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ſaͤmmtliche Werte
Bmanzisfer Band.
Enthält:
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Sehen Theit.
Wien, 1814.
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ſaͤmmtliche Werke.
3wanzigſter Bans—
Enthaͤlt:
Bianca Capello.
Erſter Theil.
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Wien, 1814.
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A. G. Meißner.
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Conſtantinopel war ſchon laͤngſt Das nicht mehr, was
es nach dem ſtolzen Plan ſeiner Erbauer, und nach der
Dorzüglichkeit feiner Lage ſeyn follte, — das Band
des Aufgangs und des Niedergang! , die Königinn des
bſtlichen Europa's und des weftlihen Aftens. Dem
Zepter, oder vielmehr dem Schwerte eines wilden Sie⸗
gers anheim gefallen , von einem Mole beherrſcht,
unter deffen Süßen, feinem eigenen Sprichwotte nach,
Eein Gras und Eeine Staude gedeiht, war ed nun ganz
von Kunft und Wiſſenſchaft, von Handlung und Ges
werben entblößt,, die fonft alda, wenn auch nit an⸗
haltend , doch abwecfelnd , geblüht hatten. Diefe
Flüchtlinge wählten fich jegt Italien zu ihrem Zufluchtss
ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗
reifeen aͤhnlich, durch die Verpflanzung noch verbeſſert
wurden.
Eine Menge von Freyſtaaten und von kleinen,
nicht unbefchränkt regierten Fuͤrſtenthuͤmern, zertheil⸗
ten im Anfange des ſechzehnten Jahrhunderts dieſes
fruchtbare Land. Die ewig ſcheinenden Kämpfe der Gi⸗
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ed nach dem ftolzen Plan feiner Erbauer, und nad) der
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kein Gras und keine Staude gedeiht, war es nun ganz
von Kunft und Wiffenfhaft, von Handlung und Ges
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haltend , doch abwechſelnd, geblüßt hatten. Diefe
Flüchtlinge wählten fi) jegt Stalien zu ihrem Zufluchtss
ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗
reifen aͤhnlich, durch die Verpflanzung noch verbeſſert
wurden.
Eine Menge von Freyſtaaten und von kleinen,
nicht unbeſchränkt regierten Fürſtenthümern, zertheil⸗
ten im Anfange des ſechzehnten Jahrhunderts dieſes
fruchtbare Land. Die ewig ſcheinenden Kaͤmpfe der Gi⸗
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beflinen und Guelfen waren doch allmählig erloſchen.
Aber der Geift der Freyheit, oder vielmehr der republi⸗
kaniſchen Laune, verbunden mir manchen, theild we
ſentlichen, theild zufälligen Vortheilen ihres Klimas,
ihrer Regierung, felbft des vielfältigen Mechfels ihrer
Schickſale, hatte in den Buſen vieler damapligen
Welſchen ſchlafende Fähigkeiten erweckt, lebendige See—
Ienkräfte erhöht, und geiſtigen Arbeiten ein vorzügli⸗
ches Gedeihen verſchafft. Ihre Künſtler, durch Ruinen
belehrt, durch Meiſterſtücke, aus Schutt und Trüm—
mern gezogen, beſchämt, durch Wetteifer angefacht,
arbeiteten für Zeit und Ewigkeit; ihre Dichter vers
banden die lieblichfte , wohlklingendſte Sprache mit
ſchwaͤrmeriſcher Einbildungskraft; ihren Profaiiten zeigte
Machiavel und Boccaz einen Pfad, der fie ſicher zur
Unfterblichkeit zu leiten verſprach. Echon wallfahrteten
zu ihnen die Wißbegierigen aus Deutſchland, England
und Frankreich. Schon bildeten fih nad ihren Dich⸗
tern die Chaucer und Spenſer, nad ihren Ges
mählten die Dürer ’s:;
‚Aber weit wichtiger noch für gonz Europa war bie
Thatkraft, die fi in Fstaliens Schifffahrt und in dem
Unfang feiner Gewerbe zeigte, Schon feit den Zeiten
der Kreuzzüge, — jener für den Beobachter menfdli«
her Thorheiten und Schwachen fo überreichen Epoche —
batte hier der Handel feinen Wohnplag aufgeſchlagen;
hatten Venedig und Genua im ſtäten Wetteifer ſich bes
mübt ; hatten von- Greunden und Feinden gleichen
BEkei: ‚Sterben gewußt; hatten Zeitumitände und
2a , Wluͤck und Unglück, Krieg und Frieden zu ih⸗
sem ugen angewandt, — Bald floßen bier die Reich⸗
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thuͤmer des ganzen weſtlichen Europa‘ zufammen.
Die Städte glichen Königsfigen ‚ ihre Kaufleute Fürften,
Aber hoch vor hundert Andern, bob auch Florenz fein
Haupt eınpor. Milder als in den meiſten Übrigen italies
nijchen Freyſtaaren war hier die Ebbe und Fluth der
Stantsveränderungen gewefen. Ein günſtiges Geſchick
hatte hier das edfe Haus der Medizis auffeimen laſſen.
Mit ihm zugleich war auch der Wohlſtand von Florenz
gewachfen. In allen Meeren wehten jegt feine Flag
‘gen, feine Kriegsheere erwarben fih die Ehrfurcht der
Nachbarn; feine Gefege galten ald die Muſter für ent«
fernte Völker. Ein zahlreicher Adel lebte hier mir bür⸗
gerlihen Geſchlechtern friedlich vermifhr, und glaubte
ſich nicht zu erniedrigen, "wenn er ber Handlung fi noch
- weit emfiger als den Kriegsdienften widme; Arbeitfam-
keit ſchien ihm ehrenvoll, und Vermehrung feiner Gü—
ter auf erlaubten Wegen wünſchenswürdig zu ſeyn.
Ganz vorzüglich zeichnete ſich von Geſchlechtern
dieſer⸗ Art das Geſchlecht der Salvidti aus. Mo
nur Kaufmannſchaft blühte , Hatte diefes angeſehene
Haus feine Niederlagen. Eine große Anzahl junger
Slorentiner ftand in feinen Dienften. Von Zeit zu Zeit
pflegte e8 Diejenigen, die durch Fleiß und Eifer ſich
hervorthaten, in ausländiſche Comtoirs zu verſenden.
Das größte. diefer Letztern befand ſich in Venedig, und
in dem Zeitpuncte, wo nachſtehende Geſchichte Theil⸗
nahme zu erwecken verdient, lebte hier, nebft mebrern
Slorentinern, ein gewiſſe Pietro Bonaventus
ri — ein junger Mann , in der Blüte feiner Jahre,
artig „ wohlerzogen , der Feder und der männlichen
Wohlredenheit gleich mächtig, von Geſtalt fhön, von
- Gitten gefällig, von Denfart feurig , verliebt und
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A. G. Meißner.
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Wien, 1814.
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Vorzüglichkeit feiner Lage ſeyn ſollte, — das Band
des Aufgangs und des Niedergangs , die Königinn des
Bftlichen Europa’ und des weftlihen Aftens. Dem
Zepter, oder vielmehr dem Schwerte eines wilden Sie⸗
gerd anheim gefallen , von einem Molke beberrfcht,
unter deffen Süßen, feinem eigenen Sprichwotte nach,
Fein Gras und Feine Staude gedeiht, war ed nun gang
von Kunft und Wiffenfchaft, von Handlung und Ges
werben entblößt,, die fonft allda, wenn auch nicht an⸗
haltend , doch abwechſelnd, geblüht hatten. Diefe
Flüchtlinge wählten ſich jegt Stalien zu ihrem Zufluchts«
ort, und „fanden hier einen Boden, wo fie, Pfropf⸗
reifern aͤhnlich, durch die Verpflanzung nod) verbeffert
wurden.
Eine Menge von Frepftaaten und von Kleinen,
nicht unbefchränkt vegierten Fürftenthüümerg , zertheile
ten im Anfange des fechzehnten Jahrhunderts dieſes
fruchtbare Land. Die ewig fcheinenden Kämpfe der Gi⸗
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bellinen und Suelfen waren doch allmählig erloſchen.
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kaniſchen Laune, verbunden mir mandyen, theild we
fentlichen , theild zufälligen Vortpeilen ihres Klima,
ihrer Regierung, felbft des vielfältigen Wechſels ihrer
Sqickſale, hatte in den Bufen vieler damapligen
Welſchen ſchlafende Fähigkeiten erwedt , Iebendige See—
lenkraͤfte erhöht, und geiftigen Arbeiten ein vorzügli⸗
ches Gedeihen verfohafft. Ihre Künftler, durd Ruinen
belehrt, dur Meifterftücke, aus Schutt und Trüm⸗
mern gezogen, befhamt , durch Wetteifer angefadht,
arbeiteten für Zeit und Ewigkeit; ihre Dichter vers
banden die lieblichſte, wohlklingendſte Sprache mie
fhwärmerifcher Einbildungskraft ; ihren Profaiiten zeigte
Macchiavel und Boccaz einen Pfad, der fie ſicher zur
Unfterblichkeit zu leiten verſprach. Schon wallfahrteten
zu ihnen Die Wißbegierigen aus Deutſchland, England
und Frankreich. Schon bildeten ſich nach ihren Dich⸗
tern die Chaucer und Spenſer, nach ihren Ge⸗
maͤhlden die Dürer's.
Aber weit wichtiger noch für ganz Europa war bie
Thatkraft, die ih in Sstaliens Schifffahrt und in dem
Unfang feiner Gewerbe zeigte. Schon feit den Zeiten
der Kreuzzüge, — jener für den Beobachter menfdli«
der Thorheiten und Schwaden fo überreichen Epode —
batte bier der Handel feinen Wohnplag aufgeſchlagen;
hatten Venedig und Genua im fiäten Wetteifer ſich bes
mübt; harten von: Zreunden und „Senden gleichen
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thuͤmer des ganzen weftlichen Europa zufammen.
Die Städte glichen Königsſitzen, ihre Kaufleute Fürſten.
Aber hoch vor hundert Andern, hob auch Florenz ſein
Haupt empor. Milder als in den meiſten übrigen italie—
niſchen Freyſtaaten war hier die Ebbe und Fluth der
Staatsveränderungen geweſen. Ein günſtiges Geſchick
hatte hier das edle Haus der Medizis aufkeimen laſſen.
Mit ihm zugleich war auch der Wohlſtand von Floren;
gewachſen. In allen Meeren wehten jetzt ſeine Flag
gen, ſeine Kriegsheere erwarben ſich die Ehrfurcht der
Nachbarn; feine Geſetze galten als die Muſter für ent⸗
fernte Völker. Ein zahlreicher Adel lebte hier mir büts
gerlichen Geſchlechtern friedlich vermifhr, und glaubte
fih nicht zu erniedrigen, wenn er ber Handlung fi noch
-weit emfiger ald den Kriegsdienſten widme; Arbeitſam⸗
keit ſchien ihm ehrenvoll, und Vermehrung feiner Gir-
ter auf erlaubten Wegen wüͤnſchenswürdig zu ſeyn.
Ganz vorzüglich zeichnete ſich von Geſchlechtern
dieſer⸗ Art das Geſchlecht der Salviätl aus. Wo
nur Kaufmannſchaft bluͤhte, hatte diefes angefehene
Haus feine Niederlagen. Eine- große Anzahl junger
Florentiner fland in feinen Dienften. Won Zeit zu Zeit
pflegte ed Diejenigen, die durch Fleiß und Eifer ſich
hervorthaten, in ausländifhe Comtoirs zu verfenden.
Das größte. diefer Letztern befand fich in Venedig, un
in dem Zeitpuncte, wo nachſtehende Geſcichte Theil⸗
nahme zu erwecken verdient, lebte hier, aͤebſt mehrern
Florentinern, ein gewiſſer Pietro Bonaventus
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artig, wohlerzogen, der Feder und der männlichen
Wohlredenheit gleich maͤchtig, von Geſtalt ſchoͤn, von
Sitten gefällig , von Denkart feurig, verliebt, und
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anternebmend. Ein Mann für tauſend Mädchen, und
doch auch wieder nur für Wenige; denn er war unbe⸗
mittelt und ſtolz.
Er hatte der Bekannten und Freunde viefe; aber
der Einzige , ber diefen legten Nahmen feinem ganzen
ehrwürdigen Umfange nah verdiente, hieß: Carlo
Martelli, ein Mann von Abkunft, Tebensars und
Gluücksgütern ihm glei; doch fhon etwas abweichend
in Rudficht des Alters und nod mehr in Stimmung
des Charakters. Eiggewilfer , feiter Schritt bezeichnete
Martellis Bahn. Nie handelte er ohne vorherige reife
Überlegung. Segen fremde Thorheiten war er firens
ge, ſich ſelbſt erlaubte er Eeine Einzige. Im Haufe
des Altern Bonaventuri zu Florenz von erfier Jugend
an befannt , ſah er den, ungefähr fieben oder adt
Jahr jüngern Pietro gleihfam unter feinen Augen aufs
wadien, nahm felkft an feiner Geiſtes-Bildung einis
gen Antheil, und brachte ihn nachher durch Empfehlung
in Salviatis Dienſte. Seit geraumer Zeit ſchon gingen
fie mit einander auf dem Fuß der Gleichheit um. Einig
im Geſpraͤche waren fie felten; boch ihr Umgang war
em wechſelſeitiges Bedürfniß. Ihr Mund firiet 1 oft ;
aber ıhre Herzen liebten ji.
Auf ein Mahl ward der bis jegt muntre Bonar
venturi traurig und mürriſch. Er fang ſich fonft des
Zugs wohl fünfzig Lieben; jetzt ſprach er kaum eben
fo viel Worte. Sonit war er oft der Erheiterer gan⸗
zer Geſellſchaften; jeßt warb er ernit und ſtumm, wie
ein Pythagoräer. Er ftieß feinen Schooßhund fort,
wenn er an ihm auffpringen wellte; ließ an der Tafel
fat jede Schüffel unangerührt bey fi vorübergehen
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und fhlug in Keyerfiunden und an Feſttaͤgen jeden
Spaziergang aus, wozu Bekannte ihn einluden.
Bald fpürte Martelli diefe Ünderung ‚ doc hielt
er fie Anfangs für eine flühtige Grille, die wieder :
weggeben werde, wie fie. gekommen fey. Doch da fie
nun ſchon beynahe einen Monath lang anbielt, da exe
“ und Andere ſchon von Weitem gehorcht und — nichts
erfahren hatten, fo ſchien es ihm der Freundſchafts⸗
Pfliht gemäß, fi genauer zu erkundigen. Als fie
daher einft auf der Schreibfiube allein zufammen
gearbeitet hatten; als die Feyerglode flug, und
Bonaventuri wieder ftumm und ftill in fein Kämmer,
dyen fehlüpfen wollte, vertrat ihm Martelli den Weg,
faßte ihn traulih bey der Hand, und fprah:
Mart. Aber wo foll Das noch hinaus? Tieber
Freund! Was gährt in dir? Was bat dich fo ſchnell
und fo gänzlich verändert? Willſt du ſtets fo traurig
and fo menfchenfeindlih wie das Bild eines alten Ein«
fiedlers ausfehen? Haft du heute ſchon wieder die Feſt⸗
tag: Miene, die nun feit einigen Wochen bereits deine
alltägliche wird?
Bonav. (bitter lächeind.) Und die es wohl leicht
für mein ganzes übriges Leben bleiben dürfte !
Mart. Aber weßhalb? Nichts geht dir ja ab!
bein Herr fchägt dich; bat dich von ieber aufs liebreich⸗
fie, immer mehr wie feinen Freund ‚als feinen Unters
gebenen behandelt. — Nicht wahr !
Bonav, Es waͤre Undank, wenn ih es laͤugnen
wollte!
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Mart. Du haſt Dieniigenoffen , die dic) Tieben,
Deinen Umgang fuchen, deine Freundſchaft fhägen —
= Deine Ausgaben find gering; felbft diejenigen, welde
bu haft’, Überfteigen deine Einnahme nigt; du ſpielſt
felten und überdieß noch größten Theils glücklich; geltſt
unter allen deinen Bekannten für einen Menſchen von
Kopf. — | -
Bonav. (ſpöttiſd.) Ein herrlicher Vorzug! —
Mart. Herrlich genug, Undankbarer ! denn ihn
faufen oft Millionen nicht. Übrigens bift du gefund
und f ıfch.
Bonav. (wie rorbin.) Bin ih es?
Mart. Wenigftens dem Anfehen nah !— Deine »
Mange iit glühend und voll; dein Auge —, frage nur
die Maͤdchen in der Nahbarfhaft rund herum. Wie
laufhend Mande, wenn tu vorübergebft, hinter ihrem
Gitter jtehen! Sch wette, e3 gibt Keine, der nicht
Signor Pıetro ein willlommener Liebhaber wäre!
Bonav. Kerne ? gar Keine ? Meint du? —
Meint du wirklich? — Schade, daß du nicht Wahre
fager — daß du Eein Mädchen bift! daß nicht Bin... “
doch ſtill! Ich will nie klagen; will dulden, fehweis
gen, und fhwergend vergeben. — Ah, ich Eenne nur
allzu gut das Gewicht und Übergewicht des Spottes,
das eınen Unglüdlihen dann oft mehr noch als fein
Unglüd ſelbſt darnieder druͤckt, wenn der Zärtling fei=
nen Summer nicht bloß im eigenen Bufen verſchließt.
Markt. (mie dem ernfieken Tone.) Pietro Bonas
venturi !
Bonav. (ihn Keif anfehend.) Nun?
Mart. Warum mir Das! Kennen wir uns fo
neu? Dit welchem elenden Menfhentroß vermengfk
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du mit — Wann verleßte_ich jemahlsm mein Wort?
Wann freute ich mich eines fremden Schadens? Wann
habe ich dir zumahl —
Bonav. (der ſich vorher niedergefeht Hat, doch nun
auffpeingt , und ungebutdig feines Freundes Hand faßt.) O
fig, fill, Martelli! Seit wann warbft du dein eiges
nee Lobredner ? Ich liche dergleichen Herrechnungen
nit. Du folit Alles erfahren ; auf, mein Wort,
Alles! — Nur heute noch nicht! Morgen, morgen,
gewiß morgen? u
Mart. Zändeley oder Vorwand! Ich bin ſicher
morgen um nichts Merkliches beſſer als heute. — Wozu
alſo Aufſchub?
Bonav. Nun wohl, Zudringlicher ‚To ſey es
heute! — Aber wenn du dann mich verrathen, oder
auch meiner nur ſpotten koͤnnteſt. — — Weg mit die⸗
ſem Ernſt, dieſem ſtarren Blick und der Runzel über
dem Auge! Mein Mißtrauen beſtraft ſich ſchon ſelbſt.
Ich weiß, ich fühle es, du wirft meiner nicht ſpotten.
Aber Selbitquälerey iſt ja der Menſchen gewi oͤhbnlichſte
Kunſt! Zum wirklichen Übel ſchafft ſich derUnglüdtihe
fo gern noch leeren Kummer. — (mit wer, inbam, gärte
en Ton.) D Martelli, Martelli, ich Tiebe! Sch lie⸗
be, wie ih noch niemahls liebte !
Markt. (lacheind.) Und das ift es Alles! Dem
Himmel fey Dank, daß beine Krankheit Feinen gefähr-
Iihern Nahmen hat! Sch fürchtete wirklich etwas ganz,
Außerorbentlihes zu hören. O über bie Freifendem
Berge mit ihren Mäufegeburten ! Und wen liebeft
du denn?
Bonav. (mit Graf und Unwillen.) Zu lachen, ehe
bu eh noch weißt!
we 10 vesen N
Mart. D fo made doch fort, und ſauge nicht
an jeder Mücke!
Bonav. Kennſt bu das Haus der Capello?
