfeitigen Andern in einem graͤßlichen Bafle wieder. 
Unfere drey Wanderer ftugten, horchten betreten, ſa⸗ 
ben noch betretener fich unter einander an. 


ans un Dec} 


en DI we 

Bonav. (um Birscht.) Was ıft Das! Was ı 
biefer unverſtändliche Ruf bedeuten? 

Bilocchi tik sera € Zaſſund.) Sch bo 
nichts. 

Der Deutſthe (den Reif f@ütteind.) Und 
fürchte: viel, ſehr viel. — - Hoch, gar! Hört 
nichis! 

Bonav. Aldwie ein Laufen. 

Der-Deutfhe. Oder vielmehr, als wie 
Kommen — Ha! dachte ich's nicht? Seht ı 
mahl die Menge Feinde , die von dorther auf ung | 
ftürzen. 

Bilocchi. Müffen denn diefe Menſchen e 
Feinde ſeyn? 

Der Deutſche. Ihte blinkenden Waffen | 
gen es! u 

Bonav. (feinen Degen ziebend und den Mantel zu 
werfend.) Nun, wenn es denn gelten foll, und gel 
muß, fo gilt es Blut. Vor allen Dingen ken Rüd 
frey gehalten! — Stellt euch ſo, meine Freunt 
‚ (Indem er mit dem Degen ihnen ein ‘Paar. Stellen bezeichn 

Bilochi (tiefe) Ey ja! fechten für dich? D 
wäre mir rede! (Saut.) Um Verzeihung, ich ba 
es fürs Beite, wenn ih mich fo ſtelle. (Enificht.) 

Bonav. Ha, ber Nichtswürdige! (mit mei 
baftem Vlick auf den Zw:nten.) Aber. du? 

Der De urſch € (mit gezogenem Degen.) Ich | 
ein Deutfcher ! 

(Seh Hi fleben Kerlo umriugen fie in einem Hat 


ra 815 u 

Ziekel und in einiger Entfernung. Der Anführer trite 

einen Saritt ‘hervor und ruft;) . 

Bandit Weg von bier, wer nicht Pietro Vo⸗ 

napenturi iftl Nur mit ihm haben wir zu thun. ' 

Der Deutfde Und mit mir! Hört es an 

meiner Ausfprace „daß ich Eein Welſcher und kein 

Weib bin! (Gr ſturzt auf den Anführer 108, der fig azurück 

gieht.) 

Einer. Bund. Noch ein Mahl, Brempfing, 

entferne dich ! 


mörder | 


Sonav, Begehrt ihr Boͤrſen, Singe ober ans 
bere Koftbarkeiten ? | - 

Der Anf. (Bitter tadend.) Erz von Werte! 
Dein Leben begehren wir. .. \ \ 

- Bone». Nun, fo folt ihr denn weber Diefes 
nach Jenes haben !. (Sie dringen wüthend auf die Banditen 
sin, um Hd durchzuſchlagen⸗ und verwunden Einige.) 

Einer d. Band. Brav, KRaufmannsdiener, 
baft du-auch Fechten ſo gut als ſchmarozen gelernt? 

Bonan. Da fühle ed, Bandit! (Nam Ihm Hauend 
and treffend.) - ot | 

Der Deutfhe, (indem er vom Stoß eines dieſer 
Banditen fintt.) Ha, es ift dir gelungen, Boͤſewicht! 
— Gott! (Riche.) 


Einige db. Band. Und bad fol uns noch mehr. 
delingen } 


Bonav. Go. fahre benn wohl, Hoffnung! und 


Der Deutſch 2 Entfernt euch ſelbſt, Dede: 


dus Verzweifelung, ftärke mid) ! (Er Idlägt Ach dur 
sur (ide eines Baß Sens, zwey neue Böltwidter vertreten 
‚den Wera.) Ha! auch da alfo nur Degenfpigen und 
Zod? ı& wendet fi gegen Die andere Belle, auch bief 
beſent. Ochändliche, feige Mörder! Zu Dygenden Eon 
ihr gegen einen einzelnen Mann? So verfudt bi 
— (ein geroorfener Doich trifft Ihn son dinten in die Inte 
fehle; er autt aufs Rule.) Jeſus Maria! 

„anf d. Band, (Herten eitend.) Liegſt bu end 

— Wahrlich, Burfch ‚du biſt fo brav, daß 
* Aber freylich, ſterben mußt du nun | 
„Bonav. Wenigſtens will ich es nicht, ol 
mid an dır gerächt zu haben. (Jadem er alle feine Ke— 
famnıelt, noch ein Maͤhl fi aufrafft , und das Haupt 
Banditen fpaitet.) Gelungen! — Ha! — (Ge Kürit u 
aus Ermattung, theils durch neue Streiche un Soden.) D! 
O! — (Bie zerfleifhen ihn.) 

Einervon ihnen (indem er ſich vorbränge ı 
die Übrigen zurüc sa.) Zurück, zurück nun! Er | 
genug und Üübergenug! Ihn zu tödten, nicht ihn 
viertheilen, war unfer Öefhäft. — Saht ihr wo 
baf er von meinem Streiche zuſammenſtürzte, 
er eben, brav'wie eine ehwe ‚ unfern bisherigen ? 
führer tödtete ? 


Alle. Mir ſahen es! 


Der Vorige. Und wer ſoll nun euer Anfuͤb 
ſeyn? Wahlt hier auf der Wahlſtatt! 


Alle, Sey du es! 
Einige. Sey's würdig! 
Andere Sey's glücklich! 


nr. 217 EV 

Alle. Sey's würdig'und glüͤcklich! 

Der neue Anf Ib will das Erſtere, und. 
hoffe das Zweyte. — Auch bin ih zu gutem Glück 
mit dem Umfange des ganzen Geſchäfts bekannt, zu 
dem unfer bisheriges Oberhaupt heute uns ausführte. 
Es beitand im Morde, von zwey Drenfihen , oder,’ 
wenn ihr Tieber wollt, von anderthalben; eines Mans 
nes und eines Weibes. Der Mann ruht bereits; das 
Weib ift noch übrig. — Eilt, du Marco und du 
Srancesco! Eilt zur Wohnung Kaffandra’s! Sie ift 
ſchön und jung. Wäre fie aber auch Beydes noch zwey⸗ 
fach mehr, fie darf die Sonne nicht aufgehen fehen. 
— Eilt zu ihrer Wohnung! Ein Bedienter ihres 
Dheimd wird dort euer warten, und euch die Thür 
ihres. Haufes und ihres Vorſaals öffnen, — Weckt 
fie zu einem Waterunfer, und dann zum Tode! — 
Wenn Kammerweiber wahen und Ereifhen , laßt fe, 
und befudelt eure Dolce nicht! — 

Marco, un Franc, Wir danken deinem Ver⸗ 
trauen, obſchon die Ermordung eines Helden uns will⸗ 
kommener waͤre, als eines Weibes! 

Anf. Kleinigkeiten fangen an; große Thaten 
enden. Eilt! Bey Cosmus Statue finden wir uns wie⸗ 
der, . — (34 einem, der fih herab auf Vonaventuri's Seich⸗ 
nam Side) Schaͤme dich, Kerl! Ich ‚glaube gar, du 
willſt plundern? uͤberlaß Das dem erſten ehrlichen Bür⸗ 
ger, der ihn in ſeinem Blute findet, und Hülfe! 
Mörder! und Wundärzte ſchreyt! Fort, Burſche! 
(Ae 062 


un 2ıB vom 


Raffandra's Schlafgemach. 


Kaſſandra (ſchtafend) Francesco, Marco 
(herein tretend.) 


Sranc. Reife! Leife! bier iſt fie. 

Marco. Bey meiner armen Seele! ein ſchoͤ 
Weib! Die Unfrigen find wahre Seefpinnen ba 
gen. Sieh einmahl den Bufen, die Hüften, bie 
Fleiſch! 

Franc. Haft recht. Schön! recht ſchoͤn J 

Marco. Du! Wie wäre es wohl, wenn ı 
ihrer — — — 

Franc. Schonten etwa Memme! 

Marco. Nicht doch, Gensßen vorhe 
meine ich. | 

Franc. Pfui, Burſche! Hieße Das ehrlich 
handelt? Sie umzubringen, nice fie zu fh 
den, warb uns von unferm Befehlshaber aufgetrag 

Marco. Bon ihm freylih, dem bu, wie 
merke, fogar ın der Sprache nachahmſt. Aber we 
erführe er e6, wenn wir des Guten noch mehr, 
er befohlen bat, thäten? 

Franc. Pfui, Marco! Wort muß man ha 
in der Welt, fag’ ih dir, wenn man als sin bre 
Kerl fein Handwerk treiben will. 

Marco. &o laß uns wenigftens die Schme 
ihr erſparen; laß uns ihr f Hlafend ben Dolch 
Herz flogen! 

Branc. Auch Dieß wahrlih nit! Denn 


- 


r , , \ 


sea 29. 
bieße allzu tädifh in jene Welt he befördern. Der 


Schritt, den fie thun muß, iſt viel zu wichtig, alt 


nicht wachend gerhan werden zu müſſen. 


Marc, Franceſco, Das kann dein Ernſt nicht 


ſeyn; und doch ſchaudert mir vor ſolchem Scherze. 
Franc. Wenigſtens iſt Das mein Ernſt, daß un⸗ 


ſer Hauptmann ſie erſt zu wecken und dann zu morden 


befahl, und daß den Befehlen des Hauptmanns woͤrt⸗ 
lich nachgelebt werden muß. Immer merkt man dir's 
doch an, daß du dein Gewerbe nicht von lange her 
treibſt. (Sie ziemlich unſanft angreifend.) Kaſſandra! 


K aff. Crſchroden aufwachend.) Was — (och erſchro⸗ 


dener bey dielem Anblid.) Allmachtiger Sort! Wo komme 
ihr her! Und wer feyb ihr? 

Sranc, Bothen find wir, die die fagen follen, 
daß es hohe Zeit für dich fey, die Welt zu vellafſen. 

Kaff. DO Erbarmen! Forderz, was ihre haben 
wollt; nur font meines Lebens! — Erbarmen! Ers 
barmen ! 

Franc. Das ſuche vw Gott! Wie werlgen 
haben nur Eiſen für bi. ‚ 


Kaff. Ihr wißt, daß mein n Obeim ein angeſehe⸗ 


ner Mann. — 
Franc, Wir wien, daß eben Der uns herſchickt. 


* 


Kaff. Er O ſchandlich! und Bonaventuri? 


kennt ihr ihn? 
SFranc. Kennft du fein SIut% Hier ſiehſt du 
noch Spuren davon; (Auf Zlede an feinem Gewand zeigend.) 


Kaſſ. O bey den, Wunden Deffen, der am 
Kreuze — 


‚wa 9220 won 


Franc. (fpottend.) Sorge nit! Du ſelbſt fo 
der Wunden: bald zur Oenüge haben. Bethe ein X 
terunfer,, und dann flirb! Bethe fogleih, und wi 
Bein Wort weiter Dagegen! (Eine ſHauderhafte Paufe von 
nigen Seeunden, worin fie, die ſich gu Feiner Sylbe erküb 
ſiehentlich Ihre Hände gegen Beyde ausſtreckt; Marco IR gerü 
Zranceico nicht.) | 
Sranc. Biſt bu nun fertig mit deinem Gebe 
Kaff. O feyd barmherzig, wie Eönnte ich im | 
fer Lage — 
Srane Nun fo fhalte dann, auch ohne ( 
betb, der Himmel, wie er will, über dich! D 
Stuͤndlein ift da! (Ge durchſticht ihre linfe Brum wit | 
Dolce.) 
Kaff. (in Todesangk ſich windend.) Heilige Mu 
Sottesl — 
Franc, Und du thuft nichts dabey, Marco! 
Brav, Der traf das Herz! Sieb, wie ſchnell nun 
fed Zuden ins Erſtarren fih verkehrt! — Wahl 
Das find doch elende Wichte, die vor einem To En: 
Leiden oft Zahre lang fi fürchten! — Komm] 
haben gethan, was uns oblag. (a6. 


x 


al 





Leblos, in feinem Blute gebadet, Tag indeß 
unglüdlihe Bonaventuri, auf einfamer Straße hi 
ſtreckt. Doch verharsts diefer Letztere nicht allzu la 
einfum. Das Getümmel des Kampfes, das Kli 
der Degen, hatte einige von den Nabewohnenden 
wedt. Zwar getraute fih Anfangs, aus Beſor 


men BIE vun 


eigener Gefahr, Niemand hervor zu kommen, und nad - 
zufeben, was bier vorgehe? Doch ald ed nun eine ziem⸗ 
Iıhe Weile wieder ftille geworden war, da fchlichen 
Diefe und Jene aus ihren Häufern leiſe hervor; fahen 
das ſchreckliche, obfhon in Welfhland nicht fo gar uns 
gewöhnliche Shaufpiel; und unterſuchten genauer: 
wer tenn eigentlich der bier Geopferte ſey? 

Leiche und bald ward Bonaventuri's Antlitz er⸗ 
Eannt. Der hohe Poſten, den er im Staat und in der 
Sunft des Fürſten bekteidete, veritärkte das Erſtaunen, 
und aud die Sorgfalt, mit weiber man ihn behan⸗ 
deite; und da man Troß der fiebzehn Wunden, mit 
welchen die Mörder ihn durchbohrt hatten , doc) noch 
einige ſchwache Überrefte von zurückgebliebenem, oder 
vielmehr zurückehrendem Leben in ibm zu. bemerken 
glaubte , fo eilte man forgfältig, ihn nach feiner Be: 
baufung zu bringen. 

Es war, als Dieb geſchah, wenigftens noch eine 
Stunde weit bis zur Morgendämmerung. Doc befand. 
fih fo eben Branca ſchlaflos auf ihrem Lager ; dachte 
wahrſcheinlich gerade an ihn, der fie fo unzaͤrtlich als 
lein ließ; da vernahm fie das Gerauſch von Kommens 
den, dos Klopfen am Hausthor, das Öffnen ‚besfeße 
ben, die Unruhe, die ſogleich in allen Winkeln des Paßs 
laſtes ſich verbreitete. Ein ahnendes Gefühl fogte ihr, 
dag etwas Wichtiges, und zwar etwas Trauriges vor⸗ 
gebe. Sie ſchellte; eine ifrer Kommerfrauen kam, 
bleich, zitternd, entftellt, dee Sprache unfähig. Auch 
bedurfte Bianca ihrer Worte nicht. Sie ſprang empor 
vom Lager, flog heraus, erblickte ihn, oder feinen 
Ldeichnam vielmehr, den man die Gtiege heraufteug⸗ 


. # 
sen 232 won 


Bott, welch' ein Anbtick fiir Bianca’ N flüblbares 
Herz! Ach — ihren Todfeind' felbit würde bie Milde 
mit Schmerz und Mitleid, mit ähtem Betauern er⸗ 
blickt baben, haͤtte man fo ihm gebracht. Doch ihn, 
den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe, 
Troß feiner Treuloſigkeit, gefiebt! Ihn, dem fie ſo 
viel einft aufgeopfert hatte, fo viel noch jetzt aufzu⸗ 
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritte nie ihr Herz 
entfremdet, doch wohl zerriſſen hatten; ihn, deſſen 
Abtruͤnnigkeit fie erſt vor wenigen Minuten beweinte/ 
"ohne zu wiſſen, daß er ſchon dafür geſtraft ſey — 
nein! nein! keine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ 
bern, was fie empfand! Keine Engelsſtimme -vermag 
aus zuſorechen, wie unermeßlich theuer dieſer Gemsr⸗ 
dete jetzt ihr ward! .. 

Bald Eamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ 
turi's Wunden, und — zuckten mitleidig die Achſein. 
Ibr Ursheil war: ohne Rettung! Mit einer Einſtim⸗ 
migkeit, die bey den Herren diejer Kunft wahrlich nue 
höchſt ſelten ſich finder, veriüherten fie : „Es fen äußerfk 
„ungemiß, ob aud die Eräftigiten Mittel ihn wieder 
„anf einge Minuten nur zum Leben und Bewußtſeyn 
„bringen würden. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß 
„dann dieſe Rückkebr ins Leben nur eine Beine unbe⸗ 
„deutende Friſt dauern Eönnte.” | 

„O nehme Alles bin, was ich habe und befiße, rief 
Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur 
macht, daß wenigftend nod ein Madl fein Auge mich 
anblicke, wenigſtens ein Wort noch aus ſeinem Munde 

mich tröſte! 
Sie thaten wirklich, was fie nut Eonnten ; de 


- 


wa 228 rem 
Bianca’s jammerndes Geſchrey, ihr unablaͤſſiges, aͤngſt⸗ 
liches Rufen wirkte vielleicht noch ſtaͤrker, als alle Kunſt 
der Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein 
Herz fammelse noch ein Mahl alles Blut, da von den: 
jerriffenen Lebensgefüßen ihm ubrig war. Sein ge« 
ſchloſſenes Auge daͤmmerte, ging auf, fah das Licht; 
und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl," 
nicht des Lebens ſowohl, ald — des Leidens.’ Bianca 
fiteß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine 
trampfende Hand, | | 
Bonar. (fh windend, und nad einem tiefen Geufzer.) 
Hal iſt's möglih! — Gütiger Heiland! — Sch lebe 
nos? — D wer — wer wedt mih zu — neuen. 
Schmerzen?! 
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! mein 
Leben! 


Bonav. Auch du dat — Wo bin ih? — Auf | 
du ° — Vergib mir? Laß mit meinem Tode auch meine 
Schuld! — 

Bianca. O feine — Keine Sqhulb! Daß ich 
ſterben könnte für dich“ 

Bonav. Nein, Bianca, .niht du! — nice 
feymerzlier den Abſchied — Gott, mein Herz! — 
nice fehmerzlicher den Abſchied noch — durch diefes 
Üdermag von Tugend! — Deine Verzeibung nur — 
böchftend deine Vorbirte, du Heilige! — (Budungen.) 
Bott! Mutter Gottes! Mein Herz — die Gluth in 
ibm — (Bein Haupt erhebend.) Btanca, noch dieſen blus 
tigen Abſchiedskuß! — (int zurüd.) Und nun lebe wohl! 
Le — (Reue Sudungen ı die ihn weiter zu ſprechen hindern.) 
Zeus, Maria! Wergib ! — Er Airtn.. 


Bianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) Ni 
Mich mit dir! (Man reißt Me 10, fie ſinet ohnmächtige 
ind romm erfi nd einer fangen Werte wieder ju fi.) We 
er? wo? — Ha! hier! Hier fo kalt und ſtarr! 
(um Wundarie.) Alfo ganz todt, Signor? ganz? 

Wund. (die Hafer zudend.) Ich bedaure. 

Bianca (feine Hand ergreifend.) Bonaventuri! % 
haventuri! Ganz tobt! ganz! — Go früh gern 
und fo blutig! — So blutig und fo ſchaͤndlich ( 
ſchweizt einige Mugenblide, und wendet ſich haſtig gu einer 
rer Rammsrfrauen.) Wo er jet feyn mag? ' 

Rammerf. Wert | 

Bianca. Bonaventuri! Dod nicht diefer Lei 
nam bier! der eigentliche Bonaventuri? 

Rammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Wunder 
Guter Sort, fie wird doch nicht —., 


und. Wohl möglich! Ein ſolches Schrecken 


Bıanca (mit fhmerzhaftem Lacheln.) Seyd ruhi 
und fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; we 
was ich ſage! — — Wo er jetzt ſeyn mag, dieſer 
früb entſflohene Geiſt ? Das fragte ich. — (Mit encſch 
fenem Tone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entfern 
oder noch uns umfthwebend, wenn er noch hören kar 
fo höre er! Höre es aus dem Drte feiner Prüf 
oder Vollentung! Ich will aufbiethen, was ich Fan 
aufbierhen ,„ was «in Weib vermag, um fein 
Schatten Genugthuung, feinem blurigen Tode Ka 
zu verfbaffen; und endlofe Qual fey men Loo 
Schmach werde men Nahme, wenn je ein Ma 
such nur eines freundlichen Blickes von mir fi ri 

men 


WE 

won 225 mm 
men kann; er fey denn Bonaventuri’s Räder und 
der meinige! 


indem fie Dieß fagte, ichtete fi e f ch hoch empor; 


fand, wiſchte die Thränen ſich güs dem Auge; und ſah 


dann mit kaltem, ſtarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗ 


nam hinab. — „Sid haben Recht, Doctor! er if 
tod!” — Stumm haftete nun ihre Auge ungefähr 


drey Minuten auf ihn. Eine feyerliche Paufe; erfhür= 


ternder für alle Anwefende, als des Affects rührendſte 


Rede. — So aͤngſtlich harrt ein Land, das des Erdbe⸗ 
bens fürchterlicher Geißel unterworfen iſt, wenn ein 


dumpfes unterirdiſches Getöfe den nahen Erdſtoß vers 
Fündet; einen Erdſtoß, der vielleicht: im nächſten Mu 


Städte verwüften und weite Striche Landes umbkeh⸗ J 


ren wird. 


Sie irrten! — Bianca, die heldenmüthige Bianca 


dog fi bloß herab und tußte den eiskalten Mund des 
Gemahls. 


„Ich darf Das! rief ſie: ich darf Das! denn ich 
„bin rein an ſeinem Tode, rein an ſeinem Blute, und 
„der Himmel kennt die Wahrheit meines Anerbiethens, 

„mit Freuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu 
—* ſtatt ſeiner, wenn er auflebte dadurch. — Aber 
„damit ſtets dieſes Gefühl Bleibe, wie es jegt iſt, — 
„verzeib, blutiger Leichnam, id muß did berau⸗ 

„ben!” — GSie ſchneidet die größte Lode am Nacken, über und 
Über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warft einft braun und 
„ſeiden; oft babe ich fonft mit Dir gefpielt. Jetzt fpiele 
„ich nicht mehr. Das Blur bat beine Farbe verändert, 


„bat did ſtarr gemacht. Sey ‚mein Armband! Aber 


Meifners Bianca Cap. 1. Thl. 


x. 


— —ñ 


„keine Thräne jet ab auf dich, : fe 
„Blut von dir nit « m 

.r, Nod ein Mahl n, und wandte fi 
gen ihr Gemach. Ihre Fr tterflügten fie. — „ 


„tann allein gehen, fagte : dh habe Kräfte geni 
„und bedarf noch der Kräfte Eünftig.” — Man beg 
tete ‚fie ins Gemad. Ebe fie über deſſen Schw 
ſchritt, wandte fie fi abermals zegen Bonaventu 
Leichnam. — „Du erwiederft es freylich nicht me 
„nenn ich noch einen Kuß dir jumerfe; aber dort o 
„ſiehſt du es vielleicht? Nimm ihn an, Geopferi 
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu raͤchen 
»Gemaptt" BR 
Man bath fie, fi wieder auf ihr Lager zu be 
ben. — „Meint ihr vieleicht, erwiederte fie mit ein 
® „ihmerzhaften, faſt bitteren Laͤcheln, daß es nun 
„raum genug für mic geworden fen? Ruhe werde 
„doch dort und hier nit finten follen?” — Stut 
ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine St 
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer ı 
ihr Auge auf jene blutige Locke gehefter. Man mu 
fie ihr wirklich zu einem Armbande fledhren, .Ein ı 
ſchloſſener Schmerz arbeitete in ihrem Bufen; Ele 
Bewegungen des Mundes verrierhen zuweilen, | 
fie mit ſich ſelbſt ſpreche. 

So verging dieſer ? Zag. Als man ge, 
Abend feinen Leichnam aus d_ Pallaite hinwegeri 
um ihn ineinerCapelle beyzi ‚merkte fie eögat wi 
doch begehrte fie nicht hn zu fehen. — „ 
„wird dort, ſprach fie, marten, und hoff 
„lich nicht allzu lange. Andblicks hienieden, 


. — 327 mm 


„nes Anblicks am heutigen Morgen vergefie ich ohne⸗ 
„dieß nie.” Unbegreicich fhien diefe Faſſung und biefe. 
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca’s eben ſo ſanf⸗ 
ten, als feften Charakter niche zu fehägen, nicht zu 
verftehen vermochten. Alle ihre Frauen und Hausge⸗ 
noffen waren beforgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗ 
hielt, aushielt einen Kampf, wie gewiß noch wenige 
Helden ihn Eampften. | 


WERNER NANNUNINIERONENNCUNIECEREERE NEE A 


Wien, 
gedrudt bey Anton Etraußs 


u GZ30 wen 

Franc. (pettend.) Sorge nit! Du felbft fo 
der Wunden: bald zur Genüge haben. Bethe ein 1 
terunfer, und dann flirb! Bethe fogleih, und w. 
Bein Wort weiter dagegen! (@ine ſchauderhafte Pauſe von 
nigen Gesunden, worin fie, bie ſich gu feiner Sylbe erküb 
ſedentlich Ihre Hände gegen Beyde ausſtreckt; Marco iſt gerü 
Sranceico nicht.) 

Sranc. Biſt du nun fertig mit deinem Gebe: 

Kaff. O feyd barmperzig, wie Eönnte ich in 
fer lage — —⸗— | 

Brane Nun fo fhalte dann, auch ohne ( 
betb, der Himmel, wie er will, über dich! D 
Stündlein ift da! (Gr durchſticht ihre linfe Beuſt mit 
Dolce.) 

Kaſſ. (in Todesangf fi windend.) Heilige Mut 
Gottes! — 

Franc, Und du thuſt nichts dabey, Marco! 
Brav, Der traf das Herz! Sieh, wie ſchnell nun 
fe8 Zuden ins Erftarren fih verkehrt! — Wahıl 
Das find doc elende Wichte, die vor einem fo Er 
Leiden oft Zahre lang fi fürdten! — Komm |‘ 
haben gethan, was und oblag. (46. 


DT — — 





Leblos, in ſeinem Blute gebadet, lag indeß 
unglückliche Bonaventuri, auf einſamer Straße hi 
ſtreckt. Doc verharete dieſer Letztere nicht allzu le 
einſam. Das Getümmel des Kampfes, das Kli 
der Degen, hatte einige von den Nahewahnenden 
wet. Zwar getraute fih Anfangs, aus Beſor 


men BGE von 


eigener Öefahr, Niemand hervor zu kommen, und nach⸗ 
zuſehen, was bier vorgehe? Doch als es nun eine ziem⸗ 
liche Weile wieder ſtille geworden war, da ſchlichen 
Dieſe und Jene aus ihren Haͤuſern leiſe hervor; ſahen 
das ſchreckliche, obſchon in Welſchland nicht ſo gar un⸗ 
gewohnliche Schauſpiel; und unterſuchten genauer: 
wer denn eigenilich der hier Geopferte ſey? 

Leicht und bald ward Bonaventuri's Antlitz er⸗ 
kannt. Der hohe Poſten, den er im Staat und in dev 
Gunſt des Fürſten befteidete, verſtaͤrkte das Erſtaunen, 
und auch die Sorgfalt, mit welcher man ibn behan⸗ 
delte; und da man Trog der fiebzehn Wunden, mit 
welden die Mörder ihn durchbohrt hatten , doch noch 
einige ſchwache Überrefte von zuruͤckgebliebenem, ober 
vielmehr zurückehrendem Leben in ibm zu. bemerken 
glaubte, fo eilte man forgfältig,, ihn nach feiner Be: 
baufung zu bringen. 

Es war, als Dieb geſchah, wenigftens noch eine 
Stunde weit bis zur Morgendämmerung. Doc befand. 
fi) fo eben Bianca ſchlaflos auf ihrem Lager ; dachte 
wahrfcheinlich gerade an ihn, der fie fo ungärtlich als 
lein ließ; da vernahm fle das Geraufc von Kommens 
den, dos Klopfen am Hausthor, das Öffnen desſeß⸗ 
ben, die Unruhe, die ſogleich in allen Winkeln des Pal⸗ 
faftes ſich verbreitete. Ein ahnendes Gefühl fagte ihr, 
daß etwas Wichtiges, und zwar etwas Trauriges vor⸗ 
gebe. Sie ſchellte; eine ihrer Kammerfrauen kam, 
Veh, zitternd, entſtellt, der Sprache unfähig. Auch 
bedurfte Bianca ihrer Worte nicht. Sie ſprang empor 
vom Lager, flog heraus, erblickte ihn, oder feinen 
Leichnam vielmehr, den man bie Stiege heraufteug⸗ 


“nen 222 men 

Bott, welch' ein Anbti für Bianca's füͤhlbares 
Herz! Ah — ihren Todfeind“ felbit würde Lie Milde 
mit Schmerz und Mitled, mit ähtem Betauern er⸗ 
blickt haben, hätte man fo ihm gebracht. Doc ikn, 
den geliebten Senrahl! Noch immer mit heißer Liebe, 
Trotz feiner Treulojigkeit, geliebt! Ihn, dem fie ſo 
viel einft abfgeopfert hatte, fo viel noch jeßt aufzu⸗ 
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritie nie ihr Herz 
entfremdet, doch wohl zerriffen hatten; ihn, beffen 
Abtruͤnnigkeit fie erft vor wenigen Minuten beweinte, 
"ohne zu wiflen, baß er ſchon dafiir gefiraft ſey — 
ntin! nein! Eeine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ 
dern, was fie empfand! Keine Engelsftimme -vermag' 
auszuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemor⸗ 
dete jeßt ihr ward ! . 

Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ 
turi's Wunden, und — zuckten mitfeidig bie Achſein. 
hr Urtheil war: ohne Rettung! Mir einer Einitims 
migkeit, die bey den Herren diejer Kunſi wahrlich nur 
höchſt ſelten fich finter, verfüherten fie : „Es ſey äußerft 
„ungewiß, ob aud die Eräftigiten Mittel ihn wieder 
„auf einige Minuten nur zum Leben und Bewußitfeon 
„bringen mwürten. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß 
„dann diefe Rückkebr ıns Leben nur eine kieine under 
g„deutende Friſt dauern Eönnte.” | 

„O nehme Alles bin, mas ich babe und befiße, rief 
Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur 
macht, daf wenigftend nod ein Mabl fein Auge mich 
anblicke, wenigſtens ein Wort noch aus ſeinem Munde 
mich tröſte! 

Sie thaten wirklich, was ſie nut konnten; bey 


6 


—E 223 —*—— 


Bianca’ 8 jammerndes Geſchrey, ihr unablaſſiges, angſt⸗ 
liches Rufen wirkte vielleicht noch ftarker, als alle Kunſt 
Ades Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein 
Herz ſammelte noch ein Mahl alles Blur, das von den: 
zerriſſenen Lebensgefäßen ihm ubrig war. Sein ge« 
ſchloſſenesß Auge dämmerte, ging auf, ſah das Licht; 
und fein dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl, 
nicht des Lebens ſowohl, als — des Leidens. Bianca 
ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine 
krampfende Hand. | | 
Bonar. (fc windend, und nach einem tiefen Geufjer.) 
Sal iſt's möglich! — Gütiger Heiland! — Sch lebe 
Koh? — D wer — wer weit mid) zu — neuen 
Schmerzen?! 
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein 
Leben! | 
Bonan. Auch du da? — Wo bin ich? — Kuh 
u ?— Vergib mir? Laß mit meinem Tode aud) meine 
Schuld! — 
Bianca. O keine — keine Sqhulb! Daß ich 
ſterben könnte für dich! 

Bonav. Mein, Bianca, nicht du! — nicht 
ſchmerzlicher den Abſchied — Gott, mein Herz! — 
nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch — durch dieſes 
uͤbermaß von Tugend! — Deine Verzeihung nur — 
böchftens deine Vorbirte, du Heilige! — (Butungen.) 
Sotr! Mütter Gottes! Mein Herz — die Gluth in 
ihm — (Sein Haupt erhebend.) Bianca, noch diefen blu⸗ 
tigen Abſchiedskuß! — (ſuntt zurüc.) Und nun lebe wohl! 
Le — (Neue Zucungen, die ihn weiter zu ſprechen hindern.) 
Seins, Maria! Wergib ! — Er Kine). | 


wen 226 weh 

Bianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) N 
Mich mis dir! (Man reift ſie 108, fie ſinet ohnmächtig 
find Tommy erft ndg einer fanden Weile wieder zu fib.) W 
er? wo? — Ha! hier! bier fo Ealt und ſtarr 
(Fum Wundarze.) Alſo ganz todt, Signor? ganz? 

Wund. (die Hafer ütend.) Ih bedaure. 

Bianca (feine Hand ergreifend.) Bonaventuri! 
haventuri! Ganz todt! ganz! — So früh get 
und fo blutig! — So blutig und fo ſchaͤndlich! — 
ſchweizt einige Augenblicke, und wendet ſich haſtig zu einer 
der Rammerfrauen.) Wo er: jegt feyn mag? 

Rammerf. Wert | 

Bianca. Bonaventuri! Dod nicht diefer € 
nam bier! der eigentlihe Bonaventuri $ 

Rammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Wunde 
Suter Gott, fie wird doch nicht — 

W und. Wohl möglih! Ein foldes Schrecken 

Bianca (mit ſchmeribaftem Lädeln.) Seyd ruf 
And fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; w 
was ich fage! — — Wo er jetzt ſeyn mag, biefe 
früh enıflobene Geiſt ? Das fragte ih. — (Mit entſe 
fenem Zone.) Sep er, wo er will; ſchon weit entfer 
oder noch uns umſtchwebend, wenn er nody hören ka 
fo höre er! Höre es aus dem Orte feiner Prüf 
oder Vollendung! Ich will aufbiethen, was ıd Fa 
aufbierhen ,„ was ein Weib vermag, um feu 
Schatten Genugthuung, feinem blutigen Tode R. 
zu verſchaffen; und endlofe Qual ſey mein Lo 
Schmach werde mein Nahme, wenn ge ein M 
such sur eines freundlichen Blickes von mir fi ı 

I 17 


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wre 225 wo 


. men kann; er fey denn Bonaventuri’s Naher und 
der meinige! | 


Indem fie Dieb fagte, richtete fie ſich hoch empor; 
"Kand, wiſchte die Thraͤnen ſich Rt. dem Auge; und ſah 
-dann mit’ falsem, ftarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗ 
am hinab. — „Sie haben Recht, Doctor! er ift 
tod!” — Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr 
drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchüt⸗ 
sernder für alle Anwefende, als des Affects rührendfte 
NRede. — So ängftlih harrt ein Land, das des Erdbe⸗ 
bens fürchterfiher Geißel unterworfen ift, wenn ein ' 
dumpfes unterirdifches Getöfe den nahen Erdftoß vers 
“ Zündet; einen Erdſtoß, der vielleicht im nächften Nu 
Stäbte verwüften und weite Striche Landes umkeh⸗ 

ren wird. 


Sit irrten ! — Bianca, die heldenmüthige Bianca’ » 
bog fi bloß herab und küßte den eisfalten Mund des 
Gemahls. 

„Ich darf Das! rief ſie: ich darf Das! denn ich 
„bin rein an ſeinem Tode, rein an ſeinem Blute, und 
„der Himmel kennt die Wahrheit meines Anerbiethens, 
„mit Freuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu 
„ſterben ſtatt ſeiner, wenn er auflebte dadurch. — Aber 
„damit ſtets dieſes Gefühl bleibe, wie es jetzt iſt, — 
„verzeih, blutiger Leichnam, ich muß dich berau⸗ 

„ben!“ — Gie ſqhneidet die größte Lode am Nacken, über und 
Über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warſt einft braun und 
„ieiben; oft babe ich fonft mie dir geſpielt. Jetzt fpiele 
„ih nicht mehr. Das Blur hat deine Farbe veraͤndert, 

„bat dich ſtarr gemacht. Sey mein Armband ! Aber ' 

Meißners Biansa Cap. 1. Thl. P 


won 326 vonea 


„keine Thräne falle je herab auf dih, damit fie das 
„Blut von dir nicht abwaſche!“ 

Mod ein Mahl Eüßte fie ihn, und wandte fid ges 
gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. — „Ih 
„kann allein gehen, fagte fie: id habe Krafte genug, 
„und bedarf noch der Kräfte Fünftig.” — Man begleis 
tete fie ind Gemach. Ehe fie über deflen Schwelle 
fhritt, wandte fie fih abermahls gegen. Benavensuri’s 
Leichnam. — „Du erwiederſt es freylich nicht mehr, 
oHwenn ich noch einen Kuß dir zuwerfe; aber dort oben 
„ſiehſt Du es vielleicht! Nimm ihn an, Geopferter! 
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu rächender 
„Gemahl!“ 

Man bath ſie, ſich wieder auf ihr Lager zu bege⸗ 
ben. — „Meint ihr vieleicht, erwiederte fie mit einem 

„ſchmerzhaften, foft bitteren Lächeln, daß es nun ges 
„raum genug für mi geworden feg? Ruhe werde ich 
„doch dort und hier nicht finten follen?” — Stumm 
ward ıhr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine Sylbe 
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer war 
ihr Auge auf jene biutige Locde gehefter. Man mußte 
fie ihr wirklich zu einem Armbande fledten. Ein vers ' 
fhlojfener Schmerz, arbeitete in ihrem Buſen; Eleine 
Bewegungen ded Munde verriethen zuweilen, daß 
fie mit fich ſelbſt ſpreche. 

So verging dieſer ganze Tag. Als man gegen 
Abend ſeinen Leichnam aus dem Pallaſte hinwegtrug, 
um ihn in einer Capelle beyzuſetzen, merkte fie es gar wohl; 
doc) begehrte fie nicht weiter ihn zu fehen. — „Er 
„wird dort, ſprach fie, meiner warten, und hoffents 
„uch nicht allzu lange. Seines Andfictd hienieden, ſei⸗ 


non 227 ne ., 
‚nes Anbtich am heutigen Morgen vergeſſe ich ohne⸗ 
„dieß nie. Unbegrei ih ſchien dieſe Faſſung und dieſe 
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben fo, janf⸗ 
ten, als feften Charakter nicht zu fepägen, nicht zu 
verfiehen vermochten. Alle ihre Grauen und Hausge⸗ 
noffen waren beforgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗ 
hielt, aushielt einen Kamſf, wie gewiß noch wenige 
Helden ihn Fimpften. 


Wien, 
gedeudt bey Anton Gtraufi. 


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seen 2332 sen 


Bott, welch' ein Anblick flir Bianca’s fühlkares- 
Herz! Ab — ihren Todfeind” felbit würde Lie Milde 
mit Schmerz und Mitleid, mit ähtem Betauern er⸗“ 
blickt baben, hätte man fo ihm gebracht. Doch ikn, 
den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe, 
Trotz feiner Treuloſigkeit, geliebt! Ihn, dem fie fd 
viel einſt aufgeopfert hatte, ſo viel noch jetzt aufzu⸗ 
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritie nie ihr Herz 
entfremdet , doch wohl zerriffen hatten; ihn, beffen 
Adtrünnigkeit fie erfi vor wenigen Minuten beweinte ; 
"ohne zu wiflen, daß er ſchon dafür gefiraft ſey — 
ntin! nein! Feine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ 
dern, was fie empfand! Keine Engelöftimme -vermag' 
auszuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemor⸗ 
dete jeßt ihr ward ! .. 

Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ 
turi's Wunden, und — zuckten mitleidig die Achſein. 
Ibr Ursheil wor: ohne Rettung! Mir einer Einſtim⸗ 
migkeit, die bey den Herren biejer Kunft wahrlich nue 
höchſt felten ſich findet, verſicherten fie : „Es ſey Außerfk 
„ungewiß, ob auc die Eräftigiten Mittel ihn wieder 
„auf einige Minuten nur zum Leben und Bewuärfenn 
„bringen würden. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß 
„dann diefe Rückkehr ıns Leben nur eıne kieine under 
„deutende Friſt dauern Eönnte.” 

„O nehme Alles bin, was ich habe und befike, rief 
Bianca, fordert, fo vıel ibr wollt, meine Freunde, nur 
macht, daß wenigftens nod ein Madl fein Auge mich 
anblicke, wenıgfiend eın Wort noch aus feinem Munde 
mich tröfte !” 

@ie thaten wirklih, was fie nur Eonnten ; doch 


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. we 225 room 
Bianca's jammerndes Geſchrey, ihr unablaͤſſiges, aͤngſt⸗ 
liches Rufen wirkte vielleicht noch ftarker, als alle Kunſt 

Ade Ärzte. Es durchdrang ſein ſchon taubes Ohr, ſein 
Herz ſammelte noch ein Mahl alles Blut, dat von den: 
zerriſſenen Lebensgefäßen ihm ubrig mar. Sein ges 
ſchloſſenes Auge dämmerte, ging ouf, fah das richt 
und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl, 
nice des Lebens ſowohl, ald — des Leidens." Bianca 
ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine 
Trampfende Hand, | | 

Bonar. (fih windend, und nad einem tiefen Seutzer.) 
Hal iſt's möglih! — Gütiger Heiland! — Sch iebe 
noch? — D wer — we weit mid zu — neuen 
Schmerzen! 

Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein 
Leben! 

Bonav. Auch du da? — Wo bin ih? — Kuh 
bu ?— Vergib mir? Laß mit meinem Tode aud) meine 
Schuld! — 

Bianca. O keine — Feine Sguß! Daß idy 
ſterben könnte für dich! 

Bonav. Nein, Bianca, nicht du! — nicht 
ſchmerzlicher den Abſchied — Gott, mein Herz! — 
nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch — durch dieſes 

bermaß von Tugend! — Deine Verzeihung nur — 
böchftend beine Vorbitte, du Heilige! — (Budungen.) 
Gott! Mutter Gottes! Mein Herz — die Gluth in 
ihm — (Bein Haupt erhebend.) Bianca, noch diefen bius 
tigen Abſchiedskuß! — (fintt zurüd.) Und num lebe wohl! 
Le — (Nette Zudungen ı die ihn weiter zu ſprechen hindern.) 
Seins, Maria! Vergib! — Er Bine). 


wen 226 wen 

Bianca (fi auf ihn merfeud, ihn amarmend. Nimm 
mich mit dir! (Man reift ſie lok, fie ſinkt ohnmaͤchtig Bin, 
ind Tommy erſt naͤch einer landen Weite wieder zu ſich.) Wo iſt 
er? wort — Ha! hier! bier fo kalt und ſtarr! — 
(Fun Wundarie.) Alfo ganz todt, Signor? ganzt 

Wund. (die Käfer südend.) Ih bedaure. 

Bianca (feine Hand erareifond,) Bonaventuri! So 
Haventuri! Ganz tobt! ganz! — So früh geendet 
und ſo blutig! — So blutig und ſo ſchaͤndlich — Su 
ſchweizt einige Augenblicke, und wendet ſich haſtig zu einer uz⸗ 
ver Kammerfrauen.) Wo er jetzt ſeyn mat 

Rammerf. Wert 

Bianca. Bonaventuri! Dog nicht diefer Leich⸗ 
nam bier! ber eigentlihe Bonaventuri $ 

KRammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Mundart) 
Guter Gott, fie wird doch nicht — 

Wund. Wohl moglich! Ein ſolches Schrecken — 

Bianca (mit fhmerzbaftem Lächein.) Seyd ruhig, 
und fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; weiß, 
was ich ſage! — — Wo er jetzt ſeyn mag, dieſer fo 
früb entſlobene Geiſt ? Das fragte ih. — (Mir enetgieh 
fenem Zone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entfernt, 
oder noch uns umfthmebend, wenn er nody hören kann, 
fo höre er! Höre es aus dem Orte feiner Prüfung 
oder Vollendung! Ich will aufbiethen, was ich kann; 
aufbiethen, was ein Weib vermag, um ſeinem 
Schatten Genugthuung, feinem dlutigen Tode Rache 
zu verſchaffen; und endloſe Qual ſey mein Loos, 
Schmach werde mein Nahme, wenn je ein Mann 
duch nur eines freundlichen Blickes von mir ſich rüh⸗ 

men 


I. 
n LEE 225 on 


. men kann; er fey benn Bonaventuri’s Raͤcher und 
der meinige! | 
Indem fie Dieß fagte, eichtete fi ie r ch hoch empor; 
ftand, wiſchte die Thraͤnen fi ad dem Auge; und ſah 
dann mit kaltem, ſtarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗ 
yam hinab. — „Sie haben Recht, Doctor! er iſt 
tode!” — Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr 
drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchͤt⸗ 
ternder für alle Anmwefende, ald des Affects rührenpfte 
-Mede. — So ängſtlich harrt ein Land, das des Erdhe«* 
bens fürchterliher Geißel unterworfen ift, wenn ein ' 
dumpfes unterirdifches Getöfe den nahen Erdftoß vers 
kuͤndet; einen Erdſtoß, der vielleicht: im nächften Nu 
Städte verwüften und weite Strihe Landes umkeh⸗ 
ren wirb. | 


Sie irrten ! — Bianca, bie heldenmüthige Bianca’ ” 
bog fich bloß herab und küßte den eiskalten Mund des 
Gemahls. | 

„Ich darf Das! rief fie: ich darf Das! denn ich 
„bin rein an feinem Tode, rein an feinem Blute, und 
„der Himmel Eennt die Wahrheit meines Anerbierheng, 
„mit Sreuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu 
„ſterben ſtatt feiner, wenn er auflebte dadurd. — Aber 
„damit ſtets dieſes Gefühl bleibe, wie es jetzt iſt, — 
„verzeib, blutiger Leihnam, ich muß dich berau⸗ 

ben!" — GSie ſchneidet die größte Lode am Nacken, über und 
- Über mit Binte veſpritzt, a6.) „Du warſt einft braun und 
„ſeiden; oft babe ich fonft mit dir geſpielt. Jetzt ſpiele 
„ich nicht mehr. Das Blut hat deine Farbe verändert, 
„bat dich ſtarr gemacht. Sey mein Armband! Aber 
Meißners Blanca Gap. 1. Thl. P 


won 226 —⸗ 
„eeine TIhrane falle je berab auf did, damit fie das 
„Blut von dir nicht abwaſche!“ 
Noch ein Mahl Eüßte fie ihn, und wandte fid ges 
gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. — „Ih 
„eann allein gehen, fagte fie: ih habe Kräfte genug, 
„und bedarf noch der Kräfte Fünftig.” — Man begleis 
tete fie ins Gemach. Ehe fie über deſſen Schwelle 
ſchritt, wandte fie ſich abermahls gegen. Bonaventuri's 
Leichnam. — „Du erwiederſt es freylich nicht mehr, 
e„!denn ich noch einen Kuß dir zumerfe; aber dort oben 
„ſiehſt Du es vielleicht! Nimm ihn an, Geopferter! 
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu räͤchender 
„Gemahl!“ 

Man bath ſie, ſich wieder auf ihr Lager zu bege⸗ 
ben. — „Meint ıhr vielleicht, erwiederte fie mit einem 
„ſchmerzhaften, faft bitteren Lächeln, daß es nun ges 
„raum genug für mid geworden ſey? Ruhe werde id 
„doch dort und bier nicht finten follen?” — Stumm: 
ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine Sylbe 
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer war 
ihr Zuge auf jene biutige Locke gehefter. Man mußte 
fie ihr wirklich zu einem Armbande flehten. Ein ver ' 
fhlojfener Schmerz arbeitete in ihrem Buſen; Eleine 
Bewegungen ded Mundes verrierhen zuweilen, daß 
fie mit ſich felbft ſpreche. 

So verging dieſer ganze Tag. Als man gegen 
Abend ſeinen Leichnam aus dem Pallaſte hinwegtrug, 
um ihn in einer Capelle beyzuſetzen, merkte fie ed gar wohl; 
doc) begehrte fie nicht weiter ihn zu fehen. — „Er 
„wird dort, ſprach fie, meiner warten, und hoffents 
„lich nicht allzu lange. Seines Anölicks hienieden, ſei⸗ 


een 227 —RX 

„nes Anblicks am heutigen Morgen vergeſſe ich ohne⸗ 
„dieß nie.” Unbegreizich ſchien dieſe Faſſung und dieſe 
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben ſo, ſanf⸗ 
ten, als feſten Charakter nicht zu ſchaͤtzen, nicht zu 
verſtehen vermochten. Alle ihre Frauen und Hausge⸗ 
noſſen waren beſorgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗ 
hielt, aushielt einen Kompf, wie gewiß noch wenige 
Helden ihn Eampften. | 


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Wien, 
gedruckt bey Anton Etrauß: 


.. 





A. G. Meißners 
ſaͤmmtliche Werke. 
Ein und zwanzigſter Band. 
Enthaͤlt: 
Bianca Capello 


3weyter Theil 


XXX— — 
Wien, 1814. 
In Sommiffion ben Anton Dott 


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Bott, wel’ ein Anblick für Bianca's fühlbares 
Herz! Ah — ihren Todfeind“ felbit würde die Milde 
mit Schmerz und Mitleid, mitäcdhtem Betauern er⸗ J 
blickt haben, haͤtte man fo ihn gebracht. Tod ihn, 
den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe ‚ 
Trotz ſeiner Treuloſigkeit, geliebt! Ihn, dem fie fd 

viel einſt aufgeopfert hatte, ſo viel noch jetzt aufzu⸗ 
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritte nie ihr Her 
entfremdet , boch wohl jerriffen hatten; ihn, deſſen 
Abtrünnigkeit fie erſt vor wenigen Minuten beweinte/ 
"ohne zu wiſſen, daß er ſchon dafür geſtraft ſey — 
netin! nein! keine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗ 
dern, was fie empfand! Keine Engelöftimme - ‚vermag 
aubzuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemors 
dete jeßt ihr ward | . 

Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗ 
turi's Wunden, und — zuckten mitleidig die Achſein. 
Ibr Urtheil war: ohne Rettung! Mit einer Einſtim⸗ 
migkeit, die bey den Herren dieſer Kunſi wabrlich nur 
höchſt ſelten ſich findet, verſicherten ſie: „Es ſey aͤußerſt 
„ungewiß, ob auch die kraͤftigſten Mittel ihn wieder 
"anf einige Minuten nur zum Leben und Bewußtſeyn 
„bringen würden. Aber defto gewiſſer wäre es, daß 

„dann diefe Rückkebr ıns Yeben nur eine kieine unbe⸗ 
„deutende Friſt dauern Eönnte.” 

„O nehme Alles bin, was ich habe und befige, rief 
Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur 
macht, daß wenigftens nod ein Mabi fein Auge mich 
anblicke, wenigfiend eın Wort noch aus feinem Munde 

mich tröfte !” 
Sie thaten wirklih, was fie nut Eonnten ; doch 


sn 223 ren 
Bianca's jammerndes Geſchrey, ihr unäbläffiges, aͤngſt⸗ 
liches Rufen wirkte vielleicht noch ſtaͤrker, als alle Kunſt 
der Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein 
Herz ſammelte noch ein Wahl alles Blut, das von den: 
jerrifienen Lebensgefäßen ihm ubrig war. Sem ger 
ſchloſſenes Auge daͤmmerte, ging auf, ſah das Licht; 
und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl, 
nicht des Lebens ſowohl, ald — des Leidens." Bianca 
ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine 
"Trampfende Hand, | 
Bonav. (ſich windend, und nad einem tiefen Seutzer.) 
Hal iſt's möglih! — Gütiger Heiland! — Sch lebe 
noch? — D wer — wer weit mid zu — neuen 
Schmerzen? 
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein 
Leben! 


Bonav. Auch du dat — Wo bin ih? — Kuh 
Bu — Vergib mir? Laß mit meinem Tode auch meine 
Stud! — 

Bianca. D feine — Feine Sgut! Daß ich 
ſterben könnte für dich! 

Bonav. Nein, Bianca, nicht du! — nicht 
ſchmerzlicher den Abſchied — Gott, mein Herz! — 
nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch — durch dieſes 
uͤbermaß von Tugend! — Deine Verzeihung nur — 
böchftens deine Vorbitte, du Heilige! — (Butangen.) 
Bott! Muster Gottes! Mein Herz — die Gluth in 
ihm — (Sein Haupt erbebend.) Bianca, noch diefen bius 
tigen Abſchiedskuß! — (fintt aurüd.) Und nun lebe wohl! 
Le — (Reue Sudungen » die ihn weiser zu ſprechen hindern.) 
Jeſut, Maria! Vergib ! — Er Atrn).. 


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Bi ianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) Ni 
mich mit dir! Han reißt Me 108, fie fine obnmädtig 
find komm erſt nd einer langen Weite wieder zu ſich.) We 
er? wo? — Ha! hier! hier fo kalt und ſtarr! 
(Bum Wundarze.) Alfo ganz todt, Signor? ganz? 

Wund. (die Achlel zuckend.) Ich bedaure. 

Bianca (feine Hand ergreifend.) Benaventuri! 9 
Haventuri! Ganz tode! ganz! — So früh gern 
und fo blutig! — &o blutig und fo ſchaͤndlich ı 
ſchweizt einige Augenblide, und wendet ſich haſtig gu einer 
der Rammerfrauen.) Wo er-jept fegn mag? 

Rammerf. Wert | 

Bianca. Bonaventuri! Doch nicht diefer Lei 
nam bier! der eigentlige Bonaventuri 

Rammerf. (mit angſtlichem Blick auf den Wunder 
Suter Gott, fie wird doch nicht —. 

Wund. Wohl möglich! Ein ſolches Shchrecken 

Bianca (mit fümerbaftem Lacheln.) Seyd euß 
And fürchtet euch nit! Ich weiß, was ich fühle; we 
was ih fage! — — Wo er jet feyn mag, diefer 
früh entflobene Geiſt ? Das fragte ih. — (Mit eneſch 
fenem Zone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entferr 
oder noch uns umfthwebend, wenn er nody hören kar 
fo höre er! Höre es aus dem Irre feiner Prüfu 
oder Vollendung! Ich will aufbierhen, was ıd) Far 
aufbierben ,„ was ein Weib vermag, um fein 
Schatten Genugthuung, feinem blurıgen Tode Ka 
zu verſchaffen; und endlofe Qual fey mein Loc 
Schmach werde mein Nahme, wenn je ein Ma 
such nur eines freundlichen Blickes von mir fi ri 

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. men kann; ; er fey denn Bonaventuri’s Räder und 
der meinige! | 
Indem fie Dieß fagte, richtete fie fi ch hoch empor; 
"Kand, wiſchte die Thraͤnen ſich ons dem Auge; und ſah 
dann mit’Falsem, ftarren Blick auf Bonaventuri's Teiche 
yam hinab. — „Sid haben Recht, Doctor! er ift 
tode!” — Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr 
drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchüt⸗ 
ternder für alle Anweſende, als des Affects rührenpfte 
Rede. — So ängſtlich harrt ein Land, das des Erdbe⸗ 
bens fürchterliher Geißel unterworfen ift, wenn ein 
- dumpfes unterirdifches Getöf den nahen Erdftoß vers 
kuündet; einen Erdftoß, der vielleicht im naͤchſten Nu 
Städte verwüften und weite Strihe Landes umkeh⸗ 
ren wird. 
Sit ireten ! — Bianca, bie heldenmüthige Bianca’ u 
dog fi bloß herab und küßte den eisbalten Mund des 
Gemahls. | 
„Ich darf Das! rief fie: ich barf Das! denn ich 
„bin rein an feinem Tode, rein an feinem Blute, und 
„der Himmel Eennt die Wahrheit meines Anerbietbens, 
„mit Sreuben mich hierher zu legen, zu leiden und zu 
„fterben ſtatt feiner, wenn er auflebte dadurch. — Aber 
„damit ſtets diefes Gefühl bleibe, wie ed jetzt ift, — 
„verzeih, blutiger Leichnam, ih muß dich beraus 
„ben!”— (Bie ſchneidet die größte Lode am Naden, über und 
über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warſt einft braun und 
„feiben; oft babe ich fonft mit dir gefpielt. Jetzt fpiele 
„ich nicht mehr. Das Blur hat deine Farbe verändert, 
„bat dich flare gemacht. Sey mein Armband! Aber 
Meißners Bianca Cap. 1. Thl. P 


— 226 — 
„keine Thraäne falle je herab auf dich, damit fi 
„Blut von dir nicht abwaſche!“ 

Mob ein Mahl küßte fie ihn, und wandte fi 
gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. — 
„kann allein gehen, fagte fie: id habe Kräfte gu 
„und bedarf noch der Kräfte Eunftig.” — Man 6 
tete fie ins Gemach. Ehe fie über deſſen Sd 
ſchritt, wandte fie ſich abermahls gegen. Bonaven 
Leichnam. — „Du erwiederſt ed freylich nicht x 

s,„wenn ich noch einen Kuß dir zuwerfe; aber dort 

„ſiehſt Du ed vielleicht ! Nimm ihn an, Geopf 
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu rad 
„Gemapt!” | ur 

Man bath fie, fi) wieder auf ihr Lager zu 

ben. — „Meint ıhr vielleicht, erwiederte fie mit 

© „ihmer;haften, faft bitteren Lächeln, daß es nı 
„raum genug für mid geworden ſey? Ruhe wer 
„doch dort und bier nicht finten follen?” — ©ı 
ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine 
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Imme 
ihr Auge auf jene blutige Locke geheftet. Man r 
fie ihr wirklich zu einem Armbande flechten. Ein 
ſchloſſener Schmerz arbeitete in ihrem Buſen; 
Bewegungen ded Mundes verriethen zuweilen, 
fie mus ſich jelbft ſpreche. 

So verging diefer ganze Tag. Ald man 
Abend feinen Leihnam aus dem Pallajte hinweg 
um ihn in einer Capelle beyzufegen, merkte fie es gar 
doch begehrte fie nicht weiter ihn zu ſehen. — 
„wird dort, ſprach fie, meiner warten, und bo 
„uch nicht allzu fange, Seines Anölicks hienieden 


| won 227 wer | 
„nes Anblicks am heutigen Morgen vergeffe ich ohne⸗ 
„dieß nie.” Unbegreizich ſchien diefe Faſſung und biefe, 
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben fo, ſanf⸗ 
ten, als feſten Charakter nicht zu ſchaͤtzen, nicht zu 
verftehen vermochten. Alle ihre Grauen und Hausge⸗ 
noffen waren beforgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗ 
hielt, aushielt einen Kampf, wie gewiß noch wenige 
Helden ihn Eampften. | | 


Wien, 
gedendt bey Anton Strauß. 


A. G. Meißners 
ſaͤmmtliche Werke. 


— 


Ein und zwanzigſter Band. 
Enthaͤlt: 
Bianca Capello 


3weyter Theil 


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Wien, 1814. 
In Gommiſſfſton bey Anten Dott. 








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—Von 
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A. G. Meißner. 


Zweyter Theil. 





Wien, 1814. 
Sn Commiffion bey Anton Doll, 


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RITTER TUE SET TI NDR NEN INDIA NAD 


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Ns an dieſem Tage, Ha der Sammlung von we⸗ 
nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon» 
dragone, und bath , ihr die Vorlajfung beym Großs 
herzog auszuwirken. Sie erhielt diefeibe, wie man 
leichte denken kann, fogleih gewährte. Im tiefften 
Trauergewand begab fie ſich bin: doch ſprach ihr Ges 
fiht von dem Schmerz in ihrem Innierften flärfer, als 
alle Trauergemwänder auf dem Erdkreis vermocht hät⸗ 
ten. Franz, als fie in fein Gemad eintrat, eilte ihr 
mit theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, hie 
vor ihm niederfnien wollte,.bey der Hand, führte fie 
zu einem Sofa, nöthigte fie niederzufigen, und nahm 
das Worr, bevor fie noch ſprechen konnte. 

„Eigentlich , ſchönſte Signora Bianca, follte ich 
Ahnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzählung 
ihrer Leiden erfparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich 
mir nicht vortragen zu laffen; denn. jebe derfelben iſt 
Ahnen im Voraus gewähre! — Ich weiß Alled, was 
vorging; weiß, was Sie verloren haben; theile mis 
Ihnen diefen großen Verluſt, und. — Ihren billigen 
Sammer, 

Bianca. Ja wohl, gnäbigfter Herr, müſſen 
&ie wiſſen, was ich vetlor! Ja wohl, rechne ich bey 
Ihnen auf Theilnahme an meinem unfäylihen Schmerz! 
Genauer betrachtet, vermag ich ſogar nicht zu entſchei⸗ 
ben: wer von uns Beyden durch dieſen ſchaͤnblichen / 

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Bi ta Capello. 


Von 


A. G. Meißner. 


Zweyter Theil. 


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Wien, 1824. 
In Commiffion bey Anton Dolk 


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Ns an dieſem Tage, nad der Sammlung von we⸗ 
nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon⸗ 
dragone, und bath, ihr die Vorlaffung beym Groß» 
herzog auszuwirken. Sie erhielt diefelbe, wie man 
leicht denken Eann , fogleihy gewährt. Im tiefſten 
Trauergewand begab fie jih bin: doch ſprach ihr Ge⸗ 
fiht Yon den Schmerz in ihrem Innerſten ftärfer, als 
Alle Trauergewänder auf dem Erdkreis vermocht haͤt⸗ 
ten. Franz, als fie in fein Gemad eintrat, eilte ide 
mis theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, hie 
vor ihm niederfnien wollte,.bey der Hand, führte fie 
zu einem Sofa, nöthigte fle niederzufigen, und nahm 
das Wors, bevor fie noch ſprechen konnte. 

„Eigentlich, ſchönſte Signora Bianca, follte id 
Ahnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzählung 
ihrer Leiden erfparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich 
mir nicht vortragen zu laffen; denn. jede derſelben iſt 
Ahnen im Voraus gewährt! — Ich weiß Alles, was 
vorging: weiß, was Sie verloren haben; theile mit 
Ahnen diefen großen Verluſt, und. — Ihren billigen 
Sommer, . 

Bianca. Ja wohl, gräbigfler Herr, müſſen 
Sie wiſſen, was ich verlor! Ja wohl, rechne ich bey 
Ihnen auf Theilnahme an meinem unjäylihen Schmerz $ 
Genauer betrachtet, vermag ich ſogar nicht zu entſchei⸗ 
ben: wer von uns Beyden durch dieſen ſchaͤnblichen/ 

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wen 4 — 


grauſamen Meuchelmord mehr gekraͤnkt und bırterer 
leidigt ſeyn ſolle; denn Ihre Gunſt, Ihre Huto | 
te billig den Dann, der ſolcher genoß, vor jeder 
waltthat heiligen follen. Uns Beyden gehörte di 
Geopferte an. Ihnen ward der Gegenftand il 
Wohlthaten, mir der Gegenftand meiner innig 
Liebe entriffen. Mir war er Gatte, für Euer Du 
laucht war er der treuefte eifrigfie Diener. 

Broßh Mehr! Mehr! — Er war mir ren: 

Bianca D Euer Durdlaudt, wenn er 7 
Ihnen wirklih war; wenn dieß göttlıhe Wort — 
es nicht anders von einem fo edlen Fürſten ſich ben 
füge — Ihr Herz, und nie Ihr Mund allein o 
ſprach; o fo haben Eie allerdings meine Bitte mir 
Voraus gewahrt! So liegt Ihnen nun unerläßlid f 
die Verbindlichkeit der R ade ob; und Bonaventu 
vergoſſenes Blut ſchreyt fo laut, wie das Blut‘ 
Märtyrer, nicht bloß zum Throne jenes Höchſten, 
ned Emigen empor; fondern auch zum Thron fet 
‚ fürftlihen Sreundes. 

Großh. Seyn Sie verfihert, daß ih es hi 

Bianca. Nicht hören allein, Euer Durdlauc 
fonbern auch Ihre Hände bewaffnen mit Gerechtigk 
die den Thaͤter verfolge, mit Strafen gegen fü 
ſchändlichen Mörder! 

Großh. Auch Tas ohne Zweifel; fobald wir 
wiflen, wer Ziefe find. 

Bianca. Die Nicci, die Ricci find eb! 9 
könnte bier nur einen Augenblick zweifeln! — + 
Robert nicht Öffentlich meinen Gemahl mit dem T 
bedroht? Iſt nicht mis raſchem Schritt die That 
Drohung gefolgt? Has nicht die Wuth jener Ei 


un 5 — 


ſüchtigen auch Kaffandra , die Veranlaſſerinn dieſes 
ganzen unſeligen Zwiſtes, in eben dieſer Nacht, in 
eben dieſer Stunde gemordet? — O gnaͤdigſter Fürſt! 
wofern jemahls das Flehen der knieenden, gebeugten 
Unſchuld Ihnen theuer war; wofern der ſo grauſam 
Ermordete jemahls nur ein günftiged Wort Ihres 
Mundes, das kleinſte Andenken Ihres Herzens ver⸗ 
diente; wofern ich, die ich hier Ihre Knie umfaſſe — 
(Sie wirft ſich raſch vor ihm nieder, indem er fie witder auf⸗ 
heben will.) 

Großh. Ums Himmels Willen , wozu Das? 
Stehen Sie auf, reizendſte Signora! Ich kann un⸗ 
moͤglich — 

Bianca (die enien Bteist. y MWofern ich, Ihre demüs ' 
thigſte Dienerinn, jemahls Gnade vor Ihren Augen 
fand — fo laffen Sie mich jegt nicht vergebens fleen. 
— Selbſt wenn Bonaventuri, ald er ſtarb, in Ihrer 
Ungnade weggeſtorben wäre, felbft dann — Blute 
fYulden drücken ja Ränder, verwandeln oft fegensvolle 
Fluren in ode Wüſteneyen; aber nie, nie miülfe ber . 
glorreiche Beberrfcher, in deffen Handen die Regierung 


und das Glück von Florenz ih befinden, mis Flecken 


diefer Art feinen Ruhm entehren, fein Gewiſſen belar 
ſten! Er thue, was fhon Menfhenmicleid ihm 
zu thun gebiethet, doppelt gern aus Fürſtenpflicht! 
Er laſſe nicht troftlos bier eine arme , unglückliche 
Witwe Enien, die (indem fie den Arm aufhebt, um weichen fie 
Bonaventuris Lode träge) wohin fie auch blickt, nur. das 
noch rauchende Blut ihres Gatten ſieht, und diefe 
Überbfeibfel von ihm nicht abzulegen ſchwur, bis fie 
ſich überzeugt von der Werföhnung feines Schatten 
fuͤhlt. 


2 


wer Ö — 

Broßh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf, 
wenn ich anders Sie hören, wenn ich überhaupt bier 
bleiben fol! Sie fprechen zu mir fo ernſt, fo feyers 
lich, fp flebend, als wollten Sie mich zu einem bars 
ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befiehlt 
mir, was Sie bitten, allerdings fhon mein eigenes 
Herz. — Hier haben Sie meine Hard, und mit ihr 
das Wort eınes Zürften, der fein Wort noch niemahl$ 
brach; ich will Alles anwenden, was in meinen KAräf- 
ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu firafen. 
Genügt Ihnen Das? Steben Sie noch nidt auf? 

Bianca (ih erbebend.) ES genügte mir! denn 
naͤchſt Gottes Wort praue ih dem Wort meines Fürs 
ften am ſtärkſten. 

Großh. Damit Sie aber aud nicht mebr hof⸗ 
fen, als ich zu gewähren vermag , fo beſtimmen Sie 
nun felbit die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe! 
Sie Hagen über die Mörder ihres Gemahls, und Ela» 
gen mit volfftändigftem Rechte. Ste nennen mir bie 
Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗ 
fdiedt mit Recht, Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗ 
wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter 
ſprechen; nach Jenem ſpricht und handelt der Thrann. 

Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter 
ſucht auch Wahrfheintichkeit in Gewißheit zu verwan⸗ 
Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes 
ſtrafung underhörter Weiſe kitte ich jetzt. Nur um ihre 
Verhaftung, nur um Unterſuchung, ſo unparteyiſch 
und ernſt als möglich. Sie kann dann nicht vergehens 
ſeyn; Das ſagt mir mein Herz. 

Großh. Und ich glaube ihm gern! Ich will 
nicht einmahl einwenden, was ich als Fürſt eines oft 


ra 7 wos ” 
unruhigen Volkes mohl einzuwenden vermoͤchte: daß 
jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers 
drecher mit Gefahr und Beforgniß verbunden ift. Aber 
wie dann, edle Bianca, wenn dieſe Uinterfuhung doch 
anders ausjiele, ald wir wünfhten? Wenn doch diefe 
Ricci's nur vergolten, niht begonnen hätten! 
Wenn Bonaventuri felbft der Urquell feines Todes 
wäre? — Vergefien Sie, wer zuerft beleidigte — " 
Friede ſey mit der Seele unfers Pietro! Ich traure 
um ihn, wig man um den geliebieften Blutsfreund 
trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu 
unvorfihtig die Eiferfuht eines mädtigen Hauſes 
reizte. | 

Bianca. Und wer hätte ein Recht zur Eifer⸗ 
ſucht gegen ihn gehabt, außer mir? Weſſen Gaftinn, 
weſſen Tochter hat er verführt? Welche vorher 
unbeſcholtene Tugend ward durch ihn verd aͤchtig 
gemacht? — Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht 
ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra? 
Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit 
hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen 
unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri feiner Anrede 
nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth 
eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der 
größten Beleidigung, nicht ſchändliche, ſtrafwürdige 
Rache? DO Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls 
der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war; 
wenn ich ſelbſt, ich wiederbohle es, ih Ihre demüs 
thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand — 

(Sie will ſich bier abermabls zu. feinen Füßen werfen; ez 

hält ſie noch auf, und unterbricht ſie halblächelnd, mit per 

dentendem Tone.) on 





De 7 


οσ TEN NSORIEENIOIEINSIIEIRTEN NDDDEETNIIA ADD 


| 
Nes an dieſem Tage, nach der Sammlung von we⸗ 
nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon⸗ 
dragone, und bath, ihr die Vorlajfung beym Großs 
herzog auszumwirken. Sie erhielt diefelbe, wie mar 
leicht denken Eann , ſogleich gewährt. Im tiefiten 
Trauergewand begab fie ſich hin: doch ſprach ihre Ger 
fit Yon den Schmerz in ihrem Innetſten ftärfer, als 
alle Trauergemänder auf dem Erdkreis vermocht haͤt⸗ 
ten. Stanz, als fie in fein Gemach eintrat, eilte ir 
mir theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, die 
vor ihm niederfnien wollte, bey der Hand, führte fie 
zu einem Sofa, nöthigte fie niederzufigen, und nahm 
das Wort, bevor fie noch ſprechen konnte. 

„Eigentlich , ſchönſte Signora Bianca, ſollte ich 
Ihnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzaͤhlung 
ihrer Leiden erſparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich 
mir nicht vortragen zu laſſen; denn jede derſelben iſt 
Ihnen im Voraus gewährt! — Ic weiß Alles, was 
vorging: weiß, was Sie verloren haben; theile mis 
Ihnen diefen großen Verluſt, und. — Ihren billigen 
Sammer, | . 

Bianca. Fa wohl, gnaͤdigſter Herr, mögen 
Sie wiſſen, was ich verlor! Ja wohl, rechne ich bey 
Ihnen auf Theilnahme an meinem unfäylihen Schmerz $ 
Genauer betrachtet, vermag ich fogar nicht zus entſchei⸗ 
den: wer von uns Beyden durd dieſen ſchaͤnblichen / 

' 42 . 


— 4 — 


grauſamen Meuchelmord mehr gekraͤnkt und bitterer 
leidigt ſeyn fellte; denn Ihre Gunſt, Ihre Huto | 
te billig den Dann, der folder genoß, vor jeder ( 
waltthat heiligen follen. Uns Beyden gehörte di 
Geopferte an. Ihnen word der Gegenftand if 
Wohlthaten, mir der Gegenftand meiner innigi 
Liebe entrifien. Mir.war er Gatte, für Euer Du: 
laucht war er der treuefte eifrigfte Diener. 

Groß h. Mehr! Mehr! — Ermar mir Freu: 

Bianca. D Euer Durdlaudt, wenn er 7 
Ihnen wirklih war; wern dief göttlihe Wort — 
es nicht anders von einem fo edlen Fürſten fi ben 
laäͤßt — Ihr Herz, und nicht Ihr Mund allein a 
ſprach; o fo haben Eie allerdings meine Bitte mir 
Voraus gewahrt! So liegt Ihnen nun unerfäßlid) fi 
die Verbindlichkeit der Race ob; und Bonaventu 
vergoſſenes Blut fchreyt fo laut, wie das Blut 
Märtyrer, nicht bloß zum Throne jened Höchſten, 
ned Emwigen empor; fondern auch zum Thron fei 
: fürftlihen Freundes. 

Großh. Senn Sie verfihert, daß ich es hi 

Bianca. Nicht hören allein, Euer Durdlaud 
fontern auch Shre Hände bewaffnen mit Gerechtigk 
die den Thaͤter verfolge, mit Strafen gegen fe 
fhandlihen Mörder! 

Großh. Auch Tas ohne Zweifel; fobalb wir ı 
wiflen, wer Dieſe find. 

Bianca. Die Ricci, die Ricci find ed! & 
könnte bier nur einen Augenblid zweifein! — 4 
Robert nicht öffentlih meinen Gemahl mit dem T 
bedroht? Iſt nicht mit rafhem Schritt die That | 
Drohung gefolgt? Hat nicht die Wuth jener Ei 


wen 5 — 


ſüchtigen auch Kaffandra , die Veranlaſſerinn dieſes 
ganzen unſeligen Zwiſtes, in eben dieſer Nacht, in 
eben dieſer Stunde gemorbet? — O gnaͤdigſter Fuͤrſt! 
wofern jemahls das Flehen der knieenden, gebeugten 
Unſchuld Ihnen theuer war; wofern der ſo grauſam 
Ermordete jemahls nur ein günſtiges Wort Ihres 
Mundes, das kleinſte Andenken Ihres Herzens ver⸗ 
diente; wofern ich, die ich hier Ihre Knie umfaſſe — 
(Sie mwirft ſich raſch vor ihm nieder, indem er fie wier auf⸗ 
heben will.) 

Großh. Ums Himmels Willen, wozu Dast 
Stebhen Die auf, reizendſte Signora! Ich kann un⸗ 
moͤglich — 

Bianca lie enien bieitt. »Wofern ich, Ihre demüs ' 
thigfte Dienerinn, jemahls Gnade vor Ihren Augen 
fand — fo laffen Sie mich jeßt nicht vergebens flehen. 
— Selbſt wen Bonaventur, ald er farb, in Ihrer 
Ungnade mweggeftochen wäre, feloft dann — Blute 
ſchulden drücken ja Ränder, verwandeln oft fegensvolle 
Fluren in öde Wüſteneyen; aber nie, nie müſſe der 
glorreiche Beberrfcher, in deffen Banden die Regierung 
und das Glück von Florenz ſich befinden, mit Flecken 
diefer Art feinen Ruhm entehren, fein Gewiſſen bela- 
ften! Er thue, was [bon Menfhenmirleid ihm 
zu thun gebiethet, boppelt gern aus & ürftenpflide! 
Er laſſe nicht troftlos bier eine arme , unglückliche 
Wirme Enien, die (indem fie den Arm aufhebt, um weichen fie. 
Bonaventuris Lode träge) wohin fie auch blickt, nur. das 
noch rauchende Blut ihres Gatten ſieht, und dieſe 
Überbleibſel von ihm nicht abzulegen ſchwur, bis ſie 
ſich überzeugt von der Werföhnung feines Schattens 
fuͤhlt. 


. 


Großh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf, 
wenn ich anders Sie hören, wenn ih überhaupt bier 
bleiben fol! Sie fprechen zu mir fo ernft, fo feyer: 
Ih , fo flebend,, als wollten Sie mich zu einem bare 
ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befiehlt 
mir, was Sie bitten, allerdings ſchon mein eigenes 
Herz. — Hier haben Sie meine Hand, und mit ihr 
dad Wort eınes Zürften, der fein Wort noch niemahls 
brach; ı will Alles anwenden, was in meinen Kraͤf⸗ 
ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu ſtrafen. 
Genügt Ihnen Das? Stehen Eie noch nicht auf? 

Bianca (ih erhebend.) Es genügt mir! denn 
naͤchſt Gottes Wort graue ich dem Wort meines Fürs 
ſten am ftärkften. 

Großh. Damit Sie aber auch nicht mebr hof⸗ 
fen, als ich zu gewähren vermag , fo beſtimmen Sie 
nun jelbit die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe! 
Sie Flagen über die Mörder ihres Gemahls, und kla⸗ 
gen mit volfftändigftem Rechte. Sie nennen mir bie 
Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗ 
ſchhieht mit Recht. Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗ 
wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter 
ſprechen; nah Jenem ſpricht und handelt der Thrann. 

Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter 
futt auch Wohrſcheinlichkeit in Gewißheit zu verwan⸗ 
Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes 
ſtrafung unverhörter Weiſe kitte ich jetzt. Nur um ihre 
Verhaftung, nur um Unterſuchung, fo unparteyiſch 
und ernſt als möglich. Sie kann dann nicht vergehens 
ſeyn; Das ſagt mir mein Herz. 

Großh. Und ich glaube ihm gern! Ich will 
nicht einmahl einwenden, was ich als Fürſt eines oft 


1) 7 veseo “ 
unruhigen Volkes wohl einzuwenden vermoͤchte: daß 
jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers 
drecher mit Gefahr und Beſorgniß verbunden iſt. Aber 
wie bann, edle Bianca, wenn biefe Unterfuhung doch 
anders ausjiele, als wir wünfhten? Wenn doch diefe 
Ricci's nur vergolten, nicht begonnen hätten! 
Wenn Boraventuri felbft der Urquell feines Todes 
wäre? — Vergefien Sie, wer zuerft beleibigte! — 
Friede ſey mit der Seele unſers Pietro! Ich traure 
um ihn, wig man um ben geliebreften Blutsfreund 
trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu 
unvorfihtig die Eiferfuht eined mächtigen Hauſes 
reiste. | 

Bianca. Und wer hätte ein Recht zur Eifer⸗ 
ſucht gegen ihn gehabt, außer mir? Weſſen Gattinn, 
weſſen Tochter hat er verführt? Welche vorher 


unbeſcholtene Tugend ward durch ihn verd aͤchtig 


gemacht? — Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht 
ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra? 
Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit 
hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen 
unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri feiner Anrede 
nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth 
eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der 
größten Beleidigung, nicht ſchaͤndliche, ſtrafwürdige 
Rache? O Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls 
der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war; 


wenn ich ſelbſt, ich wiederbohle es, ih Ihre demü⸗ 


thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand — 
(Sie will ſich hier abermanis zu. feinen Züßen werfen; er 
hält fie noch auf, und unterbricht fie halblächelnd, mit ver 
deutendem Tone.) on 


—— 
3 


88— 
Großh. Sie haben Recht, ſehr Reht, bie 
letzten Grund zu wiederholen. Keiner bee vorheri— 
ift geringe; doch diefer dürfte leicht der flärkfte von 
Ien ſeyn! — (Er ſchellt, ein Bedienter kommt.) Der Qi 
tenant von meiner Wache !-— (Berienter 46.) Sie fo 
feben, Schönfte der Zrauen, wie viel ein Wort von 
nen bey mir vermag; wie fehr es mich Über Bed: 
lichkeiten hinweghebt, die fonft keineswegs unerheb 
geweſen wären. 
Lieut. (eintretend.) Euer Durchlaucht Befehl - 
Großh. Man nehme fogleih Robert Micci ı 
feine Söhne , und alles fein Hausgeiinde ın Verba 
Den Alten bringe man vor mich felbft; die Anderen 
den Kerier, 
Lieut. Euer Durchlaucht verzeihen mir — 
Großh. Und waß? dod feine Einwendung ? 
Lieut. So eben ward gemelder , daß Mol 
Nicct und feine zwey Söbne ſich heute früh mit Ta, 
Anbruch nad Piſa zu geflüchter bätten; warum! u 
mon noch nid, 
Bianca. Aber ih weiß ed nur allzu gut; 
(mit emporgehobenen Händen.) Ewiger, allgerechter, al 
bender Sort! Aus den Grenzen von Toscana, ja ı 
Furesa felbit , können fie entflieben ; aber aus 
Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht nice! 9 
dus fierfindeft,, fey ihnen Vergelter! Der Schatten | 
Erwürgten , und mein Sammer folge über Land ı 
Meer jedem ihrer Schritte nach! — Gnaͤdigſter Herr 
Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ich erra 
ihre Bitte. Noch ſind die Ricei uns nicht entgang 
Eben dieſe Flucht vielmehr kann für die Verbred 
nachtheiliger werden. Dis zeigt kraͤftiger gegen Dief 


—XX 9 02888 

ben, als aller bisheriger Argwohn, und wenn man fie 
erreicht , ſoll es an meinem Willen und an Anftalten 
zu ihrer. Strafe nicht gebredhen. — (Zum Lieutenant.) 
Daß man auf's fchnellfte den Entwichenen nachſetze! 
Ein öffentlider Ausruf ergebe ! Ein Preis von taufend 
Ducaten ftehe auf ibrer Verhaftung! Worman fie 
findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies 
nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben , werde eins 
gezogen! 

Lieut. Sogleih, Euer Durchlaucht! (@r geht; 
auch Bianca mil fih, mit ſchweigender Derbeugung, entfernen ; 
Ssarıy faßt fie ben der Hand.) 

Großh. Nod einer Augendlick Verzug, Signos 
ra, wenn ich bitten darf! Sie fehen meine Begierde, 
Ihnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das 
Blur meines erſchlagenen Freundes zu rächen; hörten 
ſelbſt, was ich geboth. Manderley Gründe, Ihren 
Wünfhen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend 
gemacht. Seder derfelben war wichtig; des ſtaͤrkſten 
unter allen ftarfen, — besienigen, der mir unvere 
geblich ift, vergaßen Sie doch: vergaßen der Liebe, 
die ih gegen Sie hege, und begen werde, fo lange 
dieſes Her, noch ſchlaͤgt, diefes Lichts des Lebens nicht 
verlöfcht. 

Bianca (die Ach entfernen win.) Mein fürſtlicher 
Gebiether verzeihe — 

Groß h. (fie zurüdhaltend.) Nein, Reizendſte ihres 
Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe 
Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗ 
dern koͤnnen — erbötbig, ohne Furcht vor Mißfallen 
des Volks, vor Aufſtand und Gefahr, Ihrem Gatten 

ein blutiges Sühnopfer zu bringen — eben dieſe Liebe 


na 710 wor 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, dieſes 
himmliſche Auge nicht: trübe ; die Heiterkeit einer Seele 
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. 
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die 
Art, wie Sie. es verloren, it fdmerzbaft. Aber 
vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. D nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗ 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen 
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich 
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ 
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer, 
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, 
einen Augenblick nur den unſchätzbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen; würde als Großherzog feine ganze 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ 
nen weiben; würde zu Shren Füßen — — Wie} Gie 
bören nicht einmahl auf mich? 
| Bianca. Ich febe nur auf dieſes Armband hier! 
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ 
turi's Blur. Heute vergefien; beute exft! doch aud 
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes 
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem 
Gedaͤchtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers 
goſſenen Blutes gertillt würde ? Wenn der Racher ganz 
leıne Pflicht erfüllte 2 





( 
BIER 11 u ne 


Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen 
Dank, der Dieb vermag! — Dod, Euer Durchlaucht 
vergeben ; Gram und Schmerz; machen meine Zunge . 
ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermds 
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs 
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem 
Fücſtenſtuhl wieder „ um lauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

Broßh. Nicht vor ihm allein, fondern auch in 
dieſem Gemach erſcheinen Sie, fo oft ed Ihnen gut, 
daͤucht. Jede Thür meines Pallaſtes hat für Sie kein 
Schloß. Allerdings ſaͤhe ih Sie freudiger noch als ei⸗ 
nen (Engel der Liebe erſcheinen; wünſchte auf Ihr Herz 
— doch Fein Wort mehr heute davon! Noch iſt She 
Kummer zu fiart und zu neu, ald auf angebothene 
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, ſchöne Bianca, 
auch Franz von Medicis wird nicht unterlaſſen, auf 
Ihrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ie 
ſuchen. 