Mart. Ich ſollte doch wohl, daͤchte ich! Es liegt
uns ja gerade gegenüber, auf jener Seite des Ca⸗
nals. — Was gilt's, daß dort eine reizende Zofe. —
Bonav. Schweig! doch nein; antworte! Sabft
du dort jemahls Bianca?
Mart. (erſtaunt.) Bianca? Die Tochter des als
ten Eapello ? Sein einziges Kind ? die Erbinn eines fürfts
lichen Schatzes? — Bonaventuri , du wirft doch
nicht —
Bonav. (bitter nachſpottend.) Du wirft doch nicht!
Bonaventuri, du wirft doch nie! — Ob du fie je
mahls ſah'ſt, nur Das fragte ich did).
Mart. Nunja! Zwey Mahl fogar!
Bonav. (vol ausbrechender Hige.) Odu Gluͤcklicher,
und doch deined Glüces fo Unwürdiger! — Diefen
töniglihen Wuchs, diefen edlen Stol; in Bid und
Bang, diefen für jeden Pinſol unnahahmlichen Reiz
auf Stirn und Wange, dief: göttlihe Sanftmuth ihe
ved Auges, diefen Bufen, ber feines Schleyers ſpot⸗
tet, diefen niedlichen Fuß, der jeden Schritt zum Tanz
erhebt, vieleicht gar dieſes zauberifhe Lächeln ihres
Mundes — Dieß, Dieß ſahſt du jemahls, und fragft
noch: du wirft doch nicht? — Ad), bey Bott, wer
doch Martelli, wer doch eine Bildfäule, wie er, wäre!
M art. Aber, lieber Freund! —
Bonav. Genug, du weißt ed nun, was mid
peinigt! du weißt, was ich mir felbft kaum geftand !
Aber nicht mehr mein Freund, wenn du noch ein Mahl
und noch deutliher mi tadelſt! — Sa, ih liebe
... 11 vos . .
fie! — Sa, ich fühle, daß es Wahnſinn feg! Aber
Eounte ich Armer dafür, daß ih Sie fah? (Gr reift
fiy ſanell los, und gehe ab.)
Martelli. cipm nawbtidend.) Ya wohl, du Ars
mer! — Welcher fhivindelnde Gedanke! Bianca eine
Liebe für dih! — Bianca Capelio, ber Stolz Vene⸗
digs, der Stolz ihres Geſchlechts! — Fürwahr ein
Einfall, ald ob ıh mid in die Königin von Neapel
veriiebte! (ab.)
Man denke fih hier die Dauer von vier oder fünf
durchlebten Zagen, — Ewigfeiten für Den, welder
liebt und leidet, — und blide dann in Bonaventuris
Gemach!
Bonaventuri. (akein.) Ich Thor, der ich
Martellis Bitten nachgab, ihm, ihm, dieſem Unem⸗
pfindlichen mein Leiden vertraute! Wohin ich gehe und
trete, folgt er mir nun mit Sittenſpruch und Ermah⸗
nung nach; will mit Gewalt den Dorn aus meinem
Herzen reiſſen, und drückt ihn immer noch tiefer, im⸗
mer noch blutiger hinein! —
Ha! als od ich es felbit nicht genüglid wüßte —
nicht längft in jeder Nerve fühlte, daß meine Leiben⸗
ſchaft Thorheit ſey! Aber Eann ih anders? Rief ih
ihr? Ward ich nicht überraſcht, als ich am mindeſten
es waͤhnte? — War ed nicht ſichtliche Beſtimmung!
Hab' ich ihr nicht entgegen gekämpft mit Eifer und
Anhalten? Wohlan, ftarred und doch zur Unzeit fo
biegfames Herz, bulbe, büße jetzt für deine Unvor«
fig! Ä
un 12 0m
Ich will, ich fol, ich muß alfo ungluͤcklich feyn !
Hier keine Nusfiht zum Glück, Eeine zur Ruhe —
außer wenn ich diefes elende Leben binwegwerfe von
mir; dieſes Leben, mie lältiger ald ein Winterkleid dem
Wanderer am wärmften Sommertage! — (Lange Paufe ,
dann baftig :)
Wohlan, Dad will ih! Nur wiffen muß fie es
noch vorher ! Wilfen, wer ich war; daß ich fie liebte;
fie anbethete; für fie flarb; gern ſtarb! — O göttli«
ches Mädchen, nur ein Wort von dir, und Menfchen-
alter find nichts! Nur ein freundliches, und Engelle⸗
ben find mir ein Zand dagegen! |
Und wäre eö ihr denn, diefes freundlihe Wort
zu ſprechen, fo ganz unmöglich? Ihr, die, dem Üus
ern nach , die Gute felbft zu feyn ſcheint?
Sonderbarer Gedanke! Ein Lichtſtrahl, der aus
dunkler Ziefe vor mir auffteige ! Gütige Gottheit,
wäre es dein Rathſchluß vielleicht, daß in des Lebens
fester Daͤmmerung noch diefer Zeoft mir würde? daß
er mir nachſchallte bis über das Grab hin! — — Dars
auf los, Bonaventuri! darauf los und verfuche es!
(Mit verändertem, entidloffenen Tone) Sprechen affe
will ich — muß ih fi! — Kur wann — wie —
wo Das? wie diefen Schatten, der fie überall beglei-
tet, ihre ftrenge Auffeherinn , hintergeben? — Aber
warum aud eben hintergehen? Sit fie nit ein
Menſch, wie ih? Ein Weib, und folte nicht Liebe
fennen? Sollte Bitten, Knieen, Verſprechen, Ge:
fhenfe — follte Schmeicheley ungerührt zurüds
weifen Fönıen?
Ya — ja, ih will es verfuhhen! Morgen ſchon
es verfuden! So früh ich nur kann: fobald ich fie aus⸗
!
wow 13 —X
gehen ſehe! Ha, und wenn es mir gelingt, dann ver⸗
zeihe ich dir gern, gütiger Himmel, wenn auch die
übermocgende Sonne mein Auge nicht wieder zum
Leben erwedr!
Der nah Mitternacht eingefhlafene Bonavens
turi warb mit dem früheften Lerchengefange wieder
munter. Zaufend Mahl wiederbohlte er fich nun jedes.
Wort, das er zu fprechen beſchloſſen hatte; den gans
zen Morgen kaufchte und kaufchte der Züngling, bis
er gegen die Mittagsitunde Bianca's Hofmeifterinn
ausgehen fah. Raſch eilte er ihr nah, und hohlte fie‘
an einem etwad minder volfreihen Orte glücklich ein,
Bonav. Verzeiben Sie, gute Eignora , wenn
ich hier, aufwenige Worte nur, Ste anzureden wage !
Es betrifft nichts Geringeres, als das Leben eines mei⸗
ner Freunde.
Hofmeiſterinn. Sprechen Sie mit mir, Sig⸗
nor? Irren Sie fich nicht vielleicht ganz in der Perſon?
Bonav. Keinesweges! Sie find die Erzieherinn
der edlen Bianca Capello, Tochter eines der Erſten
im Staatsrath.
Hofm. Ganz recht, Die bin ich! Aber wie ſollte
ih olſo —
Bonav. D, ihbin ber unglücklichſte aller Men:
fhen, wenn Sie mid nicht hören wollen! — Einer
meiner Qandöleute ,. mir fo werth ald meine eigene
Wohlfahrt, fleht in Gefahr, binnen wenigen Tagen
Güter, Seelenruhe, Leben und Alles zu verlieren,
wenn Cie, edle, großmätbige Frau, ſich ſeiner nicht
annehmen.
wo 14 ven
Hofm. (immer x verfegener,) Wie kann ih Das aber?
Reden Sie deutlicher!
Bonav. Sein Schickſal ſteht in Capello's rich⸗
terlichen Händen, Capello's Her, in Bianca's Mills
für, Bianca’s Freyheit unter Ibrer Auffiht. — Vers
gönnen Std mir daher nur wenige Worte mit diefem
holden Mädchen zu fpreden! Sie fol, habe ich fagen
bören, das Bild der Sanftmuth felbft ſeyn: Eein Zwei⸗
fel, daß Sie — zumahl von einer folhen Erzieherinn
geformt — auch ein ſanftes, edelmüthiges Herz beſitzt.
Und dann, dann wird ſie mich hören, wird ihren Vater
lenken; wird meinem Freunde, und zugleich auch mir
das Leben wieder geben.
Hofm. für ſich.) Ein braver, edler Jüngling!
— (aut.) Signor, ich verſtehe zwar noch nicht völlig
Ihre Abſicht; aber tif Dieß Ihre ganze Bitte?
Bonav. Meine ganze!
Hofm. So ſey fie Ihnen gewaͤbrt! An mei⸗
nes Naͤchſten Unglück pflege ich nur allzu gern mit⸗
leidigen Antheil zu nehmen. Auch hier will ich,
eines kleinen aufſteigenden Verdachtes willen, mich
nicht hartherzig zeigen. — Zwar dürften Sie kühn
nur mir ſelbſt Ibre Bitte an Bianda auftragen, und
der päünctlihften Ausrichtung verfichert feyn — (indem
Je einen Augendlick inne Hält und ihn forſchend anbdlickt.)
Bonav. (vertegen.) Kein Zweifel — aber gleiche
wohl — vergeben Sie —
Hofm. Schon gut! Schon gut! ih merke
wohl, daß Sie ſich und Ihren Freund nidt meiner
@orgfalt allein anvertrauen wollen, und ed ſey —
Spnen verziehen. Sie follen meine Pflegetochter ſelbſt
ſprechen.
me 15 men
Bonav. Maris) Soll ich? Soll ih wirklich? —
D Dank, taufend Dank dafür, trefflihe Signora ! —
Aber wann und wo fol diefes Alles geſchehen?
Hofm. (mit zweydeutigem Zone) In der That,
Signor, Sie müflen Ihren Landsmann mit mehr als
gewöhnlicher Freundſchaft lieben. Das Feuer Ihrer
Rede, das Funkeln ihrer Augen zeugt davon, und
dürfte mich faft ın meinem Verdachte beftärken.
Bonav. Verdacht! Wecke Gott gegen mid) jebe
Strafe der Hoͤlle ſchon hiernieden, wenn bier die Rede
von einem Betruge ift! Kann Feuer der Rede für das
Leben eines Freundes — ad, des nädften Freundes,
den ich habe! Verdacht erregen? Sehe id) aus ‚ wie
Einer, der falfch ſchwört?
Hofm. Nein, wahrlih nicht! Auch würde ich
Ihnen! dann kaum fo longe Zugehört haben. —
Bleibe es alſo bey meinem Verſprechen, und merken
Sie auf, wie ich es zu halten gedenke! Ich pflege zu⸗
weilen Vormittags mit Bianca ein Kloſter in Zuecca
zu beſuchen, und werde es auch morgen thun. Glocke
neun Uhr verfäumen Sie daher nicht, in einer Straße _
bey der zweyten Brüde fi) einzufinden! Eine Gon-
bel, die bereits unfer wartet, die burch ihre etwas
größere Bauart von ben Übrigen dort liegenden Fahr⸗
zeugen ſich ziemlich merklich unterfcheidet, und die im
Nothfall ein Zeichen, mit einem weißen Zug von mir
oder Bianca gegeben, noch kenntlicher machen wird,
ſoll uns alle drey zum uͤberſetzen aufnehmen. Waͤhrend
der uͤberfahrt koͤnnen Sie dann mit der jungen Gas
pelld ſprechen. — Nur vergeffen Sie nicht mie Schlag
neun Uhr da zu ſeyn! |
—E i6 vum
Bonav. Es vergeflen? O ehe ben Nahmen dies
fer Stadt, eh’ felbft. den Meinigen! Leben Sie webl,
großmüthige Signora ! Segen der heiliaen Jungfrau
fomme über Sie, weil Sie gütig ihr Ohr auf die
Stimme eines Befümmerten neigten! (s6.)
Hofm. Welhe feltene Freymüthigkeit ſprach
aus dieſem Jüngling? Welche unbekannte Kraft zwang
mich gleichſam feinem Begehren zu gehorchen; — machte
mich bereitwilliger, als ich ſonſt zu ſeyn pflege? Gut,
daß ich nicht mehr ein Mädchen und jung bin; ein
Mann , wie Diefer da, würde mir gefahrlich feyn, und
harte ich auch das Gelübde der Keufchheit geftern erſt ab⸗
gelegt. — (Ibm nacblicend.) Ha, er lenkt ſich dort feit«
waͤrts; — er gebt in Salviatid Haus! Vielleiht war
ed Salviati felbiit D gewiß, gewiß war er ed! We⸗
nigftens Eein ©eringerer, ald er! — (Reine Paufe.)
Und doch, wenn eine Liſt hierunter verborgen laͤge?
Bianca ift ſchön, die Klorentiner find ſchlau; diefer
Süngling war feurig und einnehmend. Wenn vielleicht
ein verjiedter Plan — Doc nein, nein! Weg mit bır,
allzu mißtrauiihe Klugheit! Auf einem fo ehrlichen
Gefihte muß man feine Schminke murhmaßen ! —
(Seht ab.)
(Nächſte Nackt.)
Bonaventuri (in feiner Rammer allein. Er niet nie
der und bethet.)
Gütigſter Gott, meinen feurigften Danf! —
Daß er aufflöge zu bir mis Adlersſchwingen! Taf er
lieblich und heil, wie eines Seraphs Harfe, durch alle
deine
won 27 vn
deine Himmel tönte! — Sch werde Sie ſehen! werde
-Sie ſprechen! — Jetzt keine Frage, kein Kummer:
Wie? und Wovon? Genug ſchon, daß ich ſie ſehen,
daß ich ſie ſprechen ſoll!
Wär’ auch mein fünftiges , ganzes Leben Qual .
auf Qual, Folter auf Folter., — nie, du Alleiniger;
Allwaltender, nie dürfte ih Elagen: daß Du mir des
Guten biernieden zu fparfam zugemeilen habeſt. —
Diefer Augenblick, der Hoffnung und Freude fo über:
voll, ift mehr ald ein Menſchenleben werth; ift das
srefflipfte Geſchenk eines Gottes der Güte. (Fleine Paufe.)
Heiliger Antonius, Leiter, Befhüger meines Les
bens, zu dem ic) erit heute noch, bevor ich ausging,
meine Bitten wandte; der du mich hörteft / mir Much
verliehſt ‚ meinen ſtammelnden Worten die Fülle der
Überredung gabit , vollende nun auch bein Merk!
Zräufle morgen wieder deine Segenskraft auf mich
herab! Dffne meine Lippen! &ie werden wohl und
weife ſprechen, wenn du fie öffneft! — Sieh, ohne
Zittern. flehe ich dich, flehe ich alle Heilige des Him⸗
meld, und feldft die unbefleckte, die hochgebenedeyte
Jungfrau um Schirm bey meiner Liebe an ! — Ad,
es iſt nit Brunft, wie die Welt fie fühlt. Es ift die
reinite geiftigfte Liebe, die jemahls ein flerblicher Bu⸗
fen empfand.
Langfam ſchlich der übrige Theil der Nacht dahin.
Bonaventurid Augen befuchte Fein Schlaf; defte reich:
licher waren fie oft von abwechſelnden Freudenthraͤnen
und Schmerzensthränen erfült. Schwindelnde Ente
würfe,, tadelnde Überlegung, zitternde Ahnung, lös⸗
Meißners Bianca Gap. 1. Th. VB
we IB rueea
Cen ſich unaufboͤrlich unter einander ab. Daß die Hofe
meifterinn doch wohl ihr Wort nicht halten werde —
daß ihr Blick bis in fein Herz gedrungen fey — daß
Bianca ihm mit Zorn Stillfhmweigen gebiethen werde,
dag — g wer Eann fie zählen die taufend und aber
taufend Sorgen, die body immer wieder in den Aus⸗
rufübergingen: Nein ! Nein! ich werde fle fehen, werde
fie ſprechen!
Endlich erſchien der P ſehnlich gewünſchte Tag;
endlich ſchlug es neun Uhr!
(Straße)
Bianca. Hofmeifterinn. (Beyde auf den Canal
zu gebend.)
Bianca. Sie glauben alfo wirklich, daß es
Salviati geweſen fey ?
Hofm. Ganz gewiß! Nede und Anſtand
verrietben ihn faft noch mehr als feine Wohnung. Zus
dem entfinne id mich auch, wie im Traum, ihn ſchon
vordem geſehen zu haben. — D es ift ein edles Haus,
das Haus des Salviati, und diefer Mann war es wahr:
haftig niht minder! — Die Gluth, mit welcher er für
feinen Freund fprach, ber ungekünftelte und doch rüß«
vende Dank, womit er mid) überhäufte, die zuverſichts⸗
volle Miene, mit welcher er von mir fehied, Alles zeig«
te von innerm Werth und aͤchtem Adel.
Bianca. Sie mahen mid immer neugieriger ;
denn ich weiß: @ie loben felten. — Db er aber auch
gewiß unfer warten wird ?
eo
’ we 19 A P n
Hofm. Wollte der Himmel ich befäße eben,
fo fiher den Ning der Unfichtbarkeit, oder den Gürtel -
der immerwährenden Jugend, als er nicht außen bleiben
wird. — Schiffer, fahr an! (indem Re einfeigen.) St
nod niemand vor und bier gewefen ?
— Shiffer. Menfhen genug! Unter Andern ein
junger, hübfcher, ziemlich ‘gut angezogener Burſch. —
Er fheint etwas Beſtelltes zu haben, denn er bat ſchon
drey Mahl meine Gondel angeftarıt, als ob er mir fie
feil machen wollte. — Wenn ih nicht irre, Rebe er
noch dort und paßt auf.
Hofm. (achelnd gu Stanca.) Und wenn mich mein
Geſicht nicht trügt, fo ift er es!
Bianca. -Nun, fo laſſen Die uns ihm auf guf
Glück das Zeichen geben! Ein Sremder verfteht es ja
doch nicht. (Sie bebt den Schiever auf, und ficht durch ein
Asınglad allentbalben fi um. Die Hofmeiſteriun ſchwingt «in
weißen Tuch; ſogleich rufe Bianca) Er kommt — er kommt
fhon! Ah, wie er eilt! Eine Schwalbe, duͤnkt mich,
würde athemlos hinter ihm herflattern!
Hofm. Iſt er nicht ſchoͤn?
Bianca. Wenigſtens ziemlich gut gewachſen,
fo viel ich ſehen kann! (für na.) Ziemlich ſagte ich? —
Gütiger Himmel, verzeih mir dieſe Lüge! Ich habe
noch nie einen fhönern Mann gefehen.
Hofm. Werfen Sie doch Ihren Schleyer über!
Er ift ja ſchon de.
Bianca. (indem fie es mu). Sie haben recht.
für A.) Wüste ich doc in meinem Leben nicht es fe
ungern gethan zu haben!
Bonav. (ind Sciff tretend.) Verzeihen Sie, meine
Damen, verjeiben Sie der Dreiſtigkeit eines Unbe⸗
B 2
v
von BO rose.
Sannten!: Und Eie, fhönfte Signora Bianca, fehen
Sie hier zu Ihren Füßen — —
Bianca. Cipn autpattend.) Nicht doch, Eignor!
Bedenken Sie, wo wir find, — Meine Pflegemutter
bat mir gefagt, daß Zie mein Vorwort wegen eines
unylüdlichen Freundes anflehen wollten —
Bonav. (feuriend.) Sa wohl, einds unglüdlihen
Freundes!
Bianca. Hurtig daher, Signor! Iſt irgend
dinige Kraft in meiner Schwäche befindlich, — iſt es
mir Ihnen zu nützen möglich, fo reden Sie frey und
brein ! |
Bonav. DO wer könnte Dad, ſobald man Eis
ſieht und hört? — Engel des Himmels, diefe ınelodis
fhe Stimme —
Bianca. einfattend) Keine Schmeicheleyen,
Signor, wenn ich bitten darf ! Sch höre fie nie gern?
auch an rubigern Orten nicht, als diefer ba iſt. Lieber
zur Sache ſelbſt! Wodurch kann ih Joren bedraͤngten
FJreund retten?