Bianca. Er erlaube ir Diefes zu verbit! | 

tur dem Kummer der verwitweten Gattinn ift * 
Gemach fortan beitimmt. Es siert: | 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu fla 
Entriffenen, fey dort mein ein; ziged — Liefe 
Traner ſoll jeden Blick des Loaͤchelns, Deufzeẽ werden 
jeden Ton der Freude, mithin auch — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 









Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwor⸗ 
zen Gewande,, fiegender als mit dieſer Miene des. 
Schmerzens, haste ſie noch nie vor Franzen geRanden, 


vorse 12 wu 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ihr. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefe 
hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, C 
(denke, Briefe, perlonlihe Befuhe, Bianca tröf 
zu wollen. Sie überhörte feine Borhen, lehnte fei 
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet; na! 
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch 
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug: 
blic€ von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feined Gefprächs blickte fie auf Bonavı 
turiꝰs blutige ode, und — ſchwieg. | 

ber eben den Zürften, den fie unter vier Aug 
nicht ſprechen wollte, ſuchte ſie deſto fleißiger an Offen 
chen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih 
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und ı 
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenclich gez. 
ter Harm. Selbſt das Voll, — wiewohl ed den leb 
den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünfdt b« 
— hedauerte jeßt, nad) Art des Volks, den Erm 
beten; zumabl da er folh einen Fürſprecher fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer ZarclichEi 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
bie Höflinge darüber zu wigeln, die Damen dark 
zu lächeln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſte 
allgemziner Bewunderung ; erhielt Billigung fei 
von folhen Perſonen, auf welche die Leidende gen 
am leuten gerechnet hatte. 
Langſt ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumı 
Aber die Rälte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich ſelbſt zugufchreiben hatte! — na 


cz L 3 107,723 


unheilbar an dem Keim ihres ohnedem fhwächlichen Lee 

hend. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine 

Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, 

ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu 

Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras 

then worden; und ward „ihr dann unverkennbar, als 

| Bonaventuris Gattinn am Hofe erſchien, oder viele 

mebr: erfiheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein 
durchſchneidenden Bliden ſchaute die ſtolze Kaiſerſtoch⸗ 
ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis 
‚ben der glänzenden Hofdamen — nit aufgetreren‘ 
‚ wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca’s 
Blicken galt für trüglihe Kunft , ihr prachtiloſer, eins 
facher Anzug für ſtolze Selbftgenügfamkeit, die ſchon 
durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Stanz 
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud un⸗ 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 
Zittern durch Johanna's Glieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s fih immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas Keinen 

Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich die 

Fürſtinn fich felbft geftand: Bianca beglnftige wenig» 

ftens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der 

Unmwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argmohn 

für Elinftig nie gan, entwich. 

| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 

ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen 

blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da mar ihre 

erftier Ausruf: Aa, diefen Banditendold ſchliff eine 

fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 

erzählte, daß den Micc!’s nachgefegt würde, mit bike 


tree 14 IRRE 


term Radeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schlan⸗ 
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß verle« 
Ben.” — Von Neuem erwadte zugleich ihr Verdacht 
gegen Bianca felbft. „Sie wäre die Erite nicht, flüs 
„iterte oft halbleife Zohanna, die vor Münnermordb, 
„oder wenigftend vor Theilnahme an demfelben, mins 
„der ald vor Ehebruch fih ſcheuete.“ — Erſt, als uns 
abläffig ‚ die Verwitwete bas rihterliche Schwert um 
Mache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stimme 
zu ihrem Lobe ward ;da entſchloß ſich Johanna — nicht, 
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sorten 
bar genug war der Entſchluß; faft fonderbarer noch 
deſſen Ausführung. | 

Denn ald einft Bianca, ganz allein mit ihrem 
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnklchen 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fi fiber vor als 
lee Störung wähnte; da öffneten fi fihnell die Thü⸗ 
zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die 
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. . 

Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit? 

Großh. Warum erfhridft Du? Darf eine 
Trauerhde nicht die andere befuhen? Darf ich, des 
Leidens wahrlich jchon Eundig genug, nicht auch Theil 
an den Leiden einer Andern nehmen? j 

Bianca. Euer Hoheit —diefe Gnade — biefe 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 

Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Luft, 
jegt fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweifeln, 
Echte Trauer pflegt fonft nıht auf Auszeichnung und 
Unterſchied zu achten. Ihr ift nur das MWerlorne wich⸗ 
tig, das — Fein Bott ju erfegen vermag, Als ich zu⸗ 


. 15 * 
erſt mit Überzeugung wußte, daß Franzens Herz mit 
abwendig geworden ſey, da haͤtten Engel vom Him⸗ 
mel herabſteigen und meine Troſtung verſuchen koͤn⸗ 
nen. Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre ich 
mich Hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch 
vieleiht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid umzus 
fhauen und zu richten Fam ich bierber (indem ſie Bianca 
farr betrachtet. Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen gerötbet; diefe ſchönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗ 
chen von ungeheucheltem Schmerz. 

Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗ 
mels, wäre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir 
bezweifelte? 

Graßh. Es iſt moͤglich; es if verzeiblich fogar! 
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen 
nicht mit Harm, fondern mit lächelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden höchſtens im Angefiht der Menge, 
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. — 
Wohlan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes 
Simmers fhon die Fürſtinn bahinten gelafleny ich 
will jegt audy eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ 
bublerinn entfagen; will — 

Bianca (einfaltend.) Der Nebenbuhlerinn? DO 
diefes einzige Wort fage mir Alles. Aber au bey als 
lem, was heilig ift, durchlauchtige Bebietherinn ſchwoͤ⸗ 
ve ih, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat 
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ; 
und nie — nie fol er auch künftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle 
dich nicht mit Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich 


NA 10 wer 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, diefes 
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele 
nicht ftöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. 
— Was Sie verloren, ſchöne Bianca, war viel, die 
Art, wie Sie. ed verloren, ift fhmerzbaft. Aber 
vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗ 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen 
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich 
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ 
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer, 
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, 
einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen; würde als Großherzog ſeine ganze 
Macht, als Franz von Medicis ſeine ganze Seele Ih⸗ 
nen weiben; würde zu Ibren Füßen — — Wie} Sie 
hören nicht einmahl auf mich? 
Bianca. Ich fehe nur auf dieſes Armband hier! 
Es find Bonaventuri’s Haare, beflect mit Bonaven⸗ 
turi's Blur. Heute vergoſſen; heute exft! doch aud 
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol diefes, 
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem 
Gedaͤchtniß jhmweben! - 

Großh. Und wenn nun das Mufen biefes ver- 
goffenen Blutes geitillt würde ? Wenn der Racher ganz 
teıne Pflicht erfüllte? 


won 1 mn | 

Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen 
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben ; Sram und Schmerz. machen meine Zunge . 
ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermds 
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗ 
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem 
Füeſtenſtuhl wieder ‚ um lauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud im 
diefem Gemach erfiheinen Die, fo oft ed Ihnem gut, 
daucht. Jede Thür meines Pallaftes hat für Sie kein 
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger noch als er 
nen Engel der Liebe erfcheinen; wünfhte auf Ihr Herz 
— doch kein Wort mehr heute davon! Noch ift She 
Kummer zu ſtark und zu neu, ald auf angebothene 
Zröftung diefer Urt zu achten. Aber, fhöne Bianca, 
auch Kranz von Medicis wird nicht unterlaifen, auf‘ 
Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ie. 
ſuchen. 

Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbit! di . 
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn iſt 
Gemach fortan beitimmt. Es glenheger;Z; de, siner 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu Ki 4 en kintinen.; 
Entrifenen, fey dort mein ein; ziged” Ah Ä | 
Trauer ſoll jeden Blick des Tüchelnd,. Deufjer werden 
jeden Ton der Freude, mirhin au. — jeden Veſuch 
veriheuden. . 









Bianca ging. Reisender, als in biefem ſchwar⸗ 
zen Gewande,, fiegender als mit Diefer Miene des. 
Schmerzens, hatte fie: noch nie vor Franzen geſtanden. 


wen 12 wwe 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ihr. Auch bielten Beyde, was ſie einander zugeſa 
hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, C 
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei 
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; na! 
feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch. 
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug 
blic€ von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı 
tur’s blutige Locde, und — ſchwieg. | 

Aber eben den Sürften, den fie unter vier Aug 
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiger an öffen: 
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihn 
ihn oft mit lauter Stinme um Nachforſchung und ı 
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ei's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenclich gez. 
ter Harm. Selbit das Voll, — wiewohl eb den leb 
ten, allzu hoc gefliegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünſcht be 
— hedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm 
deten; zumabl da er ſolch einen Fürſprecher fai 
Bianca's edelihe Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
bie Hoöflinge barüber zu wigeln, die Damen darü 
zu laͤcheln verſucht hatten — ward bald ein Gegenſte 
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe 
von ſolchen Perſonen, auf weiche die Leidende gen 
am leiten gerechnet hatte. 
Cängft fon ſiechte die Großperzoginn. Kumn 
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich ſelbſt zugufchreiben hatte! — na 


sysh L 3 —X 


unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ 

dens. Mit eiferſüchtigen Augen hatte ſie ſtets ſeine 

Worte, ſeine Mienen, ja, wenn ſie es vermochte, 

ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu 

Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verra⸗ 

then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar, ale 

| Bonaventuri’d Sattinn am Hofe erfhien, oder viele 

mehr. erfcheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein 
durchſchneidenden Blicken ſchaute die ſtolze Kaiferstochs 
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis 
‚ben ber glänzenden Hofdamen — nicht aufgetreten‘ 
. wäre, Alles war ihr ſchon im Woran an der Nebenbuh⸗ 

lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unfhuld in Bianca's 
Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachiloſer, eins 
facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon 
durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Franz 
nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗ 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 

Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war 

Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
der Eiferſucht alles vergrößernde® Trugglas Eeinen 

Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie 

Fürſtinn fi feldft geftand: Bianca beglinftige wenig⸗ 

ftens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daß der 

Unwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argmohn 
für Elinftig nie ganz entwid. 
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« 

blicke eine furdtbare Vermuthung wieder; da mar ihr 

erfier Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine 

ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 

erzählte, daß den Nicc!s nachgefegt würde, mit bite 


—X 14 ans 
term Lächeln: „O fie entfommen gewiß! Das Sl 
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß ver 
ben.” — Bon Neuem erwachte zugleid ihr Verda 
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f 
„iterte oft halbleife Zobanna, die vor Maͤnnermor 
„oder wenigftend vor Theilnahme an demfelben, m 
„der als vor Ehebruch fi ſcheuete.“ — Erſt, als ı 
ablaͤſſig, die Verwitwete das rihterlithe Schwert ı 
Rache anflebte; als ganz Florenz; nur eine Stim 
zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna — nic 
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nit beuchle? Sond 
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer n 
beffen Ausführung. | 
Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihr 
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewähnfid 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor 
ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Zt 
zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd | 
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felbit vor ihr. 
Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit? 
Großh. Warum erſchrickſt Du? Darf ei 
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ich, t 
Leidens wahrlich jhon Eundig genug, nicht auch Th 
an den Leiden einer AUndern nehmen? 
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — bi 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 
Großh. Eignora! Sıgnora! Faſt hätte ih Eu 
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife 
Echte Trauer pflege font nicht auf Auszeihnung u 
Unterfchied zu achten. Ihr ift nur das Verlorne wi 
tig, das — Fein Bots ju erfegen vermag. Als ich 


mon 15 Mer 
erft mit Überzeugung wußte, daß Sranzens Her mie- 
abwendig geworden fey, da hätten Engel vom Sims 
mel berabfteigen und meine Tröſtung verfuchen Eöns 
nen. Sch würde kalt und ernſt — doch wo veritre ich 
mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch 
vielleicht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid) umzu⸗ 
[hauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca 
frz betrachtet.) Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen geröthet; diefe fchönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗ 
chen von ungeheucheltem Schmerz. 

Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗ 
mels, wäre ed möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir 
bejweifelte? 

Graoßh. Es ift moͤglich; es it verzeihlich ſogar! 
denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen 
nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden höchſtens im Angeſicht der Menge, 
doch nicht im einſamen Gemach ihn betrauern. — 
Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich habe an der Schwelle dieſes 
Zimmers ſchon die Fürſtinn dahinten gelaffeny ich 
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ 
buhlerinn entſagen; will — 

Bianca (einfallend. Der Nebenbuhlerinn? O 
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ 
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ 
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat 
nur ein Gedanke, Dem aͤhnlich, meine Seele befleckt; 
und nie — nie fol er auch künftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri! Feßle 
dich nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich 


ma 10 — 

drehen, oder wenn bu fie ſprengteſt, dir zum lebenstäı 
Sihen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A 
worte erft dann, wenn ih did frage! Sch habe t 
gebaft, wie man einen Zodfeind haßt; gebaßt v 
dem Augendlid an, als ich zuerft deinen Nabe 
börte, und noch ftärker feir jenem, als ich zuerft ? 
fab. Ich babe dich umſtellt mit Aundfchaftern rı 
berum; id war im Voraus gewiß, was fie mir m 
den würden; und — id babe mich geirrt. Wie f 
mein Gemabl dich liebe, überzeugte mich mein eige 
Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte 
Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldli— 
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ih mid 
bie Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an ! 
ſelbſt! Sprich: hart du nie Gegenliebe zu ihn gefül 
ober geheuchelt? 

Bianca. Ich liebte in meinem Leben nur ein 
Mann; und dieſer Eine liegt im Grabe. — Liebe 
heuchelt habe ich nie! 

Großh. Kannft du Das mit einem Eidſchr 
befräftigen ? 

Branca. Mit Taufenden! Und jeder Blutst 
pfen meines ermordeten Batten werde eine eigene H 
für mid , wenn ich falfch ſchwöre! 

Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit 
dieſen Lippen, Verftelung unter diefen Zügen, ei 
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth 
Dieß hieße einer Menſchenfeindlichkeit fih fhuldig | 
den, die ich nie bejaß , und die ih jegt am Ra 
des Grabes für ein Lafter achten würde. Wohl, 
Bianco Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermorl 
bisher dein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan; 

Pflich 


... 17 rn 

Pflichten ehrlicher Treue erfüllteſt, daß aller x Gliam 
irdiſcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke 
der hoͤfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln, 
geſchweige zum Fall verleiteten, dann — in propheti« 
fhem @eifte betheuere ich es dir! — dann werben bald 
Zeiten Fommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo 
deine Seele wieder Sreude, und dein Gram Beruhi⸗ 
gung empfängt. | 

Bianca. Ah, ich Eenne nur eine Beruhigung, 
nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mich 
ſelbſt — das Grab. 

Großh. Mein! Nein! Mir iſt ed bald dort hin⸗ 
ab zu ſteigen beſtimmt! du hingegen — mit dieſem 
Kuffe weih' ih dich ein: — fey glüclicher als ich! Ver» 
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich 
erſchreckte! — Ih — Das fühle ih nun innig und 
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung 
werde ich von nun an deinen Nahmen nennen, mit 
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im 
Wege dir ſtehen! 

Sie entfernte fid ſchnell, indem fie Bianca ernft: 
lich alle Begleitung verbosh. Der Ruf diefes feltfa 
men Beſuchs — des einzigen, ben die fonft ſtolze Kai⸗ 
ferötochter einer ihrer Hofdamen abgeftattei, — durchs 
flog ganz Florenz. Man rieth und dichtete, verfchönte 
und entftellte taujenderley an ihm. Bianca felöft zu . 
befragen wagten nur äußerft Wenige, und erhielten 
auch nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte 
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede 
Verkündigung Eünftigen Glücks macht Eindrud aufs 
menfshliche. Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug⸗ 

Meißners Bianca Gap. 2. Th. B 


AR 10 we 


befhwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berb 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, bie 
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Se 
nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide blicke 
— Was Sie verloren, fhöne Bianca, war viel, | 
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. U 
"vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt fie 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche ei 
Hoffnung! Wollte Gott, dab Bonaventuris Leben 

Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jegt fr. 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung r 
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; ſich SShr 
ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuth nimmer | 
zu Schulden kommen Tieß; und zwar das Herz eit 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bied: 
mannesift. — Nie würde biefer neue Merehre 
wenn er das Glück hätte, auch der Geliebte zu werd: 
einen Augenbli nur den unfhäßbaren Werth ih 
Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ga 
Macht, als Franz von Mebicis feine ganze Seele“ 
nen weiben; würde zu Sshren Süßen — — Wie} € 
bören nichr einmahl auf mich? 
| Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hi 
Es find Bonaventuri’s Haare, befiedt mit Bonav 
turi's Blur. Heute vergoſſen; heute erſt! doch a 
nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll die 
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in mein 
Gedächtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen diefes v 
goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Nücer g 
leine Pflicht erfüllte? 


un 1 nn 
- Bianca. Dem meinen innigften , feurigffen 
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben; Gram und Schmerz. machen meine Zunge . 
ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermös 
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗ 
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem 
Füeſtenſtuhl wieder, um lauter nod meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

Großh. Nicht wor ihm allein, fondern auch im 
diefem Gemach erfcheinen Sie, fo oft ed Ihne guts 
daͤucht. Jede Thür meines Palaftes har für Sie kein 
Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger noch als eir | 
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünfhte auf Ihr Herz 
— doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She 
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angeborhene 









Tröſtung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, 
auch Franz von Medicid wird nicht unterlaffen, auf' 
Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ir 
ſuchen. 
Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbiciig SR 
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn it Min 
Gemach fortan beitimmt. Es geht —3 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu Ei; men. 
Entriffenen, fey dort mein einzigeh dfe ! Tie 
Trauer ſoll jeden Blick des Laͤchelns Deufjer werden 
jeden Ion der Freude, mithin auch. — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 





Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ 
zen Gewande-, ſiegender als mit dieſer Miene des. 
Schmerz ens, hatte fie noch nie vor Franzen geRanden. 


nor. 12 wo. 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ihr. Auch hielten Beyde, was jie einander zugeſa 
hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, C 
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei 
Geſchenke ab, Tieß feıne Briefe unbeantwortet ; na! 
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch 
von zwey Kammerfrauen an, die fi Eeinen Aug. 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonavı 
turi's blutige Locke, und — ſchwieg. 

Aber eben den Fürſten, den ſie unter vier Aug 
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiger an Offen 
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih 
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und | 
dic ernftlichften Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffentlich gez 
ter Harm. Selbſt das Bold, — wiewohl es den leb 
den, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht bi 
— dedauerte jegt, nad) Art ded Volks, den Erm 
deten; zumabl da er fol einen Zürfpreder fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
die Hoflinge darüber zu wigeln, die Damen darü 
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt 
allgemeiner Bewunderung ; erbielt Billigung fe 
von folhen Perionen, auf weiche bie Leidende ger 
am leuten gerechnet hatte. 
Cangft fhon ſiechte die Großherzoginn. Kumı 
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theil ſich felbft zugufipreiben hatte! — na 


\ sy 1 3 X 


unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee 
hend. Mit eiferſüchtigen Augen hatte fie ſtets feine 
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie ed vermochte, 
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Aud feine Neigung zu 
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras 
then worden; und warb „Ihr dann unverkenndar , ale 
| Bonaventuri'd Gattinn am Hofe erfdien, oder viels 
mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein 
durshfchneidenden Blicken ſchaute die ſtolze Kaiferstods 
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis 
‚ben der glänzenden Hofdamen — nit aufgetreten 
. wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unfhuld in Bianca’s 
lien galt für trügliche Kunſt, ihr prachiloſer, eine 
facher Anzug für folge Selbſtgenügſamkeit, die fon 
durch eigenen Werth zu fiegen boffe. ©o oft ſich Stanz 
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud uns 
„ bedeutende Worte mis ihr ſprach, bebte ein merkliches 
Zittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
der Eiferſucht alles vergrößerndes Trugglas keinen 
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich bie 
Fürſtinn fi felbft geftand: Bianca begünftige wenig⸗ 
ftend die Neigung nicht, die fie erregt habe; daß der 
Unmille für jetzt ſchwand, wenn glei der Argwohn 
für Elinftig nie gan, entwich. 
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« 
blide eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr 
erfier Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine 
ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, bag den Ricckes nachgefegt würde, mit bite 


Mesa 14 ne 

term Sadeln: „O fie entfommen gewiß! Das Schlan⸗ 
genhaupt wirb doch nicht feinen eigenen Schweiß verle« 
Ben.” — Von Neuem erwachte zugleich ihr Verdacht 
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, flüs 
„iterte oft halbleiſe Johanna, die vor Münnermorb, 
„oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, mins 
„der als vor Ehebruch fi ſcheuete.“ — Erſt, als uns 
abläffig, die Verwitwete das rihterlithe Schwert um 
Mache anflehte; als ganz Florenz nur eine Stimme 
zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna — nicht, 
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Soden 
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nod 
deſſen Ausführung. 

Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihrem 
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnfichen 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fidh fiher vor als 
ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Thü⸗ 
ven ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die 
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. . 

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit? 

Großh. Warım erfhridft Du? Darf eine 
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ich, des 
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Theil 
an den Leiden einer Andern nehmen? 

Bianca. Euer Hoheit —dieſe Gnade — dieſe 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 

Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Luft, 
jest fhon an der Innigfeit Ihres Harms zu zweifeln, 
Echte Trauer pflegt fonft nıcht auf Auszeichnung und 
Unterfchied zu achten. Ihr ıft nur das Verlorne wich⸗ 
tig, das — Fein Gott ju erfegen vermag. Als ich zus 


on 15 
erſt mit uͤberzeugung wußte, daß Franzens Her; mir- 
abmendig geworden fey, da hätten Engel vom Him⸗ 
mel berabfteigen und meine Tröftumg verfuchen Eöns 
nen, Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre ich 
mich Hin? Nie um Vorwürfe zu ergießen, die doch 
vieleicht ungerecht fepn Eönnten, nur um mid) umzu⸗ 
fhauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca 
ſtarr Setragtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und biefe Züge des Geſichts ſpre⸗ 
chen von ungeheucheltem Schmerz. 
Brlianca (thränend emporblicend.) Mächte des Him⸗ 
mels, waͤre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir 
bezweifelte? 

Graoßh. Es iſt moͤglich; es it verzeihlich ſogar! 
denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen 
nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden höchftens im Angeſicht der Menge, 
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. — 
Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes 
Zimmers fhon die Fürftinn dahinten gelaffeny ich 
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ 
buhlerinn entſagen; will — 

Bianca (Ceintallend) Der Nebenbuhlerinn? O 
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ 
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ 
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie bat 
nur ein Gedanke, Dem aͤhnlich, meine Seele befleckt; 
und nie — nie fol er aud künftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Boniaventuri ! Feßle 
Did nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich 


II 10 wem 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nit bleihe, dieſes 
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele 
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. 
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die 
Art, wie Sie. es verloren, it f[hmerzhaft. Aber 
vergeſſen Sie nicht, daß ed ganz in ihrer Gewalt ſteht, 
das DVerlorne wieder zu erfangen. 

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jegt frey⸗ 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fi Ihnen 
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer fi 
zu Schulden Fommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eined Bieders 
mannes if. — Nie würde diefer neue Verehrer, 
wenn er das Glüd hätte, auch der Öeliebte zu werden, 
einen Augenbli nur den unfhägbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ 
nen weiben; würde zu Sshren Süßen — — Wie} Sie 
bören nicht einmahl auf mid? 
Bianca. Ich febe nur auf dieſes Armband hier! 
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ 
turi's Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch 
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, ſoll dieſes 
Meute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jeßt, in meinem 
Gedaͤchtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes ver⸗ 
goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Racher ganz 
leine Pflicht erfüllte? 


j 
‘ 


— m | 
Bianca. Dem meinen innigften , feurigffen 
Dank, der Dieb vermog! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben; Gram und Schmerz; machen meine Zunge . 
ſchwer, machen zu fernerm Gefprädhe mid) unvermöds 
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtig— 
keit verzieht — bald erfcheine ich kann vor Ihrem 
Kürftenftupl wieder, um lauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud in 
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen gutzs 
daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes hat für Sie kein 
Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger noch als eis | 
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünſchte auf Ihr Herz 
— doch kein Wort mehr heute davon! Noch ift She 
Kummer zu ſtark ugd zu neu, als auf angeborhene 
Tröſtung diefer Urt zu achten. Aber, ſchöne Bianca, 
auch Franz von Medicis wird nicht: unterlajfen, auf' 
Ihrem eigenen Zimmer Sie bann und mann zu ir 
ſuchen. 

Bianca. Er erlaube wir Diefes zu verbitg 
Nur dem Kummer der verwitweten Gattinn it Min 
Gemach fortan beitimmt. Es — 0e viner 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flag, * 
Entrifenen, ſey dort mein einziged‘ I 
Trauer voll jeden Blick des Laͤchelns Deufjer werden 
jeden Ton der Freude, mirhin auf — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 









Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ 
zen Oewande-, fiegender als mit biefer Miene des. 
Schmerz ens, harte fie: noch nie vor Franzen geRanten. 


12 vo. 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ihr. Auch hielten Beyde, was ſie einander zugefa 
hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, & 
ſchenke, Briefe, perſonliche Befuhe, Bianca troöf 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei 
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; nal 
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Gefellfch. 
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Augı 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı 
turı’s blutige Locke, und — ſchwieg. 

ber eben den Zürften, den fie unter vier Aug 
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleißiger an öffen: 
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih 
ibn oft mir lauter Stimme um Nachforſchung und ı 
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo öffentlich geze 
ter Harm. Selbſt dad Volk, — wiemohl es den leb 
den, allzu hoc gefliegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht ba 
— bedauerte jegt, nad) Art des 'BolE3, den Erm 
deten; zumahl da er fol einen Zürfpreder fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
bie Höflinge barüber zu mwigeln, die Damen dark 
zu lächeln verfucht hatten — ıward bald ein Gegenſt 
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe 
von folhen Perſonen, auf welche bie Leidende ger 
am leiten gerechnet hatte. 

Langft fhon ſiechte die Großherzoginn. Kumr 
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich felbft zugufchreiben hatte! — na 


rssih L 3 euer 


unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ 
dens. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine 
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, 
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu 
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras 
then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar , als 
Bonaventuri's Gattinn am Hofe erfhien, oder viels 
mehr erſcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein 
durchſchneidenden Bliden fchaute die ſtolze Kaiſersſtoch⸗ 
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Rei⸗ 
‚ben ber glänzenden Hofdamen — nit aufgetreten‘ 
‚ wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verhaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's 
Blicken galt für trügliche Kunſt, ihr prachtloſer, ein⸗ 
facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon 
durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Franz 
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, auch uns 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 
Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
der Eiferſucht alles vergrößerndes Trugglas keinen 
Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie 
Fürſtinn ſich felbft geftand: Bianca beglinftige wenig« 
ftens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daB der 
Unmwille für jegt fhwand, wenn gleich der Argwohn 
fuͤr künftig nie ganz entwich. 
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« 
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr 
erfier Ausruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine 
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, daß den Riccys nachgefegt würde, mit bite 


nen GB. nage 

Großh. Sie haben Roche, fehr Reht, diefen 
legten Grund zu wiederholen. Keiner der vorherigen 
ift geringe; doch diefer dürfte leicht der flärkfte von al⸗ 
len ſeyn! — (Er ſcheult, ein, Bedienter Font.) Der Lien⸗ 
tenant von meiner Wache!? — (Bedienter 46.) Sie ſollen 
ſehen, Schoͤnſte der Frauen, wie viel ein Wort von Ih⸗ 
nen bey mir vermag; wie ſehr es mich über Bedenk⸗ 
lichkeiten hinweghebt die ſonſt keineswegs unerheblich 
geweſen waͤren. 

Lieut. (eintretend.) Euer Durclaucht Befehl — 

Großh. Man nehine ſogleich Robert Ricci und 
ſeine Söhne, und alles fein Hausgeſinde in Verhaft! 
Den Alten bringe man vor mich ſelbſt; die Andern in 
den Kerker. 

Lieut. Euer Durchlaucht verzeihen mir — 

Großh. Und was? doch feine Einwendung } 

Lieut. So eben ward gemelder , daS Robert 
Ricci und feine zwey Söbne ſich heute früh mit Tages 
Anbruch nah Pifa zu geflüchter bätten; warum? weiß: 
man noch nicht. 

Bianca, Aber ih weiß es nur allıu gutz — 
(mit emporgehoßenen Händen.) Ewiger, allgerechter,, allfes 
bender Sort! Aus den Grenzen von Toscana, ja aus 
Kureya felbit , Eönnen fie entfliehen 5, aber aus den 
Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht niche! Wo 
du fierfindeft,, (ey ihnen VBergelter! Der Schatten des 
Srwürgten , und mein Sammer folge über Land und 
Meer jedem ihrer Schritte nach! — Gnäbdigfter Herr — 

Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ich errathe 
ihre Bitte. Noch find die Ricci und nicht entgangen. 
ben diefe Flucht vielmehr kann für die Verbrecher 
nachtheiliger werden. Sie zeigt Eräftiger gegen Dieſel⸗ 


nass 9 —X 

ben, als 3 aller bisheriger Argwohn, und wenn man fie 
erreicht, ſoll es an meinem Willen und an Anftalten 
zu ihrer. Strafe nicht gebrehen. — (Zum Lieutenant.) 
Daß man aufs fehnellite den Entwichenen nachſetze! 
Ein öffentliher Ausruf ergebe ! Ein Preis von taufend 
Ducaten ftehe auf ihrer Verhaftung! Woman fie 
findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies 
nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben werde eins 
gezogen! 

Lieut. Sogleich, Euer Durchlaucht! (Er geht; 
auch Bianca will fi, mit ſchweigender Verdengune, entfernen; 
Franz faßt fie bey der Hand.) 

Grokh. Noch einer Augendlick Verzug, Signos 
ra, wenn ich bitten darf! Sie fehen meine Begierde, 
Ahnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das 
Blur meines erfhlagenen Freundes zu rächen; hörten. 
ſelbſt, was ich geboth. Mancherley Gründe, Ihren 
Wünſchen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend 
gemacht. Jeder derfelben war wichtig; des ſtaͤrkſten 
unter allen ſtarken, — desjenigen, der mir unvere 
geßlich ift, vergaßen Sie doch: vergaßen der liebe, 
die ih gegen. Sie hege, und hegen werde, fo lange 
dieſes Herz noch ſchlaͤgt, dieſes Licht des Lebens nicht 
verlöfcht. 

Bianca (die fi entfernen win.) Mein fürftlicher 
Gebiether verzeihe — 

Groß h. (fie zurüdbaltend.) Nein, Reizendſte ihres 
Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe 
Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗ 
dern Eönnen — erböthig, ohne Furcht vor Mißfallen 
ded Volks, vor Auffkand und Gefahr, Ihrem Gatten 

ein blutiges Sühnopfer zu bringen — eben diefe Liebe 


NR 10 VESOR 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berb 
Kummer, dab er diefe Wange nicht bleihe, bie 
himmliſche Auge nidyt- trübe ; die Heiterkeit einer Se 
nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide blic 
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, | 
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. A 
vergeſſen Sie nit, daß e8 ganz in ihrer Gewalt fie 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welde ei 
Hoffnung! Wollte Sort, daß Bonaventuris Leben 

Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jetzt frı 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung r 
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fi Spr 
ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuch nimmer { 
zu Schulden Eommen Tief; und zwar das Herz ei 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eined Bied: 
mannes ift. — Nie würde biefer neue SBerehr: 
wenn er das Glück hätte, auch der Beliebte zu werd: 
einen Augenblid nur den unfhägbaren Werth ih 
Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ga 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze SeeleS 
nen weiben; würde zu Shren Füßen — — Wie? € 
bören nicht einmahl auf mid? 
| Bianca. Ich ſehe nur auf diefed Armband bi 
Es find Bonaventuri's Haare, befleds mit Bonav 
turi's Blat. Heute vergsiien; heute exft! doch a 
nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll die 
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in mein 
Gedäaͤchtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen diefes ı 
goſſenen Blutes geſtillt würde ? Wenn der Racher g 
leine Pflicht erfüllte? 


ae 3 BE Ze | 

Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen 
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben ; Gram und Schmerz machen meine Zunge. 
ſchwer, machen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermds 
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗ 
keit verzieht — bald erſcheine ich dann vor Ihrem 
Füeſtenſtuhl wieder ‚ um lauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

Brtoßh. Nicht vor ihm allein, ſondern auch in 
diefem Gemach erfiheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts 
däucht. Sede Thür meines Pallaftes hat für Sie Eein 
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger nod als eis 
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünfhte auf Ihr Herz 
— doch fein Mort mehr heute davon! Mod ift She 
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angebothene 
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, ſchöne Bianca, 
auh Franz von Medicid wird nit unterlaffen, auf 
Ibrem eigenen Zimmer Sie bann und wann zu ir 
ſuchen. 

Bianca. Er erlaube mir Diefes zu verbiti 

tur dem Kummer der berwitwweten Gattinn it JR 
Gemach fortan betimmt. Es gleiche Ber; 






Gotigeweihten! Zu weinen, zu ita — — tinen. 





Entriffenen, fey dort mein ein; zigeß —* Tief⸗ 
Sraner ſoll jeden Blick des Laͤchelns Deufʒer werden 
jeden Ton der Freude, mithin auch — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 





Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwor⸗ 
zen Gewande-, ſiegender als mit dieſer Miene des. 
Some; ens, harte fie noch nie vor Franzen gefanden. 


— 12 we 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ihr. Auch hielten Beyde, was ſie einander zugeſa 
hatten. Er ward nicht müde, durch Bothſchaften, C 
ſchenke, Briefe, perſönliche Beſuche, Bianca troͤß 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte ſei 
Geſchenke ab, ließ ſeine Briefe unbeantwortet; nal 
feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch 
von zwey Kammerfrauen an, die ſich Eeinen Aug. 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı 
turı’s biutige Rode, und — ſchwieg. 

Aber eben ben Zürften, den fie unter vier Aug 
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiiger an öffen 
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihr 
ihn oft mir lauter Stimme um Nahforfchung und ı 
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo öffentlich geze 
ter Harm. Selbſt dad Wolf, — wiewohl ed den leb 
ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht ba 
— bedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm 
deten; zumahl da er fold einen FZürfpreder fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
die Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darü 
zu lächeln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt 
allgemeiner Bewunderung ; erbielt Billigung fe 
von ſolchen Perſonen, auf welche bie Leidende ger 
am letzten gerechnet hatte. 
Cängft fon ſiechte die Großherzoginn. Kumt 
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich felbft zugufihreiben hatte! — na 


sysh 1 3 07,273 


unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ 
hend. Mit eiferfüctigen Augen batte fie ſtets feine 
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, 
ſelbſt feine Gedanken belaufgt. Auch feine Neigung zu 
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras 
then worden; und ward „ihr dann urvertenndar , als 
| Bonaventuris Gattinn am Hofe erfhien, oder viele 
mehr. erfheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein 
durchſchneidenden Blicken ſchaute die folge Kaiſerstoch⸗ 
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis 
‚ben der glänzenden Hofpamen — nit aufgetreten“ 
. wäre, Alles war ihr fhon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's 
Blicken galt für trügfihe Kunſt, ihr prachilofer, eins 
facher Anzug für flolze Selbftgenügfamkeit, die ſchon 
durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft fid) Franz 
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aub uns 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 
Zittern dur Johanna's Glieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s fih immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
der Eiferfuht alles vergrößerndes Trugglas Keinen 
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte ; daß endlich bie 
Fürſtinn fich felbft geftand: Bianca begünftige wenige 
fiens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der 
Undpille für jegt ſchwand, wenn gleih der Argwohn 
für Elinftig nie gan, entwich. 
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augene 
blicke eine furdtbare Vermuthung wieder; da war ihr 
erfter Audruf: Sa, diefen Banditendolch fhliff eine 
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, daß den Riccys nachgeſetzt würde, mit bite 


wen 5 — 

Großh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf, 
wenn ich anders Sie hören, wenn ich überhaupt bier 
bleiben fol! Sie ſprechen zu mir fo ernſt, fo feyer: 
lich, fo flebend, ald wollten Sie mich zu einem bars 
ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befieble 
mir, was Die bitten, allerdings fhon mein eigenes 
Herz. — Hier haben Sie meine Hard, und mit ihr 
das Wort eines Kürten, der fein Wort noch niemahls 
brach; ih will Alles anwenden, was in meinen Aräfe 
ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu ſtrafen. 
Genügt Ihnen Das? Steben Sie noch nicht auf! 

Bianca (fih erhebend.) Es genügt mir! denn 
naͤchſt Gottes Wort graue ih dem Wort meines Für 
ſten am ftärtften. 

Großh. Damit Sie aber auch nicht mehr hof 
fen, als ich zu gewähren vermag , fo beflimmen Cie 
nun ſelbſt die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe! 
Sie Flagen über die Mörder ihres Gernahls, und kla⸗ 
gen mit vollſtaͤndigſtem Rechte. Sie nennen mir die 
Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗ 
ſchhieht mit Recht. Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗ 
wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter 
ſprechen; nach Jenem ſpricht und handelt der Thrann. 

Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter 
futt auch Wahrſcheinlichkeit in Gewißbeit zu verwan⸗ 
Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes 
ſtrafung unverhörter Weiſe bitte ich jetzt. Nur um ihre 
Verbafeung, nur um Unterſuchung, fo unparteyiſch 
und ernst ald möglich. Ste Eann dann nicht vergebens 
ſeyn; Tas ſagt mir mein Herz. 

Großh. Und ih glaube ihm gern! Ih will 
nicht einmahl cinmenden, was ich als Fürſt eines off 


—7 — 


| uncufigen Volkes wohl einzuwenden vermoͤchte: daß 
jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers 
drecher mit Gefahr und Beſorgniß verbunden iſt. Aber 
wie dann, edle Bianca, wenn diefe Unterfuhung doc 
anders ausfiele, als wie wünfdhten? Wenn doc) diefe 
Ricci's nur vergolten, niht begonnen hätten?! 
Wenn Boraventuri felbft der Urquell feines Todes 
wäre? — Vergeflen Sie, wer zuerft beleidigte! — 


m 
- 


Friede ſey mit der Seele unſers Pietro! Ich traure 


um ihn, wig man um den geliebteften Blutsfreund 
trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu 
unvorfihtig die Eiferfuht eines maͤchtigen Hauſes 
reiste. | 

Bianca. Und wer hätte ein Reit jur Eifere 
fucht gegen ihn gebabt, außer mir? WellenGastinn, 
weſſen Tochter bat er verführe? Welche vorher 


unbefholteneQugend ward durch ihn verd aͤchtig 


gemacht? — Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht 
ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra? 
Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit 
hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen 
unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri ſeiner Anrede 
nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth 
eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der 
größten Beleidigung, nicht ſchaͤndliche, ſtrafwürdige 
Nache? O Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls 


der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war; 


wenn ich ſelbſt, ich wiederhohle es, ich Ihre demü⸗ 


thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand — 
(Sie will ſich bier abermabls zu. feinen Füßen werfen; ez 
hält fie noch auf, und unterbricht fie halblächelnd, mit vr 
dentendem Tone.) ' 2 


nen U. nage 

Großh. Sie haben Recht, fehr Neht, bie 
legten Grund zu wiederholen. Keiner der vorheri, 
ift geringe; doch diefer dürfte leicht der ſtaͤrkſte von 
Ien ſeyn! — (Er fHellt, ein Bedieuter kommt.) Der Qi 
tenant von meiner Wache! — (Bedienter u.) Sie fo 
feben, Schönfte der Frauen, wie viel ein Wort von 
nen bey mir vermag; wie fehr es mich über Bede 
lichkeiten hinweghebt, die fonft Eeineswegs unerheb 
geweſen wären. 

Freut. (eintretend.) Euer Durchlaucht Befehl - 

Großh. Man nehme fogleih Robert Micci ı 
feine Söhne, und alles fein Hausgeiinde ın Verba 
Den Alten bringe man vor mich feldft; die Andern 
den Kerier, 

Lieut. Euer Durdlaudt verzeihen mir — 

Großh. Und was? dod keine Einwendung? 

Lieut. So eben ward gemelder , daS Not 
Ricci und feine zwey Söbne fi heute früh mit Ta; 
Anbruch nah Pifa zu geflüchter hätten; warum? m 
man noch nit, 

Bianca, Aber ih weiß es nur allıu gut; 
(mit emporgehobenen Händen.) Ewiger, allgerechter, al 
bender Gott! Aus den Grenzen von Totcana- ja « 
Kuresa felbit , Eönnen fie entflieben ; aber aus | 
Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht nicht! 9 
dis fierfindeft,, fey ihnen Vergelter! Der Schatten I 
Erwürgten, und mein Sammer folge über Land u 
Meer jedem ihrer Schritte nach! — Gnädigfter Herr 

Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ach erral 
ihre Bitte. Noch find die Ricei und nicht entgang 
ben diefe Flucht vielmehr Eann für die Verbred 
nachtheiliger werden. Sie zeigt Eräftiger gegen Dief 


—XX 9 —X 

ben, als aller bisheriger Argwohn, und wenn man ſie 
erreicht, ſoll es an meinem Willen und an Anſtalten 
zu ihrer Strafe nicht gebrechen. — (Zum Lieutenant.) 
Daß man auf's ſchnellſte den Entwichenen nachſetze! 
Ein öffentlicher Ausruf ergehe! Ein Preis von tauſend 
Ducaten ſtehe auf ihrer Verhaftung! Worman fie 
findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies 
nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben , werbe eins 
gezogen! 

Lieut. Sogleih, Euer Durchlaucht! (Er geht; 
auch Bianca will fi, mit ſchweigender Verbeugune, entfernen; 
Sranı faßt fie bey der Hand.) 

Großh. Nod einer Augenblick Verzug, Signos 
ra, wenn ic) bitten darf! Sie fehen meine Begierde, 
Ahnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das 
Blur meines erfchlagenen Freundes zu rächen; hörten 
ſelbſt, was ich geboth. Mancherley Gründe, Ihren 
Wünfhen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend 
gemacht. Jeder derfeiben mar wichtig; des ftärkften 
unter allen ſtarken, — besienigen, der mir unvere 
geblih ift, vergaßen Sie doch: vergaßen ber liebe, 
die ich gegen. Sie hege, und begen werde, fo lange 
dieſes Herz noch ſchlaͤgt, dieſes Licht des Lebens nicht 
verloͤſcht. 

Bianca (die ih entfernen win.) Mein fürſtlicher 
Gebiether verzeibe — 

Groß h. (fie zurüdbaltend.) Mein, Reizendſte ihres 
Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe 
Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗ 
dern können — erböthig, ohne Furcht vor Mißfallen 
des Volks, vor Aufſtand und Gefahr, Ihrem Gatten 

ein blutiges Suͤhnopfer zu bringen — eben dieſe Liebe 


NO 10 ven 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, dieſes 
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele 
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide blicken. 
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die 
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzhaft. Aber 
"vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt fteht, 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. O nein, auf Diefes dachte ich jetzt frey⸗ 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen 
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich 
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ 
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer, 
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, 
einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ihe 
nen weiden; würde zu Shren Süßen — — Wie} Gie 
bören nicht einmahl auf mich? 
| Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband bier! 
Es find Bonaventuri's Haare, befleckt mit Bonaven⸗ 
turis Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch 
nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes 
Heute fo itaıt, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem 
Gedaͤchtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers 
goſſenen Blutes geſtillt würde? Wenn der Racher ganz 
leine Pflicht erfullte? 


t 


un 21 | 

- Bianca. Dem meinen innigften , ‚feurigffen 
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben; Gram und Schmerz machen meine Zunge. 
ſchwer, machen zu fernerm Oefpräde mid unvermös 
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Geredhtigs 
keit verzieht — bald erfcheine ich kann vor Ihrem 
Füeſtenſtuhl wieder, um fauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

Broßh. Nicht vor ibm allein, fondern aud ia 
diefem Gemach erfiheinen Sie, fo oft es Ihnen guts 
daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes bat für Sie kein 
Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger nod als ei⸗ 
nen Engel der Liebe erfheinen ; wünfhte auf Ihr Herz 
— doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She 
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angeborhene 
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, 
auch Kranz von Medicid wird nicht unterlaifen, auf' 
Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu be: 
ſuchen. 

Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbitigut 

tur den Kummer der berwitweten Gattinn iſt Mein 
Gemach fortan beitimmt. Es gleiche Ber; geile riner 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flagta a weinen 
Entriffenen, ſey dort mein einzige® Kalle Tiefe 
Traner iolf jeden Blick des Loͤchelns, Seufjer werden 
jeden Ion der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch 
verſcheuchen. | 





Bianca ging. Neizender, als in diefem ſchwar⸗ 
zen Gewande-, fiegender als mit dieſer Miene des. 
Schmerzens, haste fie: noch nie vor Franzen geſtanden. 


vor.. 12 ww 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ihr. Auch bielten Beyde, was jie einander zugefo 
hatten. Er ward nicht müde, dur Bothſchaften, € 
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca trofi 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei 
Geſchenke ab, ließ feine Briefe unbeantwortet ; na! 
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch 
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı 
turı’s blutige Locke, und — ſchwieg. j 

Aber eben den Fürſten, den fie unter vier Aug 
nicht ſprechen wollte, ſuchte ſie deſto fleißiger an öffen 
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; beſchn 
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und 
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenslich geze 
ter Harm. Selbſt dad Vol, — wıemohl eb den leb 
ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünfdt 5: 
— hedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm 
deten; zumabl da er fol einen FZürfpreder fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
bie Köflinge barüber zu wigeln, die Damen darü 
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt 
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe 
von ſolchen Perionen, auf welche bie Leidende ger 
am leisten gerechnet hatte. 
Längft ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumt 
Über die Kaͤlte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich felbft zugufihreiben hatte! — na 


\ sysh L 3 DN7,779 


unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee 
dens, Mit eiferfüchtigen Augen batte fie fters feine 
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, 

ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Aud feine Neigung zu 

Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verras 

then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar , als 

| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfhien, oder viele 

mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein 

durchſchneidenden Bliden ſchaute die ftolze Kaiſerdtoch⸗ 

ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis 

‚ben der glänzenden Hofdamen — nicht aufgetreten‘ 
. wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 

lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unſchuld in Bianca's 
Blicken galt für trügliche Kunſt, ihr prachtloſer, ein⸗ 
facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon 
durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz 

nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗ 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 

Sittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war 

Bianca's ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 

der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen 

Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie 

Fürſtinn ſich feldft geftand: Bianca beglinftige wenigs 

ſtens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß ber 

Unwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argwohn 

für Elinftig nie gan, entwid. 

Aber, ald Jobanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augene 
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr 
erfter Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine 
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, daß den Niccı’s nachgefegt würde, mit bite 


—X 14 —XRX 

term Ladeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle 
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweit ver 
Ben.” — Bon Neuem erwadte zugleid ihr Verda 
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f 
„iterte oft halbleife Zobanna, die vor Münnermor 
„oder wenigſtens vor Theilnahme an demfelben, m 
„der als vor Ehebruch fih ſcheuete.“ — Erſt, als ı 
abläffig , die Verwitwete das richterliche Schwert ı 
Mache anflehte ; als ganz Florenz; nur eine Stim 
zu ihrem Cote warb ;da entſchloß ſich Johanna — nic 
ihren Argwobn fahren zu laſſen, fondern mit eigen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sond 
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nm: 
deſſen Ausführung. 

Denn ald einſt Bianca, ganz allein mit ihr 
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnkich 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor 
ler Störung wähnte; da öffneten fich ſchnell die Te 
zen ihres Gemachs; da ftand, ald fie verwundernd 
Augen aufſchlug, die Großherzoginn feltit vor ihr. . 

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit? 

Großh. Warım erfhridft Du? Darf ei 
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, t 
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Th 
an den Leiden einer Andern nehmen? 

Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — bi 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 

Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Qu 
jetzt ſchon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife 
Echte Trauer pflegt ſonſt nicht auf Auszeichnung u 
Unterſchied zu achten. Ihr iſt nur das Verlorne wi 
tig, das — Fein Bott zu erſetzen vermag, Als ich 


— 18 Mg 
erft mit Überzeugung mußte, daß Sranzens Herz mie: 
abwendig geworben fey, da hätten Engel vom Him⸗ 
mel berabfteigen und meine Tröſtung verſuchen koͤn⸗ 
nen. Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre ich 
mich pin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch 
vielleicht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid umzu⸗ 
fhauen und zu richten Bam ich hierher (indem Re Bianca 
Rarr betrachtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts [pres 
hen von ungebeudeltem Schmer;. 

Bianca (thränend emporbiidend.) Mächte des Hims 
mels, wäre es möglich, daß man felbft Dieß an mir 
bejweifelte 2 

 Großh. Es ift moͤglich; es if verzeiblich fogar! 
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entrifienen 
nicht mit Harm, fondern mis lächelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden hoͤchſtens im Angeficht der Menge, 
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. — 
Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes 
Zimmers fhon die Fürſtinn dahinten gelaffeny$ ic 
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ 
buhlerinn entſagen; will — 

Bianca Cenfallend. Der Nebenbuhlerinn? O 
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ 
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ 
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat 
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befleckt; 
und nie — nie fol er aud künftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle 
dich nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich 


Pe 

drücken, oder wenn bu fie fprengteft ‚ dir zum Tebenala 
lichen Vorwurf gereichen dürften. Höre mih! A 
worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe t 
gehaßt, wie man einen Todfeind habt ; gehaßt v 
dem Augenblick an, als id zuerft deinen Nahn 
börte, und noch ftärker ſeit jenem, ald ich zuerft t 
ſah. Ich babe dich umftelt mit Kundſchaftern rı 
berum; ich war im Boruus gewiß, waß fie mir vr 
den würden; und — ich babe mich geirrt. Wie f 
mein Gemahl di liebe, überzeugte mich mein eige 
Blick; daß du ihm Gleiches mit Gleichem vergelt 
konnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldli— 
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ich mich 
die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; on I 
ſelbſt! Sprich: haſt du nie Gegenliebe zu ihn gefül 
ober geheuchelt? 

Bianca. ah liebte in meinem Leben nur ein 
Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. — Liebe 
heuchelt habe ich nie! 

Großh. Kannft du Das mit einem Eidſch 
befräftigen ? 

Bianca. Mit Taujenden! Und jeder Bluts 
pfen meines ermordeten Gatten werde eine eigene H 
für mid , wenn ich falfch ſchwöre! 

Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit 
dieſen Rippen, Verftellung unter diefen Zügen, ei 
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth 
Dieß hieße einer Menichenfeindlichkeit ſich ſchuldig 
chen, die ich nie beſaß, und die ich jetzt am Ra 
des Srabes für ein Lafter achten würde. Wohl 
Bianca Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermor 
bisher bein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan; 

Yflich 


- 


on 17 sa 


Pflichten ehrlicher Treue erfuͤllteſt, daß aller «Glan 


irdiſcher Hoheit, ale Juwelen des Fürſten, alle Ränke 


der höfifhen Verführung dich nicht zum Straucdeln , 
geſchweige zum Fall verleiteren, dann — in propheti« 
ſchem Geiſte betheuere ich es dir! — dann werden bald 
Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo 
deine Seele wieder Freude, und dein Gram Beruhi⸗ 
gung empfängt. 

Bianca. Ach, ich kenne nur eine Beruhigung, 
nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mich 
ſelbſt — das Grab. 

Großh. Nein! Nein! Mir iſt ed bald dort hin⸗ 
ab zu fteigen beitimms! du hingegen — mit diefem 
Kuffe weih’ ih dich ein: — fen glüdlicher als ih! Were 
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich 
erſchreckte! — Ih — Das fühle ih nun innig und 
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung 
werde ih von nun an beinen Nahmen nennen, mit 
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im 
Wege dir ftehen! 

Sie entfernte ſich ſchnell, indem fie Bianca ernſt⸗ 
(ih alle Begleitung verboth. Der Ruf diefes feltfa- 
men Beſuchs — des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗ 
ſerstochter einer ihrer Hofdamen abgeflattei, — durch: 
flog ganz Florenz. Man rieth und dichtete, verſchönte 
und entftellte taufenderley an ihm. Bianca felbft zu. 
befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten 
auch nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte 
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede 
Verkündigung Eünftigen Glücks macht Eindrud aufs 
menfshliche Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug- 

 Meignerd Bianca Gar. 2. Spt. B 


NR 10 A 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, dieſes 
himmliſche Auge nicht trübe ; die Zeiterkeit einer Seele 
nicht fire, auf welche Engel felbft mit Neide blicken. 
— Was Sie verloren, fhone Branca, war viel, die 
Art, wie Sie. es verloren, ift ſchmerzhaft. Aber 
vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, 
das Verlorne wieder zu ergangen. | 

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jetzt frey⸗ 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen 
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich 
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bieders 
mannes if. — Nie würde diefer neue Verehrer, 
wenn er das Glück hätte, auch der Geliebte zu werden, 
einen Augenblid nur den unfhäßbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen; würde als Großherzog feine ganze 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ 
nen weiben; würde zu Ihren Süßen — — Wie) Gie 
bören nicht einmahl auf mid? 
| Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hier! 
Es find Bonaventuri's Haare, beflecdt mit Bonaven⸗ 
turi's Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch 
nach zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll dieſes 
Heute ſo ſtart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in meinem 
Gedachtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers 
goſſenen Blutes geitillt würde ! Wenn der Racher ganz 
teıne Pflicht erfullte? 


—XR 11 — 


Bianca. Dem meinen innigſten, feurigſten 
Dank, der Dieß vermag! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben, Bram und Schmerz machen meine Zunge 

ſchwer, machen zu fernerm Sefprädhe mid unvermds 
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs 
keit verzieht — bald erfheine ich dann vor Ihrem 
Fücſtenſtuhl wieder ‚ um lauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud ia 
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts 
daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes har für Sie kein 
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger nod als eis 
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünſchte auf Ihr Herz 
— doch kein Mort mehr beute davon! Noch ift She 
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angebothene 
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, 
auch Zranz von Medicis wird nicht unterlaſſen, auf' 
Ihrem eigenen Zimmer Sie ann und wann zu iv 
ſuchen. | 

Bianca. Er erlaube mir Diefes zu vesich * 

tur dem Kummer der verwitweten Gattinn iſt 

Gemach fortan beitimmt. Es glewääNer;; e, @iner 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu fi } k Aninen;. 
Entriffenen, fey dort mein einzig e T Ziele 
Trauer ſoll jeden Blick des Lachelns, —** werden 
jeden Ton der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 










Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ 
zen Gewande,, ſiegender als mit dieſer Miene des. 
Schmerz ens, harte fie noch nie vor Franzen geftanden. 


norse 12 wos 

Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft 
ide. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefo 
hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, C 
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei 
Geſchenke ab, Tieß feıne Briefe unbeantwortet ; na! 
feine Beſuche gar nicht, oder nur in dee Geſellſch 
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Auge 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonavı 
turi's biutigelocde, und — ſchwieg. 

Aber eben den Zürften, den fie unter vier Aug 
nit ſprechen wollte, fuchte fie deſto fleißiger an öffen 
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befchr 
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforfchung und | 
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohbenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo offentlich gez. 
ter Harm. Selbſt das Bold, — wiewohl ed den leb 
den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht be 
— bedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm 
desen; zumabl da er fold einen Zürfpreder fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer ZartlichE 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
die Höflinge barüber zu wigeln, die Damen dark 
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſte 
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe 
von folhen Perſonen, auf weiche bie Leidende gen 
am legten gerechnet hatte. 
Langſt ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumr 
Aber die Kaͤlte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich ſelbſt zugufipreiben hatte! — na 


ss L 3 7573 


unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwächlichen Lee 
dens. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine 
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, 
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu 
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verras 
then worden; und warb ‚ihr dann unverkennbar, als 
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfdien, oder viele 
mehr. erfcheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein 
durchſchneidenden Blicken fehaute die ſtolze Kaiferstochs 
ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis 
‚ben der glänzenden Hofdamen — nicht aufgetreten‘ 
. wäre, Alles war ihr {don im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verhaßt. Die fhücterne Unfhuld in Bianca’s 
Blicken galt für trügliche Aunft , ihr prachilofer, eis 
facher Anzug für flolze Selbfigenügfamkeit, die ſchon 
‚ durd eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz 
nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗ 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 
Zittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
‚ der Eiferfucht alles vergrößernded Trugglas Eeinen 
Sleden an ihr aufzufpäben vermodhte ; daß endlich bie 
Fürſtinn fi felbft geftand: Bianca beglnftige wenig» 
ſtens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daB ber 
Unpille für jegt ſchwand, wenn gleich der Argwohn 
für Elinftig nie ganz entwich. 
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« 
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr 
erfter Ausruf: Ha, diefen Banditendold fohliff eine 
ſehr vornehme Sand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, daß den Riccys nachgeſetzt würde, mit bite 


X 14 —XR 
term Laͤcheln: „O fie entkommen gewiß! Das Schlan⸗ 
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweik verle⸗ 
Ben.” — Bon Neuem erwachte zugleid ihr Verdacht 
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, flüs 
„iterte oft halbleife Kohanna, die vor Münnermorb, 
„oder wenigſtens vor Theilnahme am demfelben, mins 
„der ald vor Ehebruch fih ſcheuete.“ — Erſt, als uns 
abläffig, die Verwitwete bas richterliche Schwert um 
Rache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stimme 
zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna — nicht, 
ihren Argmobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sorten 
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer noch 
deſſen Ausführung. | 
Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihrem 
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnkichen 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fi fiher vor als 
- fer Störung wähnte; da öffneten fi fihnell die Thü⸗ 
zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die 
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. . 
Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit? 
Großh. Warım erfhrikft Du? Darf eine 
Trauernde nicht die andere befuchen? Darf ih, des 
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Theil 
an den Leiden einer Andern nehmen? 
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — dieſe 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 
Großh. Signora! Signora! Kart hätte ih Luft, 
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweifeln, 
Echte Trauer pflegt font nicht auf Auszeihnung und 
Unterfchied zu achten. Ihr ift nur das Werlorne wide 
tig, das — kein Bott ju erfegen vermag, Als ich zu⸗ 


—* 15 dern 
erft mit Überzeugung mußte, baf Franzens Herz mie 
abwendig geworben fey, da hätten Engel vom Hin 
mel herabſteigen und meine Teöftung verfuchen Eins 
nen. Ih würde Ealt und ernfl.— doch wo verirre ich 
mich Hin? Nihe um Vorwürfe zu ergießen,, die doch 
vielleicht ungerecht feyn Eünnten, nur um mid umzus 
fhauen und zu richten kam ich hierher (indem Re Bianca 
ſtarr betrachtet. Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und biefe Züge des Gefichts ſpre⸗ 
chen von ungeheucheltem Schmerz. 

Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗ 
mels, waͤre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir 
bezweifelte? 

Graoßh. Es iſt moͤglich; es if verzeiblich fogar! 
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen 
nicht mit Harm, fondern mis lähelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden höchftens im Angefiht der Menge, 
dech nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. — 
Wohlen, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes 
Zimmers fhon die Fürſtinn dabinten gelaffeny ich 
will jet auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ 
buhlerinn entſagen; will — 

Bianca (einfaltend.) Der Nebenbuhlerinn? O 
dieſes einzige Wort fage mir Alles. Aber aud bey als 
lem, was heilig ift, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ 
ve ih, Ihr Verdacht trifft mich unfhuldig! Nie hat 
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ; 
und nie — nie fol er auch fünftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle 
dich nicht mit Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich 


NR jQO tesa 


beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihrem allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, dieſes 
himmliſche Auge nicht: trübe ; die Heiterkeit einer Seele 
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. 
— Was Sie verloren, fhöne Bianca, war viel, die 
Art, wie Sie. e8 verloren, it f[hmerzhaft. Aber 
"vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welde eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. D nein, auf Diefed Bachte ich jetzt freye 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fih Ihnen 
ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuth nimmer ſich 
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bieders 
mannes ift. — Nie würde diefer neue Verehrer, 
wenn er das Glüd hätte, auch der Geliebte zu werden, 
einen Augenblid nur den unfhäßbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ganze 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ihr 
nen weiben; würde zu Shren Süßen — — Wie} Sie 
bören nicht einmahl auf mid? 
Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hier! 
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ 
turis Blut. Heute vergeiien; heute exft! doch auch 
nad zehn, zwanzig Jahren noch, boffe ich, fol dieſes 
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem 
Gedächtniß ſchweben! 

Großh. Uns wenn nun das Rufen dieſes vers 
goflenen Blutes geitillt würde ? Wenn der Racher ganz 
teıne Pflicht erfullte? 


— u21 | 

Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen 
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Ener Durchlaucht 
vergeben ,;, Bram und Schmerz; machen meine Zunge . 
ſchwer, machen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermds 
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs 
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem 
Fücſtenſtuhl wieder, um lauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

Gtoßh. Nicht vor ihm allein, fondern auch ia 
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts 
daͤucht. Sede Thür meines Pallaftes bar für Sie kein 
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger noch als eis 
nen Engel der Liebe erfheinen; wünſchte auf Ihr Herz 
— doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She 
Kummer zu ſtark uyd zu neu, als auf angebothene 









Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, 
auch Kranz von Medicid wird nit unterlaifen, auf‘ 
Ibrem eigenen Zimmer Sie ann und wann zu be⸗ 
ſuchen. | 
Bianca. Er erlaube mir Diefes zu verbitiig 
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn ift 
Gemach fortan beitimmt. Es gleiche d * 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flag ER in new...’ 
Entriffenen, fey dort mein ein; zigeb ER ' 
Traner ſoll jeden Blick des Laͤchelns Denfjer werden 
jeden Ion der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 





Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ 
zen Oewande-, fiegender als mit bdiefer Miene des. 
Schmerz ens, harte ſie noch nie vor Franzen geſtanden. 


er 13 we . 
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft am 
ihr. Auch hielten Beyde, was fie einander zugefage 
hatten. Er ward nicht müde, dur Bothſchaften, Ge⸗ 
ſchenke, Briefe, perſönliche Beſuche, Bianca tröften 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte feine 
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; nahm 
feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſchaft 
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Augen« 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeichel⸗ 
haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonaven⸗ 
turı’s blutige Locke, und — ſchwieg. 

Aber eben den Fürſten, den ſie unter vier Augen 
nicht ſprechen wollte, ſuchte fie deſto fleißiger an öffentlie 
chen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; beſchwur 
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und um 
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen Rics 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffentlich gezeig« 
ter Harm. Selbſt das old, — wiemohl eb den lebens 
den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht geliebt ‚ 
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünfht hatte 
— dedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Ermors 
beten; zumabl da er folh einen Fürfpreder fand. 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zärtlichkeit, 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfangs 
die Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darüber 
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Begenftand 
allgemeiner Bewunderung ; erbiele Billigung felbit 
won ſolchen Perionen, auf welche bie Leidende gewiß 
am letzten gerechnet hatte. 

Langft ſchon ſiechte die Großherzoginn. Kummer 
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das fie 
größten Theils ſich felbft zugufchreiben hatte! — nagte 


sysh L 3 77,73 


unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee 
hend. Mit eiferfüchtigen Augen batte fie ſtets feine 
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte, 
felöft feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu 
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras 
then worden; und ward „ihr vann urvertenndar , als 
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfdien, oder viele 
mehr erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein 
dursbfchneidenden Blicken ſchaute die ftolze Kaiſerstoch⸗ 
ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis 
‚ben der glänzenden Hofdamen — nidt aufgetreten‘ 
wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verbaßt. Die fhücterne Unfhuld in Bianca’s 
Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachtloſer, eins 
facher Anzug für flolge Selbftgenügfamkeit, die ſchon 
durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz 
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud uns: 
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches 
Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft 
der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen 
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich die 
- Bürftinn fi felbft geftand: Bianca beglnftige wenigs 
ſtens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der 
Unwille für jetzt ſcwand, wenn gleich der Argwohn 
für Elinftig nie gan, entwich. 
| Aber, ald Zoharna vernahm, Bonaventuri fey 

ermorbet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen» 
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihre 
erfter Audruf: Sa, diefen Banditendolch ſchliff eine 
ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, baß den Nicc!’s nachgefegt würde, mit bite 


(ee 14 X 

term Radeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle 
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweitß ver 
Ben.” — Bon Neuem erwachte zugleich ihr Verda 
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erſte nicht, f 
„iterte oft halbleife Kobanna, die vor Maͤnnermor 
„oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, m: 
„der als vor Ehebruch ſich ſcheuete.“ — Erſt, al ı 
abläffig, die Verwitwete das richterliche Schwert ı 
Mache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stim 
zu ihrem Lobe ward; da entſchloß fih Johanna — nic 
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nit heuchle? Sond 
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nı 
deſſen Ausführung. 

Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihr, 
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewähnfid 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor. 
ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Tb 
ren ihres Gemachs; da ſtand, al fie verwundernDd | 
Augen aufihlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. . 

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit? 

Großh. Warum erfhridlt Du? Darf ei 
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, t 
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Th 
an den Reiden einer Andern nehmen ? 

Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — bi 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 

Großh. Eignora! Signora! Faſt härte ih Lu 
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife 
Echte Trauer pflegt font nıht auf Auszeihnung u 
Unterſchied zu achten. Ihr it nur das Verlorne wi 
tig, das — Fein Gott ju erfegen vermag. Als ıdı ; 


vn 15 fen 
erft mit Überzeugung wußte, daß Franzens Herz mie- 
abmwendig geworden fey, da hätten Engel vom Him⸗ 
mel berabfteigen und meine Tröftumg verfuchen kön⸗ 
nen. Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre id) 
mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, bie doch 
vielleicht ungerecht feyn Eonnten, nur um mid umzus 
ſchauen und zu richten Bam ich hierher (indem fe Bianca 
ſtarr betrachtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen geröthet; diefe fchönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts fpres 
hen von ungeheudeltem Schmer;. 

Bianca (thranend emporbtidend.) Mächte des Hims 
mels, wäre es möglich, daß man felbft Dieb an mir 
bezweifelte ? 

Graoßh. Es ift moͤglich; es if verzeiblich fogar ! 
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen 
nis mit Harm, fondern mit lähelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden höchſtens im Angeficht der Menge, 
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. — 
Woblan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes 
Zimmers fhon die Fürftinn dabinten gelaffeny id 
will jegt auch eben fo ganz und fregwillig der Neben⸗ 
buhlerinn entfagen; will — 

Bianca (einfattend.) Der Nebenbuhlerinn? O 
diefes einzige Wort fage mir Alles. Aber au bey als 
lem, was beilig ift, durchlauchtige Bebierherinn ſchwoͤ⸗ 
ve ih, Ihr Verdacht trifft mich. unfhuldig! Nie bat 
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ; 
und nie — nie fol er auch künftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Boraventuri ! Feßle 
dich nicht mit Banden, die einſt nur allzü ſchwer dich 


or 16 ur 

drücken, oder wenn du fie fprengteft ‚dir zum lebenslaͤt 
lichen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A 
worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe d 
gebaft, wie man einen Todfeind haßt; gehaßt v 
dem Augenblick an, als ich zuerft deinen Nabe 
börte, und noch ſtärker feit jenem, ald ich zuerft } 
fab. Ich babe dich umftelle mit Kundfchafrern vı 
berum; ich war im Voraus gewiß, waß fie mir m 
den würden; und — ich babe mich geirrt. Wie f 
mein Gemahl did liebe, überzeugte mich mein eige 
Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte 
Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldlit 
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ih mid 
die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an ! 
felöft ! Sprich: hart du nie Gegenliebe zu ihn gefül 
oder geheuchelt? 

| Bianca. Ich liebte in meinem leben nur ein 

Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. — Liebe 

heuchelt habe ich nie! 

Großh. Kannft du Das mit einem Eidſchr 
befräftigen ? 

Bianca, Mit Taufenden! Und jeder Blutst 
pfen meines ermordeten Gatten werde eine eigene H 
für mid , wenn ich falfch ſchwöre! 

Großh. Ich traue dir! denn Unwahrheit 
dieſen Lippen, VBerftellung unter diefen Zügen, ei 
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth 
Dieß hieße einer Menichenfeindfichkeit ſich fhuldig | 
dien, die ich nie bejaß , und die ich jegt am Na 
des Grabes für ein Laſter achten würde. Wohl, 
Bianca Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermor! 
bisher dein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan; 

Pflich 


“ 


ra 17 2a 

Pflichten ehrlicher Treue erfüͤllteſt, daß aller Glanz 
iedifcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke 
der hoͤfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln, 
gefhweige zum Fall verleiteten, dann — in propheti« 
ſchem Geifte beiheuere ich ed dir! — dann werden bald 
Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo 
deine Seele wieder Freude, und dein Gram Berupis 
gung empfängt. 

Bianca. Ach, ich kenne nur eine Beruhigung, 
nur ein Glück. Gerechte Race für ihn, und für mic 
ſelbſt — das Grab. 

Großh. Nein! Kein! Mir ift ed bald dort Ein 
ab zu fleigen beſtimmt! du hingegen — mit diefem 
Kuffe weih’ ich dich ein: — ſey glüdlicher als ih! Ver⸗ 
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich 
erfhreckte! — Ich — Das fühle ih nun innig und 
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung 
werde ih von nun an deinen Nahmen nennen, mis 
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im 
Wege dir fteben! 

Sie entfernte fid fhnell, indem fie Bianca ernſt⸗ 
Ich alle Begleitung verborh. Der Ruf diefes feltfas 
men Beſuchs — des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗ 
ferötochter einer ihrer Hofdamen abgeftattet, — durch⸗ 
flog gan; Florenz. Man rieth und dichtete, verſchönte 
und entfteflte taufenderley an ihm. Bianca felbft zu . 
befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten 
aud nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte 
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede 
Verkündigung künftigen Glücks macht Eindrud aufs 
menfshliche Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug> 

Meisners Bianca Gap. 2. Th. B 


N j0 wen 


befhwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben 
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, biefes 
himmliſche Auge nicht- trübe ; die Heiterkeit einer Seele 
nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden. 
— Was Sie verloren, ſchöne Bianca, war viel, die 
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. Aber 
"vergeilen Sie nit, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht, 
das Verlorne wieder zu erfangen. 

Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle 
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben — 

Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗ 
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit 
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen 
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich 
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines 
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗ 
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer, 
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden, 
einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres 
Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze 
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗ 
nen weiben; würde zu Shren Füßen — — Wie} Sie 
bören nicht einmahl auf mid? 

Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband bier! 
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗ 
turis Blur. Deute vergoſſen; heute exft! doch auch 
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes 
Heute fo ftart, fo urngeſchwächt, wie jeßt, in meinem 
Gedaͤchtniß ſchweben! 

Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers 
goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Ruder ganz 
leine Pflicht erfullte? 


own II wen | 

- Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen 
Dank, der Dieß vermag! — Doch, Euer Durchlaucht 
vergeben ; Gram und Schmerz machen meine Zunge . 
ſchwer, manen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermös 
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs 
keit verzieht — bald erfcheine ich kann vor Ihrem 
Fücſtenſtuhl wieder, um fauter noch meine heutige 
Bitte zu erneuern. 

Broßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud ia 
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts 
daäucht. Sede Thür meines Pallaſtes bat für Sie kein 
Schloß. Allerdings fabe ih Sie freudiger noch als eis 
nen Engel der Liebe erſcheinen; wünſchte auf Ihr Herz 
— doch Fein Wort mehr heute davon! Noch ift She 
Kummer zu flarE und zu neu, ald auf angebothene 
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca, 
auch Franz von Medicis wird nicht unterlaifen, auf‘ 
Ihrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu te⸗ 
ſuchen. | 

Bianca. Er erlaube wir Diefes zu verbitä 

tur denn Kummer der verwitsseten Gattinn iſt ñ 
Gemach fortan beitimmt. Es gleiche 
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flo, 2* 
Entriſſenen, ſey dort mein einziges ——8 
Trauer ſoll jeden Blick des Laͤchelns, Deufjer werden 
jeden Ion der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch 
verſcheuchen. 










Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗ 
zen Gewande,, ſiegender als mit dieſer Miene des. 
Schmerz ens, hatte ſie noch nie vor Franzen geſtanden. 


nor. 12 we. 
Seine ganze Serle hing mit glühender Leidenfchaft 
ihre. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefe 
hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, € 
ſchenke, Briefe, perfonlihe Befuhe, Bianca trof 
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei 
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; na! 
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch 
von zwey Kammerfrauen an, die fih keinen Aug 
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich 
haften Worte feined Gefprächs blickte fie auf Bonavı 
turı’s biutigelade, und — ſchwieg. " 

Aber eben den Sürften, den fie unter vier Aug 
nicht ſprechen wollte, fuchte fie deſto fleißiger an öffen 
den Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihn 
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und ı 
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9 
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo oͤffentlich gez 
ter Harm. Selbſt das Golf, — wiemohl es den leb 
ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie 
wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünſcht be 
— dedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm 
deten; zumab! da er fol einen Fürſprecher fa 
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk 
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı 
bie Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darü 
zu laͤcheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt 
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe 
von ſolchen Perſonen, auf weiche bie Leidende gen 
am legten gerechnet hatte. 

Cängft ſchon fiechte die Großherzoginn. Kumt 
Über die Mälte ihres Gemahls — ein Übel, das 
größten Theils ſich ſelbſt zugufihreiben hatte! — na 


russ 1 3 77,73 


unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗ 
dens. Mit eiferſüchtigen Augen hatte ſie ſtets ſeine 
Worte, ſeine Mienen, ja, wenn ſie es vermochte, 
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu 
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verra⸗ 
then worden; und ward ‚Ihr vann urverfenndar , als 
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfhien, oder viele 
mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein 
durchſchneidenden Blicken ſchaute die flolze Kaiferstocs 
ter auf jene Wenetianerinn, bie fo gern unter den Reis 
‚ben der glänzenden Hofdamen — nit aufgetreten‘ 
‚ wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗ 
lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's 
Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachtloſer, eins 
facher Anzug für flolge Selbftgenügfamkeit, die ſchon 
‚ burd eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz 
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, auch un⸗ 
„ bedeutende Worte mit ihr fprach , bebte ein merfliches 
Zittern dur Johanna's Glieder. Aber fo lauter war 
Bianca’s fih immer glei bleibende Tugend, daß felbft 
‚ der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen 
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daB endlich die 
Fürſtinn ſich ſelbſt geftand: Bianca begünftige wenig⸗ 
ſtens die Neigung nicht, die ſie erregt habe; daß der 
Unwille für jetzt ſchwand, wenn gleich der Argwehn 
fuͤr künftig nie ganz entwich. 
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey 
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen« 
blide eine furhtbare Vermuthung wieder; da war ihr 
erfter Ausruf: Sa, diefen Banditendolch ſchliff eine 
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr 
erzählte, daß den Riccos nachgefegt würde, mit bite 


—xX 14 —XRX 

term Lächeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle 
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß ver 
Ben.” — Bon Neuem erwahte zugleich ihr Verda 
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f 
„iterte oft halbleife Kobanna, die vor Männermot 
„oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, m 
„der als vor Ebebruch ſich ſcheuete.“ — Erſt, al ı 
abläffig, die Verwitwete bas richterliche Schwert : 
Rache anflehte; als ganz Florenz, nur eine Stim 
zu ihrem Lobe ward; da entſchloß fih Johanna — nic 
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen 
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sond 
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer n 
deffen Ausführung. 

Denn ald einft Bianca, ganz allein mit ihr 
Sram, zu einer für jeden Befuh ungewöhnfid 
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor 
- fer Störung wähnte; da öffneten fih fihnell die Zt 
ven ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd 
Augen aufihlug, die Großherzoginn feltit vor ihr. 

Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit? 

Großh. Warum erſchrickſt Du?! Darf ei 
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, ! 
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch TE 
an den Leiden einer Andern nehmen? 

Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — di 
Auszeihnung — womit verdiene ich fie? 

Großh. Signora! Signora! Faſt härte ih Lu 
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife 
Eihte Trauer pflegt fonft nıdht auf Auszeihnung u 
Unterfhied zu achten. Ihr ift nur das Verlorne wi 
tig, das — kein Gott ju erfegen vermag, Als ich 


. ı5 weg 
erft mit Überzeugung wußte, baf Franzens Herz mie 
abwendig geworden ſey, da haͤtten Engel vom Him⸗ 
mel herabſteigen und meine Teöftung verſuchen kön⸗ 
nen; Ich würde Ealt und ernſt — doch wo verirre ich 
mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch 
vieleicht ungerecht feyn könnten, nur um mid umzu⸗ 
ſchauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca 
fare betragptet.) Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche 
Thraͤnen gerötbet; diefe fchönen Wangen hat merklicher 
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗ 
chen von ungeheucheltem Schmerz. 

Bianca (tHränend emporblidend.) Mächte des Him⸗ 
mels, wäre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir 
bezweifelte? 

Großh. Es iſt moͤglich; es it verzeihlich ſogar! 
denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen 
nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit 
nachblicken; würden höchſtens im Angeſicht der Menge, 
doch nit im einfamen Gemach ihn betrauern. — 
Woblan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung 
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes 
Zimmers fhon die Fürftinn dabinten gelaffeny ich 
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗ 
buhlerinn entſagen; will — 

Bianca Ceinfallend. Der Nebenbuhlerinn? O 
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗ 
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗ 
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat 
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befleckt; 
und nie — nie fol er aud künftig — 

Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri! Feßle 
dich nicht mit Sonden, die einſt nur allzu ſchwer dich 


Finde 16 mu 

drüden, oder wenn du fie fprengteft ‚dir zum lebenslaͤt 
lihen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A 
worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe d 
gehaßt, wie man einen Todfeind haßt; gehaßt v 
dem Augenblick an, als ich zuerft deinen Nahm 
börte, und noch flärker feit jenem, als ich zuerft ? 
fab. Ich babe dich umftellt mit Kundfchafrern ru 
berum; ich war im Voraus gewiß, waß fie mir m 
den würden; und — ich babe mich geirrt. Wie f 
mein Gemabl dich liebe, überzeugte mich mein eige: 
Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte 
Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Sdpfü: 
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ich mid 
die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an 
ſelbſt! Sprich: hast du nie Gegenliebe zu ihn gefül 
oder geheuchelt? 

| Bianca. Ich liebte in meinem leben nur ein 

Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. — Liebe 

heuchelt habe ich nie! 

Großh. Kannft du Das mit einem Eibfchn 
befräftigen ? 

Bianca. Mit Taufenden! Und jeder Blutst 
pfen meines ermordeten Öatten werde eine eigene H— 
für mid , wenn ich falfch ſchwöre! 

Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit 
dieſen Tippen, Verftellung unter diefen Zügen, ei 
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth 
Dieß hieße einer Menichenfeindlichkeit fih fhuldig ı 
den, die ich nie bejaß , und die ih jegs am Ra 
des Grabes für ein Lafter achten würde. Wohl. 
Bianco Bonaventuri! wenn wirklich diefer Erinor! 
bisher dein ganzes Der; beſaß; wenn du fo gan; 

Phflich 


7 17 sure 

Pflich ten ehrlicher Treue erfüllteft, daß aller Glanz 
iedifcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke 
dee höfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln, 
geſchweige zum Fall verleiteten, dann — in propbeti« 
ſchem Geiſte betheuere ich es dir! — dann werben bald 
Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo 
being Seele wieder Zreude, und bein Gram Berupis 
gung empfangt. 

Bianca. Ach, ich Fenne nur eine Beruhigung, 
nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mic 
felbft — das Grab. 

Großh. Nein! Nein! Mir ift ed bald dort Eins 
ab zu fleigen beſtimmt! du bingegen — mit diefem 
Kuffe weih' ich dich ein: — fey glücklicher als ih! Vers 
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich 
erfhreckte! — Ich — Das fühle ih nun innig und 
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung 
werde ich von nun an deinen Nahmen nennen, mis 
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im 
Wege dir ftehen! 

Sie entfernte fid fhnell, indem fie Bianca ernft: 
lich alle Begleitung verboth. Der Ruf diefes feltfa« 
men Beſuchs — des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗ 
ferstochter einer ihrer Hofdamen abgeftattei, — durch⸗ 
flog gan; Florenz. Man rieth und dichtete, verfchönte 
und entftellte taujenderley an ihm. Bianca felbft zu . 
befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten 
auch nur eine abgebrodene Antwort. Im Stillen wirkse 
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede 
Verkündigung Fünftigen Glücks macht Eindrud aufs 
menfshliche. Herz, wenn auch ber Mund ihn abzuläug> 

Meiguers Bianca Gap. 2. Th. B 


—X 18 vo... 


nen fih mühe. Um wie viel Eräftiger mußten Wo 
diefer Art von diefen Lippen erſchallen! 

Bald ging auch die erfte Hälfte derfelben in ( 
füllung. Johanna's Leben erlofh. Es traf fie in ihr 
legten Tagen das bittere, felbft die Todesſchmerzen 
Herbe übertreffende Geſchick, unabläugbar zu jpüre 
daß ihr Hintritt von Mehreren gewünſcht als befo: 
werde; daß fie, wiewohl noch in des gewohnlid 
Menfchenlebens eriter Halfte, doc ſchon dem größ: 
Theil ihrer Höflinge und Grauen zu lang gelebt ha 
Franz beobachtete zwar, was Rang, Anftand, und 
fein eigenes gutes Herz von ibm forderten. Er n 
die letztern Moden hindurch oft in ihrem Gema 
ſuchte jie oft Durch freuntlihe — wenn auch nicht he 
volle Worte aufzuheitern; verforach ihrem leuten Ü 
len treulich nachzukommen; reichte ihr noch eine St 
de, bevor fie einfchlummerte, mit eigener Hand 
Arzney, die jie ftärken follte, und ließ fie mit fü 
licher Pracht — beitetten. Mehrere Redner, die tr 
liche Lobreden hielten, wurden großmüthig beloh 
Künftler vom erften Rang empfingen den Auftrag 
nes Maufoläaums ; aber im nneriten feines Herz 
dankte gewiß Franz, dem Himmel für das Zerjprin, 
diefer läſtigen Kette Mit der Gemahlinn verſchw. 
einer dev Haupteinwürfe, den Bianca mehrmahls 
ner Liebe entgegen geftemmt hatte. Lebendiger w 
feine Hoffnung. 

Und auch thätiger ward er felbft! Alle bisher 
Nahforfbung, der entflohenen Ritcis, war 
lendwerk, oder laͤſſiger Halbernſt geweſen. Nun 
gingen die Befehle gemeſſener; nun merkten diej 
gen Kundſchafter, die er ausſandte, daß er mit N 


ae 1ö —— 


druck gebiethe, ‚und gehörige Nachrichten Zebirig 6 7° 
lohnen werde. Bald hatte er Beweiſe, wie er fie 
Wunſchte in Haͤnden, und — eilte damit zu Bianca. 


! 





., Großbh. Finde ich Sie immer noch i in dieſer 
Trauer — mit dieſem Kummer im Blick? Iſt der 
Quell diefer Thränen immer noch unverſiegt? Aber 
gettoſt, reizende Witwe! Heute hoffentlich werde ich 
Ibren Gram mindern! werde — leider aum erıten Maple 
in meinem Leben — mit: der füßen Überzeugung eins 
freten dürfen, nicht ungern angehört zu werden.. Ends 
lich haben mieine Vothen und die Arme der Vetgel⸗ 
tung die entwichenen Moͤrder ergriffen; eridiih — (mit 
einem Blick auf die Kammerf:au) Vergeben Sie , wenn 
ih Das, was nun folgt ‚ Ihnen allein zu ſagen 
iwünſche! 
B kanca (in deren Augen brennende Neugierde fünfeits) 
Da Euer Durchl. e8 nöthig finden — (u ihrer Kaminer⸗ 
frau ‚Hatstaut.) Entfernt Euch, doch nidt allzu weit! 
Großh. (eiwas impfindtih.) Und ſelbſt bey dieſem 
Befehle noch Mißtrauen? Bianca, verdient Dieß der 
"Mann und der. Fürfl, der, fo oft er Sie ſieht Alles 
dergißt ‚nur feine Liebe nicht? der jo gern — 
Bianca (einfattend.) Euer Durchlaucht wollten 
fie von den Ricci's Nachricht mitzutheilen geruben * 
Großb. Und werde es ſogleich thun! (Er wendet 
fi gegen Bonaventuri’s in Diefem Gemach hängendes Bildniß.) 
Schwebe nun verſoͤhnt zu dem Ort deiner Beftimmung, 
Schatten des Ermordeten, und doch fo unjäglic Glück⸗ 
| feligen! Neidenswerth im Leben durch den Dejis des 
Ihönften, vollkommenſten Weibes, und nech neidens⸗ 
Br 


vo. 20 won ' 


wwerth im Tode durch ihre Thraͤnen! Du bit geräche ! 
Deine Mörder haben fich felbit gerichter. u 
Bianca (etwas erſtaunt.) Sich felbit gerichtet ?— 
Was meinen Euer Durchlaucht mit diefem Ausdruck? 
Gr— o ß h. Ghr ein zulammengerolltes Papier hinreichend.) 
Leſen Sie dieſes Schreiben, ſchönſte Bianca, das ſo 
eben vom Senat zu Genua mir eingehändigt worden 
ift! Sie werden finden, daß derfelbe, auf mein öf— 
tered Anfuchen und Antreiben, endlih die Höhle auss 
Eundfchaftet hatte, in weicher die beyden ‚Üliccı, tagr 
fheu, halben Banditen ahnlich, von Mangel faft: aufs 
gezehrt, von aller Welt verlaifen, ihr elendes Leben 
durch Kräuter und Wurzeln frifteten; Sie werden fin⸗ 
den, daß ausgefhidte Söldner Befehl hatten, die 
Unglücklichen aufzufahen, und an Florenz auszulies 
fern; daß die Umijtellten, als fie nirgends ein Schlupf⸗ 
loch zum Entfliehen ſahen, tollkühn, oder verzweifelnd 
‚genug waren, fih mit den Waffen in der Hand, Zwey 
gegen Zwanzig zu ſtellen; dag fie tapfer ſich verchei: 
digten, bis endlich der Sohn todt, der Vater vers ' 
wundet niederfanf; ja, daß der Leßtere im Kerker 
nur wieder aufwachte, um eine Stunde naher fein 
graues Haupt an der Wand fich felbft zu zerſchmettern. 
Bianca (indem fie es überlefen.) Sein eizener 
Mörder! Wahrlic ein Henker, diefes Böſewichts würdig! 
Großh. Und nun, Signora, glauben Die nicht, 
daß die Mörder Ihres Gemahls genug abgebüßt ba: 
ben jollten? Gebüßt durch ein qualvolles Leben in Klüf⸗ 
ten und Höhlen, durch Kerker, durch Tod, und felbft 
durch Schmach noch nah tem Tode ! Glauben Sie 
nicht, daß ich mein Verfprechen nun ganz erfülit has 


u wen DU em 
be? Wenigſtens fo weit, ald es in meinen Rräften, 
in meinem Wirkungekreife fand! 
“Bianca. Wie Eönnte ich's wagen, andy nur ei- 
nen'andern Gedanken zu begen? Voll Demuth und 
voll Dank beuge id meine Knie — 

Großh. linden er jie aufhält.) Mein, (öönfe Flo⸗ 
rentinerinn, nicht durch Kniebeugungen , nicht durch 
Erniedrigung, von welcher Art es ſey, ſondern auf 
eine andere, Ihren Reizen, Ihrer Würde, und mei⸗ 
nen Gefühlen weit angemeſſenere Art wünſche ich mir 
Ihren Dank zu erhalten. — Verzeihen Sie, edelſte 
ibres Geſchlechts, daß ich eine ſo oft ſchon angefangene 
Melodie von Neuem anfange, — eine fo oft ſchon ger 
fhehene Bitte jeßt abermahls wiederhohle! Müde zu 
werden zient demjenigen nicht , der nad) vielfachen 
feschtlofen Verſuchen doch immer noch fein hoͤchſtes, 
fein einziges Wohl auf einen Punct, ihm fo nahe und 
fo fern, gebeftet fiebt; dem fein eigenes Herz das 
Zeugniß gibt: du Fampfteft zwar fruchtlos bisher, aber 
du kämpfteſt dod) des Sieges midit ganz unwerth. — 
Mit mehrerem Recht als je, glaube ich heute die Bitte 
wagen zu dürfen: Legen Sie biefe Zrauer ab! Hören 
Sie günftiger auf das Flehen inniger Liebe! 