Bonav. (forternd.) Könnte ih nicht — zwar —
aber doch —
Hofm. Ih merke es fhon, Siguor, meine Ger
genwart hindert Sie. Eo gern ih Sie auch ſprechen
bore, fo will ih DLoh auch ungebethen, aus Freund⸗
ſchaft für Zie, diefen Zwang Ahnen erfparen. (Bie geht
auf die andıre Seite des Schiffs.)
Bonav. (ihr naa.) Eine Büte, die mich befhamt !
— (ju Bianca.) Zwar find wir nun allein, ſchönſte,
edelite Signora! Aber noch habe ih ein anderes Be⸗
gehren, bevor ih zur Hauptbitte fomme. Edlagen
ie dieſen mißguͤnſtigen Schleyer zurück! Wenn ich
N
os. 9 wm
gewürdigt werde, Ihre Augen zu feben, diefe. Augen, -
an denen die fihaffende Natur ihr Meifteritüc volle
brachte, dann werde ich nicht nur neubefeelt mich füh⸗
Ien, fondern auch in ihnen Iefen können, ch mein
Freund Erhörung finder. |
Bianca. Eie haben eine Sprache, die mir noch
ganz neu, und einen Zon, ber mir bey einem Fürs
ſprecher ganz unerwarter iſt. Aber eben diefer Zelten»
beit und meiner Neugierde wegen, fey es Ihnen ges
währt! Gie ſchlagt den Schiene auf) Doch auch nun
Feine Umjtände weiter! Was fordern Sie?
Bonav. Nichts, als ein einziges Wort, edle
&ignora! Der Eleinfte,, günftigite Hau Ihres Muns
des, der Eleinfte zufriedene Wink Ihres Auges wirb
einem Unglücklichen das Reben wieder fhenken, das er
ſo eben zu verlieren in Gefahr ſteht.
Bianca. Aber für welches Verbrechen fol er
denn fterben ? |
Bonav. (mis zitternder Stimme.) Füͤr die ſchuld⸗
loſeſte Verwegenheit, die jemahld im Bufen eines.
Sterblichen ſich einſchlich. — Tiefer Unglückliche liebt —
liebt mit Flammengluth; — liebt Sie, ſchönſte Bian-⸗
ca; und — dieſer Ungluͤckliche — dieſer Frevler —
bin ich!
Bianca, (erfauıt.) Wie, mein Herr —
Bonav. (rafb.) Nein, götslihe Schöne, verzb⸗
gern Sie noch Ihren Ausfpruch! Laffen Sie mid) noch.
einige Angenblide hindurch der glücklichſten Minute
meines Daſeyns genießen: noch ein Mahl in diefes
Auge bliken, das ein Chaos mit Schönheit, und ein
Grab mit Leben begaben Eöunte! — Ach, ich zittere
vor der Nacht, die von aun an mein Leben verdun⸗
teln, aber, zu meinem einzigen Trofte, auch bald
enden wird, enden muß.
(Blanca laͤtzt Hier den Sieger finfen, denn die Bofweſſte
naht ſich Ihnen wieder.)
Hofm. Sind fie fertig, junger Mann :
Gondel ift am Lande!
Bonav. Sogleich, Signoral — Nun we
ebelmüthige Bianca, ſprechen Sie nun das Urt!
meines Freundes! Von Ihrem Munde wird er fe
Verdammniß mit ſchweigender Ergebung hinnehmen
bodenlos auch der Abgrund -ift, in melden Sie
dann hinabſtuͤrzten. — Darf er hoffen?
Bianca. (nad einer Beinen Paufe) Sagen (
ihm : feine Verwegenheit fey zwar fehr groß; denn
dürfe er hoffen! — Sein Zürfprecher fey allzu :
gewählt, als ba er nicht wenigſtens auf meinen gu
Willen vechnen könne.
Bonav. (voll Entzüden.) Edelfte alle r edlen!
netianerinnen! Nie hat der Mund himmliſcher Friede
bothen erquicdender gefprochen. — Kräftiger wird d
Nachricht meinen gebeugten Freund aufrichten, als
Eommertegen verwellende Baaten. (Gr min den S
iheed Kleides Füffen; ſie reicht ihm die Sand. Er wendet
alsdann zur Hofmeierinn.) Gütige Signora! mein Freu
befigt wenig, und doch von nun an mehr, als der gr
te König des reihen Indiens. Er befhwor mid,
Fall, daß ſein Flehen Statt fände, nicht eher abzul
fen, bis Sie diefe Kleinigkeit in feinem Nahmen,
gleih er Ihnen noch fremd ift, angenommen f
ten. Verfhmähen Sie diefe Bitte eines Unbekann
— verfhmähen Sie die Meinige nicht! (Er reich
—
sch 25 0 ‘
eing volle Börfe und entfernt füch Früher , ee fie ſich noch be⸗
Annen kann, mit ſtarrem Blick auf Blanca.)
Hofm. Signor! was wollen, ‚was denken Sie?
Nehmen Sie wieder zurück! Wofür — — — Ah,
verſchwunden wie ein Geiſt beym erſten Hahnenruf! —
(die Börfe öffnend.) ieh da, Gold! eitel Gold! O ges
wiß war es Salviati felbft! Hat er Ihnen nice feinen
Nahmen gejagt? .
Bianca. (gielgiam erſchredend.) Ich Thoͤrinn! —
Habe ich daran wohl mit einer Sylbe gedacht!
Hofm. Aber die Sache ſelbſt? — Darf ih wiſ⸗
ſen, wovon er ſprach? |
Bianca D allerdings! Bon — von — im
Bapıpeit —
Hofm. Schon gut! Ich merke, meine Frage
mißfaͤllt, und ich erlaſſe Ihnen die Antwort. Nur
daß Sie feine Bitte ihm ja gewähren, wofern ſie bil⸗
lig ift! (den Beutel wieder eröffnend.) Lauter Gold! In
der That, diefer Tag ift gut, für mich! _
[3
Was Bonaventuri jetzt im Taumel ſeiner Wonne
Bianca's Hofmeiſterinn als Geſchenk uͤberlieferte, war
wirklich eine ziemlich anſehnliche Summe, denn es war
der ganze kleine Nothpfennig, den er ſeit einigen Jah⸗
‚ren in Salviati's Dienſten ſich erübrigt hatte; war nicht
weniger, ‘als — ſein Alles. Und doch hatte er auch
mit der Verſicherung recht: „Alle Monarchen Indiens
dünkten ibm jetzt, im Vergleich feiner ferbft, Bettler
zu fen!” Er eilte wieder in fein einfames Gemach;
er warf fih mit einer ganzen Fluth von Freudenthraͤnen
auf fein Lager, — „Bogen Sie ihm, er dürfe hoffen !”
rn OA eroca
Dieß wiederhohlte er ſich itet3 ; bald leiſe, bald Ta
Wer ihn jegt durch eine Ritze der Wand belauſcht h
te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude
nes Wahnſinnigen ſey.
Aber nicht lange ſprach er mit ſich allein dav
Er hatte dieſen Morgen, was ſonſt nie geſchah,
dem Schreibezimmer gefehlt. Er erſchien bey der X.
mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wie
die Schüffel unangerührt bey ſich vorübergehen; a
deito Öfter ſprach er — ebenfalld gegen feine ©:
— dem Keldyglafe zu. Ein frohes Wort folgte da
dem andern. Martelli jtaunte mehr ald zehn M
ihn an, und begriff ihn nicht. Nach der Tafel, fob
er feiner allein habhaft werden Eonnte, drang er f
gend in ihn. Heilig hatte fi) zwar Bonaventuri v
genommen, Niemanden, ja Niemanden! nur eine ©
be von dem ganzen Morgen Abenteuer zu entded
Doch wie ſchwer laßt fi die Hoffnung freudiger Li
verichweigen! Wie fait unmoͤglich ift ed einem forſch
den Freunde zu widerſtehen! Martelli erfuhr 5
Alles.
Er ftußte, ald Bonaventuri feine geftrige Kül
beit geftand, er fiußte noch mehr, als er auf bei
fam. &tumm, nur dann and warn mit einem kleu
Kopffgütteln, hörte er der Erzahlung zu. Bonav
turi, als er nun fertig war, mußte zwey Mahl i
fragen: was er von dem Allen denke? —
Mart:. Daß ich nicht der alfe Capello fegn, u
nur einen Funken Argwohn von dieſem Worgange |
ben möchte !
Bonav. Und was wollteft du dann thun I
wen 95 —
Mart. Eine Hofmeifterinn dieſer Art tiefer ind
Mriatiſche Meer werfen laſſen, als je ein Done > den
Ring am’ Bermählungstage:
| Bonav. (valblachend.) Sonderbarer Mann! wer
ſpricht von der Hofmeifterinn? Was du von Bianca,
ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will &b
wiffen.
Mart. Unb aufrichtig ? | —
Bonav. Allerdings.
Mart. Daß auch das trefflichſte Mädchen nur
ein Mädchen iſt; daß aber ein Mann nie Mann ju
fenn vergeffen follte !
Bonav. Schade, daß ich diefen Gittenfpruch
nicht ganz, mwenigften® hier nicht ganz verftehe!
Mart. Sahſt du wirklicy Eeinen Blick ihres Aus -
ges, der.zürnte? Hörteft Eein Wort, das did ſtraftes
Bonav. Keines.
Mart. Fragte ſie denn nicht einmahl, wer du
wäreſt?
Bonav. Nein!
Mart. Unbegreiflih ! Und fagte doch wirklich,
dag du hoffen dürfteft ? |
Bonav. Sie fagte es.
Mart. Viel, nnendlid viel! Mehr, als ich dem
reichſten jungen Mobili beym erften Angriff verfprochen
hatte! Aber auch wahrlid nur ein Rieſenſchritt — zum
Abgrund. Wie Das nun fortgehen fol, haft du auch
Das überdadt? |
Bonav. (verdriehtib.) So weife gefprochen , baß
deine Worte, daß diefe Figur der Frage ber erite befte
Pater in feiner Faften = Predigs brauchen Eönnte! Frey⸗
lich, wer zukünftige Dinge vorausfähe! (Häpnits.) Doch
wm 26 vw !
laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem Glaſe
Wein läßt ſich eine fo unwichtige Sache ſchon übe re
denfenz ja, durchdenken wohl gar!
, Dart. (ganz gelaſſen.) Merkſt du nicht, lieber
Pietro, daß deine Zunge anſtößt? Und fließt du
nicht ſchon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, daß
Spott — Spott Über einen forgfamen Freund? —
bier nicht am rechten Orte ſtehe? DVerlache meine Be⸗
huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vieleicht wäre bein
Teuer ſchon längft ausgebrannt, wenn es nicht meine
Kälte bisweilen noch mäßige. — Ad, beym Sprunge
"der Tollkühnheit if jeder Stick in die Zukunft
freylich allzu ſchwer und aud allzu trügend. ToltEühn
aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen auf
nichts weiter, als auf die Gegenwart ſchaut. — Zu
etwas follte dich doch wohl der dreifte Schritt, den du
bey diefem Gefpräbh unternahmft, führen 4
Bonav. Zu meinem Tode, wenn fie Rein
fagte!
Mart. Nun! Aber ihr Ja — wozu Das! _
Bonav. D des edlen fanften Gefhöpis! Sich
bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten könne,
ald nur je ein Sort! Und o, die doch mit eden biefer
Güte eines Gottes Leben gab, — mir Unwürdigen
ſolches gab! «mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hitze,
Freund! Ihr entſchlüpfen zuweilen Worte, die freylich
dich beleidigen können, aber nicht follen. — Wie
Das fortgehen ſoll — nicht wahr, Das fragteft tut O
mein Guter, wie Bann ih Das jeht beſtimmen? Aber
Zeit, Leidenfchaft und Zufall werden mir fhon Maße
regeln an die‘ Hand geben, wenn id auch jetzt noch
. nicht weiß, wozu ich greifen TON.
—
rose "27 ua
Mart. Zeit, Leidenſchaft, "Zufalt Drey fehr
ungewiſſe Rathgeber! Ich wünfdte dir fiherere, beim.
id liebe did. — Laß uns einmahl bas Heer ber Möoͤg⸗
TihEeiten muftern! Aus ihnen tritt oft ie Wirk:
lichk eit hervor. — Kannſt du wohl hoffen, dich.
durch Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß du einft
— und dieß einft müßte noch dazu bald ſeyn — oͤf⸗
fentlih um Bianca werben dürfte?
Bonav. Eine Frage, als ob id Kaifer in’ Japan.
zu werden gebädte! !
Mart. Oder willft du fortfahren, heimlich ihr
Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu hinsergehen ſu⸗
hen, das, in der Welt noch unerfahren, vielleicht eit-
len Soffnungen Gehör, unbefcheidenen Wünfhen Ges
mwahrung geben dürfte? Und wenn fie ed getban, wenn
fie ganz dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗
vortreten und zu ihrem Water fagen: Das that ich!
Nun verzeiht und gebt fie mir!
Bonav. Elender! was denkt dis von mir?
Mart. Nichts, als daß Liebe leicht in dir eben
Das hervorbringen koͤnnte, was fie ſchon im taufenb,
wohl! Lültern Menſchen hervorgebracht bat: Änderung
unſerer erften tiefften Grundſaͤtze.
Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder Ehre,
zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir ver⸗
flucht, menn gr durd Erumme Pfade dei Trugs und
leitet!
Mart. Oder wie? wenn fie dich mehr als Glanz
und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn ſie
zärtlich ihren Arm um deinen Nacken wuͤrfe, und mit
bir in einen einſamen Winkel der Erde Höhe?
Ten, aber, zu meinem einzigen Trofte, auch bald
enden wird, enden muß.
(Blanca 1äßt Hier den Sqhleyer ſinken, denn die Bofmeſſte
naht ſich Ihnen wieder.)
Hofm. Sind ſie fertig, junger Mann? :
Gondel ift am Lande!
Bonav. Sogleich, Signoral — Nun we
ebelmütbige Bianca, ſprechen Sie nun das Urt
meines Breundes! Von Ihrem Munde wird er fe
Verdammniß mit ſchweigender Ergebung hinnehmen
bodenlos auch der Abgrund iſt, in welchen Sie
dann hinabſtuͤrzten. — Darf er hoffen?
Bianca. (nad einer Leinen Paufe) Sagen (
ihm : feine Verwegenheit fey zwar fehr groß; denn
dürfe er hoffen! — Gein Fürſprecher ſey allzu |
gewählt, als daß er nicht wenigſtens auf meinen gu
Willen vechnen Eönne. .
Bonav. (vou Entüden.) Edelſte alle v edlen‘
netianerinnen! Nie hat der Mund himmliſcher Friede
bothen erquickender geſprochen. — Kraͤftiger wird d
Nachricht meinen gebeugten Freund aufrichten, als
Sommerregen verwelkende Saaten. (Gr win den ©
Idee Kleides küſſen; flo reicht ihm die Hand. Er wendet
alddann zur Hofmeifterinn.) Gütige Signora! mein Brei
befigt wenig, und doch von nun an mehr, als ber gr
te König des reihen Indiens. Er befhwor mid,
Fall, daß ſein Flehen Statt fünde, nicht eher abzul
fen, bis Sie dieſe Kleinigkeit in feinem Nahmen,
gleich er Ihnen noch fremd iſt, angenommen f
ten. Verſchmaͤhen Sie dieſe Bitte eines Unbekann
— verſchmaͤhen Sie die Meinige nicht! (Er reiche
rel 25 .. N
eing volle Boͤrſe und entfernt ſich früher , ehe fie ſich noch be⸗
innen Tann, mie ſtarrem Blick auf Bianca.)
Hofm. Signor! was wollen, ‚was denken Sie!
Mebmen Sie wieder zurück! Wofür — — — Ah,
verfhwunden wie ein Geift beym eriten Hahnenruf! —
(die Börfe öffnend.) Sieh da, Som! eitel Gold! O ges
wiß war es Salviati ſelbſt! Hat er Shnnen nicht feinen
Nahmen gefagt!. |
Bianca. (gieigfam erſchredend.) Ich Thörinn !—
Habe ich daran wohl mit einer Sylbe gedacht! Ä
Hofm. Aber die Sache ſelbſt? — Darf ich wiſ⸗
fen, wovon er ſprach? |
Bianca D allerdings! Bon — von — in
Bapıbeit —
Hofm. Schon gut! Ich merke, meine Frage
mißfaͤllt, und ich erlaſſe Ihnen die Antwort. Nur
daß Sie feine Bitte ihm ja gewähren, wofern ſie bil⸗
lig iſt! (den Beutel wieder eröffnend.) Lauter Gold! In
der That, diefer Tag ift gut, für mich!
Was Bonaventuri jetzt im Taumel ſeiner Wonne
Bianca's Hofmeiſterinn als Geſchenk uͤberlieferte, war
wirklich eine ziemlich anſehnliche Summe, denn es war
der ganze Eleine Notbpfennig, den er feit einigen Jah⸗
‚ven in Salviati's Dienften fich erübrigt hatte; war nicht
weniger, als — fein Alles. Und doch hatte er auch
mit der Verfiherung recht: „Alle Monarchen Indiens
dünften ihm jest, im Vergleich feiner ferbft, Bettler
zu feyn!” Er eilte, wieder in fein einfames Gemach;
er warf ſich mit einer ganzen Fluth von Freudenthzaͤnen
auf fein eager. — „Basen ie ihm, er börfe hoffen !”
or 2 24 ro.
Dieß wiederhohlte er fi itet3 ; bald leiſe, bald Ta
Wer ihn jetzt durch eine Ritze der- Wand befaufcht h
te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude
ned Wahnfinnigen fep.
Aber nicht Tange fprah er mit fich allein dav
Er batte diefen Morgen, was fonft nie geſchah,
dem Schreibezimmer gefehlt. Er erfhien bey der T.
mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wie
die Schüffel unangerührt bey ſich vorübergehen; a
deito Öfter fpradh er — ebenfalld gegen feine ©i
— dem Kelchglaſe zu. Ein frohes Wort folgte da
dem andern. Martelli jtaunte mehr ald zehn M
ihn an, und begriff ihn nicht. Nach der Tafel, fob
er feiner allein hbabhaft werden Eonnte, drang er f
gend in ihn. Heilig hatte fi) zwar VBonavensuri v
genommen, Niemanden, ja Niemanden! nur eine
be von dem ganzen Morgen- Abenteuer zu entded
Doch wie ſchwer laßt fih die Hoffnung freudiger Bi
verſchweigen! Wie fat unmoͤglich ift es einem forſch
den Freunde zu widerſtehen! Martelli erfuhr b
Alles.
Er ftußte, ald Bonaventuri feine geftrige Kül
beit geftand, er ftußte noch "mehr, als er auf be
Fam. Stumm, nur dann and wann mit einem Ele
Kopffütteln, hörte er der Erzählung zu. Bonav
turi, aid er nun fertig war, mußte zwey Mahl |
fragen: was er von dem Allen dene? —
Mart: Daß ich nicht der alfe Gapello fegn, u
nur einen Funken Argwohn von diefem Worgange |
ben möchte !
Bonav. Und was wollteft du dann thun ?
wen 95 vs
Mart. Eine Hofmeifterinn diefer Ark tiefer ind
adriatifhe Meer werfen laffen, als je ein Doge den
Ring am’ Vermählungstage:
Bonav. (Galblachend.) Sonderbarer Mann! wer
fpricht von der Hofmeifterinn? Was du von Bianca,
ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will &h
wiffen.
Mart. Und aufrichtig | —
Bonav. Allerdings.
Mart. Daß auch das trefflichſte Maͤdchen nur
ein Maͤdchen iſt; daß aber ein Mann nie Mann zu
ſeyn vergeſſen ſollte!
Bonav. Schade, daß ich dieſen Sittenſpruch
nicht ganz, wenigſtens hier nicht ganz verſtehe!
Mart. Sahſt tu wirklich keinen Blick ihres Au⸗
ges, der.zürnte? Hoͤrteſt kein Wort, das di ſtraftes
Bonav. Keines.
Mart. Fragte pet denn nicht einmahl, wer du
wareft ?
Bonav. Nein!
Mart. Unbegreiflich! Und fagte body wirklich,
daß du hoffen dürfteft ?
Bonav. Sie fagte ee.
Mart. Viel, unendlich viel! Mehr, als ich dem
reihften jungen Nobili beym erften Angriff verfprochen
hatte! Aber auch wahrli nur ein Rieſenſchritt — zum
Abgrund. Wie Das nun fortgehen fol, haft du auch
Das überdacht? |
Bonav. (verdrießlich.) So weiſe geſprochen, daß
deine Worte, daß dieſe Figur der Frage der erſte beſte
Pater in feiner Faſten-Predigt brauchen konnte! Frey⸗
lich, wer zukünftige Dinge vorausſaͤhe! (Häpnits.) Doch
mn 90 ws
laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem Glaſe
Wein läßt fi eine fo unwichtige Sache fiyon übe re
denfenz ja, durchdenken wohl gar!
Mart. (gang gelaſſen.) Merkſt du nicht, lieber
Dietro, daß beine Zunge anftößt? Und fließt dus
nicht ſchon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, daß
Spott — Spott über einen forgfamen Freund —
bier nicht am rechten Orte ſtehe? DVerlache meine Bez .
huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vielleicht wäre bein
Feuer ſchon Tängft ausgebrannt, wenn es nicht meine
Kälte bisweilen noch mäßigte. — Ah, beym Sprunge
"der Tollkühnheit ift jeder Blick in die Zukunft
freylich allzu ſchwer und auch allzu frügend. ToltkEühn
aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen auf
nichts weiter, ald auf die Gegenwart ſchaut. — Zu
etwas follte dich doch wohl der dreiftie Schritt, ben dus
bey diefem Geſpräch unternahmft, führen %
Bonav. Zu meinem Tode, wenn fie Nein
fagte !
Mart. Nun! Aber ihr Ja — wozu Dast _
Bonav. D des edlen fanften Geſchoͤpfs! Sich
bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten könne,
als nur je ein Gore! Und o, die doch mit eden diefer
Güte eines Gottes Leben gab, — mir Unmwürdigen
foldyes gab! (mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hitze,
Hreund! Ihr entfchlüpfen zuweilen Worte, die freplich
dich beleidigen Eönnen, aber nicht follen.— Wie
Das forsgeben ſoll — nicht wahr, Das fragteft tu O -
mein Quter, wie kann ich Das jegt beflimmen ? Aber
Zeit, Leidenfhaft und Zufall werden mir [hen Maße
regeln an die‘ Hand geben, wenn ich u jegt noch
nicht weiß, wozu ich greifen PN.
re "27 wuse
Mart. Zeit, Leidenſchaft, Zufall! Drey ſehr
ungewiſſe Rathgeber! Ich wuͤnſchte dir ſicherore, denn
ich liebe dich. — Caß ung einmahl bad Heer ber Moͤg⸗
TihEeiten muftern! Aus ihnen tritt oft die Wirk:
lichkeit hervor. — Kannſt dur wohl hoffen, dich.
dur Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß du einft
— und dieß einft müßte noch dazu bald feyn — oͤf⸗
fentlih um Bianca werben dürfte?
Bonav. Eine rage, als ob ich Kaifer in Japan.
zu werden gebächte! !
Mart. Oder willſt du fortfahren, heimlich ihr
Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu bintergehen ſu⸗
chen, das, in der Welt noch unerfahren, vielleicht eit⸗
len Hoffnungen Gehoͤr, unbeſcheidenen Wünfhen Ges
währung geben dürfte? Und wenn fie es gethan, wenn
fie ganz dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗
vortreten und zu ihrem Mater fagen: Das that ich!
Nun verzeiht und gebt fie mir!
Bonav. Elender! was denkft dis von mir?
Mart. Nichts, ald daß Liebe leicht in div eben
Das hervorbringen könnte, was fie ſchon in tauſend,
wohl kaͤltern Menſchen hervorgebracht hat: Änderung
unferer erften tiefften Grundſaͤtze.
Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder Ehre,
zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir ver«
flucht, menn gr durch Erumme Pfade des Trugs uns
leitet ! ..
M art. Oder wie? wenn fie did mehr als Glanz
und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn fie
zärtlid; ihren Arm um deinen Naden würfe, und mit
dir in einen einfamen Windel der Wide Höhe?
⸗
*
we 28 um
Bonav. Buter Gott, er würde mir zu eim
Elyjium werden!
Mare. Sch glaube ed, fo Tange ihr verborg
bliebet. Denn von Eünftiger Erkaltung deiner Slam
will ich dir jege nicht einmahl etwas vorſchwatzen.
einem Augenblick, wie dieſer gegenwärtige, müßte e
folde Vermutbung dir Unſinn dünken. — Aber ner
mir das Geheimniß, Bonaventuri, das immer
Geheimniß ‘blieb; das nicht einit, felbft von zehnfad
Hoͤhlen bedeckt, ans Sonnenlidt trat! — Und we
man dann euch fände! Die Wuth gekränkter Altern
Bonav. (ihm unterbrechend.) O, Die würden vi
leidt nachgeben! gewiß nahgeben! — Knien cit
Tochter, Thraͤnen eines einzigen lang vermißten X
bes! ach! was konnten Die nit abwenden,
Mart. Auch den Dolch mißgünſtiger Anv
wandten? auch den Zorn eines ſtolzen Geſchlechts,
ſich durch deine Verichwägerung für beleidigt, für
ſteckt erachten würde?
Bonav. (verdrießtich.) Das fol ed nie zu mäpr
Urſache baden. — Zudem mus fihtit du fo eifrig ı
einen felsit gemadten Schattenbilde? — Habe
wohl einen von dieſen drey Vorſchlaͤgen im Sinne?
Nein! lieder wil ih mich ia Stillen verzehren,
nah Bianco's Beſitz fireben, und aus unbefiheide
Gelbftliche diefes ıheure Mädchen um dad Glück ih
Lebens betrugen! (mir Barme.) Zwar ut ſie mein &
fefter, meii einziger Wunſch; mein erſter Geda—
beym Erwachen, mein leßter beym Einſchlumme
In ihe nur lebe ich ! bore, ſehe, fühle in dem gan,
weiten Getümmel der midy umfließenden Welt nur S
nur Sie, die Einzige! Aber dennoch entfage ic)
voson 29. .n
muthig; dennoch genügt mir das füße Bewußtſeyn:
Es gab einen Augenblick, wo fie geſtand, daß fie mich
nicht haſſe; ein Augenblick, wo icy empfand, daß nicht
Ungleichheit der Seele, fondern nur äußeres Flitters
werk diejes elenden Lebens und von eitiander trenne. —
Und mit diefem Troſte will ich feiten Bußes felbft den
Zod, wie eine Braut, erwarten.
M art. (mir warnendem Ton.) Bruder, Bruder! du
nimmt dir viel vor! | |
Bonev. Nicqht mehr, als ich halten ann! Sch
danke dir, Freund, für deine Warnung. Ih will dir,
deiner Sreundfihare und mir felbft nie Schmach erwer-
ben; will von nun an Bianca nice weiter fprechen.
Mein Geiſt fol um fie ſchweben, aber nie mehr mein
Körper. — Und wenn ih nad Mehrerem firebe, wenn
ich je diefen Schwur verlege, dann mag mid Derjeni»
ge ſtrafen, der Meineide firaft; der Herz und Nieren
prüft! (Er gehe ſchleuntgſt ab, indem er ſich die Augen strodnet.) '
Mart. (alten Wie ſchön Das tönt! Wie ſchön
Das ſchimmert! Und dech — arıner Freund ! ich fürd-
te, ich fürchte, dieſes glänzende Merall it nichts wei⸗
ser, als ein übergülderes Meffing. Sein Werth ver
ſchwindet, jobald es auf den Probierftein kommt. dab.)
Ja wohl befand fih Bonaventuri jest im Zu:
ftante der Prüfung! Verſchwunden war fein froher
Rauſch. Trog feiner Anmaßung von Entfdloffenheit
und Edelfinn, ſchlug ihm fein Herz qualvoll und unges
wiß. Zu taufend Mahlen durchdachte er alltaͤglich
jedes Wort, das Blacna geſprochen hatte; war en
ſo künſtlicher, ſo tief durchſpaͤhender Ausleger von je—
nm
rn BA cos0n
Dieß wiederhohlte er fi ſtets; bald leiſe, bald laut.
Wer ihn jest durch eine Ritze der Wand belaufcht hät⸗
te, würde geſchworen haben, daß Dieß die Freude ei⸗
nes Wahnfinnigen fey.
Aber nicht large fprach er mit ſich allein davon,
Cr batte diefen Morgen, was fonft nie geſchah, auf
dem Schreibezimmer gefehlt. Er erfchien bey der Tafel
mit merklich geänderter Miene. Zwar ließ er wieder
die Schüffel unangeruhri bey ſich vorübergehen; aber
deito Öfter fprah er — ebenfalld gegen feine Sitte
— dem Kelchglafe zu. Ein frohes Wort folgte haſtig
dem andern. Martelli jlaunte mehr als zehn Mahl
ihn an, und begriff ihn nicht. Mac der Tafel, fobald
er feiner allein babhaft werden konnte, drang er fras
gend in ihn. Heilig hatte fih zwar Bonaventuri vor⸗
genommen, Niemanden, jaNiemanden! nur eine Öyf-
be von dem ganzen Morgen Abenteuer zu entdeden.
Doch wie ſchwer Tai fih die Hoffnung freudiger Liebe
verſchweigen! Wie fait unmöglich ift e$ einem forſchen⸗
den Freunde zu widerfichen! Martelli erfuhr bald
Alles.
Er ſtutzte, als Bonaventuri feine geftrige Kühne
beit geitand, er ſtutzte noch mehr, als er auf heute
Fam. &tumm, nur dann and wann mit einem kleinen
Kopffhütteln, hörte er der Erzählung zu. Bonaven⸗
turi, aid er nun fertig war, mußte zwey Mahl ihn
fragen: was er von dem Allen denke? —
Mart Daß ich nicht der alfe Cavello fegn, und
nur einen Funken Argwohn von diefem Vorgange has
ben möchte !
Bonav. Und was wollteft du dann thun?
Mart. Eine Hofmeifterinn dieſer Art tiefer ins
adriatiſche Meer werfen laffen, als je ein Dose} den
Ring am’ Vermählungstage: |
Bonav. (alblachend.) Sonderbarer ann! ! wer
ſpricht von dee Hofmeifterinn? Was du von Bianca,
ihrem Betragen, ihrer Antwort denkſt; das will Kb
wiffen.
Mart. Und aufrichtig ? |
Bonav. Allerbings.
Mart. Daß au das trefflichſte Mädchen nur
ein Mädchen ift; daß aber ein Mann nie Mann zu
ſeyn vergeſſen ſollte!
Bonav. Schade, daß ich dieſen Sittenfſpruch
nicht ganz, wenigſtens hier nicht ganz verſtehe!
Mart. Sahſt du wirklich keinen Blick ihres Au:
ges, der.zürnte? Hoͤrteſt kein Wort, das dich ſtraſtet
Bonav. Keines.
Mart. Fragte net denn nicht einmahl, wer du
waͤreſt?
Bonav. Nein!
Mart. Unbegreiflich! Und ſagte boh wirklich,
daß du hoffen bürfteit ? |
Bonav. Sie fagte es.
Mart. Viel, nnendlid viel! Mehr, als ich dem
reichſten jungen Nobili beym erften Angriff verſprochen
hatte! Aber auch .wahrli nur ein Rieſenſchritt — zum
Abgrund. Wie Das nun fortgeben foll, haft du auch
Das überdacht?
Bonav. (verdriegtih.) So weife geſprochen, daß
deine Worte, daß dieſe Figur der Frage der erſte beſte
Pater in feiner Faſten-Predigt brauchen koͤnnte! Frey⸗
lich, wer zukünftige Dinge vorausfähe! (Häpnits.) Doch
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laß mir nur ein Paar Minuten Zeit! Bey einem GI
Wein läßt fi eine fo unwichtige Sache ſchon üb:
denfenz ja, durchdenken wohl gar!
, Markt. (ganz getaffen.) Merkſt du nicht, lie
Pietro, daß beine Zunge anftößtt Und fließt
nicht fon aus diefer Ungeläufigkeit deiner Rede, dd
Spott — Spott über einen forgfamen Freund
bier nicht am rechten Orte ſtehe? Verlache meine 2
huthſamkeit, fo viel dir beliebt; aber vielleicht wäre d
Feuer ſchon längft ausgebrannt, wenn es nicht me
Kälte bisweilen noch mäßigte. — Ah, beym Spru
"der Tollkühnheit ift jeder Blick in die Zuku
freylich allzu ſchwer und auch allzu trügend. Toltku
aber nenne ich Jeden, der bey wichtigen Dingen «
nichts weiter, als auf die Gegenwart fhaut. — .
etwas follte dich doch wohl der dreiſte Schritt, den
bey diefem Geſpräch unternahmft, führen %
Bonar. Zu meinem Tode, wenn fie Ne
fagte !
Markt. Nun! Aber ihr Ja — wozu Das! _
Bonav. D des edlen fanften Geſchoͤpfs! €
bewußt, daß fie tödten könne; fo ſicher tödten Eön:
als nur je ein Gore! Und o, bie doch mit eden bie
Güte eines Gottes Leben gab, — mir Unmwürbig
foldhes gab! «mit gelinderm Tone.) Vergib meiner Hi
Freund! Ihr entſchlüpfen zuweilen Worte, die frep)
dich beleidigen Eönnen, aber nit follen.— %
Das fortgehen ſoll — nicht wahr, Das fragteft du!
mein Guter, wie Bann ih Das jetzt beflimmen ! A
Zeit, Leidenfhaft und Zufall werden mir ſchon M:
regeln an die‘ Hand geben, wenn ic aud jet m
nicht weiß, wozu ich greifen FON.
wo 27 wuse
Mart. Zeit, Leidenfhaft, "Zufall! Drey fehr
ungewiſſe Rathgeber! Ich wuünſchte dir fiherere, denn.
id liebe did. — Cap ung einmahl das Heer ber Moͤg⸗
lichkeiten muftern! Aus ihnen tritt oft die Wirk:
lichkeit hervor. — Kannſt du wohl hoffen, dich.
dur Fleiß oder Glück fo hoch zu heben, daß bu einft
— und dieß einft müßte noch bazu bald ſeyn — oͤf⸗
fentlih um Bianca werben dürfter?
Bonav. Eine Frage, als ob id Sailer in Japan
zu werden gedaͤchte!
Mart. Oder willſt du fortfahren, heimlich ihr
Herz zu beftürmen? Ein Mädchen zu hintergehen ſu⸗
hen, das, in der Welt noch unerfohren, vielleicht eit⸗
len Hoffnungen Gehör, unbeſcheidenen Wünfhen Ges
wöhrung geben dürfte? Und wenn fie ed getban, wenn
fie ganz; dein geworden wäre, könnteſt du dann her⸗
vortreten und zu ihrem Water fagen: Das that ich!
Nun verzeiht und gebt fie mir!
Bonav. Elender! was benkft du von mir?
Mart. Nichts, ald daß Liebe leicht in div eben
Das hervorbringen Eönnte, was fie ſchon in taufend,
wohl kaͤltern Menfchen hervorgebracht hat: Änderung
unferer erften tiefften Grundſaͤtze.
Bonav. Nimmermehr! Der Weg zu jeder pre,
zu jedem Glück fen jegt und immerdar von mir vere
flucht, menn ge dur Erumme Pfade des Trugs und
leiter !
M art. Oder wie? wenn fie did mehr als Stanz
und Weichlichkeit und Reichthum liebte! Wenn fie
zäreli; ihren Arm um deinen Naden würfe, und mis
dir in einen einfamen Winkel der Erde Höhe?
2 m
Bonav. Buter Gott, er würde mir zu ein
Elyſium werben !
Mart. Sch glaube ed, fo Tange ihr verbor;
bliebet. Denn von künftiger Erkaltung deiner Flam
will ich dir jege nicht eınmahl etwas vorjchwagen.
einem Augenblick, wie Diefer gegenwärtige, müßte e
folhe Vermutbung dir Unſinn dünken. — Aber neı
mir dad Geheimniß, Bonaventuri, das immer
Geheimniß ‘blieb; das nicht einit, felbft von zehnfad
Hnhlen bedeckt, ans Sonnenliht trat! — Und wa
man dann euch fände! Die Wuth gefränkter Altern
Bonav. (ihm unterbrechend.) O, Die würden vi
leicht nachgeben! gewiß nachgeben! — Anien ei
Tochter, Zhränen eines einzigen lang vermißten K
bes! ach! was Eonnten Die nicht abwenden)
Mart. Auch den Dolch miſigünſtiger Anv
wandten? auch den Zorn eines jtolzen Geſchlechts,
ſich durch deine Verichwaägerung für beleitigt/ für
ſteckt erahten würde?
Bonav. (verdrieß!ich.) Das ſoll ed nie zu mähr
Urſache haben. — Zudem mus fihtit du fo eifrig ı
einen felsit gemadten Schattenbilde? — Habe
wohl einen von dieſen drey Vorſchlaͤgen im Sinne?
Nein! lieber will ih mich ia Stillen verzehren,
nah Bionco's Beſitz fireben, und aus unbefiheide
Gelbftliche dieſes theure Mädchen um dad Glück ib
Lebens betrügen! (mie Bärme.) Zwar ut jie mein h
fefter, meui einziger Wunſch; mein eriter Geda—
beym Erwachen, mein legter beym Einſchlumme
In ihr nur lebe ich ! bore, fehe, fühle in dem gan,
weiten Getümmel der mich umfließenden Welt nur S
nur Sie, die Einzige! Aber dennoch entfage ic
muthig; dennoch genügt mir das ſüße Bewußtſeyn:
Es gab einen Augenblick, wo ſie geſtand, daß ſie mich
nicht haſſe; ein Augenblick, wo ich empfand, daß nicht
Ungleichheit der Seele, ſondern nur aͤußeres Flitter⸗
werk dieſes elenden Lebens uns von einander trenne. —
Und mit dieſem Troſte will ich feſten Fußes ſelbſt den
Tod, wie eine Braut, erwarten. |
M art. (mir warnentem Son.) Bruder, Bruder! du.
nimmit dir viel vor! | |
Bonav. Niqht mehr, als ich halten fann! Ich
danke dir, Freund, für deine Warnung. Ich will dir,
deiner Sreundfihafe und mir felbfi nie Schmach erwer-
ben; will von nun an Bianca nicht weiter fpreden.
Mein Seit fol um fie ſhweben, aber nie mehr mein
Körper. — Und wenn id nach Mebrerem firebe, wenn
ich je dieſen Schwur verlege, dann mag mid) Derjeni:
ge ſtrafen, der Meineide ftraft; der Herz und Nieren
prüft! (Er geht ſchleuntgſt ab, indem er ſich Die Augen trocknet.)
Mart. (allein.) Wie ſchön Das tönt! Wie ſchön
Das ſchimmert! Und dech — armer Freund! ich fürd-
te, ich fürchte, dieſes glänzende Merall iſt nichts wei⸗
‚ser, als ein übergüldetes Meſſing. Sein Werth vers
ſchwindet, jobald es auf den Probierftein kommt. (ab.)