Bıanca (den Bticd verlegen, doch nicht zornig sur Erbe 
niederſchiagend.) Wie, Euer Durchlaucht? Diefe Forbes 
rung wäre heute billiger, als bisher ? | 

Großh. Bey dem Thron ewiger Gerechtigkeit 
und Liebe, fie ft es! — Was die Natur in und nes 
ben uns erfhuf, erfchuf fie wandelbar und endlich. 
Sonnen .eriöfhen, Welten zerftäuben, Menſchenge⸗ 
Thlechter vergeben; aud die Schöpfungen der moralis 
ſchen Welt find nicht unvergängficher: Pflichten wech⸗ 


fein; ewiges Bebarren auf einer unb ebenderfelben 
wird zur Storrigkeit; und was Anfangs Tugend ſeyn 
mochte, wird in der uͤhertreibung zum Fehl und Fle⸗ 
cken. Dennoch — dennoch wollen Sie Ihrem Gram 
allein Unvergänglichkeit geben? Wollen immer 
noh fortfahren, ihrem verblichenen Gemahl ein] Opfer 
zu bringen, das ihm felbit nichts nützt, und wodurch 
die lebende Welt ihres ſchoͤnſten Schmudes beraubt 
würde % Haben Lie denn noch nicht Alles erfüllt, mit 
uͤbermaß erfüllt, was Ihnen zu thun vielleicht ob⸗ 
lag? Iſt nicht die geſetzliche Zeit der Witwentranuer 
ſchon doppelt vorbey? Jũ der Ermordete nun nicht ges 
rächt? Und iſt er es nicht durch Ihr Bemühen alleın } 
Denn, freygeſtanden, ohne Ihre Anklage, ohne Ihr 
eifriges Anhalten, hätte ich ganz gewiß die Ricciſs, 
unverfolgt, ihr elendes Leben in freywilliger Verban⸗ 
nung fortfchlenpen laſſen. — Pietro war Ihnen theuer, 
unendlich theuer ald Gatte. Gut! ich wage es nicht, 
Ihre Wapı zu tadeln; denn ed war auch die Meinige. 
Sie erkoren ihn zum Gemahl, und ih zum Freunde. 
Aber fragen Sie Ihr eigenes Herz: würde Pierre Bo⸗ 
naventuri wohl für Bionca aud nur die Hälfte von 
Dem gethan haben, was Bianca für ihn thut? War 
er, bey taufend liebenswürdigen Eigenſchaften, nicht, 
auf's gelindefte gefprochen, ein wenig flatterbaft und 
wandelbar? Grub diefer Wankelmuth nicht felbft ihm 
ein fo frübes Grab? Und Ihr Schmerz; um ihn fol 
unwandelbar ſeyn ? (Sie mit Wärme bey der Hund ergreis 
few.) Sprechin Cie: fol er Das! 

Bianca Die ihre Hand ein wenig, doch nicht ganz zu⸗ 
sudziehe.) Euer Durchlaucht ich wiederhohle blyß ‚wag 
ich fo oft ſchon — 


voor 23_ XRC 


Großh. (einkallend. Ja wohl! Was Sie fo- oft 
ſchon fagten: was aber immer zu weit getrieben war, 
und jest nod) zweyfach mehr ungerecht und unbilig 
feyn würde! — Bianca, Erite ihres Geſchlechts, hö⸗ 
ren Sie mih! Sie wiſſen die Neränderung, die indeß 
fih zugetragen bat. Die Bande, die mich mit einer 
ungeliebten , mir an Denkungsart fo unaͤhnlichen Ge⸗ 

mahlinn zuſammen feſſelten, ſind durch Den getrennt 
worden, der Alles trennt, — durch den Tod. Schon 
vorber trug ich ein unget heiltes Herz Ihnen zum 
Eigenthum an; doch jetzt zumahl iſt es ungetheilt nach 
jedem Gefetze — göttlichen ſowohl als weltlichen! 
Sie ſind frey, und ich bin es nicht minder. Wir ha⸗ 
ben Beyde unſere Pflichten gegen Gatten erfüllt, die 
nun ruhen. Jeder fremde Anſpruch auf uns iſt per⸗ 
ſchwunden. Schönffe Florentinerinn! wollen Sie auch 
nun noch mit ſtets ſich gleichbleibender Haͤrte den Zärt⸗ 
lichſten, Wärmften, Treueſten ihrer Anbether verſchmaͤ⸗ 
hen? — In dieſem Jugendlenze, in dieſer Blüthe 
weiblicher Reize, ber Liebe ſchon entſagen, iſt Unmög« 
lichkeit. uͤbermaß der Trauer kann, weil es uͤbermaß 
iſt, unmoͤglich immer dauern; ſelbſt wenn es Tange 
waͤhrt, beleidigt es die Menſchheit und den Himmel; 
iſt tadelnswerth vor dem Richterſtuhl der Natur und 
der Tugend zugleich. — Wohlan, Bianca, noch ein⸗ 
mahl lege ich Ihnen hier zu Füßen Alles, was ich ver⸗ 
mag und habe, Alles, was Florenz weites Gebieth 
und die Grenzen meines Staats in ſich ſchließen! Darf 
ich hoffen, daß endlich meine Bitte Erhörung finden 
werde? Ihr Gemahl und meine Gemahlinn waren 
ſtets Ihre Haupteinwürfe. Jener iſt verfohnt, und 
Diefe ift entfehlafen. Darf ich nun hoffen Darf ich? — 


won Dh ws 


(mit gekraänktem Tone.) Auch nicht eine Sylbe zur A 
wort! Bin ich felbft Diefer nicht werrh ? 

Bianca, (bewege) Önädigfter Herr, ich bitte S 
dringen Sie heute Feiner Antwort wegen in mich! 

Großh. Aber wann— warn fol ich fie erh: 
ten? Theuerſte Bianca! warn? (Cie ſtarker noch bev 
Hard faffend.) 

Bianca. (die ſich lobreiſen win.) Laſſen Sie mi 
ih beſchwöre Sie! 

Großh. immer feuriger. Sie nicht zu laſſen, T 
ſchwoͤre ich Ihnen bey meinem und Ihrem ewigen He 
— Wann dieſe Antwort, — Bianca, wann? M 
gen? Morgen? Sie ſchweigen? — (freudig.) Mor— 
alfo ! 

Bianca. lernt) Woher Dieß alſo? Wannv 
ſprach ich noch etwas?! 

Großh. Ah, au dieß ſchon ift mir ein Str 
ber Hoffnung, daß Sie ed nicht verneinen! daß fe 
ter biefe weihe Hand in der Meinigen bebt: daß 
edle Bianca, ic beſchwöre Gie, laſſen Sie mir ı 
nigftens auf Augenblide diefe entzückende Täuſchu 
die mid) weit über Nang und Magt— die mich 5 
Gott erhebt. 

Bianca. Mein Fürft — 

Großh. Nicht Ihr Fürſt! Der Schönheit ift 
zu gebiethen beſtimmt; und Schönheit mit diefen g 
fligen Vorzügen vereint, müßte felbit Seraphims 
berefhen. — Edelſte der Frauen! diefe blutige Loc 
fo oft die ſtumme traurige Antwort auf ale me 
Sragen, follte fie doc) wohl fo lange nur an Boi 
venturi erinnern, bid er gerät worden fey? Er 


es! Die Rode werde gelöfet. LEr reißt ihr ſchneu diefeh 
Armband ab.) u | 
Bianca. (darnach greeifend.) Euer. Durchlaucht. — 
Großh. Morgen, morgen die Antwort! Gie 
wollten vorhin, ich follte Sie verlaſſen, — und ich 
verlaffe Sie nun. Eitt a6.) 
Bianca. Euer Durchlaucht —im Ernfi! Mein 
Armband — unmoͤglich — (Sie eitt ihm nad.) 





Man Eann leicht vermuthen, daß fie ihm nicht er= _ 
reichte; daß er ſchnell hinweg eilte! Zum erften Mahl 
freywillig fihnell aus Bianca’s. Haufe! Zum erften 
Mahl freudig! 





Bianca allein (am Abend eben dieſes Tages vor Bonaven⸗ 
turi’d Bildniß.) 


Was verbehle ich mir es länger ? Mein Ohr vers 
nimmt wieder, und mein Herz empfindet! — Zwar, 
noch it Er mein ftäter Gedanke, aber nicht mehr mein 
einziger. (Hufdie Stele ihres Urmbandes blickend.) Hätte 
ih. nor wenig Wochen noch diefen Raub geduldet ? Und 
zürnte ih heute wahrhaft, fo zornig ich mich auch 
ſtellte? — (fi nachdenkend auf einen nahen Seſſet werfend.) 
Und morgen — morgen! wenn Franz. nun auf Ant- 
wort bringe? Welche fol ih ihm geben?! Abm, der 
ſo ſichtbar auf günftige hofft; den ich fo ſichtbar auf 
günftige hoffen ließ ? und der ihrer auch — (Aufſtevend, 
vor. das Bildniß eretend.) Verzeihſt di mir, Schatten bes 
Snnigs Geliebten, vergibft du mir, wenn ih — bier 


— 320 — 


eine Fremde, eine Verkannte, eine Darniedergeber 
te; ausgeſtoſſen aus meiner Vaterſtadt, ohne He 
nung gunitiger Rückkehr; bald beträngt von aberme 
ligem Mangel, umitellt von Hinterliſt, verlaffen v 
allen Verwandten, allen Sreunten, und ach von 
ſellſt: feir Jahr und Tag befturmt von dem edeli 
liesensiwurtigiien Fürſten, beffürmter vieleiht nı 
voa Innern Senden. — vergibit du mir, wenn id 
ein Wein br? — (Zarüchk fintnd.) Gott! Gott! m 
babe ich gefagt ?-- pPauſe, ſich farfend.) Nies! Nic 
zwar, was dieſe Schamröthe verdiente! — Gage fe 
Geiſt meines Gemahls, wo du jegt feyn magft, ı 
wenn es aud) vor dem Throne des Ewigen wäre; fa. 
kannſi du die ganze Zeit unferer Ehe hindurch mich ei 
unfrenndiihen Wortes, eines unzartlichen Gedank 
eines liebeleeren Augenblick anklagen? Kannft du 
Thranen zöplen, bie id in einfamen Naͤchten beit 
Wanken, in nod einfamern deinem Tode weih 
Vrirde ih nicht jetzt noh Sterben mit dir! 
gläͤcklichſten Leben vorziehen! — Aber da ich nun 
be, bier lebe, und leben muß — 0 fo vergib, ' 
gib! Sch fühle es, dein Nebenbuhler wirb dir zu m 
tig. — (Paufe) Warum bebe ih von Neuem! H 
ich nicht erfüllt, was ich Eonnte und follte Verbiet 
göttfihe und menſchliche Gefege wohl eine zwei 
Liebe? Iſt Franz diefer Liebe nicht würdigt — 
mächtiger Fürſt, und doch immer fo ganz ein Men 
So fhön, fo mild, fo anmuthsövoll, daß er auche 
Fuͤrſtenthron — — Arme Bianca, wohin verirrfl 
dich? Dieſi felbft vor dieſem Bilde — O weib 
Natur! Schwachheit it dein Brundſtoff; Empfind! 
beit iſt deine Grube! Jahrhunderte wollen 


— 27 
gutdauern und Monden dünken uns eine Ewigkeit. 

“(Die Augen niederihlagend und .iveggebend.) Ich blide 
nich auf, ih blide nicht auf zu dir, Bild meines 
Gatten, damis dein Auge mich nicht ftrafe! Ad, mein 
Herz thut es ſchon, auch ohne dein Herabblicken ge⸗ 
nug. (line ihrer Grauen unterbricht durch Bereintkunit dielet 
Selbſtgeſprac. I: 


(Tag daranf). 
Großherzog. Bianca, 


Großh. Unt wenn Sie der Ausflüchte noch zu 
Zaufenten, der Bitten um Aufſchub noch eine zahlloſe 
Menge verſchwendeten — ich bin entſchloſen mein Ur⸗ 
thejl zu hören. 

‚Bianca. Ich ein Urtpeit über meinen Monars 
‚hen fällen! Woher käme mir diefes Necht 9 

Großh. Und doch — doch können Sie es! doc 
kann es Niemand außer Ihnen! — Sie erinnern ſich 
fo oft im Sefpräch mit mir jener Würde, die ich bey 
Ihnen ganz abgelegt willen möchte, — erinnern fi 
fo gern, daß ih Fürſt fen. Wohlan denn, Bian⸗ 
eo, Ihr Fürſt it es, der um Liebe bitter, ewige 
Liebe Ihnen ſchwört! Kann er Ihr Herz auf dem 
MWege der Zärtlichkeit nicht rühren; o wie gern 
nird er dasfelbe auf dem Wege des Ehrgeizes aufs 
fuben. — Noch ſah er nur Andere vor fih die Knie 
beugen; beugte das Seinige vor Niemanden, als vor 
Bott. Jetzt fol er es auch vor Gottes ſchönſtem Mei⸗ 
ſterſtuͤcke! Gniet vor ide nieder.) 


were IB — 

Manta. Cinattih) Euer Durchlaucht — Euer 
Durchlaucht! — Ach beſchwöre Sie, befhamen Sie 
mich nicht. Wenn ich ein Wort noch ſprechen ſoll — — 

Großh. Das ſollen Sie, und dann werde ich 

wieder aufftehen! Hier betheuere ich Shnen , daf mein 
ganzes Glück von Ihrer Liebe abhängt; daß ohne biefe 
der Erde böchfter Thron mir Qual, das fröhlichfte Les 
ben Elend dünfen würde. Bianca, Jahre flofßen vor⸗ 
über, feit ih zum erfien Mahl Sie fab. Unermeplidy 
dünkte mir damahls ſchon meine Neigung für Sie; 
und doch ift fie feitbem noch gewadhfen mit jedem Tage, 
jeder Stunde, jeder Minute faſt! Keine Abweifung 
ſchreckte, Fein Hinderniß erkältete meine Liebe. — Ger 
fühlvolles, edles Meib! kann tenn nichts Ihr Herz ger 
winnen? weder Größe, noch Wärme, noch Dauer 
meiner Zaͤrtlichkeit? 
Bianca. So ſey es denn! Den Weg des Ehr⸗ 
geizes achte id nicht, aber den Weg ber Zärtkiche 
teit langer zu verſchmaͤhen, finde ich mich nicht ſtark. 
genug. Steben Sie auf, Grofiberzog! Ihr Anhalten 
zwingt mein Geheimniß mir ab, und es ift — Ges 
ſtändniß der Gegenliebe. | 

Großh. Cauffpringend und freudig.) Der Gegenlie⸗ 
be! — O du der Worte füßeftes! Harmonie der En» 
gelchöre iſt Mißlaut dagegen! Wäre es möglich ? 
Bianca! Wire ed moglih, Sie fieben mich wieder? 
— Nun, fo werde denn diefer Kuß — (indem er fie küfs 
fen will.) 

Bianca. efi zurüd beugend.) Trotz meiner Neis 
gung Ihnen nod nicht vergonnt! — (mit ernftem, dog 
tiebenolem Zone.) Ya, mein Fürſt, ich liebe Sie. Ihre 
Torte wirkten ſchon feit geraumer Zeit tiefer, als ich 


sosen 209 we 
wünſchte; ; tiefer, als Sie ſelbſt vielleicht hofften. Aber 
ich liebe Sie ſo ſehr, daß ich dir Wonne, die viel. 
Seiht im Glück der Zärtlichkeit auf uns Beyde wartet, 
nicht durch Gewiſſensbiſſe geſchwächt, nice durch Ente 
weihung endlid) ganz vergaflt erblicken möchte, 

Großh. (ganı ſtutzig.) Entweihung! Gewiſſens⸗ 
biſſe? 

Bianca, Allerdings! Verfolgen Diefe nicht ie 
des Vergnügen der Liebe! mindern‘ fie nicht jede Se— 
ligkeit der Inbrunſt, fo lange Religion die Leptere 
nicht geweiht, rechtmäßige heilige Bande fie nicht bes 
ftätigee haben *— Iſt eine ſolche Berbindung Ihr Vor⸗ 
haben, — dann, gnädigfter Herr, fey mein’ Herz 
fortan fo gan; das Shrige, wie ed fonft das Eigen» 
tbum meined Pierro war. Denken Sie aber anders, fo 
werde ih zwar, fo fange id) lebe, Ihr theures Bild, 
— das die Liebe langfam, doch deilo dau erhaf— 
ter mir in das Her; grub — aufbewahren; aber in 
ſchleunigſter Flucht mil ih, wenn auch nicht Rettung, 
doch zum wenigften Linderung meiner Leiden ſuchen: 
will fern von Slovenz die Leitenfhaft beweinen, die 
vielleicht eben deßwegen mir zur Strafe ward, weil 
ih auch im Grabe noch dem eriten einzigen Mann, den 
meine Lippen je berührten, treu verbleiben ſollte. 

Großh. (der erſtaunt ta gefanden har.) Bianca! 
Verftehe ih Die wohl gan; ? | 

Bianca, (eiwas empfindlich. Wenn Euer Durch⸗ 
Taudt Dieß jest nicht thun, fo werden unfere Herzen 
ſich nie veritehen. 

Großh. Nur vom Altare ber fol unjere Liebe . 
fid) anfangen $ 


wen 30 moon 


Bianca. Von ihm ber, ober nirgends fonft. — 
Sie verwandeln ihre Farbe? Sie werben ernſt — 
(Etwas Sitter.) Verzeihen Cie, wenn ich nad fo vielen 
Schwüren endlich leichtglaͤubig genug war, zu traͤu⸗ 
men, daß Sie mich wirklich liebten! 
Großh. Erniedrige mi das Schickſal bis zum 
irftigften Bettler, wenn ih Sie nicht heißer liebe; 
Worte und Gedanken faſſen koͤnnen. Aber der erſte 
Beweis meiner Neigung ſey Aufrichtigkeit; ſey 
der, daß von nun an jeder Gedanke meines Herzens 
unverdeckt vor Ihnen da liegen fol. — Mit den fepers 
fihften Echwüren mich zu verbinden, daß Eein Weib 
auf dem ganzen Erdboden, und wäre fie Kaiferinn 
bom Aufgang bis zum Miedergange, und böthe fie mie 
mit ihrer Hand die Herrſchaft von zehn Koͤnigreichen 
dar, meine Liebe von Ihnen abwenden, oder auch nur 
mit Ihnen theilen ſolle; mich zu verbinden, daß nur 
der Tod mich erkälten, nur das Grab uns trennen 
werde; gern bin ich zu dieſem Schwure bereit und 
werde halten, was ich ſchwur. Aber meine gefegmäßige 
Gemablinn — (Er bätt inne.) 

Bianca, Nun Aber Ihre geſetzmaͤßige Ge⸗ 
mahlinn? 

Großh. Andere Pflichten bat Franz, der Ma nn, 
und andere Franz, der Großherzog, zu erfüllen. 
D daß er immer nur Jener zu feyn vermoͤchte, er würde 
den Letztern nie vermiſſen! Aber da Bianca felbft zürs 
nen würde, wenn er Demjenigen nicht nachzukommen 
ftrebte , was fürftlibe Geburt und was der Wohlſtand 
des ihm anvertrauten Volks erfordern ; fo vergeihe fid 
Mit — (Gr ſtodt wieder.) 


ee 31 new 

Bianca. Ihr Schweigen iſt zu ſprechend, als 
daß ich es nicht deuten, Ihre Gründe find zu leicht 
verſtändlich, als daß ich fie nicht erratben follte. Ja, 
was noch mehr iſt, ich felbft billige diefes Schweigen“ 
und diefe Zweifel. — Ich felbft, mein Prinz, begehre 
nie, daß Liebe zu mirin Ihnen den Fürſten erniedrige, 
Aber wenn Sie etwa glauben, daß meine Geburt 
nur mic) des Rechts beraube, mit Ihrer Hund beehrt 
zu werden, fo willen Sie hiermit, gnädigſter Herr, 
daß Sie ih — irren. Sie fanden mich in Niedrig⸗ 
Eeit ; doch diefe Niedrigkeit war nicht urfprünglich mein 
Roos. Auch ich bin von Italiens edeſſtem Blute ents 
fproffen. Meine Familie , wenigitens fo alt als die 
Sprige, wußte ſchon zu befehlen, ald die Familie der’ 
Medicis noch lung und viel an der Grundlage ihrer 
Größe zu arbeiten hatte. 

Gro bb. Bianco, Sie fegen mid in Erftaunen! 

Bianca. Ob Das, was ichgeſprochen, er ſt a u⸗ 
nenswe rth ſey, weiß ich nicht; aber daß ih Wahr⸗ 
beit ſpreche, weiß ih, und bin erböthig, es Ihnen 
heller als dieſes Mittagsliht zu mochen. 

Großh. (mit Eifer. O ſo beſchwore ih Sie, es 
zu thun: ſchwöre Ihnen, bey Allem was heilig iſt, 
‚ Eann ich anderd bey Ihrer Heirath Liebe und Pflicht 

‚verbinden , fo fteht ed nur bey Ihnen, die morgente 
Sonne als Sroßherzoginn von Toscand untergehen zu 
ſehen. 

Bianca. Wohlen, fo faſſe ich Sie dann beym 
Worte! Wiſſen Sie hiermit, daß bie uͤnglückliche, die 
jetzt vor Ihnen ſteht, auf deren unedle Geburt Sie 
freylich mit vieler Wahrſcheinlichkeit von dem Staube, 
aus dem Sie uns erhoben, ſchloßen, als die einzige 


Tochter des venetianiſchen Senator Capello geboren 
ward; eined Edeln, deifen Nahmen Euer Durchlaucht 
fiher Eennen müſſen; deſſen Geſchlecht xeich ift an 
Männern‘, glei) berühmt in Krieg und Frieden. 

Großh. (eſtaunt.) Capello's Tochter, und Bo⸗ 
naventuri's Gattinn! 

Bianca, Der Liebe Allgewalt erniedriget eben 
fo oft, als fie erhöht. Mein Her; wählte nah dem 
Werth der Seele, bevor ih noch den Stand 
des Geliebten kannte. Aber ald ich Pietro Bonaven⸗ 
turi meine Hand reichte, entfagte ich Feinesweges den 
Vorrechten meines angefehenen Stammes: er bat, fere 
den längſten Zeiten ſchon, der erſten unter allen jetzt 
klühenden Republiken derühmte Häupter gegeben; bat 
ihr Helden geſhentt, welchhe Feinde zu überwinden, 
Üserwundene zu ſhonen, ſtolze Begner zu demütbi- 
gen, und jeder Männertugend nachzueifern wußten. 

Großh. Ich giaube es gern; aber fürſtliches 
Blut — — 

Bianca. Rollt in den Adern venetianiſcher Ge: 
natoren eben fo gut, als in ten Adern eines Königs! 
Sie, gnäligitersserr, entfheiden über Toscana’ä 
Schickſal; mein Vater und feine Vorfahren entſchie⸗ 
den durch ihre Stimmen oft über das Schickſal von 
drey Königreichen, über ein  weitläufiges 
Gebirth auf dem feiten Sande und über die ſtolzeſte, 
reichſte von allen Städten. — Segen fey mit Sloren; ! 
Es it eine Perle ın Staliend Krone; aber feirdem 
das fiele Rom von feiner Größe gefunken it, hat 
Feine Stadt fo viel Anſpruch, der&delfteinin Welſch⸗ 
lands Stone zu feyn, als Venedig, die Madtige, 
vorder Meere und Länder zittern. — Sie, mein Fürſt, 

tra⸗ 


tragen das Diaden Ihrer Staaten felbft; meine Vor: 

fabren, noch uneigennüßiger ald Cosmus, der große 
Mann! befeſtigte es auf der Stirne ihrer mütterli- 
lichen Republik, und behaupteten daſſelbe bald durch 
die Weisheit ihrer Rathſchlaͤge, bald durch Aufopfes 
rung ihres Blutes felbft. | 

Großh. Mehr als zu überzeugend für mich! Aber 
auch für die Menge?! — Iſt nicht ein mächtiger Uns 
terfchied zwifchen einem unbefhränften Monars 
hen und den Dienerneines Staats? 

Bianca. Nein, gnädiger Herr! Auch die Ca« 
pello’s waren nie einem andern Heren ald den Geſetzen 
unterthan; Geſetzen, die ſie oft ſich ſelbſt gaben! — 
Soll dieſe ein Fürſt nicht auch beobachten? Iſt er, 
und hieße er noch ſo unumſchraͤnkt, wenn er anders 
feine Pflicht erfüllt, mehr als des Staates erſter "Dies. 
ner? — Es gab Nömerinnen, melde die Hund von 
Königen ausfchlugen, weilihre Väter über das Schick⸗ 
fal von Konigen entfhieden. Es gab Venetianerin⸗ 
hen, durch deren Hand Monarchen ſich ‚geehrt zu ſeyn 
dünften. — Hat auf Catharina Cornara’s Haupt 
nit fhon die Krone von Cypern geglanzt? Iſt es 
nicht mehr als wahrſcheinlich, daß feldit der Fürſten⸗ 
but auf Ihrer Stirne, gnätigfter Herr, nur durch die 
Stimme einiger Capello's glänzt? 

Großb. (auberſt erkaune.) Der Fürftenhut auf 
meiner Stirne durch Die Stimme einiger Capello's — 
Befte Bianca, wohin treibt Die Ihr Geiſt? 

Bianca. Eic haben Recht; es iſt der Geiſt die 
ner Benetianerinn, ver aus mir fpridt; Abel 
ih wundere mich, nice ganz in Ihnen den Geiſt des 
erfiern Cosmus zu finden. 

Meißners Bianca Cap. 2. IH 6 


Großh. (wie vorhin.) Des erjtern Cosmus? Mahre 
lich, Signora, ih muß Sie bitten, minder undeute 
ih für mich zu feyn. 

Bianca. Eo hat mein Fürft wirklich des Zeits 
puncts fdon vergeifen, ald fein großer Ahnberr, vers 
bannt durch feine Neider, aus Florenz nah Venedig 
flüchtete? Als die Großmuth unferer Parrizier, und 
vorzüglich der Capello's, *) jenes edeln Verbannten 
fih annahm! Hat Er vergeffen, daß Venedigs Rath 
vorzüglich den Triumph bewirkte, mit welchem Cos⸗ 
mus jurüd in feine Heimath Eehrte, und die rufe 
beſiieg ‚ auf der ietzt noch ſein Urenkel mit verſtärktem 
and verdientem Glanze herrſcht? 

Großh. Bey Gott, ich vergaß Deſſen, und 
fhäme mid nun! 

Bianca. Wenn Ihre Unterthanen jeßt den 
Sürften ſegnen, ber fie gefürchtet im Arieg und fiher 
im Frieden macht; wen verdanken Eie die Glück? 
Venedig Senat! Wem verdankt es Großherzog Franz, 
daß er vonregierenden Häuptern abitammt und ſelbſt res 
giert Wenedigg Senat! Welchen Vorwurf können 
die Slorentiner ihm machen, wenn er, der Enkel des 
Erretteten, die Enkelinn jeiner Erretter — doch ich vers 
geffe mich; vergefle, daß wohl Sie um meine liebe 
warben, aber nicht ich um die Shrige; daf Zie meine 
Vertheitigung des Rechts wohl gar fur eıne Zudring⸗ 
lichkeit halten Eönnten, die mich vor mir felbit ernie« 





) Auf die wehre Geſchichte bezeugt: Daß der ältere Cos⸗ 
mus, Derienige, dem zuerſt Das Haus Medicis feiner 
wabren &röße Grund verdankte, feine Wırdereiufenung 
Yorzüglih durch Venedigs Senat bewirkt babe. 


ven 35 0000 


drigen würde! Genug, Sie kennen nun Gavello’s 
Zochter ; und verbannen Sie Diefe auf das fchimpfs 
Iıhfte aus Shren Staaten, wenn fie fih ibrer Äls 
tern unwerth beträgt; wenn auch die glangentften Vers 
fprehungen , wenn Franzens ganzes Großherzogthum 
ohne feine Hand fie reizt! 

Großh. So nehmen Sie dann, fhönfte Bianca, 
diefe Hand! Toscana's Großherzog biethet fie feiner 
füritlihen Braut. Ihre Gründe befiegen eben fo mäch⸗ 
tig ſeinen Verftand, als Ihre Reize feine Sinne und 
Ihre erhabene Seele fein Herz längſt beſiegt haben. — 
Darf er ald Bräutigam nun um den Kuß ber Vers 
lodbung bitten? (@ie umarmend.) 

Bianca. Er darf es, und findet Erwiederung ; 
aber aud nur ald Brautigam! — (Da er eine Menge 
Küſſe auf ihre Tippen drücke, ſich endlich aurüdbeugend.) Prinz! 
Prinz! nennen Sie Das einen Kuß? 

Großh. md ift einKuß dem Heißverliehten etwas 
anders, ald Meerwaifer dem Durftigen? es reizt noch 
mehr den Durft, es ſtillt ihn nicht. 

Bianca. (lächeind.) Ey, warum ſagten Sie mir 
Dieß nicht eher? Es wäre für mid) ein Grund mehr 
gewefen, auch diefen Einen, aus Mitleid gegen Sie 
ſelbſt, Ihnen zu verweigern. — Aber freylic find wir 
Frauen immer die Beute männlicher Lit. (Ihn artlich 
umarmend.) 

Großh. (runken vor Freude.) Bianca, meine Bian⸗ 
ca! Wunder der Schönheit, und auch der Zugend ! 
des Verfiandes und der Beredſamkeit Wunder! Bey 
Ihnen ſteht ed nun, den Tag ſich zu erfiefen, wo Flo⸗ 
venz Fürſtenſchmuck Lie zu der erften Florentine⸗ 
sinn, und mic der Schlummer in Ihren Armen zum 

on - C 2 


wre 56 mem 


glücklichſten aller Erdenſöhne machen fol. Zwar febe 
ich fie ale — bie Hinderniffe, die fi mir entgegene - 
fielen werden. Aber ich bin ein Werlobter, und bin 
ein Fürſt; laßt Den hertreten, der etwas dagegen zu 
fprechen Bat! 


% 





= 


Der Vorhang falle über den Verfolg biefes Ges 
ſpraͤches! — Nicht, als ob Franz und Bianca irgend 
etwas gethan oder gefprochen hätten, wobey die Ge: 
genwart eines Engels, oder auch umgekehrt, die 
Gegenwart der Verleumdung ſelbſt, ihnen furdts 
bar hatte feyn können. Doch die Eeligfeit zweyer Lies 
benden, die zum eriten Mahl ſich wechfeljeitig für eine 
ander au fſchließen, bar der einzelnen bedeutungsvols 
len Sylben, hat der redenden Blicke fo viel, daß, bey 
MWiedererzählung derjelben, Abbreden — und Schwei⸗ 
gen der befte Theil feyndürfte. Genug! Drey odervier 
Stunden entflogen den Glücklichen, als wären ed eben 
fo viele Decunden. Endlich mußte doh Bianca — fo 
ſchwer e8 ihr anfam— den Großherzog erinnern: ob es 
nicht vieleicht fehicklich feyn dürfte, in den Zirkel feiner 
Staatsgefchäfte zurück zu Eehren; und fie trennıen ſich 
unter Küſſen, unter wechfelfeitigen Schwüren — fi 
bald nicht mehr zu tfennen. 

Sranzens ganze Seele hatte fi in die wenigen 
Worte: Laßt bertreten, mer dagegen etwas zu fpres 
chen hat! zufammengedrängt. Gleichwohl, aldernun, 
von Bianca entfernt, ein halbes Scundchen in feinen 
Gabinett eınfam hinbrachte; als er überdachte: war er 
verfproden, worauf er Hand und Schwur ahgelent 
babe? da Fonnte er fih doch nicht einıger ſchwan⸗ 


; 
Eenden Einwürfe gegen feines Lebens Elnftigen Plan 
ganz erwehren; da fraate er doch ein Paar Mahl fi 
ſelbſt: Habe ih auch recht nebandelt ? Werde ih auch 
halten können, was ich zufagte? Zwar die mehreften 
dıefer Zweifel flohen ſchnell wieder in ihr Nichts zu⸗ | 
rück: aber einer hielt Doch langer Stand; denn er war 
tiefer gegrlindet, alt bie Übrigen alle zufammen. 
Unter Cosmus Söhnen war Franz zwar ber Erfte 
geborne, doch nicht der Einzige, ihn lißerfebende ge: 
wefen. Er hatte noh zwey Brüder, Kerdinand und 
Pietro mit Nahmen. Der Letztere, fchon ſeit mehre— 
ven Jabren Genexal ih ſpaniſchen Dienſten, hatte eben 
dadurch gleichſam förmlichen Abſchied von ſeinem Va— 
terlande genommen. Im Kriege und Kriegsgetüm— 
mel ſchien er höchſt felten oder gar nicht mehr an 
feine Blutsverwandten und’ feine Geburtsſtadt zu 
denken : feinetwegen durfte der Großherzog feine, 
Furcht und Fein Bedenken ſich -anwandeln laſſen. 
Aber ganz anderd war der Fall mit Berdinand, 
dem Zwepten unter Cosmus Söhnen. Auch ex war 
Medicaer — im weiten Verftande des Wortes; au 
ihn hatte die Natur keineswegs in einer ihrer fargen 
Augenblicke hervorgebradt. Denn edel war die Form 
feines Geſichts, ftolz der Bau feines Körpers, voll 
Anlage zum Gefühl des Großen und Schönen feine 
Seele. Doch viel hatte an diefem Letztern das Gift 
der Schmeichler, denen er früßzeitig Ohr und Herz 
aufthat, mehr nod) fein unbegrenzter Ehrgeiz verderbt. 
Schon ald Anabe in Geheim überzeugt, daß ihm Uns 
recht gefhehe, weis er nur — der Zweptgeborne fey, 
batte er ſtets mit Neid auf feinen Bruder geblickt, 
hatte höchſtens nur dann brüderliche Liebe geheuchelt, 
wenn er, verſchwenderiſch in feinen Ausgaben, praͤch⸗ 


tig in feinen öffentlichen, mollüftig in feinen geheimen 
Ausgaben, wieder ein Mahl mit den Renten nit 
auskam , die fein Water ihm Beftimmt hatte. Frühzei⸗ 
tig zur Kirche beſtimmt, ald ein unmüntiger Nüngling 
ihon mit dem Purpurhut der Cardinals, Würde ges 
ſchmückt, war ihm zwar der Weg zur drepfachen Kro⸗ 
ne — zu derjenigen erhabenen Etufe, die ſchon zwey 
Medicäer beftiegen hatten — eröffnet worden. Dennoch 
behielt er ſtets die weltliche Füritengröße feines Haus 
fes ın Blick und Wunſch; harte lieber jetzt fhon zw 
Florenz, als vielleicht derzinft in Rom geherrfht. Eben 
deßhalb ſtrebte er fters nach Beybehaltung eines Eräfs 
tigen Eınfluifes in feiner Vaterſtadt; fuchte jede Eleine 
Unrube allda, jedes gährende Mißvergnügen anzus 
ſchüren und zu vergrößern ; galt immer für das beime 
liche Haupt einer beträchtlichen Partey von Unzufries 
denen ım Staate. 
Nur zu gut war Großherzog Franz mit allem 
Diefem befannt. Ecerzend pflegte er oft zu einigen 
feiner Vertrauten zu fagen: „Und wenn auch Alles 
„an mir meinem Bruder Ferdinand mißfällt, wenig⸗ 
„itens tt er Damit zufrieden, daß ih noch — Einders 
„los bin!” — Daß ein folher Bruder über eine neue 
Ehe Eein fonderlihed Wohfgefallen äußern, und daß 
ev zumahl über eıne Ehe diefer Art bittere Mißbilli⸗ 
gung bezeigen werde, Beydes war Franzen einleuch⸗ 
tenter ald Tageslicht. Daß Liefer Unwille bis zum 
öffentlihen Ausbruch fortfchreiten würde, war wahr: 
fheinlid; und daß der Unruhftifter dann Gefaͤhr⸗ 
ten feined Widerſpruchs, Theilnehmer feiner gewadt⸗ 
thäatigen Plane finden, daß der von ihm angeflimmte 
Son des Spottö und der Vorwürfe auf einen großen 


— 39 — 
Theil der allgemeinen Menge übergehen werde, war 
beforglid. Bruderzwift, Volksunwille, Staats⸗ 
jerrüttung — alles Dieß konnte der milde Franz ſich 
nit obne Abſcheu denken. Die Liebe mußte daher 
bier ihre ganze Kraft aufbiethen, um zu fiegen, und. 
fie that es im vollften Bewußtſeyn ihrer Macht. „Bir 
„ih nihe Flirſt und Mann? Sf Bianca nicht die 
„Krone der Srauen®” fo rief Franz abermahle und 
war — entihlojfen. 

Am nadhften Morgen berief er in möglichiter Frühe 
feine geheimen Rathe, und machte fen Vorhaben ihnen - 
Eund. Alle ftzgten, ſtarrten ihn an, verbeugten ſich 
und? — fchwiegen. Ein Einziger wagte doch feinen 
Empfindungen Worte zu geben. Philipp Mopdefini, 
hieß er, ein Greis, der fhon unter Cosmus Herr⸗ 
ſchaft für einen eigenfinnigen, unbiegfamen Starr⸗ 
Eopf gegolten hatte, unmwandelbar bey Drohung und 
Verluſt, unbeſtechlich durch Schmeicheley uny Gold, 
lauter in Worten und Thaten, wie ein ungetrübtes 
venetianiſches Glas; aber auch unverſöhnlich bey Bes 
feidigungen, unerbittlich. bey fremden Fehlern. „Er hatte 
ſchon drey Frauen verftoßen, und feine einzigen zwey 
Söhne enterbt. Er hatte dem Cosmus manden Rath 
ertheilt, den man im Verfolg richtig und weife ers 
fand, doch äußerſt felten einen, der gleih Anfangs 
gefiel. Auch unter gegenwärtiger Regierung war man 
daran gewöhnt, ihn oft widerfprechen zu hören, aber 
fait eben fo oft — nicht auf ihn zu achten. Mehr 
noch als gewöhnlich ſchüttelte erjegt fein greifes Haupt, 
ſprach noch heftiger als forft gegen diefe Verbindung. 
Er ſchmaähte nicht etwa auf Bianca's fledenlofen Char. 
rakter; er beſtritt es nicht, aid Franz ausrief: eine 


moon 40 —R 

Seele dieſer Art adle mehr als die Abkunft von zwan⸗ 
zig Königen und als das Erbtheil von ſieben Fürſten⸗ 
thümern! Aber er blieb feſt und kalt quf der Behaup⸗ 
tung: ein Regent müſſe, in der Wahl feiner Gemah⸗ 
finn: felbft ouf die Vorurtheile der größern Menge: 
achten; und fen vielleiht ein Herr über Alle, aber 
nicht über jih feldft. — Nabe war Franz an Unwil⸗ 
len und Zorn; doch bald füßte er fich wieder; er dankte 
dem greifen Modeſini für feine gutgemeinte Wärme, 
und — blieb auf feinem Entſchluß. 

Eine Bierreiftunde nah entlaffener Rathöder⸗ 
. fommlung war ſchon die große Neuigkeit; daß Bianca 
Bonaventuri beftimme fey, Thron und Lager mit dem 
Großherzog zu theilen, durch alle Straßen, alle Rins 
kel von Florenz erfhollen. Cie lief fort mit der Ge» 
fhwindigfeit des Lichtſtrahls und des Blitzes; aber fie 
übertraf dieſe zwey merkwürdigen Naturerfheinungen 
noch an Mannigfaltigkeit ihrer Wirkung. 

Abraham geſtand einſt: daß er nicht vermögenb 
ſey — die Sterne zu zählen. Er würde noch verleges 
ner geweſen ſeyn, hätte er jekt in Die Kerzen ber Höf⸗ 
finge fhauen, und den Miſchmaſch ihrer Gefühle bes 
ſchreiben follen. Zwar fhien auf After Geſichtern bie 
Iebhaftefte Freude zu glänzen: aber überall war es 
nur ein gebrochener Widerfchrin des Neides, ber Eir 
fegfucht und zwanzig verſchwiſterter Eigenfchaften ihrer 
beimtüdifhen Seelen. Wohl hundert von Florenz 
fhönften Damen wurden in der nähften Nacht ges 
fährlich krank. Mondragone's Gattinn mißhandelte 
thätlich in der erſten Hitze ihren Gomahl. Er litt Alles, 
denn er war verloren in dumpfem Erſtarren. So weit 
follie das Weib es bringen, das er einſt unterm Schin⸗ 


won Ai mem 
deldache wobnend fand! Sie, der feine Gemahlinn 
die erften Kleider borgte, fie glänzte jegt im großs 
berzogfihen Purpur! Mahriih, Das war mehr, alt 
er ſelbſt im Ttaume befürchtet hatte.’ 

Indeß fammelte aller hoher und niederer Adel 
fi eilends in Bianca's Pallaft zu Glückwünſchungen 
und Empfehlungen. Man ftaunte, ald man in ihrer 
-Miene noch ganz die vorige Befcheidenheit fand. Man 
ftaunte nody mehr, als fie in Aller Gegenwart ihren 
durdblaudtigften Bräutigam, der ihr verliherte, daß 
Alles fhon auf morgen bereit fey, innigft Bath: we⸗ 
nigitend noch einige Tage diefe Feyerlichkeit aufzuſchie⸗ 
ben, damit ihr Vater erft davon benadhrichtiget werde. 
„Er hatte zeither, fprady die Holde, des Grams um 
mich fo viel. Es iſt billig, daß ich feiner nun aud 
vor allen Andern gedenke, da er noch Freude erles 
ben fol.” 

Ungern willigte Franz in den Auffchub; doch gab 
er fi endlich darein. Noch diefen Abend machten fich 
Abgeſandte an Capello und an den Rath zu Venedig 
auf den Weg. Es waren Baitfreunde des. Erftern, 
gran geworden in Toscana's höchſten Ehrenitellen; 
Mario Sforza und Antonio Tucci mit Nahmen. Um 
die greude des Waters durch Überrafchung zu verſtaͤr⸗ 
fen, erſchienen fie als bloße beſuchende, durchreiſende 
Fremde. Capello empſing fie detg zärtlider, da er 
fhon feit zwanzig Jahren fie nicht mehr gefehen hatte. 
Nach einem freutigen Mahle führte er fie in feinem 
Pallaſte herum. Allenthalben ſchien hier Lie. Pradıt 
eines unbefchranften Zürften zu ſchimmern. Erft ganz 
zuletzt führte er ſie in eine Bildergallerie, beitchend 
aus den Arbeiten der treiflihften Meiſter. Eine eigene . 


l 
mern 42 — 
Abtheilung derfelben war den Gemaͤhlden feiner Ahr 
gewidmet. Eine lange ehrfurchtswerthe Neihe! G 
rauıne Zeit fanden die Fremden und ſchauten, ehe 
ihr Urtheil darüber fällten. 

Sforza. Wahrlich, Signor*) Capello, fiüı 
nicht Stolz; — er ſtehe auch, wo er wolle — imu 
am unrechten Orte; ich würde es dem erlaudten Ha 
der Capello nicht verdenfen, wenn ich Spuren die 
Denkart bey ihm antrüfe. | 

Cap. Warum uns minder, ald Anbern? . 

Sforza. Diefer Gallerie wegen! Die Gefchid 
Venedigs nennt ihren Nahmen mit Ruhm auf jei 
Seite ihrer Sahrbücher ; aber ſchwiege fie auch ge 
davon, doch würden Fremde, fo bald fie nur bi 
Gemählde Ihrer Ahnen fähen, keinen Augenblick I 
ger zweifeln, daß dad Haus der Capello ein groß 
edles Haus, ja eines der edelften fogar in ganz Welf 
land feyn müſſe. 

Cap. Sie find fehr gutig! 

Tucci. Wir find nur gerecht! und mein Freu 
Fam nur einen Augenblick früher im Lobe mir zum: 
— Noh fah ih nie eine Gallerie, diejer glei. 
Geſicht von jedem diefer Männer die Züge böcfl 
Edr'maths; jede gran eine Schönheit. MWeiberreiz u 
Mannerwürde überall in nachbarlicher Verbindun 


*) Ich weiß fehe wohl, daß ein venetlanch.e Senator 
fu ſehr üdel genannten baden wurde, men Man | 
nur S'onor, und nicht Ercellenz : angeredit hätte, M 
gezen alle dergleichen Lächerlichkeiten des Coſtums fünd 
ich mit ẽleiß, 


Was Eann ein Geſchlecht, ſelbſt wenn es ein fürftfis 
ches wäre, mehr fih wünſchen? 

Sforza. Und doch verzeihen Sie meiner Nens 
gierde, Tiebfter Freund, wenn id, Troß dieſer vielen 


jegt gefebenen Gemählde, noch über ein ungefehene® 


Sie befrage. 


Cap. uͤber ein ungefehenes? Was meinen Sie 


damit ? | 

Sforza. Diefes hier! (Indem er mit dem dinger 
mad) eiver Ede bin deutet.) Warum verhüllt dieß Einzige 
ein afhgrauer Vorhang? Es fteht fo dicht neben Ih⸗ 
nen ; wahrfdeinlid muß ed daher eine Perfon vor 
fielen , die Ihnen nabe verwandt war , oder ift. 

Cap. (mit dem Tone des Schmerzeht.) Ja wohl und 
leider fteht fie dicht bey mir! Ra wohl war fie leider 
mir nabe verwandt! 

Tucci. Leider? Warım Das? 

Cap. (mit herzlichem, halb teanrigem Tone.) Meine 
Sreunde, ich empfing euch fo fröhlich; dieſer feltene 
Beſuch erinnerte mih an das Glück unierer Jugend, 
an ale die zahlloſen Augenblicke ehemahls genoifener 
Freuden; ganz beitimmte ich daher diefen Tag der Hei— 
terkeit. — Laßt ihm diefe Beſtimmung! Meine alten 
Augen mölbten heute nicht gern weinen. 

Sforza. Verzeihung, Eignor! Hatten wir Das 
gewußt, wir hätten geſchwiegen. — Aber wahrlid, 
die Thräne — — 

Cap. Steht fhon in meinem Auge! Ich fühle 
ed ſelbſt. — Nun wohlan, der erſtern möͤgen auch 
mebrere folgen! Indem er den Vorhang wegzieht. So 
feht denn das Bild, das diefer Vorhang deckt; das 


— wen 44 mer 


nächſtens bald ganz von diefer Stelle weggenommen 
werden fol! — Wie gefällt ed euch? 

Tucci. Eine wahre Grazie ! 

Sforza. Der Schönheit und ber Sanftmuth 
Bild! 

Cap. Und doch das Bild des Trugs! 

Tucci und Sforza (als vrſtaunten fie.) Und des 
‚Zeugs?! 

Gap. Biancad — meiner Tohter — meiner 
geweſenen Tochter Bild — meines ehemahligen- ein» 
jigen Kindes! — O daß von mir und von dieſem 
Meibe (auf feiner Gemahlinn Bildniß geigend) — daf une 
ter einem fo bimmlifhen Anſchein ein Geſchöpf ges 
boren werden Eonnte , welches die Ruhe feines Waters. 
fo unerjeglich zertrümmern, ihn zwanzig Sjahre vor . 
ber Zeit der Grube näher bringen Eonnte! 
BSGSforza. Aber was that fie denn, das eine fo 
tiefe Trauer verdiente ? 

Cap. Ab, fie war mein Stolz, meine Hoff⸗ 
nung! Wer fie ſah, pries fie ald Venedigs Zierde ! Wer 
fie fab und hörte, pried mich ald der Väter glückliche 
ften. Die hatte noch ein Wort von ihr mich betrübt; 
nie hatte ein Blick von mir fie je befirafi. — Da — 
da Eam das Alter der Liebe; und ihre Liebe verirrte 
ſich; da — — (er ſchweigt eine Minute, endlich mit Schluchzen 
mühſam fit fafiend.) Kurz! die Buͤbinn floh mit ihrem Ver: 
führer. Nichts hab’ ich ferner von ihr geiehen, nichts 
von ihr gehört, (auts Her wenend) defto mehr hier em⸗ 
pfunden. 

Sforza. Arıner Breund! und wer war denn der 
Mann oder der Sungling, mit dem Ihre Tochter 
entjlod 3 


un 45 „even 

Cap. Einer der geringften im VolE — ein Hands 
lungsdiener der Salpiati. Schon die Liebe zu ihm 
war Schimpfes genug fir Capello's Tochter; — aber 
auch zu entfliehen mit ihm! von einem Vater 
zu entfliehen, der fo heiß fie liebte! fo heiß, daß, 
bat!e er gewußt — — (fodt ein Paar Secunden, dann 
mit geänderten Tone.) Mein! Nein! ic will nicht fügen; 
Das hätte ich nie erlaubt, Lieber hätte ich ihr Auge ges 
fhloffen, ald ıhre Hand fo entehrt gefehen! — @en 
Vorbang zugiehend.) Weg mit dir! Du warft nie meine 
Tochter! Mein Weib betrog oder ward betrogen!. Dein 
Loos fey dag Roos jener Elenden, die — — 

Sforza. Halten Sie ein, Signor Gapello! 
Shmähen Sie nicht auf Ihre Gattinn, und nod 
inftandiger bitte ich, fluchen Sie nicht Bianca’n ! Sie. 
Eann allerdings des bittern Grames viel Ihnen gemacht 
haben; aber leicht möglih, daß fie auch der Freuden 
nody mebrere Ihnen Eiinftig erzeuge! 

Cap. Sie mir Freuden? — Sie mir? Sie, 
die Entlaufene! die laͤngſt Verwefene vielleicht ! ha! 
ba! ha! — citter.) Zwar was geſchieht nicht Alles $ 
Hatte ichs je gedacht, daß ich laden würde bey der 
Erinnerung an diefen Unfall? — Meine Tochter, meine 
einzige Tochter, und die Gattinn eines Mannes ans 
der Hefe des Volks! Eines Mannes, vom Schickſal 
ſelbſt zum Elend und zur Niedrigkeit verdammt! 

„Sforza (Ccchnell diefe letzten Worte faffend.) In 
Elend und Niedrigkeit geboren vieftridt, aber nicht 
deßwegen auf immer dazu verdammte! Mit großen 
Gaben aufgerüftet — und Das mußte der Mann ja 
wohl ſeyn, der einer Bianca gefallen Eonnte! — hob 
fhon fo Mancher fih aus dem tiefiten Staube zu des 


Staates hoͤchſter Würde empor; war freylich der erfte 
Edle feines Stammes; aber, unpartepifh betrachtet „ 
‚um fo edler durch ſich felbft, da Eein Ahnenverdienſt, 
das zufälligfte aller Güter, ihn unterffügte. — Wenn 


nun, zum Beyipiele, der entflobene Bonaventuri an. - 


irgend einen fremden Hofe fi bemerkt zu maden, die 
Gunſt des Fürſten ſelbſt zu erwerben gewußt hätte; 
wenn er jetzt, bingerafft durch einen frühen Tod, 


feing Gemaplinn als Wirwe, aber im Anfprudhe auf - 


jedes Glück binterliefe; würden Ste aud dann Bian⸗ 
ca'n nicht vergeben? Sie nit wieder Ihre Tochter 
nennen? — Sie flarren mih an, Signor? Unfere 
Reden dünken Ahnen abenteuerlih ? Wohlan, fo 
finte nun die Hülle, die ſchon laͤngſt für mic) faſt allzu 
läſtig ward! Wiſſen Sie, Alles, was ich zur Zeit nur 
bedingungsweife, nur ald Möglichkeit vors 
trug, it — Wirklichkeit. Eben die Bianca, um 
die Die fo lange getrauert haben, lebt noch; lebt 
Ihrer würdig; tt fhon feit geraumer Zeit des floren« 
tinifhen Hofes hoͤchſter Shmud; und Bonaventuri, 


fo bitter von Ihnen verachtet, war unfers glorwürdig⸗ 


fien Süriten erflärter Günſtling. 

Cap. (fib niederfegend, da er vor Erfiaunen fih nice 
mehr autscht halten Bann.) Iſt Dieß Trug eined Zraus 
mes oder Naufchest — Diefe frohe Bothſchaft — — 

Tucci (enfallend.) Iſt doch nur der Eingang zu 
noch froberen Borhihaften. — Schon ſeit Jahresfrift 
u Bonarenturi todt, und binnen wenig Tagen wird 
Bianca ıyren Witwen-Schleyer mit dem großberzogs 
lichen Purvur von Floren, veriaufgen. — Wir felbit 
erſcheinen, von dieſem Augendlick an, hier nicht als 
beſuchende Freunde, ſondern als Geſandie unſers Mo⸗ 


narchen und feiner fürftlichen Braut, mit Auftragen 
an Vater und Vaterland. ' 

Cap. (aufſtehend und feine Haare ſchü tteind.) Mein, 
Freunde, dieſe greifen Locken, ben Gott ſchwöre ich 
es euch! mir Ehren find fie weiß geworden; ihrer 
fpotten ıft Sünde. 

Sforza. Werde fie fo hart beftraft, ald Suͤnde 
‚genen den göttlichen Geift; uns trifft doc diefe Strafe 
nicht. Denn daß ih Wahrheit gefprochen, davon wird 
den DBater unferer Durchlauchtigen Fürftinn dieſer 
Brief gar bald Uberführen. (Eine ibm einen Brief.) 

Cap. Ja, ja, it — eb ift ihre Hand! — 
MNachbem er es gelefen, mit aufgehobenen Augen und Händen.) 
Allgewaltiger Gott, dein ift die Macht und die Herr: 
‚lichkeit! Todte Fannft du erweden, und Lebendigtodte 
Eannit du hoch zu Ehren bringen. O bu, der du dies 
fen abgefpannten Nerven noch ein Mahl des Lebens ' 
höchſte Wonne gönnen wollteſt, gonne mir. nun. auch 
Kraft genug, dieſe Wonne zu tragen! Du gibft 
“ mein Kind mir wieder; ſehen laß mich fie noch, und 
wäre ed auf Minuten nur, und dann fterben! — (ber 
ausrufend.) Pietro! Marco! (zwen Bedienten ehfcheinen.) 
Man pade fogleich meine Eoftbarften Kleider und Sa⸗ 
pen ein! Bereite Alles zu einer Abreife mit dem frühe: 
fien Morgen! (Bediente ab.) 

Sforza. Nur daß Ihr Alter — — verzriben 
Sie meiner Sorgfalt, Signor — — 

Cap. Sch muß fie fehen! ih muß! — Sie war 
mein theuerftes Kind von erfter Jugend an. Als ihr 
einziger Bruder farb, tranerte ih minder um fernen 
Tod, ald nachher bey ihrer Flucht. — Ich muß jie 
fehen, und wenn diefe Wonne mich tödten fellte! Jede 


wen 438 — 


Stunde Verzug dünkt mir Einbuße und Vergehen. — 
Und du hinweg, (den Vorhang wegreiffend), daß ihr Bild 
wieder werde, was ed ebemahls war, bie Zierde meines 
Hauſes; die Wallfahrı jeves Fremdlings! daß wieder 
— — Verzeiht, meine Freunde, verzeiht meiner 
Verwirrung ! Ihr wißt ja, das kein Waſſer ſtaͤrker be⸗ 
rauſct, als die Thraͤnen der Freude. 





Mit Sonnenaufgang reiſete Capello nach Florenz 
ab. Die Geſandten blieben zurück und übergaben das 
Schreiben ihres Fürſten im vollen Senate. Stimmen 
der Verwunderung fhollen von jeder Seite ber, als 
es verlefen wurde. Viele mifigönnten wahrſcheinlich 
dem Geſchlechte des Capello diefes glanzgende Geſchick; 
doch zögerte der Senat nicht, fi wenigitens ſchein⸗ 
bar über die Ehre zu erfreuen, die einem aus ihrem 
Mittel durch Bianca’! Erhebung widerfahre, und 
Franzen für die Freundſchaft zu danken, mit welder 
er Diefes ihm Fund mache. Un auch jo viel ald möglich 
Gleiches mit Gleichem ;u vergelten, ward Bianca für 
eine Tochter der Nepubli erklärt; eine Ehre, 
die fonft nur Königinnen widerfuhr! Anfehnlihe Ges 
ſandten überbragten ihr diefe Ernennung und den 
Glückwunſch des Staats. Die feyerliche Vermaͤhlung 
folgte gleich darauf. Ganz Eurova bezweifelte Anfangs 
die Wahrheit des Rufes, und pries dann Biauca 
glücklich; nur Franz geitand laut, daß er durh den 
Bejig einer jolgen Gattinn ſich noch weit glücklicher 
fühle. 

Bald bewies auch das Berragen Bianca’, Daß 
das Lob und Entzücken ihred Gemahls nicht ein dloßer 

Tau⸗ 


wen BQ wie .. 

Zaumel verblendeter Riebe, feine Wahl nicht bloß bie 
Wahl eines reizenden Körpers gewefen fey. Tauſenb 
edle, bisher noch verſteckt geblieberie Eigenfchaften ſtrahl⸗ 
ten nun in ſo vollem Glanze, daß ſelbſt die Fürſten⸗ 
Würde, nach dem Urtheil unparteyiſcher Richter, kaum 
mehr für ein Geſchenk des Schickſals, ſondern nur 
die Abtragung einer alten Schuld gelten 
Eonnte: — „Du haft die Schönheit ſelbſt auf den 
Thron erhoben!” fo batten die florentinifhen Dichter 
ihrem Großherzog bey feinem Beylager zugerufenz 
bald festen die Geſchichtſchreiber weit rühmficher,, und 
minder figürlih, hinzu: „und nileich mit ihr auch 
die Tugend!” 

Von nun an flüchteten ſich zu Bianca alle Diejes 
nigen, die in Florenz Bedrücdung fühlten, oder nur 
zu fühlen glaubten; vor ihr enthüllte ſich Manches, 
was felbit Franzens Augen entging; der eben feiner 
Mildigkeit wegen öft allzu fehr auf feinet Diener Treue 
ſich verließ. — Wer unter dem Drude Mondragone’s 
oder eines andern Höflings ſchmachtete, übergab Bian⸗ 
ca feine Bittſchrift; wer Im Staube und umverdienter 
Armuth feufjte, ſuchte bey ihr Unterftügung; Jener 
fand dann Redt, und Diefer fat immer Hüffe; fand 
fie um defto williger, ‘je öfter Bianca fi) daran erine 
nerte, ehemahls felbft arm gewefen zu feyn. Scharen 
umringten ihren Wagen, wenn fie ausfuhr, und nanrig 
ten fie Mutter. Man pries fo unbegrenzt ihre Güte, 
daß felbft ihre Edrperlichen Reize — obſchon ein« 
jig in ihrer Art — doch für gering gegen ihre geifti- 
gen galten. Allgemeiner Neid hatte ſich bey ihrer faſt 
fabelhaften Erhebung fhon im Voraus zur Verleum⸗ 

Meißners Bianca Gap. 2.261. D 


dung gerüſtet; aber eben diefe verſtummte beynahe 
eher noch, als fie anhob, und feldft die Böſen und 
Heimtückiſchen, verbannt von Bianca’ qAnblick, begnüg« 
ten fih nur in Geheim zu murren. 

Eie ging fo weit, daß fie Kranken und Dürftie 
gen niche nur Unterſtützung fandte, fondern aud 
oft in verfiellser Kleidung brachte; daß fie die dans 
Eenden Seufzer der Geretteten, oder der im Tode noch 
Erquickten felbft mit vernahm; und daß fie oft ihr Lob 
von Perſonen preifen hörte, die weit entfernt waren, 
in diefer bereitwilligen Tröfterinn die Großherzoginn 
zu vermuthen. — Ein Benfpivi ftehe hier von zehn 
Zaufenden! 





Unter allen Edeiſteinen liebte Bianca — wies‘ 
wohl fie nur aäußerſt festen fih zu fhmüden pflegte, — 
vorzüglich ben Rubin, zog ihn jelbft dem Diamant vor 
und hatte mit ihrem Gemahl oft einen foherzhaften 
Wortwechſel daruber. Einft daher, am Tage ihrer Ge 
burt, brachte ihr Franz beym Morgengruß ein Hals 
band von den auserlejenften Juwelen diefer Gattung 
zum Geſchenke. Lange vrerweilte das Auge der Fürſtinn 
mir Wohlgefallen auf dem mitteliten Stein, der von 
außerordentliher Größe und Gluth der Farbe war. 

„Ja, rief fie endlih, er ift fhon! Faum entjinne 
ich mich jemahls etwas Echöneres gefeben zu haben. 
Auch mag er wohl koſtbar — big zum Übermaß, für 
dad Auge des Kenners feyn; und do halte ich eitle 
Thörinn mid) für vermögend genug, ſelbſt diefes treffe 
liche Geſchenk dir vergelten zu Fönnen. 


wer Di een 

Großh. Allerdings! Ein: einziger Kuß beines 
Mundes — — 

Bianca: Nein, fo meinte ich es nicht. Aver 
wiſſe, ſeit vorgeſtern ſchon, mein trauter Gemahl, 
bin ich im Beſitz eines Schatzes, den ich bloß deßhalb 
noch verſchwieg, weil er mir es zu verdienen ſchien, 
nur an einem Tage, ſo feſtlich, wie mein heutiger | 
it, dir gefchenfe zu werden; eines Schatzes, deſſen 
inneren Werth gewiß alle beine Juwelen nicht Übers 
wiegen! 

Großh. (vermunderungsvon.) Wie? Und biefer 
Schatz würe? Ä 

Bianca. Dfein äußered Anfehen ift fehr gering! 
ieh, hier dieß leinene Tuch! ieh bier diefe Kleden, 
wie die Tropfen irgend eines eınfahen Wafers! Ers 
üthft du wohl, was ih meine! — ' 

Großh. Dann möchten die Hieroglyphen der 
Ägypter mir ein leicht herzuleſendes Alphabet feyn ! 

Bianca Wohl wahr! Aber bu entfinnit dich 
doch des Leonaro Pazzi? 

Großh. O ja, der Nahme eines Todfeindes 
ift eine Sache, die ſich nicht leicht vergißt! Bitterer 
und unverdienter haßt Satan die Gottheit: nicht, als 
Leonato das Haus der Meticis. Aber fern und flüchs 
tig irer auch ſchon längſt diefer Elende herum, der 
fonft mir und meinem Vater oft ziemlich nahe mit feı= 
nem Dolce gekommen ift. 

Bianca. Daß doch die vorfihtigfte Rache ims 
mer noch fo blind zu feyn pflege! Wiſſe, diefer angebs 
lich Herummrende war vorgeitern noch in Florenz. 

Oroßh. In Florenz? 

D 2 


eo. 52 . 


Bianca. Wille nod mehr! dieſe eigenen 5 
de, die Hänte deiner Gattinn, haben treulich das J 
rige beygetragen, feine Qual gelinder,, fein Elend | 
träglicher zu. machen. 

Großh. Bianca! 

Bianca. Daß du nidt etwa zuͤrneſt, bevor 
mich angehört und ausgehört haft! 

Großh. Sprid, ſprich! Nie wüͤnſchte ich fel 
licher, als jeßt, daß du ſchon geendet hätteft. 

- Bianca. So vernimm denn! — Mit bem Te 
der Warnung kam neulich meine vertrautefte Kamm 
frau zu mir und bath mid: dir anzuzeigen, daß % 
nato Pazzi fih bier verborgen halte. Auch mir a 
diefer Nahme zur Genüge ſchon bekannt und fürcht 
lich; raſch wollte ich daher fogleich zu dir eilen; ı 
nur aus Vorſorge fragte ib noch vorher: wo? ı 
wie er fi befinde? Sie antwortete mir: „In b 
Haufe einer ihrer Berwandtinnen und auf ben T 
krank. Geftern. babe er gebeichtet, und eben hier! 
babe man, dur Behorchung, feinen bisher verfchn 
genen Nahmen erfahren. Schon feit drey Woch 
fuhr fie fort, leide er die entſetzlichſten Schmerz 
wünſche zu fterben und vermöge ed doch nit; in e 
gen Augenbliden der Fantafie wären ihm die ſchreckl 
ſten Flüche auf dad Haus Medicis entfahren; a 
beym zurückkehrenden Bewußtſeyn verberge er fo 
faltig diefen Groll und Alles, was fonft den 9 
verratben könne.“ — Ein feltfames Genifh ı 
Schauder, Mitleid und Wuͤnſchen, mir felbft un 
klärlich, ſtieg bey diefer Erzählung in mir empor. | 
verboth meiner Kammerfrau das Fleinfte Wort von al 


von 55: men 


Dem ferner auszuplaudern; nahm einen einfahen 
Schleyer, und befahl ihr, mich Binzuführen. . 

Großh. Nun wahrlich — — 

Bianca. Es war ein Anblick, der das Se 
durchgriff! Ein Gerippe, ganz ohne Fleiſch, karg mit 
Haut bekleidet; das Geſicht eines ſchmerzlich Sterben« 
den; und doc) in feinen Augen noch Feuer und wilder, 
ftörrifcher Muth! In feiner Kraftlofigfeie felbft noch 
Spuren ehbemahliger Stärke! Wenn er.im Bieberfrofte 
mit feinen verlängerten Zähnen Elappte: wenn feine 
beinerne Hand langſam auf der wollenen Dede herun⸗ 
terfuhr,; wenn er immer Ruhe fuchte ung, deren nirs 
gends fand — — Franz, Branz, alle Folter eines 
Wuͤtherichs ift nichts gegen das langſame und dod vom 
Bewußtfeyn nicht verlaffene Abflerben einer weiland 
ftarken Natur. 

Großh. Gewegtt) Und zu einem ſolchen grauſenden 
Lager konnte meine edle, zarte Gemahlinn ſich wagen? 

Bianca. Wer von uns iſt ſicher, ſelbſt nicht 
dereinft“ auf ein aäͤhnliches zu kommen? Wann war 
der maͤchtigſte Fürſt unfterblih ?— Franz, da nannteft 
den Leenato Pazzi kurz vorher deinen Todfeind; aber 
ih bin gewiß, hätteft du in diefer Geftaft ihn erblidt, 
das Mitleid hätte ganz den "bisherigen Haß verdrängt. 

— Wenigftens mein Widerwille ſchwand dazin, wie 
Regenwaſſer, dad auf eine lodere Erde faͤllt; und 
was ich von Stund an than Eonnte, dad that ich auch 
redlich und gern, um ihm in den Wermuthskelch ſeines 
Todes wenigſtens eini, ſchmerzenlindernde Tropfen 
zu traͤufeln. Er erkannte es! Der Arzt hatte vorge⸗ 
ſtern ihm angekündigt, daß er dieſen Abend nicht mehr 
ſeyn wuͤrde; ich kam bald nach Empfang diefer gleich 


vvuvv 54 —X 


leidigen und freudigen Nachricht zu ihm; aͤußerſt ſchwach 
lag er ausgeſtreckt auf ſeinem Lager; auf ſeiner Stirn 
ſtand ſchon kalter Schweiß; aber er unterdrückte Wim⸗ 
mern und Achzen, und.zwang feine ſtammelnde Zunge, 
mir für die mannigfade, ihm erwiefene Sorgfalt Danf 
zu fagen. — Ich unterbrach ihn. Du rühmft mich fo 
ſehr, ſprach ich; würdeſt du wohl auch dann ein Glei— 
ches noch thun, wenn du wüßteſt, wer ich waͤre? 
Großh. Wohl gefragt! 
Bianca. Sey, wer du willſt, antwortete er; 
bu bift meine großmurhigite Wohlthaͤterinn. Selbſt 
wenn du zu dem grauſamen Geſchlechte der Medizäer 
gehörteſt, doch wurte ich dich ſegnen. — Nun wohl, 
Leonato Pazzu! — Erſtaunen trieb fein ohnedieß ſtar⸗ 
res Haar noch ſtarrer einvor, als er ſich nennen hoͤrte. 
— Nun wohl, veonato Pazzi, ſprach ih, fo ſegne 
mich dann! denn ich bin Bianca. — „Bianca? Bians 
ca Eapelo?” ſchrie er mit einer Stimme empor, die 
feine menſchliche Zunge nachzuahmen vermödte : 
„Bianca, Großherzog Franzens Gemahlinn 1?’ — „Ja, 
Die bin ih ? — Und dur EFannteft mi! — „Kannte 
dich langft! Ehe ih noch einen Schritt in dieſes Ger 
mach thai, wußte üb , wen ich barin antreffen 
würde.” — Nun, o Gott, — ſchrie er beynahe noch 
ftarfer old vorder — fo haft du alfo in Lucifers 
Geſchlecht einen Engel verbannt ? 
Großh. Richtig: fe mußte ein Pazzi fpreden. 
Bianca. Er fhwieg fürhterlih einige Augens 
blike lang. — „Weiß Franz, hob er wieder an, was 
dus thateſt 2” — Mein! aber er foll es wiffen, und 
wird jih freuen, wenn er es erführt. — „Er? Ha! 
der Verworfene!“ — „Such ihm nidt; du kennteſt 


won BE noson | 
nie Ihn Eennen; denn ihr ſeyd geerbte Feinde! 
Fluche ihm nicht, damit von Dem Nichterftuhl, ber 
noch in diefer Nacht deiner wartet, aud. dir Eein Fluch 
erihalle!” — Er ſchwieg abermahld. Die Pauſe eines, 
Orkans! Der Sturm bridt nun entweder ftärfer her⸗ 
vor, oder die Sonne zeigt fih. — „Unergründlid, 
rief er endlih, find deine Wege, ewige Vorſicht! Ich 
Eomme hierher nad Florenz, fo vermummt, fo ente 
ſchloſſen, fo gerüftet; und in der nahmfihen Stunde, 
da ich ausgehen und ihn niederftoßen will, wirft eine 
Krankheit mid auf's Qager, von der ich nicht wieber 
aufſtehe! Auf diefem Lager muß eine Medizäerinn, 
muß eben Diejenige,'die ih zur Witwe machen woll⸗ 
te, mich erquiden! Muß mid Eennen, und doch 
mir wohlthun! Alles verlor ih, Vaterland, Güs 
ter, Ehre, meinen Nahmen fogar; und nun fol 
ih aud aufgeben, was länger ald mein Leben felbft 
dauern zu wollen fhien ? — aufgeben meine Feind— 
ſchaft gegen das Haus der Medicis? — Nun 
ja, ja ich thu' es. Der Ewige ſegne Franzen um 
Bianca's willen!” — Ein Strom von Thranen 
fhoß bier aus feinen Augen; er riß haſtig das Tuch 
weg, das ich in meinen Händen hatte. Hierher (indem 
fie einen Sleck zeige) flogen feine Thronen. — „Bringe, 
Großherzoginn, fprady er, Dieß deinem Gemahl und 
fage ibm: Hier auf dieſes Zuc babe fein Todfeind 
Thränen der Vergebung und der Befüä- 
mung geweint; hier Ha5e”— Und ſieh, mein Theu⸗ 
ver, indem er noch weiter ſprechen wollte, verfiummte 
plöglih fein Mund, und der Stoß ded Todes durchs 
bebte ihn. Er hatte fih Eur, vorher ein wenig aufge- 


wen 56 soon 


richtet auf feingm Lager; jegt fan er ſchnell rückwir 
und erblich. 

| Großh. Gewegt.) Bey ber Mutter Gottes, 7 
iſt ſonderbar! iſt ſo unglaublich >» daß man eb ı 
Bianca glaubt! — O gib her, Theure, gib her d 
Tuch! Sieh, aud meine Tbräne mag darauf träufe! 
— Wahrlich, du ſprachſt wahr, als du men Gefd 
mit einem noch £oftbarern zu vergelten verhießeft. 7 
Orients feltenfte Perle ift gemein gegen ſolch eine Le 
wand. Ich gehe, und will ſogleich Befehl ertpeil 
den Leichnam des Leonato zu beerdigen. 

Bıanca. Das ift er vor Sonnenaufgang ſchi 

Großh. &o fey ein Marmor auf feiner Ru 
ftätte Beweis, daß auch ich ihm vergebe! daß a 
ih — O edelftes aller edlen Weiber, wie ſchamr 
wird meines Lebens fchönfte That gegen dieſes Pr 
ftück deines Herzens beſtehen! Und wie geringfügig 
mein Thron für ſolch' eine Seele! 





Konnte foldy eine" Seele wohl Feinde Haben? 1 
doch hatte fie deren wirklich; hatte fie von der bite 
fien, furchtbarften Gattung. Lange lebte fie deßfe 
in einer glücklichen Unwiffenheit; aber auch diefe v 
fhwand endlich, verfhmwand immer noch viel: zu fü 
für ein fo fühlbares Herz. 

Eines Abends, kurz vor ber zur Ruhe beſtimm 
Stunde, meldete Franzen einer von den Kaͤmmerli 
gen: fein Hofkanzler wünfhe in einer wichtigen 7 
gelegenbeit ſogleich und allein vorgelaffen zu werd 
Etwas befremdend fchien dem Großherzog um bi 





Zeit ein ſolches Begehren; doch erhob er fich fegleich 
in sin nachbarliches Gemach. Lange verweilte er in 
demfelben. Erſt nach Mitternacht kehrte er zu Bianea 
zurück, die indeß wach und aufgeblieben war. Deuts 
lih genug erkannte fie beym erften Blieck auf feine Ges 
fihtszüge: daß die ihm hinterbrachte Nachricht glei) 
wichtig ald unangenehm gewefen feyn müffe;. und bes 
forgt forfchte fie nah dem Inhalt derfelben. Aber ernft 
und Eur; verfiherte Sranz: es fey nichts von Belang; 
und Bianca — yerfiummte. Nicht, ald habe fie buche 
‚ ftablich diefen Worten ihres Gemahls getraut, fondern 
weil fie vermuthete: es fey ein Geſchäft des Staats; 
und weil fie ernftlich ſich die Pflicht auferlegt hatte, in 
nichts fi) einzumifhen, was die Regierung, oder den 
Regenten beträfe. 

Schlaflos warf fid Franz den Überreft der Nacht 
auf feinem Lager umber; düfter war fein Bid beym 
Aufftehenz den größten Theil des Morgens verfchloß 
ex ſich einfam in feinem Schreibcabinett ; nur dem Kanz⸗ 
fer warb abermahls defien Thür; geöffnet , und das 
Geſpraͤch mit ihm mußte lebhaft geführt werden ; denn 
einige einzelne Worte fchollen bis in's Vorgemach. Als 
les Dieß entging Bianea's Aufmerkfamkeit nicht. Noch 
jwang fie ſich; doch ihre heimliche Unruhe flieg mit 
jeder Minute; und als Franz auch nad) dem Mittagss 
mahle der Vorige blieb ; ald er jeber Zerſtreuung, die 
ihm dargebothen ward, auswich; als er am Abend 
foaar in dasjenige Gemach, an deilen Schwelle fonft 
ftet6 jeder Zwang der Fürſtenwürde zu verſchwinden 
und vom flattlichen Großherzog nur der liebenswürdige 
Mann übrig zu bleiben pflegte — als er in's Schlaf⸗ 
gemach felbft die Diiene des Kummers mitbrachte ; da 


ersen 58 BEE 


Eonnte Bianca nicht langer fih zurück ‚halten; ba nüßte 
:fie eben fo klug, als zaͤrtlich, die Einfamkeit des 
Orts, und jenen ftillen Zwifhenraum, in wel« 
chem weibliche Liebe, weibliche Beredſamkeit ohnedieß 
fo übermächtig herrſcht. Indem fie innig und feſt ih⸗ 
ren Arm um feinen Naden ſchlang; indem fie mit 
fanftem und doch tief eindringendem Blick in's Auge 
ihm ſchaute; indem fie mit holdem und’ doch ſchwermü⸗ 
thigem Zone ihn fragte: Franz, find die Tage bed 
Zutrauend ſchon dahin? indem fie jeat Die Lippe zum 
Kuſſe ihm darboth, und jegt ſtumm und glühend ihre 
MWange an bie feinige ſchmiegte: — wie hätte Franz fein 
Geheimniß länger für fih allein behalten können!! 


„3a, ja, theuerfte Binnca! rief er: die Tage 
ded Zutrauend dauern noch; und follen erft dann fi 
enden, wenn mein Leben erlöfhe! — Id laͤugne es 
nicht: mich drückt ein. fhwerer Kummer, und ich will 
ihn ausfchütten vor dir, weil bu es forberft. Aber 
rechne es mir dann nicht zu, wenn biefer m mein Gram 
auch auf dic) übergehen follte! 

Bianca. D gern — gern will ib bir ibn tra⸗ 
gen helfen, wenn du nur dadurch Erfeichterung fühleft. 

Franz. Was glaubſt du wohl, daß mein. Kanzs 
fer in voriger Nacht mir hinterbrachte? 

Bianca. Ich riethb Anfangs auf Zwiſtigkeiten 
zwifchen Rom und Florenz ; aber ich beforge nun — — 

Franz. Daß von einer näheren Gefahr die 
Rede fey! Und dann hätteſt du Recht. Graͤßliche Meu⸗ 
tereyen glimmen im Innern meines Stauts, die Un: 


vorficht eines Trunkenen, eines fogleih Verhafteten, 
bat entdedt: daß er gedungen ſey, mich — zu er⸗ 
morden. 

Bianca'cbetreten.) Ha, abſcheulich! 

Großh. Und doch noch weit-adfrheuficher, wenn 
ih die Den nenne, der ihn muthmaßlich — was fage 
ih muthmaßlich? — der ihn gewifi dazu ertauft bar! 

Bianca Nun? 

Großh. Mein Bruder, der Cardinal! 

Bianca. Dein Bruder! Ferdinand, der Cardi⸗ 
nal zu Kom? Unerbört! 

Großh. Wüßteft du vollends bie face, die 
diefen nichtswürdigen Bruder verleitet — oder mit 
welcher er wenigftend gegen bie Bundesgenoſſen feiner 
Boßheit diefen Entwurf befchöniget ! 

Bianca. ‚Öraufamer! Zittere ich nicht fhon ge- 
nug, daß du nun auch noch durch Zauderk mich quält? 
Sprich! Diefe Urſache? — 

Großh. Bil du! 

Bianca. Ich? — (Bleih und athemlos auf den nabe 
fiehenden Sofa finfend.) Wahrlih, Das war des Giftes 
fehr viel in fo wenigen Worten! | 

Großh. user m Hütfe eitend.) Gott, Gott — 
Bianca! Du wirſt doch nicht — Ha! ich Unvorſichti⸗ 
ger! Theures Weib, vergib — 

Bianca Mein, ſorge nicht! ih werde nicht 
ohnmachtig. — Vor gewiſſen Schmerzen flieht 
felbft die Betäubung. — (Keine Pauſe.) Ha! nun 
fällt ein fürchterliches Licht auf fo Manches, was bisher 
mie dunkel war! Nun fehe ich ein, warum eine Kranke 
beit ihn abhielt, zu unferer Vermählung zu Eommen! 
Warum du immer fo Tangfam antwokteteſt, wenn ich 


Pd 


⸗ 


60 7 


nach ihm dich befragtet Warum — O mein ther 


Gemahl, vergib deiner Gattinn, wenn fie unwiffe 
und ohne es zu wollen, die füßen Bande | 
Bluts getrennt bat! 

Großh. (fie umarmenn.) Die Bande dersi 
ſind mehr als zweyfach ſo ſüß! Auch war es immer 
das Blut, was mid und dieſen Bruder verei 
Unjere Herzen flimmten nie zufammen; immer pfl 
er in mir nur den Erben der väterlichen ( 
wals zu beneideyn, me den Bruder zu I 
ben. — Von Jugend auf war Trug fein Odem, 
Unwahrbeit feine Rede. Vom erften Tage meiner 
gierung an war Er die Quelle meiner bitterften 2 
drieglichEeiten. Und als ih noch ſchwankte und uͤ 
dachte, ob ich auch meine Hand dir darbiethen bär 
war Er der Hauptgrund meiner Bedenklichkeiten. 

Bianca. Und verfhwiegft ed mr! 