Sa wohl befand ſich Bonaventuri jetzt im Zu⸗
ſtande der Prüfung!’ Verſchwunden war ſein froher
Rauſch. Trotz ſeiner Anmaßung von Entſchloſſenheit
und Edelſinn, ſchlug ihm fein Herz qualvoll und unges
wiß. Zu tauſend Mahlen durchdachte er alltaͤglich
jedes Wort, das .Blacna geſprochen hatte; war ein
fo künſtlicher, fo tief durchſpähender Ausleger von je:
wa 30a vr...
dem Blick ihrer Augen, von jedem Haud ihres M—
des. Zu taufend Mahlen nahm er fi vor, ihr ı
Neuem aufzupaflen, fle anzureben, fih bin zu wer
zu ihren Füßen. Sreutig fprang er dann auf und f
eben fo ſchnell in dumpfer Unentfchlofienheit zurück. D
er gedachte an feine Armuth, die feldft ein neues (
ſchenk für die Hofmeifterinn unmöglich machte; an
nen Schwur, und an den graufam = getreuen Spie;
ben ibm Martelli fo nahe vorgehalten hatte, daß
ftet$ gezwungen war hinein zu fehen, gezwungen i
folgen mußte.
Indeß Eonnte man Bianca’ Loos beynabe n
banger nennen!— Zwar war Alles, was fie
. jegt wußte, reizend und fhön, was fie dachte, a
reizender. Eine ganz; neue Schöpfung Tag dor 1
Augen ihres Geiftes ; aber fie war leider einzig
derfeiben; hatte nicht einmahl eine vertraute Frei
dinn, bey der fie ihre liebekranke Seele durch ſchw
meriſche, ſchoͤn klingende Worte zu erleichtern verme
hätte. Taͤglich erwartete fie neue Nachricht von ihr
Anbether zu hören, und Eeine Nachricht fam. Sch
hatte fie wieder einen Gang nad) Zuecca vorgeſchlage
und — fein Salviati zeigte fih. Unbegreiflich ſch
ihr Das. In ſich allein verſchloß fie ihren Gram. N
mit ſich ſprach fie oft genug von der Urſache besfelb:
Möchte doc nachſtehender Monolog nur einige |
Heinften Züge ihrer Empfindung barftellen!
Sie dielt ihn am Morgen bes fünften Zag
nach ihrer Unterredung mit dem Liebenswürbigen u
auch fihon Heißgeliebten.
[| ee U d
vorn 1 vosen
Bianca. Daran gebraih es noch, daß du auch
das Traumbild meiner Nächte würbeft !— Verſcheuchſt
du nicht fo bereits die größte Hälfte meined Schlum⸗
mers ? Erfchöpft nicht ſchon der ewige Gedanke an dich
mich des Tages hindurd genug? Soll aud Das mir
fehlen, was dem Laftträger feine Taften und oft dem :
Gefangenen feine Ketten lindert — Schlaf, wenn Ale
les ruht? — — Stahl ſich dein Bildniß nicht tief ger
nug in das Herz, daß es nun ſelbſt zwiſchen die Wim⸗
per meines zugeſchloſſenen Auges ſich eindrängt ?
Wie er daftand! Wie er flehte! — Sein funkelne
der Blick mitten durch Thraͤnen noch glänzend! Seine
maͤnnlich⸗ſchoͤne, noch im zitternden Tone lieblich⸗
ſchallende Stimme! Sein Anſtand in Geberde und
Bang! Sein — o! wann hätte wohl das Verzeichniß
ſeiner Vollkommenheiten Maß und Ziel? — Aber
was ſoll Das? Was nützt Dast— Warum will ih
mich einfam abhärmen, wie ein kloͤſterliches Opfer t
warum ftumm und Tangfam dahin fehwinden, wie ein
Morgennebel am hohen ftiten Gebirge! — Ein Wort .
von mir, undbiefer Adonis liegt zu meinen Füßen ; lebt
für ' mid, für mich Beneidenswerthe nur ! — — Schwur
er mir nicht Liebe! — Kann ein Mund, mie der
feinige ,. täufhen? Bin ich nicht eines edlen Geſchlech⸗
te8 letzte Sproffe? Iſt Er nicht das Haupt eines ge:
ebrten Haufest Sind nicht die Töchter des Eönigli«
hen Venedigs ſchon oft die Zierden von Florenz ge:
worden ?— (nachdentend. Ein Wort nur Eofter es mich 3
— O ich will diefe6 Wort ausfpreden! — Eines Win«
kes bedarf es nur? Wohlan, ich will ihn geben !-Tenn
ſchon ſehe ich, ohne dieſes Wort und diefen Wink ers
fgeint es nimmer wieder. — Allzu furchtſamer Sal⸗
wen 59 u.
viati! ich follte es nicht chum, aber ich will es!
Wenn er dann dankbar vor mir knieet; wenn ev, n
mehr der zitternde Verbrecher „ ſich jetzt mit ſtumn
Entzücken erhebt, jetzt das ſchamhaft erröthende V
chen mit feurigen Küſſen umarmt; o dann, da
milder Himmel, dann trage mit Nachſicht die dai
fineende Echwärmerinn !
Einen. Aufruf an ihren Geliebten ergehen zu
fen, dazu war alfo Bianca feit entſchloſſen; dod u
dieſer Auf ihn erreichen Eönne, darüber berathfchla
fie nod. Es war ihre erſte Liebe, und fie verft
fih daher ſchlecht auf Lift und Beftehung. Dody ic
fie weisfih, noch während diefer Unfclüffigkeit,
entfcheidenden Brief, und fand den Briefträger d
bald genug.
Denn nichts bleicht fo ſchnell die Mädchenwan—
als verſchwiegene Liebe; und die Hofmeiſterinn hi
zu feſt an der holden Bianca, als nicht bald ihre V
änderung zu merken, und mit liebevollem Ernft n
deren Urſache zu forſchen.
„Es it umſonſt, liebe Bianca!” redete fie fol
eintt an — „Shre angenommene Munterkeit tauf
„mich nicht. — Sie hegen im Innerſten Ihres H
„zens einen Gram, der Sie verzehrr.”
Bianca. Nicht doc, meine Tpeuerfte! — a
nicht doch !
Hofm. Nicht doch? und felbft dieß: Nici
do ch mit einem Deufzer begleitet dO diefe abgebär
te Wange, dieſer Abſcheu vor Gpielgefelfhaft u
Epeife, diefe Unruhe bey Nacht, dieſes Traͤumen
Ta⸗
wre 35 —
Tage, diefer bange herumirrende Bid, - — d! diej
Alles iſt nicht umjonft da.
Bianca. Und wenn es nun ſeine Urſachen haͤt⸗
te! Was dann?
Hofm. D dann, Mittheilung derfelben! Eis
gießung Ihres Grams in meinen Sie liebenden Bus
fen! War ich nicht immer miehr Ihre Freundinn, als
Auffeherinn? War es nicht Wolluft für mich, jeden
Ihrer kleinſten Wünſche zu errathen und zu gewähren ?
Haben Sie jemahls etwas von mir vergebens begehrt }
— Oder babe ich je mein Anſehen und’ Ihr Vertrauen
gemißbraucht ?
Bianca. Nie! nie! Nur foffen Sie mich jetzt!
Hofm. Nie weniger, als eben jest! Sch
will Sie mit Fragen entkräften, fo oft wir allein find;
win mich feft an Sie fchließen, wohin Sie geben, und
felbft in Geſellſchaft Ihnen in das Ohr raunen: Ente
deckung Ihres Kummers, mißtrautfhe Bianca! — So
will ih, bey der Hochgelobten fey es gefhworeny
fortfahren, bis ich Ihren Eigenfinn überwunden habe!
Bianca (ſchmeribaft Tähelnd.) Und wenn id) ihn
nun felbft überwände, würden dann meine Wuͤnſche
Erhörung finden!
Hofm. In jedem Billigen gewiß. und es
was Unbilliges wird die edle Capello nicht begehreri.
Bianca. So recht, Das genügt mir! — Wiſſen
Sie dann, theuerfte Signora, befte einzige Sreundinn,
meine mir- übrig gebliebene Mutter, willen Sie
dann, — — gen auf zwey Secunden nicderſchlagend.)
Ich liebe; 6 ianca ſchmeichelnd geſprochen / nun führt
fie mie Warme for): Salviati, diefen liebenswüre
digen Fremdling, mit Igm Sie ſelbſt * neulich be⸗
Meißners Bianca Cap. 1. ht.
wen 34 una:
dannt machten. — Und aud er glüht für mid. D«
halb nur fuchte er mich zu fprechen. Er felbft war |
Verbrecher, für den er barh. Liebe zu mir war fi
Verbrechen; Gegenliebe war feine Bitte; ich fagte
ihm zu, und ich halte fie.
Hofm. (alb erkaun.) Was figen Giet -
Sit ed möglich ?
Bianca. Fragen Sie lieber: ob bad Geg
theil möglich fey ? — Ihn fehen und ihn lieben, n
das Werk einer Minute. Was fag id ? Einer Minu
D nein! Einer Secunde! Einer Secund » Secun!
Selbſt wenn er fein Wort gefprochen hätte, wäre ihm m
Herz anheim gefallen; und jetzt, jegt ift es feſt,
fter ald mit demantnen Ketten an ihn gebunden; jı
iſt es heiliger als Glaubenspflichten bey mir befchloife
Nur er, oder nie ein Sterblicher fol mein Gem
werden! |
Hofm. Bianca! liebe Bianca !
Bianca. Liebe Eignora, Eeine Widerfprüd
— &ie find Samenkörner auf Zelfen gefireut. A
was Salviati ausfate, traf ein guted Land.— |
fühl’ e3, ohne ihn würde ich nie (eben Eönnen, wü
die Elendejte aller Elenden noch gegen mich beneide
würdig finden. Wohin ich nur blicke, erblicke ich if
fo oft ih nur denke, denke ich mir ihn; fo oft ih ı
rede, möchte ich Taut den Nahmen Salviati ausruf
— — O Salviati! Salviati!
Hofm. Aber was wollen Sie?
Bianca. Sie bey allem, wa
heilig iſt, bey Ihrer zärtlichen liehe, bey m
ner kindlichen Ergebenbeit, bey rquell aller Li
befgwören: mir auch jekt Ihren Bepitand zur A
N
en wertb ı
a
irn ZH own
fühtung meines Vorhabens, das, wie Cie wohl fes
ben, meine Ehre nicht befledt, zu gönnen. — Das
bitte und fordere ich von Ihnen,
Hofm. Laſſen Sie mich minderteng zu Wor⸗
ten kommen, gute Bianca! — Zwar ſollte ich aller⸗
dings ſchon über eine ſo heftige Liebe gegen einen un—
bekannten, kaum ein Mahl von Ihnen geſehenen Mann
erſtaunen. Doch kenne ich dieſe Art von Leidenſchaft
bereits: je ſchneller ſie kommt, deſto heftiger,
jedoch zum Glück auch deſto kür zer wüthet ſie.
Bianca. Elende, trügliche Kenntniß! Haben
Sie mein Herz noch nicht beſſer geprüft? Wiſſen Sie
nicht, daß es eben ſo ſtandhaft ausdauert, als
ſchnell wählt? — Habe ich je unter den Tauſenden,
die ich ſah, Einen geliebt, auch nur Einen, wenigſtens
mit Wärme, erhoben? — O nein! Nur Salviati muß
man ſeyn, um mir zu gefallen, um mich auf immer,
auf immer! anf feifeln.
Hofm. Die wahre diebe mit allen ihren
Täuſchungen! Sie gibt Schattenbilder einen Körper,
verſtopft die Ohren der Jugend vor Vernunft und
Warnung, und — —
Bianca (verbrießtih.) Und — und! — Keine
Eittenfprüdhe, Signora! — Um Ihre Mithülfe, nicht
um Ihren Unterricht, flehe ih Sie jetzt an.
Hofm. Aber fielen Sie fih denn die Hei—
rath eines Fremdlings als eine fo ganz leichte Sache
vor, daß man nicht erſt Ältern und Freunde um Rath
befragen, nicht erſt ſich ſelber unterfuchen müſſe: aus
idelchem Grunde man liebe?
Bianca. Kann ih Das wiſſen, beſte Mutter?
Würde Liebe wohl Liebe bleiben, ſebald fie auf Vers
C 2
wre 50 um
nünfteleyen beruhte? — Der erfie Augenblick,
id den Jüngling fah, war der Anfang meiner Leib
ſchaft, der letzte meines Lebens foll deren Ende fe
Ohne zu mwiffen, warum? gewann ich ihn lieb: 4
Das weiß ih, von nun an werde ıch ihn lieben,
lang ein Herz in diefem Buſen fehlägt. Sie brich
Shränen aus.)
Hofm. Und worin alfo verlangen Sie mei
Beyſtand?
Bianca. Bringen Sie dieſen Brief in ſe
Hände! Ich laͤugne es nicht, er enthält eine Einladi
von mir. Aber, o ih will und muß ibn ſehen, o
die glühende Liebe tödtet mich.
Hofm. (nad einigem Befinnen.) Wenn ed in n
ner Gegenwart gefchieht, fo Eönnte ich vielleicht
Bianca D daß fol es! Nur dieſen Brief
feine Hande ! (Geht weinend ab.)
Hofmeift. (allein, ipr nahblidend.) Aa ih T
rinn, bie ich Dieß nicht vorher fehen, oder wenigft
die Krankheit, als fie nun einmahl da war‘, nicht
rathen Eonnte! Armes Mädchen, deine Flamme
ftarf! Könnte ich fie löſchen, ich wäre bann mehr
ein Menfh! — Und was nun machen? Befoͤrd
oder hindern? — Der Geliebte wäre freylich ih
nicht unwerth ; aber wird auch dem Senator: ©to
des alten Capello der bloße Reichthum eines flor
Sinifhen Kaufmanns genügen? — Wird er nicht z
nen, wenn er erführe, daß ich felbft — Nein! Ne
Zwar füllt jede ihrer Thränen blutig auf mein He
aber noch il! ich anſtehen, diefe Bitte zu erfülle
Mitleid ſoricht dafür, Pflicht dawider. Heilt die
nicht, was fie oft ſchon beilte; wohl, fo will ich dx
Alles wagen, was ich kann; denn fie ift ja mein Kind,
mein theures Kind. Doch fol wenigftens diefen Brief
der geliebte Salviati fo fehnell nicht in feine Hände
bekommen.
Und es verliefen wieder acht Tage, voll der Qual
auf unferer beyden Liebenden Seite. Todtenbleich trat .
am neunten Bianca vor ihren Spiegel, blickte hinein
und feufzte.
„Bin ih Das noch? Oder taͤuſcht mich ein Schat⸗
ten? — Keine Kraft mehr in meinem Gebein! Kein
Blut auf meiner Wange! Ausgetrodnet das Mark
meiner Möhren, weggefhwunden der Schimmer meis
ner Jugend! — — Ewiger, Emwiger, deine Hand
Tiegt fhwer ouf mir! Aber Dank, dag du den Troft
mir Tießeft: Ich leide um Schwaͤche, nicht um Las
ſter. — — — — — — O Salviati, Salviati!
wo biſt du? Was fuͤhlſt auch du? Kannſt du dich mefe .
fen mit mie? Komm ber und ſieh! — Nicht dein Les
ben, wie du vorgabft, das Meinige allein fegt biefe
Liebe in Gefahr!
Hofm. Commt.) Gott, Signora Bianca, wie
feben Sie aus! Aber faffen Sie Muth, Theuerfte! She
Brief ift fo eben beftellt.
Bianca (at) So richtig ohne Zweifel,‘ wie
Bie ſchon vor fieben Tagen es mir zufagten?
Hofm. Nein! bey der heiligen Jungfrau , er
ift es! Sch habe ıhn in feine eigene Hand gegeben.
Bianca (reundlich.) Haben Sie wirklich? Und er?
Hofm. Starte mih an, 4 und zerbrach
das Siegel.
wen 50 res
dem Stie ihrer Augen, von jedem Hauch ihres Mi
des. Zu tauſend Mahlen nahm er fih vor, ihr ı
Neuem aufzupaflen, fle anzureden, fih bin zu wer
zu ihren Küßen. Sreudig fprang er dann auf und fü
eben fo ſchnell in dumpfer Unentſchloſſenheit zurüd. De
er gedachte an feine Armurd, die feldft ein neues (
ſchenk für die Hofmeifterinn unmöglich machte; an |
nen Schwur, und an den graufam » getreuen Spieg
ben ihm Martelli fo nahe vorgehalten hatte, daß
ſtets gezwungen war hinein zu fehen, gezwungen i
folgen mußte.
Indeß konnte man Bianca's Loos beynaben
banger nennenI— Zwar war Alles, was fie |
. jegt wußte, reizend und fhön, was fie dachte, a
reizender. Eine ganz neue Schöpfung lag dor i
Augen ihres Geiftes ; aber fie war leider einzig
derfeiben; hatte nicht einmahl eine vertraute Fra
dinn, bey der fie ihre liebekranke Seele durch ſchw
meriſche, ſchoͤn klingende Worte zu erleichtern verme
haͤtte. Täglich erwartete fie neue Nahricht von ihr
Anbether zu hören, und keine Nachricht kam. Sch
hatte fie wieder einen Gang nad) Zuecca vorgeſchlag
und — fein Salviati zeigte fih. Unbegreiftich ſch
ibr Das. In ſich allein verſchloß fie ihren Gram. %
mit fich ſprach fie oft genug von der Urſache desſelb
Möchte doch nachſtehender Monolog nur einige |
Heinften Züge ihrer Empfindung barftellen!
Sie bielt ihn am Morgen des fünften Ta—
nad ihrer Unterrebung mit dem Liebenswürdigen u
auch ſchon Heißgeliebten.
ITTr
vorn 31 vosen
Bianca. Daran gebraih es no, daß du auch
das Traumbild meiner Nächte würdeſt! — Verſcheuchſt
du nicht ſo bereits die gröfte Hälfte meines Schlum:
mers % Erfchöpft nicht ſchon der ewige Gedanke an dic)
mich des Tages hindurd genug?! Soll 'aud) Das mir
fehlen, was dem Laftträger feine Taften und oft dem :
Befangenen feine Ketten Tindert — Schlaf, wenn Al⸗
les ruht? — — Stahl fi dein Bildniß nicht tief ges
nug in das Herz, daß es num ſelbſt zwifihen die Wins
per meines zugefchloffenen Auges ſich eindrangt ?
Vie er daftand! Wie er flehte!— Sein funkeln-
der Blick mitten durch Thränen noch glaͤnzend! Seine
maͤnnlich⸗ ſchoͤne, noch im zitternden Tone lieblich⸗
ſchallende Stimme! Sein Anſtand in Geberde und
Bang! Sein — o! wann haͤtte wohl das Verzeichniß
ſeiner Vollkommenheiten Maß und Ziel? — Aber
was ſoll Das? Was nützt Das? — Warum will ich.
mich einſam abhärmen, wie ein kloͤſterliches Opfer t
warum ftumm und langſam dahin fhwinden, wie ein
Morgennebel am hohen ſtillen Gebirge — Ein Wort .
von mir, undbiefer Adonis liegt zu meinen Füßen; lebt
für mich, für mich Beneidenswerthe nur | — — Schwur
er mir nicht Liebe! — Kann ein Mund, wie der
feinige ,. täufhen? Bin ich nicht eines edlen Geſchlech⸗
tes letzte Sproſſe? Iſt Er nicht dab Haupt eines ge:
ehrten Haufest Sind nicht die Töchter des Eonigli«
hen Venedigs ſchon oft die Zierden von Florenz ge:
worden? — (nachdentend.) Ein Wort nur Eoftet es mich ?
— Did will dieſes Wort ausfprehen! — Eines Win«
kes bedarf ed nur? Wohlan, ih will ihn geben !-Tienn
fon fehe ih, ohne diefes Wort und diefen Wink ers
fheint es nimmer wieder. — Allzu furchtfamer Sal:
wen 52 esse
viati! ich follte es nicht thun, aber ih will es!
Wenn er dann dankbar vor mir knieet; wein ev, n
mehr der zitternde Verbrecher‘, fi jegt mir ſtumm
Entzüden erhebt, iegt das ſchamhaft erröshende Mi
hen mit feurigen Küſſen umarmt; o dann, da
milder Himmel, dann trage mit Nachſicht die da}
fintende Echwärmerinn !
Einen. Aufruf an ihren Geliebten ergehen zu
fen, dazu war alfo Bianca feit entſchloſſen; doch n
dieſer Auf ihn erreichen könne, darüber berathfchla
fie noch. Es war ihre erfte Liebe, und fie verfk
fih daher ſchlecht auf Lift und Beftehung. Doch Ich
fie weisfih, noch während diefer Unſchlüſſigkeit,
entfcheidenden Brief, und fand den Briefträger b
bald genug.
Denn nichts bleicht fo ſchnell die Madchenwang
ald verfehwiegene Liebe; und die Hofmeiiterinn hi
zu feſt an der holden Bianca, ald nicht bald ihre V
änderung zu merken, und mit liebevollem Ernft n
deren Urſache zu forſchen.
. „Es it umjonfi, liebe Bianca!” redete fie fol
eint an — „Ihre angenommene Munterkeit täuf
„mid nicht. — Sie hegen im Innerften Ihres H
„iens einen Gram, der Sie verzehrt.
Bianca. Nicht doch, meine Theuerſte! — ai
nicht doch!
Hofm. Nicht doch? und felbft dieß: Nic
doch mis einem Seufzer begleitet %-O dieſe abgehärı
te ‚Wange, diefer Abſcheu vor Spielgefelfhaft u
Speife, diefe Unruhe hey Nacht, diefes Traumen «
| Ta⸗
Zage, diefer bange herumirrende Bid, — d! diez
Alles ift nicht umfonft da.
Bianca. Und wenn es nun feilte Urſachen haͤt⸗
te! Was dann“
Hofm. O dann; Mistheilung berfelben ! Eis
gießung Ihres Grams in meinen Sie liebenden Bus
fen! War ich nicht immer miehr Ihre Sreundinn, als
Auffeberinn? War es nicht Wolluft für mich, jeden
Ihrer Heinften Wünſche zu errathen und zu gewähren t
Haben Sie jemahls etwas von mir vergebens begehrt #
— Der habe ich je mein Anſehen und’ Ihr Vertrauen
gemißbraucht? |
Bianca. Nie! nie! Nur Lſſen & Sie mid) jegt!
Hofm. Nie weniger, als eben jest! Sc
will Sie mit Fragen entfräften, fo oft wir allein find;
win mich feft an @ie fchließen, wohin Ste geben, und
felbt in Geſellſchaft Ihnen in das Ohr raunen: Ente
deckung Ihres Rummets, mißtrauiſche Btarica!— So
will ih, bey der Hochgelobten ſey es gefhworeny
fortfahren, bis ich Ihren Eigenfinn überwunden habe!
Bianca (ſchmeribaft Tähelnd.) Und wenn ich ihn
hun felbft überwände, würden dann meine WBinfge
Erhörung finden Y
Hofm. In jedem Billigen gewiß. und et⸗
was Unbilliges wird die edle Capello nicht begehren.
Bianca. So recht, Das genligt mir! — Wiſſen
Sie dann, theuerſte Signora, beſte einzige Freundinn,
meine mir- übrig geblieberre Mutter, willen Sie
dann, — — gen auf zwey Secunden nicderſchlagend.)
Ich liebe; ianca ſchmeichelnd geſprochen / nun führt
fie mie Wärme for) Salviati, diefen liebenswüre
digen Fremdling, milIg Sie ſelbſt mich neulich be⸗
Meißners Bianca Cap. 1. Ei. €
wen 4 vena «
dbannt machten. — Und aud er glüht für mich. De
halb nur fuchte er mich zu ſprechen. Er felbit war |
Verbrecher, für den er barh. Liebe zu mir war fi
Verbrechen; Gegenliebe war feine Bitte; ich fagte
ihm zu, und id) halte fie.
Hofm. (das erſtauut.) Was fügen Giet -
Sit es möglich ?
Bianca. Fragen Sie lieber: ob das Geg
theil möglich ſey? — Ihn fehen und ihn lieben, u
das Werk einer Minute. Was fag ih? Einer Minut
D nein! Einer Secunde! Einer Secund » Gecunt
Selbſt wenn er keinWort gefprochen hätte, wäre ihm mı
Herz anheim gefallen; und jetzt, jegt ift es feit,
fter als mit demantnen Ketten an ihn gebunden; ji
it es heiliger als Glaubenspflichten bey mir befchloife
Nur er, oder nie ein Sterbiicher fol mein Gem
werden! |
Hofm. Bianca ! Tiebe Bianca !
Bianca. Liebe Eignora, Feine Widerfprüd
— &ie find Samenkörner auf Zelfen gefireut. A
was Salviati ausfate, traf ein gutes Land.— |
fühl’ e3, ohne ihn würde ich nie leben Eönnen, wü
die Elendejte aller Elenden noch gegen mich beneibe:
würdig finden. Wohin ich nur blicke, erblicke ich ih
fo oft ich nur denke, denke ih mir ihn; fo oft ih ı
rede, möchte ich laut den Nahmen Salviati ausruf
— — HD Salviati! Salviatil
Hofm. Aber was wollen Sie?
Bianca. Sie bey allem, wa
heilig üt, bey Ihrer zärtlichen liebe, bey m
ner kindlichen Ergebenheit, bey rguel aller Li
befgwören: mir auch jekt Ihren Beyitand zur A:
“
en wertb ı
uses 55 sn
fühtung meines Vorhabens, das, wie Cie wohl fes
ben, meine Ehre nicht beflekt, zu gönnen. — Das
bitte und fordere ich von Ihnen. |
Hofm, Laffen Sie mich mindetens zu Wor⸗
ten kommen, gute Bianca!— Amar follte ich allers
dings fhon Uber eine fo heftige Liebe gegen einen uns
bekannten, Eaum ein Mahl von Ihnen gefehenen Mann
erttaunen, Doh Eenne ic diefe Art von Leidenſchaft
bereitö: je ſchneller fie Fommt, deito heftiger,
jedoch zum Glück auch deſto kürzer wüthet fie.
Bianca. Elende, trügliche Kenntniß! Haben
Sie mein Herz noch nicht beſſer geprüft? Wiſſen Sie
nicht, daß es eben ſo ſtandhaft ausdauert, als
ſchnell wählt? — Habe ich je unter den Tauſenden,
die ich ſah, Einen geliebt, auch nur Einen, wenigſtens
mit Wärme, erhoben? — O nein! Nur Salviati muß
man ſeyn, um mir zu gefallen, um mich auf immer,
auf immer! anf feifeln.
Hofm. Die wahre Liebe mit allen ihren
Taäuſchungen! Sie gibt Schattenbilder einen Körper,
verſtopft die Ohren ber Jugend vor Vernunft und
Warnung, und — —
Bianca (verbriehtih.) Und — und! — Keine
Eittenfprühe, Signora !— Um Ihre Mithülfe, nicht
um Ihren Unterricht, flehe ih Sie jetzt an.
Hof. Aber fielen Sie fih denn die Hei—
rath eines Freindlings als eine fo ganz leichte Sache
vor, daß man nıdt erſt Altern und Freunde um Rath
befragen, nicht erjt ſich ſelber unterfuchen müſſe: aus
idelchem Grunde man liebe?
Bianca. Kann ih Das wiſſen, befte Mutter?
Würde Liebe wohl Siebe: bleiben, ſebald fie auf Vers
C 2
wen 50 um
nünfteleyen beruhte? — Der erfie Augenblick,
ih den Züngling fah, war der Anfang meiner Leid
ſchaft, der legte meines Lebens foll deren Ende fe
Ohne zu wiſſen, warum? gewann ich ihn lieb: «a
Das weiß ih, von nun an werde ich ihn lieben,
lang ein Herz in diefem Bufen fihlägt. (Sie brich
Spränen aus.)
| Hofm. Und worin alfo verlangen Sie meiı
Benftand ?
Bianca. Bringen Gie diefen Brief in fe
Hände! Ich Taugne es nicht,er enthalt eine Einladı
von mir. Aber, o ih will und muß ibn feben, o
bie glühende Liebe tödtet mich. .
Hofm. (may einigem Befinnen.) Wenn e in n
ner Gegenwart geſchieht, fo Eönnte ich vielleicht
Bianca. D daß fol es! Nur biefen Brief
feine Hande ! (Sept weinend ab.)
Hofmeifl. (allein, ihr nachblidend.) Ha ih T
rinn, bie ich Dieß nicht vorher fehen, oder wenigft
die Krankheit, als fie nun einmahl da war, nicht
rathen Eonnte! Armes Mädchen, deine Flamme
ftarf! Könnte ich fie löſchen, ich wäre dann mehr
ein Menfh! — Und was nun machen? Befoͤrd
oder hindern? — Der Geliebte wäre freylich ih
nicht unwertb ; aber wird au dem Senator »Öto
bes alten Capello der bloße Reichthum eines flor
finifhen Kaufmanns genügen? — Wird er nicht z
nen, wenn er erfübre, daß id) feldft — Nein! Ne
Zwar fält jede ihrer Thränen blutig auf mein He
aber noch will ich anftehen, diefe Bitte zu erfüllt
Mitleid ſpricht dafür, Pflihe dawider. Heilt die 3
nicht, was fie oft ſchon heilte; wohl, fo will ich de
Alles wagen, wa ich kann; denn fie ift ja mein Kind,
mein theures Kind. Doch fol wenigftens biefen Brief
der geliebte Salviati fo ſchnell nicht in feine Hände’
befommen.
— — — —
Und es verliefen wieder acht Tage, voll der Qual
auf unſerer beyden Liebenden Seite. Todtenbleich trat
am neunten Bianca vor ihren Spiegel, blickte hinein
und ſeufzte.
„Bin ih Das noch? Oder taͤuſcht mich ein Schat⸗
ten? — Keine Kraft mehr in meinem Gebein! Kein
Blut auf meiner Wange! Ausgetrodnet das Mark
meiner Möhren, weggefhwunden der Schimmer meis .
ner Jugend! — — Ewiger, Emwiger, deine Hand
Tiegt fhwer auf mir! Aber Dank, dag du den Troft
mir ließeft: Sch leide um Shwähe, nicht um La⸗
ſter. — — — — — — O Salviati, Salviati!
wo biſt du? Was fuͤhlſt auch du? Kannſt du dich mefe .
fen mit mir! Komm ber und ſieh! — Nicht dein Les
ben, mwie du vorgabft, das Meinige allein ſetzt dieſe
Liebe in Gefahr!
Hofm. Eommt.) Gott, Signora Bianca, wie
ſehen Sie aus! Aber faſſen Sie Muth, Theuerſte! Ihr
Brief iſt ſo eben beſtellt.
Bianca (ar) So richtig ohne Zweifel,‘ wie
Sie ſchon vor fieben Tagen ed mir zufagten?
Hofm. Nein! bey der heiligen Jungfrau, er
ift e8! Sch habe ihn in feine eigene Hand gegeben.
Bianca (reundiich.) Haben Sie wirklich? Und er?
Hofm. Starte mih an, rigen und zerbrach
Das Siegel.
woran BB —
. Bianca. Nun? oo Ä
Hofm. Mehr Eonnte ih nice ſehen; denn
eilte. | Ä |
Bianca. Sehr zur Unzeit gefhwind; in der?
fteflung felbit waren Sie doch langſam genug!
Hofm. Bianca! it dad mein Lohn?
Bianca (fih ihr anden Hals werfend.) O verzeil
Sie mir! Noch find meine Sinne irre! — Tiefe Ne
umgab fie, und nur muhſam dammert ed wieder.
Aber it Ihre Nachricht au zuverläffig?
Hofm. Sh babe gefhmworen, und daß id)
Meineive ſchwöre, davon, liebite Bianca, däd
ich, follten Sie überzeugt ſeyn! — Wer wäre ich au
wenn mid) diejes arıne liebefranfe Mädchen’ nicht rü
te! «- D blüden Sie wieder auf, Bianca; nicht ı
uns allein, auch für Ihren Salviati blühen Sie aı
Cie ſollen ihn ja fehen : morgen ſchon fehen!
Bianca. Wenn anders diefes Herz morgen n
ſchlägt! Wenn er anders die Einladung annimmt !
Hofm, Eher würde eine abgeihiebene Zeile I
Ruf zum Himmel verſchmähen!
Bianca. Iſt das Ihr Ernit? Sagte Ihren d
wirklich fein Blick? Wie fanden Sie ihn! Frohd tr
rig? gleichgültig? War feine Wange rorh oder bleie
Hofm. Sie glih der Zhrigen, und Schw
muth ſprach deutlih aus feinem Auge. Doch ſchwa
fie bey meinem Andli und mehr noch beym Empfa
Ihres Briefes!
Bianca. D daß Sie mir nicht ſchmeichelt«
Daß Sie nicht felbit vielleicht ſich täufhen! Frei
dinn, — beite Zreundinn, wie wandelbar find
Wünſche ter Sterblihen! Vor wenig Nugenblid
’ — 39 ⸗
noch glaubte ih meinen legten Tag zu erleben; glaubte
es mit dem brünftigften. Wunſche, mid ja nicht zu ir⸗
ren. Jetzt — jetzt — ſchon fühle ih, wie mit jeder
neuen Minute neue Liebe zum Leben in meine &eele
zurückkehrt! wie der Wunſch nach Salviatis Anblick
auch für keinen Einzigen mehr Platz übrig läßt! —
Morgen alſo! erſt morgen? (nad einer Heinen Pauſe.) O
Signora! welches Kleid ratben Sie mir dann wohl an⸗
zuziehen?
Hofm. Eine ſonderbare Frage! Dazu iſt es doch
noch lange Zeit. — Auch wußten Sie es ja ſonſt nie⸗
mahls nur zwey Stunden vorher.
Bianca. Sonſt? O Das glaubl ich. Aber mor⸗
gen — werde ich dann wohl im freudigen Erwarten
darauf denken können? — Und gleichwohl wählte ich
gern gut. — Denn wahrlich, Salviati iſt wohl werth,
daß man auf ihn ſich vorbereite; daß man Alles hervor⸗
ſuche, um ihn deſto ſicherer zu feſſeln, (Sehen a6.)
V V
Martellis Zimmer.
Bonaventuri, (hineinftürgend.)
Martelli, liebſter Martelli, ſieh in mir den Glück⸗
lichſten aller Sterblichen!
Mart. (Gerwunderungsvoll.) Den Gluͤdlichſten!
Woher dieſer Wechſel? Was iſt dir begegnet?
Bonav. Nun find mir Königskronen ein Tand,
und felöft des Kaiferd Würde ein perächtlihes Pofe
fenfpiel.
M art. (Immer Ausiger) Bruder, du machſt mie
bange! Dein Verftand — |
mn da —
Wonav. D nein, kein Übereiltes Wort entſchlüpft
meiner Zunge. Es iſt ein Rauſch der Freude; doch
ein Raufh mie Bewußtſeyn. Drey Mahl feuriger
als fonit fhlägt mein Puls; doch nur vor Wonne, nicht
vor Unſinn. — (Sid überall umfehend.) Sind wir auch
frey von Seugen?
Mart. Das fiebft du ja! |
Bonav. (ipm einen Brief — Bianca's Brief, Hinmere
fend.) So nimm bin und fies !
Mart, (tier).
Liebenswuͤrdigſter Fremdling!
Unerwartete Neuheit der Sache, Erſtaunen über
Ihre Bitte, und innerer Kampf zwiſchen Scham und
Leidenſchaft machten, daß ich jüngſt das Urtheil, das
Sie von mir forderten, nur halb ſprach. War es Ih⸗
nen ein Ernſt, ſolches ſeinem völligen Umfange nach
zu wiſſen, ſo erſcheinen Sie morgen um drey Uhr an
der Hinterthür unſers Pallaſt's, und meine Hofmeiſte⸗
vinn wird Sie ſicher zu mir geleiten.
Bianca Capello.
Bonav. (nach einer Heinen ſtummen Pauſe.) Nun,
was denkſt du hierbey?
Mart. Daß ich erſt zwanzig Mahl meine Au⸗
gen reiben muß, um gewiß zu ſeyn, daß ich wache.
Das härte Sie — dir — wirklich geſchrieben?
Bonav. (mit ſtotzem zägeln.) Cie! Mir! und
wirklich!
Mart. Bianca Capello dieſen Brief?
Bonav. (beleidigt.) Ruf lieber ihren Nahmen
zum Fenſter hinaus, daß die halde Straße das Eritaus
nen mit dır cheilen Eann !
Mart. Cie Das an did? Und fühlt du neh
vo... 42 vor.
Mart. (im nehfehend.) Sa, wohl ein Wa
firom! Er brauſ't oft fürchterlich, und doch vertrock
ihn eine eınzige Eommer - Bode. — Armer Bo
venturi! Phaetons Vorſatz iſt nun in meinen Any
feine Fabel mehr. Fahr hin Denn! aber wenigit
kannſt du mir die unterlaifene Pflicht einer freundich:
lichen Warnung nicht vormwerfen.
Bianca.
(Sie iR allein auf iprem Zimmer; es ſchlägt fo eben dran U
Endlich! endlich! Schon glaubte ih, bu würt
nimmer ſchlagen. — Zeyerlihe Etunde, fo bange
wartet und doch fo heiß gewünſcht, warum bebe
vor dir, einer Verbrecherinn gleich, und blidfe bir d
ſehnlicher, ald der Kranke feiner Genefung entgege
— (Zie gebt unrupig auf und ad.) Fürwahr, die Adi
flügel der Zeit find gelähmt! Ihre fonft pfeilfehn:
Eile iſt ein Schnedenfhlid gersorden. Jede Gecun
fiebt und ſtockt. — (Mu ſchwärmeriſchem Tone.) Al
nicht fo ſchnell, gute Welt! Kreislauf der Stunde
zoͤzere dann erft mit deinem Umfchwunge, wenn.
bier vi, wenn er mir wieder geiteht, daß er mich mı
als alle Güter der Erde liebt; wenn ih mich anften
ihn nicht zu verftehen, um nod zchn Mahl diefe X
thbeuerung zu hören. — (Huf tie Uhr blidend.) Gu
Gott, ſchon zwey Minuten darüber! und er Eom
roh mit? — Schon dritehalb, — ſchon drey!
(BVreter.) Furwahr, feine Erle iſt nicht groß, feine €
nauigfeit nicht pünctlih! Der Gebisther laͤßt bere
auf jih warten, ehe nod der Braͤutigam zu werd
1
—XRX 43 u.
beginne. — Aa, die Thür! Es lenkt fi ſeicwirts:
Es iſt ein Weibestritt! — Daß ſie ver — Unbeſonne⸗
ne, was wollteſt du ausftoßen? Soil alles in ber
Heide der Dinge fih andern, weil du ungeduldiger
bift, ald ein verzogened Kind? — Schon wieder ein
Sremder — ein doppelter Schritt! Richtig, o Das iſt
er! Dad iſt er! — Ruhig, ruhig, liebes Herz!’ Hals
aus, bebende Bruft! Das iſt — Das ift er!
(Bonaventuri tritt herein, gleich nach ihm Lie Hofmeifterinn.