Großh. Weil ih ſelbſt einfah, wie nutzlos 
fer Zweifel ſey! Wie thöricht ih handeln würde, w 
ich meinem bitterflen Feinde zu Liebe meined Let 
höchſtes Glück von mir fliege! Sey daher ohne E 
gen, Qheure! Sch babe nichts zu yergeben! 
dieſen Widerſpruch war ich längſt gefaßt. Schon | 
nem Wefen nad muß mein Bruder in die (inden 
fie gärstich dey der Hand ergreift) die Tugend felbft | 
fen; doch ift diefeer Unwille über meine H 
rarch fiher nur ein Vorwand, hinter dem fein a 
Wunſchnach Aufruhr ſich verbirgt. — Aber 
auh Andere fih zu ihm gefellen; Andere, bie 
mit dem Wein aus meinem eigenen Becher labte; 
Theil an jeber Freude meines Lebens, an jedem | 
danken meiner Seele nahmen auf bie ich mich verki 


⸗ 


1 
6 nee 


faft feit dem Yugeniitd an, als ich erft reden lernte; 
Das Eränft mein Herz noch um Eins fo ſtark, und ih 
verzweifle num beynahe, einen Freund wieder zu finden, 
feit id — Mondragone's Untreue erfuhr. . 
Bianca, Mondragone! Wie, auch er? 
Großh. Ja, eben Er nagt an meinem Herzen! 
Der Ausfage des Verhafteten zu Folge fteht er mir 
‚ Serdinand im genaueften Briefwechfel; treibt ihn an, 
fi Taut und bald Über unfere Verbindung zu beſchwe⸗ 
ven; erbietbet fih ihm zur erfprießfichften Hülfe, wenn 
ed jemahls zu einer Empörung Eommen follte. 
Bianca. Abfheulih! Ein Undank, ſchwaͤrzer 
als ägyptifche Finſterniß! — (Mit geänderten Tone.) Und 
boch, mein Gemahl, doch fpräde ih unnlahr, wenn 
ih mich anftellte, als befremde .mich dieſe Untreue 
allzu ſehr! Wahrlich, du felbft begingft fogar nur einen 
menfhlihen Irrthum, wofern du jemahls dich auf‘ 
Mondragone's Treue ganz verließeft. Ein wenig Nach⸗ 
denken nur, und du follteft Tängft bereitd mißtrauifch 
gegen diefen unwürdigen Günftling geworden feyn. 
Großh. (aufmertſam werdend.) Wie Das? 
Bianca. Sprich! Als deine erſte Abſicht bloß 
noch auf meinen Befig ging; ald.ih deine Ges 
liebte werden, unddoh Bonaventuri's Gat⸗ 
tinn bleiben follte; wer both dir zu deinem damahli⸗ 
gen Plan am erften, am willtgften die Hand ! 
Großh. Mondragone. | 
Bianca. Und als meine Tugend widerdand; 
als du den Entſchluß faßteſt, mit mir deinen Thron 
zu theilen, damit auch ich mit dir mein Lager 
theilen moͤge; wer fand da wieder dieſen Entſchluß 


* 


vvuvv 54 —X e 


feidigen und freudigen Nachricht zu ihm; aͤußerſt ſchwach 
lag er ausgeftredt anf feinem Lager; auf feiner Stirn - 
ftand (don kalter Schweiß; aberer unterdrüdte Wim⸗ 
mern und Ächzen, und zwang feine ſtammelnde Zunge, 
mir für Die mannigfade, ihm erwiefene Sorgfalt Danf 
zu fagen. — Ic) unterbrach ihn. Du rühmft mid fo 
ſehr, ſprach ich; würdeſt du wohl auch dann ein Glei— 
ches noch thun, wenn du wüßteft, wer ich wäre? 
Großh. Wohl gefragt! 0 - 
Bianca. Sey, wer bu willſt, antwortete er; 
bu bift meine großmürdigite Mohlthäterinn. Selbſt 
wenn du zu dem graufamen Geſchlechte der Medizäer 
geborteit, toch wurde ig dich fegnen. — Nun wohl, 
Leonato Pazzt! — Erſtaunen trieb fein ohnedieß ftar« 
res Haar noch ſtarrer eınpor, als er fi) nennen hörte, 
— Nun wohl, Leonato Pazzi, ſprach ih, fo fegne 
mich dann! denn ih bin Bianca. — „Bianca? Bians 
ca Capello!” fchrie er mit einer Stimme empor, _bie 
Feine menſchliche Zunge nachzuahmen vermödte : 
„Bianca, Großherzog Franzens Gemahlinn ?’— „Ja, 
Die bin ich!“ — Und du Eannteft mi! — „Kannte 
dich Tangft! Ehe ih noch einen Schritt in dieſes Ger 
mach thai, wußte üb , wen ich darin antreffen 
würde.” — Nun, o Gott, — ſchrie er beynahe noch 
ftarfer als vorber — fo haft du alfo in Lucifers 
Geſchlecht einen Engel verbannt? 
Großh. Richtig! fe mußte ein Pazzi fpredhen. 
Bianca. Er ſchwieg fürhterlih einige Augen: 
blike lang. — „Weiß Franz, bob er wieder an, was 
dus thateſt ©” — Mein! aber er foll es wiffen, und 
wird fih freuen, wenn er es erführt. — „Er? Ha! 
der Verworfene!“ — „Fluch ihm nicht; du kennte ſt 


wa BI un 


nie Ihn Eennen; denn ihr ſeyd geerbte Feinde! 
Fluche ihm nicht, damit von dem Nichterftuhl, ber 
noch in diefer Nacht deiner wartet, auch dir Eein Fluch 
erfhalle!” — Er ſchwieg abermahld. Die Pauſe eines, 
Orkans! Der Sturm Brit nun entweder ftärfer her⸗ 
vor, oder die Sonne zeigt ſich. — „Unergruͤndlich, 
rief er endlih, find deine Wege, ewige Vorſicht! Ich 
Eomme bierber nad Florenz, fo vermummt, fo ente 
fhloffen ‚. fo gerüftet; und in der nahmfihen Stunde, 
da ich ausgehen und ihn niederftoßen will, wirft eine 
Krankheit mid auf's Lager, von ber ich nicht wieder 
aufſtehe! Auf diefem Lager muß eine Medizäerinn, 
muß eben Diejenige,'die ih zur Witwe machen woll⸗ 
te, mid erquiden! Muß mi Eennen, und do 
mir wohlthun! Alles verlor ih, Vaterland, Güs 
ter, Ehre, meinen Nahmen fogar; und nun fol 
ic) audy aufgeben , was länger ald mein Leben felbft 
dauern zu wollen fchien ? — aufgeben meine Feind 
ſchaft gegen das Haus der Medici! — Nun 
ja, ja ich thu' es. Der Ewige ſegne Franzen um 
Bianca's willen!” — Ein Strom von Thraͤnen 
(hoß hier aus feinen Augen; er riß haftig dad Tuch 
weg, das ich in meinen Händen hatte. Hierher (indem 
fie einen Bted zeige) flogen feine Thrönen. — „Bringe, 
Großherzoginn, ſprach er, Dieß deinem Gemahl und 
fage ihm: Hier auf diefes Tuch babe fein Zodfeind 
Thränen der Vergebung und der Beſchä— 
mung geweint; bier habe” — Und ſieh, mein Theus 
ver, indem er noch weiter fprechen wollte, verftummte 
plöglih fein Mund, und der Stoß des Todes durchs 
bebte ihn. Er hatte fih Eur, vorher ein wenig aufge- 


wen 56 sea 


richtet auf ſeinem Lager; jetzt ſank er ſchnell rückwir 
und erblich. 

| Großh. (bewege) Bey der Mutter Gottes, 7 
iſt ſonderbar! iſt ſo unglaublich, daß man es — 
Bianca glaubt! — O gib her, Theure, gib her d 
Tuch! Sieh, auch meine Thräne mag darauf träufel 
— Wahrlih, du fprachft wahr, als du mein Geſche 
mit einem noch foftbarern zu vergelten verhießeft. 2 
Orients feltenfte Perle ift gemein gegen ſolch eine Le 
wand. —Ich gehe, und will ſogleich Befehl ertpeil 
den Leichnam des Leonato zu beerdigen. 

Bianca. Das ift er vor Sonnenaufgang ſche 

Großh. So fey ein Marmor auf feiner Ru 
flätte Beweis, daß auh ich ihm vergebe! daß a 
ih — D edelftes aller edlen Weiber, wie [hamtı 
wird meines Lebens fhönfte That gegen diefes Pr 
ftüd deines Herzens beftehen ! Und wie geringfügig 
mein Thron für fol’ eine Seele! | 





Konnte fol’ eine’ Seele wohl Beinde haben? U 
doc) hatte fie deren wirklich; hatte fie von ber bitt 
fien, furchibarften Gattung. Lange Iebte fie deßfe— 
in einer glücklichen Unwiffenheit; aber auch diefe v 
fhwand endlich, verfhwand immer noch viel : r fa 
für ein fo fühlbares Herz. 

Eines Abends, Furz vor ber zur Ruhe beſtimm 
Stunde, meldete Franzen einer von den Kaͤmmerli 
gen: fein Hofkanzler wunſche in einer wichtigen ? 
gelegenheit fogleidy und allein vorgelaffen zu werd 
Etwas befremdend fdhien dem Großherzog um bi 


Zeit ein ſolches Begehren; doch erhob er fich fegleich 
in sin nachbarliches Gemach. Lange verweilte er in 
demfelben. Erſt nach Mitternacht kehrte er zu Bianea 
zurück, die indeß wach und aufgeblieben war. Deuts 
ih genug erkannte fie beym erften Blick auf feine Ges 
fihtszlige: daß die ihm hinterbrachte Nachricht gleich 
wichtig ald unangenehm gewefen feyn mife;. und bes 
forget forfchte fie nah dem Inhalt derfelben. Aber ernft 
und Eur; verficherte Sranz: es fey nichts von Belang; - 
und Bianca — rerſtummte. Nicht, ald habe fie buch⸗ 
ſtaͤblich dieſen Worten ihres Gemahls getraut s fondern 
weil fie vermutbete: es fey ein Gefchäft des Staats; 
und weil fie ernſtlich ſich die Pflicht auferlegt hatte, in 
nichts fi einzumifhen, was die Regierung, oder den 
Regenten betrafe. 

Schlaflos warf. ſich Franz den Überreft der Nacht 
auf feinem Lager umher; düfter war fein Bid beym 
Aufſtehen; den größten Theil des Morgens verſchloß 
er fi einfam in feinem Schreibcabinett ; nur dem Kanzs 
(er warb abermahls deſſen Thür; geöffnet , und dad 
Geſpraͤch mit ihm mußte lebhaft geführt werden ; denn 
einige einzelne Worte fhollen bis in's Vorgemach. Als 
les Dieß entging Bianea's Aufmerkfamkeit nicht. Noch 
jwang fie ſich; doc ihre heimliche Unruhe flieg mit 
jeder Minute, und als Franz aud) nad dem Mittags: 
mahle der Vorige blieb ; ald er jeber Zerſtreuung, bie 
ibm dargebothen ward, auswich; al6 er am Abend 
foaar in dasjenige Gemach, an deifen Schwelle fonft 
ſtets jeder Zwang der Fürſtenwürde zu verihwinden 
und vom flattlihen Großherzog nur der liebenswürdige 
Mann übrig zu bleiben pflegte — als ex in's Schlaf⸗ 
gemach felbft die Miene des Kummers mitdrachte ; da 


ersen 58 IE 


Eonnte Bianca nicht länger fi zurüc halten; ba nuͤtzte 
:fie eben fo klug, als zärtlih , die Einfamkeit bes 
Orts, und jenen ftillen Zwifhenraum, in wel- 
chem weibliche Liebe, weiblide Beredſamkeit ohnedieß 
fo übermäcdhtig herrſcht. Indem fie innig und feſt ih⸗ 
en Arm um’ feinen Naden ſchlang; indem fie mit 
fanftem und*bocy tief eindringendem Blick in's Auge 
ihm ſchaute; indem fie mit holdem und doch ſchwermü⸗ 
thigem Tone ihn fragte: Franz, find die Tage bes 
Zutrauens ſchon dahin? indem fie jegt Die Lippe zum 
Kuife ihm darboth, und jegt ſtumm und glühend ihre 
Wange an bie feinige fhmiegte : — wie hatte Kranz fein 
Geheimniß länger für ſich alein behalten können!! 


„3a, ja, theuerfte Binnca! rief er: die Tage 
bed Zutrauens dauern noch; und follen erft bann fi 
enden, wenn mein Leben erlöfht! — Ich läugne es 
nit: mich drückt ein. fhwerer Kummer, und ich will 
ibn ausfchütten vor dir, weil du es forderft. Aber 
rechne es mir dann nicht zu, wenn diefer m mein Gram 
auch auf dich übergeben follte ! 

Bianca. D gern — gern will ib dir ihn tra⸗ 
gen belfen, wenn du nur dadurch Erleichterung fühleft. 

Franz. Was glaubft.du wohl, daß mein. Kanze 
ler in voriger Nacht mir hinterbradhte ? 

Btanca. Ich rieth Anfangs auf Zwiftigkeiten 
zwifhen Nom und Slorenz ;aber ich beforge nun — — 

Stanz. Daß von einer näheren Gefahr bie 
Rede fey! Und dann hätteft du Recht. Graßliche Meu⸗ 
tereyen glimmen im Inneren meines Stan, bie Uns 


d 


vorſicht eines Trunkenen, eines ſogleich Verhafteten, 
hat entdeckt: daß er gedungen ſey, mich — zu er⸗ 
morden. 

Bianca'betreten.) Ha, abſcheulich! 

Großh. Und doch noch weit abſcheulicher, wenn 
ich dir Den nenne, der ihn muthmaßlich — was ſage 
ich muthmaßlich? — der ihn gewiß dazu erkauft hat! 

Bianca. Nun? 

Großh. Mein Bruder, der Cardinal! 

Bianca. Dein Bruder! Ferdinand, der Cardi⸗ 
nal zu Rom? Unerhört! | 

Großh. Wüßteft du vollends bie urſahe, die 
dieſen nichtswürdigen Bruder verleitet — oder mit 
welcher er wenigſtens gegen die Bundesgenoſſen ſeiner 
Boßheit dieſen Entwurf beſchöniget! 

Bianca. Grauſamer! Zittere ich nicht ſchon ge⸗ 
nug, daß du nun auch noch durch Zaudern mich quälit? 
Sprich! Dieſe Urſache? — 

Großh. Biſt du! 

Bianca. Ich? — GBleich und athemlos auf den nahe 
fiehenden Sofa fintend.) Wahrlih, Das war des Giftes 
fehr viel in fo wenigen Worten! 

Großh. (ige su Hülfe eitend.) Gott, Bott — 
Bianca! Du wirſt doch nicht — Ha! ich Unvorſichti⸗ 
ger! Theures Weib, vergib — 

Bianca. Nein, ſorge nicht! ich werde nicht 
ohnmächtig. — Vor gewiſſen Schmerzen flieht 
felbft die Betäubung. — (Kleine Pauſe.) Ha! nun 
fällt ein fürchterliches Liche auf fo Manches, was bisher 
mie bunfel war! Nun ſehe ich ein, warum eine Kranke 
beit ihn abhielt, zu unferer VBermählung zu Eommen! 
Warum bu immer fo Tangfam antwokteteſt, wenn ich 


' 
nah ihm dich befragtet Warum — O mein theu 
Gemahl, vergib deiner Gattinn, wenn fie unmiffe: 
und ohne es zu wollen, die füßen Bande d 
Bluts getrennt hat! 

Großh. (fie umarmenn.) Die Bande dersie 
ſind mehr als zweyfach fo ſüß! Auch wor es immer zn 
das Blut, was mid und diefen Bruder verein 
Unſere Herzen flimmten nie zufammen; immer pfley 
erin mir nur den Erben der väterliden E 
walt zu beneiden, me ben Bruder zu li 
ben. — Von Jugend auf war Trug fein Odem, u 
Unmwahrheit feine Rede. Vom erften Tage meiner 9 
gierung an war Er die Quelle meiner bitterfien V 
drieplichkeiten. Und als ich noch ſchwankte und Ab 
dachte, ob ich auch meine Hand dir durbietken duͤrf 
war Er der Hauptgrund meiner Bedenklichkeiten. 

Bianca, Und verfchwiegft e$ mir? 

Großh. Weil ich ſelbſt einfah, wie nuglos d 
fer Zweifel ſey! Wie thöricht ich handeln würde, we 
ich meinem bitterflen Feinde zu Liebe meines Lebe 
höchſtes Glück von mir ſtieße! Sey daher ohne St 
gen, Theure! Sch habe nichts zu vergeben! 2 
dıefen Widerfprud war ich längft gefaßt. Schon fi 
nem Weſen nach muß mein Bruder in dir (indem 
Me yärtlich ben der Hand ergreift) die Tugend felbft 5 
fen; doch ift diefer Unwille über meine He 
rarh fiber nur ein Vorwand, hinter dem fein alt 
Wunſchnach Aufruhr fih verbirgt. — Aber d 
auh Andere fih zu ihm gefellen; Andere, die 
mit dem Wein aus meinem eigenen Becher labte; d 
Theil an jeder Freude meines Lebens, an jedem G 
danken meiner Seele nahmen ;auf bie ich mich verlie 


.“ 
* 


⸗ 


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61 rim 


faft feit dem Augenne an, als ich erſt reden lernte; 
Das kraͤnkt mein Herz noch um Eins ſo ſtark, und ich 
verzweifle nun beynahe, einen Freund wieder zu finden, 
ſeit ich — Mondragone's Untreue erfuhr. 
Bianca. Mondragone! Wie, auch er? 
Großh. Ja, eben Er nagt an meinem Herzen! 
Der Ausfage bed Verhafteten zu Folge fteht er mir 
„Ferdinand im genaueften Briefmechfel; treibt ihn an, 
fi Taut und bald Über unfere Verbindung zu beſchwe⸗ 
ren; erbiethet fi ihm zur erfprießfichften Hülfe, wenn 
es jemahls zu einer Empörung Eommen follte. 
Bianca. Abfheufih! Ein Undank, ſchwaͤrzer 
als aͤgyptiſche Finſterniß! — (Mit geänderten Tone.) Und 
bo, mein Gemahl, doch fprähe ih unndahr, wenn 
ih mich anftellte, als befremde ‚mich diefe Untreue 
allzu ſehr! Wahrlich, du felbft begingft fogar nur einen 
menfhlihen Irrthum, mwofern du jemahls dich auf 
Mondragone's Treue ganz verließeft. Ein wenig Nach⸗ 
denken nur, und du follteft längft bereits mißtrauiſch 
gegen diefen unwürdigen Guͤnſtling geworben feyn. 
Groß h. (aufmertſam werdend.) Wie Das? 
Bianca. Sprich! Als deine erſte Abſicht bloß 
noch auf meinen Beſitz ging; als ich deine Ge 
liebte werden, und bob Bonaventuri's Gat— 
tinn bleiben follte; wer both dir zu deinem damahli⸗ 
gen Plan am erften, am mwilltgften die Hand f 
Großh. Mondragone. 
Bianca. Und als meine Tugend widerdand; 
als du den Entfhluß faßteft, mit mir deinen® hron 
zu theilen, damit auh ih mit dir mein Lager 
theilen möge; wer fand da wieder diefen Entſchluß 


Pd 


am weifeften ? Wer beugte fi) am tiefften vor dir 
und mir? 

Groß h. (etwas nachdenkterd.) Mondragone. 

Bianca. Sieh, ſchon ſprachſt du jetzt bedenkli⸗ 
cher ſeinen Nahmen aus! Fühlſt du bereits, was ich 
meine? — O kein Diener, der unſicherer, der bereite 
williger waͤre, beym kleinſten Gewinn und kleinſten 
Verluſt, ſeine Herrſchaft zu dertauſchen, als jene wil⸗ 
ligen Beförderer jeder fürſtlichen Laune, jene ſchaͤnd⸗ 
lichen Unterhändler fremder Lüfte! — Ihnen gilt Alles 
gleich, was nur ihrer Habſucht, ihrem Ehrgeiz, ihren 
übrigen niedrigen Abſichten ſchmeichelt. Ihnen trauen, 
heißt auf des Meerufers einrollendem Sande praͤchtige 
Gärten und Pallaͤſte aufführen. Ihr Eifer iſt eine er: 
käufliche Warre, Sedem feil, der nur einen Scudi 
mehr in die falſche Wage ihres Ei,ennuged wirft. 
Wenn fie ein einziges Mahl ſich gekränkt fühlen — 

Großh. Ceinfafend.) Und womit hätte Monbra- 
gone ſich gekränkt fühlen können? Er, der unauege 
ſetzt meines Vertrauens genoß! 

Bianca. Theilteſt du nicht wenigſtens ſeit eini- 
ger Zeit dieſes Vertrauen? Oder gabft du nidt viel 
mehr mir fihrlich den Vorzug? Go lange du der Ges 
mahl einer Gattinn warſt, der nur deine Hand, nicht 
dein Herz angehörte, war nit er, er dein Günſt— 
ling , dein bereitwilliger Diener jeder — (mit etwas ger 
haltenem Zone) jeder Wünſche, im Beſitz großer Ders 
diene, die dann ſchwanden, als dein Her; eine fefte 
Mahl traf? Zede geliebte Gemahlinn mufte für 
ihn eine verhbaßte feyn; und zumahl ich — id, die 
ich vorher nicht allzu glimpflich manchen feiner Vorſchlaͤge 
beantwortet , feinen angebothenen Schutz, ziemlich 


won 65 wem 


bitter, mir verbethen hatte! O Franz! Wenn fi als 
wahr erhärtet, weifen man Mondragone anſchuldigt; 
wenn entledigt fein Poften wird, weißt du wohl, auf 
welden deiner Räthe ich did dann verzüglig zu ade 
ten bitte ? 

Großh. Auf wen! Wunſche, meine theure Ge⸗ 
mahlinn! Nenne ihn mir, und deine Vorſprache fol 
erhört werden ! 

Bianca (läben.) Nein, noch Eann id ihn bie 
nicht nennen; aud ſollſt du in allen foldyen Zallen 
nie beiner Gemahlinn Vorſprache, fondern nur 
ihre Gründe, wenn du fie richtig findeſt, befolgen. 
Es gibt der Augenblicke viel, wo der Fürſt ganz den 
Batten — es fol ihrer fogar einige geben, wo er 
den Menfhen vergeflen muß. 

Großh. (etwas ungeduidig. So fage doh, auf 
wen? 

Bianca. Auf Denjenigen, der, als du unſere 
vorhabende Verbindung deinem geheimen Rathe zuerſt 
bekannt machteſt, am lauteſten, wiewohl mit gebüh— 
rendem Anſtand, dir ſie widerrieth; der, als die 
Übrigen dir ſchmeichelnd Glück wuͤnſchten, feſt bey feis 
nem Kopffhütteln,, feinem Achſelzucken, ſeiner zwei⸗ 
felvollen Kälte blieb. 

Groß h. (erfaunt.) Wie? Den! — Es gab aller: 
dings einen folgen Mann; aber Den kann Bianca 
empfehlen 3 

Bianca. Sch kann es! Weil id) fiher bin, er 
meinte ed damahls redlich mit dir; weil ich eingeftehen 
muß, unfere Verbindung war damahls noch man⸗ 
chem Zweifel, mandyer Beforgniß unterworfen; weil 
ich aber auch hoffen darf, Beyde feitdem gehoben, ſtets 


4 w.. 64 — 
mic fo betragen zu haben, daß mein ebemahliger G 
er nun mein Freund geworden ift, oder noch w 
den wird. 

Groß h. Vortrefflichſte deines Gefchlechts ! De 
Einfiht, deine Weisheit gleicht deiner Tugend. A 
ſprich, melde Mapregeln foll ich jegt gegen mein 
Bruder und Mondragone ergreifen ? 

Bianca. Diejenigen, die und faft nie gerem 
— die Maßregeln der Güte und der Großmut 
Ih glaubte, du bätteft bereits ‚beine Vorkehrung 
getroffen. 

Großh. Noch war es nur ber erfte Anfäng ı 
umgänglicher Vorſicht. Montragone, wie du weil 
lebt ſchon feit einigen Wochen auf feiner Villa unw 
Piſa. Er erbath ſich diefen Urlaub unter dem Vorwa 
ſchwächlicher Gefundpeit. Er bedient ſich deſſen wal 
fheinlih nur, um deito verborgener feine Plane « 
jufpinnen , feine Bothen ab;ufenden. Ich habe v 
traute Männer beordert, die ihn von Weitem beoba 
ten, bie jih bemühen follen, einen oder mehrere f 
ner Briefe aufzufangen, damit dann befto unbezw 
felter feine eigene Handſchrift ihn überführe. Auch nı 
Kom — (Ein Kämmerer tritt herein.) 

Kämm. Verzeihen Eure Durdlaudt, wenn. 
ungerufen herein zu treten wage. — Der Hofmarſch 
Mondragone befindet fih im Vorzimmer, und bit! 
aufs allerdringendfte um die Erlaubniß, vorgelaff 
gu werden. 

Groß h. (erſtauut.) Mondragone? — Er hier, u 
allein? Unter welchem Vorwand? 

Kamm. Ganz auein, und unter der Verſich 

vungy 


rung , daß et Dinge von äußerfter Eile und Wichtige 
keit Euer Durchlaucht zu binterbringen habe. 

Großh. (Bianca andtidend.) Fa, was giltd, er 
bat bereits erfahren — — Liede Bianca, was fol id 
thun? ... — 
Bianca. Daß du noch zweifeln kannſt! Ihn 
vorlaſſen und hören. — Selbſt dem uͤber⸗ 
führten muß es nicht an Gelegenheit ſich zu verthei⸗ 
digen gebrechen, geſchweige dem bloß Angeklagten; 

Großh. Und wage ich nicht zu viel? 

Bianca. Was wagſt du gegen einen Einzigen 
— in meiner Gegenwart — in der Nähe von deinen 
Waren? . | 

St oßh. ((u Bianca.) Wohl wahr! (um Kamme⸗ 
ser.) Er mag’ hereintreten. (Kammerer geht ad; Mondras 
gone tritt gleich darauf mit ehrerbiethiger Derbeugung ein.) 

Großh. «mie Hedeutendem Tone) Vortrefflich, 
Mondragone! Ihr kommt ungerufen, als ich fo eben 
befchloifen hatte, nah Euch zu fenden. 

Monde. (unerfhroden Nah mir fenden? Ha! 
dann wäre doch wohl das Gefühl meiner weiffagenden 
Seele kein Selbftbetrug gewefen! Dann errache ich im 
Boraus vieleicht, was diefe Worte Euer Durclaucht 
und diefer ernſte, mir allerdings fremde Blick fagen 
wollen. 0 

Großh. Nur wäre es auch unglaublich kühn, 
daß Ihr dann noch mich anzublicken wagtet! 
— (mit etwas neändertee Stimme) Laß mich an dein 
Herz fühlen, Mondragone, und id werde willen, ob 
du richtig räthit. 

Mondr. Diejes Herz flüge ruhig, felbft wenn 
Ener Durdlaudır immer finiterer werdendes Auge den 

Neißners Bianca Gap. 2. Thl. 


wen 66 — 


Tod, oder — was mehr ald der Tod ſelbſt mich fömerzen 
würde — Ihre Ungnade mir ankündete. Denn auch 
dann, au dann noch würde mich das Bewußtfeyn 
meiner Treue, das Gefühl meiner unwanbelbaren Er⸗ 
gebenheit troͤſten! 

Groß h. (mit dem Finger ihm deobend. .) Montragone, 
Moridragone, fündige nicht allzufehr auf Rechnung 
meiner Langmuth! Häufe nicht noch größere Schuld 
auf dich, da du-unter der bisherigen ſchon erliegft! — 
Dem reuigenTreuloſen Eönnte ich vielleicht no 
verzeihen; aber, bey Gott; dem trotzigen Vers 
räther, und dem ertappten Heuchler verzeibe 
ih nie! 

Monde. Dem mag die Öottheit felhit nicht ver« 
zeihen! — Mein Zürft! Vor meinen Augen Tiegt jetzt 
deutlich genug Ihrer Seele Innerftes und Ihr Irrthum 
— (da Branz ihn unterbrechen will, mit noch ſtärkerem Nachdruck) 
und Ihr Irrthum! Wergönne mir men Füuͤrſt eine Ers 
Härung dieſer Worte, und er wirb dann finden, daß 
fie weder falfch gewählt noch pflihtwidtig waren. Ich 
weiß, daß ih angefhuldigt worden; ich weiß, daß 
Schein, taufhender Schein gegen midy fpruht. Aber 
wenn id, reden darf, fo hoffe ich auch darzuthun, daß 
ed nur der Schein fey. 

Großh. So rede! 

Bianca. Sollte meine Gegenwart vielleicht 
hindern — — 

Mondr. Vielmehr iſt eben dieſelbe mir außerik 
erwünſcht. Unſchuld ſcheut ſich nie vor Zeugen, ſie 
wünſcht ſolchen ſich öfters: auch würde meiner Großherzo⸗ 
ginn himmliſch holdes Auge der Schüchternheit ſelbſt noch 
größern Muth ertheilen. — (Mit dem Anſtand des ſchuidlo⸗ 


feften Sewiffens.) Ed höre mich denn des großen Cosmus 
gleidy großer und noch gerechterer Sohn! Er entfcheide 
nicht nad) meiner , fondern nad feines Herzens Stims 
me! — Raum war die Verbindung meines Zürften gewiß . 
und. allbeEannt geworden, als der Cardinal, mißnius 
tbig, wie alle Welt im Voraus errieth, durch Briefe 
und heimlich abgeſchickte Botben meine Gedanken von 
diefer Vermählung auszuforigen ſuchte — „Ihr feyd 
„nun,” ſchrieb er mir, „der Diener einer ehemahligen 
„Bürgers⸗Frau geworden; fagt mir dod, wie ges 
„fallt euch eure neue Herifhaft?” — Men Blut ers 
ſtarrte, als ich dieſe Zeilen las; ed erftarrte noch mehr, 
als bald darauf auch mündliche Anreizungen zu Ein⸗ 
verftändniß und Aufruhr an mid ergingen. 

Großh. Vortrefflih! und du Eonnteft Beydes 
mir verſchweigen? 

Mondr. Das wollte ih nicht; vielmehr war 
mein erſter Gedanke zu Euer Durchlaucht hinzueilen, 
zu Ihrem Füßen dieſes verrächerifche Schreiben zu legen, 
und die Männer anzuzeigen, die einem folden Bubens 
ftü die Hand biethen Eonuten; aber mitten auf bem 
Wege zur Burg hielt eim zweyter Gedanke mich noch 
zurück. — „Alfo fol, ſprach ich bey mir ſelbſt, das 
erlauchte Haus von Florenz Fürſten -uneinig unter 
ſich feldft zerfallen ? Ein Bruder foll gegen den andern 
fih waffnen? Und ich, ich Unglücklicher, bin beſtimmt 
dazu, den Schleyer wegzureiifen, den Abgrund aufzus 
ſchließen, der den gütigften Herren aus feiner bisheri⸗ 
gen Ruhe auffhreden muß? — Ad, und erweife ih 
ihm, dur Beraubung feines fügen Srrtbums , wohl 
wirklich den Dienit, den ich glaube?” — Hier über: 
bachte ich einige Augenblicke lang den Character des 

| “ € 2 


wen 6 mn. 

Cardinals; fanmelte die Erinnerung an jeine guten 
Eigenſchaften, wie an feine Fehler, und wog Beyde 
gegen einander: Von feiner Jugend an war Ferdinand 
heftig in feinen Empfindungen, aber fenkbar in feinen 
Maßregeln gewefen ; hatte freylich fehr oft übel ges 
wählt, aber auch immer gern auf die beifere Stimme 
eines kältern Rathgebers gebdrr — — 

Großh. (pottend.) Wirklich? hätte er Die ge 
than ? ? 

"Mondr. (ungeirrt.) Wenigitens war mein Bors 
ſchon oft Eräftig genug bey ihm gewefen, und aus Dies 
fer Erinnerung entiprang der Vorſatz: erfi no, bes 
vor ich ihn bey Euer Durdlaucht verklage, das letzte 
Mittel feiner Beiferung zu verfuhen. Ein Brief, in 
dem ich Alles femmelte, was meine Reber zum Lobe 
meiner Fürſtinn ſagen konnte; wo ich alle Rednerkunſt 
und alle Kraft des wahren Wohlwollens, mit' der noch 
größern Stärke der lautern Wahrheit vereinte, ging 
des andern Tages ab, und beſchwur Euer Durchlaucht 
Bruder brüderlich gegen meinen Gebiether zu denken. 
Nicht lange blieb die Antwort aus; aber ah, fie war 
nicht, wie ich fie erwartete und wünfte. 

Großh. Nun —und doch -hieltefi du auch Diefe 
mir zurück! 

Mondr. Noch bieft ih fie zurück! Dem nun 
erft hoffte ich den Dienft, den ih Euer Durchlaucht 
erweifen Eönne , vollwichtig zu machen. Der Cardinal 
glaubte, — Das fah ich deutlich aus feiner Antwert, — 
nur noch höher meine Hoffnung fpannen zu bürfen, 
um dann von der Pfliht und Treue gegen meinen gürs 
ften mich abzuziehen. Deßhalb that er mir Erbiethun« 
gen vom hoͤchſten Werth; deßhalb ließ er mich noch 


tiefer in dad Gewebe feiner Maßregeln blicken ; pries 
deren Sicherheit, und forderte abermahls meinen Bey⸗ 
ffand. 

Großh. CGieter.) Fürwahr, ſehr unvorſichtig für 
einen Medizäer und noch unvorſichtiger für einen 
Prieſter gehandelt! 

Monde. (gefaßt bleſbend.) Auch mich nahm Dieß 
Wunder; doch je unermwarteter diefer Umſtand war, 
je mebe, glaubte ih, fey es Pflihe ihn zu nüßen. 
Nichts fhien mır nun erfprießlicher für Euer Durchs 
Taucht wahres Befte zu ſeyn, ald wenn ich mich nach⸗ 
gibig gegen Ferdinands Antrag, wanfend in meiner 
Unterthand: Treue anftellte; wenn ich durch diefe Vers 
ftellung allmaͤhlig Allee durchſpaͤhte, und dann erſt die 
Summe der fammtlien Erfahrungen meinen: Fürſten 
darlegte, um ihn ın den Stand zu fegen, mit einem Bli⸗ 
cke der VBerfhwörung ganze Kette zu überſchauen, mit 
einem gewaltigen Streiche fie zu zerrrümmern. 

Großh. (mir ſoöttiſchem Ligen.) Vortrefflich! Und 
das Hinderniß, warum ba einen. fo weiſen, fo 
nutzvollen Plan nicht durchführteft ? 

M ondr. (ungeirrt in feiner Baffıng.) Wie Eönnte 
gerade Euer Durchlaucht dieſes Hindernig fremd feyn ? 
— Nahe ftand ich bereits meinem Ziel; in wenigen 
Zagen hoffte ich den zweckmäßigſten Augenblick erſhei⸗ 
nen zu ſehen. Schon träumte ih von Gewißheit Ih⸗ 
res Dankes, vom Wachsſthum Ihrer Huld, von einer 
Feuerprobe meines Dienſteifers, da — da erfuhr ich 
geſtern durch einen eigenen ſchnellen Bothen: „Marco 
„Badini ſey verhaftet worden! Warum ? wäre noch 
„jetzt ein Geheimniß.“ — Mir war es keines! SH 
kenne ihn allerdings, dieſen Marco Badini, ale einen 


vo... 68 nerea 


am weifeften ? Wer beugte ji am tiefften vor 
und mir? 
Groß h. (etwas nachdenkerd. Mondragone. 
Bianca. Sieh, ſchon ſprachſt du jetzt beder 
cher ſeinen Nahmen aus! Fühlſt du bereits, was 
meine? — O kein Diener, der unſicherer, der ber 
williger waͤre, beym kleinſten Gewinn und klein 
Verluſt, feine Herrſchaft zu dertauſchen, als jene 
ligen Beförderer jeder fürftlihen Laune, iene ſchaͤ 
lichen Unterhändler fremder Lüfte! — Ihnen gilt A 
gleih, was nur ihrer Habſucht, ihrem Ehrgeiz, ib 
übrigen niedrigen Abfihten ſchmeichelt. Ihnen trau 
heißt auf des Meerufers einrollendem Sande prädı 
Gärten und Pallüfte aufführen. Ihr Eifer ift eine 
käufliche Waare, Sedem feil, dernur einen &c 
mehr in die falſche Wage ihres Ei,ennußes wi 
Wenn fie ein einziges Mahl ſich gekrankt fühlen — 
Großh. Ceinfattend.) Und womit hätte Monk 
gone fi) gekraͤnkt fühlen Eönnen? Er, der unaus 
fegt meines Vertrauens genoß! | 
Bianca. Theilteft du nicht wenigſtens feit ei 
ger Zeit diefes Vertrauen? Oder gabft du nicht vi 
mehr mir fihrlid den Vorzug? So lange du der G 
mahl einer Gattinn warſt, der nur deine Hand, n 
dein Herz angehörte, war nit er, er dein Gür 
ling, dein bereitwilliger Diener jeder — (mit etwas 
haltenem Zone) jeder Wünſche, im Beſitz großer V 
dienfte, die dann ſchwanden, als dein Herz eine fi 
Mahl traf? Zede geliebte Gemaplinn mußte 
ihn eine verhaßte feyn; und zumahl ich — id, 
ich vorber nicht allzuglimpflich mandyen feiner Vorſchl 
beantwortet, feinen angebothenen Schuß , ziem 


wen 65 mem 


bitter, mie verbethen hatte! O Franz! Wenn fih als 
wahr erhärtet, weifen man Mondragone anſchuldigt; 
wenn entledigt fein Poften wird, weißt du wohl, auf 
welchen deiner Rärhe ich did) dann vorzüglich zu ach⸗ 
ten bitte ? ‚ 

Großh. Auf wen? Wünfie, meine theure Ges 
mahlinn! Nenne ihn mir, und deine Vorſprache foll 
erbört werden ! 

Bianca (acqelnd.) Mein, noch Eann id ihn bir 
nicht nennen; aud ſollſt du in allen folden Zallen 
nie beiner Gemahlinn Vorſprache, ſondern nur 
ihre Gründe, wenn du ſie richtig findeſt, befolgen. 
Es gibt der Augenblicke viel, wo der Fürſt ganz den 
Batten — es foll ihrer fogar einige geben, wo er 
den Menfden vergeflen muß. 

Großh. (etwas ungeduidig. So fage doh, auf 
wen? 

Bianca. Auf Denjenigen, der, als du unſere 
vorhabende Verbindung deinem geheimen Rathe zuerſt 
bekannt machteſt, am lauteſten, wiewohl mit gebüh— 
rendem Anſtand, dir fie widerrieth; der, als die 
Übrigen dir ſchmeichelnd Glück wuͤnſchten, feft bey feis 
. nem Kopffhütteln, feinem Achſelzucken, feiner zwei= 
felvollen Kalte blieb. 

Groß h. (erkaunt.) Wie? Den! — Es gab aller⸗ 
dings einen folgen Mann; ; aber Den fann Bianca 
empfehlen ? 

Bianca. Sch kann es! Weil ich ſicher bin, er 
meinte es damahls redlich mit dir; weil ich eingeſtehen 
muß, unſere Verbindung war damahls noch man⸗ 
chem Zweifel, mancher Beforgniß unterworfen; weil 
ich aber auch hoffen darf, Beyde ſeitdem gehoben, Rete 


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mich fo betragen zu haben, daß mein ehemahliger Geg⸗ 
er nun mein Freund geworden ift, oder noch wer⸗ 
den wird. 

Groß h. Vortrefflichfte deines Geſchlechts! Deine 
Einfiht, deine Weisheit gleicht deiner Tugend. Aber 
ſprich, welche Maßregeln foll ih je&t gegen meinen 
Bruder und Mondragone ergreifen ? 

Bianca. Diejenigen, die und faft nie gereueni, 
— die Magregeln dee Güte und der Großmuth. 
Ich glaubte, du hätteft bereits deine Vorlehrungen 
getroffen. 

Großh. Noch war es nur der erſte Anfang uns 
umgänglicher Vorſicht. Mondragone, wie du weißt, 
lebt ſchon ſeit einigen Wochen auf ſeiner Villa unweit 
Piſa. Er erbath ſich dieſen Urlaub unter dem Vorwand 
ſchwaͤchlicher Geſundheit. Er bedient ſich deſſen wahr⸗ 
ſcheinlich nur, um deſto verborgener ſeine Plane an⸗ 
zuſpinnen, feine Bothen abzuſenden. Ich habe vers 
traute Maͤnner beordert, die ihn von Weitem beobach⸗ 
ten, die ſich bemühen ſollen, einen oder mehrere ſei⸗ 
ner Briefe aufzufangen, damit dann deſto unbezwei⸗ 
felter feine eigene Handſchrift ihn überführe. Auch nach 
Kom — (Ein Kämmerer tritt herein.) 

Kämm. Verzeihen Eure Durchlaucht, wenn id 
ungerufen herein zu treten wage. — Der Hofmarfhall 
Mondragone befindet fih im Vorzimmer, und bittet 
aufs allerdringendfte um die Erlaubniß, vorgelaffen 
gu werden. 

Groß h. Cerkaunt.) Mondragone? — Er hier, und 
allein? Unter welchem Vorwand? 

Kamm. Ganz allein, und unter ber Verſiche⸗ 

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rung , daß er Dinge von äußerfter Eile und Biätige 
keit Euer Durchlaucht zu binterbringen habe, 

GrofXb. (Bianca andlidend.) Pa, was gilt, er 
bat bereits erfahren — — Liede Bianca, was fol ich 
thun? 

Bianca. Daß du noch zweifeln tannſt! Ion 
vorlaffen und hören. — Selbſt dem ÜÜber« 
führten muß es nicht an Öelegenheit fi zu vertheis 
digen gebrechen, gefhweige dem blog Angeklagten; 

Großh. Und wage ich nicht zu viel? 

Bianca. Was mwagft du gegen einen Einzigen 
— in meiner Gegenwart — in ber Nähe von deinen, 
Waren? | 

Großh. (Au Bianca.) Wohl wahr! (um Kamme⸗ 
rer.) Er mag’ hereintreten. (Kämmerer geht ad; Mondras 
gone tritt gleich darauf mit ehrerbiethiger Derbeugung ein.) 

Großh. «mie Hedeutendem Tone) Vortrefflich, 
Mondragone! Ihr Fommt ungerufen, als ich fo eben 
beſchloſſen hatte, nah Euch zu fenden. 

Monde. (uneriheoden? Nah mir fenden? Ha! 
dann wäre doch wohl das Gefühl meiner weiffagenden 
Seele kein Selbftbetrug gewefen! Dann errache ich im 
Boraus vieleicht, was diefe Worte Euer Durdlaucht 
und diefer ernſte, mir allerdings fremde Blick fagen 
wollen. 

Großh. Nur wire es auch unglaublich kühn, 
daß Ihr dann noch mich anzublicken wagtet! 
— (mit eiwas deänderter Stimme) Laß mich an dein 
Herz fühlen, Mondragone, und ich werde wiſſen, ob 
du richtig räthit. 

Mondr. Diejes Herz ſchlaͤgt ruhig, felbit wenn 
Ener Durchlaucht immer finfterer werdendes Auge den: 

Neißners Bianca Cap. 2. Thl. E 


ron 66 mem 
Tod, oder — was mehr ald der Tod ſelbſt mich fümergen 
würde !— Ihre Ungnade mir ankündete. Denn aud 
dann, aud dann ned) würde mich das Bewußtſeyn 
meiner Treue, dad Gefühl meiner unwanbelbaren Er⸗ 
gebenheit troͤſten! 
Großh. (mit dem Finger ihm deobend. .) Montragone, 


Mondragone, fündige nicht allzufehr auf Nebnung - 


meiner Langmuth! Haͤufe nit noch größere Schuld 
auf dich, ta du unter der bisherigen ſchon erliegſt! — 
Dem reuigenTreuloſen Eönnte ich vielleicht noch 
verzeiben; aber, bey Gott, dem trotzigen Ber 
räther, und dem ertappten Heuchler verzeihe 
ich nie! 

Mondr. Dem mag die Gottheit ſelbſt nicht ver⸗ 
zeihen! — Mein Fürſt! Vor meinen Augen liegt jetzt 
deutlich genug Ihrer Seele Innerſtes und Ihr Irrthum 
— dda FSranz ihn unterbrechen will, mie noch ſtärkerem Nachdruch) 
und Ihr Irrthum! Vergonne mir mein Fuͤrſt eine Er⸗ 
klaͤrung dieſer Worte, und er wird dann finden, daß 
fie weder falfch gewählt noch pflichtwidrig waren. Sch 
weiß, daß ich angefhuldigt worden; ich weiß, daß 
Schein, taͤuſchender Schein gegen mid) fpricht. Aber 
wenn ic) reden darf, fo hoffe ich aud) darzuthun, daß 
ed nur der Schein fey. 

Großh. So rede! . 

Bianca. Sollte meine Gegenwart "vielleicht 
hindern — — | 

Mondr. Vielmehr ift’ eben diefelbe mir dußerfk 
ermünfct. Unſchuld ſcheut fih nie vor Zeugen, fie 
wünſcht folchen fid) öfters; auch würde meinerÖtoßherzos 
ginn himmliſch holdes Auge der Schüchternpeit felbit noch 
größern Muth ertheilen. — (Mit vom Anſtand des ſchuidis⸗ 


ſeſten Sewirtens.) Es höre mid) denn bed großen Cosmus 
gleidy großer und noch gerechterer Sohn! Er entfheide 
nicht nad) meiner , fondern nad feines Herzens Stims 


me! — Kaum war die Verbindung meines Fürſten gewiß 


und. alldefannt geworden, als der Cardinal, mißmu⸗ 
thig, wie alle Welse im Voraus errieth, durch Briefe 
und heimlich abgeſchickte Botben meine Gedanken von 
diefer Vermählung auszuforfhen ſuchte — „Ihr feyd 
„nun,” fchrieb er mir, „der Diener einer ebemahligen 
„Bürgers⸗Frau geworden; fagt mir doc, wie ges 
„fällt euch eure neue Herrfhaft?” — Meın Blut ers 
ſtarrte, als ich diefe Zeilen las; es erftarrte noch mehr, 
als bald darauf auch mündlıhe Anreizungen zu Ein⸗ 
verftändniß und Aufruhr an mich ergingen. 

Großh. Vortrefflih!" und du Eonnteft Beydes 
mir verſchweigen? 

Mondr. Das wollte id nicht ; vielmehr war 


mein erfter Gedanke zu Euer Durchlaucht hinzueilen, 


zu Ihren Füßen diefes verrätherifche Schreiben zu legen, 
und die Männer anzuzeigen, die einem ſolchen Buben» 
ftüd die Hand biethen Eonuten; aber mitten auf dem 
Wege zur Burg hielt eim zweyter Gedanke mich noch 
zurück. — „Alſo fol, ſprach ich bey mir ſelbſt, das 
erlauchte Haus von Florenz Fürſten -uneinig unter 
füch feldft zerfallen? Ein Bruder foll gegen den andern 
fih waffnen? Und ih, ich Unglücklicher, bin beſtimmt 
dazu, den Schleyer wegzureiifen, den Abgrund aufzus 
fließen, der den gütigften Herrn aus feiner bisheri⸗ 
gen Ruhe auffhreden muß? — Ad, und erweife id) 
ibm, durch Beraubung feines füßen Irrthums, wohl 
wirklich den Dienit, den ich glaube?” — Hier über: 
dachte ich einige Augenblicke lang den Character des 
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wen BE un 


Cardinals; fammelte die Erinnerung an feine guten 
Eigenfhaften, wie an feine Fehler, und wog Beyde 
gegen einander: Von feiner Jugend an war Ferdinand 
heftig in feinen Empfindungen, aber lenkbar in feinen 
Mafiregeln gewefen ; hatte freplich fehr oft übel ges 
wählt, aver auch immer gern auf die beifere Stimme 
eines Ealtern NRathgebers gebdrr — — 

Großh. (pottend.) Wirklich? hätte er Dieß ge⸗ 
than? ? 

"Mondr. (ungeirrt.) Wenigſtens war mein Wort 
ſchon oft kräftig genug bey ihm geweſen, und aus die⸗ 
ſer Erinnerung entſprang der Vorſatz: erſt noch, be⸗ 
vor ich ihn dey Euer Durchlaucht verklage, das letzte 
Mittel ſeiner Beſſerung zu verſuchen. Ein Brief, in 
dem ich Alles ſammelte, was meine Feder zum Lobe 
meiner Fürſtinn ſagen konnte; wo ich alle Rednerkunſt 
und alle Kraft des wahren Wohlwollens, mit' der noch 
größern Stärke der lautern Wahrheit vereinte, ging 
des andern Tages ab, und beſchwur Euer Durchlaucht 
Bruder brüderlich gegen meinen Gebiether zu denken. 
Nicht Tange blieb die Antwort aus; aber ah, fie war 
nicht, wie ich fie erwartete und wünſchte. 

Großh. Nun — und doch hielteſt du auch Diefe 
mir zurück? 

Mondr. Noch hielt ih fie zurüd! Denn nen 
erft hoffte ich den Dienft, den ih Euer Durchlaucht 
erweifen könne, vollwichtig zu maihen. Der Cardinaf 
glaubte, — Das fah ich deutlich auß feiner Antwert, — 
nur noch höher meine Hoffnung fpannen zu dürfen, 
um dann von der Pfliht und Treue gegen meinen Für⸗ 
ften mich abzuziehen. Deßhalb that er mir Erbiethun« 
gen vom höchſten Werth ; deßhalb Tieß er mich noch 


ns 69 soo 
tiefer in das Gewebe feiner Maßregeln bficken ; pries 
deren Sicherheit, und forderte abermahls meinen Beys 
fand. 

Großh. cbieter.) Fürwahr, ſehr unvorſichtig für 
einen Medizäer und noch unvorſichtiger für einen 
Prieſter gehandelt! 

Monde. (gefaßt bleſdend.) Auch mich nahm Dieß 
Wunder; doc je unerwarteter diefer Umſtand war, 
je mehr, glaubte ih, fey es Pflicht ihn zu nützen. 
Nichts ſchien mır nun erfprießliher für Euer Durds 
Taucht wahres Beſte zu feyn, als wenn ich mich nach⸗ 
gibig gegen Ferdinands Antrag, wankend in meiner 
Unterthand: Treue anftellte; wenn ich durch diefe Vers 
ſtellung allmählig Adee durchfpähte, und dann erft bie 
Summe der fammtlien Erfahrungen meinen Sürften 
darlegte, um ihn in den Stand zu fegen, mit einem Bli⸗ 
cke der Berfhwörung ganze Kette zu überſchauen, mit 
einem gewaltigen Streiche fie zu zertrümmern. 

Großh. (mir ſpöttiſchem Lagern.) Vortrefflih! Und 
das Hinderniß, warum bu einen fo weifen, fo 
nußvollen Plan nicht durchführteft ? 

M ondr. (ungeirrt in feiner Baffıng.) Wie Eönnte 
gerade Euer Durchlaucht dieſes Hinderniß fremd feyn f 
— Nahe ftand ich bereits meinem Ziel; in wenigen 
Tagen hoffte ich den zweckmäßigſten Augenblick erſhei— 
nen zu feben. Schon träumte ib von Gewißheit Jh: 
res Dinkes, vom Wahsthum Ihrer Huld , von einer 
Feuerprobe meines Dienfteiferd, da — da erfuhr ich 
geftern durch einen eigenen fhnellen Bothen: „Marco 
„Batıni fey verhaftet worden! Warum? wäre nod 
„ießt ein Geheimniß.“ — Mir war 06 Eines! SH 
kenne ihn allerdings, diefen Marco Badini, ald einen 


nm 70  nesen 


Kundſchafter des Cardinals, als einen Kopf vol Nine 
fe und Unfinn — voll Tollkühnheit und Feigheit zus 
gleich ; ſchlau genug, wenn ed ihm glücklich, zitternd 
und Eriehend , wenn es ſchlimm ‘geht. Seine Verhafs 
tung , ıh geitebe es frey — klinge es auf den ers 
fien Ton fo ſeltſam, fo ſtrafbar als man wolle — ſcholl 
wie ein Donner in mein Ohr. Denn daß nun Alles - 
enthüllt, Alles Verdierft, daß ich mir durch die erfle 
Entdekung erwerben wollen, verfhwunden fey, ſah 
ich deutlih; daß jener Ertappte meinen Nahmen mie 
anzugeben nicht vergeffen haben werde, vermuthete 
ih; und in welchem [handlichen Lichte, in welcher vers 
suchten Geſtalt ih dann vor Euer Durdlaudt Geiſtes⸗ 
Augen ſtehen würde — nein, nein! diefan Gedanken, 
ſchmerzlicher als der qualvollfie Tod am Hochgerichte, 
vermochte ich nicht , auch eine Stunde nur gelaſſen zu 
ertragen. Deßhalb fammelte ich fogleih mit Eile und 
Übereilung meinenöthigften Brieffchaften; deßhaib warf 
ih mich auf mein ſchnellſtes Pferd; deßhalb gab ic 
mir feldit auch nicht eine Minute Ruhe und Raſt, bis 
ih bier anlangte, und Oelegenheit fand, vor nieinem 
Gebiether mich zu rechtfertigen. 

Groß h. (mit center Würde) Mondragone! Kannſt dus 
wirklich hoffen: deine ehemahiige Erziehung habe meinen 
Geiſt fo ganzleer an Menſchenkenntniß gelajlen, 
daß ich diefes elend zufammengeftoppelte Mahrchen die 
glauben follte? 

Mondr Dieß die Art von Antwort, die ih 
voraus ſah! Dieß ein Mißtrauen, das fid von felbft 
entfihuldigt ! Aber, wenn zu meiner Rechtfertigung 
nicht fon ein Leben genügt, das ich von Jugend auf 
Ihrem Vater und dann Euer Durchlaucht felbft wide 


von 71 ws. 


mete, — ein Leben voll Dienfteifer und Inbrunſt, wo 
nie ein Schatten des Verdachts, nie eine Spur von 
Untreue mir zu Schulden Fam; wo oft bes Füuͤrſten 
wictigfte Geheimniſſe unentdeckt in meinem Bufen 
fchliefen ; wo fein leifefter Befehl meinen Fuß beflügels 


te, meine Kraft verboppelte; wenn diefed Leben jetzt 


vergeffen oder verfhmäaht werben follte, fo fpreche wer 


nigitens diefer Beweis für mid! — (indem er ipm ein, 


Pavier überreicht. Hier auf diefer Nolle werden Euer 
Durchlaucht ein vollftändiged Verzeichniß ihrer Feinde 
— wenigftens derer, die ich Eenne — finden. Barbe 
der Schrift und Ausführlickeit des Vortrags werden 


zeugen, daß es nicht ein Werk von geftern, nicht et⸗ 


wa beffimmt war, den heiligen Anfer im Sturm zu 
maden. Es follte, wenn mein erfter Plan nicht ges 
fheitert wäre, zum Hauptbelege meiner ‚Eröffnung 
dienen; follte waͤhrlich mehr, als bloße — Berzeipung 
mir erwerben.- 

Großh. (indem er das Bergeihnig durablicke.) Uns 
endlier Bote! Iſt es moͤglich ? So viel habe ich der 


Haſſer? Und unter ihnen Männer, die nie ein Blick, 


nie ein Bedankte von mir beleidigte! Männer, die id 
mit Wohlthaten Überhäufte! Ungeheuer, die ich mit 
meinem Herzblut nährte! Ja, Mondragone, diefe 
Lıfte, wenn fie. wahr befunden wird, erwirbt Vers 
geihung. \ 
Monde. Euer Durchlaucht verzeihen dann nur 
meiner — Langfamfeit, nur dem Schein, der gegen 


mid fpriht; mein Merz, ich betheure es bey meinem 


und Shrem Leben, war Ihnen nie entfremdet. — 
Gleichwohl ift dieſes Verzeichniß, und die genauere 
Auskunft, die ich zu geben erböthig bin, nur die Eleis 


were 73  ... 
nere Hälfte desjenigen Dienftes, ben ich zu I 
vermag. An Ewr. Durchlaucht Wilffür ſteht es, 
ne.geringen Kräfte noch zehnfach ausgibiger zu ni 
Ein mäßiges Zutrauen ift das Mittel hierzu. 

Großh. Rede! Ich verftehe Dich nicht! 

Mondr. Entſinnt fi mein Fürſt noch aus 
Lieblingsbuch feiner Jugend der Geſchichte des C 
und der Panthea? Entſinnt er ſich noch eines gew 
Araſpes? 

Großh. (verwunderungtvoll.) und wenn ich | 
nun feiner entfanne ? 

. Monde. Aid diefer Arafpes die Huld, bie f 
nende Behandlung feines Königs zu vergelten fuc 
— auf welde Ars that er Dieß? Nicht, inden 
änßerlih ein Abtrünniger von Cyrus warb, umb 
Herzen. fein glühendfter Freund blieb? Nicht, in 
er fogar zum feindlichen Feldherrn Üüberging, bald 
ner gebeimften Anfchläge Eundig ward, jeden derfel 
dem perfifhen Monarchen heimlich anzeigte, und 
hierdurch mehr, als ein ganzes Hülfsheer, nügte! 
Nicht? 

Groß h. Allerdings! 

Mondr. Wohlan! Eines Wortes, eines - 
genwinkes von Emwr. Durchlaucht bedarf ed, und 
können am Bufen ihres unbrüderlichen Brnders ei 
glei nüglichen Freund fid erwerben. Cyrus zu fe 
Eann Shen nicht ſchwer fallen; ich bin erböthig, | 
Arafpes zu fpielen. 

Großh. Ha, Verräther! Biftdu nun fertig: 
deinem Gewebe von Trug und Boßheit? ſchmeicht 
du dich auf eine fo plumpe Art, deine Gregheig und 


0008 7 z —X 


Verſchonung von der verdienten Strafe zugleich zu 
gewinnnen ? 

Mondr. (tar) Es gehört ganz die innige Ers , 
gebenheit dazu, bie ih für Euer Turchlaucht fühle, 
ganz das dreifte Bewußtfeyn eines ſchuldloſen Gewiſſens, 
um unerfhüttert bey fo häufigen, jo unverdienten, 
fo unerwartet zurückkehrenden Vorwürfen zu bleiben. 
— Verzeibung fol ic erft zu erwerben bemüht 
feyn? Ener Durchlaucht ficherten ja (den vor weni: 
gen Minuten mir fie zu! Nach meiner Freyheit 
ſoll ih durch dieſen —** ſtreben? Wann ward 
Dieſe bisher noch gekränkt? Oder was wäre mir leich- 
ter als ſie zu ſichern geweſen? Nicht durch eine Wa⸗ 
he von Euer Durchlqucht abgeholt, durch meinen ei⸗ 
- genen Antrieb gefpornt, Eomme ich hieher. Zwölf Mei⸗ 
Ien liegt die Billa, auf welcher ih mıd befand, von 
der Grenze des Kırenftaat6, und funfzig von Flo⸗ 
renz. Vier Mahl ſchneller hätte mich mein Roß dort⸗ 
bin, als bierher getragen. Ehe meine Flucht ein Auge 
wahrnahm, ein Kundfipafter belaufchte, war ich ges 
retter. Mit offenen Armen hätte Ferdinand mich em⸗ 
pfangen; hatte gewiß — 9 mein Gebiether, lernen 
Eie fernerhin genauer ihre Freunde kennen! Fühlen 
Sie inniger die ungefchminkte Wahrheit: daß nur der 
Eifer für meinen Fürften mich hierher berief ! Nur für 
ihn, den ich ſelbſt erziehen Half, den ich ald Knaben 
fhon auf diefen Armen trug, — den ich auffproffen, 
empor wachſen, blühen und Früchte tragen fah — nur 
für ihn kann ich mich jetzt zu einer Rolle erbietben, die 
ju den allerfchwierigften, allermißlichften gehört, 

Großh. Und-zu den fhimpflidften obendrein ! 
— Geſetzt, Montrogone, ich glaubte deinen bisherigen; 


Keden — fo unglaubfid fie find! — Gefekt, ich hielte 
für einen Beweis deiner Tiebe und Treue, was mir 
die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit fheint; wie Eönnte idy eis 
nem Manne trauen, der fih mir den Wer äther eines 
Andern zu fpielen erbiether ? 

Mondrag. Und warum eben den Verräs 
ther? Könnte ich nicht auch jeßt noch des Ausſsh⸗ 
ners edlere Rolle übernehmen? Iſt nicht überhaupt 
der Nahme Verräther eine Ungerechtigkeit, wenn er 
anf einen Mann angewandt wird, der feinem re ht maͤ⸗ 
Bigen Oberherrn in rebhtmäßiger Sache 
— fen ed auch durch Hülfe einiger nothwendigen MWers 
ſtellung — zu dienen gedenkt? Habe id dem Große 
herzog Franz, oder dem Cardinal Ferdinand treu und 
unterthan zu feyn geichivoren t Habe ib — dody nein! 
Sch will der Gründe und Rechtfertigungen niht ned 
mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich, 
wie ed ihın gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen, 
oder ſchenke er es mir noch Eunf:ig! Beſtrafe er meine 
Unvorſichtigkeit, oder belohne ev meinen redlichen Wile 
len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -u 
geben , ih murre nie! Mis unwandelbarer Treue, 
der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich feie 
nem Gebothe. 





Mondragone ſchwieg bier. Keine zagende Miene 
hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stoden ben Fluß 
feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feinem Richter, 
nicht wie ein Beklagter, fondern wie ein verkannter, 
beleidigter Btedermann flieht. — In defto ſtaͤrkerer Uns 


— 75 — 

entſchloſſenheit ging mit großen Shritten Franz einige 

Mahl im Zimmer auf und ab.’ Zahllofe Gedanken 
durhwogten fein Gehirn. Er Eonnte es ſich ſelbſt 
nicht abläugnen: daß er Mondragone bisher ges 
liebe, und nicht die Eleinfte Spur der Untreue an 
ihm gefunden habe; Eonnte e6 nicht läugnen, dap er. 
feine Vertheidigung maͤnnlich führe, und daß er zu ihr 
freywillig ſich geſtellt habe. Gleichwohl waren auf der 
andern Seite die Vermuthungen gegen ihn ſo wichtig, 
die Gründe für ſeine Unſchuld ſo unwahrſcheinlich, 
und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur noch ein 
Verdacht mehr. 

Eden deßwegen hatten, Sros aller Kunſt, feine 

Worte bisher nur wenig gewirkt, doch defto jtärker 
die durchgeſetzte Unerfhrocdenheit feines Tons, der 
Sleihmuth feiner Miene, und die Würde feines 
Anftands Schon begann almählig der gutmüthige 
Franz zu.zweifeln, daß Werftelung fo weit geben 
Eonne. Seine edle Seele ſträubte fi) gegen den Blau: 
ben an Laſter, deren Unmöglichkeit er zu empinden 
wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine, 
diefe ganze Zeit über fhmweigende Gemahlinn: aber fie 
fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte fich 
auch ganz. — Etwas Ifeltfam dünkte Franz dieſes 
Betragen, doch war es an ſich felbft leicht erklaͤrbar. 
Denn zu flark war der Perdacht, den Bianca gegen 
dieſen Höfling hegte: und doch Eonnte fie gleichfalls 
feiner Rechtfertigung nichts Gründliches entge⸗ 
genſetzen. Ihre gerade, lautere Seele verabſcheute den 
von ihm vorgeſchlagenen Plan einer tückiſchen Vers 
ſtellung, und doch konnte fie deffen fcheindaren 
Nutzen nicht abläugnen. Wohlbedaächtig wollte fie 


vode 76 wo. 


baker von jeder Billigung ober Misbilligung gleich 
entfernt ſich halten. 

Ihr Weggehn vermehrte des Großherzogs Un- 
ſchlüſſigkeit und des Hoöͤflings Muth. Auch ſt um m 
war ſie für Mondragone eine gefaͤhrliche Gegnerinn 
geweſen. Jetzt rief er noch ein Mahl dem Fürſten alle 
feine geleifteten oder angeblichen Dienfte ind Gedächt⸗ 
niß zurück; führte weitläufiger aus, was er Eurz 
vorher nur zufammen gedrängt harte ; geftand, Daß er gar 
wohl fähe, daß Bianca ihm abgeneigt wäre; 
überrafihte dadurch aber den Fürften durch die Frage:. 
Ob nidt Sr. Durchlaucht ehemahliger eiges 
ner Befehl die erfte Duelle von dem Uns 
willen feiner jegigen Gemahlinn fey!— 
Franz flocte; er vermochte nicht, ganz Dieß abzulaugs 
nen. Schon fein Verſtummen war Antwort genug, 
und der ſchlaue Mondragone fuhr fort eben Diejenige 
BereitwilligEeit, die Bianca Eur; vorher fo vers 
dienter Maßen verdaͤchtig gemacht hatte, jeßt von ber 
guten Seite darzuſtellen. Cie ward nun zur unbes 
dingten Ergebenheit in den Willen bes Mo⸗ 
narchen, zur Öefangennehmung jeder eigenen Einficht, 
und zur todverachtenden Treue. So fuhr er einige Mi⸗ 
nuten fort, rund fieh da, er acwann Sranzens Zutrauen 
wieder ! 

Zogleidy ging er zu der Nothwendigkeit über, 
bey einem fo gefährlichen Feind, als ter Gardinaf 
wäre, oder werden dürfte, einen getreuen Kundſchaf⸗ 
ver zu haben; er erſchwerte dieſes unwürdige Gefchäft 
noch um ein Großes, um deifen Dienitleittung deſto 
gefchägter su machen; er warf das hellſte Licht auf Die 
Möglichkeit: daß ein Mann, der tes Cartinals Were 


— 737 — 
rauen beſäße, ihm vielleicht Bianca's ſeltene Eigen: 
ſchaften nur zu ſchildern brauche, um feinen Groß zu 
befänftigen; und nun — nün hatte er Franzen, der die 
Ruhe feines Staats, und die Sicherheit feiner geliebten 
Gemahlinn über Alles wünſchte, da, wo er ihn haben 
wollte. — Der Großherzog erlaubte feinem ehemahli⸗ 
gen Günſtling ſich wieder heim zu begeben ; erlaubte 
ibm, des andern Tages, ſich halb verftohlen von Flo⸗ 
ven, nah Rom zu flüchten ; gab ihm fein fürftliches 


Wort: daß feine Habe und Familie indeß Fein Verluſt 


bedrohen follte; fand ed gut, daß er außerlich ben 
Anhänger des Gardinald made ; und bedingte fid) 
bloß, daß Mandragone ſtets einen unmittelbaren Briefs 
wechfel mit ihm unterhalten und die Gefahr aller bes 
forghihen Anſchläge duch zeitige Nachrichten abwen⸗ 
den folle. 

Bianca, als fie des andern Morgens (denn dieß 
Geſpräch hatte tief über Mitternacht gedauert,) die 
Wendung der Sache erfuhr, die fie — vorbergefehen 
hatte, zuckte zmeifelhaft die Achſeln; Franz drang 
darauf ihre Meinung a wijfen; und fie antwortete 
endlih : 

„Wahrlich, ich habe der Seltenheiten ſchon viele 
„geleben; doch ein getreuer Verräther ſchiene 
„mir fonderbarer, ald alle Wunderwerke der alten und 
„neuen Welt. — Ich kann mid) irren; doch mich wird 
„fortan Mondragone nur dann serögen, ‚ wenn er 
„keine Unwahrheit mehr fagt !” i 

Großh. Aber, wenn er wirklich treulos, und 
die Flucht nach Rom wirklich ſein Wunſch geweſen 
wäre; warum ergriff er fie nicht auch ohne meine Er⸗ 
laubniß? Warum wagte er noch erſt feinen Kopf hier 


x 


VIER 70 se. 

Kundfchafter des Cardinals, als einen Kor vol Raͤn⸗ 
fe und Unfinn — voll Tollkühnheit und: Feigheit zus 
gleich ; ſchlau genug, wenn es ihm glücklich, zitternd 
und friehend , wenn es ſchlimm ‘geht. Seine Verhafs 
tung , ih geitehbe es frey — Einge es auf den ers 
fien Zon fo ſeltſam, fo ftrafbar ald man wolle — ſcholl 
wie ein Donner in mein Ohr. Denn daß nun Alles - 
enthüllt, Alles Verdierft, daß ich mir dur die erfle 
Entdefung erwerben wollen, verfhwunden fey, ſah 
ih deutlich; daß jener Ertappte meinen Nahmen mit 
anzugeben nicht vergeffen baben werde, vermuthete 
ih; und in welhem [handlichen Lichte, in welcher vers 
ruchten Geſtalt ih dann vor Euer Durdlaudt Geiſtes⸗ 
Augen ftehen würde — nein, nein! diefan Gedanken, 
ſchmerzlicher ald der qualvollfie Tod am Mochgerichte, 
vermochte ich nicht , auch eine Stunde nur gelaffen zu, 
ertragen. Deßhalb fammelte ich fogleih mit Eile und 
Übereifung meinenöthigften Brieffchaften; deßhalb warf 
ih mich auf mein ſchnellſtes Pferd; deßhalb gab ich 
mir ſelbſt auch nicht eine Minute Ruhe und Raſt, bis 
ih bier anlangte, und Öelegenheit fand, vor meinem 

Gebiether mich zu rechtfertigen. “ 

Groß h. (mit ernſter Würde.) Mondragone! Kannft du 
wirklich hoffen: deine ehemahlige Erziehung habe meinen 
Geiſt fo ganzleer an Menſchenkenntniß gelajfen, 
dafı ich dieſes elend sufammengeftoppelte Maͤhrchen die 
glauben follte ? 

Mondr Dieß die Art von Antwort, die ich 
voraus foh! Dieß ein Mißtrauen, das fid von felbft 
entfihuldigt ! Aber, wenn zu meiner Redtfertigung 
nicht fon ein Leben genügt, dad id von Jugend auf 
Ihrem Vater und dann Euer Durchlaucht felbft wide 


vorn 71 ws. 


mete, — ein Leben voll Dienſteifer und Inbrunſt, wo 
nie ein Schatten des Verdachts, nie eine Spur von 
Untreue mir zu Schulden kam; wo oft des Füuͤrſten 
wichtigfte Geheimniſſe unentdedt in meinem Bufen 
ſchliefen; wo fein leifefter Befehl meinen Fuß beflügels 


te, meine Kraft verdoppelte; wenn dieſes Leben jetzt 


vergeffen oder verfhmäaht werben follte, fo fpreche wer 


nigitens diefer Beweis für mid! — Lindem er ihm ein, 


Papier überreicht. Hier auf diefer Nolle werden Euer 
Durchlaucht ein vollftändiges Verzeichniß ihrer Feinde 
— wenigftens berer, die ich Eenne — finden. Farbe 
ber Schrift und Ausführlicfeit des Vortrags werden 


jeugen, daß es nicht ein Werk von geftern, nicht et⸗ 


ma beftimmt war, den heiligen Anker im Sturm zu 
maden. Es follte, wenn mein erfter Plan nicht ges 
fheitert wäre, zum Hauptbelege meiner ‚Eröffnung 
dienen; follte währlich mehr, als bloße — Berzeipung 
mir erwerben.- 

Groß h. (indem er das Bergeihnig dur@btidt.) Uns 
endlicher Bote! Iſt es mögliht So viel habe ich der 


Hafer? Und unter ihnen Männer, die nie ein Blid, 


nie ein Gedanke von mir beleidigte! Männer, die ich 
mit Wohlthaten Überhäufte! Ungeheuer, die ich mit 
meinem Herzblus nährte! Ja, Mondragone, diefe 
Liſte, wenn fie. wahr befunden wird, erwirbt Ver⸗ 
geihung. 
Monde. Euer Durchlaucht verzeihen dann nur 
meiner — Langfamkeit, nur dem Schein, der gegen 


mid ſpricht; mein Herz, ich betbeure es bey meinem’ 


und Shrem Leben, war Ihnen nie entfremdet. — 
Gleichwohl ift dieſes Verzeichniß, und die genauere 
Auskunft, die ich zu geben erböthig bin, nur die Eleis 


were 73 vxvv 
nere Haͤlfte desſenigen Dienſtes, den ich zu leiſten 
vermag. An Ewr. Durchlaucht Willkür ſteht es, mei⸗ 
ne.geringen Kräfte noch zehnfach ausgibiger zu nügen. 
Ein mäßiges Zutrauen ift das Mittel hierzu. 

Großh. Rede! Ich veritebe Dich nicht! 

Mondr. Entjinnt fih mein Fürſt noch aus dem 
Lieblingsbuch feiner Jugend der Geſchichte des Cyrus 
und der Panthea? Entfinnt er ſich noch eines gewiffen 
Araſpes? 

Großh. (verwunderungsvon.) Und wenn ich mid 
nun feiner entfanne ? 

Mondr. Aid diefer Araſpes! die Huld, die fher 
nende Behandlung feines Königs zu. vergelten fuchte, 
— auf welche Art that er Dieß? Nicht, indem er 
äußerlih ein Abtrünniger von Cyrus warb, umb im 
Herzen fein glühendfter Freund blieb? Nicht, indem 
er fogar zum feindlichen Feldherrn überging, bald feis 
ner geheimften Anfchläge Eundig ward, jeden derfelben. 
dem perfifhen Monarden heimlich anzeigte, und ihm 
hierdurch mehr, als ein ganzes Sülfäpeer nützte — 
Nicht? 

Groß h. Allerdings! 

Mondr. Wohlan! Eines Worte, eines Au⸗ 
genwinkes von Ewr. Durchlaucht bedarf es, und ſie 
können am Buſen ihres unbrüderlichen Bruders einen 
gleich nützlichen Freund ſich erwerben. Cyrus zu ſeyn, 
kann Ihnen nicht ſchwer fallen; ich bin erböthig, den 
Araſpes zu ſpielen. 

Großh. Ha, Verraͤther! Biſt du nun fertig mit 
deinem Gewebe von Trug und Boßheit? ſchmeichelſt 
du dich auf eine fo plumpe Art, beine Freyheit und die 


7. 7 3 —X 


Verſchonung von der verdienten Strafe zugleich zu 
gewinnnen ? 

Mondr. (tar.) Es gehört ganz die innige Ers 
gebenheit dazu, die ih für Euer Turchlaucht fühle, 
ganz das dreiſte Bewußtfeyn eines ſchuldloſen Gewiſſens, 
um unerfchüttert bey fo häufigen, fo unverdienten, 
fo unerwartet zurückkehrenden Vorwürfen zu bleiben. 
— Verzeibung fol ih erft zu erwerben bemüht 
feyn? Ener Durchlaucht fiherten ja ſchon vor weni» 
gen Minuten mir fie zu! Nach meiner Freyheit 
ſoll ich durch dieſen Vorſchlag ſtreben? Wann ward 
Diefe bisher noch gekränkt? Oder was wäre mir leich- 
ter als fie zu ſichern geweſen? Nicht durch eine Wa⸗ 
he von Euer Durchlqucht abgeholt, durch meinen ei⸗ 
. genen Antrieb gefpornt, Eomme ich hieher. Zwölf Meir 
len liegt die Villa, auf welcher ich mich befand, von 
der Grenze des Kirchenſtaats, und funfzig von Klo: - 
venz. Vier Mahl ſchneller hätte mich mein Roß borte 
bin, als bierber getragen. Ehe meine Flucht ein Auge 
wahrnahm, ein Kundfipafter belaufchte, war ich ges 
rettet. Mit offenen Armen hätte Ferdinand mich em⸗ 
pfangen; hatte gewiß — o mein Gebiether, lernen 
Sie fernerbin genauer ihre Sreunde kennen! Fühlen 
Sie inniger die ungeſchminkte Wahrheit: daß nur der 
Eifer für meinen Fürften mich hierher berief! Nur für 
ihn, den ich ſelbſt erziehen half, den ich ald Knaben 
fhon auf diefen Armen trug, — den ich auffproffen, 
empor wachfen‘, blühen und Früchte tragen ſah — nur 
für ihn Fann ich mich jekt zu einer Holle erbiethen, bie 
su den allerfehwierigften, allermißlichften gehört, 

Großh. Und: zu den fhimpflihften obendrein! 
— Geſetzt, Mondrogone, ich glaubte deinen bisherige 


Reden — fo unglaublich fie find! — Gefekt, ich hielte 
für einen Beweis deiner Liebe und Treue, was mie 
die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit fcheint ; mie könnte ich eis 
nem Minne trauen, der fih mir den Werther eines 
Andern zu fpielen erbiether? 

Mondrag. Und warum eben ben Verräs 
tber? Könnte ich nicht auch jegt noch des Ausfäh- 
ners edlere Rolle übernehmen? Sft nicht überhaupt 
der Nahme Verraͤther eine Ungerechtiglar, wenn er 
auf einen Mann angewandt wird, der feinem ve htmär 
ßigen DOberherrn in rechtmäßiger Sache 
— fen ed auch durch Hilfe einiger nothwendigen Ver⸗ 
ſtellung — zu dienen gedenkt? Habe ih dem Große 
herzog Franz, oder dem Carbinal Ferdinand treu und 
unterthan zu feyn geſchworen ? Habe ih — body nein! 
Sch will der Gründe und Rechtfertigungen nit ned 
mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich, 
wie es ihm gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen, 
oder ſchenke er es mir noch Eünf:ig! Beſtrafe er meine 
Unvorjichtigkeit, oder belohne er meinen redlihen Wil⸗ 
len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -zm 
geben, ih murre nie! Mit unwandelbarer Treue, 
der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich ſei⸗ 
nem Öebothe. 





Mondragone ſchwieg bier. Keine zagende Miene 
hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stoden den Fluß 
feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feinem Richter, 
nicht wie ein Beklagter, ſondern wie ein verkannter, 
beleidigter Biedermann flieht. — In defto flärkerer Uns 


— 7) — 
entſchloſſenheit ging mit großen Schritten Franz einige 
Mahl im Zimmer auf und ab. ’Zahllofe Gedanken 
durhwogten fein Gehirn. Er Eonnte es ich ſelbſt 
nicht ablöugnen: daß ce Mondragone bisher ges 
liebt, und nicht die Heinfte Spur der Untreue an 
ihm gefunden habe; Eonnte e6 nicht laugnen, daß er. 
feine Vertheidigung männlich führe, und daß er zu ihr 
freywillig ſich geſtellt habe. Gleichwohl waren auf der 
andern Seite die Vermuthungen gegen ihn ſo wichtig, 
die Gründe für ſeine Unſchuld ſo unwahrſcheinlich, 
und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur no ein 
Verdacht mehr. 
Eben deßwegen hatten, Trot aller Kunſt, ſeine 
Worte bisher nur wenig gewirkt, doch deſto ſtaͤrker 
die durchgeſetzte Unerfhrocdenheit feines Tons, ber 
Sleihmuth feiner Miene, und die Würde feines 
Anftands Schon begann almählig der gutmüthige 
Franz zu.zweifeln, daß Werftellung fo weit geben 
könne. Seine edle Seele ſträubte ſich gegen den Blau: 
ben an Lafer, deren Unmöglichkeit er zu empfinden 
wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine, 
diefe ganze Zeit über fhweigende Gemahlinn: aber fie 
fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte ſich 
auch ganz. — Etwas Ifeltfam dünkte Franz dieſes 
Betragen, d Oh war es an fich felbft leicht erflärbur. 
Denn zu ſtark war der Verdacht, den Bianca gegen 
biefen Höfling hegte: und doch Eonnte fie gleichfalls 
feiner Rechtfertigung nidts ©ründliches entges 
genfegen. Ihre gerade, Iautere Seele verabſcheute den 
von ihm vorgefchlugenen Plan einer tüdifhen Vers 
fiellung,, und dod Eonnte fie deffen foheindaren 
Nutzen nicht abläaugnen. Wohlbedächtig wollte fie 


Reden — fo unglaublich fie find! — Geletzt, ich hielte 
für einen Beweis deiner Liebe und Treue, was mir 
die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit ſcheint; mie könnte ich eis 
nem Manne trauen, der ſich mir den Veriather eines 
Andern zu fpielen erbiether ? by 

Mondrag. Und warum eben den Verrär 
ther? Könnte ich nicht auch jet noch des Ausſöh⸗ 
ners edlere Rolle übernehmen? Sft nicht überhaupt 
der Nahme Verraͤther eine Ungerechtigkeit, wenn er 
auf einen Mann angewandt wird, der feinem re htmär 
figen DOberberrn in rechtmäßiger Sade 
— ſey es auch durch Hilfe einiger nochwendigen Ver⸗ 
ftelung — zu dienen gedenkt? Habe ih dem Große 
herzog Franz, oder dem Cardinal Ferdinand treu und 
untertban zu feyn geichworen ? Habe ih — doch nein! 
Sch will der Gründe und Redtfertigungen nicht ned 
mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich, 
wie ed ihm gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen, 
oder ſchenke er es mir noch Fünf:ig! Befträfe er meine 
Unvorſichtigkeit, oder belohne er meinen redlichen Wil⸗ 
len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -zu 
geben , ih murre nie! Mit unwandelbarer Treue, 
der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich ſei⸗ 
nem Gebothe. 





Mondragone ſchwieg hier. Keine zagende Miene 
hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stocken den Fluß 
feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feınem Richter, 
nicht wie ein Beklagter, fondern wie ein verkannter, 
beleidigter Biedermann ſteht. — In defto flärkerer Un⸗ 


— 7) — 
entſchloſſenheit ging mit großen Shritten Franz einige 
Mahl im Zimmer auf und ab. Zahlloſe Gedanken 
durchwogten ſein Gehirn. Er konnte es ſich ſelbſt 
nicht ablͤugnen: daß ce Mondragone bisher ges 
liebt, und nicht die Eeinfte Spur der Untreue an 
ihm gefunden babe; Eonnte e6 nicht laugnen, dap er. 
feine Vertheidigung männlich führe, und daß er zu ihr 
freywillig fi geftellt habe. Gleichwohl waren auf der 
andern Eeite die Vermuthungen gegen ihn fo wichtig, 
die Gründe für feine Unſchuld fo unwahrſcheinlich, 
und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur noch' ein 
Verdacht mehr. 
Eben deßwegen hatten, Zros aller Aunft, feine 
Worte bisher nur wenig gewirkt, doch defto jtärker 
die durchgeſetzte Unerſchrockenheit ſeines Tons, der 
Gleichmuth ſeiner Miene, und die Würde ſeines 
Anſtands. Schon begann almählig der gutmüthige 
Franz zu zweifeln, daß Verſtellung fo weit geben 
könne. Seine edle Seele ſträubte ſich gegen den Glau⸗ 
ben an Laſter, deren Unmöglichkeit er zu empfinden 
wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine, 
diefe ganze Zeit über fhweigende Gemahlinn: aber fie 
fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte ſich 
auch ganz. — Etwas !feltfam dünkte Franz dieſes 
Betragen, doch war es an ſich ſelbſt leicht erklaͤrbar. 
Denn zu ſtark war ber Perdacht, den Bianca gegen 
biefen Höfling begte: und doch Eonnte fie gleichfalls 
feiner Rechtfertigung nidts Gründliches entge⸗ 
genſetzen. Ihre gerade, lautere Seele verabſcheute den 
von ihm vorgeſchlagenen Plan einer tückiſchen Vers 
fiellung, und doch konnte fie deffen foheindaren 
Nutzen nicht ablaugnen. Wohlbedächtig wolle fie 


—R 76 u 


baker von jeder Billigung ober Misbilligung gleich 
entfernt ſich halten. 

Ihr Weggehn vermehrte des Großherzogs Un⸗ 
ſchlüſſigkeit und des Höflings Muth. Auch ſt u mim 
war ſie für Mondragone eine gefaährliche Gegnerinn 
geweſen. Jetzt rief er noch ein Mahl dem Fürſten alle 
feine geleiſteten oder angeblichen Dienſte ind Gedächte 
niß zurück; führte weitläufiger aus, was er kurz 
vorher nur zuſammen gedraͤngt hatte; geſtand, daß er gar 
wohl ſaͤhe, daß Bianca ihm abgeneigt wäre; 
überrafihte Dadurch aber ben Fürften durch die Frage:, 
Ob nicht Sr. Durchlaucht ehemahliger eige 
ner Befehl die erſte Duelle vondem Uns 
willen feiner jegigen Gemahlinn ſey? — 
Franz ſtockte; er vermochte nicht, ga:ız Dieß abzuläug⸗ 
nen. Schon fein Verſtummen war Antwort genug, 
und der ſchlaue Mondragone fuhr fort eben diejenige 
Bereitwilligfeit, dieBianca Eur; vorher fo vers 
dienter Maßen verdadtig gemacht hatte, jet von der 
guten Seite darzuftellen. Cie ward nun zur unbes 
dingtenErgebenheit in den Willen des Mo⸗ 
narchen, zur Öefangennehmung jeder eigenen Einficht, 
und zur todverachtenden Treue. So fuhr er einige Mis 
nuten fort, ‚und fieh da, er gewann Franzens Zutranen 
wieder ! 

Sogleid ging er zu der Nothwentigfeit über, 
bey einem fo gefährlichen Feind, als der Cardinal 
wäre, oder werden dürfte, einen getreuen Kundfchafs 
ter zu baben; er erfchwerte diefes unwürdige Gefchäft 
noch um ein Großes, um bdeifen Dienſtleiſtung deſto 
gefchägter zu machen; er warf das hellfte Licht auf bie 
Möglichkeit: daß ein Mann, der tes Cardinals Verz 


7] — | 
rauen befüße, ihm vieleicht Bianca's feltene Eigen: 
fhaften nur zu ſchildern brauche, um feinen Grol zu 
befänftigen; und nun — nün hatte er Franzen, der die 
Ruhe feines Staats, und die Sicherheit feiner geliebten 
Gemahlinn über Alles wünſchte, da, wo er ihn haben 
wollte. — Der Großherzog erlaubte feinem ehemahli⸗ 
gen Günſtling ſich wieder heim zu begeben; erlaubte 
ihm, bed andern Tages, ſich bald verftohlen von Flo⸗ 
ven, nah Rom zu flüchten ; gab ihm fein fürftliches 


Wort: daß feine Habe und Familie indeß Fein Verluft 


bedrohen follte; fand es gut, daß er äußerlich den 
Anhänger des Cardinals made ; und bedingte fid) 
bloß, daß Mandragone ſtets einen unmitteldaren Briefs 


wechfel mit ihm unterhalten und die _Gefabr aller bes - 


ſorglichen Anſchläge durch zeitige Nachrichten abwen⸗ 
den ſolle. 

Bianca, als ſie des andern Morgens (denn dieß 
Geſpräch hatte tief über Mitternacht gedauert,) die 
Wendung der Sache erfuhr, die fie — vorhergeſehen 
hatte, zuckte zweifelhaft die Achſeln; Franz drang 
darauf ihre Meinung zu wiſſen; und ſie antwortete 
endlich: 

„Wahrlich, ich Habe der Seltenheiten ſchon viele 
„gefeben; doch ein getreuer Verräther fhiene 
„mir fonderbarer, ald alle Wunderwerfe ber alten und 
„neuen Welt. — Ich Eann mid) irren; doch mich wird 
„fortan Mondragone nur dann betrögen, wenn er 
„Eeine Unwahrheit mehr fagt !” 