Dianca wi ihm mit offenen Armen ertgegen eilen; bes
finnt ſich aber noch und fintt auf einen Stuhl, wo fie, vor
iungfräuliger Scham halb ihe Beficht wegwendet, und
doch ihm, ebe er noch fpricht, ſchon merklich die Hand zum
Kuſſe darbeut.) .
Bonav. (fh ſchüchtern nahend.) Hier, Schönfte
aller Schönen, naht ih ein Zitternder, um vielleicht
von Ihren Lippen das Todesurtheit zu empfangen, und
dann zu Ihren Füßen zu fterben.
(Er niet nieder vor ihr. Spr Bud fallt mit mwärmfter Zart⸗
tigkeit auf ihn. Sie reicht Ihm ganz die Hand. )
Bianca O nein, nein! — Leben Sie! Leben
Sie für Bianca!
Bonav. (m ſprachloſen Entzücken zwey Minuten lang
auf ihre Hand geſunken, dann auffpzingend.) Gott — Gott,
gib mir Kraft, daß ich es aushalte! tiefes Meer der
unausſprechlichſten Wonne! (Sid wieder aufs Knie ſtür⸗
send.) Theure, ewig Theure! Iſt Dieß kein Wahnfinn
‚meiner Leidenſchaft? Sol ich wirklich leben ?
Bianca (an feinen Hals und ihn umarmend.) Leben!
Leben! und für mid!
Bonav. O daß mein Glück Worte, und meine
Sreude Thränen hätte! Leben für Sie, Sirene Ihres
Geſchlechts, she Bianca!
wen Al vwron
Bianca Nicht zu meinen Fügen langer, du
Theurer! — SHeraufin meinen Arm, ©eliebter! Du
fandeft ja fo leicht und fiher den Weg zu meinen
Herzen; o fühle, es glüht für dich. auf meiner Lippe
und fhlagt für dich in diefem Bufen !
Hofm. (mit einer Art von warnendem Unwillen.
Bianca, Tochter des edlen Capello, Diefer X —
Bianca (entſchloſſen einfatend.) Iſt der Ton de
Natur, iſt Ton der allmächtigen Liebe, und ih ſchaͤm
mich feiner nicht. — Noch nie hat meinen Mund eiı
Mann gefüßt; Diefer bier ift der Erſte, und bey ben
Allſehenden, er fol aud) der Einzige feyn ! (Sie rüßt ihn.
Bonav. D nimm Schwur gegen Schmwur! ©:
heiß liebte vielleicht noch Eein Mann auf Erden; fü
will id anhalten, mit Eifer ohne Maß und Ziel
Der Kuf, den ich-je einer andern weiblichen Lipp
Aufcrücke, werde mir zur Verdammniß hier und dort
Nur in diefen Armen — (indem er ploͤtzlich inne Hält.)
Bianca. Du fhweigft! du ſtockſt! — Wa
ftarıft du mid) fo an? Warum erblicke ich trüben Erni
in einem Auge, wo id nur Entzüden zu finde
hoffte ?
Bonav. O Bianca, meld’ ein fürdterliches Er
wachen! So ftarrt der Elende vor ſich hin, der fe
von Wellen fich verfchlungen glaubte, jegt zwar an
Land geworfen wird , dod nun plöglih aus bei
Schlummer der Ermattung auffährt, und nichts al
Einöten und fürdterlihe Wüſten erblidt. — O Tod
ter des edeln Capello, zwar ift es neidenswertd:
Glück für Ste, ewig Geliebte, zu leben, aber d<
grengenfofe Unglück, nicht mit Ihnen leben zu dä
fen, verſchlingt die Freude über Jenes.
Bianca. Zraumer!— Warum fhaffen Sie fi
Qual, wo Eeine iſt? Allerdings follen Sie mit mie
leben; Hand in Hand, Bruft an Bruft! — Hier ift
mein Wort: entweder Ihre Oattinn zu werden oder
nie eined Mannes Weib _— Ich Eenne meinen Vater;
er ift der gütigfte aller Väter. Noch nie verfagte. er
feiner Tochter eine billige Bitte.
Bonav. Und Eönnten Sie wohl hoffen — . -
Bianca. Feſt ftebt mein Entfhluß ; nur der Tod
ſteht fefter als er. Wenn Derjenige, der mir das Les
ben gab, es auch erhalten wiffen will, fo darf —
fo wird er fih meinem Wunſche nicht wiberfegen. —
Zudem iſt das Haus der Galviati ja wohi nech des
Hauſes der Capello würdig!
Bonav. der bdisher begierig — gleichſam nicht degrei⸗
fend, doch aufmerkſam, ihr in's Auge geſchaut Hat, bebt bey
dieſen letzten Worten zurück, und ruft erſchrocken aus:) Ha!
Wie? Was ſagen Sie? Das Haus der Salviati?
Bianca. Nun ja!
Bonav. Gerechter Himmel! ein Blitzſtrahl, der
mir eine ſchreckliche Tiefe ſichtbar macht! Wie, ſchoͤn⸗
ſte Bianca, denken Sie, daß der Frevler ſich nenne,
der jetzt vor Ihnen ſteht?
Bianca (erſtaunt.) Wie? find Sie nicht Satviati t
Bonav, (ſinkt ſprachtos auf einen Stuhl, und verhüllt
fein Ungefiht; Bianca und die Hofmeiſterinn eilen erfchroden
au ihm.)
Bianca. Großer Gott! was ift Dad? — Ges.
Tiebter, o Oeliebter meiner Seele reden Sie! — Bianca
bittet; hören Sie doch! Bianca beſchwört Sie darum !
— — — Mod nicht? — D reden Sie! blicken Sie
wieder auf und ſprechen Sie!
» 00908 46 20
Hofm. Lıebiter junger Herr! Was Bedeu
Dieb? Faſſen Eie ih, reden Sie doch! Wer fi nd &
denn, wenn Sie nicht Derfind!
Bonav. (Mid ſchnell erhebend, mit dem Tone des
faßten Muthes.) Dein, angebethete Bianca, nit I
ger fo Ihe Irrthum dauern! Zwar ift er mir günf
— it vielleiht die Quelle meines ganzen bisherig
Glücks geweſen: doch er verfchwinde, weil ihn zu u
terhalten Betrug feyn würde! (Sic vor ihr niederwerfen
Edelſte aller edlen Venetianerinnen! Der hier vorS
nen kniet, ut nit Salviati, fordern nur ein arn
junger Mann aus feiner Handlung. War es ftrafi
von ihm, feine Wünſche und Neigungen zu einem’
unermeßlih erhabenen Gegenftand zu lenken; wol
fo firafen Eie den Verbrecher: gefhähe ed auch m
Strafe des Todes, er trüne fie ohne Murren.
Bianca. Mäaͤchte des Himmels! Was Hör ic
Sie nicht Salviati? — Unbeſonnener Züngling, n
iſt Ihr Nahme?
Bonav. Pietro Bonaventuri, aus Florenz.
ich weiß wohl, daß ſelbſt das börhfte ſterbliche BI
nicht edel genug iſt, um nah Ihrer Verbindung
ſtreben; aber leider ! hingen Geburt und außeres El:
nicht von unferer Willkür ab. — Mein ganzer Adel
angeerbte Rechtſchaffenbeit; mein ganzer Reichthi
diefes Herz, das für Cie einzig ſchlaͤgt.
Bianca die Hinde ringend.) Gott! Gott! we
ein Irrthum! Dahin meine Hoffnungen! Alles, AU
verloren!
Bonav. O daſt Fülle der Liebe und ein bieder
zaͤrtlihes Herz Anfprüche auf Ihre Hand geben Eön
ten, dann wäre auf Wortes werter Erde kein Man—
u
der mit mir fih meſſen, Eein "König, der neben
mir auftreten dürfte! Dann dürfte der arme, jegt
verſchinähte Bonaventuri! ihr würdigfter edeliter Ges
mahl zu werden hoffen. — Zum eriten Mahle in mei«
nem Leben wünſchte ich von Eöniglihem Blut entfprofe
fen zu feyn ; erkaufte gern Schimmer und Gchäße
mit meinen Blute, um Ahnen fie darzubiethen. —
Mie? kein Blick von Shren Augen, der mid tröfter ?
Kein Wort von Ihren Lippen, das mid aufrichtet?
— — Sie blickt weinend und mit ringenden Händen emvor.)
O hier — hier liege ich! Hierher ihr belebendes Auge,
göttliche Bianca! Vergebung, Theuerſte, Verge—⸗
bung! Warum ſoll ich ſo grauſam für einen Irrthum
büßen, der nicht meine Schuld war, und den ich ſelbſt
zernichtete, ſobald ich ihn entdeckte?
Bianca (die das Setzte nicht gebört zu haben ſcheint,
mit aufgehobenem Btid gen Himmer.) Wohl, es fey dir
gebracht, diefed Opfer! Aber deine Kraft von oben
herab, du Mächtiger in den Schwachen! die Meinige
it längft dahin. — Bonaventuri — |
Bonav. (einfattend.) Ha! ich errathe es, wozu
„dieſes Gebeth um Kraft: zum Ursheil meined Todes.
Aber bey eben tem Gott, u dem Ste fleben, bes
fhwöre ih auch Sie, es nod ein Mahl zu durchden⸗
ken: über wen Sie den Stab zu brechen Willens
find! — Über einen Mann, ber in der ganzen uns
ermeßlihen Schöpfung nichts Werthes hat, als @ie;
dem es Himmelsluſt wäre, für Eie fein Blut dahin
zu gießen ; den Sie feldft einft hoffen hießen; auf
deifen Lippen noch Ihre Küffe glühen. — — — O
Gott, Bott) Milliouen Empfindungen, und doch
kaum einer Splbe maͤchtig, fie hervorzuſtammeln! —
— — Nur Dad, nur Das noch! — Muß eb ‘
feyn , o fo geben Sie mir ihn felbft! Sit es ſchne
Tod, fo dank ich. Nur daß Sie nicht in langſan
Schmachten mein Leben, wie auf ewiger Folter,
hin ſcwinden laſſen —
Bianca. O Bonaventuri! (aufs Herz beut:
Iſt es hier noch nicht zerriſſen genug? Wollen Sie n
noch ftarker quälen ?
Bonav. Bott, kann ich —
Bianca. Still! und hören Sie mich! —
iſt genug, liebenswürdiger Jüngling, Sie ein M«
geliebt zu haben, um Sie ewig zu lieben. — A
denkt mein Herz zu edel, als, bewogen du
die Ungleichheit unſeres Standes und unſerer Güt
gegen Denjenigen feine Geſinnungen zu ändern, |
es auch im Bettloakleide geliebt Huben würde. — D
nie, nie darf ih mir weiter ſchmeicheln, einen e
fühtigen Vater nad meiner Neigung zu lenken.
— Es muß alfo — mit innerm Kampf fpreche i
aus — Bonaventuri, ed muß gefchieden feyn. 8:
erften und zum legten Mahle ſah ich Sie hier, wei
nie Sie wieder fprechen! Jeder Ihrer Fünftigen %
fuhe — wozu nügte er, ald meine Tugend verbä
tig zu machen‘! Und doc, ift Diefe allein mie werthe
als unſere Liebe: das Leben ſteht weiter hinter ih—
Beyden. — Gehen Sie, gehen Sie daher, Arm
Und wenn Das Ihnen ein Troſt ſeyn kann, fo trä
Sie die Gewißheit: nie wird Bianca die Gatti
eines Andern werdet, ba fie bie Ibrige nicht werd
ſoll. (Sie will ſich losreiſſen.)
Bonav. (im Zone der mung Bianca !
Bianca
Bianca (urüdtehrend.) Wahr! Der gehört Ih⸗
nen noch. (Sie küßt ihn drey Mahl und flieht ab.)
Bonav. (ihr nach zur Thür, wo fie adgegangen: fin⸗
bet ſie verriegeit.) Gott! Gott! Was verbrach ih Staub!
Warum unmenfhlihe Qualen ausgegoffen über ein
menfchliches Haupt ! (Gtürge Hinmeg.)
Hofm. Fürwahr er dauert mih! Doch da er-
nicht Salviati iſt, ja freylich, wer Eann da beifen t
(Sans aelaſſen.) Bianca! Bianca! öffnen Sie die Thür!
er iſt ja ſchon fort.
\
Töne, weldhe weit: bie Kräfte der nienfchlichen
Zunge überfchreiten, hat deſſen Feder in ihrer Ges
malt, der Bonaventuri's Schmerz bey feinem Weg:
gange von Bianca auszubrüden vermag. — eine
tollfühne Hoffnung, dem Anſcheine nach, ſo dicht be⸗
reits am Lande, und nun ſo ganz geſcheitert! Seine
Geliebte binnen der kurzen Friſt von vier Minuten
an ſeinem Halſe, in ſeinen Armen, und nun auch
getrennt, getrennt wahrſcheinlicher Weiſe auf immer.
Trotz des Meeres von Gefühlen, die auf allen
Seiten in ihn einſtürmten, flieht doch nicht empfin⸗
dungsloſer der Pfeil vom Bogen, als Bonaventuri
von Bianca's verfhloffener Thür. — Wie er wieder:
aus ihrer Wohnung, über die Straße, und in fein
Simmer gekommen, von dem Allen wußte er nachher
feine Spibe. Er fand fi erft am tiefen "Abend auf
feinem Bette wieder, umringt von einem Schwarme
von Menfchen, die ihn durch Reiben und andere Mit:
tel ind Leben zurüd riefen, und neben ſich feinen.
Freund Marteli, ber ihn forgfam und oft, bald laut,
Meifners Bianca Cap. 1. Theil.
een BO rien
Bald leiſe, um die Urſache feiner Keankheit befra
Bonaventuri ließ Tange Zeit bindurd Alles mir
maden, was man nur wollte. Abgebrodhene W
waren feine ganze Antwort. Exit nah Verlauf e
Stunde vermodte er die Bitte heraus zu ſtamme
daß man ihn mit Martelli allein laffen möge.
Man gewährte fie ihm, und fein beklemn
Herz lüftete fih dur Erzählung feines Ungli
Natürlich, daß fein Freund ihn durch taufend 3
dungen, dur Trofigrlünde,“neu und alt, zu. ber:
gen fuhte! Doch noch natürlıher, daß fie war
was eig Eleiner Becher Waſſer ift, auf einen gro
glühenden Stein gegoffen. Er loͤſcht die Gluth ni
er verftärks fie vielmehr. Martelli ſelbſt begriff endl
daß jeßt der Zeitpunct der Schinerzensftillung unm
lich ſchon vorhanden feyn Eönne. Aber er rierh ih
wenigftend an Befanftigung feines Kummers zu
beiten, und auf Verbergung deöfelben zu denken. £
fig verfpra ihm Bonaventuri das Letztere, und h
es — faſt 619 zu feinem eigenen lintergange.
Drey Tage lang droheten die Kräfte feines juge
lichen Körpers feinem verſchloſſenen Harme zu er
gen. Drey Inge kam er nit vun feiner Lagerſt.
hinweg. Was bey lüngerem Anbalten gefiegt ba
würde, fein Vorſatz oder feine Gemürhsbewegu:
Dieß wäre nutzloſe Unterſuchung. Auch Bianca verdi
einen beobachtenden Blick! Sie war nur allzu treu
- eine Genoifinn feines Leidens. .
Die Arıne! Sie empfand jeßt, daß die Schu
zen der wartenden Liebe noch nicht, wie fie
Kurzer gewahnt, der Liebe höchſte Schrnerzen
sen. Eden diejenige Zuſammenkunft, vor- welcher
won Di vom |
Ruhe und Heiterkeit einzuernten gehofft hatte, ſtürzte
fie jegt unabfsklich rief in Gtam und Jammer; ftürzte
fie um fo tiefer , je mehr Erwartung und Ausgang von
einander abwihen.
Vorwurf an Vorwurf arbeitete fih in ihrer Seele
empor; bald gegen ſich felbft, bald gegen Bonaͤven⸗
turi, bald fogar gegen ihre allzu nachſichtig geweſene
Aufſehetinn, dieſer uͤberbringerinn der erſten Nahe.
richt, dieſer Urquelle der Vermuthung: daß Salviati
der Bittende ſey. — Jetzt bereute fie die Unvorſich⸗
tigkeit, mit welcher fie fo blindlings einem Unbekann⸗
ten fi in den Arm geworfen, jegt zürnte fie auf bie
Heftigkeit, mit der fie ihn von fih geitoßen habe.
Sept fhmähre fie auf den Verwegenen, ber bey fo
niederer AbEunft, beym Mangel aller irdischen Glücks⸗
güter ſich erfrehen Eonnte, feine Wünfche und Abſich⸗
ten fo hoch zu erheben; jegt hätte fie wieder diefen
armen Handlungddiener nicht gegen den Doge von
Venedig vertauſcht. Seine Kühnheit hieß nun Edel
muth., feine unbefonnene Liebe Lie reinfte Slamme,
feine Verzweifelung das Muſter jeden Gefühls.
Eine traurige Lage! Doch wer erräth nicht, daß
in diefem ungleichſten aller Kämpfe — im Rampfe
der Vernunft und Liebe, die fo unzählige Mahl über⸗
wundene Bernunft zulegt wieder unterlag * Die fehlaue
Leidenfhaft, eine geraume Zeit mutbig beftritten ,
flüchtete fih endlich unter das Panier des Mitleid,
hüllte fi fogar ind Gemand der Großmuth; und
Branca, das edle Mädchen — fonft nie gewohnt ih—
ren Nebenmenfhen, bo defto leichter ſich ſelbſt zu
täufhen — Bianca war feft überzeugt, daß es nur
die Beforgniß für das Leben ihres Geliebten, nur das
D 2
won 52 PAR '
Bedauern eines Unglücklichen fey, was fie am bri
Tage zu folgendem Schreiben antrieb.
„Mitleidswerther Züngling !
„Als wir das legte Mahl uns fahen und fo fd
„wieder trennten, war mein ganzes Wefen in fe
„Seundfeften erſchüttert; war mein Bewußtſeyn
„ganz dahin. — Welches Urtheil ih damahls g:
„Dich gefprochen, weiß ich nicht mehr. War es
„hartes, fo vergih mir; mein Mund ſprach es a
„ohne daß mein Herz eine Sylbe davon wußte!”
„Nur des Schwures entfinne ich mid) no: /
„ne oder Feines Mannes Gattinn zu werben; und
„wiederhohle ich auch jegt, zwar nicht bey berubih
„Herzen, aber doch bey ruhigerem Blute. Auch
„mir noch etwas mein Gedaͤchtniß aufbehalten ;
„ſchreckliches Bild! das Bild Deines Schmerzens.
„Juüngling, verzweifele nit! Die größten Vef
„niſſe verwandeln fi oft in Hoffnungen! Bott
„der Liebe ift ja Bein Ding unmöglih. Immer no
Deine
Bianca,
N. ©. „Du Eannft kühnlich
„diefer Mohrina trauen;
„ihr Merz it eben fo weiß
„und treu gegen mich, als
„ihr Angefiht ſchwarz ift.”
Schnell und richtig beitellte die Vertraute di
Brief. Ein günftiges Ungefähr führte fie auch zu «
Minute bin, wo der beislägrige Bonaventuri
N
ganz allein befand. Sein Erftsunen war faft fo groß,
wie fein'bisheriger Oram. Was einem Kranken, dem
Sreunde und Arzt und Wärter bereits das Leben abs
geſprochen haben, die erfte günftige Verfiherung wahre
ſcheinlicher Sefferung feyn muß, Das war ihm auch)
je&t diefer Brief. Haſtig verfehlang er ihn mit dem
erften Blicke, um dann noch taufend Mahl das Lefen
desfelben zu wiederhohlen; der Mohrinn plattes Ges
ſicht (bien ihm das Antlig eines Engels ; zabllofe
Fragen that er an fie; fprang dann auf von feinem
Qager und fehrieb Dieß zur Antwort:
„Krone bes weiblichen Geſchlechts!