Großh. Aber, wenn er wirklich treulos, und 
die Flucht nah Rom wirklich fein Wunſch gemeien 
wäre; warum ergriff er fie nicht auch ohne meine Er; 
laubnig? Warum wagte er noch erſt feinen Kopf hier» 


‘ 


ber zu tragen, da bey allen Dem bie Viederbinweg⸗ 
bringung desſelben fo ungewiß war.? 

Bianca. Vielleicht weil er auf ſeiner Flucht 
noch z veyerley mitnehmen wollte, woraͤn ihm freylich 
unendlich viel gelegen ſeyn mußte. 

Großh. Und Das waͤre? 

Bianca. Sein Vermögen und bein Bus 
trauen. 


— — 


Ich bleibe dabey, alle Fernröhre, die ſeit Gali⸗ 
laͤis Zeiten erfunden und verbeſſert wurden, find trüb 
und ſtumpf gegen den fcharfen Blick des weibliden ” 
Geiſtes. Richtiger hätte die Pläne feines niedrigen 
Herzend Mondragone felbft vor dem Richterſtuhl bes 
eigenen Gewiſſens nicht darftellen können, als fie Bians . 
ca bier in wenige Worte zufammen engte. — Denn 
ald er auf feiner Villa die Verhaftung jenes römifchen 
Kundſchafters vernahm, war allerdings der erfle Ges - 
danke feiner feigen Seele die fchleunigfte Flucht 
gewefen; erſt als feine entfchloffenere Battinn, als 
fein eigner Geiz ihm voritellten: welche unermeß⸗ 
liche, mübfam zufammengefparte Reichthümer er dann 
preisgeben müſſe; als jer wohl begriff, wie unſicher 
eine geneigte Aufnahme beym Qardinal feyn würde, 
wenn Diefer in ihm Eeinen nüglichen Bundsverwandten 
mebr, fondern bloß einen laͤſtigen Koftgänger ankom⸗ 
men ſaͤhe; da faßte er den feften Entſchluß, entweder 
Alles zu verlieren, oder Alles zu behals 
ten. Er Eannte die Wachsweiche von Franzens Ders 
zen; er baute hierauf den Anſchlag der frevelbaftefien 


Verftellung; und er führte aus, was er ſich vergenom⸗ 
men hatte. 

Jetzt, als er nun unter ganz andern Umſtaͤnden 
zum Cardinal Fam; als er ihm erzählte, wie nah über 
feinem Haupt das Ungewitter hingegangen fey; wie 
Hüglich er ed abgensandt habe; und wie er, auch noch 
als Überläufer, Sranzens Zutrauen mit ſich ‚bringe ; 
da ließ der ſtolze Cardinal ſich felbft Biß zur Umarmung 
diefes Verräthers herab, und überhäufte ihn mit Lieb« 
kofen und mit den glänfkdften Verſprechungen. 

Bald aber gingen fie auf beyden Seiten von 
diefem ſchmeichelvollen Zone wieder zu ernfthaftern 
Geſpraͤchen über, und berathfchlagten: wie nun aufs 
Befte noch der einmahl entdedte Entwurf von Fran⸗ 
zens und Bianca’s ‚Untergang ausgeführt werden 
Eönne t 
_ Der Mebizder, in deffen Adern, Trotz feiner übri⸗ 

gen Fehler, wenigſtens fürftlihes Blut rollte, wenig⸗ 
ſtens fürſtlicher Stolz ſich befand, war, des Hinter⸗ 
halts überdrießig, für erklärte Feindſchaft. Er glaub⸗ 
te, ſein Anhang ſey bereits ſtark genug geworden, und 
hielt feine Beſchwerden felbft für gegründet genug, 
um nun Öffentlich dem Großherzog die Spitze bietben 
zu Fönnen. Er betheuerte feyerlih, nicht eher zu ru⸗ 
hen, bis entweder jene ſchimpfliche Ehe. getrennt, oder 
wenigftens jeder aus ihr vermuthlihe Erde der Nach⸗ 
folge im Sürfienrange und Herrfchaft verluftig geworden 
wäre. Montragene börte gelaffen und aufmerkfam 
feinen Slammen : Worten zu; ließ ihn enden damit; 
fhüttefte aber beym Schiuß der Rede bedenklich genug 
fein Heupt. Es ſollte Dieß Ferdinands Augen keines⸗ 
wegs entgehen, und entging ihm auch nicht. 


wer BO rem 

„Ihr ſcheint nicht vollig (fragte er ihn) meitter 
„Meinung zu feyn; habt Ihr, etwas an meinen Ents 
zweck auszufogen ? | 

Monde. Viel am Entzweck und an den Mitteln. 

Card. Wie das? 

Mondr. Ich finde Jenen zu gering, und Dieſe 
zu unſicher. 

Card. Wäre es Euch gelegen, deutlicher beraus 
zu ſprechen? 

Mondr. O, es if mäie 5 Pflicht fogar, ſobald 
Eure Eminenz es mir gebiethen. 

Card. Ohne Umſchweife! Nennt mih beym 
Nahmen, oder nennt mich Fürſt ſchlechtweg! Wer 
wird auf Titel unter Freunden denken! 

Mondr. Ich danke Euch, gnädigſter Herr, für 
diefe Erlaubniß! Aber verzeibt Euerm Knecht; au 
wenn Ihr allen Euch gebührenden Titeln entfagen wolls 
tet, dennoch würde man jenen Entwürfen es anmers 
Een, daß ein geiftlicher Fürſt fie gefaßt habe. 

Card. betreten.) Und warum legt Ihr eben auf 
das Wort geiftlich einen folden Nachdruck? 

Mondr. Weil bloß Di eſer das Glück des cher 
lichen Lebens fo verkennen, die Stärke der v aͤ⸗ 
teclihen Liebe fo vergeſſen Eann! — Mur von 
feiner Gattinn wollt Ihr Franzen gefhieden; nur 
feine Söhne wollt Ahr des Erbes unfähig erklärt 
wiſſen? Wahrfich, gnaͤdigſter Herr, ſchwerer als dieß 
zweyfache nur iſt nichts! Leichter würde es ſeyn, Fran⸗ 
zens Haupt den ganzen Fürſtenhut, als ſeinen wollü⸗ 
ſtigen Umarmungen die geliebte Bianca zu entreiſſen: 
eyer würde er ſelbſt — darauf kenne ich feine gefühls 
volle le ſchwärmeriſche Seele — zum Kerker herabſteigen, 

als 


won Bi vom 


als jemahls ein Teſtament unterzeichnen, das fine 
Eöhne enterbt. i 

Card. Glaubt Ihr? 

Mondr. Sch weiß eb fogar. — Überhaupt iſt 
in Unternehmungen dieſer Art Maͤßigung und Mittel⸗ 
ſtraße ein Unding. Wer ſeines Feindes ſchont, handelt 
oft als ſein eigener Feind; und wer einen zweifelhaften 
Frieden ſchließt, muß bald, wie es dem Hercules ging, 
ſtatt eines Drachenkopfes zwey befä..ınfen. 

Card. Vortrefflih, Mondragone! Ihr koͤnntet 
Moral leſen; Trotz einem zu Bologna! So laßt und 
alſo mehr noch fordern! Laßt uns laut von Entwe i⸗ 
bung ber. fürftlihen Ehre, von un würdigem Be⸗ 
fig der Herrſchaft, von Beleidigung und vom 
Kriege fpreben! 

Monde. "den.Kopf ſchüttelnd.) Der wohl ſehr 
ſchwierig, wohl ſehr ungleich ſeyn dürfte! 

Card. Und warum? Haltet Ihr dieſen weibiſchen 
Franz für einen entſchloſſenern Mann, für einen beſſern 
Feldherrn, als mih! 

Mondr Das nicht; aber die Stärke des 
Heeres enticheidet gewöhnlich noch mehr, ald der 
Muth des Heerführers; Franzens Anhang 
übertrifft den unferigen bey Weiten, und ich forge, ich 
forge, es wırd unmöglich ſeyn, in offenem Kampfe einen 
fo allbeliebten Prinzen zu beftegen. 

Card. Allbeliebt! Wie kann er Das fepnt: — 
Beleidigte denn nicht dieſe ſchnöde Heirath ſchon 
die Herzen aller ſeiner Unterthanen? 

Mondr. Sie befremdeteſolche nur. Einige 
der Erſten im Staate fanden ſich feyn beleidigt; aber 

Neißners Bianca Cap. 2. Thl. 


sen BR  meson 


den groͤßern Haufen hat er vielleicht dadurch nur X8 
neigter ſich gemacht. 

Card. Unmöglichkeiten! 

Mondr. Die doch wahrſcheinlich genug ſind. 
Muß das Volk ſich nicht gleichſam geſchmeichelt finden, 
wenn aus ſeinem Mittel der Fürſt eine Gattinn ſich 
erwählt? Und wenn Dieſe zumahl ſtaatsklug genug iſt, 
auch nad) ihrer Erhöhung, des vorigen Standes Des 
muth Seyzubehalten ; wenn fie zur rechten Zeit fidy ges 
gen Nathleidende mitleidig anſtollt; wenn fie, aud 
ale Monathe ein Mahl nur, ihre milde Hand mit 
fünf ober ſechs Zechinen aufthut; dann jauchzt ja wohl 
die leicht zu betrügende Menge ſo überlaut, als ob 
ein Engel Gottes ihr leibhaftig erſchienen waͤre. 

Card. Die Nachrichten meiner übrigen Feinde 
lauten anders. 

Mondr. Weil Jene, oder weil auch Ihr, mein 
Fuͤrſt, den Zeitpunct von wenigen Wochen mit einan⸗ 
der verwechſelt! — In den erſten Augenblicken, wo 
ganz allein die Stimme der Mißgunſt und des Unwillens 
ſprach; an jenem Tage, wo der bethörte Franz ſich nicht 
ſcheuere, die Witwe feines Schreibers, die Naͤhmliche, 
die nochManche ihres Gleichen in wollenem Gewante und 
in tiefiter Niedrigkeit gekannt hatten, öffentlih zum 
fürſtlichen Stuhle binzuführen: — ja gnädigiter Herr, 
hättet Ihr an diefem Zage in Florenz Euch befunden; 
dann wäre es ein Kinderfpiel gewefen, den Hochzeit⸗ 
abend mit Entthronung zu beſchließen, und der Neue 
vermählten einen Kerker zur Brautkammer anzumeis 
fen. Denn damahls empörte nod die Neuheit Aller 
Herzen; damahls gebrach es dem murrenden Haufen 
nur an einem Anführer aus fürftlidem Stamme. Aber 
jene erfk en Augenblicke find Tängft vorbey. Bianca, 


* 


me BE — 


wohlthätig vielleicht aus Ztaatsklugheit, hera b⸗ 
laſſend vieleicht aus Niedrigkeit, und frio mm viel» 
leicht aus Heucheley, fieht fih nunmehr geliebt; dee 
Poͤbel hängt an ıhr; det geringere Adel hat ihr vers 
jieben; und die Stimme der bloßen Billigkeit oder 
der beleidigten Fürſtenwürde vermag bie Schuren 
nicht mehr aufzuwiegeln. 

Card. Was wollt Ihr aber, daß ich thun ſoll? 

Mondr. Würde Eure Eminenz zürnen, wenn’ 
ich ed gerade heraus fagte? | 

Card. Sagt es! 

Mondr. Thun, walichthet Sich verftelten 
und büden. 

Card. Bücken? Nimmermehr! — (Aoty.) Ein 
anderes ziemt dem geheimen Rath, ein anderes 
dem fürftlihen Bruder... — Wenn Shr fo 
behuthfam in Euern Anſchlägen feyd, rathet Ihr mir 
nicht lieber gar, auch um Ausſoͤhnung mit®ians 
ca anzufuchen 3 

Mondr. Auch dazu rathe id ft. 

Card. Im Ermſt? 

Mondr. Im Ernft, fo mahr ich lebe! 

Card. (mit Rarsem Bid.) Mondrogone, nicht lange 
mehr wird mein Argwohn fchlafen! Wolt Ihr vieleigt 
Derjenige wirklih feyn, für den Stan; Euch hält: 
@ein Anhänger unter der Außenfeite meines Freundes ? 

Mondr. O nein, denn dann würde ih ſicher 
nicht das legte Bollwerk, das ihn bey Euch noch 
ſchützt, niederzureiſſen ſuchen. 

Card. Und dieſes Bollwerk iſt? 

Mondr. Iſt jenes ſtolze Selbſtgefühl in Eurer 
Bruſt, vermoͤge deſſen Ihr jede nöthige Verſtel⸗ 

3 


Lung für fchimpflih odtet, ohne zu bedenken, 
Kriegsliſt und Hinterhalt felbit den tapferiten Feldher 
felbit eingn Kannibal und Cäfar, nit umedel fe 
en. — Kein Kind, das argiwohnleerer wäre 
Franz! Kein Mädchen, das -brünftiger eine Aus 
nung mit ihrem Bräutigam wünſcht, ald er mit € 
Eminenz! — Wohian! Laßt mir bey,iim dad X 
dienft, dieſe Ausföhnung bewirkt zu haben; und ı 
zwendet Euch dann, gleich fheinbar für die Men 
bey Franzen um meine Begnadigung, Er wird fie € 
gern gewähren. Vereint Eehren wir fogleih nad F 
renz ſelbſt zurück, und ſpielen dort unſer Spiel mit I 
ferm Giücke. Gewinnt Ibhr durch Herablaffung die Li 
des Volts, durch Freygebigkeit die feilen Geifter. 
Söfiinge, und durch Freundlichkeit das Zutrauen Eu 
Bruders; ſeyd Ihr nicht zu flolz, jener gefürfteten Bi 
lerinn einige Lobeserhebungen wegen ihrergeſchmin 
tenWange, und noch einige mehr über ihre g 
ſchminkte Tugend zu maden: fo werden fih Eı 
Eminenz bald den Weg. zu Beyder Herzen, zu ihr 
Thron, zu ihtem Leben fogar — wenn Ihr es begeht 
‚Öffnen. 

Card. (Hatbiägernd.) Wahrlich drey Wege, ber 
feinen vielleicht ich unter gewiſſer Einſchraͤnkung v 
fhmähte! Nur mag ich nichts thun, was in ben 2 
gen des Volks mid) erniehrigen könnte. 

Monztr. Erniedrigen? — Muß eb denn das W 
wiſſen, ob Ihr Franzen, oder er Euch die Hand; 
Ausfohnung gebotben habe? — Sa, erfahre es aı 
wer da wolle, defto beifer vielleicht ! 

Carb. (erfaune.) Defto beifer ? 

Monde. Ich wieberhohle es: defto beffer viefleid 
Wie? fol es mir denn erft vorbehalten ſeyn, d 


ne 5 era 
font fo ſcharfe Auge meines Fürsten über gewiffe Puncte 
noch fiharfiehender zu machen? Brauch' ich euch erft 
zu fagen, daß ein gewiſſes Vetragen, Bad man dem 
Laien vielleicht als Kleinmuth anrechnen würde, ſchon 
durch den prieiterlihen Etand von Euer Eminenz 
zum Edelmuth erhoben wirb ? 

Card. Durch meinen priefterlihen Stand? Ihr 
‚fahrt fort unverjtändlih zu ſprechen. 

Mondr. Steht es Euch, ald geborner Zürft, und 
als ermählter Cardinal nit frey, zu welcher Claffe 
Ahr Euch rechnen wollt? Immer ſetztet Ihr bisher den 
Sohn eines Großherzogs über den Cardinal; zogt dem 
muthmaßlichen Erben eined Zürftentbums, Eurer geifte 
lihen Perfon vor; hörtet Euch eben fo gern Durch⸗ 
laucht ald Eminenz begrüßen ; ob mir Het, Bas ent» 
fheide ih nie: aber verfucht es nun ein Mahl mir 
der Clerifey, und hr werbet under hun! — 

Card. Sie Dast © — 

Mondr. IH Sanftmut hnicht eines Prieſters 
erſte Pflicht? Jit Liebe zum Frieden nicht ſein 
wahrer Ruhm! IE Verzeihung der Beleidi— 
gung und Freundſchaft gegen Zeinde nie 
der. echten apoflofifhen Sendung höchſter Veweib? 
Wie leihrwerder Ahr daher, in den Augen ber Belt, 
auf Rechnung diefee Tugenden Eure Nachgibigkeit hin⸗ 
fpielen! Wie leicht könne Shr bewirken, daß Ihr eben 
Demienigen zu verzeihen ſcheint, der Euch ſelbſt ver 
jiehen hat! — Glaubt mir, mein Fürſt! vor ben 
Bildſaͤulen von taufend Heiligen brennen geweihte 
‚Kerzen, obne daß ber Quell ihrer chriſtlichen Sanft⸗ 
muth reiner war; und Wunder thun die Leichname 
von taufend Märtyrern, deren Der; von Hintecliſt 
noch weit voller als das unſerige geweſen ſeyn mag. 


waren , BO — 


Card. Ben Gott, Mondragone, wenn ihr eben 
fo gründlich die Pflichten Eures Standes, wie bes 
meznigen durddacht hadt, fo moͤchte ich das Buben⸗ 
ſtuck wiſſen, zu dem Euch ein Freyheitsbrief gebräche. 
(Cacheend.) Wohlan, weil Ihr alſo den Stand ber Kirche 
fogar benzidenswerth findet, fo will ih heute ſchon 
wenigitns in Einem Erüude ein Priefter zu feyn 
mich beitreben ; in dee Vorſichtigkeit nähmlich; 
will Euch für euren Rath zwar jetzt bereits danken; 
doch den Entſchluß darauf erft morgen faflen. 





Kein Capital, das mit fo fihern Zinfen wuchert 
als böſer Rath; zumahl wenn Schlauheit ihn ertheilt, 
und falſcher Ehrgeiz ihn empfaͤngt! Dieß eine 
Wahrheit, die Mondragone gar wohl wußte; ruhig 
ging er daher heim, und als ihn der Garbinal bes an⸗ 
dern Morgens wieder zu ſich rufen ließ, ſah Sein 
E rernkundiger mit größerer Zuverſicht der läängſt aus⸗ 
gerechneten Mondfiniterniß , ald er der Vollmacht ents 
gegen, mit Franzen in Unterhbandlung zu treten. — 
Seine Hoffnung trog ihn nicht! Denn nach einem kur⸗ 
zen Geſprache geftand Ferdinand, daß feine bisherigen’ 
Zweifel verfhmwänden, daß Mondragone ihn überzeugt, 
dap er fich felbit überwunden babe, und daß er bereit 
fey, den erften Schritt zur Ausfohnung mit bem deß⸗ 
falls nicht minder gehaßten Franz zu thun. Der Höfe 
ling lobte diefen Entſchluß mächtig ; überlegte mit feir 
nem neuen Gebierher noch einige unbedeutende Um⸗ 
ſtaͤnde; und begann dann fogleih an ber Grube zu 


großen, die er dem Großherzog und Bianca vorlängft 
Ihon zugedadht hatte. 

Und hier wieder ein Beweis, daß leichter die 
Handlungen eines Mannes, ald einer Kran vor 
berzufagen find ! Eben derjenige Mondragone , der fo 
ſchülerhaft ſich irrte, als er feinem ehemahligen Herrn 
Bianca's baldige Fügung nad’ feiner Leidenſchaft vers 
ſprach — eben diefer hatte jeßt meifterhaft den Cha⸗ 
rafter und die Wünſche Franzens getroffen; hatte klüg⸗ 
lich den einzigen’ Weg eingeſchlagen, wo er den Fuß⸗ 
boden dieſes Sorglofen zu unterhöhlen vermochte. 

Seine erften Briefe nad Florenz melbeten,, daß 
er Kerdinanten ganz, wie er gehofft, angetroffen 
hätte; zwar außerft aufgebracht gegen Bianca, bie er 
als eine Entweiherinn des fürfflihen Bettes anfähe; 
aber doch mehr aufgehetzt und erbittert durch Andere, 
als durch eigenen Antrieb. Sein näcftes Schreiben 
gab ſchon einen ſchwachen Schimmer von befferer Aus⸗ 
ſicht, gab eınige unglückliche Feine Kundſchafter, die 
zu Sloren, im Dunkel umberfhlichen, preis, und er« 
warb fi) dadurch das Zutrauen bes Großherzogs noch 
ftärker. Bald darauf fing er an von Dienften zu fpres 
chen, die er bereit der guten Sache geleiftet, von 
Unterredungen, die er mit dem Carbinal gehalten,’ 
von Spuren der Neue, die er an ihm bemerkt babe, 
bis er endlih im’ vollften Jubelton ausbrach; bis er 
bod und viel betheuerte: aller noch übriger Zwift fey 
ein kleines Teicht zu hebendes Mißverſtaͤndniß. Nur bie 
Furcht, daß der beleidigte Bruder ihm nie ganz vers 
zeiben fonne, halte den Gardingl von Friedensvors 
fhlägen zurück. Won feinenetinrecht fey er ſchon laͤngſt 


won BB vorn 


überzeugt. Gelbft von Bianca’s Character ſprech 
bereits mit Achtung. 

Mehr bedurfte ed niht, um dem gutmüthig! 
aller Furſten die Schlinge über dad Haupt zu werf 
Umſonſt blieb Bianca, über Alees von ihm um Re 
befvagt, bey ihrem mißtrauiſchen Kopffchütteln; v 
gebens vieth ter brave, -ftarre Modefini, der wirkl 
indeß, dur die Vorſprache der Großherzoginn, tie 
in die fürſtliche unit eingedrypgen und auf Mond 
gone's Polten erhoben war — vergebens rieth er, 
nem Zwepzüngler durchaus nicht zutrauen. Franz BI 
bey jeiner Leichrgläubigkeit. — „Men, rief et, 
Söhne des Cosmus follen nieht zum zweyten Mal 
ein fürchterliches Ebenbild der beyden erften menf 
licher SSrüder abgeben! *) — Er bevollmädıtigte | 
Hlerc, einen feiner Raͤthe zur Unterhandfung mit db 
Cariinai, und da.diefer Letztere durch Mondragen 
zw.;fiitige Werrätherey genau wußte, wie weit 
ge,.., serie; fowares ihm auch leicht, bey dieſem ga 
zen Beichefte ich fo zu benehmen, daß er an Br 
mar, ınit fine: Bruder zu metreifern ſchien. Binn 
Monathsfriſt wac Alles beygelegt. Der Cardinal li 
ſich zu einem Mefud,; in Florenz willig finden; mit 
nem ſtattlichen Gefolge, unter welchem auch der zu 
Schein begnedigte Mondragone glänzte, madte F 


*) Garſias und Julius, zwey von den Söhnen bed Coſsm 
und aıfo Frangend .2nd Zerdinands Brüder find 0b, 
durch ihren unglüciichen Zwiſt, wo der Lepte dur U 
ders: und Jener nadı.ber dburds VatersHand umtam, € 
Iegenhrit gu fo mancher Novelle, manchem Trayerfpi 
und unser une zum Zullus von Turene und den Zoll 
en gtgeben babe. 


dinand fi von Rom auf. Kranz felbft hohlte einige - 
Meilen von Florenz ihn ein, und bey ihrer erften Zur 
fammenfunfe fhienen Beyde Edom und Jacob zu ſeyn, 
die nad) langer Trennung, ergriffen von dem Geiſt 
des Herrn, fih vol wahrer Inbrunft umarinten. 

Ein fhönes Edaufpiel! — Aber noch aufmerk. 
ſamer blickten die Augen aller Zuſchauer auf den Car⸗ 
dinal, als er im großherzoglichen Pallaſt eintrat, 
als hier fein erſtes Wort war: Bruder, führe mich zu- 
deiner Gemahlinn! und ald Bianca ihm vor die Thür 
ihres Gemachs entgegen eilte. Er täufhte fie Alle 
durch feine fiebevolle Miene, durch das freudige Stau⸗ 
nen, mit der er eine Becunde lang die Großherzoginn 
betrachtete, und dann als feine fürftlihe Schweſter 
fie begrüßte. — Ob er aber auch Bianca ſelbſt täuſch⸗ 
te, Das mag fie uns in einem Geſprache ſagen, wel: 
ches fie am nächſten Abend mit Julien Carreri hielt, 
der einzigen von ihren Kammerfrauen, die fie ihres 
Vertrauens werth erachtete und werth erfand. 





Julie (indem fie die Großherzoginn enttfeiden bilft.) 
Kein, gnädigite Frau, länger vermag ich nicht, eine 
Frage zurück zu halten, die freylih Neugierde 
zu feyn ſcheint, ob fie ſchon wahrlid nur Beforg 
niß if. 

Bianca. Immer frage! — Waldlächelnd.) Das 
Antworten fteht ja doc) in meiner Willkür. 

Julie. Dieß ift heute fchon der dritte Seufzer, 
der Euer Durchlaucht, halb unterdrückt, entſchlüpfte! 
Dieß ift ſchon der zweyte Abend, wo id in dieſem 


—XR 90 ws 
Gemache auf Ihrem Geſichte jene Heiterkeit vermif 
bie Öffentlich auf demielben glänzt. — Quaͤlt € 
Durclaucht vielleicht ein Kummer ? 

Biancd. Und wäre denn Dieß etwas fp fei 
ned? Dann würde ih doch wahriih die Erfte ı 
Einzige aller Zürftinnen ſeyn, wenn ih nichts ı 
Kummer, biefem treulihen Gefährten des Purpu: 
empfaͤnde. 

Julie. Aber warum eben jetzt? Jetzt, da ge 
Florenz ein allgemeines Freudenmahl zu ſeyn ſchei 
jetzt, da die letzte Wolke der Bekümmerniß zu ı 
ſchwinden anfängt; in tiefen Tagen. der Ausfohmı 
‚und Freude! 

Bianca. Freyfih ſagt man, daß freude ı 
Leid fi halfen; aber man irrt. Oft find fie nur al 
nahe mit einander verfhwiitert. O Julie, einen E 
nen Stachel möchte zwar immer jede Roſe bey 
führen; aber daß in dieſen Gebüſchen oft Natt 
lauſchen, die unvermuthet hervor brechen und toͤdte 
Dad — — Das verdient doch wohl mehr als ei 
Seufzer? 

Julie. Ha, was giles! Mein Atgwohn ti 
mich nicht! Jene Perlenſchnur zerriß nicht umſonſt. 

Bianca (fie verwunderungsvoll anfehend.) Was 
eine Perlenſchnur? 

Julie. Und Sie wiffen ed nicht einmahl? 
Eure Durdlaudt den Cardinal mit innigiter Wüı 
begrüßten und umarmten, da riß die größte Sci 
Ihres Kopfſchmuckes entzwey, und freute alle ı 
Derlen zur Erde. — Ha! date ih, noch iſt es 
gendwo nicht Friede von ganzer Seele; noch kann 


on GI — | 
Freundſchaftsband ſchnell wieder zerriſſen werden, dab 
man jetzt dem Anſchein nach fo feſt geknüpft hat. 

Bianca. Thörinn, mit deiner ‚abergläubigen 
Vorbedeutung ! 

JIunlie. Schelten Sie auf mic , fo fange und 
viel Ahnen qut dünft; nur ſchließen Sie dann auch 
Ihren Gram vor mir auf! 

Bianca (nad einer Heinen Pauſe nachdentkend.) Run 
ja, id will e6 fir vertrauen. Auch meinen Glauben, 
auch meine Zuverſicht hat diefer zärtlihe Bruder nicht; 
auc ich hoffe nicht von dieſer Freundſchaft unbegrenzte 
Dauer! Aber wollte der Himmel, meine'Merkmahle 
wären fo nichtig, wie die deinigen ! 

Sulie. And worin beftehen alfo biefe, grüntfis 
ern Merkmahle, wenn ich darnach zu forſchen mich 
erkühnen dauf ? 

Bianca. Entfinnft du dich jener, gleichfam freus 
digen Bewunderung, mit welcher mid der Carbinal 
beym Eintritt im Vorſaale Ses:achtete? 

Aulie. Wohl entfinne ich mich deren; fie ſchien 
allen Ihren wahren Freunden ein glüdlihes Zeis 
hen zu ſeyn. 

Bianca. Und war mi: ein widriges. Denn 
ich erkannte an ihr fofort einen Mann, der keineswegs 
feiner Empfindung folgt, fondern nur eine überdachte 
Rolle fpielt. 

Jullie Cerſtaunt.) Wie Das! 

Bianca. Mein Anblick, deffen bin ich zu gewiß, 
Fann ihm nichts Neues feyn. Jenes Bildniß von 
mir, wo mid der Mahler fo fpredyend traf, das einft 
in Bonaventuri's Zimmer — fie wiſcht ſich das Auge) 
noch bringe ich feinem Andenken den verdienten Zoll! 


wer GE — 
— ſich aufgehängt befand, und dann im fürftfic 
Bilderſaal vernflanzt ward; eben dieß Gemählde, 
nachher verfhmwand, obne daß jemand wußte, mo 
— vo daͤchteſt du wohl, hafı es ſich befändet 
Julie. Wahrlich, ich weiß nicht zu rathen, n 
Bianca. An Ferdinands Cabinett ift ed — 
fhon ſeit ſechs Monathen veritedr; auf feinen Bet 
ward es entwendet. (Da Diefe einfallen wit.) Frage nie 
woher ih Dieß weiß! Genug, daß ich Mahrheitre 
— Längft bekannt war baher der Cardina mit mein 
AÄußerlich en; und jenes Staunen bezeichnete ı 
unmiberleglih den Heuchler. ber flärfer noch v 
- riethen ihn mir gewiffe Blide, die er zuwei 
feitwärts auf mid fallen ließ, wenn er von Niem: 
den und am wenigiten von mir felbft bemerkt zu fü 
glaubte; ein Irrthum, der deflo verzeihlicher wa 
da er jenen Spiegel nicht kannte, der fo weife, v 
du weißt, in einer „Bertiefung meines Zimme 
angebradht if. — Julie, ich fage nit gern 
viel: aber in diefen Blicken, — fo unendlih Fı 
auch ihre Dauer war; fo wenig fie ſich befchreibe 
fondern nur fehen und fühlen laſßſen; — in ihren n 
doch Haß und Rachgier fprechender ausgedrüdt, 
ſelbſt Apelles fie in jenem berühmten Bilde *) dar 
jteflen vermochte. Mur der Dolch oder der Gifrl 
cher fehlte noch in feiner Hand, um ganz den To 
feind ;u erbfiden, ber mir iim — ab, mein H 





u 


*) am Hofe ‚u Alerandrien , wo der KRänftfer die Lafl 
die einen ſchwachen argwöhniſchen Könie: wmringe 
darſtellte. 


fagte es mir nur allzu'gewiß — für mich nad Bloreng, 
gektommen ift. “ 

Julie. Und was fürdten &ie viel, gnädigfte 
Frau, felbft wenn er Der wäre, für den Sie ibn hal- 
ten? Sie, die fie am Buſen Ihres Gemahls alle 
Feinde ald ohnmadtig‘verfposten Sönhen? Nur eined . 
Winkes von diefer Beſorgniß, nur eines Wortes von 
dieſer Bemerkung bebarf * ja, und der liebevolle 
Fürſt — — 9» 

Bianca Ceinfallene.) Da fey Gott vor, daß auch 
nur ein Hauch meines Mundes, auch nur ein Zug. 
meines Geſichts, auch nur ein einziger Seufzer mei⸗ 
ned Vuſens Franzen von allen diefem Verdachte eine 
Epur merken laſſe! 

Sulie. Und warum Dash — 

Bianca. Haſt du fhon vergeflen, daß meiner 
ganzen Bemerkung Grund auf einen bloßen Argwohn 
berubs ? daß jene Blicke, die ih wahrnahm, von fo 
unbefchreiblich kurzer Dauer waren, daß fie nur ſich 
fühlen, nicht beſchreiben laufen! — Wie} und 
wenn id nun — fo unmöglid aud Diefed mir dünkt 
— wenn ich nun falſch gefehen, wenn ein ſchaden⸗ 
froher Dämon rur auf Secunden fang mein Auge um⸗ 
nebelt, oder irgend eine andere verborgene Regung 
Ferdinands diefe Mienen bervor gebracht hätten? Und 
ih — id follte eines folhen Argwohns halber den 
Samen der llneinigkeit ausitreuen? Sollte ein Feuer 
neu anfadyen, das kaum unterdrüdt worden iſt? Sollte 
deßhalb audh die Ruhe meines Gatten vergifs 
ten, weil id die meinige vielleicht feldft vergiftete 

Julie. Wenn nun aber — — 


> 


Bianca, Nimmernmehr! Wie Mondragone vo 
Franzen als Beklagter fland; wie er'gefragt ward 
Warum er die erſte Nachricht von Ferdinands heimli 
Ken Entwürfen nicht ſogleich ihm hinterbracdt habe‘ 
"antwortete der Heuchler mit anſcheinender Eeelenrupe: 
Er habe nit Bruder gegen Bruder waffnen wollen. 
Und ih — ih eine Fremde, ich -in Cosmus edlet 
Geſchlecht nur eine Aufgenommene, ich jollte dieſes 
Geſchlecht entzweyen ? — Nein, Julie, ſchweigen 
will ich; ſchweigen und erwarten, mas in bes Schick» 
ſals großem Bude viebeicht ferner über mich bes 
ſchloſſen ift; und auch dir gebiethe ih ein ae 
gu thuh. 

Sulie. Wie! Sie können verlangen, gnädigfte 
Frau — — 

Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn dir 
won dieſem Geſpraͤche das kleinſte Woͤrtchen, es ſey 
auch gegen wen es ſey, entfallen ſollte! — Zudem, 
iſt unſere Beſtimmung nicht feſt? wachen über Unſchuld 
und Tugend nicht höhere Weſen? — Er zählte mein 
Haupthaar, und follte meine Tage zu zählen ver- 
geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten Ar⸗ 
muth berabgefunfene Venetianerinn auf WBelfchlands 
ſchoͤnſten Sürftenftuhl, und er toflte — O Julie! zu 
ſichtlich waltete über mic bisher ein allweiſes, als 
gütiges Schickſal; ihm fernerbin mißtrauen zu wollen, 
wäre Undank. Aber nur Eined bitte ich von meinem 
Schutzheiligen, bitte id von demjenigen Gott, unter 
dem alle Heiligen tiefer, ald jet unter mir die ges 
Nringſten Slorentinerinnen ſtehen! — — 

Julie. Und was? Wahrlih, ic brenne vor 
Begierde, dieſes Einzige zu wiſſen. . 


Bianca. Wäre es wahr, was biefes bange Ger 
fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit 
und feine Zerftreuung verſcheucht, mir zu verkünden 
fheinen; ware wahr jener Schauer, den, ber Him⸗ 
mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mich bey 
des Cardinals erfiem Anblicke ausgoß; — follte ung 


irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meeuterey 


befaufchen,.o, fo komme fie über mein Haupt allein! 
So verſchone das Strafgericht meinen Gemahl, beffen 


Seele ſicher keinen Fehl, als Übermaß der Tugend, | 


und eine allzu forglofe Milde, befigt — (etwas dörend) 
Doc kill! Iſt Das nicht fein Fußtritt? 

Julie. Mich dünkt. — Bott, gnaͤdigſte Kran, 
Sie haden aus meinen Augen Thraͤnen in ſolcher Menge 
gepreßt — — — 

"Bianca (fe zur andem Thür hinaustreibend.) Die 
er nicht fehen darf! Entferne did! 





, (Eben diefe Nadt.) 


Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf 
feinem Zimmer auf und afgehend.) 


Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten 
thaten nicht unrecht daran, eine eigene Gottheit 
aus ihr zu maden ! Denn woher kaͤme jonft bieje 
ihre mädtige Gewalt, wenn fie nicht felbfiftändig 
ware? — Auch Das war nicht unmeife vieleicht, daß 
man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver- 
edrte; denn wo wirkt fie unwiderſtehlicher, ald in 


’ 


0 

Bianca, Nimmermehr! Wie Mondragone 
Framen als Beklagter ſtand; wie er'gefragt wa 
Warum er die erſte Nachricht von Ferdinands heir 
Ken Entwürfen nicht ſogleich ihm hinterbracht ha 
"antwortete der Heuchler mit anfcheinender Seelenru 
Er habe nit Bruder gegen Bruder waffnen woll 
Und ih — ih eine Fremde, ich in Cosmus et 
Geſchlecht nur eine Aufgenommene, ich jollte die 
Geſchlecht entzweyen? — Nein, Julie, ſchwei— 
will ide; fhweigen und erwarten, was in des Sch 
ſals großem Bude vieleicht ferner Über mid 
ſchloſſen iſt; und auch dir gebiethe ih ein Gleid 
zu thuh. 

Zulie. Wie! Sie können verlangen, gnädig 
Frau — — 

Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn 
won diefem Geſpraͤche dad Eleinite Woͤrtchen, es 
auch gegen wen ed fey, entfallen follte! — Zuder 
it unfere Beftimmung nicht feft? wachen über Lnfch: 
und Tugend nicht höhere Weſen? — Er zählte m 
Hauptbaar, und follte meine Tage zu zählen v 
geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten 7 
muth berabgefunfene Venetianerinn auf Welfchlar 
ſchönſten Fürſtenſtuhl, und er toflte — O Julie! 
ſichtlich waltete über mic bisher ein allweifes, < 
gitiges Schickſal; ihm fernerhin mißtrauen zu wolle 
wäre Undank. Aber nur Eines bitte id von mein 
Schutzheiligen, bitte idy von demjenigen Gott, un 
dem alle Heiligen tiefer, ald jegt unter mir bie | 
“ ringjten Slorentinerinnen ſtehen! — — 

Julie. Und was? Wahrlih, ich brenne ı 
Begierde, diefes Einzige zu wiffen. . 


Bianca. Wäre ed wahr, was biefes bunge Ger 
fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit 
und Eeine Zerftreuung verfheudht, mir zu verkünden 
fheinen; ware wahr jener Schauer, den, ber Him⸗ 
mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mid bey 
des Cardinals erſtem Anblicke ausgoß; — follte ung 


irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meuterey 


belaufchen,.o, fo komme fie fiber mein Haupt allein! 
So verihone dad Strafgericht meinen Gemahl, beffen 
Seele fiber Beinen Fehl, als Übermaß der Tugend, 


und eine all;u forglofe Milde, befigt — (etwas Hören) | 


Doch al! Iſt Das nicht fein Fußtritt? 

Julie. Mich dünkt. — Gott, gnadigfte Frau, 
Sie haben aus meinen Augen Thränen in ſolcher Menge 
gepreßt — — — 

"Bianca (fie zur andern Thür Hinaustreibend.) Die 
er nicht fehen darf! Entferne dic! 





, (Eben diefe Nacht.) 


Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf 
feinem Zimmer auf und abgebend.) 


Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten 
thaten nicht unrecht daran, eine eigene Öottheit 
aus ihr zu machen! Denn woher küme jonft biefe 
ihre mädtige Gewalt, wenn fie nicht felbfiftändig 
wiret — Auch Das war nicht unmeife vielleicht, daß 


man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver 


ehrte; denn wo wirkt fie unwiderſtehlicher, ald in 


’ 


vorsa 99 wo 
Gemache auf Ihrem Geſichte jene Heiterkeit vermif 
die öffentlich auf demſelben glänzt. — Quaͤlt E: 
Durchlaucht vielleihr ein Kummer 1 

Biancd. Und wäre denn Dieß etwas fp fel 
ned? Dann würde ih doch wahriih die Erffe ı 
Einzige aller Zürftinnen fegn, wenn ih nichts ı 
Kummer, diefem treuliden Gefährten des Purpu 
empfände. | 

Sulie. Aber warum eben jegt? Jetzt, dag 
Slorenz ein allgemeines Freudenmahl zu feyn ſchei 
jest, da hie legte Molke der Bekümmerniß zu ı 
fhyminden anfang; in diejen Tagen der Ausfohn: 
‚und Zreude ! 

Bianca. Freylih ſagt man, daß freude ı 
Leid ſich halfen; gber man irrt. Oft find fie nur al 
nahe mit einander verfchwirtere. O Julie, einen E 
nen Stachel möchte zwar immer jede Roſe bey 
führen; aber daß in dieſen Gebufhen oft Watt 
lauſchen, die unvermuthet hervor brechen und toͤdt 
Das — — Das vertient doch wohl mehr als ei 
Seufzer? 

Julie. Ha, was gile's! Mein Atgwohn t 
mich nicht! Jene Perlenſchnur zerriß nicht umfonft. 

Bianca (fie verwunderungsvoll anfehend.) Mas 
eine Perlenſchnur? 

Julie. Und Sie wiflen ed nice einmahl? 
Eure Durchlaucht den Cardinal mit innigſter Wü 
begrüßten und umarmten, da rif die größte Sch 
Ihres Kopffhmuces entzwey, und freute alle 
Derlen zur Erde. — Ha! dachte id, noch iſt es 
gendwo nicht Friede von ganzer Seele; noch kann 


rn GI ww 
Freundſchaftsband ſchnell wieder zerriſſen werden, das 
man jetzt dem Anſchein nach ſo feſt geknüpft hat. 

Bianca. Thörinn, mit deiner ‚abergläubigen 
Vorbedeutung ! 

Anlie. Scelten Sie auf mich ‚ fo lange und 
viel Ihnen gut dünft; nur ſchließen Sie dann auch 
Ihren Gram vor mir auf! 

Bianca (nad einer Heinen Paufe nachdentend.) Run 
ja, ih will e6 fir vertrauen. Auch meinen Glauben, 
auch meine Zuverfiht hat dieſer zartlihe Bruder nicht; 
auch ich hoffe nicht von biefer Freundſchaft unbegrenzte 
Dauer! Aber wollte der Himmel, meine Merkmahle 
wären fo nichtig, wie die deinigen! 

Julie. Ind worin beftehen alfo biefe, gründfis 
hern Merkmahle, wenn ih darnad zu forfehen mic 
erkühnen dauf? 

Bianca. Entfinnft du dich jener, gleihfam freu⸗ 
digen Bewunderung, mit welcher mid ber Cardinal 
beym. Eintritt im Vorſaale Setzachtete? 

Ju lie. Wohl entfinne ich mich deren; fie ſchien 
allen Ihren wahren Freunden ein glüdlines Zei 
hen zu fepn. 

Bianca. Und war mi: ein widriges. Denn 
ich erkannte an ihr fofort einen Mann, der keineswegs 
feiner Empfindung folgt, ſondern nur eine üͤberdachte 
Rolle fpielt. 

Aulie (erftaune.) Wie Das! 

Bianca. Mein Anblid, deffen bin ich zu gewiß, 
kann ihm nichts Neues feyn. Jenes Bildniß ‘von 
mir, wo mid der Mahler fo ſprechend traf, das einft 
in Bonaventuri’d Zimmer — Lfie wiſcht fid das Auge) 
noch bringe ich feinem Andenken den verdienten Zoll! 


—2 92 were. 

— ſich aufgehängt befand, und dann im fürftfid 
Bilderſaal veruflanzt ward; eben die Gemählde, | 
nachher verfhwand, ohne daß jemand wußte, wo 
— vwo daͤchteſt du wohl, daß es ſich befände ? 

Ju lie. Wahrlich, ih weiß nicht ju rathen, n 

Bianca. An Ferdinands Cabinett iſt esen 
ſchon feit ſechs Monathen verſteckt; auf feinen Bef 
ward es entwendet. (Da Dieſe einfallen will.) Frage nic 
woher ich Dieß weiß! Genug, daß ich Wahrheit rei 
— Längſt bekannt war daher der Cardina: mir mein 
Außerliden; und jened Etaunen bezeichnete ı 
unmwiberleglich den Heuchler. Aber ſtärker noch v 
. viethen ihn mir gewiſſe Blide, die er zuwei 
feitwärts auf mich füllen ließ, wenn er von Niem 
den und am wenigiten son mir feldft bemerkz zu fü 
glaubte; ein Irrthum, der deſto verzeihliher wa 
da er jenen Spiegel nicht Eannte, der fo weile, v 
du weiße, in einer „Sertiefung meines Zimme 
angebraht if. — Julie, ich fage nit gern 
viel: aber in diefen Slicken, — fo unenblih Eu 
auch ihre Dauer war; fo wenig fie fi befchreibe 
fondern nur fehen und fühlen lafın,; — in ihnenen 
doch Haß und Rachgier ſprechender ausgedrüdt, 
ſelbſt Apelles fie in jenem berühmten Bilde *) dar, 
itelflen vermochte. Mur der Dolch oder der Gifrt 
cher fehlte noch in feiner Hand, um ganz den To 
feind zu erbliden, der mir ifm — ab, wein H 





) Am Hofe gu Alerandrien, wo der Känftfer die Laſt 
die einen ſchwachen argwöhnıfken König umring 
dar ſtellte. 


ſagte es mir nur allzu'gewiß — für mich nad Bloreng 
gekommen iſt. “ 

Jullie. Und was fürdten Sie viel, gnädigfte 
Frau, felbft wenn er Der wäre, für den Sie ibn hal- 
ten? Sie, die fie am Bufen Ihres Gemahls alle 
Feinde ald ohnmächrig‘verfposten Sönhen? Nur eines . 
Winkes von diefer Beſorgniß, nur eines Wortes von 
dieſer Bemerkung bedarf ı? ie, und der liebenolie 
Fürſt — — » 

Bianca Ceinfaltenn.) Da fep Gott vor, daß auch 
nur ein Hauch meines Mundes, auch nur ein Zug. 
meined Geſichts, auch nur ein einziger Seufzer mei⸗ 
nes Vuſens Franzen von allen diefem Verdachte eine 
Epur merken laſſe! 

Julie. Und warum Dash — 

Bianca Haft du ſchon vergeffen, daß meiner 
ganzen Bemerkung Grund auf einen bloßen Argwohn 
berubs ? daß jene Blicke, die ich wahrnahm, von fo 
unbefchreiblich Eurzer Dauer waren, daß fie nur ſich 
fühlen, nidt beſchreiben laſſen? — Wie? und 
wenn ih nun — fo unmöglid aud Diefed mir bünkt 
— wenn ich nun falſch gefehen, wenn ein fhadens 
froher Damon nur auf Secunden lang mein Auge um» 
nebelt,, oder irgend eine andere verborgene Negung 
Ferdinands drefe Mienen hervor gebracht hätten? Und 
ih — ich follte eines ſolchen Argwohns halber den 
Samen der Uneinigkeit ausſtreuen? Sollte ein Feuer 
neu anfaden, das kaum unterdrüdt worden ift? Sollte 
deßhalb auh die Ruhe meines Gatten. vergifs 
ten, weil ih die meinige vielleicht feldft vergifteien 

Julie. Wenn nun aber — — 


. 


vera 94 wor. 

Bianca Nimmermehr! Wie Mondragone 
Sranzen ald Beklagter fland; ‚wie er'gefragt wa 
Warum er die erfie Nachricht von Ferdinands heir 
Ken Entwürfen nit ‚fogleih ihm hinterbracht ha 
"antwortete der Heuchler mit anſcheinender Seelenru 
Er habe nicht Bruder gegen Bruder waffnen woll 
Und id — id eine Fremde, id in Cosmus et 
Geflecht nur eine Aufgenommene, ic jollte die 
Geſchlecht entzweyen — Nein, Julie, ſchwei— 
will ich; ſchweigen und erwarten, was in bes Sch 
ſals großem Bude vießeidht ferner Über mic 
fhloffen ift; und auch dir gebiethe ih ein Gleic 
gu thuh. 

Julie. Wie! Sie können verlangen, gnäbig 
Frau — — 

Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn 
won dieſem Geſpräche das kleinſte Woͤrtchen, es 
auch gegen wen es ſey, entfallen ſollte! — Zudern 
it unſere Beſtimmung nicht feſt? wachen über nf: 
und Tugend nicht höhere Weſen? — Er zaͤhlte m 
Haupthaar, und ſollte meine Tage zu zaͤhlen v 
geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten 7 
muth berabgefunfene Venetianerinn auf Welfchlar 
fhönften Fürftenftuhl, und er tollte — O Julie! 
ſichtlich waltete über mich bisher ein allwerfes, a 
guͤtiges Schickſal; ihm fernerhin mißtrauen zu wolle 
wäre Undanf. Aber nur Eines bitte ich von mein. 
Schutzheiligen, bitte ih von demjenigen Gott, un 
dem alle Heiligen tiefer, ald jegt unter mir bie ; 
Nringſten Zlorentinerinnen fiehen! — — 

Zulie. Und was? Wahrlih, ich brenne v 
Begierde, diefes Einzige zu wiffen. . 


arena 95 neh: 

Bianca. Wäre ed wahr, was biefes bange Ger 
fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit 
und Eeine Zerftreuung verſcheucht, mir zu verkünden 
fheinen; wäre wahr jener Schauer, ben, der Him⸗ 
mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mich bey 
des Cardinals erſtem Anblicke ausgoß; — follte uns 
irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meuterey 
belaufchen,.o, fo komme fie fiber mein Haupt allein! 


So verihone dad Ötrafgericht meinen Gemahl, deifen 


Seele fiber Beinen Seht, als Übermaß der Zugenb, 
and eine all;u forglofe Milde „beſitzt — (etwas Hören) | 
Doch Kill! Iſt Das nicht fein Fußtritt? | 

Julie. Mich dünkt. — Gott, gnädigfte Kran, 
Sie haben aus meinen Augen Thränen in folcher Menge 
gepreft — — ' 

"Bianca (fie zur andern Thür Hinaustreitend.) Die 
er nicht fehen darf! Entferne big! 





(Eben dieſe Nacht.) 


Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf 
feinem Zimmer auf und abgehend.) 


Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten 
thaten nicht unrecht daran, eine eigene Gottheit 
aus ihr zu machen! Denn woher kaͤme jonft bieje 
ihre mädtige Gewalt, wenn fie nit felbfiftändig 
wäre? — Auch Das war nicht unmweife vielleicht, daß 
man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver- 
edrte; denn mo wirkt fie unwiderftehlicher, ald in 


— 06 — 
den Augen eines ſchönen Weibes? — Und ? 
ift Bianca! Beym Himmel, Das iſt ſie! — (Ya 
Gran; ! Franz! Ich haſſe dich, mehr, als je 
Beraubte jeinen Räuber, ber toͤdtlich Verwundete 
nen Banditen haßte; aber verachten kann ich | 
nit [Frg:r; wenigftens dieſes Schrittes halber nic 
— Dein Ebrgeiz und der meinige? Em David, 
mit Goliath fi meffen will! Und doch, wenn ich 
mein Annerites greife — an deine Stelle mi x 
fege — ſelbſt auf eine Wagichale den Hut des Er 
herzogs, auf die andere den Gürtel Bianca’s Te; 
— Wahrlich, ed würde mißlih um diefe Wahl 
ben: würde mid) ber Überlegung viel Eoften; und d 
ber Ausſchlag derfelben vielleicht — die Millionen v 
liebter Gecken noch überzähliger um Einen Kopf ı 
hen! (Gin Diener tritt Herein.) 

Diener. Ein Verkappter ift braußen; valat 
Eure Eminenz zu reden, und "übergab mir bi 
- Karte. 

Card. Ein Derkzeichen, das ich kenne. M 
laſſe ihn herein! 

(Mondragone tritt aãußerſt vermummt ins Bimmer.) 

Card. (achend. Nun fürwahr, Freund, T 
nenne ich fi brav vermummen! &o gewiß ih m 
. eurer verſah, unangemeldet hätte ih Euch doch kar 
erkannt. 

Mondr. Auch bedurfte ich dieſer forgfältig 
Verkappung ſehr; denn in ihr habe ich beynahe a 
öffentlichen Plätze durchſtrichen, um zu laufhen, n 
Alles itande. 

Card. Kun? Und wie fandet Ihr es? 

Mon 


— 97 * 

| Mondr. (die Achtel zudend.) So, fo! Der Be⸗ 

richt dürfte ein wenig weitläuftia ausfallen, und deß⸗ 

halb, eb’ ich weiter darliber ſpreche, möchte ih mic 

faſt unterfangen,, erſt Euer Eminen; felbft eing hut 
de Frage vorzulegen. 

Card. Welche denn? 

Mondr. Wie haben Sie, verfteht fih im wahr 
ren Ernft, den brüderlihen Hof gefunden? Habe ich 
nicht, als ich denſelben ſchilderte, Wahrheit gefpre« 
hen? 

Card. Das habt Ihr. Wie man es nimmt, nahme 
lich — Wahr ift Alles, was Ihe von Btanca's Gewalt 
über den unmündigen Franz, von feiner trunßenen 
Anbanglichkeit on jeden ihrer Blicke, und von der 
Sclaverey des ganzen Hofes mir fagtet. Aber wenn Ihrt 
eben viefe Bianca, als ein aberglaubifches, bigortes 
Bürgerweib, als eınen mittelmäßigen Korf und eine 
mitrelmäßige Schönheit mir ſchildertet; daun, Mon« * 
dragane „— dann war in Eurem fonft fo fcharfen Fern⸗ 
glas ein Fleck, oder ein Qufehläschen, das Euern Blick 
tauchte. | 

Morndr. (Haid vertegen.) Wäre es möglich ? 

Card. O gewiß, ganz gewiß! Unbegreiflich faſt 
dünkt es mi), daß je ein Mann, der fein großes Otu⸗ 
fenjabr nicht ſchon überſchritten hatte, Bianca ohne 
Aufwallung von Liebe erblicken Eonnte ! Erblickt in mie 
felsit einen Anbether, werigftend ein Bewunderer 
bon ihr! | | | 

Mondr. Eure Eminenz fherzen, wie ih 
dermuthe! 

Card. O nein! Bey meiner fücitioen Ehre! & 

Meißners Bianca Cap. 2. Thl. 


, on GB, — 

bürfte ein ziemlicher Beyſatz von Ernſt in dieſem Scherz 
fi befinden. ' 

Mondr. (erſtaunt.) Unmöglih) Denn äußerten 
Sie nicht, gleich nad der erften Zufammenfunft z in 
den wenigen ‚ leife mir zugeflüftersen Worten das Ges 
gentheil? | 

Card. Seht, Mondragone, um Eud nit Wis 
derfpruch und Unfinn vorzuſchwatzen, muß ich forgfäls 
tig erft die Zeitpuncte meiner Gefühle aus einander 


feßen. — Jene liebevolle Miene beym erfien Eintrizt, 


die meinem fhmadköpfigen Bruder fo fehr an mir bes 
hagte, war freylich nichts als Schminke. Wer wüßte 
Das beffer ald Ihr, der diefe Schminke mir auflegen 
half? Und doch miſchte fih damahls fhon unter meine 
Verftellung ein Schatten — obſchon nur ein Schatten 
— von wahrer Empfindung. Ich Eannte Bianca’ Bild. 
Sprechend hatte es der Mahler verferfigt. Doc ach! 


Raphael felbft kann ja nur einen Augenblid der Schoͤn⸗ | 


beit mablen, und wie viel folher Augenblide hat ein 
reizendes Weib! 

Mondr: Eine feine Bemerkung! 

Card. Schmeichler! Als ob Ihr heute fie zumi 
eriten Mahle hörtet! — Leichter ward es mir daher durch 
diefe unwilllnrlihe Empfindung meinen Betragen Wär: 
me, meinen Worten wenigitens den Schein der Wahrs 
beit zu geben. Die eriten Minuten vergingen, und 
Bianca führte uns in ıhr Zimmer. Als ih bie Pracht 
desfelben erblickte, ald in unter eben dem Ihronhime 
mel, unter welrhem fonit eıne Erzherzoginn aus Diters 
seihs Stamm zu fißen pflegte, Bianca Bonaventuri 
Platz nehmen fah ; da flieg der Gedanke: wahrlich 
viel zu viel Ehre für die Witwe eines entlanfenen 


J 


Handlungsdieners! mit verftärkter Gewalt in mir em⸗. 
por; da koſtete es mir Mühe, diefe Aufwallung zu 
verbergen; und hätte ih mit geübtern Augen *) zu. 
thun gebaht, vielleicht wwäre.ich bemerkt und der Wir⸗ 
be! meiner Seele entdeckt worden. Seht hier den 
Grund derjenigen Gemüthoſtimmung, in der Ihr mich 
bald darauf ım Vorübergehen fander! 

Mondr. Nın, und diefe Gemücpskimmung — 
was Eonnte fie ändern $ 

Card. Eben Diejenige, die fie erregt hatte: 
Bianca ſelbſt. — Spöttelt darüber in Eurer kalten 
Seele, fo viel Ihr wollt; aber, bey Gort! es iſt 
Wahrheit, wenn ich fage: jener bey geringern Frauen 
fö oft entweihte Ausdruck: O es ift ein Engel!, 
ſcheint mir hier in feiner ganzen Stärke zu paſſen. 
Bianca's eriter Anblick blendet durch allzu großen 
Glanz; aber dann enthüllen ſich bey ihr — wie bey 
jenen ätheriſchen Weſen — Reize, zu hoch für wört⸗ 
lichen Ausdruck; dann enthüllt ſich eine Seeſe, wohl 
mehr werth, als. nur einen ſterblichen Körper zu bee 
leden. Tugend ſpricht aus jedem Worte; Milde herrſcht 
in jeder Miene; und wenn zumahl idr Blick, voll 
hoider Liebe, auch eine Secunde bloß Auf den. glück⸗ 
lichen, nur allzu glüdlihen Zranz ſich richtet — 
wahrlich, wahrlich, dann möchte ah diefen Schwaͤch⸗ 
ling mordenz nicht um fein Reich, ſondern um fein 
Weib zu haben. 





’) Man fieht aus dem vorigen Geſpräche, daß Birne 
doch ſcharfer ſah, als der ſelbſtſüchtige Cardinal muth⸗ 
maßte. 

| O3 


> 


rn 100 wem 

Mondr. (täweind.) Eure Eminenz fliegen mit 
eines Arioito Fittig. 

Card. Ohne ein Dichter zu ſeyn; ohne ein 
Wörtchen mehr, als wahre Empfindung zu 
fprehen! — Mondsagone! Ihr wißtes, mit welches 
glühenden Halle gegen diefes Paar ich hierher -Eam; 
noch fteht mein Haß auf dem vorigen Grad der Hitze; 
aber er iſt nicht mehr getheilt; fein einziges jegiges 
Biel ift Fran, — Franz allein. Wer Bianca antafter, 
- taftet mein Leben zugleih an. Nah ihrem Beige 
muß ich fireben, und follte ih Sclangentüde mit 
Löwenmuth verbinden müflen; denn fie lehrt mich im 
meinen Dreyßigen erft, was heiße Liebe fey. Sie 
allein von ihrem ganzen Geſchlechte hat ſchneller, als 
‘ein Blig, mein ganzed Herz an fich geriifen. . 

Mondr. Sonderbar, furwahr fonderbar, daß 
Dieß ſo oft der Fall bey ihr zu ſeyn pflegt. 

Card. So oft? Wie meint Ihr Das eigentlich? 
Ihr macht eine Miene, ald ob Ibhr anders bächtet, 
And anders fpradt. 

Monde. Sider nicht! — Es iſt mein Ernſt, 
daß auch ich noch keine von Bianca's Geſchlecht kann⸗ 
te, ber fo allgemein die männlichen Herzen hul⸗ 
digten. Selbſt tief im Volke hat ſie ſich einen Anhang 

erworben, ſtaͤrker und inniger, als je ein Fürft von 
Cosmus edlem Stamm ihn hatte; und erft fo eben, 
ebe ich hierher Fam, babe ich ein Benfpiel davon ges 
fehen. 

Card. Und Das beftand 2 

Mondr. Ic durchſtreifte, wie ih ſchon vorhin 
erwähnte, in biefem Gewande, einige unferer öffent⸗ 
lichen Pläge, Spaziergange und Bärıen, und hörte 


022) 101 er0IB 


auf die Geſpraͤche der Menge. Überall waren Franz, 
Terdinand und Bianca , die Gegenftände derfelben. 
UÜberall ward verglihen , wer fi) am edeliten betrage, 
und überall bebielt fie den ‚Preis. Einer unferer 
Kundfhafter — er felbft erkannte mich nicht — ſaß 
unter einem foldhen dichten Haufen halbtrunfener Bürs - 
ger, und wagte die Frage aufguwerfen: Für weffen 
Mohlfahrt das Volk der Blorentiner wohl jegt die 
inzigften Segenswünfce zu thun Urſache habe? Franz, 
fuhr er fort, iſt unſer gutevolle Fürſt; Bianca ſcheint 
ſein Schutzgeiſt zu ſeyn, ihm ſelbſt an Milde gleich. 
Aber auch Ferdinand verdient unſere Hochachtung gar 
ſehr; noch iſt er der dereinſtige Erbe ihres Stuhls; 
und ihr müßt geſtehen, daß etwas ſehr Großes, ſehr 
Edles, fehr Einnehmendes in feiner Miene liegt. — 
Die Antwort darauf — — (Hält plstzlich Inne, als ob er 
u) eines Andern befänne.) 

Card. Nun, was ſtockſt du? Die Antwork 
darauf ? " 

Mondr. Verzeihe mir Euse Eminenz! bie Hige 
des Sprechens riß mich hin. Ich vergaß bey Ermähs 
nung der $rage, daß ich die Antwort darauf nicht 
wieder fagen Eann. 

Card. Und doch befehle ih Euh nun Dieß 
zu thun. 

Mondr. (die Achſel zutend.) Wenn Eure Eminenz 
dann meiner Aufrichtigkeit verzeihen wollen, 

Card. Gewährt im Voraus fhon! Diefe Ant: 
wort war — 

Monde. Ein lautes Hobngelöchter. Ein Geläch⸗ 
ter von fünf Minuten wenigſtens. „Bianca und Fer⸗ 
dinand unter fich. zu vergleichen! hob endlich Einer der 


_ 


nn 102 vo 


Mortführer an; Das beißt fo viel ald Sonne und 
Mond in eine Claffe jegen. Er mag hingehen, wenn 
die Nacht einbricht; aber er demüthige fi) dann mit 
Recht, wenn er mit ihr zufammen trifft. Sie „bat 
eigenthümliches Licht, und er nur geborgtes. — Rich⸗ 
tig, richtig! rief ein Anderer: ſelbſt feine Greßmuth⸗ 
ſeine Freundlichkeit, ſeine Bruderliebe — glaubt mir, 
bedürfte er nur unſers florentiniſchen Goldes nicht, 
fein Purpurhut ware fiber zu Nom geblieben. In 
einer Bianca find.zehn foldhe Cardinaͤle begraben.” 
Alle gaben dem Sprecher recht, und ich fchli mid 
Davon, um den Unwillen nicht merken zu laſſen, der 


in mir aufſtieg. 


C ard. (der ganz ſtumm und nachdentend einige Yugene 
plicke auf und niederaebt, dann halb für ſich.) Sie die Sonne, 
und ih nur der Mond? — Zehn meines Gleichen in 
Einer? Viel, fehr viel, und fehr ſchmaͤhlich! 

Monde. (ür ih.) Gut! der Zunke feine zuůn⸗ 
den zu wollen. 

Card. (mit entſchloſſenem Tone.) Doch nein! Nein! 

— (Mit wieder, Beiterer Miene und Stintme. ) Ha, ich Tharx, 
der ich den Beſtandtheilen dieſer dargebothenen 
Arzeney erſt mühſam nachdenke, da ich doch dem. 
Arzt, der fie berritet, und auch feine Curart kennen 
folte! — Montragone! Was du mir da erzaͤhlteſt, 
du magft ed nun wirklich gehört, ober auch nur ers 
dacht haben; glaube mir, es haͤlt mich nicht ab, Bone 
ca für die Krone ihres Geſchlechts zu achten; ja, ed 
reizt mich nur ſtärker, dentoch zu verfuchen, ob dieſe 
Krone nicht freywillig die Meinige zu werben Luft 
hätte. Hat fie es, o dann Perunter, herunter 'mig’ 


ww 105 wwe 
Stangen! Herunter zur Holle, es fey im offnen Kriege 
oder im Hinterhalt! 

Monde Und Eure Eminenz vergelfen ganz 
jene Eunftlihe Keuſchheit, deren Bianca jederzeit ſich 
rühmte, deren fie jederzeit fo paſſend fi bediente? 
Sene Vorſicht, die eben den Großherzog Dasjenige für 
einen fo hoben Preis zu Faufen zwang, was er gerin⸗ 
ger nicht erhalten konnte! 

Card. (kon) Bin ic Sranz?. Ein fo halb 
weiblider Mann? — Laß jept ſehen, ob es Schmeich⸗ 
ler waren, die fo oft meine ®eftalt erhoben? 
Schmeichler, die — wie bu felber thateſt — meis 
nen Geiſt auf Jenes Unkoften rühmen? — Ha, 
bey Gott! Ich muß um ihre Liebe werben, und ſollte 
morgen ſchon mein Kopf auf Florenz höchſter Zinne 
ftecfen und mein übriger Körper in tiefer See ſich bar 
den. — Lebe wohl, Mondragone, für heut! Es ift 
fhon ſpät. Bald will ich dich wieder rufen laſſen. Thue 
indeß dein Möglichftes, mir Herzen zu gewinnen; auch 
ih will feine Mühe, wenigſtens bey einem dieſer Here 
zen, ſparen. (b. 





Mondr. (allein. War Das ein Traum, ben zum 

Zeitvertreib mir die Hölle ſchickte? — Iſt es wahr, 
was ich hörte, und dody noch lieber wähnen möchte 
nicht gehört zu haben? Iſt Bianca, iſt dieſe vers 
dammte Capello, der Fels, an dem mein Schiff durch⸗ 
aus ftranden fol und muß? Sind alle Söhne Cos⸗ 
mus an biefe hoͤlliſche Sirene gefeffeft? Iſt nun auch 
Ferdinand von ihr erobert‘? Er, der taufendfache Urs 


1 


vvvñ 104 vo 


ſache fie zu haſſen hatte, wenigftens fie zu 5 
glaubt, auch er kommt, fieht fie, und fält am eı 
Tage iton ın ihre Schlinge! — (Heine Paufe.) « 
nun fehlte nichts, als daß feine tolle Liebe noch 7 
munterung fande; daß nur einer ihrer Blicke freu 
fih au? ihn fiele; und er opferte mich dann mit % 
den anf; lachte, wenn man mid) folterte; fer; 
wenn er mich auffnipfen ſaͤhe. — Was thue ich mı 
Wie vermerde ich diefen zweyten Schiffbrudh? € 
ib Ranke bervorfuhen? Briefe von dießs umd | 
feits fhmieden? — — Alltagsliſt! — Und wie 
ih auh an Bianca? wie an den Cardinal? Iſten 
jetzt ſchon diefer Letztete mißtrauiſch genug gegen mi 
— — Aber wie? wenn ich nun Franzen vor ber g 
len Begierde feines Bruders warmte! feine Eiferfi 
reiste ? feinen Haß neu entflammte? wenn id d 
Mahl ein redlicher Verrather wäre? — Freylich 

leichterer Weg! Aber doch nur der Weg der Verzn 
felung! Dann wäre ed mit Ferdinand dahin auf i 
mer, dann wäre ©claveren oder Abdanken, mein Lo 
— — (Lüngere Pawfe.) Mein, nein! Geben will 
jegt noh die Sache laffen, will nicht cher Vor 
tung treffen, bis die Noth auch wirktih da iſt. 
iſt freylich ein Tächerlihes Ding um Srauentre 
und Weiberkeuſchheit; aber doch müßte * 
derbar zugeben, wenn Diejenige, die des Regent 
Beliebte zu feyn verſchmähte, jegt die Beliebte ein 
jüngern Bruders würde; eines Bruderd, d 
fie baffen muß; eines Mannes, der in Allem, w 
Weiber reizt, weit unter Jenem fleht! — Sey 

denn, du brüchiges Glatteis weiblicher Tugend! 3 


wesen 105 wen" 
traue dir dieß Mahl, ich hoffe, daß du ſelbſt mir 
vielleicht den Weg zur belohnien Argliſt ebnen ſollſt! 





(Zwey Tage darauf, Bianca's Gemach.) 
Bianca, Julie. 


Bianca. Du. weißt ed alfo ganz gewiß daß 
Niemand uns behorchen kann? 

Julie. Ganz gewiß; er müßte denn durch drey⸗ 
fach verſchloſſene Thüren dringen. 

Bianca. So komm dann, und ſetze dich neben 
mir! — (Sie ſchmerthaft bey der Hand ergreifend.) O meine 
Julie! jegt erſt erkenne ich, daß es eine Art von 
Kummer gibt, die der Verſchwiegenheit felbft zu vers 
bergen unmöglich fiele. Wahrlih, mein Herz nrüßte 
zeripsingen, könnte ich nicht gegen irgend Jemand ihm 
Luft machen. 

Julie Cerſchreden.) Um Gottes Willen! Gnaͤdige 
Grau, was ift Ihnen widerfahren? Ich bin fo vers 
wohnt an die Gelaſſenheit in Ihrem Betragen, 
daß ich bey diefem unbekannten ſchmerzhaften Zone im 
Voraus izittere. Sie ſcheinen mie bewegter zu ſeyn 
als jemahls. 

Bianca. Bewegter als jemahls! Du haſt recht, 
und ich habe Grund dazu. — Entſinnſt du dich mei⸗ 
ner neulichen Vermuthung vom Haß des Cardinals 
gegen mich“? 

— Juie. Wohl entſinne ich mich deren. Aber 
wodurch kann neuerdings dieſer Haß fi. geäußert 


da 106 ve 
haben ? Er ſcheint ja die Dienftbefliffenheit fe 
zu feyn. 

Bianca O daß er mid haßte ‚ ftärker ı 
Feuer und Waſſer, Tag und Nacht fi: halfen ! Ai 
biefer Pflichtvergeſſene — Julie, diefer Pflichtverg 
ſene liebt mid. 

Jullie. Eure Durchlaucht — — 

Bianca. Starre mich an, wie du vwilſſt! 
erſtarrte noch mehr, als dieſes ſchaͤndliche —** 
ſich enthüllte; als vor mir fein laſterhafter Wunſ 
ja ſelbſt feine frevle Hoffnung ſich aufdeckte; 
der Druck feiner Hand, fg oft er die meinige zu 
rühren Gelegenheit fand, als das Feuer in fein 
‚Auge — fo oft Franz aud nur auf Secunden lang | 
Rücken wandte — als die Lobeserhebungen, mit de 
er unabläfjig mich überhäufte; als, mit einem Wor 
taufend Eleine Kennzeichen fih heute morgen burdy! 
fe8 Briefen aufblärten, das er ſelbſt in mu 
Sand mir drudte. 

Julie. Wiet Ein formlicher Liebesbrief Er ſe 
deſſen Beſteller? 

Bianca. Ja wohl eines ſchaͤndlichen Gewer 
ſchändlicher Beſteller! Und wenn du vollends ihn 
(Sie will ihr hier den Brief gu leſen geben, beſtunt ſich aber ſe 
eines Undern.) Doch nein, nein! Den Antrag feldft kor 
ich dir gefteben; aber die Frechheit, mit welde: 
von feiner Liebe, als von der erlaubteften Sache fpr 
von der Größe feiner Gluth, und felbit von ben 9 
theilen einer folhen Eintraht — Eannft du dir 
was Unjinnigeres als. fol eine Eintradht denken‘ 
Kein, Zulie, nein! Diefe Frehheit ift zu züge 
als Daß ich fie noch irgend Jemand zeigen könnte; 


x 


we. 107 vvvu⸗ 
ich verwünſche den Tag, an dem ich ſolch eine Be⸗ 
ſchimpfung erleben mußte ! " 

Julie; Ein Unwille, gnädigite Frau, der Ih⸗ 
ver Seele mehr Ehre macht, ald mein Mund — und 
- hätte er ſiebenfache Kraft der Sprache — je auszudrüs 
Een vernöchte! — Aber erlauben Sie, daß ich wenige 
ftend nit die bittere Befhimpfung in fold eis 
nem Anteagefinde, die Eure Durchlaucht darin fuchen. 
Srevelhaft genug iſt freylich des Cardinals Wunfch- und 
Hoffnung. Doch das Gefolge weiblicher Schönheit bes 
ſtand ja ftetd aus Bewunderung und aus Mannerliebe, 

tur zu oft vergiſtt diefe Letztere freylich, was Anſtand 
und Pflicht — 

Bianca. Schweig, ſchweig, leidige Tröfterinn ! 
Ich könnte dich haſſen, wenn ich Außerungen dieſer 
Art für Ernſt, und nicht bloß für die Wirkung eines 
Übel verftandenen Mitleid snähme. Nein !Niemahls 
noch, fa weit ich mein Leben durchdenken kann, erlitt 
ich eine Krankung wie dieje. Selbſt da nie, als id 
in Bonaventuri's Haufe die niedrigfte Handarbeit, ach 
fo willig übernahm! Gelbit da nidt „ als Mondragone 
mie den fhimpfliden Vorſchlag that, die Beyſhlaͤfe— 
rinn meines jegigen Gemahls zu werden. Denn Der: . 
jenige, in defien Rahmen er ſprach, war wenigſtens 
mein Sürft, ich tie Gattinn eines Ungetreuen, und 
‚ vielen Zaufenden meinee Gleihen hätten Borfchlüge, 
die mir Befhimpfung dünkten, die höchſte Gunft zu 
fepn gefhienen. — Aber jept? Sept — O des nidhtis 
gen drüdenden Schimmers einer Fürftenwürde, die 
felöji vor Antraͤgen folder Schande meine Tugend nicht 
ſichern kann! 


men 10D rum 


Julie. Warum zögern Sie aber noch läng 
fih Ihrem Gemahl zu entdeden? In feinen Häm 
ift ja bdiefer freulofe Brüder. 

Bianca. Und bleibe doch, Trog diefer Treu 
figkeit, no fein Bruder. — Sa, ja, ih Eei 
Franzen. Seiner Sanftmuth ungeachtet, würde 
foldy einen Frevel'nicht ungeabnder laſſen; und wi 
ih ehemahls fchon der Zwietracht Samen unter | 
fen Brüdern auszuftreuen mich fheute , wie koͤnnte 
jegt — (mit färfer werdenden Affe) o einen Blick 
diefen Brief, auf die Worfhläge deffelben! und 
milde Srauz würde werden, was fein Vater w 
würde die Stimme des Blutes vergeffen, und | 
auf die Stimme der Rache und Gerechtigk 
hören. — Nein, Zulie! Noch ift mir es unmoͤglich, 
Mitteln diefer Art meine Zuflucht zu nehmen; n 
will ich meiner eigenen ſchwachen Stimme, fo we 
ich ihr fonft vertraue‘, mich bedienen „ um Die 
Wollüſtling zum Pfade feiner Pflicht zurecht zu v 
fen; und du felbft, Sulie, du felbft mußt mir da 
Bebülfinn ſeyn. 

Julie. Ih? Wie Das! 

Bianca. Verbirg did morgen früh in das K 
eines Zünglings, und überbringe ihm dieſe Antwe 
(Ihr einen Brief hinreichend.) 

Julie. Nichts it leichter als Das, Nichte t 
ich wilfiger ! Aber Eann meine erlauchteſte Fürftinn , 
Ihrer ſonſt fo bewährten Menfchenkenntniß, hof 
daß ein bloßer Brief diefen Laſterhaften umſchi 
sen, oder ihr ſelbſt Ruhe vor feinen Anfchlägen 
ſchaffen werde? — Iſt dieſer Brief mit der liebevo 
Sanftmuth eines Engels — jenem Hauptzug im ( 


INTER 109 a 
rakter meiner Gebietberinn! — geſchrieben, fo wird 
der frevfe Ferdinand nur defto gemifler noch auf Nach⸗ 
gibigkeit rechnen, oder wird wenigſtens deſto glühene 
der noch bie Geelenkräfte Eurer Durchlaucht bewun⸗ 
dern. 

Bianca. Wenn ich ihn nun aber in einem Tone 
geſchrieben hätte, er nſter, als Alles war, was ich 
jemahlf ſagte oder ſchrieb? 

Julie. So wird dieſer Ton jenen Verwegenen 
zur Rade, zur. Verleumdung, zu den. fehandlichften 
Ränken auffordern; wird — o Das fühle meine Füͤr⸗ 
ſtinn deffer als ih! — wird unnüg auf jeden Fall ſeyn. 

Bianca (die Achſel zudend.) Leidige Prophezeihung, 
wahrſcheinlich freylich, doch noch nicht ganz. ges 
wiß! — Und eben defihalb will ich ihr niche folgen. 
— Weißt du nigt, Julie, daß Lobgefänge ber Un⸗ 
mündigen des Himmels füßeftes Loblied, und Maße 
regeln ſchwacher Werkzeuge oft feiner größten 
Plane ſicherſte Triebfedern find ? — Selbſt, wenn dies 
fer Brief nichts nützt, wenn er ſchadet fogar ; ich will 
dadurd wenigftens meine Geele retten ; will thun, 
was ich vermag. Überbring ihn morgen früh! 

Sulies Ich gehorche Euer Durchlaucht Befehl, 
— (für ih.) aber wahrlich nichts mehr als die Wehre 
von einer Stecknadel, um einen Ehrenfhänder 
abzuhalten! 


. see 10 sende 
(Mondragone’s Zimmer.) - 
Mondragane. Mofellscin Wiethling und Sant 


Mondr.. Wie ihdir ichon geſagt habe, Sur! 
ih will fogleih zum Carbinal hingehen; zwey M 
bereits hat er nach mir gefendet, und ich errathe fd 
warum ? — Du tritt indeß an den bewußten Ple 
gerabe feiner Wohnung gegen über, und gibft Ad 
Komm ih un ein Fenfter, es fey bed Vorſaals o 
Zimmers; huſte ih zwey Mahl und ziehe dann m 
weißes Schnupftuh heraus: fo ift gefheben, m 
ich vermuthete, und Ferdinand benimmt fih, wie 
er fol. Dann eile an den beftimmten Ort, und fu 
bie die Geſellſchaft nach Belieben aus! Wir Bey 
denke ih, werten bald nachkommen; and bu hebſt 
gleich dein Geſpräch an. 

Moſ. Gut. 

Mondr. Nur gib genau Acht, wenn wir here 
treten! Fang ja an, ſobald du uns ſiehſt, noch 
wir dich hören können! 

Moſ. Recht gut. 

Monde. Was du ſagen ſollſt, weißt du noch? 

Moſ. Wenigſtens wäre es das erſte Mahl in m 
nem Leben, daß ich eıne Rolle mir zwey Map vorfag 
ließe! 

Mondr. Und wirſt fie auch brav ſpielen? 

Mof. Das hoffe ih! Habe ja ſchon Gurge 
abgeſchnitten, und ſollte nicht lügen können? 

Monde. Kein Schluß, der gilt! Denn me 
Seel, mid dünkt, daß Jenes oft leichter ald Dieſes ſ 


wer 111 wem 

Moſ. Wie es foͤllt, Signor! — Überall muß 
der Menſch fib mühen, wenn er irgendwo fein Brot, 
obne Pfufherey, ebrlich und redlich verbieneh 
will. — (Sachelad. Aber freylih it Unwahrheit 
eine Waare, liber deren Werth und Schwierigkeit fich 
inEurem Poften, Signor, richtiger noch als in dem 
meini gen urtheilen läßt, 

Monde Wie, Burſch, hättet du wohl gar 
Stolz genug, dich mit mir zu ‚vergleichen ? 

Mof. O nein, denn eben dann hätte ich des 
Stolzes nicht genug. Wir Bravo’s brauchen nut 
das Geld von Herren eurer Art; ihr braucht ung 
ſelbſt. — Keinen Groll, kein unwilliges Geſicht, 
Signor! Id gebe, um meine Schuldigkeit zu thun, 
und wer diefe erfüllt, kann wohl auch zuweilen ein 
freyes, aber wahres Wörtchen dazwiſchen reden. ca.) 

Mondr. Der Bube !— Foſt mödte ein Gewerbe 
mic) verdrießen, das fo nahe mit dem feinigen grenzt? 
und nod oben drein dem Spott eines ſolchen Taus 
genichts mich ausfett. Aber laßt es uns machen, wie 
es Zürften mit ihren Dienern zu thun gewohnt find, 
fhweigen, fo lange wir ibn brauden — ihn wegwers 
fen „wenn er zu nuͤtzen aufhoͤrt (Nach der Uhr fehend.) 
Hart Ferdinand nun lange genug gewartet ? Nun lange 
genug gefühlt, daß er ohne mich eigentlich nichts if! 
Auf, bin zu ihm, und die Mine fpringe, die ich ſchon 
laͤngſt für ihn bereitete! 


een 112 nen 


x 


(Gemach des Eardinale } 
Card inal. Mondrag one, (de (0 eben Bereinfritt.) 


Card. (i6m ein Yaat Schritte antgegen eitend.) O Mon⸗ 
dragone, Mondragone! In welchem Winkel der Erbe 
ſtecktet Ihr? 

Mondr. Ver zeihen Eute Eminenz, ich war nur 
ſo eben — — 

Card. (angeutbig) Sey ed, wo hei wolle! 34 
glaube es auch ungehboͤrt, und bin froh, dag ich nus 
endlich dich, meinen Achates, wieder babe, — Ad, 
Freund, weißt du, wie du mich findeſt? 

Mondr. Wenn ich nach dieſem Tone des Ems " 
pfangs, nad der Art, wie Eure Eminenz mid: ſuchen 
ließen , und nad) der gewöhnlihen Art der Zürften, 
die immer nur im Nothfall uns rufen laſſen, fchlies 
fen darf; fo beforge ich fait, ich treffe Eure Eminen; 
in einer Verlegenheit an. 

Card. Oſprecht lieber, in Verzweiflung! — 
Prophet des Unglücks! Eure Vorherverkündigung ifl 
eingetroffen. Schon glaubte ich deren ſpotten zu koͤn⸗ 
nen; ſchon traͤumte ih mich dem Gipfel des Glücks 
nahe; und fiebe! meine Hoffnung iſt zertrümmert, ˖ 
mein Herz zerriſſen auf immer. 

Mondr. Sch bedaure! Und tod weiß ich noch 
nicht recht, wovon Eure Eminenz ſprechen: von den 
Planen bes Ebrgeizes oder der Liebe? 

Card. Daß Idr nod zwaifelbaft Euch anftellen 
inne! — Füllte nicht fhon, als ıch zum legten Mahle 

ud fah, Liebe für Bianca meine ganıe Seele? 


laubt Ihr, daß ich fo ſchnell mich verändern, oder 
daß 





DIOR 115 VOR 


daß ich irgend einen meiner Plane unverfudt auf 
geben Eönne ? | 

Monde. Nie würde ih fo etwas zu muthmafs 
fen wagen, hätte ich nicht bereit3 einen der zuver⸗ 
figrlichiten Plane, mit Männerſtolz entworfen, bey 
Fürſtenehre betheuert, und durch die Ausſicht auf böch- 
fien Vortheil begünftigt, beym 'eriten Anblick eines 
Paares einfacher blauer Nugen zertrümmern gefeben. 
— Zudem, verzeibe mir Eure Eminenz, verfuden 
ft zwor gut, aber ausdauermn tt beffer. 

Card. Ha, Das fehlte mir noch, Mondragone, 
daß aud Eure Vorwürfe meinen Gerft trüber, meine 
Seele migmuthiger machten ! — (Ihn traulich bey der Hand 
ergreifend.) Mein, jebt, Freund, jeßt oder nie erwarte 
ic) deinen Rath und deinen Troſt; bin taub für Eigen 
nuß und Ehre; bin fühlbar nur für Liebe oder für 
Nahe der Liebe, — Die ftolge Capello verfhmäht 
meine Zärtlichkeit; verweigert mir den Erfaß, den ich, 
jtatt eines geraubten Throns, wenigftens in ihrem 
Herzen begehrte. Meiner glühendften Liebe ſetzt fie 
kalte Tugend, meiner ſüßeſten Schmeicheley ernfte 
Verweiſe, und jelbit meinem Fünftigen Beſtreben, 
wenn etwa ein folhes mir einfiele, die bitterflen Dros 
bungen entgegen. 

Mondr. (alt.) Sagte ich's doch! 

Card. (immer hitziger werdend.) Verdammt ſey 
deine Prophezeihung, und noch verdammter der Erfolg, 
der fie rechtfertigt! — Mondragone, ſprich felbit! Jit 
es erlaubt, Daß Lie Tochter eines venetianiſchen Sena— 
tors ſich für beleidigt achten will, wenn ein Fürſten- 
ſohn, un ſelbſt ein Fürſt der Kirche, feine Liede ihr 

Meißners Biauca Cap. 2. Thl. H 


Fa 
wen 114 rom 


anträgt ? Darf fie, die, vor wenigen Monathen ned, 
aus väterlihem Hauſe entlaufen, mit einem s Aben⸗ 
teurer das Land durchſtrich, auf eine Tugend ſich bruͤ⸗ 
ften, die im meiblihen Charakter beynahe allgemein 
für ein Mähren gilt? Kaum ‚auf den großherzogli⸗ 
hen Stuhl gefliegen — oder geſchlichen vielmehr, 
rechnet fie jich ed fhon zur Schmad, wenn — — (dt 
verbeifs feinen Schmerz und feine Worte, und gebe einige Mahl 
baftig im Zimmer auf und ab; WMondragone nützt einen Biefer 
Bwifchenräume, gebt and serfter, und gibt bad verabredels 
Zeichen; der Sardinal fange endlih mis geänderten Tone an.) 
Abfheulih und doch nur zu gewiß! — Unglaubs 
Inch zwar, aber darum nicht minder wahr! ieh, 
Mondragone, ſelbſt dieſe jtörifche Tugend, dieſer fres 
velhafte Ton ihres Abſagebriefes, dieſer beleidigende 
Stolz — ah, er beleidigt nid nicht, er vers 
mwundetmid nur nod tiefer. Ein freundlicher Blick, 
ein günitiges Wort nur, und id würde nicht verzei⸗ 
ben bloß ; ich würde (dur eine halb lädhelnde Miene des 
Mondragone gereut) — Wie? Was? Was meint du? 
was fagfl. du dazu? . 

Mondr. um anſchetnendem Mitleid die Achleln 
sudend.) Kann ich etwas dazu jagen? 

Card. Nicht? — Nicht einmahl ein Wörtihen 1 
Wolle Ihr für mid eben fo arm an beilfamen 
Rathe, als Bianca angutem Pillen fya — 

vein, Mondragone, ih wei, Ihr feyd reich an 
Hulfsmitteln und Erfindung; vereint Vernunft mit 
Erfahrung, Lit mie Menfchenfenntniß; o ich beſchwoͤ⸗ 
re dich, Mann, wenn du je mein Freund wareit, 
oder ed noch werden willit, fo nütze jene neidens⸗ 
werthen Kräfte jegt zu meinem Beſten! — Du ſchmei⸗ 





wen 21D wm 

chefteft mir font mis deiner Ergebenheit; wollteſt ein 
Fürſtenthum mır erwerben; o nur eine Nacht an Bians 
cas Buſen it mehr als ganz Toscana wereh! Und 
ide Beſitz! — Sieh, und ginge ber Weg zu ihm 
über Waters: Örab und Bruders: Kopf hin; donnerte 
hinter mir der Bannftrahl des Papftes; brauſ'te zu 
meiner Seite der Aufruhr eines wüthenden Pöbels; 
riefe in meinem Herzen die ftrafende Erimme des Ges 
wiſſens; ich wollte Tächelnd alle diefe Schreyer und 
diefe Donner Überhören. Nur hilf mie zu dieſem 
Befige ! 

Monde. (für fit.) Ehe ein Mühlftein an meis 
ren Hald, und fors mit mir in das tiefite Meer! 
(Laut.) Wahrlich, Eure Eminenz, je mehr ich ter Sa⸗ 
che nachdenke, je unmöglicher finde ich fie. — 

Card. O nein, nein, Mondragone! Ad hielt 
ed fonjt oft für Ungereimtheit, wenn ich hörte: dem 
Menfhenfey nichts unmöglich! Jetzt möchte 
ich gern, meines Nutzens halber, heiliger daran glaus 
ben, als an alle Lehren der Kirche. — Noch ein Mahl, 
Mendragone, du Eennit die Welt, und id müßte mid 
ſehr täuſchen, wenn du nicht aud die Weiber benns 
tet. — Sie find Feſtungen, bejwinybar auf mehr als 
einer Seite, durch mehr als eine Gattung von Wafs 
fen; bald durd Überraſchung und Kühnheit, bald durch 
Sqhmeicheley und Geſchenke. O ſprich, ſprich, mein, 
Sreundz mein Liebling, mein Vater! Auf welche Art 
foll ih ed angreifen, um diefe unbezwinglich ſcheinen⸗ 
de Tugend zu beſtarmen, zu erſteigen — Sey du 
mein Ahitophel, und ich will folgfamer für deinen 
Huth als Abſolom feyn. oo 

53 


men 110 mm 


Mondr. Allerdings gibt e3 der Manntgfs 
£eit genug im Angriffe, und doch fürchte ih, d 
jedeö der ſonſt befannten Mittel bier vergeben | 
Bianca’s Sprödigkeit iſt ernſtlicher, als gewöht 
Weiber-Ziererey. — (Mit ten Achſein zudend.) Fre 
wenn es nicht ſchon fo suhtbar wire — — 

Card. testen) Ruchtbar? Wied Wa 
wuchtbar ? ' 

Monde. (ganz geloſſen) Nun, was fonit, 
worüber fo eben Eure Eminenz geklagt haben — ! 
Liebe, und Bianca’s Strenge. 

Card. Cimmer coſtaunter.) Dieß ruchtbar? Und 
wen? 

Monde. Für went Für ganz Florenz fe 
und alfo zweifelsfrey au bald für gan; SItalie 

Card. Menfh, Das Tügit du! Du felbft biſt 
Erfte und Einzige, der ed aus meinem Munde erfü 

Monde. Aus Euer Eminenz; Munde — 0 
zweifelt daran! Aber mein Fuͤrſt glaubt doch mi 
daß Dasjenige, was er hier mir entdedt hat, meit 
Ohre fo ganz erwas Neues gewefen fey ? Wahrlich, 
Sonne war nch fern vom Mittage, und ih wi 
bereitö auch Den Eleinften Umitand von dem Entf 
der Großherzoginn. Sa, fo eben komme ih aus ein 
öffentlichen Haufe, dem gewöhnlichen Ort für me 
Lauſchereyen, wo Bianca’s Tugend das Lob auf A 
Zungen, Ener Eminenz Begierde und miplunge 
Anſchlag der Segenftand aller Wiglinge war; wo 
Burſchen gab, die fogar Abfchriften von jener Gef 
predigt geieben haben wollten, welde die tugendhe 
Fürſtinn Ihnen ſchriftlich zugeſandt hätte, 


| Card. (fi dor den Kopf fhlagend.) Ha, bey Mei« 
nem Leben, du biſt Eein Menſch; du bift Satans 
Sprachrohr nur! (Er ſitzt ſprachlos mit unterſtütztem, ver⸗ 
decktem Haupt eine geraume Zeit, und ſpringt Dann pföslich mie 
fürchtertichem Grimm empor.) Nein, nein! Es Eann nit 
feyn! Schandlicher Lügner, mit diefen Händen er» 
droſſele ich Dich, wenn ich deine Zalfchheit entdecke; und 
Das werde ich! gewiß, Das werde ich! — — 

Mondr (gang gelaſſen.) So ſey ein Pfahl mein 
Paradebett, und der Bauch der Raben mein Grab⸗ 
mahl! | 

Card. Ah das Mährhen der Stadt? Ich von 
Bianca felbt dazu gemacht? — Nimmermehr ! Ste 
fhwur mir fo thener in ihrem. Briefe, daß den meis 
nigen Feines Menſchen Auge geſehen habe, den ihrigen 
nur ich feben felle. — Sie Eann araufam ſeyn, Ealt, 
liſtig, unempfindlich ; aber fie ift fiher weder Betrüs 
gerinn, noch bofihaft. 

dondr. Und wer fagt Das von ihr? Aber fie 
it doch Furitinn und Weib; ald Rene muß fie irgend» 
eine Vertraute baden; ald Diefe Eann fie eher alles 
Andere, nur nicht ſchweigen; fihweigen von einer 
Liebeserklärung, und von dem großen Ovfer, 
fie verfhmäbe zu haben! — Ein einziges Wort zu 
einer ihrer Dienerinnen, eine einzige Miene gegen 
Denjenigen , dem fie Überbringung tes Briefes 
anbefahl, gab vielleiht Grund genug zum Vers 
dacht: und die Ausforfhung folgte dieſem 
Verdachte nur allzu glucklich nach. Durchſtechen 
läßt ein Damm ſich leicht; aber nachmahls feine Er— 
gießung Sindern, it ein Werk der Unmöglichkeit, 

Card. (mie den Kopf fihiieteind.) Nimmermehr 
Nimmermehr! Franz fellte meine, Abſicht kennen, nud 


rare 118 we. 


ih lebte noch? ich raſtete hier ſicher in ſeiner Reſiden 
in feinem Schloſſe? 

Mondr. Willen Eure Eminen; gewiß, wie Ton 
ge diefe Sicherheit noch dauern dürfte? Oder ift es fe 
auögemaht, daß auch der Zürft fihon wiſſen mäfle, 
was mandem feiner Untershanen längft Eein Geheim⸗ 
niß mehr iſt? Wie? wenn nun eben burd die dritte 
vierte — oder hundertſte Hand vielleicht, Bidnca am 
ihn bringen wollte, was fie aus Beſcheidenheit felbt 
verfchwieg? Wenn, ihrem Plane nah, Graufopf Ess 
pello vielleicht, oder Modefini, oder forft ein Zwi⸗ 
fbenträger von ehriwürtiger Larve, dem Herrn Ges 
mahl zuflüſtern follte, was allzu parteyiſch in der Ge⸗ 
mahlinn Munde klaͤnge? — Lange glimmt oft die Lunt⸗ 
des Minierers, ehe fie die Pulverkammer erreicht, aufr 
fliege und den Boden über fih ummühlt. Lange — 
Doch wozu diefe Einwürfe und Widerlezungen I Ber: 
fagt Fürn Serdinand feinen Glauben meinen Worten, 
fo tomme er, fo höre er felbft, was ich hörte; Nenn 
fonderbar müßte e6 zugehen, wenn das Gefpräd) baren 
fih indeſſen ſchon gan; erſchöpft hatte. 

Card, (erwasvertegen.) Mitkommen? Ich? Sept? 
Sept ſogleich? To (nach einer Heinen Paufe, entichloffen.) Doch 
- ja, Das will ich; will mich unkenntlich machen, noch mehr 
als Ihr ſelbſt; will mit eigenen Ohren — Mondra⸗ 
gone, wenn ic es fo antreffe! — Schon beym’® es 
danken glüht mein Herz wie Metall im Zeuerofen; 
was werde id erſt dann empfinden, wenn ic wir: 
lich — Ha, ſchändlich, treulos! Aber ich. will mid 
überzeugen davon! Bleib du hier einitweilen, bis ich, 
was bald gefchehen ſeyn fol, mic umgelleider babe, 
(36.) 


.. 119 va 


(Öffentliches Kaffehhaus) 


Menge von &piel: und Trinktifhen, unter den Gaͤ⸗ 
ften mitten inne, aber verkleidet, der Cardinal 
und Mondragone. 


Card. (Hatbiaut zu Mondragone.) Ob ed nicht iſt, 
wie ih dachte! Schon an drey Tifhen herum, und 
noch fein Wort gehört, das dahın zielte! — Bitter.) 
Wahrlich, Eure herrlihe Nachricht, meifer Mentor, 
verdient meinen wärmften Dank. Ich errathe ihre Abs 
fiht volllommen, und werde fie zu ſchätzzen wiffen. 

Mondr. (mit äußerfer Kätıe.) Kaum! Denn idy 
jebe freglih, daß Eure Eminen; für meine Erfin 
dung balten, was lautere Wahrbert ift. Auch 
mi wundert das Stillſchweigen, das über diefen 
Punct jege herrſcht; aber fo ganz unerklärlih ift es 
mir noch nit: man fpricht fi ja wohl aus. 

Card. (immer Kugiger.) Man ſpricht fih aus? 
Wie meint Ihr Das! Haltet Ihr mich für einen Ges 
genftand, den man nicht einmahl lan.ger Rede würs 
dig achtet? für einen Elenden, deffen Tugenden und 
Sehler man mir wenigen Worten hinwirft,, und dann 
feined ganzen Dafepns vergißt? — Vortrefilih! vors 
trefflich! Sich ausſprechen? Sich fo etwas leicht 
erflären? Mondrogone, ich rathe euch, reizt mei⸗ 
nen Zorn nicht! 

Mondr. Wenigſtens fühle ich, daß er wahrlich 
leicht genug gereizt werden kann. Eure Eminenz fin⸗ 
den in meinen Worten einen Sinn, der tiefer verſteckt 
liegen mufi, als ein Senkbley reiht; fo-tief, daß ich 


ihn felbft nie fpüre. — Auch find wir noch lange nie _ | 


S 


ww 112 wm. 
\ 


Gemach des Cardinals) 
Cardinal. Mondragone, (er fo eben hereinf 


Card. (ifmein Baar Schritte entgegen eilend. INS 
bragone, Mondragone! In welchem Winkel ber ( 
ſtecktet Ihr? 

Mondr. Verzeihen Eure Eminenz, ich war 
fo eben — — Ä 

Carb. (ungeduldig.) Sey es, wo des wolle! 
glaube es auch ungeboͤrt, und bin froh, daß ich 
endlich dich, meinen Achates, wieder babe, — 
Freund, weißt du, wie du mich findeſt? 

Mondr. Wenn ih nach dieſem Tone des 
pfangs, nach der Art, wie Eure Eminenz mich fun 
ließen , und nad der gewöhnlichen - Art der Kürfl 
die immer nur im Nothfall uns rufen laſſen, fe 
ßen darf; ſo beſorge ich faſt, ich treffe Eure Emin 
in einer Verlegenheit an. 

Card. Oſprecht lieber, in Verzweiflung! 
Prophet des Unglücks! Eure Vorherverkündigung 
eingetroffen. Schon glaubte ich deren ſpotten zur 1 
nen; fhon träumre ih mich dein Gipfel des &: 
nahe ;. und fiebe! meine Hoffnung iſt zerreimm: 
mein Herz zerriffen auf immer. 

Mondr. Ich bedaure! Und doch weiß ih n 
nicht recht, wovon Eure Eminenz fprehen: von | 
Planen bes Ehrgeizes oder der Liebe? 

Card. Daß Idr nod zweifelbaft Euch anſtel 
könne! — Füllte nicht ſchon, als ich zum legten Da 
Euch ſah, Liebe für Bianca meine ganze See 
Glaubt Ihr, daß ich fo ſchnell mich verandern, ® 

baß 


DIOR 115 VOR 


daß ich irgend einen meiner Plane unverſucht auf 
geben koͤnne? 

Mondr. Nie würde ich fo etwas zu muthmafs 
fen wagen, hätte ich nicht bereits einen der zuver⸗ 
figrlihiten Plane, mit Männerjtol; entworfen, bey 
Fürſtenehre betheuert, und durch die Ausſicht auf böch- 
fien Xortheil begünftigt, beym 'sriten Anblick eines 
Paares einfacher blauer Nugen zertrümmern gefeben. 
— Zudem, verzeihe mir Eure Eminenz, verſuchen 
iſt zwor gut, aber auſsdauern iſt beffer. 

Card. Ha, Das fehlte mir noch, Mondragone, 
daß auch Eure? Vorwürfe meinen Geiſt trüber, meine 
Seele mißmuthiger machten! — (Ihn traulich dey der Hand 
ergreifend.) Mein, jetzt, Freund, ‚jegt oder nie erwarte 
ic) deinen Rath und deinen Troſt; bin taub für Eigen 
nuß und Ehre; bin fühlbar nur für Liebe oder für 
Nahe der Liebe, — Die ftolze Capello verfhmäht 
meine Zärtlichkeit, verweigert mir den Erfag, den ich, 
jtatt eines geraubten Throns, wenigftens in ihrem 
Herzen begehrte. Meiner glühendſten Lıebe ſetzt fie 
alte Qugend, meiner ſüßeſten Schmeicheley ernfte 
Verweife, und jelbit meinem künftigen Weitreben, 
wenn etwa ein folhes mir einfiele, die bitterflen Dros 
bungen entgegen. 0 

Mondr. (alt.) Sagte ich's tod ! 

Card. immer Hiiger werden.) Verdammt fey 
beine Prophezeihung, und nod verdammter der Erfolg, 
der fie rechtfertige! — Mondragone, fprih felbit! Sit 
es erlaubt, Daß Lie Zodter eines venetianiſchen Lena 
tors ſich für Erledigt saten will, wenn ein Fürſten— 
john, und feldjt ein Fürſt der Kirche, feine Liebe ıpr 

Meißners Bianca Sapı 2, Thl. H 


- 


rn 114 ww 


anträgt ? Darf fie, die, vor wenigen Monathen ı 
aus väaterlihem Hauſe entlaufen, mit einems? 
teurer das Land durchſtrich, auf eine Tugend ſich 
ften, die im weiblichen Charafter beynahe allge 
für ein Mähren gilt? Kaum auf den großher; 
hen Stuhl geftiegen — oder geſchlichen vieln 
rechnet fie ji) eö fhon zur Schmady, wenn — — 
verbeift feinen Schmerz und feine Worte, und gebt einige‘ 
haſtig im Zimmer auf und ab; Mondragone nüßt einen. 
Brifhenräume, gebt and Zenſter, und gibt das verabe 
Zeiten; der Cardinal fungt endlich mie geandertee Zone 
Abfheufih und doh nur zu gewiß! — Ungla 
Ir zwar, aber darum nidt minder wahr! & 
Mondragone, ſelbſt dieſe stäriiche Tugend, diefer 
velhafte Ton ihres Abfagebriefes, diefer belzibig: 
Stolz — ah, er beleidigt mid nidt, er v 
mwundetmid nur nod tiefer. Ein freundlicher B 
ein günitiges Wort nur, und id würde nicht ver 
ben bloß; ich würde (durh eine halb lähelnde Miene 
Mondragone gereizt) — Wie? Was? Was meinft 
was ſagſt du dazu? . 

Mondr. Mit anſchetnendem Mitteid die Ud 
sudend.) Kann ic) etwas dazu fügen? 

Card. Nicht? — Nicht einmahl ein Woͤrtche 
Wollte Ihr für mich eben fo arm an beilfam 
Rathe, als Bianca angutem Pillen feyu? 
rein, Mondragone, ih wer, She feyd reich 
Hulfsmitteln und Erfindung; vereint Vernunft | 
Erfahrung, Lit mit Menfcdenfenntniß; o ich beſchr 
re dich, Mann, wenn bu je mein Sreund mar 
oder ed noch werden willi, fo nüße jene nride 
werthen Kräfte jegt zu meinem Beſten! — Du ſchu 


wen 10D mm 

chelteſt mir font mit deiner Ergebenheit; wollteft ein 
Fürſtenthum mir erwerben; onur eine Nacht an Bian⸗ 
ca's Buſen it mehr als ganz Toscana werth! Und 
ide Beſitz! — Sieh, und ginge der Weg zu ihm 
über Waters: Örab und Bruders: Kopf hin; donnerte 
hinter mir der Bannſtrahl des Papſtes; braufte zu 
meiner Seite der Aufruhr eines wüthenden Pöbels; 
riefe in meinem Herzen die ſtrafende Stimme des Ges 
wiſſens; ich wollte laͤchelnd alle diefe Schreyer und 
diefe Donner Überhören. Nur Hilf mie zu dieſem 
Befige ! 

Monde. (für fd.) Ehe ein Mühlftein an meis 
ren Hals, und fors mit mir in das tiefite Meer! 
(Laut.) Wahrlich, Eure Eminen; ; je mehr id ter Sa⸗ 
che nachdenke, je unmöglicher finde ich fie. — 

Card. O nein, nein, Mondragone! Ich hielt 
ed fonjt oft für Ungereimtheit, wenn ic hörte: dem 
Menfhenfey nichts unmöglich! Jetzt möchte 
ich gern, meines Nutzens halber, heiliger daran glaus 
ben, als an alle Lehren der Kirche. — Noch ein Mahl, , 
Moendragone, du Eennit die Welt, und id müßte mid 
ſehr täufhen, wenn du nicht aud die Weiber kenn⸗ 
teſt. Gie find Feſtungen, bezwingbar auf mehr als 
einer Seite, durch mehr ald eine Gattung von Wafs 
fen; bald durd Üverrafhung und Kühnheit, bald durch 
Schmeicheley und Geſchenke. O ſprich, ſprich, mein, 
Freund; mein Liebling, mein Vater! Auf welche Art 
foll ih ed angreifen, um diefe unbezwinglic ſcheinen⸗ 
de Tugend ;u beitärmen, zu erſteigen? — Sey du 
mein Ahitophel, und ich will folgfamer für deinen 
Rath als Abſolom feyn. 

52 


IRA 116 00 


Mondr. Allerdings gibt e3 der Manntafe 
feit genug im Angriffe, und doch fürdte ich, d 
jedes der fonk befannten Mittel bier vergebens | 
Bianca's Sprödigkeit iſt ernfllider, als gewöhr 
Weiber-Ziererey. — (Mit ten Achſein zusend.) re 
wenn es nicht fhon fo zuhtbar wire — — 

Card. cbetreten.) Ruchtbar? Wied Ma 
wuchtbar ? | 

Mondr. (ganz aeloffen.) Nun, was fonit, 
worüber fo eben Eure Eminenz geklagt haben — © 
Liebe, und Bianca's Strenge. 

Card. (immer erſtannter.) Die ruchtbar? Und 
wen? | 

Mondr. Für wen! Für ganz Florenz fü 
und alſo zweifelsfrey auch bald für ganz Italier 

Card. Menfh, Das Tügit du! Du felbft biſt 
Erfte und Einzige, der es aus meinem Munde erfä 

"Mondr. Aus Euer Eminenz; Munde — o 
zweifelt daran! Aber mein Fuͤrſt glaubt doch mi 
daß Dasjenige, was er hier mir entdeckt hat, meir 
Ohre fo ganz etwas Neues gewefen fen ? Wahrlich, 
Sonne war nch fern vom Mittage, und ich wu 
bereitö auch den Eeinften Umjtand von dem Entfd 
der Großherzoginn. Sa, fo eben komme ih aus eir 
öffentlihen Haufe, dem gewöhnliden Ort für me 
Lauſchereyen, wo Bianca’s Tugend dus Lob auf A 
Zungen, Euer Eminenz; Begierde und miplunge 
Anſchlag der Gegenftand aller Wiplinge war; wo 
Burſchen gab, die fogar Abfhrifren von jener Gef 
predigt geſehen paben wollten, welde die tugendhe 
Fürſtinn Ihren ſchriftlich zugeſandt hätte, 


LX 117 ONE 


Card. (fi Vor den Kopf fhlagend.) Ha, bey Meir 
nem Qeben, du bit Fein Menfh; du bift Satans 
Sprachrohr nur! (Er figt ſprachlos mit unterſtütztem, ver⸗ 
decktem Haupt eine geraume Zlit, und ſpringt dann pfößlich mie 
fürchtertihem Grimm empor.) Mein, nein! Es Eann nicht 
feyn! Schandliher Lügner, mit diefen Händen er» 
droffele ich dich, wenn ich deine Falſchheit entdede;. und 
Das werde ich! gewiß, Das werdeih! — — 

Monde (ganz getaffen.) So fey ein Pfahl mein 
Paradebett, und der Baur der Naben mein Grab» 
mahl! 

Card. Ich das Maͤhrchen der Stadt? Ich von 
Bianca ſelbſt dazu gemacht? — Nimmermehr! Sie 
ſchwur mir fo theuer in ihrem Briefe, daß den meis 
nigen keines Menfhen Auge gefeben habe, den ihrigen 
nur ich feben felle. — Sie Fann graufam ſeyn, Ealt, 
liſtig, unempfindlid ; aber fie ift fiher weder Betrüs 
gerinn, noch bofihaft. 

dondr. Und wer fagt Das von ihr? Aber fie 
iſt doch Fürſtinn und Weib; als Jene muß fie irgend» 
eine Vertraute baden; ald Dieſe Eann fie eher alles 
Andere, nur nicht ſchweigen; fchweigen von einer 
Liebederflarung, und von dem großen Ovfer, 
fie verſchmäht zu haben! — Ein einziges Wort zu 
einer ihrer Dienerinnen, eine einzige Miene gegen 
Denjenigen , dem fie Überbringung des Briefes 
anbefahl, gab vieleiht Grund genug zum Vers 
dacht: und die Ausforſchung folgte dieſem 
Verdachte nur alu glücklich nad. Durchſtechen 
läßt ein Damm fich leicht; aber nachmahls feine Er« 
gießung Sindern, it ein Werk der Unmöglichkeit, 

Card. (mit dem Kopf fihiitteind.) Nimmermehr! 
Nüunmermehr! Franz fellte meine. Abſicht Eennen, nud 


° 


ich lebte noch ? ich raftete bier fiher in feiner Nefl 
in feinem Schloſſe! “ 

Monde. Wien Eure Eminenz gewiß, wie 
ge diefe Sicherheit noch dauern dürfte? Ober ift 
ausgemacht, daß auch der Zürft fhon wiflen n 
was mandem feiner Unterthanen längſt Eein Gef 
nig mehr iſt? Wie? wenn nun eben burd die d 
vierte — oder hundertſte Hand vielleicht, Bidhe 
ihn bringen wollte, was fie aus Beſcheidenheit 
verfhwieg? Wenn, ihrem Plane nah, Graufopf 
pello vielleicht, oder Modejini, oder forft ein 
fhenträger von ehrwürdiger Larve, dem Herrn 
mahl zuflüitern follte, was allzu parteyiſch in -der 
mahlınn Munde Flänge ? — Lange glimmt oft die $ 
des Minierers, ehe fie die Pulverfammer erreicht, | 
fliegt und den Boden über fih ummühlt. Lange 
Doch wozu diefe Einwürfe und Widerlegungen 9 
fagt Zürır Serdinand feinen Glauben meinen Worı 
fo Eomme er, fo höre er felbft, was ich hörte; I 
fonderbar müßte es zugeben, wenn das Geſpraͤch da 
fid ındeifen ſchon gan; erſchöpft hatte. 

Card, (eiwas verlegen.) MitEommen ? Ich? Sei 
Jetzt fogleich ? — (nad einer feinen Paufe, entſchloſſen.) D 
ja, Daß will id) ; wıll mich unkenntlich machen, noch m 
als Ihr ſelbſt; will mit eigenen Ohren _ Mond 
gone, wenn ich es fo antreffe! — Schon beym’d 
danken glüht mein Herz wie Metall im Zenerofi 
was werde ih erfi dann empfinden, wenn ich wi 
lich — Ha, ſchändlich, treulos! Aber ih.will m 
überjeugen davon! Bleib du hier einitweilen, bie ı 
was bald gefhehen ſeyn fell, mid) umgekleidet ha 
(6.) 


... 129 a 


(Öffentliches Kaffehhaus) 


Menge von Epiel: und Zrinktifhen, unter den Gi» 
ſten mitten inne, aber verkleidet, der Cardinal 
und Mondragone. 


Card. (baidiaut zu Mondragone.) Db ed nicht iſt, 
wie ih date! Schon an drey Tiſchen herum, und 
noch kein Wort gehört, das dahin zielte! — bitter.) 
Wahrlich, Eure herrliche Nachricht, meifer Mentor, 
verdient meinen wärmften Dank. Sch errathe ihre Abs 
ſicht vollkommen, und werde fie zu fhägen wlſſen. 

Mondr. (mir äußerfer Kätte) Kaum! Denn ich 
ſehe freylich, daß Eure Eminen, für meine Erfin 
dung balten, was lautere Wahrbert ift. Auch 
mich wundert das Stillfhweigen, das über diefen 
Punct jest herrſcht; aber fo ganz unerklärlich ift es 
mir noch nit: man fpricht fi ja wohl aus, 

Card. (immer Mugiger.) Man fpricht fih aus? 
Wie meint Ihr Dast Haltet Shr mich für einen Ges 
genftand, den man nicht einmahl lan.ger Rede wür⸗ 
Dig achtet? für einen Elenden, deflen Tugenden und 
Fehler man mir wenigen Worten hinwirft,, und dann 
feines ganzen Daſeyns vergißt? — Vortrefflih! vors 
trefflich! Sich ausfprehen? Sich fo etwas leicht 
erklären? Montrogone, ich rathe euch, reizt meis 
nen Zorn nicht! - 

Mondr. Wenigitens fühle ih, daß er wahrlich 
leicht genug gereizt werden Eann.. Eure Eminen; fins 
den in meinen Worten einen Sinn, ber tiefer verfteckt 
liegen muß, als ein Senkbley reicht; fo tief, daß ich 
ihn ſelbſt nie fpüre. — Auch find wir noch lange nicht 


O 


wen 121930 wos 


ganz herum; haben noch — (plögiih tutzend und nad 
einen Seite bin, , alt vernähme er etwas, horchend.) Z 
Irrte ih mich — Euer Eninen; Nahmen? Der Vi 
ne Bianca? — Erlauben Sie mir nur einen Aug 
blick — nur ein Eleineres Naͤhergehen; ich bin gi 
wieder bey ihnen. — An einen entferntern Tiſch geher 

Card. (für ſich) Gehe, und komme meinetl 
ben nie wieder zurück! Wahrfich, fhon fange id an, I 
Chamäleon zu halfen, das anders ausfieht, wenn 
Kind aus Züden, und anders, wenn er aus Mor 
blaͤßt. — D Bianca, Bianca, daß du hören, dai 
fühlen wollteſt, wie gern — — 

Mondr. Gurückkebrend und haflig.) Mit mie bi 
bin, Eure Eminenz, mir mir! Werde id num I 
ger noch als ein Luügner geſcholten, fo fpanne n 
morgen fruh vier vaiche Role an meine Füße und ‘ 
me, und made auf meine Gefahr nad) jeder Himme 
gegend damit einen Luſtritt! 

Card, berüre) Wie? es wäre wirklich — — 

Mondr. Mit mir, Eure Eminenz! Ihr ei 
nes Ohr ſey Zeuge, daß man allerdings noch nicht 
ausgeſprochen babe. (Er fuhrt ihn an das äuße 
Ende des Saals, we an einem Tiſche Mofelto ned wi 
bis fünf andern Gäſten, alle vom Mittelſtande, fig 
Mehbrere Stühle ſtehen ledig am Siſch; Mondragone und 
Cardinal nebmen Piatz daran.) 

ErſterFlorentiner. Alſo eine förmliche £ 
beserklörung an die Großberzoginn, meint Ihr? 

Moſ. Eine foörmliche! 

ErſterFlor. Und von ihr abſchläͤgige Antwor 

Mei. Abſchlaͤgig! und Das noch förmlicher! 


os 121 ....s 


Zweyter Flor. Aber bedenkt Ihr auch, Freund, 
was Ahr da fagt? Sollt' es wehl möglich feyn, daß der 
Cardinal ſich fo weit verginge? — 

Moſ. Möglich? — Ha! Ha! Ha! Und warum 
Das nicht Gibt es wohl ſtärkere Begierden, als dieje⸗ 
nigen, welche unter den Purpurhüten niſten? — Oder 
iſt, um einen Mann zu reizen, unſere Fürſtinn nicht 
ſchön genug? 

Dritter Flor. Sie würde unſere Fürſtinn 
nicht ſeyn, wenn ſie es minder wäre! 

Erſter Flor. Auch ſieht man es dieſem Ferdi— 
nand allerdings gleich an den Augen an, daß er fein Hei⸗ 
liger feyn mag. 

Mof. Ja wohl thut mar Das! Glaubt mir, die 
aanze Ausſöhnung war ein Spiegelgefeht, und aller 
Vertrag dabey fo glaubwürdig, wie der Schwur eines 
Meibes, die in erften Kindesnoͤthen betbeuert, nie wies 
der bey einem Mann zu ſchlafen. — Ferdinand war 
nie Franzens Freund, und wird nie es werben. Frey⸗ 
ih follte man denken, daß er nocdy Tieber nad) feinem 
Fürſtenthume, ald nad feiner Gemahlinn Be 
lieben trüge; aber fo geht es! Mir dem Kleinern fangt 
man an, und zum Größern ſchreitet man dann forr. 

(Lauted Gelächter, der Cardinal beißt fih in die Lippe, Mon⸗ 
dragone bleibe Falt.) | 

Mondr. Nur dag man oft über biefem Kleinern 
das Größere felbft verliert. 

Vierter Flor. Mohl erinnert! Wenn dem Gars 
dinal wirklich fo etwas gelüften follte, fo wäre es das 
Gelüſt eined Eleinen Knaben, der nach Allem, was er 
fiedt , fogleich feine Hand ausſtreckt, aber auch oft dar 


sea ' 222 wem 


für, verdienter Maßen, einen derben Schlag auf b 
Hand erhalt. 

Edrd. Ceiſe zum Mondragone.) Werräther! 2 
du hilfſt? 

Mondr Verftelung, mein Zürft! Verftell 
bier! 
Zweyter Flor. Seht! Und eben deßh 
glaube ich auch die ganze Geſchichte noch nicht. So 
denn ein Cardinal Ferdinand ſo ganz und gar nicht 
ſtehen, mas zu ſeinem Nutzen dient? — Sollte er ei 
einzigen frohen, und noch dazu ſo ungewiſſen Aug 
blicks halber, Alles zu verlieren wagen! Ale die w 
läufigen Entwürfe preisgeben, die er muthmaßlid; 
Perto führen. mag? — Maährchen! Mährden! 1 
nichts mehr! — Woher habt Ihr biefe Nadric 
Freund, wenn wir fie Euch glauben folen? 

Mof. Hat Ha! Ha! Hattet nur ein Stündd 
eber da feyn follen, und Ihr würdet wenigftend an ze 
Zifhen davon haben fprechen hören. (Mondragone 1 
farir und mit bedeutender Miene an den Arm des Gardinatd.) A 
freylih beiten gewiß alle Übrigen ihre Nachricht mi 
aus fo fiherer Quelle ale ich. 

Mondr. Um Verzeihung,, und bie ift? 

M of. (bämiſch lächeind.) Müßt mich doch ftir eir 
braven Dummkopf, wohl gar für einen plumpen De 
fhen halten, weil Ihr ſo geradewegs mid auszufrag 
gedenkt ? Und doch, was wage ich auch viel dabey! — H 
Ihr nie gehört, daß ein ehrliher Kerl fein Maͤdqh 
babe! 

Alle (lächend.) D ja! o ja! 

Mof. Und wenn nun die Mädchen eine v 
Bianca’d Kammerdienerinnen wäre? 


vo. 125 we... 


Einige. Denten läßt fih Das allerdings. 

M of. Und wenn nun die Großfürftinn dreyen ih⸗ 
rer- vertrauteften Dienerinnen das Schreiben, wodurd 
fie dem Gardinal feine Abfertigung ertheilte, vorgele« 
fen; wenn fie eö dur eine von ihnen, bie ih in 
Pagentracht verſtecken müffen, fortgefchickt hätte !Wenn 
eben diefer weitlihe Geſandte meine Beliebte gewefen 
wäre? Wenn fie mit eigenen Augen die Beſtürzung 
Sr. Eminenz angefhaut, und mir ein Bild, zum 
Zodtlahen drollig, davon entworfen hätte $ — (Der 
@ardinat will auffpringen ; befinnt ſich aber wieder! Mofelle blickt 
mit Noigem Lachein herum und fährt fort.) Nun, meine Ber» 
ren? Gelt, ich bin ein Mann, deſſen Canale nicht zu 
verachten find ? Sene Schurken dort hatten fiber nur. 
aus zebnter, zwölfter Hand, mas ih aus der erfien 
babe. 

Zwepter Flor. Zhr habt Recht. Wenn Ihr an« 
ders richtig eure Quellen angebt, fo ift deren Glaub— 
würdigkeit keinesweges zu verachten. 

Card. (leiſe zu Mondragone. ) Ich beſchwöre Euch, 
kommt mit; oder länger dulde ich's nicht mehr! 

Mondr. Noch nicht, mein Fürſt! Es fiele zu 
ſehr auf! Verſtellung und Kälte! — (Laut zum Nofello.) 
Und follte, mas Ihr wißt, nicht auch der Großherzog 
wifen ? \ 

M of. (die Mater zuckend.) Wohl möglich. 

Mondr. Und ed dulden! 

M of. (ſpottend.) Warum Das nicht — Ung lück⸗ 
liche Nebenbuhfer duldet man ja wohl! Es thut, füß 
fogar, wenn man fie leiden flieht. — Ich Habe felbit,, 
wie ih Euch fagte, ein Maͤdchen; es ſchielt noch mans 


use 124 0 
cher nach ihr; aber nicht alle Mitwerder machen bel 
mir graue Haare. 

Card. (feine ganzen Kräfte zum Zwang zuſammen 
mend.) Nicht alle, Das glaube ih gern; aber daß Bia 
einen folhen Mann , wie der Cardinal it, fo bel 
digend ausfhlagen Eonnte! 

Dritterälor. Das wundert Euh !Mich wül 
das Gegentheil befremden. Ein Großherzog Franz wi 
doch wohl ein ganzes Conclave von folden Carbini 
mit Überſchlag auf? — Auch hat wahrlich Bianca 
deßhalb nicht zur Fürſtinn und zur angebetheten 
bietherinn von uns Allen aufgefdhwungen, um die ( 
liebte eines Prieiters zu ſeyn. 

M of. Sprichſt bu doch vollig fo, guter Sreu 
wie fie felber gefprogen haben fol! — Alles, wor: 
ich noch neugierig bin, ift, wie diefer Abgelohnte Ei 
tighin fih betragen wird; 05 er feinen Korb verfhm 
zen wird, oder fih rächen? 

Card. (mit lauter Stimme) Sich raͤchen! da 
ſteh' ich. 

Mondr. mie den Buße ihn heimlich ſtoßend. Daf 
ſtehſt du, Bruder? Wie Eannft du Das? Mas fi 
dir ein“ 

Carb. (fi faſſend.) Nichts, als daß ih mih V 
nuten lang an frine Stelle fegte. 

Moſ. Und womis follte er fih rächen? Hier, ı 
Alles Bianca eben fo hoch als ihn gering achtet. 
Laßt ihn feine Stimme wie eine Heertrompete erbebe 
unferer Fürſtinn Eleinftes Liſpeln dringt ftärker dur 
MNeint ihr nice, meine Herren? 

le (außer dem Gardinet.) Sa mohl! ja wohl! 


rn 12) nem 

Einer (tintend.) E$ lebe Bianca! Es ſterbe, wer 
ihr übel will! 

Faſt Alle. Sie lebe und er ſterbe! 

Vierter Flor. Sie iſt ſchöner als die Schön⸗ 
heit, milder als die Milde ſelbſt; nun auch Zucht und 
Tugend ſich ſo unwiderſprechlich in ihrem Charakter be⸗ 
währen, nun gibt es ſicher keinen Florentiner, der für 
ihr Leben und ihre Wohlfahrt nicht Altes thäte. 

Erfter Flor. Zumahl gegen den Cardinal! — 
Er mag immer Prinz von Geburt und Cardinal 
durch Geld geworden feyn; unfer Herr wird er fo 
leicht nie werden. — Recht thut daher unfer Großher⸗ 
509, daß er fchweigt, felbft wenn er Alles weiß; denn- 
ein folder Feind ift nicht fürchterlich. 

Card. (aufficheud zu Mondragone.) Bleib „oder 
komm mit! Ich gehe. 

Mondr. Und ich folge. (Ab.) 


(Zimmer des Bardbinals.) 


Eardinal.Mondragone (treten herein), ein Page, 
(der vorleuchtet.) 


Card. (um Pagen.) Wir wollen allein feyn. 

Page. Sogleich, Eure Eminen;. 

Card. Aud das nächte Worzimmer halte man 
ledig, und verläugne mid) vor Jedermann! 

Page. Sehr wohl! — Willen Eure Eminen; 
bereits, daß Ihres Herrn Bruders Durchlaucht auf 
morgen zu einer Jagd Sie eingeladen haben ? 

Card. Doß er und feine Jagd — Schon gut! 
Entferne ih! — (Der Page abs der Cardinal wirft Ad 


wovon ı26 were 


auf ein Sofa ; ſchweigend ſteht vor ihm Mondragone ; eine Paufe 
von einigen Minuten ungefäbe.) Iſt ed möglih, daß ich 
noch lebe? Möglih, daß ih nicht das Bewußtſeyn 
zugleich, hit der Kraft mich zu veritellen, verlor! 

Mondr. Dem Himmel Dank, daß doc, endlich 
der Unwille Eurer Eminenz in Worte übergeht! Faſt 
beforgte ich einen Unfall, größer, als bloßer Schmerz 
zu feyn pflegt, aus diefem flummen Gang über bie 
Straße; aus diefem hufligen Schritt dieſen feurigen 
Augen — 

Card. (einfatiend.) O daß fie wirktiches Feuer 
wären! daß fie vertilgen könnten jene Brut von Baſi⸗ 
lisken; und am erften, am langfamften, die Schänd⸗ 
iiche, die meine Liebe nihe nur verwerfen, ſondern 
auch verſpotten konnte; die einem ſolchen Befin- 
del meinen Nahmen, einer fo unverdienten Ber: 
achtung meine Zärtlichkeit preis gab! — Aber 
ih ſchwöre ihr Rache ohne Maß und Ziel! So lange 
noch ein Funken Leben in diefem Herzen, ein Gedanke 
nur in diefem Kopfe webt, will ih mit Wucher ihr 
vergelten — oder fterben. — Unausſprechlich war Die 
Größe meiner ebemahligen Liebe für jeden 
menfhliden Mund; die Größemeines jeßti- 
genHaſſes würde felbft der höhern Genien feiner 
auszuſprechen vermögen. 

Mondr So höre id denn doch endlich wieder 
des großen Cosmus großen Sohn, und nicht mehr 
des ſchwachen Franzens ſchwachen Bruder ſprechen! 
Wahrlich, wenn Bianca — 

Card. Nennt mir einen Nahmen nicht mebr, der 
wie Fieberſchauer mi durddringe! Sparet jedes uns 
nüse Wort, felbit jeden andern Gedanken, um nur 


vorn 127 j —R 
der Kraͤfte deſto mehrere zur Ergrübelung meiner Ra⸗ 
de zu ſammeln; um ihr, dieſer Heuchlerinn, dieſer 
giftigſten aller bunten Nattern, ganz zu vergelten, wie 
es ſich ziemt! 

Monde. Und was braucht es denn der Gedan—⸗ 
fen und der Grübeleyen viel? (mit Dem nagdrüdlichſten 
Tone.) Wenn ich anders mit einen Kürften, werth 
feines Fürſtenſtammes — wenn ich felbit nur mit eis: 
nem Manne, empfindlid bey der bitteriten Kraͤnkung 
für unfer männfiches Geſchlecht, fprede „ fo muß 
Bianca fterben. ı . 

Card. Sterben muß fie! Und o daß fie Das nur 
ein Mahl kann! — Mondragone, dus fprihft nicht nur 
mit einem Mann und einem Furſten; du yprift 
auch mit "einem Medizäer, dem Ehre und he 
lieber als das Leben felbft find. — (Mit grimmigem Hohn⸗ 
tagen.) Ha, daß ich wüßte einen Wunderntann zw fins 
den, der aufs Todten erweden ſich veritande; 
vom Ende der Welt ber verfchrieb’ ich ihn mir, um 
taufend Mahl meine theure Schwägerinn in’6 Leben zus 
rück zu rufen, um taufend und ein Mahl fie zu tödten. 
— Sieh, die größere Hälfte meiner Jahre gab’ ich 
mit Freuden hin, Eönnte iy in Diefem Augenblide 
den Dolch auf Bianca züden; und doch — doch wolls 
te ich wieder bis in's Alter meine Rache verſchieben, 
wüßte ih nur dann fie roh wirffamer als heute 
zu machen. 

Mondr. Weg mit Aufſchub! Das geſchieht 
nimmer vielleicht, was nicht bald geſchehen kann. 
Sit es nicht ſonnenklar, daß morgen Abends ſchon je⸗— 
des Kind in ganz Florenz mit jener unglücklichen, (mit 
geſchieiftem Zone) von mir fo weiſe befämpften Liebe 


wo. 128 vor 


bekannt feyn wird ? Sit es nit fonnenkiar, daß 
Großherzog — gefegt, er wußte auch jetzt noch mi 
davon — doch bald es wiſſen wird und willen ma 
St es nicht wahrſcheinlich, daß aud dann, went 
ein Weilchen ſich veritellen ſollte, wenigftens nicht | 
ge mis diejer Verſtellung anhalten wırd? Muß De 
nicht peinficher für Eure Eminenz das Hierbleibe 
nicht gefährliher da Hınweggehben, n 
unausführdarer jeder Plan der Rache werden f 
Sept , weil der Haufe noch zweifelt und ſchwan 
jegt, weil Franz noch nicht Partey ergriffen, Bia 
durch ihre Schwaphaftigfeit, die überlegt ger 
feyn mag, unfern Yincerzang nur no vorberein 
bar; jest müffen wir aufs ſchleunigſte ihr zuvor Ee 
men! Ihr zuvorfommen, — oder Verbannung ift ( 
ver Durchlaucht Loos; Schmach und Spott felbft übe 
Grab hin noch Ihres Nahmens Erbtheil. 

Card. Jetzt! Jetzt! — Aber wie kann ih F 
ſogleich? Was ſoll ich jetzt thun? 

Mondr. Mich bevollmachtigen; und dann m 
ganz allein dafür ſorgen laſſen. 

Card. (erſtaunt.) Nichts mehr a Tas? — O u 
Herzen gern! Und wenn Woite nicht genügen, dar 
mein theuerfter Freund hm um den Hals ralcı.a) hu’ 
diefer Ruß, Diele Umarmung. — Aber was willit d 
was Eannit du thun? 

Mondr. Altes! denn fhon hab’ ih dus Mei 
vorbereitet. — Es bedarf noch zehn tauſend Zedın: 
und Franz und Bianca kehren von der morgenden Jac 
die ih ſchen laugſt wußte, bevor noch der Page fie a 
Fündigte, gewiß air lebendig zuruck. 

Card. Gnmer erftaunser.) Nicht lebendig t Morg 

ſchon 


wer, 3 ög russ 


don? — Was für Rotten haſt du denn in Beſchlag 
genommen? Was für Völker heimlich geworben? 
Mondr. dächeind.) Keine! Braucht ed der Rot⸗ 
ten und der geworbenen Mannſchaften gegen das Le⸗ 
ben von zwey Menſchen? Der einzige Mundkoſch 
Bianca's erfegt Dieß alles. Er iſt gewonnen, fobald er 
zehn taufend Zedinen empfangt ; und Bianca findet 
eben da, wo fie mit eigenen Händen fi ein Labfal zus 
bereitet zu haben glaubte, tödtende Schmerzen und 
alle Qual einer fruchtloſen Verzweiflung. | 
Card. (uugewig.) Gift alſo! Gift! — (Ein Pant 
Augenblicke in ſtummem Nachdenken.) Gift! — (mil geäns 
dertem, gleichſam wankenden Tone.) Mondragone, vergib 
meiner Schwäche! Vielleicht lachſt du, wenn id dir 
geſtehe — Doc durch jedes aufrichtige Geſtändniß wird 
ja mein Zutrauen gegen dich nur immer flärber bes 
zeichnet. 
Mondr. Nun, Eure Eminenz, dieſer Eingang ? 
Card. Merdings liege im Worte, tödten, 
der Sußigkeit viel für meine Race; aber im Worte, 
Gift, in dem Gedanken von Beftehung eines 
Mundkochs? — Es war die Art von Waffen, 
wodurch Papft Alexander und fein Sohn Läfar Bors 
gia flegten; aber es find nicht diejenigen, die einem 
Medizaer ziemen. — Unfer Geſchlecht zieht die edle 
Wuth des Löwen der niedrigen Hinterlift ei- 
ner Schlange vor. 
Mondr. (tänermd). Daß es doch mit gewiſſen 
Redensarten wie mit gewiffen Gefäßen gebt: fie ts 
nen defto fhöner, je leerer fie find! — Wenn feis 
nen Feind zu tödıen der Rache wohl vergonnt iſt, — 
und welcher Mann von Geift zweifelt daran? — me 
Meißners Bianca Car. 2. Tht. J 


——XX 130 wo 


iſt dann bie ie laͤcherliche Vorfhrift, die dad Gemwe 
zu diefer Rache beftimmte, oder wohl gar eine Na 
ordnung bey diefen Gewehren einführte! — Und 
mahl gegen ein Weib! Iſt es edler auf ein fol 
Geſchöpf den Dold zu züden, als einen Gift 
her ihr hinzureichen ? 

Card. Du wirft bod nicht jeden Unterfd 
zwiſchen Rache und Rache läugnen ? 

Mondr. O nein, denn dann fpräche ich Unfi 
— Wäre es in Shrer Gewalt, durch einen Herofd 
tem Feinde Krieg anzukündigen, ein mächtiges H 
zu fammeln, und ihm obzuſiegen; dann wäre frey 
eine folhe offene Feldſchlacht rühmlicher, 
ein Sieg durch Hintertift. Dod da einmahl d 
Hinterlift und unumgänglich geworden, fo gilt in 
auch völig ein Werkzeug den übrigen gleich. 9 
Grade der Nugbarkeit, Grade der Sicherhe 
find es, die dem Medizäer fo theuer ald dem Geri 
fien im Volk bey feinen Anfchlägen feyn nüffen. 

Card. Ih babe feine MWiderlegung mit W 
ten, aber wohl ein Gefühl, bas widerftrebt. 

Mondr. Nur Schade, daß eben diefed Gef 
Eure Emineng oft ſchon irre führte! (etwas faster 
Oder wären Sie vielleicht noch der nähmlichen M 
nung, der Sie ehemahls waren? Noch voll der fü 
Hoffnung, daß unfer Anhang dem Andange dei bu 
Yauchtigiten Paares gleich komme? Haben Ihre eig 
Sinne noch nicht ſich überzeugt, daß nichts flärker 
Pöbel an fih feßle, ald ein ſchwachköpfiger Zürft, ı 
“ mählt mit einer heuchleriſchen Sraut— Wohlen, r 
Eure Eminenz gut däucht, das gefhehe! Ihr € 
ſchluß werfe aud über mich das Loos! — Gewi 


HR DAL ev 


bin ih von dem Dafeyn des heutigen Tages nicht - 
überzeugt, als daß beylängeem Zaudern der Untergang 
uns Allen bevoriteht; doch ihn feften Fußes abzumars 
ten ift meine Treue erböthig. — Wahrfcheinlicyer ıfk 
mein näditer Pulsfchlag nicht, als daß Franzens und 
Bianca’d Tod auf das Haupt Eurer Eminen; bie groß⸗ 
berzogfihe Krone im nähmlichen Augenblick befeſtigt. 
Doch Bianca lebe, weil ed Ahnen fhimpflich dünkt fie 
zu tödten! Sie lebe, und treue rubig Abſchriften ıhres 
Briefes von einem (Ende Europa’s bis zum andern! 
freue fi ruhig ihres grofiberzoglihen Gemabls, 
den fie erworben, und ſeines durchlauchtigen 
Bruders, den ſie — abgewieſen bar! Seibſt, 
daß auf die Nachwelt noch das Andenken dieſes Vor⸗ 
falls Eomme, dafür werden wohl die Novelliſten und 
Balladenfänger zu forgen wiffen. 

Card. (parig.) Ha, bey Himmel und Höfe! 
Wenigſtens fol Bianca nie eine folde Novelle leſen, 
nie einer ſolchen "Ballade zuhören können! — Mions 
dragone, ich ergebe mich deinen Gründen. Sie raubte 
mir Erbfolge, Hoheit, Ruhe der Seele, Hoffnung und 
Ehre; das Einzige, was ich ihr wieder rauben kann, 
ift das Leben; und mıt Recht nennft du es Thorbeit, 
wenn ich erſt lange noch nachgrübeln wollte, wie Dieß 
am ehrbarſten geſchehen könne. — Sie ſterbe! 
Sterbe morgen noch! Und Franz leiſte ihr im Tode 
Geſellſchaft. Sein Leiden verdopple ihre Folter, mein 
Hohn ihre Todesangſt! — Wenn ihr brechendes Auge 
— — Mondragone, Mondragone, ſollte auch tie 
Frende der Rache nicht aus der Hölle ſelber ſtam— 
men; nahe verwandt iſt ſie ihr wenigſtens; Das fühle 
ih; Das fagte mir — — — doch weg damit! (mr de⸗ 

99 


wos 1393 nen E 


wechfeltem Tone,) Zehntaufend Zechinen waren ed, 
der verrätherifhe Mundkoch verlangte? 

Mondr Mur zehntaufend Zechinen. 

Card. Nimm dieſes Taſchenbuch! Duwirft I 
ſel von dreyfach größerm Werth darin finden. Sieh 
Überfhuß davon ald mein erited Geſchenk an; die 
fern folgen! — folgen vielleiht, ehe die morge 
Sonne uoch untergebt. 

Mondr. Wenigfiend fol ed nicht an mei 
Eifer fie zu verdienen mangeln! Alles, was ih 
Eurer Eminenz zu empfehlen babe, ift: hüthen Sie 
vor den Genuß einer Torte, die Bianca ſelbſt, 
ein Kunſtwerk von ihrer Hand, Ihnen darbiethen w 

Card, Wie? ſollte fie alfo doch vieleicht — 

Mondr. (Gächeind, O nein! in Meeiſterſtüe 
diefer Art ift fie unſchuldig: obſchon eben dieſe Unſch 
ihr hoch zu fiehen fommen, und fogar den Berda 
diefer That von und abwälzen fol. — Die Thör 
glaubt fih ausſchlußweiſe im Beſitz, ein gewiſſes 
bäcke verfertigen zu Eönnen, das fie, feiner außer 
dentlihen Kühlung wegen, eben dann, wenn Sr 
auf die Jagd geben will, am gewöhnliditen bereii 
— (mit bitter fyottendem Zone.) Auch fur morgen bat 
gütige Hausmutter ſchon geforgt ! Aber ich kenne eir 
Mann, der meifterlicd) das gleiche Backwerk verferrig: 
noch meiiterhafter es mit dem heftigiten Gift du 
würzen, und am meifterhafteften fein Kunitftüsk ihr 
Machwerk unterfhieben wird. Zu ihm eile ich je 
um diefe Summe ihm binzubringen. Lebt wohl, m 
Fürſt, denn meine heutigen Augenblide find nun ke 
bar! (will gehen.) 


IR 153 —XX 


Card. (der ihn laͤchelnd bey der Hand kaßt.) Do 
nicht fo Eoftbar, daß Ihr nicht meinen Dank noch erſt 
annehmen Eönntet? Wahrlih, wein man deſto mehr 
den Schauſpieldichter lobt, je einfacher und wirkungs⸗ 
reicher ſein Plan angelegt worden, ſo verdient auch 
jenes Trauerſpiel, das Ihr zubereitet, meinen Beyfall 
und meine Bewunderung im höditen Grade. — Nur 
Eines fürchte ih) dabey noch: dürfte nicht vielleicht ein 
Aufruhr des Pöbels, wenn dieſer doppelte Tod nun _ 
ruchtbar wird — — 

Mondr. (einkallend.) Keine Sorge hierüber, Eure 
Eminenz! Ich kenne diefes Wolf. Es bethet, wie Is⸗ 
rael, den Baal an, ſo lange er aufgerichtet ſteht; und 
opfert wieder ſofort auf den Altären feines ehemahli⸗ 
sen Gottes/ wenn ein muthiger Elias jenen Gößen 
niedergeworfen dat. (verbeugt fi und geht.) 

Card, (im nawrutend.) Wohlgeſprochen! Und 
doch wollte ih wahrhaftig Deifen Scharfiinn loben, 
wollte ibm felbft den Lohn unſers morgenden Vorha⸗ 
bens abtreten, der die Vergleichung von Signor Mons 
dragone mit Elias dem Thisbiten fortjufegen vers 
mochte. ’ 





Klüglich handelden die Söhne des Laſters, daß 
fie ſchon den nächſten Tag zur Ausführung ihrer 
Meuterlift anberaumten. Einen Morgen fpäter, und 
Mondragone fah fih ın feinem eigenen Garne ver- 
ſtrickt! Denn die Triebfeder, die er angewandt hatte, 
um bie Erbitterung bes Cardinals auf den böchften 
Grad zutreiben, griff — was ihm auch nicht unerwartet 


un 104 om 

kam — bald weiter um fig, als fie ihrer eigentlichen 
Beſtimmung nach follte. Das Gerücht von Ferdinands 
Liebe zu Bianca, und von ſeiner Abweiſung, ward 
noch an eben dem Abend das Geſpraͤch der zahle 
reihften Tifhgefellfbaften ; fam zu den Ohren von 
nebr als hundert Höflingen. Zwar adıteten die Meise 
iten davon dieſe Sage roh für ein müßiges Stadt⸗ 
mäbrchen; doch grühslten auch Wiele bereits ſolchem 
nad; glaubten den Schein einiger Gründlichkeit zw 
finden; und webten darnad ihre Iufrigen Pläne: Selbft 
Modefini hörte davon. 'Mie des Cardinals. Freund, 
durch andere KAundidafter fhon vor Mondragone ges 
warnt, und durch Briefe, Die felbft von Venedig aus 
der alte Capello an ihn geſchrieben hatte, zur Vorſicht 
ermahnt, war ev entfblofen, nur nod ein Paar Eleine 
Ertundigungen mehr einzuziehen, und dann am näche 
(ten Tage mir feinem Zürften ſelbſt zu fprechen. 

Das Einzige, woran ſich alle Übrigen itießen, war 
die Freundſchaft, mit weicher Franz feinen Bruder zu 
beyandein fortfubr, und die — dafur bürgte fein Char 
rakter! — unmöglich Beritelung feyn konnte. — Un⸗ 
glückliche Götter dieſer Erde! Ihr ſeht oft nicht, wißt 
oft nicht, ahndet nicht einmahl, was euer niedrigſter 
Stallknecht ſieht, weiß, oder adudet. 

Wenig Nächte ſeines Lebens hatte Franz ſo ſanft 
hingeſchlummert, als diejenige, die ſeinem fürchterlich⸗ 
ſen Tage voranging. Richtiger, vorherſehender war 

BPianca's Gefühl geweſen. 


8 3 35 —X 


Nächſter Morgen. 


(Bianca's Zimmer) 
60 
Bianca Kammerfrauen (die fi ſogleich entſernen⸗ 
da der Großherzog hereintritt.) 


Großh. Biſt du bereit, meine Theuerſte? 

Bianca. Schon ſeit einer Viertelſtunde, mein 
Gemahl. 

Großh. (lächeind.) Alſo wärft du auch wohl in 
der Thorheit des langen Anputzes eine Ausnabme 
von deinem Geſchlecht? — (fe liebreich umarımend.) Wahrs 
ih, Seele meines Lebens, der Tag fol noch kom⸗ 
men, wo ich nicht einen Vorzug mehr.an dir entdes 
de! O pie wohlfeil habe ich doch den größten aller meir 
ner Schäßr erkauft! — ESie ſtarr andlidend.) Aber wie? 
an deiner Augenwimper hängt ı eine Thräne? Worüher 
kann Bianca weinen? J 

Bianca (ſich su einem freundlichen Lächeln zwingend). 
Und Eönnte Dieß nicht eine Thräne der Freude, feyn ? 
— der Sreude, fih vom edelſten aler Füuͤrſten fo zärtlich 
geliebt zu fehen ? 

Großh. Emmer aufmertfamer werdend.) Nein, wahr⸗ 
fi nein, Das ift die wahre Urſache nit! — ieh, 
Bianca, da quille noch eine Thraͤne hervor! Bas iſt 
dir, theuerſte Gemahlinn? Rede! Vertraue mir deinen 
Kummer! 

Bianca. Könnte ich die Urfachen diefer Thränen 
erklären, dann wiirde ich dir ein Raͤthſel loͤſen, dag 
mir ſelbſt unerklärlich bleibe. — Franz, du lodteſt mich 
zwar eben; und zuweilen beſtrebe ih mich auch, dein 
Lob zu verdienen; aber doch bleibe ich. immer ei 


DIOR 136 m. 


Weib; bin oft hingegeben ſchwermüthigen Lauren, oft 
Heinen Beängftigungen, die da kommen, ich weiß 
nicht: woher? die'wieder verfliegen, : ih weiß nieht: 
wohin — Sey daher, theurer Gemahl, auch bey 
meinem heutigen Mißmuth unbeforgt! Er ift Bloß För- 
perlih und wird wahrfheinlich Auch heute noch durch 
Bewegung zerftreut werden, 

Großh. Ich würde dır gern glauben; denn nod 
nie fand ıch eine Unwahrheit in deinem Munde. Aber 
doc drängen fih in mir der Gründe zur Beſocgniß 
noch mehrere auf: die Unruhe deines Sclafes in der 
vorletztern Nacht — — 

Bianca (etwas betreten.) Haͤtte ih einige mere 
Een lajjen ? 

Großh. Sa wohl. Durd ven lauten ängſtlichen 
Ausruf einiger Worte, bie ich nicht verfland, ob jie 
gleich mich weckten. Schon wollte ich wieder einſchlum⸗ 
mern, da warfit du dich wieder auf die andere Seite; 
riefit zwey Mahl aus tiefiter Brut: Ferdinand, ers 
dinand! und bald darauf: ift denn gav feine Hülfe‘ 
— Ich wollte did wecken, aber du wardft von ſelbſt 
wieder ruhig. 

Bianca. Es muß ein Traum geweſen ſeyn; — 
fo nichtig, daß ich ſelbſt ſen Daſeyn vergeſſen 
habe. | 
Großh. (fie ſtarr anfehend.) Wirklich nur Traum? 
Aber aud Träume werden zumeilen von vorhergegans 
genen Gedanken erzeugt! — (Sie gärılih bey der Band 
faftend.) Bianca rede! Es ift dein Gemahl, der dich 
bittet; ein Öemahl, der es für ein Geſchenk aufneh⸗ 
men würde, wenn du nur irgend etwas von ihm er- 
bitten wolltefi. Sprih! Mißfällt dir Jemand? Ges 





m. 137 en 

forgit tu etwas? Nur ein Wort, und bisauf die Hälf: 
te meines Fürſtenthumsͤ ſteht Alles dir zu Geboth. — 
Du ſchweigſt? Soll ih rathen? Wäre vielleicht ‚der 
Cardinal dir zuwider? — — Er iſt mein Bruder; 
ic) freute mic) feiner Ausfühnung; aber — — 

Bianca (fi zwingend.) Eben weil er dein Bru⸗ 
der ift, Eann er unmöglich mir verhaßt feyn. Glaube 
mir, mein Gemahl! Ich ſelbſt räume dir zwar eine ges 
gewiffe Unruhe meiner Seele, eine gemwiffe Dumpf- 
beit meines Geiſtes willig ein; aber, nochmahls geſagt, 
die Urſache davon ift mir felbft fremd. Wären Abe 
nungen nicht Hirngefpinfte, fo beforgte ich ‚irgend wo : 
einen verſteckten Feind, einen nefährlichen Haſſer. 

Großih. Cäseınd.) Du einen Feind, einen Hafs 
fer ? — Weib mit ter Miene der Liebe felbft, wo naͤhmſt 
du Zeinde her? Meuchelmörder konnte man keck gegen 
dich Dingen; du würdeſt did) ihrer doch mit einem ein⸗ 
zigen Blick erwehren; und dem verhärteften Böſe— 
wicht entfünke der Dolch, wenn er ins Auge dir ſchau⸗ 
se. — Du bebarrit auf deinem Schweigen? O Bians 
ca! Ausflucht und Merftellung ift ein allzu feltnes Ges 
wand für dich, als paffend dir anzuliegen. Die ganze 
Jagd wartet jekt auf uns, ihretwillen gllein höre 
ich für das Mahl aufin dich zu dringen; aber wiffe, 
noch diefen Abend fange ih von Neuem an, und laſſe 
niche eher ab, bis du ganz dein Herz mir aufgefchlofr 
fen hatt. | 

Bianca (ach gärtlih an ihn (bmiegend.) Daß du 
in diefes Herz Blicken könntet! Sicher fändeft du in 
ihm Eeinen Gedanken, der von dir entdedt zu werden 
fi) fhämen dürfte; gefeßt daß du auch auf einige trä- 
fefi, die ih mir ſelbſt zu enthüflen ſcheue. 


U LU 


ro 158 OR 


Ah, daß diefer Abend, zu dem Franz ſich | 
bereitete, niemahls einbrach! daß Bianca der 

nung nicht traute, von der ihre ganze Seele en 
ſchwoll! — Jene prophetifhe Kraft unferd Geit 
nur von Denen bezweifelt, die yegen eigenes Ge 
zu ſtreiten ſich nicht erblöäden — wozu nüßt fie ı 
da wir fo felten Gebraud von ihr machen, und 

chen Eönnen ? — Zwanzig Wahl wollte Bianca, in 
fie an der Hand ihres Gemahls die Treppe des Sch 
fes herab ging, ihn aus einer Regung, ihr ſelbſt 
begreiffid, zurüdzufehren bitten. Eben diefes! 
benreiflihen halber zwang’fie jih, und ging im 
weiter herab. 

Des Fürften wartete unten bereits der ganze T 
der Jagd; es wartete feiner ber Cardinal, und wı 
dem Schwarm der Höflinge auch Mondrageone ; 
nun wieder bffentlich begnadigt und in feinen vori 
Rang eingefegt worden war. Auch er follte einer 
den heutigen Begleitern feinee Bebiether feyn. Uı 
den vier Kaͤmmerern, zur füritlihen Bedienung 
ſtimmt, hatte Mondragone drey mit fhmwerem Ga 
su feinen Geſellen erfauft; noch wußten fie felbit 
Bubenſtück nicht, das fie befrdern helfen follten; 
hatten bfoß dern Gardinal ihre Dienfte zugefagt,, ı 
erwarteten nun rubig , was man fordern wür 
Der Vierte, ein redliher Mann, war unerkauf 
geblieben; aber auch er wußte nichts vom Belange: 
nem Monarchen anzuzeigen; und wie hätte er ed a 
thun Eonnen , bewacht von allen Übrigen Augen! 

Die Jagd ging an; Bianca’d mitleidige Se 
hatte nie an tiefer Ergeglidkeit viel Vergnüg 
gefunden: heut empfand fie fogar Abſcheu dar 


— 130 were 

Jedes Bley, dad den flüchtigen Hickch zu Boden warf, 
ſchien fie feldft zu verwunden. &ie ſchlug es mehrmahls 
aus, jelbit auf eines diefer unglücklichen Thiere das 
Gewehr loszudrüden ; und oft flieg eine helle Thraͤne 
in ihr Auge. 

„Immer Eann ih mid — ſprach fie — des Ge⸗ 
dankens nicht erwehren, daß das Tödten ſelbſt der ges 
niefiaren Thiere höchſtens unferm Bedürfniß, nie 
unſerer Luſt freygeſtellt ſey; mie kann ich den Glau⸗ 
ben unterdrücken: daß es in der Reihe der Weſen, 4 
die Kette ih am Thron der Gotiheit ſchließt, noch 
tauſend beſeelte Erſchaffungen geben möge, 
die den Menſchen, ſelbſt den Fürſten, tiefer hinter 
ſich zurück laſſen, als der Fürſt den Hirſch. Wehe uns, 
wenn dieſe Stärkern dann die nähmlichen Örundfäße 
der Moral befolgten! Heft würde ihnm für eine Pars 
force Segd und bethlehemitiſcher Kinder 
mord fir eine Hetze gelten.” 

Offenherzig zu geſtehen, hatte Bianca diefe ganze 
Tirade fir) eriparen Eönnen; Worte diefer Art wurden 
in einer ſolchen Geſellſchaft (denn Franz war zu weit 
voran, als fie hören zu können) nur tauden Obren 
gepredige. Aber wenigfteng verſicherten die Kammer⸗ 
junfer, die zunaͤchſt der Fürſtinn ritten, daß Dieß mit 
wahrer himmliſchen Milde und Weisheit gefproden 
ſey; und fpornten in nächſter Minute nicht minder 
ihre Pferde, um ein armes Reh fällen zu helfen. . 

Die zur Jagd beſtimmten Stunden waren nn 
vorüber; die Roſſe matt, die Neiter nach Speiſe und 
Erbohlung begierig, das Schloß, wd der Großherzog 
fein Mittagsmahl zu bereiten befohlen hatte, in der 
Nähe; der ganze Zug wandte fi dorthin‘; Franz, 


OR 140 AI 


Bianca und Ferdinand ſetzten ſich zur Tafel. Mon 
gone war der Einzige, der mitzuſpeiſen gewürdigt w 
- auch Dieß wußte der Werräsher bereitd, und noch 
baglicher war ihm eine Gewohnheit Sranzens „ 
“ aufgejegtem Nagtiſch alle eigentlihen Bedien 
ein Paar Kammerer ausgenommen, berausgehen 
heiffen. 

Waͤhrend der Mahlzeit ſelbſt nahm Ferdinant 
ſammen, was nur an Heiterkeit und Laune zu le 
ihm möglich war. Mondragone, in Allem der geſch 
dige Höfling, unterſtützte ihn treulich; Franz ſelbſten 
hierdurch bald munter und ſcherzhaft; nur Bie 
ſchien abermahls ihr Genius in das Ohr zu flüſt 
daß Dieß ihres Lebens legte Mahlzeit fey. So 
fie fih zwang am Gefprähe Theil zu nehmen, 
ſichtbar blieb doch immer eben diefed Beilreben 
Dad Mißtrauen gegen ihre beyden Gaͤſte. — © 
trua man die Nachgerichte auf; bie Bedienten 
fernten ih, und Franz wandte fi läächelnd zu Biaı 

„Sit fhon da, was du mir geftern verſpracht 

Bianca (auf eine Torte geigend.) Hier mein G 
mahl! 

Großhb. Vortrefflich dem Anſehen nach, 
wahrſcheinlich auch nicht geringer an Güte. — ( 
Sardinat.) Bruder, unfere bisherigen Gerichte ſchie 
dir. zu ſchmecken; und Fein Wunder auch; denn ſt a 
Bewegung, einfehr guter Koch, hatte jie gewü 
Aber fieh bier ein Bericht von der Hand eines, w 
auch nicht beffern, doch gewiß noch ſchöne 
Kochs, von meiuc Bemahlinn feldft zuberei 
(Indem er die Schüſſel ihm darbiether.) Nimm hin ‘„ und 
es tir ſchmecken! ’ 


wen 141 wo 

Card. (fie abtehnend.) Ich danke. 

Groß h. (dalb vermunderungsvou.) Miet du ſchlaͤgft 
eine Speiſe von ſo ſonderbarer Art aus? 

Card. (abermadis fie zurückwehreud.) Allerdings fon« 
derbar genug! Aber ich effe kein Gebäcke. 

Großh. Polen! Ich ſah ja ſchon tauſend Mapı 
did teergleuben ejfen. 

Kar. cmmer fatt.) Raum! Und zum menigiten 
bin ich jetzt ſatt. 

Großh. Du kannſt es unmöglich ſo ſehr ſeyn, 
daß du — und wäre es auch nur der Neugier halber — 
meiner Gemahlinn abſchlagen koͤnnteſt ‚ einen Veweis 
von ihrer Kunft zu orten, 

Card. (mit zweydeutigem Tone.) Neugier war 
nie mein Fehler, und die Kunft meiner theueriten 
Frau Schweſter kenne ih fhon aus mancher. weit ſchwie⸗ 
rigern Probe, — Erlaude mir alfo immer dieß Mahl 
meinem Öefchmade und meiner Laune zu folgen‘ 

Großh. (Heieitige ) Bey alle Dem eine fonderbare 
Laune! Du glaubft doch nit, daß die Hand Bianca's 
dir etwas Gefahrvolle 6 zurichten könne? Sieh dann 
bier den Gegenbeweis und, erröthe ! (Er bricht ein Grüd 
ab, und ıft.) 

Card. Ich würde allerdings jet erröthen, wenn 
ein folder Gedanke mir jemahls hätte beyfallen Eönnen. 

Bianca (die ben Franzens letzter Rede erſt recht auf 
mertſam getwosden.) Entfeglih, wenn Eure Eminenz aud 
nur ein Schatten von dergleihen Argwohn beunruhi⸗ 
gen könnte! (mit bedeutendem Bud.) Mißtrauen zwiſchen 
und Beyden foll hoffentlich nie von die ſer Seite here 
Eommen. Auch ich folge meinem Gatten : (indem: fie abs 
ſchneidet mad ihr.) Belieben Eure Eminenz nun? . 


won 142 wen 

Card. Eben nun am wenigften. — Denn 
ade jegt wäre jeder Genuß ein Anſchein mehr, 
vorher irgend ein Verdacht obgemaltet hätte. 
Großh. immer noch Seleidigter) Verzeiht 
Bruder — ich bekenne — Ihr ſprecht mit einem 
ne, der mic, befremdet. (Mondragene winke in Bef 

Card. (anf) So muß ich wahrlih anders 
hen, 'als ich es fühle, anders als ich zufprechen $ 
lens war; aberdann brächte auch nur der Unwille, 
mein tbeurer Bruber eined folhen Argwohns 
ſchuldig achten Eann, mein Blut in Wallung. 
Glaubt mir, auf meine Ehre! Schon langft hate 
bey jeder Erhigung den Gebraud , vor allem X 
werk mich zu hüthen; warum folteih nun eben h 
meiner Eitte nicht folgen dürfen? Laßt von d 
Zorte nur etwas zum Nachtmahl übrig‘, und ihr 
ſehen, wie trefflich fie mir dann befagen wird ! 





Diefe legte Rede fhien Franzen zu befänftig 
der gefallige Mondragone wußte bald wieder Drop 
eınem neuen Geſpräche herbey zu ſchaffen. Eine Ei 
Diertelftunde verlief abermahls ; der Großherzog fd 
eben Luft zum Aufftehen zu bekommen, und Zerbin 
batte fhon verſchiedene ungewiſſe Slide auf Mont 
gone geworfen, als plögfid die Wirkung, nad n 
her diefe beyden Treuloſen fo fehnlich erlangten, 
zu außern begann. 

Denn Bianca, Die bereitd feit einigen Aug 
bliden ihr Haupt fhweigend auf ihre bohle Hand 
ftügı hatte, brady auf einmahl in eine Iınde Klage a 


⸗ m. 143 RM 


die bald in Tone des heftigften Schmerzens Überging. — 
„Ein glühendes Feuer, fprach fie, wüthe durch ihre 
Eingeweide.” — Die Erhigung ihres Antliges, der 
Angſtſchweiß auf ihrer Stirne bewiefen, dab fie nicht 
zu viel fage. Vol zaͤrtlicher Beſorgniß eilte der Groß⸗ 
berzog ihr zu, ſchloß lie in jeine Arme, forfchte ängft« 
lich nad den Umftänden und der mutmaßlichen Urs 
ſache diefes Befindens, ließ, durch drey Kämmerer uns 
terftüßt , fie auf einen Sofa des Nebenzimmers brins 
gen, und befahl dem vierten Kämmerer mehrere Bes 
dienten herbey zu rufen, auc einen Arzt hohlen zu 
laffen. Der Kämmerer ging; doch ein Blick des Cars 
dinald.befahl diefem Zreulofen das Gegentheil feines 
Auftrags. Der Miethling ahnte bereits, was hier 
vorgebe, oder noch vielleicht vorgehen werde, und 
war nichtswürdig genug, diefem Blick mehr als je- 
nem Gebothe zu gehorden. 

Franzens Angit, indem Bianca’d Schmerzen mit 
jedem Augenblid noch immer höher ſtiegen, war un⸗ 
befchreiblich. Weil der Kämmerer wieder zu kommen 
verzog, und Bein Diener erfhien, wollte er ſelbſt 
durch das ganze Schloß nad Bedienten und Helfern 
rufen; als blitzſhneil auch in feinem Innerften eine 
Hölle aufzulodern fhien; ald er mit dem Ausruf: 
Gott, das find Schmerzen des Todes! auf eben dem 
Sofa, wo Bianca ‚lay und litt, zu den Füßen dies 
fer feiner Gattinn fi Hinwarf, und feinen mit ihr 
befhuftigten Kämmerern zurief: daß doch einer von 
ihnen ſchnell der. Ärzte, fo viel er Eönnte, berbey 
fhaffen möchte. — Sept wollte wirklich jener einzige 
redliche Dann, deffen Unbeſtechbarkeit wir ſchon vors 


‘- 


wenn 190 - 

Weib; bin oft hingegeben ſchwermüthigen Launen, 
Heinen Beängftigangen, die da kommen, ich 
nicht: woher die wieder verfliegen,: ih weiß n 
wohin! — Sen daher, theurer Gemahl, auch 
meinem heutigen Mißmuth unbeforgt! Er iſt bloß 
perlih und wird wahrfcheinfich auch heute nody ü 
Bewegung zerftreut werden, 

Großh. Ich würde dır gern glaufen; denn 
nie fand ich eine Unmwahrbeit in deinem Munde. ! 
doch drängen fih in mir der Gründe sur Beſor 
noch mehrere auf: die Unruhe deines Schlafes im 
vorlegtern Nacht — — 

Bianca (etwas betreten.) Haͤtte ich einige ı 
Een laſſen? 

Großh. Ja wohl. Durd den lauten ängftli 
Ausruf einiger Worte, die ich‘ nicht verftand, of 
glei mic) wedten. Schon wollte id wieder einſchl 
mern, da warfıt du dich wieder auf die alidere &e 
riefit zwey Mahl aus tiefiter Bruft: Ferdinand, 
dinand! und.bald darauf: ift denn gar feine Hl 
— Ich wollte dich weden, aber du wardft von f 
wieder ruhig. 

Bianca. Es muß ein Traum gewefen feyn ; 
fo nigtig, daß ih felbjt fen Dafeyn verge 
babe. | 
Großh. (he ſtarr anfehend.) Wirklih nur Trau 
Aber auch Träume werden zumeilen von vorhergeg 
genen Gedanken erzeugt! — (Sie zärtlich bey der g 
faffend.) Bianca rede! Es ift dein Gemahl, ber | 
bittet; ein Gemapl, der es für ein Geſchenk aufn 
men würde, wenn du nur irgend etwas von ibm 
bitten wollteft. Sprich! Mißfällt dir Semandt 


voor 197 voson 
forgit du etwas? Nur ein Wort, und bisauf die Hälf: 
te meines Fürftentbumsd ſteht Alles dir zu Geboth. — 
Du ſchweigſt? Soll ih rathen? Wäre vielleicht ‚der 
Cardinal dir zuwider! — — Er iſt mein Bruder; 
ic) freute mich feiner Ausfohnung; aber — — 

Bianca (fig zwingend.) Eben weil er bein Bru⸗ 
der ift, Eann er unmöglich mir verhaßt feyn. Glaube 
mir, mein Gemahl! Ich ſelbſt raume dir zwar eine ges 
gewiffe Unruhe meiner Seele, eine gewiffe Dumpf: 
beit meines Geiſtes willig ein; aber, nochmahls gefagt, 
die Urſache davon ift mir felbft fremd. Wären Ab: 
nungen nidyt Hirngefpinfte, fo beforgte ich ‚irgend wo 
einen verfteckten Feind, einen nefährlihen Hafer. 

Groß h. (iadeind.) Du einen Feind, einen Hafr 
fer ? — Weib mit der Miene der Liebe felbft, wo naͤhmſt 
du Zeinde her? Meuchelmörder könnte man keck gegen 
dich dingen; du wirrdeft did) ihrer doch niit einen ein- 
zigen Blick erwehren; und dem verhärteften Böfe: 
wicht entfünke der Dolch, wenn er ins Auge Dir ſchau⸗ 
se. — Du beharrit auf deinem Schweigen? DO Bians 
ca! Ausfluht und Verſtellung it ein allzu feltnes Ge: 
wand für dich, als paffend dir anzuliegen. Die ganze 
Jagd wartet jekt auf uns, ihretwillen allein höre 
ich für das Mahl aufin Dich zu dringen; aber wiffe, 
noch diefen Abend fange ih von Neuem an, und laffe 
nicht eher ab, bid du ganz bein Herz mir aufgeſchloſ⸗ 
fen haſt. 

Bianca (ic zärtlich an ihn (bmiegend.) Daß du 
in diefes Herz blicken könntet! Sicher fändeft du in 
ihm Eeinen Gedanken, der von dir entdedt zu werden 
ſich fhämen dinfre; geſetzt daß du auch auf einige trä- 
feft, die ih mir felbft zu enthüflen ſcheue. 


[U | 


® 


ER 158 DER 


Ah, daß biefer Abend, zu dem Franz fid 
‚ bereitete, niemahld einbrah! daß Bianca ber 
rung nicht traute, von der ihre ganze Seele eı 
ſchwoll! — Jene prophetifhe Kraft unferd Gei 
nur von Denen bezweifelt, die gegen eigenes Ge 
zu flreicen fi nıdht erblöden — wozu nüßt fie 
da wir fo felten Gebrauch von ihr machen „und 
chen Eönnen ? — Zwanzig Mahl wollte Bianca , it 
fie an der Sand ihres Gemahls die Treppe des Se 
fes herab ging, ihn aus einer Regung,. ihr felbft 
begreiflich, zurüdzufeßren bitten. Eben dieſes 
begreiflihen halber zwang ’fie fih, und ging im 
weiter berab. 

Des Fürften wartete unten bereits der ganze 5 
der Jagd; ed wartete feiner ber Gardinal, und u 
dem Schwarm der Höflinge auch Mondragene ; 
nun wieder Öffentlih begnadigt und in feinen vor 
Rang eingefegt worden war. Auch er follte einer 
den heutigen Begleitern feiner Gebiether feyn. U 
den vier Kämmerern, zur füritlihen Bedienung 
ſtimmt, hatte Mondragone drey mit fhwerem ©: 
zu feinen Geſellen erfauft; noch wußten fie ſelbſt 
Bubenſtück nit, das fie befördern helfen follten; 
hatten bloß dem Gardinal ihre Dienfte zugefagt, 
erwarteten nun ruhig, was man fordern wi 
Der Vierte, ein redliher Mann, war unerkauf 
geblieben ; aber auch er wußte nichts vom Belange 
nem Monarchen anzuzeigen; und wie hätte er ed a 
thun können, bewacht von allen Übrigen Augen ! 

Die Zagd ging an; Bianca’d mitleidige Se 
hatte nie an Liefer Ergeglidkeit viel Wergnüg 
gefunden: heut empfand fie fogar Abſcheu dar 


— 150 ee 

Jedes Bley, dad den flüchtigen Hickch zu Boden warf, 
ſchien fie felbft zu verwunden. Sie ſchlug es mehrmahls 
aus, jelbit auf eines diefer unglücklichen Thiere das 
Gewehr loszudrücken; und oft flieg eine helle Thraͤne 
in ihr Auge. 
„Ammer Eann ih mich — ſprach fie — des Ge⸗ 
dankens nicht erwehren, daß das Tödten ſelbſt der ges 
nieflaren Thiere höchſtens unſern Bedürfniß, nie 
unferer Luſſt freygeſtellt ſey; me kann ich den Glau⸗ 
ben unterdrücken: daß es in der Reihe der Weſen, Ai 
die Korte fih am Thron der Gotiheit ſchließt, noch 
taujend befeelte Erfhaffungen geben möge, 
die din Menſchen, felhit den Fürſten, tiefer hinter 
ſich zurück laffen, als der Fürſt den Hirſch. Wehe uns, 
wenn dieſe Stärfern dann die nähmfichen Örundfäge 
der Moral befolgten! Peſt würde ihnen für eine Par⸗ 
force Zegd und bethlehemitiſcher Kinder 
mord für eine Hetze gelten.” | 

Offenherzig zu geſtehen, hatte Bianca diefe ganze 
Tirade ſich eriparen Eönnen; Worte diefer Art wurden 
in einer ſolchen Gefelfhaft (denn Franz, war zu weit 
vcran, ala fie hören zu können) nur tauden Ohren 
gepredigt. Aber wenigfting verfiherten die Kammer⸗ 
junfer, die zunachft der Zürftinn titten, daß Dieß mit 
wahrer himmlifhen Milde und Weisheit gefprodhen 
fey; und fpornten in nadfter Minute nicht minder 
ihre Pferde, um ein armes Reh fällen zu beifen. . 

Die zur Jagd beftimmten Stunden waren nun 
vorüber; die Roſſe matt, Die Reiter nah Speiſe und 
Erhohlung begierig, das Schloß, wB der Großherzog 
fein Mittagsmahl zu bereiten befohlen hatte, in der 
Nähe; der ganze Zug wandte fi dorthin; Franz, 


un 140 wen 

Bianca und Ferdinand ſetzten fi zur Tafel. Mon 
gone war der Einzige, der mitzuſpeiſen gewürdigt w 
auch Dieß wußte der Verräsher bereits, und nod 
baglıder war ihm eine Gewohnheit Franzen , | 
aufgeſetztem Nagtiſch alle eigentlihen Bedien 
ein Paar Kämmerer ausgenommen, herausgehen 
heiffen. 

Waͤhrend der Mahlzeit ſelbſt nahm Ferdinand 
fammen, was nur an Heiterkeit und Laune zu [ei 
ihm möglich war. Mondragone, in Allemder gefch: 
dige Höfling, unterftügte ihn treulich; Franz felbfk u 
hierdurch bald munter und ſcherzhaft; nur Bic 
fhien abermahls ihr Genius in das Ohr zu flüft 
daß Dieß ihres Lebens legte Mehlzeit ey. So 
fie fih zwang am Gefprähe Theil zu nehmen 
ſichtbar blieb doch immer eben diefes Beitreben 
dad Mißtrauen gegen ihre beyden Gaͤſte — © 
trug man die Nacgerichte auf; die Bedienten 
fernten ſich, und Franz wandte fi) lächelnd zu Bias 

„sit fhon ba, was du mir geftern verfprachi 

Bianca (auf eine Zorte geigend.) Hier mein G 
mahl! 

Großh. Vortrefflich dem Anſehen nach, 
wahrſcheinlich auch nicht geringer an Güte. — ( 
Sardinat.) Bruder, unfere bisherigen Gerichte ſchie 
dir. zu ſchmecken; und Fein Wunder auch; denn ffa 
Bewegung, ein fehr guter Koch, hatte jie gewit 
Aber fieh Hier ein Gericht von der Hand eines, w 
auch nicht beffern, doch gewiß noch ſchäöne 
Kochs, von meiur Gemahlinn felbft zuberei 
(indem er die Schüſſel ihm darbiethet.) Nimm bin, und 
es bir ſchmecken! 


wen 141 won 

Card. (fie ablebnend.) Ich danke. 

Groß h. (Haid verwunderungsvol.) Miet du ſchlaͤgſe 
eine Speiſe von ſo ſonderbarer Art aus? 

Card. (abermabis fie zurückwebreud.) Allerdings fon« 
derbar genug! Aber ich effe kein Gebäcke. 

Großh. Polen! Ich fah ja fhon taufend Mahl 
dich tergleuben eſſen. | 

Card. ammer kat) Raum! Und zum mwenigiten 
bin ich jetzt ſatt. 

Großh. Du kannſt es unmöglich ſo ſehr ſeyn, 
daß du — und wäre es auch nur der Neugier halber — 
meiner Scmahlinn abfchlagen Eönnteft , einen Beweis 
von ihrer Kunft zu koſten. 

Card. (mit zweydeutigem Tone.) Neugier war 
nie mein Fehler, und die Kunft meiner theueriten 
Frau Schweſter fenne id fhon aus mancher weit ſchwie⸗ 
rigern Probe, — Erlaube mir alfo immer dieß Mahl 
meinem Gefhmade und meiner Laune zu folgen ! 

Großh. (deteirige ) Bey alle Dem eine fonderkare 
Laune! Du glaubft doch nit, taßdie and Bianca's 
dir etwad Gefahrvolleszurichten könne Sieh dann 
bier den Gegenbeweis und, erröthe! (Gr bricht ein Stück 
ab, und ıft.) 

Card. Ich würde allerdings jegt errbthen, wenn 
ein folder Gedanbe mir jemahls hätte beyfallen Eönnen. 

Bianca (die ben Franzens letzter Rede erſt recht aufs 
mertlam geworden.) Entſetzlich, wenn Eure Eminenz auch 
nur ein Schatten von dergleichen Argwohn beunrubi« 
gen könnte! (mit dedeutendem Bud.) Miftrauen zwiſchen 
uns Beyden foll hoffentlich nie von dieſer Seite here 
Sommen. Auch ich folge meinem ©atten : (indem: fie ats 
ſchneidet und ißt.) Belieben Eure Eminenz nun? 


rue "142 wen 

Card. Eben nun am wenigften.' — Den: 
rade jeßt wäre jeder Genuß ein Anfdhein mehr, 
vorher irgend ein Verdacht obgemaltet hätte. 
Großh. (mmer noch beleibigter.) Verzeiht 
Bruder —-ich bekenne — Ihr ſprecht mit einem 
ne, der mich befremdet. (Mondragene winkt ihm Befi 

Card. (anft.) So muß ich wahrlih anders. 
chen, ald ich es fühle, anders als ich zu ſprechen 
lens war; aber dann brächte auch nur der Unwille, 
mein theurer Bruder eines ſolchen Argwohns 
ſchuldig achten kann, mein Blut in Wallung. 
Glaubt mir, auf meine Ehre! Schon laͤngſt hatt 
bey jeder Erhigung den Gebrauch, vor allem X 
werk mich zu hüthen; warum folteih nun eben’ 
meiner Eitte nicht folgen dürfen? Laßt von db 
Zorte nur etwas zum Nachtmahl übrig‘, und ihr 
fehen, wie trefflip fie mir dann behagen wird ! 


‘ 





Diefe legte Rede fhien Franzen zu befänftig 
der gefällige Mondragone wußte bald wieder Zrof 
einem neuen Geſpräche herbey zu jdaffen. Eine H 
Viertelftunde verlief abermals ; der Großherzog fd 
eben Luft zum Aufftehen zu befommen, und Ferdin 
batte ſchon verſchiedene ungewiſſe Blicke auf Men! 
gone geworfen, als plögli die Wirkung, nad x 
er diefe beyden Treuloſen fo ſehnlich verlangten , 
zu äußern begann. 

Denn Bianca, bie bereitd feit einigen Aug 
blicken ihr Haupt ſchweigend auf ihre boble Hand 
ftügt hatte, brach auf einmahl in eine Iınde Klage a 


‘ IN 143 VIER 


die bald in Thne bes heftigften Schmerzens Überging. — 
„Ein glühended Feuer, fprach fie, wüthe durch ihre 
Eingemweide.” — Die Erhigung ıhres Antliges, ber 
Angftihweiß auf ihrer Stirne bewiefen, daß fie nicht 
zu viel ſage. Vol zaͤrtlicher Beſorgniß eilte der Großs 
berzog ihr zu, ſchloß lie in jeine Arme, forfchte ängft« 
lich nad den Umſtaͤnden und der muthmaßlichen Urs 
ſache dieſes Befindens, ließ, durch drey Kämmerer uns 
terſtützt, ſie auf einen Sofa des Nebenzimmers brins 
gen, und befahl dem vierten Käammerer mehrere Bes 
dienten herbey zu rufen, auch einen Arzt hohlen zu 
laffen. Der Kämmerer ging; doch ein Blick des Lars 
dinals.befahl diefem Treuloſen das Gegentheil feines 
Auftrags. Der Miethling ahnte bereits, was hier 
vorgebe, oder noch vielleicht vorgehen werde, und 
war nichtswürdig genug, diefem Blick mehr als jes 
nem Gebothe zu gehorden. 

Franzens Angit, indem Bianca’ Schmerzen mit 
jedem Augenblid noch immer höher fliegen, war un⸗ 
befchreiblih. Weil der Kämmerer wieder zu kommen 
verzog, und Eein Diener erfhien, wollte er ſelbſt 
durch das ganze Schloß nad Betienten und Helfern 
rufen; als biiefhnell auch in feinem Innerften eine 
Hölle aufzulodern ſchien; als er mit dem Auseuf: 
Gott, das find Schmerzen des Todes! auf eben dem 
Sofa, wo Bianca lag und fitt, zu den Füßen dies 
fer feiner Oattinn fi hinwarf, und feinen mit ihr 
beihuftigten Kammerern zurief: daß doc einer von 
ihnen ſchnell der. Ärzte, fo viel er könnte, herbey 
fhaffen mödte. — Jetzt wollte wirklich jener einzige 
redliche Mann, deſſen Unbeſtechbarkeit wir ſchon vor: 


na 144 vor 
ber ruͤhmten, eilen, um feinem Fürften zu gehord 
als plöglih Ferdinand ibm Thür und Weg verrrai 

Terjenige Augenblick, auf den Mondragone, 
Ferdinands Unbeftand fih fürchtend, mühſam nod 
biefem Morgen den Gardinal vorbereitet batte, 
nun da; und nur zu treulich erfülte Diefer , fon 
die Vorſchrift feines Leiters, als auch die Eingeb 
feiner eigenen unmenſchlichen Rachgier! Denn 
vorgehaltenem Jagdgewehr, und mit donnernder &ı 
me befahl er dem Kämmerer zurück zu weichen; war 
fih tann mit bitterm Hohnlachen, mit der Schal 
freude eined Satans zu Blanca, und rief: 

„Ha, durchlauchtige Schweiter , fo hätte. 
doch vieleicht in meinem Argwohn mich nicht ganz 
irrt? So hätten doch wirklich vieleicht Ihre für 
hen Hände mir eine Koft zubereitet, die meine € 
geweide zu durgfrefjen beſtimmt war, und jeßt bı 
den fonderbariten Zufall in ihrem eigenen wuͤthet? 
Glaubte die Schlange vielleiht, daß eigene G 
ibr nicht ſchaden könne? Oder riß fie etwa Verz w 
felung dahin, als, wahrſcheinlich ganz wider Ih 
Plan, der forgenlofe Stanz verzeßrte, was 
beforgtere Kerdinand fich verberhen hatte? 

Großh. Um Gettes willen, Bruder — ı 
Fannft du — — — o welde Schmerzen, dien 
zerreiſſen! Um Gottes! Gottes willen, Hülfe! 

Card. Sa wohl, n..: von Gott erwarte Häl 
Denn durch diefe Thür laſſe ih Niemand weder zu nı 
von dir geben, bis deutlicher die ganze Sache 
anfflürt. — (Mit dem bitterſten Tone.) Wahrlih, di 
Schmerzen, über die ihr fo fihnell, fo fait in eu 
Minute end beklagtet, wenn fie von einem Ungefi 


bes: 


X 145 a] 
berfommen, fo find fie ein fo fonderbares Ungefähr, 
— fehen einem göttlihen Gerichte fo ähnlich, 
daß es ſchon deshalb fündlich ware, fi in des Him⸗ 
mels unmittelbaren Rathſchluß zu miſchen. Meint du 
nicht auth, Mondragone? 

Monde. (ie Achſel zucend.) Eurer Eminenz durchs 
dringender Einſicht unterwerfe ih meine Meinung ; 
freylich — 

Großh. Alſo auch du willſt mich erben fehen! 
D Bott — o Gott! 

Card. (gem) Warum flerben? Kämen. eure 
Schmerzen vielleiht daher, daß ihr von einem eine 
jigen Gerichte mehr als wir Übrigen aßet; von 
einem Gerichte, das ihr fo eifrig mir aufbringen, 
wolltet; dann,, armer Bruder! dann Eennit du ja 
felbft die ſchönen Hände, die diefe Koft zubereitet ha⸗ 
ben; von ihnen, von Bianca's Liebe, erwarte jetzt 
Beyitand und Hülfe! — (um Kammerer.) Zurüd, 
Kerl! oder mein Stahl verfegt dich in einen noch kläg⸗ 
lihern Zuſtand, als jene Schuldigen verdienter Maßen 
erleiden. | 





Wenn es Auftritte in der Natur gibt, vor deren 
Schreckniſſen felbit die Zaufhung des Pinfeld — 
unter allen Nahahmungen eines Augenblids doch 
immer die wirkfamfte! — fruchtlos zurüd bebt; wie . 
foll ed der Sprache möglich feyn, das furchtbare, graßs 
fihe Schauſpiel genüglich darzuitellen, das jest in 
dieſen Gemache — — 0 wahrlich, die Feder zittert 

Memßuers Bianca Cap. 2. Theil, K 


sen 146 ven. 

nd ſinkt, wenn fie nur die Hauptzüge falten, ver⸗ 
ainen und ſchildern will. 

Auf einem Lager, mit gleichen Sqhmerzen 
„kaͤmpfend, ein Gatte und eine Gattinn, vor Kurzem. 
noch im ſüßeſten Genuß ber Liebe, in ‚der blübendſten 
Gefundheit und Sugend — mitten in ihrem Glanze 
und bey einem freundſchaftlichen Mahle, ohne War⸗ 
nung, ohne Hoffnung, von der langſamen eiskalten 
Hand des Todes ergriffen! Ein Fliͤrſt und eine Fuͤr⸗ 
flinn , in ber entfeglichften Kolter, derlaſſen von ihren 
Unterthanen, ihren Freunden, ihren Dienern, ihren 
Blutsverwandten! Kein Arzt, der ihnen zu Hulfe 
eilt; kein Tropfen Waſſer, der ihre Zunge Eübhlt ; Bein 
Mund, der nur zum Troft, zum Flöglichen Troſt des 
fruchtloſen Bedanerung ſich öffnet! — Vergebens fites 
cken ſie ihre Arme aus; vergebens bittet das edelſte 
Paar unter der Sonne nur um Menſchlichkeit; 
fie find in den Händen von Böſewichtern, die weit 
mehr noch thun, ald bloß fie morden — bie fie 
Veiden fehen Eönnen, und fid) Deffen freuen. Was ſelbſt 
Miſſethätern nicht verweigert wird, — Troft ber es 
ligion! — verweigert man ihnen. — Und wer if 
diefer Unmenſch? Ein Bruder, ein Priefter, ein 
Erbe bes Throns! Seit Zahrhunderten vielleicht fah 
die Erde — ein fo reiher Sammelplag von Frevel 
und Elend fie fonft zu feyn pflege — Bein Schauſpiel, 
das dieſem an Graͤßlichkeit glich. 

Und doch blieb Ferdinand unbeweglich. Der Menſqh 
lichkeit Gefühl ward ſtets von dem Gedanken erſtickt: 
„Lie bier leidet, verſchmähte deine Liebe, und gab 
„felbjt deine Ehre preit. Der neben ihr mis dem 





m. 147 IE 


„Tode Eampft, ift zwar dein Bruder, aber ein gehaß⸗ 

„ter Bruder; ter Entzieber eines Throns, und Bions 

„cas Gemahl!“ — Zwey Mahl fehauderte und wanfte 

Ferdinand vieleiht eine Secunde lang; ein Bid, 
ein heimliches Wort von Mondragone gab feiner raus 

famfeit wieder Erärfe und Kälte. 

Sept, ald Bianca — feldft in: Leiden noch zw 
ftolz, ald nur ein bittendes Wort an den Cardinal 
zu verlieren — jest, ale fie ſah, Laß umjonft olle 
Hoffnung, unerweichbar diefer Abfchenliche wäre; als 
fie fühlte, daß unaufhaltfam fi der Augenblick des 
Todes nahe; da nahm fie no ein Mahl alle Kräfte 
jufammen, die ihrem abgematteten Geiſt und quals 
vollen Körper üdrig waren; da kehrte zum legten 
Mahle auf ihre ſchon bleichende Lippe eine heile Roͤthe, 
die Farbe des Zorns, zurüd; und mit einem Blick, 
in welhem Schmerz, Unwille, Verachtung, gekraͤnkte 
Tugend fi fammelten, mit einem Tone, der Betten 
hatte durchdringen follen, rief fie: 

„O Barbar, Giftmiſcher und Böſewicht, wie es 
noch keinen gab! daß Dieß dein Werk, Rache deiner 
ſchäändlichen, zurück gewieſenen Wolluſt ſey — Das 
ahnete mir ſeit dem erſten Augenblick des Schmerzens. 
— Jaͤuchze nun, denn du haft geſiegt! Grauſamer, 
als menſchliche Zunge es ausſprechen kann, iſt der 
Tod, durch den tu mic) tödteſt; aber doch bleibt auch, 
jegt nod dein Anblick das ſchmerzlichſte meiner Lei: 
den; doch — und itände es bey mir, von diefer Folter 
mich zu löſen, indem ıh in deine Arme mich würfe; 
‚eber duldete ich noch taufend Mahl ſtaͤrker diefe Hölle 
in meinem Eingeweide! — Du läachelſt! O Frevler, 

K 


[2 7,7 148 er 
nicht in anferer Gewalt ſteht es, dir zu vergelten; 
aber dort oben herrſcht ein Vergelter! Er wirb dereinft 
noch fehaudervoller dein Sterbelager machen. Keine 
Unſchuld des Gewilfens, Feine Hoffnung der Selig⸗ 
Eeit wird dich tröſten; und der Abfland, mis dem wir 
einft vor des Nichters Thron und wieder finden werben 
— tenke dir Den, und erzitiere | 

Card. (tachend.) Welche herrliche Nednerinn! 
Sie Fonnte auf den Thron ſich empor ſchwatzen; 
laßt fehen, ob jie auch vom Tode fih losſchwatzen 
wird! Vom Tode, den fe fo Eunitlich fich zubereitete ; 
und in dem fie fo großmäthig ihrem Gatten Geſell⸗ 
ſchaft leiſtet! 

Großh. O Ferdinand, wenn noch ein Tees 
»fen Bruderblut in dir fließt! — Womit habe ich 
Dieß um did verdiene? — Womit — — 0 Gott, 
Gott! 

Bianca (itre Hand nad ibm ausftredend.) Theurer 
Gemahl, erniedrige dich zu Feiner Bitte! Stirb ohne 
Klage, wenn du kannſt! Jeder unferer Schmerzends 
töne ift diefem Mörder ohne Gleichen eine Wolluſt 
mehr. Sieh, ic leide ja auch, was du leideſt; gleich 
fhmerzhaft und gleih underſchuldet; aber naͤchſt Gott 
bift du noch jegt mein letzter Gedanke. Unſerer Liebe 
warb, was Menige fich rühmen können, der Iod in 
eincr Stunde gewahrt. — Gelbit wenn jener Bar 
bar unfere Leiber trennt, unfere Seelen wird Fein 
Grab fheiden. — (Indem fie müpfem ſich aufrihten wii. 
und ihre Hand nad) ihm ausftredt.) Hier! — Hier! nimm 
den legten — (fie ſinkt unvermögend nieber.) Auch Das 
nit einmahl! Emwiger, dein Wille geſchehe! — © 


vo. 149 u | 
weh, o meh! — Komm bald mir nah, men Ge 
mahl! — Ban! — Bald! 


e 





Und indem fie ihr Haupt fenfte, indem ihre fonft. 
fo fhönen, obſchon jegt vom Schmerz, verzogenen 
Augen, zwar nicht ih ſchloßen, aber do ſtar r⸗ 
fen: indem ihr ſchwellendes Her; brach; der legte 
Schauder durd ihr Gebein bebte, und ihr letzter Athem 
entflod ; da ſank auch Franz röchelnd an ihren Falten 
Bufen, und verfchieb. 





Die Bianca’d Ende! Einzig in feiner Art, wie 
ihr Leben! Würdig, daß aus jedem Auge ihr eine 
Thräne fließe! — Wann war Eine ihres Geſchlechts 
mehr ein Ball des Glücks, als Bianca? Wen bob 
Schönbeit höher empor, und wen ftürzte fie tiefer 
berab ? An mem bewies Liebe mannigfaltiger ihre 
Launen? ihre Tüde, ihres Sonnenitrahls Eurze Dauer, 
und ihres Blitzes Unfehlbarkeit? Wer blieb treuer der 
zugend im Staub und im Glanze? in Armuth, Mit- 
telftand und Hoheit? Wer ward unverhoffter, was 
er zu werden verdiente, — groß und glücklich? Und 
ah! wer verlor in einer einzigen Viertelftunde mehr 
als Bianca? ald Bianca, die Gemahl , Thron, Leben 
und den Nachruhm felbit (menigftens diefen Cegtern für 
eine geraume Zeit) verlor) die umfonft Jugend, Schön⸗ 
heit und Geſundheit, umſonſt Rang, Weisheit und 
Tugend, umfonft tie Liebe des Volkes, die Make 


®& 

DV 7770 ı50 eo 
ihred Satten, die Achtung aller Redlichen zu ſchi 
verfuchten. — Wahrlich, die Gewalt des Laiters ı 
eine furchtbare Gewalt, der nichts zu widerftehen. 
möchte, vor der billig Alles ſich ſchmiegen müßte, u 
ed nicht mehr als ein Reben gabe! 

Es gehört nicht zu unferm Plan, bier nod 
Maßregeln zu erzählen, die nun, fo wie das & 
des unglücklichen Paares entfloben war, Ferdina 
von Mondragone unterflugt, ergriff, um diefen 
bekannt zu machen; nit, die Mittel herzurecht 
die er anwandte, um ſich in den Befig der fo ſchän 
errungenen Herrſchaft zu ſchwingen und zu ſich 
die Schuld des ganzen Trauerfalls auf Bianca, 
feine Totfeindinn, zu wälzen, und durch Künfte taufı 
fültig, das Anfangs ſchwierige, tobende Volk für fid 
gewinnen. Hinweg mit unferm Blick von diefem 
würdigen! Selbſt das nicht einmahl mögen wir 
zählen, wie ſchnell Untreue ihren eigenen Meifter ı 
rietd; wie bald der Böſewicht Mondragone in 
Ungnade feines Herrn fiel, und im ewigen Ke 
nur allzu gelinde noch für fein” Verbrechen bis 
mußte. Hinweg mit allen Dem! denn aflıu* ı 
ſchon haben wir von Caftern und Laſterhaften jpred 
muſſen. 

Auch von des alten Capello nahmenloſem %c 
mer, als er den Tod ſeiner angebetheten Tochter, 
graͤßliche Art deſsſelben, und den Frevel der verleu 
deriſchen Meuterey erfuhr, als er ſein ſparſam gew 
denes greiſes Haar zerraufte, und in den Glutk 
des heftigſten Schmerzens den Himmel nicht um 
Wunder der Lebendigmachung, ſondern nur um Th 
nen und um Tod anflehte; auch von ihm ſchwe 


eur 151 mw . 
ih, und fage nichts, als daß diefe zweyte Bitte 
dem unglüdlihen Water bald gewahrt wurde, und daß. 
feines geliebten Kindes Nahme das letzte Wort feiner 
brechenden Zunge blieb. 

Aber einen Bli der Bedauerung noch erzwingt 
ber Leichnam Bianca's. — Zu wahr nur hatte es der - 
Unglücdlihen geabnet, daß ſelbſt im Grabe nod 
der Wütherich fie von ihrem Gatten trennen würde. 
Wenn Zranz in fürftliher Pracht, wie einem Groß⸗ 
berzog gebührt, zur Erde beftattet wurde, trug man 
feiner Gemahlinn Leichnam, als wäre es der Leichnam 
eined Bettlers oder cined Verbrechers, auf bloßen ' 
Stangen nad Florenz; flellte ihn, aufgefhmollen von 
Gift, entblößt, mit. zerftreuten Haaren, auf einer 
aͤrmlichen Bahre zur Schau, und warf ihn ohne Klang 
und Gang, felbft ohne Leintuch und Sarg, in ein 
Beinhaus zu gemeinen Todtengerippen. hin. Gogar 
aus der Sefhichte, aus ber Reihe von Toscana's Kür« 
ftinnen fuchte Ferdinand ihren Ruhm und feine Schande 
zu vertilgen, Zange genug gehorchten ihm Miethlinge 
und zaghafte Schmeidhler ; aber endlich trat die Edle 
wieder in ihre Rechte auf Achtung und auf Mitleid. 
Denn nur die Gegenwart geborcht zuweilen Tprannen; 
die Folgezeit gibt der Tugend ihr Los, dem Verdienſte; 
feinen Nahmen wieder 





ser 


Ro 


zwey Erläuterungen. 


als ein Anhang. 





* 





öXXXCEXCX 


Aus Bianca Capello zuerſt ſtuͤckweiſe in den Skizzen 
erſchien, fand fie, überhaupt genommen, eine ſehr 
günftige Aufnahme, — eine, die meine Erwartung 
weit überftieg, und die vorzüglich mich bewog, dieſer 
Geſchichte (die anfangs nur Fragment bleiben, höch⸗ 
ftens bis zur Erhöhung Bianca's auf den großherzog⸗ 
Iihen Stuhl ſich erftreden follte) die Vollendung bis 
zum Tode des unglücklichen FZürftens Paares zu geben. 
Gleichwohl hinderte diefer Beyfall des Werks, im 
Ganzen, einige Leſer nicht, an einzelnen Theilen Fle⸗ 
cken zu ſuchen und zu finden; und am meiſten traf die⸗ 
ſes Loos den Charakter des Bonaventuri. 

Diefer dreiſte, in feiner Leidenſchaft Anfangs fo 
glühende, junge Mann hatte das Glück, auch in mei» 
ner Darſtellung auf viele Leferinnen günftig zu wirken. 
- Man fand e8 ſehr begreiflih, daß er auf Bianca's 
Herz Eindrud gemacht, — fehr natärlıh, daß fie 
aud dann ihre Liebe fortgefegt habe, als fie ſchon ges 





Ich bitte, nit aus der Acht zu laſſen, dab diefer erfle 
Anhang, und der Damit verbundene Audzug eines franzöfifhen 
Romans (don 1785 (Mo die ältere Ausgabe von Bianca Gas 
pello erfchien) verfaßt worden fey. Im barte nice übel 
Luſt, ihn bier gang wegzulaſſen; aber ein Paar Freunde, 
um Rath befragt, glauften doche es möchte dann für eh 
nen Abgang bey derneueen Auflage gelten: und bey Ber 
forgniffen Diefer Art find wir Schrififtelles — Leichtgläubie. 


.... 156 en 

wußt, daß er kein Salriati ſey, — und ſehr ve 
lich, Laß fie ſeinetwegen Vaterhaus un) Vater 
verlafen Eonnte; aber man fch ed dagegen am 
Vexriolge außerit ungern, daß tiefer Tharckter fi 
wantle; daß aus tem zartlichlten Liethefer ım Ar 
ge, doch ein ungetreuer Gatte am Ente werbe; 
er einer Railantra halber Bianca franfen Eenne; E 
dañ er feinen Untergang ſich feldft zuziehe und — 
diene. Man überſah, Laß man bdiefe, Änderung „ 
ohne große Tivinations = Gabe, buld Anfangs & 
muthmaßen können; daß fihon Pietro’d erite Un 
nebmung, das erſte Geſtändniß feiner Liebe, bey 
der Hoffnungsloſigkeit ſeiner Lage, mehr den Si 
ling von leidenſchafilicher Unbeſonnenheit, als 

wahrhaft entfhloffener Seele bezeichnere. Man 
gaß, daß ein großes Glüͤck dig Denkart des Ehrg 
gen felten oder nie unvertorben laſſe; ja, man ver 
ganz jenen Wankelmuth, der leider nur allzu gern. 
mens Begleiterinn zu feyn pflegt; und man befand 
gegen feft auf der yorderung: „Derienige Mann, 
„Bianca's Liebe fi) zu erwerben gewußt, müfle «a 
„allgemeine Liebe und Achtung verdienen, müſſe 
„treuer Gatte eben dasjenige Mufter feyn, 

„welches Bianca in Rückſicht weiblicher Zaͤrtlich 

„gelten könne.“ 

Laut und deutlich genug kam dieſer Wunſch 
meiner Kundſchaft; doch ihn zu erfüllen — bey al 
möglichen Achtung für das Urtheil meiner Leſerinn 
— ſchien mir nicht rathſam. Ich mag nicht bier eit 
Punct berühren, über den ſchon oft und viel geſtrit 
worden: ob es überhaupt ein ſehr verdienſtliches W 
des Dichters ſey, in einer Welt, wo Tugend ı 


von 157. oa 


Schwaͤche fih fo treulih gatten, doch eine perſonifi⸗ 
zirte Vollkommenheit und auf Erden herum wandeln⸗ 
de Halbgötter aufzuſtellen? Mein Gefühl hier dem 
Publicumaufzudringen, würde eben fo fruchtlos, als ans 
maßend feyn. Aber die Mahl, dünktg mid, fey ein 
allzu beträdtlicher Zufammenfluß von Umſtaͤnden jes 
nem Anfinnen zuwider. Nicht gerechnet, daß die wahre - 
Geihichte*) ſich höchſt gekränkt dabey fände; 'daß von . 
Anfang bis zu Ende faft jede Hauptbegebenheit umges 
ſchmolzen werden müßte; — auch Bianca's hervorſte⸗ 
chende Vortrefflichkeit würde dadurch mehr als zur Haͤlfte 
gemindert, ihr nachheriges Geſchick um ein gutes Theil 
weniger verdienſtlich, und der ganze Lauf ihrer Glücks⸗ 
wechfel entweder umgeändert, oder unnatürlih wers 
ten müllen, wofern man Bonaventuri diejenige Tue 

gend, diejenige Beftänbigkeit liebe, die er im wirkli⸗ 
chen Leben gewiß — nicht beſaß. Man überdenke es 
ſelbſt: wenn Bianca eines treuen Gemahls treue 
Gemahlinn verbleibt, fo thut fie eigentlich nichts mehr, 
als — ihre Schuldigkeit. Wenn fie hingegen tie los 
ckendſten Anträge eınes Fürſten felbft dann verſchmaͤht, 
als fie mit dem Wanfelmuth eines Gatten, dem fie 
Alles aufopferse, nur zu bekannt geworden war, — 
dann erft drück fie ihrer Zucht und ebelichen Liebe das 
Siegel der Vorzüglichkeit auf; dann erft thut fie mehr, 
als menſchliche Erwartung von ihr fordert. Dadurch, 
dag Bonaventuri mit Kaffandra buhlt, und diefes 
Stückes fih rühmt, dadurch gräbt er ſich ja felbft fein 


— — ——— —— 


Wenigſtens, was id damahls für wahre Goſchichte Kiel! 
Hiervon sin Mehreres im zweyten Abſchnite. 


won 158 men. 

Brad; dadurch wird Bianca fähig, einft ſelbſt den; 
herzoglichen Stuhl zu befteigen; badurd empfängt 
lange Trauer jlärkere Verdienftlihkeit, und auch 
jwepte liebe wird gerechtfertigt. Kurz, Bonavı 
xi’6 Leichtſinn, fo tadelhaft ee an fih feyn mag 
ein fo wichtiges Rad in der ganzen gegenwärtigen 
ſchichte, daß eine völlige Abänderung derfelben e 
derlich wäre, wenn biefer Charakter veredelt we 
ſollte. 

Da ich indeß nie eitel genug war, zu wäh: 
Dasjenige, was mir fhwer oder unmöglich ſche 
müffe es auch für Jedermann feyn; da ich wohl u 
te, das Bianca's Schickſale {hen vor mir einige. 
derm beichäftiger hatten, fo fah ih mich fleißig : 
ob nicht einer meiner Vorgänger — die ih ſaͤm 
lich nur hiſtoriſch kannte, — glimpflider mie \ 
‚Snaben Abfolom umgegangen fey; und fieh ba! 
günftiges Ungefähr ließ mic in der franzöfifhen ! 
manen : Bibliothek *) auf einen Schriftfteller ſtoß 
der Alles, — ja noch weit mehr, ald man von 
begehrt, gethan hatte. Bey ihm ift Bonaventu 
Liebe, gleih von Anbeginn her, fo ſchuldlos, fo 
ſcheiden, cls möglid; bey ihm ift an Feine Ente 
hung Bianca's aus dem väterlichen Haufe zu denk 
bey ihm bleibt Bonaventuri aud in der Ehe ohne Fe 
tritt und Flecken. Freylich fürzt er ihn dagegen 
manche abenteuerliche Gefahren, begeht manchen X 
ftoß gegen Landesſitte, Zeitalter und Wahrfchein! 
keit; hat zwar einige Vortheile aus feinen Abän 





& 


*) Bibliotbeque des Romans, Septembre. 1790. 


008 189 10008 

rungen zu ziehen, einige Züge nicht gemeiner Großmuth 
feinem Helden anzudichten, einige nicht unintereſſante 
Scenen anzulegen gewußt; aber auch — Do was 
hindert mich, diefen Verfaifer felbft auszugsweiſe ſpre⸗ 
hen zu laffen? Immer war ed für mich ein angeneh⸗ 
mes Schaufpiel, wenn ich fah, wie zwey Schriftſtel⸗ 
ler, die unmiffend eine Ideé' bearbeiteten, ober 
auf einerley hiſteriſchem Grund ihr Gebäude aufführs 
ten, bald zufarımen trafen, bald weit von einander 
abwichen ; wie die Kleinigkeit bey Diefem zur Wichtig: 
Beit bey Jenem wart; und wie oft mir jedem andern. 
Standpuncte auch die Überficht des Ganzen ſich ändere 
te. Eben fo, glaube ih, wird e6 manchem meiner Le⸗ 
fer, Eeineswegs Tange Weile erregen, wenn ich ihnen 
hier eine Probe der franzäfifhen Bianca liefere. Uber 
freglich ziehe ih fie nur Eur, zufammen, und babe 
mir auch in einigen Stellen des Dialogs eine kleine/ 
beſcheidene Abänderung erlaubt. 


1. 
Nein! ed gibt kein Frauenzimmer jetziger 3 
das mis Bianca Capello im Reize ſich vergl: 
Eönnte! Sie war ſchön, ohne beynahe felbjt 
glauben; tugendhaft, ohne jemahls es befannt m 
zu wollen; verbindlich in ihrem Geſpraͤch, ſelbſt 
ſie keine Urſache dazu hatte. Alles trug an ihr die 
ne des Ungezwungenen; und doch wußte fie ſelb 
Nichts wichtig zu machen. 

Achtzehn Jahre war fie alt; gebuͤrtig aus e 
der vornehmften florentiniſchen Haͤuſe Ihr X 
hoffte durch ſie auf den Genuß eines glänzenden 
ters. Jeder edle Florentiner, der fie erblidte, fü 
nur eınen Wunfh, — ihr Gemahl ;u werben. 
ßerſt wenig nah Geſellſchaft firebend, befaß fie 
große Geheimniß, ihr Leben ſich ſelbſt zu verläng: 
Jedes Talent war ihr eigen, jede Wiffenfchaft ihr 
Fannt. Die Ausſaat ihres Lenzes verfprad eine re 
Ernte für den Sommer. Täglich ſchien die So 
mit ihr zugleich aufzuftchen; Feine Stunde entfloh 
genügt. Aber fo viel Bianca bereits wußre, fo ı 
Hig hatte fie Bisher empfunden. Die Liebe, wei 
fie ganz zu beglücen gefennen war, ließ ihre Bildı 
vollenden, bevor fte ihr Herz entflammte. *) 





) Der franzölıfhe Dichter läßt Bianca nun durdy das € 
dDium der Mablerey und Bildnerey den Grund zur fin 
Ken Liebe legen; fihildert einige Seiten hindurch Die V 
diene des Haufes Medicıs um die bildenden Rune; H 
aber dafs in ihrem Gefolae auch ſtets der Lusus Rp « 


.. 162 vvv 

Im Hauſe der Salviati's — einem bet etſten 
Geſchlechter in Florenz — iwpuchs ein Juͤngling auf, 
ſchön wie Adon, beſcheiden wie eben dieſer Schaͤfer, 
aber noch ſchüchterner als er. Seine Augen, die ſchoͤn⸗ 
ſten Augen von der Welt, ſchlug er nie mit Zuverſicht 
auf; beym kleinſten Wort erroͤthete et; und keine von 
deu Annehmlichkeiten , die er fo reichlich beſaß, machte 
er im Sprechen geltend. Ee vereinte in fi jedE An⸗ 
muth der Furchtſamkeit und der Unſchuld, Achtung für 
den Anftand, Gefälligkeit und jene anfprudlofe Red⸗ 
lichkeit, die nicht für jeden kleinen Dienft fogleih Bes 
lohnung erwartet. Sein Geiſt durchdrang Alles ; felbft, 
wenn fid einige Verlegenheit in feiner Antwort fpüren 
ließ, fah man dod wohl, daß er Alles verftehe, und 
fih beffer noch auszudrücken wünfde. Biel — viel alfo 
hatte die Natur fur ihn gethan. Im Frühlingsalter der 
Welt hätte Paolo ohne Verbredhen Anſpruch anf 
Bianca's Hand machen dürfen. Gleiches Maß von Faͤ⸗ 
bigfeit und Verdienſten hätte bald aud Gleichheit un« 
ter ihnen felbft dervorgebracht. Aber bürgerliche Gefell⸗ 
fhaft trennte fie. Ä 

Paolo war keineswegs ein Verführer; fo weit 
konnte feine Rechtſchaffenheit fi nie vergeffen; abgt 


Kelle, „und daß ein Bott, welches viel ſchͤne —* 
„und Blidſäulen befie , gemeiniglich aufböre, ein iugenb⸗ 
„‚Haftes Bolt ju ſeya.“ — Diele ganze Tirade IM ſicht⸗ 
N aus Rouſſeau'd bekannter Preisfprife entichnt; aber 
hier ſteht fie wohl fhwerlih am rechten Orte. Die Wel⸗ 
(den waren fiber vor den Zeiten der Medicis noch we⸗ 
niger tugendhaft, als 3u. und nach denſelben. Überhaupt 
it der ganze Satz noch fo ſtreitig, daß sch glaubte , feıne 
genauere Ausfuhrung könne hier — wegdleiden. 
Meißners Biauca Gap. 2, Thi. ge 


[2 








uw ı62 ee 


er warh verführt, und wahrte fih allzu” menig 
feine Schwäde. Er fand ein Vergnügen dardn 
Seele an Bianca's Bilde zu weiden. Er fü 
ohne Zweck und Überlegung. Aud Bianca w 
fo ſchuldlos. Sie liebte den Paolo, ohne auf d 
gen diefes Gefühls zu denken; felbil,an ten € 
eined Geſtändniſſes dachte weder fie noch er. 
erriethen feit langer Zeir des Andern Geheimnif 
bielten ihr eigenes für undurdtringlih. Bepte t 
ihr wechfeljeitiges &tilfhweigen, und ihre Lıı 
Doch wir mujlen erſt fehen, wie de Bekanr 
ſich anſpann. 

Salviati liebte den Paolo, wie einen e 
Eodn; und fand ein Tergnügen daran, ihn i 
eriten florentinifhen Haufern, unter ſolchen aı 
Haufe des Capello, aufzuführen. Hier ſah 
Bianca; ſah und gewann fie lieb. Wie hätte er 
einem Schickſal entgehen Eönnen, dem Fein Man 
ging? Bianca fang; — beifer zu fingen war u 
lih. Sie fpielte auf dem Flügel; eıne eigene 
fhien in ihren Fingern zu fhweben. Eine zweyte di 
te in ihren Augen; und in jeder neuen Stellung 
Körpers herrſchte au neuer Reiz. 

Paolo ſprach nicht; aber unablaͤſſig ſtarr 
Bianca on; verlor Feine Sylbe ihres Geſprächs; y 
ibre Eleinite Handlung tief in fein Gedächtniß ein. 
brannte bereits für fie, obne es felbit zu willen. 
auf Bianca wirkte feine mannlihe Schönheit; fie 
ihm felbft zuvor. Er war fo furdtfam: Fragen a 
gerichtet, follten ihn zum ©efpräc bringen; doc 
diefe Fragen verdoppelten ſeine Unruhe. Bianca': 


en 163 mi 

gan wibertänte in feinem Kerzen; ihre erſte Unterre⸗ 
dung trennte fi ohne ferneres Ereiäniß. 

Ein Liebhaber, minder fhüchtern als Paolo, würs 
be nicht ermangelt haben, bes andern Tags zu fehreiben 5 
wide feinem Briefe balb felbft nachgefolgt feyn *) ; 
würde bald auf's dringendfte, mit taufend Schwüren, 
die jungfraͤuliche Schampaftigkeit beftürme haben ; doch 
nicht fo unfer Jüngling! Zwar fehrieb auch er; doch 
den Brief. fort;ufenden wagte'er nicht. Furcht, feine 
Geliebte zu beleidigen, hielt ihn zurück. Er Tiebte zum 
eriten Mohl; wußte noch nie, wie man bey einem 
foichen Geſtändniß ſich benehme ; hatte Eeinen Vertrau« 
ten, begnügte fi furdtfam und erfahrungslos mit 
bloßen Entwürfen; und fein Brief blieb im Pulte lies 
gen. Er ging aus, um Bianca zu fehen; ein Anderer 
wäre zu ihr ſeldſt, es fey unter welhem Vorwand man 
wolle, gegangen. Was bedeutet ein Verweis, wenn 
man um Vergebung bitten Fann? Iſt nicht jeder Vor⸗ 
wand füß, um auf's Knie vor dir Geliebten zu finken, 
und um eine Gunft fie anzuflehen ? Aber Paolo ging 
unter Bianca’6 Fenſter bloß auf und ab. Begierde fie 
zu feben, Beforgniß ihe zu mißfallen, wütheten mit 
Rieberhige in feinem Adern. Unbeſchreiblich war. feine 
Unrube. 





) Schon aus dem Biäherigen wird man gefehen baten — 
was man bald noch deusticher fehen wird — daß hier durdege⸗ 
hendsfranzöſiſche Sitte ber welfhbenLgondss 
art untergefihoben worden ſey. Ein Zehler, den fi fo 
viele franzöſiſche Dichter zu Schulden kommen laſſen; 
Theils aus Hiftorifcher Ignoranz, Theils aus Stolz und @is 
gendünkel, indem fie ſich eindilden, Feine als Ihre, oder 
innen ähnlighe Bitten könnten intereſſiren. 


ga 


va 164 wa 

Doch auch Bianca war um nichts ruhiger. 
wünfchte eben nicht, daß Paolo ihr fhreiben m 
doc) gern hätte fie feinen Brief gelefen; hätte d 
Vergnügen felbft mit dem Zwang erfauft, den e: 
gekoftet Hätte, ihn nit zu beantworten. — 
wie langſam fehlich die Zwifchenzeit des erften und 5 
ten Geſpraͤchs dahin! Ein ſchreckliches Ungefähr m 
zuletzt in's Spiel ſich miſchen. 

Paolo wagte zwar nicht, vor Bianca’s Auge 
erfcheinen, doch entfernte er fi nie weit von if 
Pallaſte; ſchien, einem Schutzgeiſt gleih, über ih 
wachen; wußte Alles, was fie that; Eannte jeden 
rer Morgen s Spaziergänge ; verbarg ſich, w 
fie ausging, ausritt oder ausfuhr, immer forgfe 
in dem einzigen Augenblick, wo fie ſich beyderſeits 
ten fehen Eönnen, und folgte ihr dann von Weitemen 
Eınft hatte Bianca ein ftolzes Roß beflfiegen, um 
Berdald Florenz Mauern friſche Luft zu ſchöpfen. 
Hitze war groß. Bianca fah fi genöthist, Schar 
zu fischen. Ihe Pferd war ſcheu; ein Hafe, der | 
den Gedüfhe bervorfprang, erfhredte dasfelke. 
fprarig zur Seite, ward feiner Zügel mädtig, ı 
ging mis Bianca durd. Paolo fah von fern diefe ( 
fahr ; fpornte fein Roß, und flog dem geliebten Geg 
ftande nad). Doch er erreichte ihn nicht ;und ſah Biaı 
nur in ein tiefes Gemwaffer ſtürzen, durch weldes jeı 
ſcheugewordene Thier feste. 

Augenblicklich ſtürzte auch Paolo ihr nach. Zu 
konnte er nicht ſchwimmen; doch die Liebe ſchütz 
ſtärkte ihn. Bewußtlos zog er Bianca aus der Ti 
empor. Vol Beſorgniß, daß fie ganz entſeelt fi 
möchte, faßte er fie in feine Arme; gewann das Uf 


mern 165 wm 


trug fie in eine nachbarliche Hütte. Arme andleute bes 
wohnten diefelbe ; ex fand hier keine Unferffügung, um 
Bjanga in's Leben zurückzurufen; aber die Leidenſchaft 
macht finnreih. Taufend Bemühungen wandte er an, 
und hoffte die Natur endlich triumphiren zu feben. 
Durchnaäßt, träufelnd , zitternd pon Kälte, dachte er 
an fih felpft mit keinem Gedanken. Sein Leben war 
ohne Bianca's oben ihm nigts. In Thraͤnen zerflies 
Bend , auf's Knie vor ihr hingeworfen, fuhr er in ſei⸗ 
ner Sorgfalt fort, und fühlte auch endlich ihr. Gerz un« 
ter feinen Händen , wenn man fo fagen darf, wieder⸗ 
geboren werden. Ein Anfangs faft unmerkliches Kloofen 
verkündigte ihm, daß die Quelle ihres Lebens fih neu 
eroffne. — Sept hohlte fie wieder Athem; ihr Augens 
lied zitterte ; doch ihr Auge felbft öffnete fi noch nid. 
„Öötter, große Götter! rief Paolo! vollendet 
euer Werk! Gebt Bianca das Leben wieder!" — Nes 
ben ihm hatten fih auf ihre Anie bie ehrlichen Landleute 
piedergeworfen, und flehten mit lauter Stimme zum 
Himmel. Er ſchien fie und den Süngling erhören zu 
wollen. Bianca ſchlug die Augen auf; aud ihr Bes 
wußtfeyn Eehrtenad einer halben Stunde wieder. Wie 
aus eınem tiefen Schlafe erwacht, entfann fie ſich kaum 
der Gefahr, worin fie fi befunden hatte. 

„Wo fin ih? flammelte fie; Wer riß mich aus 
den Händen des Todes?” 

„Diefer junge Mann hier ! (antworteten die Lands 
feute noch sweinend.) Ohne ihm war's um fie gefchehen ! 
Hätte fie nur gefehen, wie er weinte, was für Mübe 
er fih gab! She Bruder, ihr Bater, fein Menſch 
auf der Welt hätte Das gethan, | 

Bianca’ Augen richteten fi ch auf Paolo Pin. — 


.. 166 u 
„Sie, Paolo, Sie find 89 — Wahrlich, wahr 
Ihnen bin ich lieber, ald jedem Andern mein 8 
{huldig!” — Sie reichte ihm ihre Hand dar; er ü 
deckte diefzlbe mit Küſſen. Endlih fand durch Schi 
zen und Thränen feıne Etimme einen Ausweg. 

„Sie leben, theuerfte Bianca, Sie leben! 
D in diefem Augenblicke Eehre ih aud in das 2 
zurück!“ — Erſchwieg, blickte fiean, und ſchwieg im 
fort; aber tieffeufjte er, und blidtevon Neuem fie 

„Sch verdanfe Ihnen mein Leben ; erwied 
Bianca: und freue mich , eben Ihnen dieß Geſch 
zu verdanken. Welchen Preis fegen Sie auf dieſe W 
that ? Reden Sie! Meine Erkenntlichkeit weiß von 
nen Örenzen.” 

Paolo fank auf das Knie; ergriff Bianca's be 
Hände; verbarg fein Haupt in denſelben und ſchw 
Bianca deutete dieß Stillſchweigen. 

„Sch verftehe Sie; fprach fie: Alles, was | 
wünfchen, Bianca felbft fey die Shrige ! Hiermeine H 
darauf!” 

„Ihre Hand! rief Paolo: Ihre Hand daran 
— Alles fagten diefe wenigen Worte. Eines weit 
Geſpräches vedurft' ed nicht. Der nun glüdliche Pa 
balf Bianca wieder ihre Kleider in Ordnung bring: 
fandte nad) einem Wagen und brachte fie in die St 
zurück. Sie gab es nicht zu, daß er an ber Pfe 
ihres Pallajtes fi von ihr trennen durfte. „Mein S 
ter, ſprach fie, muß fogleich die Verbindlichkeit erf 
‚ren, die mir von nun an gegen Sie obliegt. V 
weiß, welchen Nugen uns Dieß für die Zukunft bring 

Sie ergriff ihn, indem fie Dieß fagte, bey 
Hand, und ftellte ihn dem alten Eupellovor. — „H 


k . 

VOR 167 X 
mein Vater, ſehen Sie meinen Erretter! Sie gaben 
mir einſt das Leben; er bar es mir heute wieder gege⸗ 
ben.” — Sie erzählte ihm nun das ganze Abenteuer. 
Capello drückte freudig den Paolo an fein Herz ; viels 
fach begrüßte er ihn mit dem füßen Nahmen eines 
Sohnes. — Bey diefem Wort erfeufzte der Jüngling. 
Man verlaußte ihm nun, oft in dem Pallaft des Ca⸗ 
pello fi einzufinden; Bianca verfprach zu jeder Stunde 
für ihn daheim zu feyn. — „Alle meine Augenblide 
(fpra Ne) gehören nun Ihnen zu. Jeder, den Sie 
von den Ihrigen mir weiben, wird mir füß bünken.” 

„And jede Minute , die Sie mir vergönnen , wird 
meines Lebens feligfte Minute ausmachen !” rief Paolo, 
und entfernte ich. 

Mit Vergnügen ſah Capello die Kortfchritte dies 
fer wechfelfeitigen Zärtlichkeit. Aber ach, er befand fid 
in einem Irrthum, der für Bianca und für Paolo bald 
die Duelle mandyes Unfalls ward. Water und Tochter 
bieten ihn für einen Sohn des Salviati.*) Eine 
ſolche Verbindung fehien dem ältern Capello hoͤchſt ans 
ftandig zu ſeyn; nicht einmahl auffchieben wollte erden 


*) Was fie auch wohl nah dem Betragen des Altern Gal⸗ 
viati ehun mußten! Dee franzöfiihe Dichter Hatte hier 
das achörige Motiviren gang vergeſſen. Unbegreiflich IM 
ed, warum ein Mann vom erſten Range, der ſelbſt Göhr 
ne bat. den Sohn eines feiner Unterthanen, als. wäre 

derſelbe fein eigenes Kind, in den nornehmflen Geſell⸗ 
fyaften aufgeführt haben fol; zumahl in Stalien, wo der 
Adel fo ſtotz auf feine Vorzüge iR! Wenn in ‚meiner Er⸗ 
sahlura die Souvernante und Bianca einen ähnlichen Irr⸗ 
thum beaen, fo ift er, wie mich dünkt, ben ihnen ſebr 
vergeibfich. Aber hier muß bloß gute moralifhe Abſicht 
eine große Unwahrſcheinlichkeit entſchuldigen. u 


ana ı68 von 

Abtrag feiner Erkenntlichkeit. — „Sie lieben ſich, 
ſprach er: man muß ſie zuſammen bringen und Dur 
bald!” — Aus Eifer übernahm er felbit die Rolle ei⸗ 
nes Freywerbers, die ſonſt für Salviati ſich geziem 
haben würde. Er begab ſich zu ihm, „Ih komme, 
fprady er, für Bignca um Ihren Sohn Paolo anzubafs 
sen, Ich bin fie ihm ſchuldig. Willigen Sie ein 7” 

Unvermutheter hätte dem Salviati nichts Fons« 
men Eönnen; doch verbarg er feine Seflürzung und . 
antwortere: „Meinetwegen dürfte ih aud Beinen 
Augenblick mic bedenken; denn zu rühmlich ift diefer 
Vorſchlag für den Polo und mid. Doch da Biarıca 
gemacht iſt, einen Gemahl zu beglücken, ſo wird es nun 
auch meine Pflicht, zu unterſu hen: ob Paolo senug 
gegenfeitiges Verdienit ıhrec werth zu ſeyn beſitze; 
deßfalls bitte ich um die Bedenkzeit von einigen Tagen? 

„Die Sie gern haben ſolen! Ih ſchätze Shre 
Klugheit hoch ‚ und bin übermorgen Ihrer Antwort 
gewärtig.” | 

Er hinterließ den Salviati in einer großen Wer« 
legenheit. Diefer vechtfhaffene Mann liebe den Puole 
wie feine Seele. Harte er bloß diefe Freundſchaft fg 
ihn um Rath befragt , fo würde er jenes vortherlhafte 
Anerbierhen haftig ergriffen haben. Aber aud er fab deut⸗ 
lich, daß Sapellg wegen Paolo's Abkunft in einem Jers 
thum ſich befinde. Jhn fehnell daraus reiſſen, hieß den 
Jüngling gan; um fein nahed Glück bringen; und doch 
auf der audern Seite einen fo rechtſchaffenen Mann 
zu hintergehen, — ibm als ware ed ein eigenes 
Kind , den Sohn eines geringen Landmanns zum 
Schwiegerſohn zu geben, — auch Dieß wur ein Vers 
brechen, deſſen bloßer Gedanke ſchon dem Ealviati 





— 369 nem, 
perwerflich ſchien. Lange kämpfte er mit ſich ſelbſt dar⸗ 
über; endlich glaubte er dieſem Allen abhelfen zu koͤn⸗ 
nen, wenn er den Paolo an Kindesſtatt annaͤhme. 
Doch auch Dieß konnte er ohne die Einwilligung feiner 
fibrigen Söhne nicht hun. Ey verfammelte fie daher 
fogleich in feinem Zimmer. 

„Meine Sühne, ſprach er, guer Water hat euch 
bier zufammenberufen,, um einen Dienſt von euch zu 
erbitten, den ihr hoffentlich ihm nicht verweigern wers 
det. Ihr wißt, ich liebe den Paolo innigft. Ihe felbft 
kennt, fo gut wie ich, alle feine guten Eigenfhaften. 
Würder ihr euch feiner wohl als euers Bruders ſchaͤ⸗ 
men Y” 

Sie gaben ſaͤmmtlich ihre Einwilligung; ; nur ber 
Süngfte verfagte diefelbe. 

„Und warum, mein Sohn? Warum "vermeige 
du dem Paolo diefe Woplehar 3” 

„Weil ich ihn haffe! Er ift niche mein geborner 
Bruder, und fol auch nie diefen Nahmen führen | 
Ich Eenne Ihren Bewegungsgrund, mein Vater: Paolo 
will Bianca heirathen. Er wird ed nit durchſetzen, 
wenn fie ihn nicht zum Sohne annehmen.” 

„Das wirb er allerdings nicht ! Aber bebenke, 
Sohn, daß bu das Herz eines zärtlihen Vaters zer» 
fleifcheft. Ich liebe den Paolo. Er ift feinen Tugenden 
nad mein Sohn, und Die macht mir ihn’ theuer. 
Dich gab mir ein Ungefähr; an ihn hat mich eine weife 
Wahl geknuͤpft. — . Wahrlih „ mein Sohn | bu 
machſt mir des Kummers viel; an deiner Stelle wuͤrde 
Paolo fo etwas nicht gewagt haben. Aber wohlan , er 
fol, weil du es fo haben winft, nicht bein Bruder; 
doch deſto mehr mein Freund fegn!” 


—XRX 170 VII 
Salviati entfernte und verfchloß fih nun ın 
Cabinett. Paolo's Schickſal rührte ihn außerit. 9 
mandem neuen Kampf befchloß er, feineredhte Gebun 
ihm zu offenbaren ; ließ ihn rufen, und ſprach alfo 

„D mein Sohn, mein Sohn! Zumlegten DR: 
gebe ich dir diefen Nabmen. Er gebührt dir niche. 2 
(indem er Ihn zärtlich umarmt) — aber mein re 
ſollſt du ſeyn. Verſprichſt du mir Dieß auch von be 
Seite!” 

„Wie? mein Vater! Bedarf es erft eines fol, 
Verfprechens ?” 

Salviati entdeckte ihm nun, daf er bloß der & 
eines feiner Pächter ware; und Paolo erröthete mi 
— „Ned, ſprach er, babe ich nichts verloren , wo 
Cie, mein Vater, mich nur noch lieben !"” 

Salv. (gerüpee.) Ob ich dich liebe? — Mir fi 
ehrwürdiger Sohn, kannſt du daran zweifeln ? 

Paolo. Schmeichelhaft wäre eu für mich ge 
fen, Ihren Nahmen führen zu dürfen. Aber nod 
er nicht ihrer Wohlthaten grofte. Ihnen verdanke 
ed, daß ich die Tugend Feune; und daß ih audy r 
der nur die Tugend fhage. Stolz war nie mein ? 
fer; luftige Entwürfe madten nie mein Vergnü 
aus. Von keinem Menfben habe ih je Ehrfurcht 
gehrt. Nur lieben folten fie mih, und fie wer 
mich lieben. 





) Alfo auch Paolo mußte nicht, weffen Sohn er war? € 
derbar, daß alle died Warums? der franzöfilbe 7 
tee auch mit keiner Eyibe beantwortete;. gumabl BD: 
dach, aufrichtig geftanden! — wenn nun eınmabl gedı 
und umgetworfen twerden follte, ſich fo leicht in @in z 

9 id wahrſcheinliches Ganze bringen ließen. 


_ 


DV v9 171 “... 

Salv. Ah, nod weißt du deinen Verluft nicht 
ganz! 

Paola. (getaßt.) Entdecken Sie mir ihn! 

Salv. Wenn ih ſchwiege, fo wäreſt du mor⸗ 
gen Bianca's glücklicher Gatte! 

Paoſo. Nein, mein Vater, reden — reden 
Sie! Täuſchen Sie den edeln Capello nicht! Auch bis 
in die Umarmungen ſeiner Tochter würden Gewiſſens⸗ 
biſſe mich verfolgen. Eine Lüge könnte nie mich glück⸗ 
lich machen. Sprechen Sie, erklären Sie ſich frey her⸗ 
aus! Ich zog feine Tochter aus ber Fluth, rettete ihr 
Leben. Wenn Dich ihm nicht genügte, wenn er undank⸗ 
bar feyn Eönnte, fo würde ich unglüdlich feyn; tod 
keineswegs murren, Eeineswegs ihn haffen! 

Salv. Theures Kind, wenn id rede, fo ift 
Bianca für dich uninfederbringlich verloren. 

Paolo. (enränend.) So fey fie e6 denn! Beſſer 
Dieß, als fie betriegen! Ihr gehört das Verbdienft, zu 
mir herabzufteigen, und mid emporzußeben. Bianca — 
fernen &ie ihr Herz beifer kennen! — hat der Tugend 
hierzu genug! | 

Salv. Ah, ich Eenne ihren Vater defto beffer. 
Wenn er dich ausſchlaͤgt, was bleibt dir übrig ? 

Paolo. Der Xod! 

Salv. Der Tod? , 

Paolo. Ga, mein Vater! Ib würde nie fo 
niedrig denken, daß ich eine Tochter gegen väterliche 
Gewalt aufwiegelte; würde nie die Gefege und das 
Anſehen der Schicklichkeit beleidigen; würde Bianca 
nie der bürgerlichen Geſellſchaft entreiſſen. Nein, mein 
Vater, auch in der aͤußerſten Verlegenheit noch ſoll 


ss 773 vun 


Paolo ih Ihrer. werth betragen. Siefollen ihn Tie 
ibn beffagen müſſen. Nur entreiſſen Sie mid eil 
diefer peinlichen Ungewißheit! 

Saly. Morgen foll bein Sqickſal entſchi 
ſeyn. 

Paolo. Morgen erſt! — (Gr verbeugt ſih, 
will geben.) 

Salv. Du verfäffeft mich? 

Paolo. Nur auf einige Augenblicke ! 

Salv. Noch habe ich dir nicht Alles gefagt. ; 
biefed Teflameng! Dein Gluͤck iſt gemacht! Sarge 
dein Bedürfniß wird nie dich quälen. 

Paolo. Verzeifung, mein Vater! Alle 
ſchenke, die ich von Ihnen annehmen durfte, babe 
ſchon empfangen. Sie haben Söhne; biefen gehört 
Vermögen; ich mag das Erbtheil derfelben Eeinesw 
vermindern ; fie könnten mic haffen, undih will, 
fie mich lieben ſollen. | 
Salv. Wie, du fohlägft mein Geſchenk aus! 

Paola. Sie fühlen feldft, was hier meine DR 
verlangt. 

Sal. Und was fol aus dir werben? 

Paolo. Bianca’s Satte, oder — dad G 
fol mid aufnehmen! 

Salv. Wiet Könnteft bu Band an dich felbſt 

Paolo. Nein, mein Vater! Auch im hoͤchf 
Schmerz follen görtlihe und menſchliche Geſetze: 
unverleglich bleiben. Der Schmerz; wird mich im | 
Grab befördern; und, während daß ich diefen Lieb 
dienſt von ihm erwarte, will ih von den Menfd 
mich entfernen; will in eine tiefe Einöbe mich verl 


von 179 ‚rseeh 
gen, und bort ungeftdrt nur an Ihre väterlichen Wohl⸗ 
thaten, an meinen Schmerz und an Bianca denken 

Salv: Wie bedaure ih dich! Wie ungerecht’ ift 
dein Schickſal! 

Paplo. Vielleicht noch nicht ! Dieſen Abend: were 
ven Eie Capello feßen 

Salv. Diefen Abend! | 

Paolo. Wohlan, fo will ih aud heute noch 
Bianca fprehen; will ihr Alles entdecken. — Bein, 
wie ich hoffe, fremde Rückſicht auf fle nichts bewirkt; 
wenn Bianca — O mein Vater | weld ein Augenblick! 
wel ein Genuß uneigennügiger Liebe ftehe mir dann 
bevor! Sicher warb dieß göttlide Mädgen geſchaffen 
zum unnachahmlichen Beyſpiel! — 

Salv. Glaube mir, Freund, daß ich es inniger 
noch wünſche, als du ſelbſt. — 

Sie ſchieden hier von einander, und Paolo flog 
nad dem Pallaft des Capello. Doch ſchon war ihm ein 
Brief ohne Unterfchrift vorgeeilt; ſchon war das Ges 
heimniß feiner Geburt dem Vater Eund gemacht. Wer 
anders, als Joſeph, Salviati's jüngfter Sohn, konnte 
einer folhen Niederträchtigkeit fähig feyn! Er liebte 
Bianca; fand in Paolo einen glücklichen Nebenbuh⸗ 
fer. Eiferfucht gab ihm diefes Mittel zu Deifen Vers 
drängung ein. Ohne ein ſolches eiferfüchtiges Gefühl 
würde er den Paolo willig für feinen Bruder erkannt 
baden; würde der fhwarzen Entwürfe nicht fähig ger 
weſen ſeyn, die wir bald bey ihm entdecken metben. 

Aber noch befand fi) Bianca in friedlicher Unwife 
fendeit. Sie empfing den Geliebten mit ihrer gewöhns 
lihen Wärme, Er, der ſtets beſcheiden und fchuldlos 


en 174 u 
ſich betragen hatte, verabſcheute auch jetzt jeden 
ſchweif, und vebete freymüthig fie. alfo an: 

„Bignora! Die Abfiht meines heutigen Bel 
dürfte von Shrer Erwartung weit verfhieden ſeyn. 
fomme, Sie aus einem Irrthum zuziehen, worir 
Sie ünwillkürlich ſtürzte. Sie hieften mich für € 

viatis Sohn; auch ich hielt mich dafür; wir irrten 
Beyde. Mein Leben bin ig einem Pächter, « 
Übrige den Wohithaten des Salviati ſchaldig. — | 
den Sie mich noch jetzt Ihrer würdig!” 

„Paolo! Kennte id) Ihre Befheibenheit nicht, ı 
würden mich bitter beleidigen. — Sie felbft, nice. 
ven Nahmen liebe ih. Nur Ihre Perfon Eann n 
glüdklid) machen. Kein Wort daher weiter von bi 
Standesyeränderung !” 

„Ha! ©o habe id) dann ridytig geurtheilt; 5 
es Salviati'n zuvor geſagt. Bianca liebt mich! 8 
Fümmert Sie meine Geburt! Aber was wird 
Barer jagen!” 

„Das wollen wir gleich fehen. Sie gaben mir 
eben eın Bepfpiel der Freymüthigkeit; ih will € 
nachahmen; will in Shrem Beyſeyn ein gleiches 
ftandnig ableaen.” 

©ie gingen. Nod lad Capello jenen Brief x 
ungenannter Hand; noch Eonnte er fi nicht von | 
nem Erſtaunen wieder erhohlen. — „Lies! ſprach 
zu feiner Tochter; und Faum hatte jie die erfte Ze 
überblickt, als fie ausrief: 

„Ha! man ift ung zuvorgefommen! &o eben u 
ven wir alles Dieß Ihnen zu erklären gefonnen !” 

„Wie, Paolo? Site hätten wirklid ein aͤhnlis 
Geſtaͤndniß mir zu thun?” 


vr. 145 cn... 

„Ja, Signor! Vor wenigen Minuten babe ich 
bey Ihrer Tochter mein Geſtoͤndniß abgelegt; und jetzt 
Eaın ic, um von Ihnen mein Urtheil zu ‚hören. Nie 
babe ich irgend Jemand bintergangen. Nie ıwerde id 
weder Sie, nody Bianca hintergehen.” 

Cap. (gerüsre.) Und folte Paolo, der Sohn ei« 
nes Pächters, mir minder ehrkurchtswerth, als Paolo, 
der Sohn Salviati's feyn? In jedem Stande wären 
Tugenden Ihr Eigenthum und Ihr höchſter Werth ges 
weſen. Aber ach, warum war das Schickſal blind ge⸗ 
gen Sie? Oder vielmehr, warum gibt es einen Un⸗ 
terſchied der Staͤnde? — Paolo, ſprechen Sie ihr Ur⸗ 
theil ſich ſelbſt! Ich habe die Kraft nicht, Ihnen weh 
zu thun. Wie wärden Sie an meiner Stelle handeln? 
Würden Sie wohl einer .öffentlihen Schmach ſich bloß 
fielen?! — O wie läftig ift oft ein großer Nahme! 
wie glüdlih eine Dunkelheit, die uns fchalten und 
walten läßt, ohne aufer und ohne Verdammniß zu 
befürchten! 

Paolo. Ich verfiche Eie, Eignor. Ich Eenne 
Ihre Pflichten, und, wie Sie fehen follen, auch die 
meingen. Nie werde ich Ahren häuslichen Frieden flo: 
ten; nie Bianca verführen. Es wird mich viel Boften 
— — — Gabtreich ſtürzten, indem er Dieß ſprach, Tbränen 
von feiner Wange derab.) — — Es wird mid) viel koſten! 
Aber — leben Sie wohl, Bianca! Leben: Ste wohl! 

Gap. (Indem Paolo geben will, und Bianca in Ehränen 
zerfließst.) O nice fo haftig hinweg, junger Mann! 
Meine Kınder — denn auch Sie find mein Cohn; 
ie, der das Leben meiner Tochter wieder gab! — 
Wie gern vergöß’ id mein ganzes Blut, könnte Die 
euch vereinigen! — 


Stumm warb jegt auf einige Augenblid: 
Schmerz. Was Eonnten fie auch fagen? Capello 
weder graufam noch ungerecht. Er weinte mit ıf 
gewährte gern der Natur, was fie mit Fug von 
fooderte; gewährte au ben Befegen, was fie 
ihm beifchten. Ä 

„Ach, rief er endlich, meine Kinder! Die Ge 
nur machen euch unglücklich; nicht ih, der ih fie 
fo'gen muß. Nichts ift heifiger als ſie; nichts gef 
licher ald Beyſpiele von ihrer uͤbertretung. Ber 
rung würde dann unmerklich alle Stände ergreifen. 
feleit bis zu den Häuptern des Staats ſich erflred 
Sein Schickſal anklagen, ift die Zuflucht ſchwacher € 
fen, unwiſſender Geifter. Sic ins JO der Notha 
digkeit ſchicken und ſchweigen, ift bie Weisheit Der 
gen, die Erhabenheit und Spannkraft in fi fe 
fühlen.” | 

Traurig und ſchweigend blickten bier Paolo ı 
Bianca fih an. In Thränen beftand ihr ganzer Tr 
Capello Überlad jenen nieberträhtigen Brief ˖noch 
Mahl. — „Ha! brad er aus :nicht ein Freund vonu 
fondern ein iseind von dir, mein Sohn, bat die 
Brief gefchrieben. Daß ich ihn Eennte! Welke 9 
berträchtigkeit, in eine ſolche Larve ſich zu verbüft: 
folhe Berleumdungen zu fhreiben, und nicht einm 
dad Herz zu haben, fein Geſicht zu zeigen ; Dieß,; D 
it der Schändtichkeiten [händlihfie — Wenn ich 
kennte — — Paolo, Sie haben einen fürchterliqh 
Feind; feyn Ste auf Ihrer Huth! Der, deflen Ra 
mit einem ſolchen Zug beginnt, der iſt auch der gri 
ten Schandthaten fahig. Bey Gott, ich zitt 
für Sie!” 

Un 


® 


neo 177 RR 

„Und doch würde feine Meuchellift nur ein Dienft 
für mich feyn. Nie ſchaͤtzte ih dad Leben hoch; und 
jegt — Aber zeigen Sie mir bein Brief!” 

Er nahm ihn, und erkannte ſogleich Joſephs Hand. 

— „Ich verlange nicht weiter zu leſen; ich kenne mei⸗ 
nen Angeber; möchte ihn gern vor mir ſeldſt verber⸗ 
gen, und verfhmabe alle grauſame Überzeugung.” 
Mäher trat er jetzt ber Tafel, wo einige —28 
brannten:. 

„Paolo! was wollen Sie thun !” 

“ „Emmen Brief vertilgen, der feinen Schreiber 
entehrt. Bliebe dieſes Denkmahl ſeiner Schande in 
Ihrer Hand, fo könnte es bald ſchmerzhaft einen tu⸗ 
gendhaften Vater kraͤnken. 

Er ſprachs, und verbrannte das Schreiben; aber 
ſelbſt jet, indem er fo großmüthig diefem Jofeph vor dem 
däterlihen Zoen bewahrte, dachte eben Diefer auf ein 
Bubenſtück, deffen Opfer Paolo werden follte. 

Die Nacht brach ein; es war ſchicklich, daß Paolo 
fi nun entfernte; doch mußte er Bianca und ihrem 
Water des andern Tags wieder zu kommen verjprecen: 
— „Sie werden ſich, fügte dieſer ehrwürdige Greis, 
nie zum Verführer erniedrigen; kommen Sie Daher 
aug wieder oßne Furcht zu und! Leben Sie mit Bian- 
ea, wie ein zärtliher Bruder mit feiner geliebten 
Schweſter lebt! Vieleicht bar auch die Freundſchaft 
ibre Taͤuſchungen, ihre Wolluſt. Vielleicht kann jie 
Ihrer edlen Seele ſelbſt die Liebe dereinſt erſetzen. 
Seyd Freunde zuſammen, meine Kinder, da ihe nicht 
Liebende ſeyn dürft! Und tröſtet Eines das Andere!” 

Paolo verſprach baldige Ruckkehr, und ging Hin: 
Weg, ganz allein. Piöglic fielen, bey der Wendung 

Meißners Bianca Sap. 2. Ch M 


vr. 178: or... 

einer Straßenecke, verlarute und ‚mit Doldyen ben 
nete Meuchelmörber ihn an. Er vertheidigte fi 
allem möglichen Muthe; doch was nützte Dieß g 
o Viele? An eine Mauer gelehnt, fuchte er verge 
ſeine Angreifer von ſich abzuhaͤlten. Schon hast 
verſchiedene Wunden empfangen; von ſeinem ga 
Körper floß Blut; feine Kräfte ſchwanden; alt ı 
Menſchen Eommen hörte. Seht flohen die Bandi 
Einen derfelben hielt Paolo feit am Gewanbe,. f 
Maske entfiel, und fiehe, Zofeph war ed. 

„hr feyd es, mein Bruder? Shrt Gott, we 
fonnte id Euch je beleidigen?” fo rief Paolo, 
fan zur Erde. — Die Leute näherten fid.- Zu ü 
fliehen war bem Joſeph unmöglich. Wenn er.gefan 
ward, — welche Schmach für Salviatir . Ba 
überſah diefe Gefahr, und fein Herz bebte für. Safe 
Vater, 

„Bleibt hier, mein Bruder ! ſprach er: wenn: 
flieht, fo feyd hr verloren, werdet gefangen und 
meinen Mörder erkannt. Bleibt lieber bey mir! 
Fennt euch; halt euch für meinen Bruder; "wird gl. 
ben, daß Ihr mir zu Hülfe kommen wolltet. O Joſe 
wer Eönnte auch argwohnen, daß mein Meuchelm 
Euer Werk ſey? Stellt Euch, als ſuchtet Ihr mir | 
Blut zu ftillen I” 

Alles erfolgte, wie Paolo es vorher gefagt bar 
Die Herbeygeellten glaubten gern feiner Rede, u 
man trug ihn in Salviati's Wohnung. Vergebens fra 
ihn bier fein Pflegevater über feine Mörder und be 
Ausfehen. Er weigerte fi) zu antworten, weigerte | 
fogar die Klage zu unterfchreiben , die ihrer Verf 
gung halber eingegeben werden follte. 





A 179 wre 

„Noch bin ich ja nicht tobt, mein Water! ante - 
wortete er; noch hofft man ja auf meine Genefung. 
Warum follen meinetwegen jene Unglüͤcklichen, die zur 
Tugend zurückkehren fönnen, hin zum Galgen geſchleift 
werden! Sie werden es nicht wagen, noch ein Mahl mich 
. Anzugreifen. — Ohne Euern Beyftand, mein Bruder, 
(indem er ſich gegen Joſeph in väterliher Gegenwart wandte,) 
wäre ed um mich gefchehen gewefen. Euch verdanfe ich 
mein Leben.” — Unverfhämt, und der Gewiffensbiffe 
nicht fähig, fpielte diefer Letztere getroft feine Rolle 


fort, wagte es, die Hand Paolo’s zu ergreifen, der ibm 


zärtlich die feinige drückte, und mit ſtammen Worten 
zu fagen fhien: „Joſeph, fey hinfers nicht mehr 
mein Meucelmörder !" 

Gleichwohl rüitete eben dieſer Elende ſch, indem 
allmaͤhlig Paolo von feinen Wunden genas, zur Aus⸗ 
führung von neuen Entwürfen. Zwar wollte er nicht 
mehr feinen Bruder tödten, aber Bianca wollte er 
entführen, und in einem fremden Lande feine Bünftige 
Wohnung auffplagen. Ganz in ihren Schmerz vers 
fenkt, erfchien diefed holde Mädchen nicht mehr an oͤf⸗ 
fentliden Orten ; verfagt war Joſephen der Zutritt in 
ihrem Pallafte, und feinee Verwegenheit ungeachtet, 
wagte er ed hicht fih hindurch zu drängen. Aber ein 
Bubenftäd follte ihm die Gelegenheit, die er wünſch⸗ 
te, verſchaffen. 

Er erkaufte in diefer Abficht mit ſchwerem Gelbe 
Mordbrenner, und beraumte ihnen eine Naht, wo fie 
Feuer in Capello's Pallaft anlegen follten. Diefe Nacht 
erfhien. Zu Allem gefaßt, gab Joſeph das verabrebete 
Zeichen, und die Mine ward angeftedt. Dad entzüns 
dete Pulver erfchütterte den Palast in feiner Grund⸗ 

M 2 


ron 380 mom 

fefte; Sald lief das Feuer über die Dächer hin, und, 
Keuerbrände, indie Zimmer geworfen , verbreiteten als 
Ientbalben die Gluth. Bianca, vol tödtlichen Schre 
end, fprang aus ihrem Bette; hatte kaum Zeit in 
einen leichten Mantel fih zu hüllen, und durch eine 
Hinterthür zu flüchten. Doch eben diefe Kinterthür 
war Joſephen unbekannt, ber feine Beute am Haupt⸗ 
thore des Pallaſtes erwartete. 

Der Laͤrm von dieſer Feuersbrunſt drang auch bi⸗ 
zu Salviati’d Behauſung. Paolo, zwar noch fehr ent⸗ 
kraͤftet, aber jegt nur für Bianca zitternd, vergaß 
fein Unvermögen , fuhr baftig in feine Gewänder, und 
eilte berbey. Eine dichte Flamme wüthete bereits durh 
Capello's ganzen Pallaſt. Die Dächer flürzten ein; abet 
Paolo, undeforgt für fein Leben, warf ſich mitten in 
diefen Feuerofen und flog dem Gemache Bianca’6 zu. 
Aus gleicher Abſicht war ſchon vor ihm der ältere Co⸗ 
pello hierher geeilt; ihn fand Paolo, faft vom Rauch 
erſtickt, in legten Zügen da liegen, faßte ihn , feier 
eigenen Schwäche ungeachtet, in bie Arme, und enke . 
riß ihn fo der Flamme. Der Fußboden unter ihren 
gerfpreng. Paolo felbft ſtürzte, doch ohne den Capello 
fahren zu laifen, eine betraditlihe Höhe herab. In⸗ 
dem er ſich aufrichtete und durchbrach, eilte Joſeph auf 
ihn zu, und ſchien feine Beute, die er nit zu unters 
fheiden vermochte, ihm entreiffen ;u wollen.  - 

„Wie, auch hier feyd Ihr, mein Bruder ? Sit 
ter, müffen wir uns denn nur bey folden Vorfaͤllen bes 
gegnen ? Wen ſucht Ihr? 

„Bianca! ha, ift fie es nicht?” 

„D mein Bruder! Wenn Ihr fo ihr Herz zu er⸗ 
ohern ſtrebt, dann dürfte ed Euch wohl nie gelingen, 





X 181 RR 


Daß Ihr eher Eure Abſicht auf fie mir offenbart haͤt⸗ 
tet! Gern würde ih alle meine Dienfte Euch gewidmet | 
baden.” 

Vol Verzweiflung, abermahls eines fruchtlofen 
Bubenftüds ſchuldig geworden zu feyn, entfernte ſich 
jest der Elende, und flog, die Ahnung feines res 
vels befürchtend , nach Neapel. 

Aber Paolo ließ den Eapello in den Pallaft der 
Salviati briigen , und er felbft mußte wieder auf fein 
Lager fih werfen. Die übergroße Anftrengung , Mü: 
digkeit, Ungewifheit wegen Bianca's Schickſal — ale 
les Dieß entzündete von Neuem ein Sieber in ihm; bes 
vaubte ihm fogar des Gebrauches feiner Vernunft. Ca⸗ 
pello hingegen war indeß wieder zu ſich felbft gekom⸗ 
men, und erfuhr: daß nun aud er. dem Paolo fein 
Leben verdanke; daß Diefer muthig das feinige daran 
gewagt habe, und jegt abermabis in Gefahr bes To⸗ 
bes fi befinde. Man kann ſich leicht feine Ruͤhrung 
bey biefer Nachricht denken; Tann leicht erratben , daß 
er fih fogleih zu Paolo's Lager führen ließ. 

Auch in feinen Zantafien hörte Diefer nie auf, Bian⸗ 
ca's Nahmen zu nennen. — „O wo ift fie! rief er 
oft aus: Laßt mich gehen ! Laßt mich fie fehen! Bians 
ca! theure Bianca! Capello, mein Vater! — D So: 
feph! graufamer Zofepp ? — Caopello ergriff feine 
Hand, benegte fie mit taufend Küffen. SGalvia‘ı vers 
fuchte ihn aufzurichten. Ach, er verſtand nichts, er: 
kannte Beyde nicht! 

Plötzuch kam die Nachricht, dab Bianca aus dem 
Teuer noch bey Zeiten ſich gerettet babe. Bald fandte 
fie felbit aus dem Klofter,, wohin fie geflöhen war, 
Boryen an ihren Water. Diefe Worte fanden offenen 


won ı82 —XRXX 

Weg zu Paolo's Ohr und Herz. Sie ſchienen 
Balſam zu ſeyn, der ſchnell ſich durch ſein ganzes 3 
ergoß. — „Dank ſey dem Himmel! rief er: fie 
alſo!“ — Jetzt erkannten feine Augen den Ca 
wieder; er wandte ſich gegen ibn: „O mein Wa 
wenn fie lebt, wirklich lebt; darf ich nicht ſie fef 
Nur meinen eigenen Augen kann ich feld ein Mi 
der glauben.” — Der edle Alte befahl feine Zoı 
ſogleich herbeyzubringen. — „Du ſollſt ſie ſe 
mein Sohn! (fpradı er) ſollſt fie ſehen! Erwarten 
noch von meiner Erfenntlichkeit! Vater und To 
foßlen für dich nur leben.” " 

Gern gehorchte Bianca dem väterlichen Gebe 
und erſchien. Eine ſolche Scene kann nicht beſchri 
werden. Capello ergriff ihre beyden Hände, und fd 
fie zufammen in die feinige. — „Seyd verelnit, m 
Kinter!” — flammelte er und umarmte fie thrän 
„Sobald Paolo genefen feyn wird, legt am | 
des Altars die-dießfalls nöthigen Gelühde ab! @ 
glücklich, aber ſeyd ed ohne Geräuſch! Das tft bie: 
zige Bedingung , die ich euch auferlege. Nie müſſ 
bekannt werden, daß ihr Eheleute feyb! Nie verän 
Bianca ihren Nahmen; fie bleibe ſtets bey mir, 
wie du, mein Sohn, im Pallafte des Salviati! £ 
wenn diefer Zwang euch allzu fehr belaftet; wohl— 
fo entferng such, und lebt auf einem meiner & 
guͤter!“ 

Ausſicht auf Bianca's baldigen Befig beſch 
nigte kraͤftig Paolo's Geneſung. Capello hielt 
Wort, und unſere Liebenden wurden verbunden. 
zogen eine zwangloſe, laͤndliche Einſamkeit, we 
ganz für einander leben konnten, einem fo eingeſchr 


—XRX 183 „000 
ten ftädtifhen Aufenthalt ohne Bedenken vor. Ganz 
Florenz wußte fein Wort von ihrer Verbindung. Lange 
Zeit hindurch lebten fie glücklich und vergnügt auf 
ihrem Landgute; lebten ganz, wie man leben fol, 
indem fie der Natur genoflen, und ihren Untertbanen 
wohlzuthun ftredten. 

Ihr But lag an Toscana's Sußerften Grenzen *). 
Franz Il.-aus dem Haufe Medicis pflegte oft fein gans 
ges Gebieth zu durchreiſen, und nahm einft, vom 
Wege abgefommen, fein Nachtquartier bey unferm 
Paare. Die einfache Kleidung einer Pachterinn ſchien 
Bianca's Reizen noch neuen Zuwachs zu geben. Der 
Fürft, der ihre erbabene Geburt Eeinedwegs muth⸗ 
maßte, fand doch bald, daß ihre Erziehung und ihre 
Sefinnungen weit ihren Stand überfliegen. Ihre Ants 
worten befremdeten , ihre Manieren überrafchten, ihre - 
Annehmlichkeiten bezauberten ihn. — „Wie, rief ex, 
in meiner Staaten legtem Winkel liegen fo viel Reize, . 
fo viel Talente uuter der Hülle einer bloßen Bäuerinn 
verftedt!” — Sein Erftaunen wuchs no, als er 
den Paolo ſelbſt erblickte. Fine fo ausgezeichnete, Erafte 
volle Miene glaubte er noch bey keinem Landmanne 
gefunden zu haben. Ehrfurdtsvon ohne Niedrigkeit, 
ſprach Paolo mit fo viel edlem Anftand und mit fo 
richtigem Ausdruck, ald wäre er in bes Hofes erſt en 
Poſten erzogen worden. — — — 


9) Im Original ſteht war: im der Mitse. Doch es muß 
ein Drugfehler feyn ; denn dad Nachfelgende widerlyricht 
pffenbar, 


—— — — 


i on BL wen 

Man Eann nun leicht den Gang errathen, 
der franzöfifhe NRomancier, nachdem er einmahl 
Geſchichte in diefes Geleiſe eingeleitet hat, im Ve 
erwählt, Der Großherzog faßt Hochachtung für P 
und Liebe für Bionca. Seine Bitten werden bey 
Legtern abgewiefen; er entferns fi; aber ihr ! 
verfolge ihn auch an den Hof. Er beruft den Paofı 
fi und überhäuft ihn mis Ehreniteßen. Die flore 
nifhen Höflinge werden natürlicher Weife neidifch 
diefen neuen Günſtling, und er fält endlich, 
ganz ſchuldlot, durch Meuchelmoͤrderhand. 

Getreuer bleibt von nun an der Dichter ber 
fhihte. Der verwitwete Fürſt biethet der verwitw 
Bianca, nahdem er fie abermahld umfonit beftin 
feine Hand an, und nur diefe wırd angenomt 
. Der Eardinal, fein Bruder, empfinder diefen &d 
febr hoch; ſöhnt ſich aber doch zum Schein aus; Ed 
nad Florenz zum Beſuch, und das fuͤrſtliche 
ſtirbt durch Gift. 

An einem einzigen abgeänderten Har 
puncte babe ih unmwiffend dem Franzoſen 
gegnet. Auch fein Cardinal wird in Bianca verl 
und fie verjchmäht ihn. Aber er rächt ſich für 
Abweifung dodurch: daß er Bianca bey ih 
Gemahl zu verleumden fuhrt, der. 
aber nicht glaubt. Mir dünkt es unwahrfd 
lich, daß nach einem ſolchen offenen Schrittg 
Bianca und einer ſo unvorſichtig genommenen, fr 
los gebliebenen Rache, Ferdinand noch länger | 
an Franzens Hof verweilen und des bisherigen 
trauend genießen Eönnen; aber freylich fegen üb: 
etwas die Dichter jenſeits bes Rheins ſich leicht hin 


won 183 em 


Auch bey dem letzten Auftritt (mo Übrigens einige 
ſchoͤne Stellen ſich befinden) gibt es der Unbegreiflich⸗ 
Eeiten mandje. Denn 

„der Grofiderzog empfängt, bedor fie ſich zu Tiſche 

„ſehen, noch einen Brief, der ihn warnt: Heute 
„mit dem Cardinal ja nicht zu effen, weil er fonft 
„Gift empfangen würde, Diefes Billet reiht er 
„ielbft dem Garbinal hin, und ſagt: „Lefet, mein 
„Bruder! Was fol ich thun? — Ferdinand lieſt; 
„aufmerkfam beobachtet ihn Franz: Doch Jener ver⸗ 

„aͤndert Beine Farbe, ſondern fragt nur ganz ge⸗ 

„laſſen: „Meßt Ihe Dem Glauben bey, mein Brus 
„der!” — „Dann würdet Ihr nicht mehr leben. 
„Aber ih Bann fo viel verftocten Sinn nicht in 
„meines Bruders Seele argwohnen. Kommt zur 
„zafel!” ie effen nun Alle von ben nah mlis 
„ben Speifen, und body fterden nur Franz' und 
„Bianca unter den beftigften Schmerzen. — Wer 
„(fo ſchließt jene Novelle) der Urheber dreſer Kata 
„ſtrophe gewefen fey, bleibt noch ein aufzuldjendes 
„Räthfel.” 

Sonberbar, daß ein Dichter, der ſchon fa viel 
Mord und Brand aufgebothen hatte, bier ſich ſcheute, 
das legte Unbegreifliche zu erklären. Doch ih will 
bier nicht tiefer eindringen, nicht der Zweifeldfragen 
noch mehrere aufwerfen. Man könnte fanft alzn leicht 
diefe Mühe für eine ſchlecht verſteckte Eitelkeit halten. 
Genug, daß icy denjenigen Lefern, die Bianta’s Flucht 
und Bonaventuri's Wankelmuth bey mir anftößig fan⸗ 
den, hier einen Weg zur Ausbeugung zeigte. Jede 
genauere Bergleihung fey ihnen ſelbſt überlaffen ! 





yon ı86 erg 


U. 


Derjenige T Tadel, der bey Bianca's erfter Er 
nung den Charakter, oder vielmehr die C hai 
ter-Änderung des Bonaventuri -traf,- 
größten Theild noch ein fehe fanfter, bloß münbt 
ud mir gleichfam nur in dad Ohr geraunter Tade 
wefen. Doch ein zweyter, ber einige Jahre ſpaͤter 
Bianca felbft erging, war ein deſto Iauterer, 
druckter, und fogar mit arhivafifgen Estracten 
legter Vorwurf. 

Her J. P. Siebenkees nihmlich gab 1789 
Rebensbefhreibung der Bianca Capé— 
„de Medici, Großhberzoginnvon Tosca 
aus Urkunden begrbeitet, heraus; ein W 
in welchem er zwar an mehreren Orten meiner Darı 
(ungskraft und Erzählungsgabe. ein weit vortheilha 
res Zeugniß, als fie vielleicht verdient, ertheilt; 
gegen aber äußerft lebhaft wider -die ganze Gattı 
der biftorifhen Romane eifert; und dann 
Bianca’d Biographie insbefondere übergeht, bie 
ter feiner Feder, und nad den Quellen, aus meld 
er fchöpfte, ein Bepfpiel von — erfchlihenem , unr 
dientem Glücke, eine Meifterinn in Betrügerey ı 
Buplerfünften,, ein ſchwarzes Gefhöpf voll Heime 
ja zumeilen fogar voll blutgieriger Grauſamkeit wi 

Ihm zu Folge entfloh Bianca wohl überleg 
Weiſe aus dem Haufe ihrer Ältern,, nachdem fie fd 
perichiedene Monathe hindurd mit Pietro Bonavent 
im genayeiten Einverftändniß ſich befunden hatte, u 
aun die lebende Wirkung davon zu ſpüren begaı 


DUFT 187 Lyy 70) 
Exit unter Weges, als Rückkehr unmdglih war, exe 
fuhr fie, daß ihr Verführer — Fein Salviati ſey; 
hatte aber vorher ſchon, aus Vorfiht, ihrem Vater 
verfchiedene beträchtlihe Jumelen entwendet, die weit 
über zwanzig taufend &cudi im Werthe betrugen, mits 
hin genügſam vor allem Mangel fie fehligten. Won 
Venedig aus geächtet, ja felbft durch Banditen vers 
folgt, verbarg fie fih einige Mpnate lang zu Florenz, 
im Haufe ihrer Schwiegerältern, bis fie endlich (und 
wie Herr Siebenkees muthmaßt, durch einen abſichtli⸗ 
hen Plan,) die Aufmerkfamkeit des Prinzen auf*) 
fih zog, und erft im Geheim, bald darauf oͤffentlich 
genug, ferne begünftigte Freundinn ward. — Ihr 
Gatte, bloß durd ihre Verdienfte zum fürftlihen Käm⸗ 
merer erhoben, und (wie er fich felbft ausdrüdkte,) mit dem 
goldenen Korn auf feiner Etirn gar wohl bekannt, 
verwidelte ſich bald in unkluge Liebeshändel, und 
fiel, nide nur von ihr, fondern auch von dem Prin⸗ 
zen fruchtlos gewarnt, ald eın Opfer feiner Unbefons 
nenheit. Veranftaltet hatte Franz diefen Mord nicht; 
doch daß er darum gewußt habe, geftand er felbft nach⸗ 
ber feinem Beichtiger. Won nun an ward Bianca’s 
Liobesverftändnig mit dem Fürſten noch viel inniger 
und allbelannter. Sie wor der Hauptgrund feiner miß⸗ 
vergnügten Ehe, mit Johanna von üſterreich; ſie 
behercſchte ihn unbeſchraͤnkt, und ward eben dadurch 
bald ber Gegenftand eines allgemeinen Hafles. Um fi, 


*) Cosmo, der Vater von Franz und Herdinand, lebte dar 
mahls noch ; doch Hatte er fin ſchon faR ganz von Eıaatöger 
(däften gurüdgesogen, und fie feinem älteſten Prinzen, 
ald eigemsiihen Regenten, übertragen. 


BIER 188 vum 


Zroß demfelben, im Befiß flichtlicher Huld zu exhai 
regte fir gleichſam Zrug an Zrug, Ränke an Ränke. 
gewann tıe Freundſchaft von Franzens Schweſter 
fie wußte den Cardinal Jerbinand, der bisher ſtets 
feınem Sruder (obfhon, wie Herr G. verſichert, 
ne jeın Verſchulden) im Zwift gelebt, eine Meng—⸗ 
ſcheinender Zienite zu leiften, und badurd fein Zutte 
zu erhalten; fie ertichrete, um ihren Belichten 

ſtärker an fih zu feileln, eine Schwangerfhaft; | 
einen Sohn unter, und ließ naher alle Diejemi 
die um ihr Geheimniß wußten, durch menmigl 
Hinterlut umbringen. DVergebens , daß der Graf 
zog von verfgiebenen Seiten Warnung wegen bi 
Berrugs erhielt! Er glaubte doch nur ihre. Ja, 
fie na einigen Jahren tiefe Unterfhiebung ihm 1 
geſtand, fuhr er gleihmohl fort, den fen ein ® 
anerkannten Don Antonio als feinen Sohn zu 
tramten. 

Bald naher ging ein neuer Hoffnungtflern 
of. Johanna von Orterreich ſtarb, nad langem K 
keln Aud an ihrem Tode gab ter Ruf Bianca 

mittel? are Schuld. Die Zuritinn hatte den mg 
bes Großherzegs mır der Venetianerinn für geen 
geraiten, batte jogar eıniges Zurrauen gegen 

ehemahlige Nebenbuhierinn gefaßt. Unerwartet be 
nete ſie Terjelben ın einem Wagen mit bem © 





', Deuna Ziedella, "ermärit mit Jordan Orliai, — 
Dane, auszegeichnet durch tauſead lichenswärdige E 
ſchaften, aber unglüdlich durch bie Gıferfunt sheet 
mahts und durch eigene Build. Denn er (il Be, 
gcaauen Umgangs mit feinem Reffen wegen, ambrü 


won 180 mom 
herzog; ihr Argwohn erwachte von Neuem; fie rief 
Bianca einige bittere Worte zu, und verfiel von Ztund' 
an in eine Schwermuth, die binnen wenigen Zagen 
ihr ohnedieß ſieches Leben endete. Bianca konnte ıbre 
Freude Über diefen Tod nicht bergen. Franz hatte ihr 
die Ehe verfproden; ihr Zutrauen, daß er Wort hal: 
ten werde, wuchs, da er verichiedene andere, ihm ans 


getragene Verbindungen autfihlug. Aber feine treueften - 


Minifter und fein vertrautefter Gewiffensrath thaten 


ihm fo dringende Vorftelungen; fein Volk bezeigte 
fo laut den bitterſten Unwillen gegen bie Witwe eines 
Kaufmannsdieners; daß der Großherzogbald in ſei⸗ 
nem, aflerdings [bon gefaßten Vorhaben wankte. Er 
. fhien zum völligften Bruch mit feiner Gchebten ent⸗ 
fhloffen ; fihien ihr denfelben fhon angekündigt zu 
haben, und fuchte eben deßhalb fih durch einige kleiue 
Reiſen zu zerftreuen. Bianca felbft, nachdem fie oft 
in Briefen ihn fruchtlos beſchworen hatte, bereitete 
ſich ſchon, Florenz ganz zu verlaffen. Doch als der Fuͤrſt 


in feine Hauptftadt zurückkehrte, erfhütterte ein Be⸗ 


fud der Geliebten Franzens Standhaftigkeit; ein von 
ihr beftochener Mönch beruhigte fein ohnedieß leicht zu 
beruhigendes Gewiffen; und als fie zumahl in ‚einer 
Heinen Krankheit mit äußerfter Sorgfalt ihn gewartet 
hatte, &geihte er ihre, zum Dante, wirklich ſeine 
Hand. 

Noch verblieb dieſe Ehe, bis zum Verfluß des 
uͤblichen Trauerjahrs, ein Geheimniß, dann aber made 
te Sranz fie bekannt; und ald, auf.ein Schreiben von 
ihm, der Senat von Venedig Bianca zur Tochter der 
Mepubliß erklärte, da ward fie als folhe bey einem 
praͤchtigen Zefte mis einem Aufwande, den man zu 


wer 190 —R 
einer Million Seudi anſchlug, oͤffentlich gefränt 
fentlich als Großherzoginn ausgerufen. Nicht 
Vorwiſſen des Cardinals Ferdinand geſchah alles 
aber es mißfiel ihm auch gewaltig. Als Beyſchlaͤfe 
ſelbſt als heimlich angetraute Gattinn hatte er fa 
Bruder Bianca gern gegönnt; doch fie nun als 
Schwaͤgerinn anerkennen zu müffen, Das bünfte 
eine berbe Schmach; und er äußerste fi. bey mei 
Gelegenheiten bitter genug darüber. Aber die fd 
Bianca vergalt nicht Feindſchaft mit Feindſchaft. 
ſtrebte vielmehr durch Ausführung des brüderfichen ; 
ſtes fih ein wechfelfeitiges Verdienft zu erwerben ; 
ed gelang ihr vollfommen, Ferdinand, der, von 
nem Bruder eingeladen, einen ganzen Winter 
Florenz hinbrachte; der ſich mehr als jemahls von 
zuvorkommend behandelt, um Rath befragt und 
ſchenkt ſah, ertbeifte Bianca laut ben ehrenvr 
Nahmen einer Wiederberftellerinn der Ruhe in fe 
Familie. Mit faſt gleicher Klugheit geb fie in Irr 
gen mit dem päpftlihen Stuhl, dem Senat von ! 
nedig, und dem Herzog'von Mantua *) die Verm 
lerinn ab; immer wußte fie Auswege zu treffen, 
welden fie ihred Gemahls oft zu raſchen Charakter 
lenken, fein Anfangs gefunkenes Anfehen auswartig 
mehren vermochte. Ihre Gegner feldft —— 
Zeugniß ertheilen, daß durch Maßregeln, Eozu 


*) Am merkwürdigſten — oder wenigſtens am feltfamften ı 
dieſe Lentere. Es kam auf nichts weniger an, als daß 
Deren erſt feine Mannbarkeit durch Thatbandlungen 
Braftige » bevor er ter Gatte einer Horentinifden Ye 
seffinn werden könne. j 


PR ıgı esshn 


gerathen, das Anfehen des Haufes Medici in Stalien 
ausnehmend gewadfen, der Einfluß bes ihm feindli⸗ 
ben Geſchlechtes der Farneſe merklich gefunfen fey. 
Pur einen fehr nahen ‚ bittern, ſchmähſüchtigen 
Feind vermochte Bianca nicht mit fih auszufähnen, 
und diefer war — das Volk von Florenz felöft. Uners 
traͤglich duͤnkte es dieſem, daß die Witwe eines Bür⸗ 
gerlichen, eine Perſon, die man als die Verführer 
rin des Großherzogs, als bie einzige Urfache feines 
Mißmutdbs in erfter Ehe betrachtete, jeßt den Fuͤrſten⸗ 
ang mit ihm theilen folle. Die Gefälligkeit, die er 
gegen fie bejeigte, die große Pracht, die er bey ihrer 
Krönung verfhmwendete, die anfehnlihen Summen, 
die er auf Verfhönerung ihrer‘ Lieblings : Billa ver, 
wandte, wurden mit feiner ehemahligen Sparfamkeit 
und Unfreundlichkeit gegen Johannag von Oſterreich 
verglichen, und Bianca zum Vorwurf gemacht. Man 
beſchuldigte fie, eine große Goͤnnerinn von heinilichen, 
überall zerſtreuten Kundſchaftern zu ſeyn. Man klag⸗ 
te ſie der ungereimteſten Grauſamkeit *), ja ſelbſt 
der Zauberey an. Jeder Gunſtling des Großherzogs, 
der das Land drückte, galt auch ſofort für ihren Be⸗ 
ſchützten; jede Unbilligkeit, die etwa vorfiel, für ihre 
Schuld. Wiewohl ſie ihren Bruder Victor, da ſein 


) Man zeigte noch lange Zeit nad Ihrem Tede in ihrer Bile 
la zu Pratalino ein Zimmer, il Stillatojo di Bianca 
genannt , in welchem fie Heine Kinder Aber fiedended Waf 
fer aufgebangt und von dem berabtriefenden Zette diefer 
Unglüdiihen eine Schminke ih zubereitet haben follte. — 
Abgeſchmacktheiten Diefer Art widerSegen fi von ſelbſt, 
seigen aber auch, welche grundlofe Erbitterung gegen fie 
obwaltete. 


vo 192 vosen 


Betragen den Florentinern mißfiel, ſelbſt entfernen 
half, — wiewohl fie nichts verabſäumte, um ber.gri 
fern Menge ſich beliebt zu maden; dennoch perblieh 
man bartnädig im Haſſe gegen Diefelbe; und auch ben 
innern Frieden bed regierenden Hauſes bedropte bal⸗ 
nachher eine neue Zerrüttung. 

Don Philipp, des Großherzogs einziger Sehr, 
mit Sobanna von Hfterreich erzeugt, flarb (1582) al 
Kind; das Jahr darauf erklärte Franz den Don Ans 
tonio — jenen.angeblic) untergefhobenen Sohn Bian⸗ 
ca's, — für fein eigenes rechtmaͤßiges Kind, und ver 
fwaffte ihm von Spanien her, den Titel eines Prinzel 
von Capeſtrano. Ferdinand beforgte daher: Bianca 
werde nicht ruhen, bis ihr Gemahl ihn auch zum Made 
folger in der Regierung erkläre; und fichtlich erkaltete 
er von nun an in der Freundſchaft mist ihr. Anbere 
Gerüchte gaben feinem Argwohn auch eine andere Lem 
tung. Es verbreitete fi mehrmapls bie Sage: daß 
Bıanca fhmwanger ſey. Der Großherzog felbft ſchien 
ein Mahl davon ganz überzeugt zu ſeyn. Nach Ferdi⸗ 
nands VBermuthung war nichts gewiſſer, als daß Bian⸗ 
ca das Epiel der Unterfhiebung noch ein Mahl fpielen 
werde. Er trug es feinem zweyten Bruder, Deren 
der zwar fonft gewöhnlich in Spanien lebte, jetzt aber 
einige Zeir in Florenz jih befand, dringend auf: je 
nicht fo bald ſich wieder zu entfernen, und wohl Acht 
zu geben, was vorgehe. Doch diefer Argwohn ber 
Brüder kam bald au zu des Großherzogs Kundfchaft, 
und beleidigte ihn höchlich. Won der Schwangerfchaft 
feinge Gemaplinn feit, weit feſter als fie felbit über. 
zeugt, lud er den Cardinal fchriftli ein, ſelbſt nad 
Florenz zu fommen, und ein Zeuge von ber Mieders 

kunft 





voor. 195 on 

Eunft feiner Schwägerinn zu feyn. Diefer ſchlug es aus, 
weil er jenen Argwohn ganz — abläugnete. Es gab 
einen Briefwechſel mit Beleidigungen auf beyden Sei⸗ 
ten. Ein Paar Monathe darauf ſchwand die frohe Er» 
wartung des Grofherzogs gänzlich. Bianca's vermeinte 
Schwangerſchaft ging in eine Krankheit Über, die ihre 
Leben zu enden drohte, und nur mühfam gehoben ward. 

Auch bey diefen Vorfallen hatte Bianca ſteis ſich 
aufs Elügite betragen ; hatte‘ won ihrer Schwanger 
ſchaft fters in einem zweifelhaften, mehr beforgfichen 
als hoffzuden Tone geſprochen; hatte gegen Don Per 
ter mündlich, gegen ben Cardinal ſchriftlich fich erklärt, 
daß ſie fich eher Eranf als in der Hoffnung zu fepn ver⸗ 
muthe; batte zu.eben der Zeit, da ihr Gemahl äußerſt 
hart an den Bruder ſchrieb, ſich ſtets gegen ibn fo 
fanftmüthig ald möglich ausgedrückt, und hatte dafür 
auch am Ende die ehrenvollfte Genugthuung. Denn 
da der Cardinal gar bald verfpürte, wie nachtheilig ihm 
diefer Zwift mit feinem Bruder werde; wie fehr vor⸗ 
züglich dadurch fein Anfehen und Einfluß beym vpaͤpſtli⸗ 
chen Hofe fine; dba wandte er fih an Bianca felbit, 
und bath um ihre Vermittelung, ihn mit dem Großher⸗ 
zog — bey dem er nur verleumdet worden ſey — aus⸗ 
zuföhnen. Mit Freuden ergriff die Schlaue Liefe gün⸗ 
ſtige Gelegenheit, ein neues Verdienft in ben Augen ber 
Welt und felbit ihrer Gegner fih zu erwerben. Sie trat 
daher mıt dem Erzbifhof von Florenz in ein Verftänds 
nig. Erit als Diefer, ein ehrwürtiger, von Fran 
geachteter Prälat, das Herz des Fürſten durch triftige 
Vorſtellungen ſchon erweicht hatte, trat auch Bianca 
in’s Gemach, und vollendete durd ihre innigite Bitte 
den Entſchluß der Vergebung. Die felbft ward bevolls 
Meißners Bianca Cap. 2. Thl. N 


— 


XRXRXXx 194 [u 


maͤctigt, dem Cardinal Dieß zu melden. Eine an 


che Geldſumme, ihm lange verweigert, ward 
ſchickt. Zum Siegel der Eintracht ward nichts 
verlangt, als daß Ferdinand perſoͤnlich nach F 
komme. | 
Damahls gab ed zu Bianca's Lobe nur 
Etimme. Ein großer Kenner ber Menfchen ur 
Hofränke, der fhlaueite Mann, der je den püpf 
Stuhl bekleidet und ganz durd) eigene Liſt dara 
gefhwungen hatte — Sixtus V. erklärte das Bet 
Bianca’s für ein Meifterftüf der GtaatsEunft. 
Wunſch, fie perfönlid Eennen zu lernen, bewe 
fogar zu dem Entfhluß, auf einer Reife, bie e 
Padua zu unternehmen Willens war, auch dei 
von Florenz, mit feinem, Beſuche zu beehren. X 
traf ſchon zu feinem Empfange die practigften 2 
ten. Die Eiferſucht der übrigen italiöniſchen Fü 
die an Se. Paͤpſtl. Heiligkeit eine fruchtloſe Eint 
ergeben ließen, machte zwar, daß die Neije-nod 
gefhuben ward; doch wäre fie wahrſcheinlich fpäte 
wirklich vor fih gegangen, hatte nicht die bald & 
folgende Kataftrophe Alled unterbrogen. 
Ferdinand, als er, bald nad) der Ausglei 
mit feinem Bruder, zu Florenz eintraf, ward vo 
und Bianca mit einer Zärtlichkeit empfangen, bi 
Überreite ehemahliger Unernigkeit wohl hätte ve 
hen können. Franz bath fogar feinen Bruter wege 
beriger Härte um Verzeihung; verfprad alles 
wohns ſich zu entfchlagen; und zwifhen den Haͤr 
des Medizeifchen Haufe fhien das engfte, dau 
teile Freundſchaftsbuͤndniß geſchloſſen zu feyn. 
Trüglicher Anſchein! In den erften Tagen bi 


wre 1 95 —RX 


tobers war Ferdinand nach Florenz gefommen;; bald 
daranf derreiften ſie Alle zufammen, auf eine Villa zu 
Pogaio a Cajano, die Franzens Herbflanfenthalt zu feyn 
pilegte, Bianca both dort jedes Vergnügen der Jahres⸗ 
zeit auf, um ihren Gaſt zu erfreuen. Doch fhon am 
dreyzehnten October erkrankte der Großherzog. Seine 
Krankheit, eın dreytägiges Fieber, fhien Anfangs ganz 
ungefahrlich zu ſeyn; doc fein Eigenſinn, der allen 
March ver Ärzte verachtete, und im Gebrauch ber Speis 
fen ſich nie mäßigte, verwandelte es bald in eine his 
tzige Krankheit; (%) und fhon am achten Zuge, nach⸗ 
tem er den Gartınal zu feinem Nachfolger ernannt, 
feine Gemahlinn, den Don Antonio und feine vor⸗ 
nebmijten Näche ihm empfohlen hatte, verſchied er. Zwey 
Tage nad) ferner Erkrankung überfiel Bianca ein ähns 
liches Übel, das aber bald alle Anzeichen naher Tödt⸗ 
lichfeie begleiteten. Der Hintrist ıbres Gemahls ward 
ihr zwar auf Ferdinands Ihonenden Befehl verborgen 
gehalten; doch errieth fie ihn aus der ungewöhnlichen 
Unruhe im Pallajt und den thränenvollen Bicken ihrer 
Wärter. Ferdinand befuchte fie nod ein Mahl nad feis 
nes Bruders Tode, und ſprach ıhr Muth ein: aber fie 
fuhlte ihr berannabendes Ende, dankte ihm tiefgerührt 
für.feine Sreuntfhaft, empfahl ihm ihren Zohn, und 
ſtarb, neungehn Stunden nad dem Erblaffen ihres Ges 
mahls. Zhr Leihnam ward zwey Tage darauf nad) Flo⸗ 
ren; abgeführt, und allda von eınem anfehnlichen Theil 
der Prieiterihaft, von der deutſchen Leibgarde und dem 
ganzen Hofitaute empfangen. Nach gefchehener Erxöffs 
nung — die in Gegenwart ihrer näditen Blutsoer⸗ 
wandten geſchah, und wo ulle innere Theile ın großer 
Zerrüttung gefunden wurden — brachte man ihren Körs 
N 2 


mon 106 num 

ver mit feyerlihem Zuge in die St. Lorenzo « Ki: 
und itellte fie auf dem Gerüſte zur Schau, we 
zwey Tage früher für ihren Gemahl errichtet word 

Alles diefes war dem Range einer wirklichen & 
berzoginn angemeffen! Doc, ald man nady verrichte 
Zodtenamte den ‚neuen Regenten fragte: ob fie fl 
fih mit der Krone ausgejegt werden follte? gab er 
Antwort: Sie bat die Krone lange genug getra 
Und als man weiter nachforſchte: wie es mit ihrem 
graͤbniß zu halten fep® erwiederte er: Wie ihr we 
Nur in unfere Oruft begebre ich lie nicht. — Ferbinc 
Feindſchaft war nun erklärt genug. Man beftattet: 
daher in der Stille und in die große Gruft unter 
Lorenzo » Kirhe, — Wenige Tage darauf warb, 
Serdinands Befehl, ihr Wapen von allen öffentfie 
Gebäuden abgeriſſen, und durch das Wapen der Bi 
reihifhen Johanna erfegt. Don Antonio ward ef 
falls durch eine eigene Urfunde— in welder man fü 
Muster ein Paar Mahl lapessima Bianca fhalt — 
ein untergefbobenes Kind erklärt ; gleichwohl (mel 
fonderbare Widerfpruh!) erbte er, ald Sohn‘, eu 
Zheil ihrer Juwelen, und dreyßig taufent Scudi. 
Übrıges Gefhmeide und bares Geld gelangte an i 
Tochter und ihren Water. Erft nad) geraumer Friſt no 
der Großherzog eben diefen öffentlıh fo beſchimof 
Don Antonıo wieder feyerlihit in dad Mebizeiiche C 
ſchlecht auf; erklärte ihn für feinen Neffen; forgte 
ihn wie für einen abgefundenen Prinzen, und verſch 
te ihm die Stelle eines Großpriors ım Malthefer: 1 
den. Auch Bianca's Water bekam dann ein anfehı 
ches Jahrgeld, und alle ihre entlaſſene Dienerfch 
ward veichlich beſchenkt. 


XIXXXXXXX 


wa 107 we 


Dieß ift ein getreuer Auszug von Bianca’ Ges 
ſchichte, wie Herr Siebenkees fie geliefere bad. Daß 
in ihr die Begebenheiten ſowohl, als auch die Cha⸗ 
vaftere der handelnden Perfonen, beträchtlich von meiner 
Darftelung abweichen, ergibt ſich gleich auf den erften 
Blick; und darüber, daß fie fo abweiden, it mir in 
mancher fpatern Kritik, zum Theil nur gelegentlich , 
zum Theil auch ernftlih genug, eine Erinnerung ges 
macht worden. Mic) deffalls zu rechtfertigen, oder zu 
entſchuldigen, ſahe ih, wenn ich jetzt anders Luft zu 
langen Erdrterungen hätte, mehr ald einen Weg vor 
mir. Der nächfte und kuͤrzeſte ware wohl, daß ich jene 
Kritiker bäthe, etwas genauer fi zu erinnern: wann 
ich zuerit diefe Arbeit unternahm. 

Über Bianca’ Schickſalen ſchwebte fange — wie 
Herr Siebenkees ſelbſt erwähnt, und zur größern Ver⸗ 
dienftlichBeit feiner Arbeit beraushebt, — eine dunkele, 
verdrieflihe Ungemwißbeit. Alle Kahrbücher von Flo⸗ 
ren; (wenn man ein einziges Werk von ſichtlicher Par⸗ 
teplichkeit ausnimmt), gedachten ihrer: nur im Vorüber⸗ 
geben, oder vielmehr mir auffallender Ausbeugung. Nur 
einige fogenannte geheime Geſchichten, freylich durch 
mande Ausmwüchfe entftellt, und keineswegs mit dem 
Gepraͤge durchgaͤngiger Glaubwürdigkeit‘ geftempelt, 
gingen von ihr in der Handfhrift herum. Mit ihnen 
mußte man fid) begnügen, da es an einer Biographie 
nach geprüften®ewährsmännern ganz gebrach. Erit unter 
ber , für Florenz in vielfaher Ruͤckſicht ſegenreichen 
Negierung Peter Leopolde wurden Denen, welde der 
Geſchichtskunde ih widmeten, Staatszugange geäff- 
net, die man bisher ſorgſam verſperrt hatte. Nun erſt 
gewann die Geſchichte des Hauſes Medici — das man 


— 198 — 
ſo oft ſchon bis zum Himmel erhoben, und doch ſo ſel⸗ 
ten nur gekörig geſchildert hatte, — eine ganz nenue 
Beleuchtung; und jetzt, wenn ih nidt irre, war Ga⸗ 
Inzzi der Erfte, der, in feiner 1781 erideinenten flos ' 
‚xentinifhen Gefdichte, auch Bianca’s Schickſale weit⸗ 
läufiger, obſchon freylich nicht zu ihren Gunſten ers. 
zahle *), lieferte. Ihm folgte dann erſt, acht Zahre 
fpäter, Herr Siebenkees, nach, und auch Dieſem wurs 
ben viele Privat⸗ und Staatsunterſtützungen zu Theil. 
Daß ih, fern von Florenz Bücheriammiungen und . 
Archiven, nit eines ähnlichen Vorſchubs mich erfreuen 
Eonnte ; daß ih, — der ich überhaupt nit Bianca's 
pragmatiſche Gefchichte, fondern nur ein Werk, von. 
NRührung ausgegangen und wieder auf Rührung abs 
zweckend, liefern wollte, — mich nicht in fange, kri⸗ 
tiſche Unterſuchungen, die meine Empfindung vielleicht 
abgekühlt hätten, einließ; und daß id) endlich 1778 
Bücher nicht benüßte, die fo viel fpater erft gefchrieben 
wurden; alles Dieß jind Umijtände, die fih wohl durch 
fi felbft rechtfertigen. | 

„Aber warum (könnte man weiter mid) fragen)‘, 
„hoblte ich nicht bey der zweyten Auflage, warum nicht 
„wenigiiend jetzt Dasjenige na, was ich freplih An⸗ 
„fangs verabfaumen mußte! Warum babe ich niche 
„nunmehr, da mid Herr Siebenkeed durch Urkunden 
„belehrt, daß Bianca durchs ganze Leben eine — Be⸗ 
„trügerinn gewefen fey, ihr den Nimbus abgenommen, 
„der Feineöwegs für ihr Haupt gehörte? Warum habe 
„ich immer ned den an ihrem Tode fo ſchuldloſen Care 


a 


) Herr ©. ſeibſt werfühert (&. XVI. der Vorrede), daß em 
als ein ber Bianca abholder FSlorentiner ge 
ſchrieben babe. u 


> | | 
\ 


u 

„dinal und nachherigen Großherzog Ferdinand (nach des 
„Herrn Siebenkees Ausdruck), als ben ſchlimmſten Lot⸗ 
„terbuben auftreten laſſen?“ — Wenn ich hierauf ganz 
nah Würden antworten wollte, fo müßte ich vor als 
len Dingen umſtändlich mein Glaubensbekenntniß über 
die Grundſätze des hiſtoriſchen Romans abs 
legen; müßte genauer erörtern, was ich bey ihm für’ 
wefentli und für zufällig, für erfprießlich und auch 
für bloß — erlaubt halte, Und wohl möglich, daß diefe 
Darftellung. nicht ganz verdienftlos wäre! Immer noch 
ift über diefe, bey uns Deutfhen, feit einiger Zeit fo 
vielfültig ‚ausgeübten, und auch ‚nicht felten gemiß« 
braudten, bey einem großen Theil des leſenden Publi⸗ 
kums begünftigten, von drey Viertheilen der Kunſtrich⸗ 
ter aber. gemißbilligten Dichtart aͤußerſt wenig mit rue 
higem, ſcharfen Blick unterſucht, und mit anfländigem: 
Tone geſagt oder geſchrieben worden. Eine Theorie, 

bie man, nicht etwa genügend, ſondern nur not h⸗ 

dürftig nennen könnte, findet ſich von ihr nirgends. 

Selbſt einige, an fi fchäbbare Aufläße — worunter 
fih der Seßterifche in der deutfchen Monatheſchrift vor⸗ 

theilhaft auszeichnet. — haben die Hauptfrage: Wie 

weit darf die romantifhe Daritellung von der wirklichen 

Geſchichte abgehen F oder: Bis zu welchem Grade darf’ 
Wahrheit der Wirkung aufgeopfert werden ? bey Wei⸗ 

tem nicht gebörig auseinander geſetzt. So wenig ich 

mir fhmeicheln kann, hierüber ein unt rüglich es Ur⸗ 

theil zu fällen, fo wenig ſelbſt meine Meinung für u ns 

befangen geiten dürfte, ba ich zuweilen für meine: 
eigene Sache fprehen würde, fo war ich doch längft 

ſchon gefinnt, einige Bemerkungen, aus Erfahrung 

geihöpft, einige Gründe, mit Muße durchdacht, ber 


' 200 — u 


Prufung billiger Kritik darzulegen, und ben flreiti 
Dunct der Entfcheidung wenigitens naͤhet zu bring 
ja, ich würde es gleich jegt ıhun, wäre es nuren 
mit einer Unterfuchung verbunden, die durchaus 
wenig in's Weite geben muß, und die mir unfd 
lich für einen bloßen Anhang, allzu ernft für 
Merk, der bloßen Unterhaltung beftimmt, dünkt. 
verſpare daher Alles, was ich über diefen Stoff auft 
Herzen babe, für ein eigenes Eleined Werk, das wa 
fheinlich bald an’6 Tageslicht treten dürfte; Fann n 
aber doch nicht enthalten, ein Paar der allererfien € 
banken, die Herrn Siebenkees Biographie in mir ı 
anlafte, bier noch mit anzuführen. 

Daß Here Siebenkeed zum Leben ber Via 
viele Nachrichten geliefert, deren wir bis dahin ga 
oder wenigftens in der Umſtaͤndlichkeit entbehrt 
baß er ſich dabey folder Hülfsmittel bedient, ‚Die | 
allen feinen Vorgängern abgingen, und wovon ei 
ge allerdings fehr ſchätzbar waren: daß er bey fei 
Arbeit Mühſamkeit mit Einficht verband, und anf! 
Dank der Gefhichtsfundigen, auf ein Citatum in Eh 
tigen Staatengeſchichten Anſpruch fid erwarb, — D 
alles wird wohl Niemand ihm abfprehen. Doc daß 
mit UnparteplichEeit gefchrieben ; daß unter feinem © 
fel Bianca Dırjenige geblieben, die fie in der Wirkli 
feit war; daß er, der gegen den biftorifhen Rom 
fo öftere und bittere Ausfälle thut, fich felbft von. 
Ier romantifdyen Erbichtung frey erhalten babe; bav 
Fann ich mich Eeinesmegs überzeugen. 

Klinge es immer für den erften Augenblick etn 
abenteuerli , etwas gefucht parıbor! Aber gerad 
daß Herr Siebenkees ſo diel aus arch iv al i ſ ch e n No 


J 


wer 208 vum 
richten, und mit fo vollem Zutrauen auf diefelben ents 
lehnt, ſchwächt feine Glaubwürdigkeit in meinen Augen 
beträchtlich. Der bloße Plag in Archiven (Das weiß ich 
aus achijähriger eigenen Erfahrung) gibt den bier aufs 
bebaltenen Papieren nicht ein Haarbreit Wahrheit 
mehr, als fie ohnedem befißen. Unendlih mehr Eommt 
darauf an: Wann, von wem, und unter wels 
hen DVerhäftniffen fie niedergelegt wurden ? Was 
ein Regent, oder eine Regierung überhaupt, zu fams 
meln und aufzubewahren gebiethet, von Dem laßt ſich 
fhon, ber Natur der Sache nad, mit höchſter Wahr⸗ 
fheinlichkeit vermuthen, daß es nichts dem gebierheits 
den Theile Ungünftiges in fid enthalten werde. Wenn 
es aber zumahl die Angelegenheiten einer Perfon bes 
trifft, die der Regent todelich haft; wenn es zu einer 
Zeit gefhieht, wo diefer Legtere gewaltthätige Maßre⸗ 
geln ergreift, um feine Race zn befriedigen, und wo 
er doch eben diefe Rache gern im Auge der Nachwelt 
befhönigen möchte, — wer kann bann- Papieren bier 
ſes Schlages, und wenn zehn fürftliche Ziegel fie ſtem⸗ 
gelten, wenn fie hundert Mahl die Form eines gerichts 
lihen Verhoͤrs an fih trugen , viel Glauben beymefs 
fen? Gleichwohl treffen alle diefe Umftände bey einigen 
fogenannten Urkunden zuſammen, aus welden der 
Verfaſſer gerade feine härteſten Anklagen gegen Bigns 
ca, die Befhuldigung des Betrugs und der grauſam⸗ 
ften Mordanfihläge hernimmt. Alle Papiere, die Dieß 
zu begründen feinen, wurden auf Ferdinands Bes 
fehl niedergelegt’; zu der Zeit niedergelegt, als ihn 
(nach des Verfaſſers eigenem Geftändnif) ein Schwarm 
von Bianca's Feinden und Anklägern umringte; als 
er ſich erft feft auf den ererbten großherzoglichen Stuhl 


vo. 192 son 
Betragen den Slorentinern mißfiel, felbft entfer: 
half, — wiewohl fie nichts verabfälmte, um der. g 
fern Menge ſich beliebt zu machen; dennoch yerb 
man hartnädig im Haffe gegen Diefelbe; und auch 
innern Frieden des regierenden Hauſes bedrohte 6 
nachher eine neue Zerrüttung. 
Don Philipp, des Großherzogs einziger &o 
mit Johanna von Ofterreich erzeugt, ftarb (1583) 
Kind; das- Jahr daranf erklärte Franz den Don ] 
tonio — jenen.angeblich untergefhobenen Sohn Bi 
cas, — für fein eigenes rechtinäßjged Kind, und: 
fnaffte ihm von Spanien ber, den Titel eines Prin 
von Gapeitrano. Ferdinand beforgte daher: Bia 
werde nicht ruhen, bis ihr Gemahl ihn aud zum Ne 
folger in der Regierung erkläre; und ſichtlich erkalt 
er von nun an in ber Freundfchaft mis ihr. Ant 
Gerüchte gaben feinem Argwohn auch eine andere £ 
fung. Es verbreitete fi) mehrmahls die Gage: | 
Bıanca ſchwanger fey. Der Großherzog felbft fd 
ein Mahl davon ganz überzeugt zu feyn. Nach Fe 
nands Vermuthung war nichts gewiſſer, ald dag Bi 
ca das Epiel der Unterſchiebung noch ein Mahl fpie 
werde. Er trug ed feinem zweyten Bruder, Pet 
der zwar fonft gewöhnlich in Spanien lebte, jet a 
einige Zeit in Florenz ſich befand, dringend auf: 
nicht fo bald ſich wieder zu entfernen, und wohl ? 
zu geben, was vorgebe. Doch diefer Argwohn 
Brüder kam bald auch zu des Großherzogs Kundfch, 
und beleidigte ihn höchlich. Won der Schwangerfä 
ſeiner Gemahlinn feit, weit feſter als fie felbit ül 
zeugt, lud er den Cardinal ſchriftlich ein, felbft n 
Florenz zu kommen, und ein Zeuge von ber Miet 
$unfi 


a voon 199 woran 
Eunft feiner Schwägerinn zu fen: Diefer ſchlug es aus, 
weil er jenen Argwohn ganz — abläugnete. Es gab 
einen Briefwechſel mis Beleidigungen auf beyden Sei⸗ 
ten. Ein Paar Monathe darauf ſchwand die frohe Ers 
wartung des Großherzogs ganzlid. Bianca's vermeinte 
Schwangerſchaft ging in eine Kranfpeit über, die ihr 
Leben zu enden drohte, und nur mühſam gehoben ward. 
Yu bey diefen Vorfallen hatte Bianca fters ſich 
auf's Elügite betragen ; hatte‘ won ihrer Schwanger: 
{haft ftets in einem zweifelhaften, mehr beſorglichen 
als hoffenden Tone gefprocden ; hatte gegen Don Per 
ter mündlich, gegen den Cardinal fchriftlich ſich erklärt, 
daß fie fich eher krank als in der Hoffnung zu ſeyn vers 
muthe; hatte zu eben der Zeit, da ihr Gemahl üußerff 
hart an den Bruder fehrieb, fih ſtets gegen ihn fo 
ſanftmüthig als möglich ausgedrückt, und hatte dafür 
auch am Ende bie ehrenvollfte Genugtfuung. Denn 
da der Cardinal gar bald verfpärte, wie nachteilig ihm 
diefer Zwift mit feinem Bruder werde ; wie fehr vor- 
züglich dadurch fein Anfehen und Einfluß beym päpftlis 
den Hofe fine; da wandte er ſi bh an Bianca felbit, 
und bath um ihre Vermittelung, ihn mit dem Großher⸗ 
zog — bey dem er nur verleumdet worden fey — aus⸗ 
zuföhnen. Mit Sreuden ergriff Die Schlaue dieſe güns 
ſtige Gelegenbeit, ein neues Verdienſt in den Augen ber 
Welt und felbit ihrer Gegner fi zu erwerben. Sie trat 
daher mıt dem Erzbifhof von Zloren; in ein Verftänds 
nig. Erit als Diefer, ein ehrwürtiger, von Franz 
geachteter Prälat, das Herz des Fürſten durch triftige 
Vorſtellungen [bon erweicht hatte, trat auch Bianca 
in's Gemach, Und vollendete durch ihre innigite Bitte 
den Entfhlug der Vergebung. Sie felbft ward bevoll⸗ 
Meißners Bianca Cap. 2. Thl. N 


2* 


— 194 — 
maͤchtigt, dem Cardinal Dieß zu melden. Eine anf 
“he Geldfumme, ihm lange verweigert, warb r 
ſchickt. Zum Siegel der Eintracht ward nichts m 
verlangt, ald daß Ferdinand perſonlich nad 51 
fomme. 

Damahls gab es zu Bianca's Lobe nur 
Stimme. Ein großer Kenner der Menfchen uni 
Hofränke, der fhlauefte Mann, der je-den päpfti 
Stuhl bekleidet und ganz durd) eigene Liſt daran 
gefhwungen hatte — SirtusV. erklärte das Bet: 
Bianca's für ein Meiſterſtück der Staatskunſt. 
Wunſch, fie perfönlic Eennen zu lernen, bewo; 
fogar zudem Entfhluß, auf einer Reife, die er 
Padua zu unternehmen Willend war, auch den 
von Florenz mit feinem, Befuche zu beehren. B 
traf ſchon zu feinem Empfange die präctigften A 
ten. Die Eiferſucht der übrigen italiöniſchen Für 
die an Se. Päpftl. Heiligkeit eine fruchtloſe Eint: 
ergeben ließen, machte zwar, daß die Reiſe moch 
gefhuben ward; doch wäre fie wahrſcheinlich fpäten 
wirklich vor fi gegangen, hatte nicht die bald de 
folgende Kataftrophe Alles unterbrochen. 

Serdinand, ald er, bald nad der Ausglei 
mit feinem Bruder, zu Florenz eintraf, ward vor 
und Bianca mis einer Zärtlikeit empfangen, Di 
Überreite ehemahliger Unernigkeit wohl hätte ver 
hen Eönnen. Franz bath fogar feinen Bruder wege: 
beriger Härte um Verzeihung; verfprady alles 
wohn fi) zu entfchlagen; und zwifchen den Hau 
des Medizeiſchen Hauſes ſchien das engfle, dau 
teſte Freundſchaftsbuͤndniß geſchloſſen zu ſeyn. 

Trüglicher Anſchein! In den erſten Tagen bi 


er ' 77 5 1 95 vr. 


tobers war Ferdinand nach Florenz gefommen; bald 
darauf verreiften ſie Alle zufammen, auf eine Villa zu 
Poggio a Cajano, die Franzens Herbſtaufenthalt zu feyn 
pflegte, Bianca both dort jedes Vergnügen der Jahress 
zeit auf, um ihren Gaſt zu erfreuen. Doch ſchon am 
dreyzehnten Dctober erkrankte der Großherzog. Beine 
Krankheit, ein dreytägiges Fieber, fhien Anfangs gang 
ungefährlich zu feyn; doch fein Eıgenfinn, der allen 
Kath ber Ärzte verachtete, und im Gebrauch der Spei⸗ 
fen ſich nicht mäßigte, verwandelte es bald in eine bie 
tzige Krankheit; (f) und fhon am achten Zuge, nach⸗ 
tem er den Cartınal zu feinem Nachfolger ernannt, 
feine Semahlinn, den Don Antonio und feine vor⸗ 
nebmiten Räthe ihm empfohlen hatte, verſchied er. Zwey 
Zage nach ferner Erkrankung überfiel Bianca ein ähns 
liches Übel, daß aber bald alle Anzeichen naher Tödt⸗ 
lichkeit begleiteten. Der Hintritt ihres Gemahls ward 
ihr zwar auf Ferdinands Ihonenden Befehl verborgen 
gehalten; doch errierh fie ihn aus der ungewöhnlichen 
Unruhe im Pallaſt und den thränenvollen Blicken ihrer 
Wärter. Ferdinand befuchte fie noch ein Mahl nad) ſei⸗ 
nes Bruders Xode, und fprad) ihr Muth ein: aber fie 
fühlte ihr berannahendes Ende, dankte ihm tiefgerührt 
für.feine Sreuntfhaft; empfahl ibm ihren Sohn, und 
farb, neungehn Stunden nad) dem Erblaffen ihres Ges 
mahls. Ihr Leichnam ward zwey Tage darauf nad) Flo⸗ 
renz abgeführt, und allda von einem anſehnlichen Theil 
der Prieſterſchaft, von der deutſchen Leibgarde und dem 
ganzen Hofſtaate empfangen. Nach geſchehener Eroͤff⸗ 
nung — die in Gegenwart ihrer nächſten Blutsver⸗ 
wandten geſchah, und wo ulle innere Theile ın großer 
Zerruttung gefunden wurden — brachte man ihren Körs 
mM 2 


won 106 vooes 

ver mit feyerlihem Zuge in die &t. Lorenzo« Kire 
und ftellte fie auf dem Gerüſte zur Schau, wel 
zwey Tage früher für ihren Gemahl errichtet worde 

Alles diefes war dem Range einer wirklichen Gr 
berzoginn angemefjen ! Doch ald man nad) verrichtet 
Zodtenamte den ‚neuen Regenten fragte: ob fie öffı 
lich mit der Krone ausgejegt werden follte? gab er 
Antwort: Sie hat die Krone lange genug getrag 
Und als man weiter nachforfchte : wie es mit ihrem S 
gräbniß zu halten fey? erwiederte er: Wie ihr wol 
Nur in unfere ruft begehre ich fie nicht. — Ferdinal 
Feindſchaft war nun erklärt genug. Man beftattete 
daher in der Stile und in die große Gruft unter | 
Lorenzo s Kirhe. — Wenige Tage darauf warb, 
Serdinands Befehl, ihr Wapen von allen Öffentfid 
Gebäuden abgerijfen, und durch das Wapen der fi 
reihifhen Johanna erfegt. Don Antonio warb eb 
falls duch eıne eigene Urfunde— in welcher man fe 
Murter ein Paar Mahl lapessima Bianca ſchalt — 
ein untergefhobenes Kind erklärt ; gleichwohl (wele 
fonderbare Widerſpruch!) erbte er, ald Sohn, eu 
Zheil ihrer Juwelen, und drepkig taufend Scudi.“ 
übriges Geſchmeide und bares Geld gelangte an i 
Tochter und ihren Vater. Erft nad) geraumer Frift na 
der Großherzog eben dieſen öffentlich fo beſchimpf 
Don Antomo wieder feyerlihit in dad Mebizeiiche G 
ſchlecht auf; erklärte ihn für feinen Neffen; forgte 
ihn wie für einen adgefundenen Prinzen, und verfd. 
te ihm die Stelle eines Großpriors ım Malchefer: 5 
den. Auch Bianca's Water bekam dann ein anfehı 
ches Jahrgeld, und alle ihre entlaſſene Dienerfch 
ward veichlich beſchenkt. 


XIXXXXXXX 


’ IE 1 97 X 


Dieß iſt ein getreuer Auszug von Bianca's Ge⸗ 
ſchichte, wie Herr Siebenkees ſie geliefert hat. Daß 
in ihr die Begebenbeiten ſowohl, als auch die Cha⸗ 
raktere der handelnden Perſonen, beträchtlich von meiner 
. Darftellung abweichen, ergibt ſich gleich auf den erften 
Blick; und darüber, daß fie fo abweiden, it mir in 
mancher fpätern Kritik, zum Theil nur gelegentlich „ 
zum Theil auch ernftlih genug, eine Erinnerung ges 
macht worden. Mic deßfalls zu rechtfertigen, oder zu 
entſchuldigen, fabe ih, wenn ich jetzt anders Luft zu 
langen Erörterungen hätte, mehr als einen Meg vor 
mir. Der nächſte und Bürzefte ware wohl; daß ich jene 
Kritiker bäthe, etwas genauer fi zu erinnern: wann 
ich zuerſt dieſe Arbeit unternahm. 

Über Bianca's Schickſalen ſchwebte lange — wie 
Herr Siebenkees ſelbſt erwähnt, und zur größern Vers 
dienſtlichkeit feiner Arbeit heraushebt, — eıne dunfele, 


verdrieflihe Ungewißheit. Alle Kabrbüher von Flo⸗ 
ven; (wenn man ein einziges Werk von fichtliher Par⸗ 


teplichkeit ausnimmt), gebadten ihrer: nur im Vorübor⸗ 
gehen, oder vielmehr mir auffallender Ausbeugung. Nur 
einige fogenannte geheime Geſchichten, freylich durch 
manche Auswüchſe entftelt, und Beineswegs mit dem 
Gepräge durdgängiger Glaubwuͤrdigkeit geftempelt, 
gingen von ihr in der Handfhrift herum. Mit ihnen 
mußte man fid) begnügen, da es an einer Biographie 
nach geprüften®ewährsmännern ganz gebrach. Erit unter 
ber , für Florenz in vielfacher Ruͤckſicht ſegenreichen 
Negierung Peter Leopolds wurden Denen, welche der 


Geſchichtskunde ſich widmeten, Staatszugange geäffe _ 


net, tie man bisher. forgfam verfperrt hatte. Nun erſt 
gewann die Geſchichte des Hauſes Medici — dat man 


4 


E 198 008 

fo oft fhon Bis zum Himmel erhoben, und body fo ſel⸗ 
ten nur gekörig gefchildert hatte, — eine ganz neue 
Beleuchtung; und jegt, wenn id nit irre, war Gas 
Inzzi der Erfte, der, in feiner 1781 erideinenden flo⸗ 
rentiniſchen Geſchichte, auch Bianca’s Schidfale weite 
läufiger, obſchon freylich nicht zu ihren Gunſten err. 
zahle *), lieferte. Ihm folgte dann erft, acht Jahre 
fpäater, Herr Siebenkees,nah, und auch Diefem wurs 
den viele Privat und Staatsunterſtützungen zu Theil, 
Daß ih, fern von Florenz Bücheriammiungen und . 
Archiven, nit eines ähnlichen Vorſchubs mid erfreuen 
Fonnte ; daß ih, — der ih überhaupt nicht Biancas 
pragmatiſche Gefhichte, fondern nur ein Werk, von. 
Rührung ausgegangen und wieder auf Rührung abs 
zweckend, liefern wollte, — mich nicht in lange, kri⸗ 
tıfhe Unterfuchungen, die meine Empfindung vielleicht 
abgekühlt hätten, einließ; und daß ih endlich 1778 
Bücher nicht benützte, die fo viel fpater erft gefchrieben 
wurden; alles Dieß jind Uaſtände, die ſich wohl durch 
ſich felbft rechtfertigen. | 

„Aber warum (Eönnte man weiter mich fragen), 
„bohlte ich nicht bey der zweyten Auflage, warum nicht 
„iwenigiiend je&t Dasjenige nad, was ich freylih Ans 
„fange verabfäumen mußte? Warum habe ih nie 
„nunmehr, da mich Kerr Siebenkees durch Urkunden 
„belehrr, daß Bianca durchs ganze Leben eine — Be⸗ 
„trügerinn gewefen fey, ihr ben Nimbus abgenommen, 
„der keineswegs für ihr Haupt gehörte? Warum habe 
„ih immer ned den an ihrem Tode fo fhuldlofen Care 


— — — —— 
) Herr ©. ſeibſt verſichert ( S. XVI. der Vorrede), daß em, 
als ein der Blanca abholder FSlorentiner ge⸗ 
ſchrieben Habe. 


% ) 
\ . 


— 809 we 

„dinal und nachherigen Großherzog Ferdinand (nach des 
„Herrn Siebenkees Ausdruck), als den fhlimmften Lot⸗ 
„terbuben auftreten.laffen?” — Wenn ich hierauf ganz 
nad Würden antworten wollte, fo müßte ih ver als 
len Dingen umftandlic) mein Glaubensbekenntniß über 
die Grundfſätze des hiſtoriſchen Romans abs 
legen; müßte genauer erörtern, was ich bey ihm für’ 
wefentlih und für zufällig, für erfprießlich und auch 
für bloß — erlaubt halte. Und wohl möglich, daß dieſe 
Durftellung. nicht ganz verdienftlos wäre! Immer noch 
ift iiber dieſe, bey uns Deutſchen, feit einiger Zeit fo 
vielfültig ausgeübten, und auch nicht felten gemiß« 
braudten, bey einem großen Theil des leſenden Publis 
fums begünftigten, von drey Viertheilen der Kunſtrich⸗ 
ter aber. gemißbilligten Dichtart aͤußerſt wenig mit rue 
bigem, ſcharfen Blick unterſucht, und mit anfländigem- 
Zone gefagt oder gefchrieben worden. Eine Theorie, 

die man, nit etwa genügend, fondern nur noth« 

dürftig nennen könnte, findet fi von ihr nirgends. 

Selbſt einige, an fi ſchaͤtzbare Aufſätze — worunter 

fih der Feßleriſche in der deutfhen Monatheſchrift vor« 

theilhaft- auszeichnet. — haben die Hauptfrage: Wie 

weit darf die romantifhe Daritellung von der wirklichen 

Geſchichte abgehen ? oder: Bis zu welchem Grade darf’ 
Mahrheit der Wirkung aufgeopfert werden? bey Weis 

tem nicht gebörig auseinander gefeht. &o wenig ich 

mir fhmeicheln kann, hierüber ein untrüglidhes Ur⸗ 

theil zu fällen, fo wenig ſelbſt meine Meinung für u ns 

befangen geiten dürfte, da ich zumeilen für meine: 
eigene Sache ſprechen würde, fo war ich doch laͤngſt 

ſchon geſinnt, einige Bemerkungen, aus Erfahrung 

geſchoͤpft, einige Gruͤnde, mit Muße durchdacht, ber 


> 


’ ‚hen 200 — . 


Prüfung billiger Kritik darzulegen, und bem fireit 
Punct der Entſcheidung mwenigitens nähet zu bring 
ja, ih würde ed gleich jegt ıhun, wäre ed. nur ı 
mit einer Unterfuchung verbunden, die durchaus 
wenig in's Weitegeben muß, und bie mir unfd 
lich für einen bloßen —Anbang, allzu ernft für 
Merk, der bloßen Unterhaltung beftimmt, dünkt. 
verſpare daher Alles, was ich Über diefen Stoff. auf! 
Herzen habe, für ein eigened Eleined Werk, das wc 
ſcheinlich bald an’6 Tageslicht treten dürfte; Fann n 
aber doch nicht enthalten, ein Paar der allererfien ( 
danken, die Herrn Siebenkees Biographie in mir ı 
anlaßte, hier noch mit anzuführen. 

Daß Herr Siebenkees zum Leben ber Via 
viele Nachrichten geliefert, deren wir bis dahin ga 
oder wenigftens in der Umſtaͤndlichkeit entbehrt 
daß er fi dabey folder Hülfsmittel bedient, ‚Die 
allen feinen Vorgängern abgingen, und wovon ei: 
ge allerbings fehr fhakbur waren: daß er bey fei 
Arbeit Mühſamkeit mit Einficht verband, und auf | 
Dank der Gefhichtsfundigen, auf ein Citatum in EA 
tigen Ötaatengefdichten Anſpruch fig erwarb, — D 
alles wird wohl Niemand ihm abfpreden. Doc baß 
mit UnparteylichEeit gefchrieben ; Daß unter feinem & 
fel Bianca Diejenige geblieben, die fie in der Wirkli 
feit war; daß er, der gegen den hiftorifhen Nom 
fo öftere und bittere Ausfälle thut, ſich felbft von 
Ier romantiſchen Erbichtung frey erhalten habe; bar 
kann ich mich Eeinesmegs Überzeugen. 

Klinge es immer für den erften Augenblick etn 
abenteuerlih , etwas gefucht par:bor! Aber. gerad 
daß Herr Siebenkees ſo diel aus arch iv al iſ ch e n Me 


J 


we DZOR vom 
richten, und mit fo vollem Zutrauen auf biefelben ents 
lehnt, ſchwächt feine Glaubwürdigkeit in meinen Augen 
beträchtlich. Der bloße Platz in Archiven (Das weiß ih 
aus adhrjähriger eigenen Erfahrung) gibt den hier aufs 
bebaltenen Papieren nicht ein Haarbreit Wahrheit 
mehr, als fie ohnedem befigen« Unendlih mehr Eommt 
darauf an: Wann, von wem, und unter wels 
hen Verbältniffen fie niedergelegt wurden ? Was 
ein Regent, oder eine Regierung überhaupt, zu fans 
meln und aufzubewahren gebiethet, von Dem laßt ſich 
fhon, der Natur der Sache nah, mit höchſter Wahrs 
ſcheinlichkeit vermuthen, daß ed nichts dem gebiethen⸗ 
den Theile Ungünftiges in ſich enthalten werde. Wenn 
es aber zumahl die Angelegenheiten einer Perfon bes 
trifft, die der Regent todtlih haft; wenn es zu einer 
Zeit geſchieht, wo diefer Legtere gewaltthätige Maßres 
geln ergreift, um feine Rache zn befriedigen, und wo 
er doch eben diefe Race gern im Auge der Nachweis. 
befhönigen möchte; — wer kann dann- Papieren bier 
ſes Schlages, und wenn zehn fürftlihe Siegel fie ſtem⸗ 
pelten, wenn fie hundert Mahl die Form eines gerichts 
lihen Verhoͤrs an fih trügen , viel Glauben beymefs 
fen? Gleichwohl treffen alle diefe Umjtände bey einigen 
fogenannten lirkunden zufammen, aus welden der 
Verfaſſer gerade feine haͤrteſten Anklagen gegen Bian⸗ 
ca, die Befhuldigung des Betrugs und der grauſam⸗ 
ften Mordanfihläge hernimmt. Alle Papiere, die Dieß 
zu begründen feinen, wurden auf Ferdinands Bes 
fehl niedergelegt; zu ber Zeit niedergelegt, als ihn 
(nad des Verfaſſers eigenem Seftändnif) ein Schwarm 
von Bianca’6 Feinden und Anklägern umringte; als 
er fih erft feft auf den ererbten großberzoglichen Stuhl 


zu feßen ſtrebte; als er wegen. bed harten Betrag 
gegen Bianca's Leihnam und gegen ihren, ibm nr 
von feinem flerbenden Bruder empfohlenen Sohn « 
Entſchuldigung zu finden ſuchte. Wie wilfommen i 
damahls auch dad Unmwahrfte feyn mußte, wenn es 
Bianca's Andenken fhändete, ergibt fi von felbft 
Noch unglaubwürdiger werden dieſe archivalifd 
Nachrichten, wenn man die Anklagen feldft etwas 
nauer betrachtet, die fie enthalten. Die bitterfte ı 
allen ift (wie fhon erwähnt worden), die Unterfd 
bung eings Sohnes. Herr Siebenkees ift aufrichtig 
nug, zu gefteben: er habe diefe ganze Beſchuldigung? 
fangs für ein bloßes Florentiner-Mahrchen gehalt 
aber nachher wären ihm der Zeugen dafür zu viele ı 
ihre Ausfagen zu wichtig geworden, als daß at 
der geringfie Zweifel dagegen Statt fi 
den Eönne. Welches find denn diefe unmwiderlegfid 
Zeugniſſe? Erſtens der Auffag eined Arztes, Peter ( 
pelli, der fhon an dem Tage, wo Bianca die Ri 
der Gebaͤhrerinn gefpielt, Betrug vermuchet, und d 
Großherzog diefe Vermuthung mitgetheilt haben wi 
— Wodurch dieſes Legtere beweisbar gemwefen ſey, 
det ſich nirgends. Zweytens der anonyme © 
eines Bologneſer Geiſtlichen an den Cardinal Zei 
nand, worin er das Schickſal und die Ausſage 
Johanna Santi *) erzählt. Wie viel ein folder a 


*) So hieß diejenige Kammermagd, deren fi Bianca, 
ihrer Vertrauteſten bedient baden fol, um bey m 
seren () ſchwangern Weibern vin Kind aussufpähen, 
man wegnehmen und unserfchieben könne; welde 
vahher , zum Lohn iprer Mühe, won ihrer umbau 


wen 208 wen 

nymer Brief werth ſey, verdiene wohl Feine Erwöh: 

nung? — Ferner die Abſchrift des Verhörs der Santi 
aus Bologna vom 10. November 1577. — Wahre 
ſcheinlich eine Beylage des vorigen Schreibens, und 
mit ihm auf einer gleichen Stufe der Untrüglichkeit 
ſtehend! Und endlich die Unterredung des Großherzogs 
mit ſeinem Hoftheologen, Joh. Bapt. Confetti, wegen 
feiner Vermaͤhlung mit Bianca. 

Da Dieß der einzige Zeuge ift, deſſen Aufſatz Herr 
Siebenkees wortlih mit einwebt, und da er auf defien 
Ausfage eın vorzüglihes Gewicht zu legen fheint, fo 
wollen wir bier zur Probe nur die erfte Hälfte feines 
Dialogs ausheben; von ihm ift ein Schluß auf die 
übrigen Handfhriften — wenigftens nit uner⸗ 
laubt. Herr Pater Confetti rebet folgender Maßen: 

„Wenige Tage nad) dem feyerlichen Reichenbegängs 
„niß der Großherzoginn ließ mich der Broßherzog durch 
„feinen Pagen Luigi Capponi nad der Meſſe zu fid 
„rufen. Wie ih allein bey ihm war, hub er alfo an: 
„Ich will einen meiner Wünfhe, der Gott und Men: 
„ſchen nicht mehr beleidigt, erfüllen, vorher aber Euer 
„freymüthiges Gutachten darüber hören. Die Sache 
„it kurz diefe: ich wıll die Signora Bianca heirathen. 
„Was denkt Ihr davon?” 

Conf. „Die®ade ift zu wichtig, als daß ich fogleich 
„eine entfcheidende Antwort geben Eönnte. Jh muß vor⸗ 
„ber mit folgenden Umſtaͤnden näher bekannt feyn.” 





Srau entlaffen, nad Bologna gefhidt, und auf dem Weg 
über Die Apenninen (si fabula vera) durch Meuchelmörder 
verfolge wurde. Wohl zu merken, daß eben Diele Santi 
ihre verlarvten Banditen nicht deutlich erfennen Bonnte , _ 
fordern nr muthmaßlich, in letzten Zügen, für Bianca's 
Soͤldlinge erkiärte! 


won 204 wu 

„Haben Sie der Signora Bianca bie Ehe Hera 

ſprochen, da, Ihre Gemahlinn noch lebte?” 

„Iſt diefes Verfprehen vor der Ermordung. bei 
„Bonaventuri gefchehen ? 

„Haben Sie in diefen Mord gewilligt, ihn an⸗ 
„gegeben oder begünſtigt? 

„Haben Sie mit der Signora Bianca vertrauten 
—Umgang gehabt, und Kinder mit ihr gezeuge?” 
Großh. „Beyde, meine Gemablinn und der 

„Mann der Signora Bianca lebten, wie ich ihr die 
„Ehe verſprach, wenn wir Beyde frey feyn würden. Bald 
"darauf wurde Bonaventuri ermordet;. eine That, bie 
„ih weder veranitaltet noch angerathben habe; nur 
„wußte ih darum, und ließ fie gefhehen. Vertraut 
„habe ich vor und nad ber Ermordung ibres Mannes 
„mit ihr gelebt, aber nie Kinder mit ihr gezeugt. Und 
„wenn man glei) den Don Antonio für meinen mit 
„ihr erzeugten Sohn hält, ift er's doch in der That 
„richt. Ich war ohnehin felbit der Meinung, er fey 
„mein Sohn. Als ich ihn aber dafür erklärt hatte, ente 
„decte jie mir Alles, was gefhehen war. Aber dem⸗ 
„ungeachtet glaube ich mein Vorhaben ausführen zw 
„können, weil ich ihn für meinen Sohn erfiärt Habe." 
Eonf. „Der Umftand mit dem Don Xntonie 
„erſchwert Mes. Doch kann ich Ihnen vorläufig fo viel 
„fagen, daß Die Heirath nit vollgocen werden kann, 
„weil ber Bedenklichkeiten zu viel find. Sie haben der 
„Branca dad Verſprechen gethan, baben vertrauten 
„Ungang mit ihr gehabt, da Ihre Gemahlınn unb 
„Bonaventuri noch lebten. Ste huben zwar in die Er⸗ 
„mordung desjelben — wie Sie fagen, nicht ausdrück⸗ 
lich gewilligt, fie ader dadurch begünſtigt, daß Die, 


t 


wen 205 men ‚ 


„undeachtet Shres Vorwiſſens, Eeine Anftalten getrofs 
„fen haben fie zu bintertreiben. Diefes find die Uriar 
„hen, warum Ihre Vermählung mit der Bianca nicht 
„vollzogen werden kann, und getrennt werden müßte, 
„wenn fie ſchon vollzogen wäre; | denn fie wäre eine 
„Zodfünde. ” 

„Nach diefer Vorſtellung entließ mich der Große 
„herzog mit der Erinnerung: ic follte die Sache reif 
„überlegen. Ich kam zum zweyten Mahl; brachte die dos 
„rigen Gründe vor, und führte ibm am Schluß meis 
„ner Unterretung zu Gemüthe, da& dieje Verbindung 
„auch nad dem Kirchenrechte verboten fey. Dafür fey 

„Gott, antwortete er mir, daß ich etwas canoniſch 
„Unerlaubtes vornehmen ſollte! Nun legte er vor Gott 
„das feyerliche Verſprechen ab: er wolle aller Verbin⸗ 
„dung mit ihr entfagen und-ihr-wiffen laſſen: wie er 

„an ein Verſprechen nie gebunden feyn Eönne, das 
„feine Theologen für fündlich erklärt hatten.” 

Sol ich wohl länger noch mit Abfchreiben forts 
fahren? ft es wohl möglich, daß irgend Jemand bey 
Lefung diefes Auffages im Ernft glauben foflte, ein ſo 
wichtiges Geſchäft fey in einem Geſpräche dieſes Schla⸗ 
ges verhandelt worden? Blickt nicht, id möchte faſt 
fagen, aus jeder Zeile, jedem Worte bie bloße will⸗ 
Eürlicye, höchſtens auszugsweife gefhehene Niederſchrei⸗ 
bung von Dingen hervor , ‘die — wenn fie anders, fes 
mabls zwifhen Fürften und Beichtiger zur Sprache 
Eamen, gewiß mit weit größerer Vorjiht von beyden 
Seiten berührt wurden I Welder plumpe — id möchte 
faft jagen, unprieiterlide — Gewiſſensrath mußte Herr 
Pater Confetti feyn, wenn er fo auf feinen Großher⸗ 


dog zu wirken hoffte? Weiher erbaͤrmliche Schwäch⸗ 


"u 
wu 209 [7 2 ” * 


fing war Franz, wenn ſolche Gründe ſein Vor 
ben erſchütterten! — Der Umſtand, daß Bianca g 
ohne Noch ihrem Geliebten (der noch nicht ihr Gem 
mar, und den fie gern erit Dazu gemacht hätte) geſt 
den haben follte, der vermeinte Sohn fey nice | 
Kind, — wie unwahrſcheinlich ift er an fi felbft! | 
unverträglich mit ihrer oft erwähnten Schlauheir! % 
unwahrſcheinlicher noch ıwird er dadurch: daß Franz d 
fortfähre , den Don Antonio durch's ganze Leben 

feinen Sohn zu’betradhten, und ihn noch liebevoll; 
legten Augenbluf vor dem Tode, feinem Nachfol 
empfiehlt. Ja endlich! Was in aller Welt hätte e 
tiefen Nadfolger bewegen Eönnen, jenen nun wir 
hen vor ben Augen des ganzen Europa befdhimpfti 
fur untergefhoben erklärten, armen Süngling doch u 
der als feinen Neffen zu erklären, zu erkennen, 
befördern, — die Scene des Betrugs, ober bes n 
Iggeiten Mitleid mit ihm noch ein Mahl zu fpielt 
wenn ihn nit etwa das Gefühl einer begangen 
wieder auszufühnenden Lngerechtigkeit dazu bewt 
Wahrlich, durd Liefen einzigen Schritt vernicht 
zerdinand alle Befhuldigungsacten, die er gegen J 
Antonio's unglüdlihe Mutter in feinem Archive nie! 
gelegt, alie Decrere, die er erlaffen, alle Gerüd, 
tie er begünftige hatte! — Auch braucht man nur 

eınfaltige Art, wie Bianca bey diefem Unterſchiebun 
betruge gebundelt haben ſoll, und die fait noch 

glaublichere, wie fie dur blutige Grauſamkeit ihn 
der Runde verbergen wollte, mıt unbefangenem Ge 
zu überdenken; und man erkennt überall die Spr. 
der Verleumdung — der Verleumdung , bie fie nı 
ber gern noch ein Mahl (mas felbft Herr Siebenkees 


\ 
ion 207 —⸗ ! . 
wirft), einer Wieberhohlung von diefem Betruge ge: 
ziehen hätte. 

Herr Siebenkees tadelte mich einige Mahl, daß 
ich meinen Stoff zu parteyiſch für Bianca bearbeitet 
harte. Er Eann recht, und ih — gleichwohl nicht une 
vecht haben. Ich bearbeiteteihn , wie ich fhon erwahne 
te, dichteriſch. Meine Hauptabſicht war daher nicht 
Unterricht, fondeen Wirkung. Aber wie, wenn 
nun ihm, der doc als Gefchichtfchreiber auftritt, 
der für feine Rolle fhwerer zu entfhuldigende Vor⸗ 
wurf gemacht würde: daß er zu partegiih gegen 
fie gefegrieben habe? Nicht bloß, weil er allzu leicht⸗ 
gläubig mande ungünftige Anecdoten aufgenommen, 
fondern weil er fie oft. auch mit Neflerionen begleitet, 
die bey einem unbefangenen Geifte fih Faum erwarten 
ließen. Nirgends ift Dieß auffallender, als in der letz⸗ 
ten Epoche von Bianca's Leben, in der Epoche ihres 
fürftfihen Standes. Sey ſie auf diefen glänzenden 
Poiten gekommen, wie — man ſelbſt will; bloß duch 
Franzens glühende Liebe, oder. duch ihre mitwirkende 
Lift! Genug, von dem Tage an, wo fie ihn beftieg, 
halt ihr chätiger Wandel, felbit in Herrn Sieben⸗ 
kees Erzählung , alle mögliche Prüfung aus. Sie vers 
föhnte das unter ſich zwiſtige Haus Medici, und vers 
Half ihm dadurch zu einer Stärke, zu einem Üperges 
wicht in Italien, das es fhon laͤngſt verloren hatte; 
fie Half die mißlihen Spaltungen mit den benachbar⸗ 
ten Fürſtenhäuſern zu wechfeffeitiger Zufriebenpeit beys 
legen; fie lohnte Denjenigen, die ihr uͤbels zutrauten 
und übel nachredeten, mit Freundſchaftsdienſten; ſie 
entfernte ſelbſt ihre naͤchſten Blutsverwandten, ſo⸗ 
bald ſie dem Volke mißfielen; ſie beherrſchte zwar ih⸗ 


on 208 m 


rem Gemahl aber mit fo viel Sanftmuth und € 
nung, daß fein Anfehen bey Andern dadurch nicht | 
fondern ftieg. Sie leitete ihn zum Guten; dur 
ward er verföhnlich gegen feine Brüder, vorfichti 
feinem Berragen gegen feine Nachbarn, ein Bus 
genoife des damahls noch mächtigen Venedigs, 
auch glücklich in feinen häuslichen Lagen. Alles - 
find doch Iöblihe Züge in Bianca’d Leben! Aber 
Säaebenkees macht ed gang, wieed nad) Bianca‘ 
die Schar der Höflinge, die dem neuen Wege 
ſchmeicheln wollte, machte. Er verjigert: daß fie‘ 
Dieß ausunedlen Abfihten that, daß fie nur 
Heucheley und Schlauigkeit die Ausfohnerinn ma 
daß nie ihr Herz dachte, wie ihre Lifpe ſprach, 
ihre Feder ſchrieb. Das iſt hart! Woher weiß 
Siebenkees Das? Weil ihre Feinde es ihr Schult 
ben? Wie wäre es, wenn wir in einer Welt, wi 
gegenwärtige ift — in der Geſchichte von Höfen, 
fie gewöhnlich zu feyn pflegen, ung doch vor der £ 
nod mit dem wenigen Guten, was da geſchieht, 
gnügten; und die Würdigung der Abjihten Dem; 
gen überließen, ber ın die Herzen felbft zu 1%: 
vermag ! 
Herr Gigbenkees behandelt das Gerücht 
Franzens und Bianca’s Vergiftung als ein bloßes 
geſchmacktes Märchen. Wenn die Krankheitsgefchie 
fo wie er fie liefert, ganz autentifch iſt, fo würde f 
lich der größte Theil des Argwohns ſchwinden 
der ganze, wage ıch nicht zu beftimmen. Das E 
Sieber, das beym Großherzog fo raſch in ein dig 
übergeht, — die ähnliche Krankheit bey Bianca, 
bod 


soon 209 nween 
doch bald alle Zeichen einer tödtlichen verratht) — die 
kurze Friſt von neunzehn Stunden, (die doc wohl 
leicht um einige weiter erſtreckt worden ſeyn dürften,) 
die Eurze Zwifchenzeit von des Cardinals Ankunft bis 
zu dieſer Kataftrophe, der abgelegene ländlihe Ort, 
wo fie ih ereignete — alled Diefes find Umftände, die 
ſelbſt folgen Seelen , die font eines eitlen Mißtrauens 
nicht empfänglich find, einigen Verdacht einflößen dürfe 
ten. Auch war der Argwohn von, Franzens und Bian⸗ 
ca's gewaltfamem Tode nicht bloß ein Gefchwäg in des 
Pobels Munde. Er war außer Florenz, wo freylich die 
Furcht vor dem Fürſten manche Lippe verſchloß, eine faft 
allgemeine Stimine. Herr Siebenkees rühmt den Franz 
Molino, deſſen Memoiren ihm ſelbſt manchen er⸗ 
ſprießlichen Diesift geleiſtet, als einen der größten 
Staatömänner damahliger Zeiten ; aber er geſteht auch, 
daß eben diefer einfihtsvolle Mann den Eardinal der 
Giftmiſcherey beſchuldigt habe **). — Was ein Zeitges 
noſſe von geprüften Kenntniſſen in Schriften eintrug 
— die er überdieß noch bloß zu eigenem Gebrauch be 
ſtimmte! — das. konnte wenigftens nicht fo ganz uns 
gereimt ſeyn. Wie unzuverläflig übrigens in folden 
Sällen Zergliederungs: Berichte find; wie fehr Das Gold 
Oder das Machtwort eines Gebietherd auch über Äs- 
eulaps Richterſtuhl herrſcht; wie leicht es fen, unkun⸗ 
dige Zufchauer — wenn ed auch immerhin die nachften 


*%) ©. xXxXıv. der Vorrede. 

**) Ja bediene mich bier Herrn Siebenkeeſens eigener Worte, 
Ein kaltes dreytäalges Wieder, das doch bald Anfangs 
tödttich zu ſeyn droht, ift Immer cine feltfanıe Krankheit! 


Meißners Bianca Cap. 2. Thl. O 


oe 310 A 


Verwandten und bie wärmiten Freunde wären — zu 
taäͤuſchen, bedarf keiner Ausführung. 

„Doch eine ſo ſchaͤndliche That (ſagt Herr Sieben⸗ 
„kees) widerſpricht Ferdinands ganzem Charakter. Er 
„hatte ſich, ſo viel er in der Geſchichte bekannt iſt, in 
„ſeinem Privatleben als Cardinal auf einer ruhmvol⸗ 
„len Seite gezeigt; als Großherzog war er unſtreitig 
„der beſte Regent, den das Haus der Medici bervor⸗ 


„gebracht hat; nur in diefem Stück fol er fo ſchwarz 


„gedacht haben, um über den ermordeten Leichnam feis 
„nes Bruders deifen Thron zu beſteigen?“ — Wo in 
Ferdinands Privatleden das fo fehr Ruhmoolle ſich fin» 
der, weiß ich wirklid nice. In den Zwiltigfeiten mit 
feinem Bruder, die er bald durch übertriebene Anfore 
derungen, bald durch beleidigenden Argwohn veran⸗ 
laßte, — ein Wechſel ſtolzer Außerungen und nachgi⸗ 
biger Herablaſſung — in den heuchleriſchen Verſiche⸗ 
rungen, daß er keinen Verdacht gehegt, da er ihn 
doch nie fahren ließ, — in allen dieſen Umftänden, 
die Herr Siebenkees jelbft angibt, finde ich wenigfteng 
den Bruder nidt, ber großes, echtes Zutrauen vers 
dient. Daß er ein vortreffiicher Negent ward, jey ihm 
unbeitritten. Aber gerechter Himmel! iſt denn der Fall 
jo einzig, daß Negenten auf dem ınit Unrecht erwor⸗ 
been, mit unſchuldigem Blute erfauften Throne fidy 
nachher, wenn fe ihn einmahl beitiegen hatten, befs 
fer betrugen, als manche Andere, die curch dad ruhige 


Erbrecht auf ihn getanaten? Seahen wir nicht ſelbſt im . 


unſern Tagen das Beyſpiel einer großen Frau, die 
zwar durch den Sturz ihres Gemahls — auf deſſen 
Leben und Reich fie waßrlich keinen rechtsdegründe⸗ 


Ba » 


LTE "Ede. 


— 211 wur 


ten Anfpruch hatte — das Diadem an fih riß, aber 
dann die Bewunderung ihres Zeitalterd ward * Konnte | 
nicht zumeilen gevade der Wunſch der Ausfohnung — 
Doc) ich will hier nicht Gedanken ausführen, die, auch 
nur leicht angedeutet, fi) fo leicht errathen Taffen. 

Wenn übrigens Herr Siebenkees (S. 165.) felbft 
geftebt: daß das Betragen des Cardinals. 
gegen die todteBianca auf alle Art grau— 
famgewefen ſey; fo freuet ed mich, von ihm ein 
ſolches Geſtändniß halb unwilliger Aufrichtigkeit zu les 
ſen; es freuet mich, daß ich der Mühe überhoben bin, 
das Empoͤrende zu rügen, das in dieſem Betrugen liegt. 
Auch it der fonft harte Ausdruck: auf alle Art 
graufam, hier noch gelinde genug. Man follte es als 
den allerfhandlichften Undank brandmarken; und ein 
Undankbarer — weſſen iſt Diefer nit fühig! Ob aber 
die Entfhuldigung, bie der Biograph doch für feinen 
Helden anhängt, vermögend ſey, auch nur einen ran 
feiner Sträflichfeit zu mindern, überlaſſe ich der Ent- 
fheidung Derjenigen, die ihn felbit nachleſen wollen. 
Eine lüngere Beftreitung feines Büchleins würde ends 
lich ein Büchlein felbit werden; wurde dem Vorfag 
zuwider laufen, hier nur einige ber flüdhtigiten oder 
der nothwendigſten Bemerkungen hinzuwerfen. Viel—⸗ 
leicht doch noch ein Mahl etwas hierüber an einem an⸗ 
dern Orte! 

Jetzt ſchließe ih bloß mit der erneuten Ver⸗ 
üiherung: daß ik damahls, als ih Bianca's Le: 
ben fohrieb , nichts weniger als bloße Erdichtung 
oder ein müßiges Volksmährchen zu liefern wähnte; 
mithin die Wärme nicht zu erküniteln brauchte, mit 

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der ich vieleicht es that. Aus diefer Verfiherung « 
quillt auch tie — Manchem wohl gar ein wenig f 
Eingende, jedoch, wahrlich nicht ſtolz gemeinte H 
nung: daß die Schickſale diefer in jedem Betr, 
merkwürdigen Venetianerinn, fey es meinerwegen 
balbromantifhen Gewande auch dann nicht ganz ı 
kungslos bleiben werden , wenn feldft noch meh 
Archive dagegen ſich öffnen follten. 


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Wien, 


gedruckt bey Anton Stranf. 


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Verwandten und bie wärmiten Sreunde wären — zu 
täuſchen, bedarf keiner Ausführung. 

„Doch eine fo [handliche That (ſagt Herr Sieben⸗ 
„kees) widerſpricht Ferdinands ganzem Charakter. Er 
„hatte ſich, ſo viel er in der Geſchichte bekannt iſt, in 
„ſeinem Privatleben als Cardinal auf einer ruhmvol⸗ 
„len Seite gezeigt; als Großherzog war er unſtreitig 
„der beſte Regent, den das Haus der Medici bervors 
„gebracht hat; nur in diefem Stück fol er fo ſchwarz 
„gedacht haben, um über den ermordeten Leichnam ſei⸗ 
„nes Bruders deifen Thron zu befteigen!” — Wo im 
Serdinands Privatleden das fo fehr Ruhmoolle fid fin» 
det, weißich wirklich niche. In den Zwiſtigkeiten mit 
feinem Bruder, die er bald durch übertriebene Anfors 
derungen, bald durd) befeibigenten Argwohn verans 
laßte, — ein Wechfel ſtolzer Außerungen und nachgi⸗ 
biger Herablaffung — in den beudlerifchen Verſiche⸗ 
rungen, daß er feinen Verdacht gehegt, da er ihn 
doc) nie fahren eg, — in allen disfen Umftänden, 
die Herr Siebenkees jelbit angibt, finde ich wenigftens 
den Bruber nicht, der großes, echtes Zutrauen vers 
dient. Daßer ein vortreffiicher Regent ward, jey ihm 
unbeitritten. Aber gerechter Himmel! iſt denn der Fall 
ſo einzig, daß Regenten auf dem mit Unrecht erwor⸗ 
benen, mit unſchuldigem Blute erkauften Throne ſich 
nachher, wenn fie ihn einmahl beſtiegen hatten, befe 
ſer betrngen, als manche Andere, die eurch das ruhige 
Erbrecht auf ihn gelanaten? Teahen wir.nicht ſelbſt in . 
unſern Tagen das Beyſriel einer großen Frau, die 
zwar durch den Sturz ihres Gemahls — auf deſſen 
Leben und Reich fie waßrlich keinen rechtsbegründe⸗ 


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ten Anſpruch hatte — das Diadem an ſich riß, aber 
dann die Bewunderung ihres Zeitalters ward? Könnte 
nicht zuweilen gerade der Wunſch der Ausſöhnung — 
doch ich will hier nicht Gedanken ausführen, die, auch 
nur leicht angedeutet, ſich ſo leicht errathen laſſen. 
Wenn übrigens Herr Siebenkees (S. 163.) ſelbſt 
geſteht: daß das Betragen des Cardinals. 
gegen die fodte Bianca auf alleArt grau— 
famgewefen ſey; fo freuet ed mich, von ihm ein 
ſolches Geſtäͤndniß halb unwilliger Aufrichtigkeit zu les 
fen; es freuet mi, daß ich der Mühe liberhoben bin, 
das Empörende zu rügen, das in diefem Betrugen liegt. 
Auch iſt der fonit harte Ausdrud: auf alle Art 
graufam, biernoc gelinde genug. Man follte es als 
den allerſchändlichſten Undank brandmarken; und ein 
Undankbarer — weffen iſt Diefer nicht fühig ! Ob aber 
die Entfhuldigung, die der Biograph doch für feinen 
‚Helden anhängt, vermögend fey, auch nur einen Gran 
feiner Sträflichkeit zu mindern, überlaffe ich der Ent: 
ſcheidung Derjenigen, die ihn ſelbſt nachlefen wollen. 
Eine lüngere Beftreitung feines Büchleins würde ends 
lich ein Büchlein felbit werden; wurde dem Vorfag 
zuwider laufen, hiee nur einige ber flüchtigiten oder 
der nothwentigften Bemerkungen binzumwerfen. Viel⸗ 
leicht doch no) ein Mahl etwas hierüber an einem ans» 
dern Drte ! | | 
Jetzt Schließe ih bloß mit der erneuten Wars 
jiherung: daß ik damahls, als ih Bianca's Le: 
ben ſchrieb, nichts weniger als bloße Erdichtung 
oder ein müßiges Volksmährchen zu liefern wähnte; 
mithin vie Waeme nicht zu erküniteln brauchte, mir. 
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der ich vielleicht es that. Aus diefer Werfiherung @ 
quillt auch tie — Manchem wohl gar ein wenig f 
Hingende, jedoch wahrlich nicht ſtolz gemeinte 5 
nung: daß die Schickſale diefer in jedem Betr, 
merkwürdigen NVenetianerinn, fey es meinerwegen 
balbromantifhen Gewande, auch dann nicht ganz r 
kungslos bleiben werden , wenn feldft noch meh: 
Archive dagegen ſich öffnen follten. 


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gedruckt bey Anton Strauß.