„Vom Fieberfroſte zitterte vor wenig Augenblicken
„erſt eben dieſe Hand, die jetzt vor Freuden zittert.
„— Iſt es möglich, daß Bianca noch meiner ſich er⸗
„innert? daß fie im fürchterlichen Zorne nicht aufeim⸗
„mer Auge und Seele von mir abgewandt hat! —
„Alein ift wahrſcheinlich die Zahl der mir. noch ab⸗
„gemeffenen Augenblicke ; aber ruhig ſehe ich nun dem
„Schlafe entgegen, der meine Qualen enden fol. —
„— — Gottes Segen und der Segen jener unbes
„fleckten Mutter Eomme über die edle Capello !”
„Ich nehme den Schwur an, den fie that, meine
„oder Eeines Mannes Gattinn zu werden; aber die
„freufe Hoffnung, Sie zu befigen, hält ſich eben fo
„entfernt von mir, als der neidifche Wunſch: daß der
„Schöpfung fhönftes Meiſterſtück den Nonnenſchleyer
„wähle. Bald wird das Grab mich aufnehmen; und
„dann befelige meine Verlobte einen Mann, der Bor
„naventuri'd Her, mit Salviati’d Reihthum und Gas
„pello's Range verbinde!”
wen BA u
„Sieh, ich ſammle meine ganzen Kräfte für d
„und doch find deren fo wenige in mir, daft ſchon ;
„dritten Mahle die Feder meiner Hand entfunfen
„Rebe wohl! und .wenn bald vielleicht ein leiſes 8:
„hen unvermuchet dir an deiner Wange hinweht,
„denke, daß es mein Geiſt ſey, ber fidy halb vergeb
„bemübs, fein Dafeyn Dir anzuzeigen! Bis zum |
„ten Lebenshauch x
Dein
Bonaventuri.
Arme, beforgte Bianca ! So liebevoll diefed Sch
Ben Elang , fo wenig war ed doch ganz nad ihr
Wunſche. Sie mußte nob nicht, daf tie Todes⸗A
dungen eines Liebhabers felten eine buchſtaͤbliche Wo
beit zu feyn pflegen, und die Erzählung ihrer M
vinn yon dem bedenklichen Zuftande , in welchem fie
‚jungen Mann angetroffen babe, vergrößerte noch i
Angft. Äber mit eben derfelben wuchs auch die Lie
wuchs nitt jeder Stunde fo ftark, daß fie fon bes
dern Morgens die Mohrinn zum zweyten Mahle mit
gendem Säreiben abfandte:
„Nein, geliebter Bonaventuri, Dein Brief
„nicht das letzte Lebewohl mir fagen! Ich gebiethe 7
„zu leben ; gebiethe Dir, das Grab noch nicht
„Deine baldige Wohnung , den Tod noch nicht
„Deinen einzigen Zreund anzufehen. — Unachtſam
„baft tu fo flüchtig meines vorigen Briefes let
„Zeile überfehen I"
„D Mann, daß eine fo tiefe Kluft uns trenı
„muß! Und boch ift fie noch nicht allzutief und al
„graufend für meinen Geiſt! — Erſt nach dem To
ro. B5 ns
„will der Deinige mich udſchweben I Ah der Meinige
„thut Dieß bey Deinem Leben fhon. — Süngling,
„Züngling , im Wettftreit tärkerer Liebe dürfte
„das ſchwächere Geſchlecht wohl obfiegen!”
„Auch meinen Schwur mißdeureſt du. Deine oder
„keines Andern Gattinn! Dieſen Eid würde ſelbſt
„Dein frübes Einſchlummern nicht vernichten. — Blüht
„nicht fir Dich die Blume meiner Jugend, fo fol
„Niemand — ich kanns nicht enden; allaugenblicklich
„febe ich mich geftört. und in Gefahr der Entdedung.
„Doc barf ich es nicht länger anftehen laffen, Dir zu
„gebiethen: Zrage Sorge für Did ſelbſt! —
„Gehorche! oder zittere, wenn Du es unterlaffen koͤnn⸗
„seit! Denn bann verklagt Dig auch noch dort die
nThräne
Pa Deinge
“ Bianca”
mie faſt noch gebßerer Freude „ als den vorigen,
empfing Bonaventuri diefen Brief. Die Eile, mit
welder er ankam, der dringende Zon deſſelben beſtaͤrk⸗
te ihn immer mehr und-mehr, daß Bianca, nod, und
zwar, daß fie ihn brünftig liebe.
. Aber fo ifk die menfhlihe Natur! Kaum wırb
der kleinere Wunſch ihr gewährt, fo glaubt fie auch
fhon auf den größern vechtöfräftige Anſprüche machen
zu dürfen. Eben der Bonaventuri, der damahls, als
er troftlos an Martelli's Bufen fein Leid ausfchüttete,
den Eeinften Funken Hoffnung : daß Bianca feiner
noch günftig bedenke, für Himmelswonne geachtet ha«
ben wiirde; eben diefer Bonaventuri ſah nun Eaum jer
nen Funken unwiderſprechlich glühen, als er ſofort
auch nad groͤßern Vortheilen ftrebte; als er ſich
vornahm, Alles oder nichts zu beützen.
Bilder des Gluͤcks laͤchelten ihm nun ſchonr
ber winkend von fern; und die Drangfalen im X
bergrunde erſchreckten ihn nicht. Er wollte hindu
. oder nicht mehr leben. Vorſichtig genug, feinem V
telli, deſſen kalte Klugheit zu grell von ber glüben
Jugendhitze abſtach, die legtern Briefe nicht mehr
zeigen, ſchrieb er tief in der Nacht folgendes Bil
welches er der wieder nachfragenden Mohrinn einp
digte.
„Edelſte aller Venetianerinnen!
„Zum zweyten Mahl alſo befiehlſt Du mir zu
„ben und zu dulden? befiehlſt es mir, voll Bewu
„ſeyn Deiner Allmacht Über mern gatzzes Geſchick?
„Aber ſelbſt die himmliſche Hufdz dieſe mir Ti
„zuſprechende Güte — o wie verſchieden iſt ſie von
„nem beſeligenden Tone, als ich in deine ausgebrei
„ten Am: fan, ald Du noch den glüdlihen Salvi
„in den. verfannten Bonaventuri zu umarmen gla
„teſt! — Röniginn meiner Seele! o vergib mir, we
„id, der ich fonft kühn für jede Erfüllung meiı
„Pflichten Dir bürge, doch nur zur Selbſterhaltu
„mic zu verpflichten zage !”
„Entfrseite felbit, wenn Du mid, füheft, verfe:
„in einem dunkeln Kerker, von giftigen Sclang
„rings umflridt, von einem nahen Feuer langfam ;
„röitet, und nur einen einzigen Arm noch ungefeffelt-
„tiefen Arm bewaffnet mit einem Dold,e ; würdeſt 2
„mir wohl zurufen: „Freund, nüße diefen Do
„nice! bulde lieber beine Aual ! Du mußt zwar
— BT —
„einigen Stunden ſterben; aber ſtirb wenigſtens jetzt
„noch nicht !” \
„Oft war, wenn ſchon der Gedanke des Todes
„in feiner ganzen Kraft erwachte; wenn ich ſchnell nach
„Dolch und Giftbecher Iangte, erhob ſich ein anderes
„Gefühl gleih mächtig in mir. Nicht etwa Gefühl der
„Furcht, nicht Liebe diefes elenden Lebens, fondern
„die Vorſtellung: der Zod trennt did von einer Welt,
„in welcher Bianca noch Iebt! Ohne fie iſt ſelbſt der
„Himmel für dich eine Hölle! — Und dann, dann
„entſchloß ich mich zu leben; dann erſchienen mir thd«
„richte Möglichkeiten reigend beym eriten Anblick; aber
„ach, dem Stich der Tarantel ähnlich, deſſen Wirkung
„mit frohen Zänzen beginnt, und mit tödtlihen Ver“
„zuckungen endet! Denn dachte ich eh: sielleidht, daß
. ngleihwohl noch —
„O vergib mir, wenn ich hier ſtocke! Der hat
awenige oder höchft Ealte Entwürfe, ber fie der Feder
. „und dem Papiere anzuvertrauen vermag! Und eben
„daher noch eine Bitte, meine Letzte vielleiht!. —
„Theure, edelfte Bianca, ich befchwäre Did) bey dei⸗
Her fhönen Seele, bey unferer Wohlfahrt hier und
Bpert, ‚bey dem Schußbeiligen, vor deſſen Bildniß
„Du vielleicht fo eben Enieeft , bey der Goͤttlichen ſelbſt,
„die ohne Sünde empfing : verfage mir diefe legte '
‚nGefäligkeit nicht! Gönne mir noch ein Geſpräch
gmit Die! |
„Ort, Zeit und Art Überlaß id Deiner Willkür,
„Gebeut mir die mühfamften, die gefahrvollften Wege.
„Ah, was ift Mühe und Gefahr, gegen wenige Mis
„nuten im Geſpräche mit Dir vollbracht Sie follen
„mein Geſchick für immer beftimmen ; fie fallen —
won 52 mm
Bedauern eines Unglücklichen ſey, was fie am brit
Tage zu folgendem Schreiben antrieb.
„Mitleidswerther Süngling!
„als wir das legte Mahl uns ſahen und fo ſchr
„wieder trennten, war mein ganzes Wefen in fei:
„Srundfeften erfchüttert; war mein Bemußtfeyn |
„ganz dahin. — Welches Urtheil ih damahls ge,
„Dich geſprochen, weiß ich nicht mehr. War es
„hartes, fo vergih mir; mein Mund ſprach es ar
„ohne daß mein Herz eine Sylbe davon wußte!”
„Nur des Schwures entfinne ih mih nor D
„ne oder Feines Mannes Battinn zu werben; und
„wiederhohle ich auch jegt, zwar nicht bey beruhiht
„Kerzen, aber doch bey ruhigerem Blute. Auch |
„wir noch etwas mein Gedaͤchtniß aufbehalten ;
„ſchreckliches Bild! das Bild Deines Schmerzens.
„Süngling, verzweifele nicht! Die größten Beſo
„niſſe verwandeln fi oft in Hoffnungen! Gott ı
„ber Liebe ift ja Bein Ding unmöglid. Immer nod
Deine
Blanca.”
N. S. „Du Eannft kühnlich
„dieſer Mohrina trauen;
„ihre Merz iſt eben fo weiß
„und treu gegen mich, als
„ihr Angeſicht ſchwarz ift.”
Schnell und richtig beitellte die Vertraute die
Brief. Ein günfliges Ungefähr führte fie auch zu ei
Minute hin, wo der beislägrige Bonaventuri
zer 55 nes
ganz allein befand. Sein Erftsunen war faft fo groß,
wie fein'biöheriger Sram. Was einem Kranken, dem
Sreunde und Arzt und Wärter bereits das Leben abs
geſprochen haben, die erfte günftige Verſicherung wahre
ſcheinlicher Beſſerung ſeyn muß, Das war ihm aud
jet diefer Brief. Haſtig verfhlang er ihn mit dem
erften Blicke, um dann noch täufend Mahl das Lefen
desfelben zu wiederhohlen; der Mohrinn plattes Ges
ſicht ſchien ihm das Antlig eines Engels ; zahlloſe
Fragen that er an fie; fprang dann auf von feinem
Lager und ſchrieb Dieß zur Antwort:
„Krone des weiblichen Geſchlechts
„Vom Fieberfroſte zitterte vor wenig Augenblicken
„erſt eben dieſe Hand, die jetzt vor Freuden zittert.
„— Iſt es möglich, daß Bianca noch meiner ſich er⸗
„innert? daß ſie im fürchterlichen Zorne nicht aufeim⸗
„mer Auge und Seele von mir abgewandt hat? —
„Klein iſt wahrſcheinlich die Zahl der mir noch ab⸗
„gemeffenen Augenblicke; aber ruhig ſehe ich nun dem
„Schlafe entgegen, der meine Qualen enden ſoll. —
„— — Gottes Segen und der Segen jener unbes
„fleckten Mutter Eomme über die edle Capello !”
„Ich nehme den Schwur an, den fie that, meine
„oder keines Mannes Gattinn zu werben; aber die
„frevle Hoffnung, Sie zu befigen, hält ſich eben fo
„entfernt von mir, ald der neidifche Wunſch: daß der
„Schöpfung ſchönſtes Meifterftücd den’ Nonnenſchleyer
„wähle. Bald wird das Grab mid aufnehmen; und
„dann befelige meine Berlobte einen Mann, der Bor
„naventuri’d Herz mit Saldiati's Reichthum und Ca⸗
„pelo’s Range verbindet!”
wen Ba wen
„Sieh, ich ſammle meine ganzen Kräfte für ı
„und doch find deren fo wenigein mir, daß fchon |
„dritten Mahle die Keder meiner Hand entfunfen
„Lebe wohl! und .wenn bald vielleicht ein leifed 2
„hen unvermuthet dir an deiner Wange binweht.,
„denke, daß es mein Geiſt fey , der fi) halb vergeb
„bemüht, fein Dafeyn Die anzuzeigen! Bis zum. |
„ten Lebenshauch on
Dein
Bonauenturi.
Arme, beforgte Bianca ! So liebevoll dieſes Sch
Ben Elang , fo wenig war ed doch ganz nad ihr
Wunſche. Sie mußte nob nicht,/ daß tie Todes⸗A
dungen eines Qiebhabers felten eine buchitäbliche We
beit zu feyn pflegen, und die Erzählung ihrer M
vinn gon dem bedenklichen Zuftande , in welchem fie
jungen Mann angeteoffen habe, vergrößerte nody i
Angft. Äber mit eben derfelben wuchs auch die Lie
wuchs nitt jeder Stunde fo ftark, daß ſie ſchon bes
dern Morgens die Mohrinn zum zweyten Mahle mit
gendem Säreiben abfandte:
„Nein, geliebter Bonaventurt, Dein Brief
„nicht das legte Lebewohl mir.fagen! Ich gebiethe (
„zu leben ; gebiethe Dir, das Grab noch nicht
„Deine baldige Wohnung , den Tod noch nicht
„Deinen einzigen Freund anzufehen. — Unachtſam
„baft du fo flüchtig meines vorigen Briefes let
„Zeile überfehen I"
„D Mann, daß eine fo tiefe Kluft uns tren
„muß! Und doch iſt ſie noch nicht allzutief und al
ꝓ„grauſend für meinen Seit! — Erſt nach dem To
no B5 vera
„will der Deinige mich ud ſchweben Ach ber Meinige
„thut Dieß bey Deinem Leben ſchon. — Juͤngling,
„Jüngling, im Wettſtreit ſtärkberer Liebe bürfte
„das ſchwaͤchere Geſchlecht wohl obſtegen!“
„Auch meinen Schwur mißdeuteſt du. Deine oder
„keines Andern Gattinn! Dieſen Eid würde ſelbſt
„Dein frübes Einſchlummern nicht vernichten. — Blüht
„nit für Dich die Blume meiner Zugend, fo foll
„Niemand — ih kanns nicht enden; allaugenblicklich
„ſehe ich mich geftört. und in Gefahr ber Entdedung.
„Doch barf ich es nicht länger anſtehen laffen, Dir zu
„gebiethen: Zrage Sorge für Did ſelbſt! —
„Gehorche! oder zittere, wenn Du es unterlaffen koͤnn⸗
„seit! Denn dann verklagt Sig auch noch bort die
„Thrane
Dein
Bianca”
mit faſt noch geßßerer Freude „ als den vorigen,
empfing Bonaventuri diefen Brief. Die Eile, mit
welder er ankam, der dringende Zon befielben beſtaͤrk⸗
te ihn immer mehr und-mehr, daß Bianca. noch, und
zwar, daß fie ihn brünftig liebe.
- Aber fo ift die menfhlihe Natur! Raum wırb
der Eleinere Wunſch ihr gewährt, fo glaubt fie auch
fon auf den größern rechtskräftige Anfprüde machen
zu dürfen. Eben der Bonaventuri, der damahls, als
er troftlos an Martelli's Bufen fein Leid ausfchüttete,
den Eeinften Funken Hoffnung : daß Bianca feiner
noch günftig dedenke, für Himmelswonne geachtet ha⸗
ben würde; eben diefer Bonaventuri fah nun kaum je⸗
nen Funken unwiderſprechlich glühen, als er ſofort
wer 36 —
auch nad) aröfiern Vortheilen firebte; als er fi
vornahm, Alles oder nichts zu beſitzen. “
Vilder des Glücks lächelten ihm nun fhon ı
der wirken! von fern; und die Drangfalen im X
dergrunde erſchreckten ihn nicht. Er wollte hindu
. oder nicht mehr leben. Vorſichtig genug, feinem W
telli, deſſen kalte Klugheit zu grell von der glüben
Jugendhitze abſtach, die letztern Briefe nicht mehr
zeigen, ſchrieb er tief in der Nacht folgendes Bil
welches er der wieder nachfragenden Mohrinn einh
digte.
„Edelſte aller Venetianerinnen!
„Zum zweyten Mahl alſo befiehlſt Du mir zu
„ben und zu dulden? befiehlſt es mir, voll Bewu
„ſeyn Deiner Allmacht Über mern ganges Geſchick?
„Aber felbit bie himmliſche Huld, diefe mir &ı
„zufprechende Gute — o wie verſchieden ift fie von
„nem befeligenden Tone, als ich in deine ausgebrei
„ten Arın: ſank, ald Du nod den glüdlichen Salvi
„in den. verkannten Bonaventuri ju umarmen glaı
„teſt! — Koeniginn meiner Seele! o vergib mir, we
„in, der ich fonft kühn für jede Erfüllung mein
„listen Dir bürge, doch nur zur Selbſterhaltu
„mid zu verpflibten zage!“
„Entfreite felbft, wenn Du mich ſäheſt, verfei
„in einem bunkeln Kerker, von giftigen Schlang
„rings umfleidt, von einem nahen Feuer langfam ;
„röitet, und nur einen einzigen Arm noch ungefeffelt-
„tiefen Arm bewaffnet mit einem Dold,e; würbeit 3
„mir wohl zurufen: „Freund, nüge biefen Do
„nicht! dulde lieber deine Qual! Du mußt zwar
„einigen ‚Stunden ſterben; aber ſtirb wenigſtens jetzt
„noch nicht!”
„Oft zwar, wenn ſchon der Gedanke des Todes
„in ſeiner ganzen Kraft erwachte; wenn ich ſchnell nach
„Dolch und Giftbecher langte, erhob ſich ein anderes
„Gefühl gleich mächtig in mir. Nicht etwa Gefühl der
„Furcht, nicht Liebe dieſes elenden Lebens, ſondern
„die Vorſtellung: der Tod trennt dich von einer Welt,
„in welcher Bianca noch lebt! Ohne ſie iſt ſelbſt der
„Himmel für dich eine Hole! — Und dann, dann
„entſchloß ich mich zu leben; dann erfchienen mir thö⸗
„richte Möglichkeiten reizend beym erften Anblick; aber
„ach, dem Stich der Tarantel ähnlich, deſſen Wirkung
„mit frohen Zänzen beginnt, und mit tödtlichen Ber’
„zuckungen endet ! Denn bachte ich of: vielleicht, daß
aoleichwohl noch —
„O vergib mir, wenn ich hier ſtocke! Der hat
„wenige oder höchſt kalte Entwürfe, ber fie der Feder
. „und dem Papiere anzupertrauen vermag! Und ebeu
„daher noch eine Bitte, meine este vielleicht! —
„Theure, edelfte Bianca, ic befhwäre Dich bey bei*
añer ſchönen Seele, bey unſerer Wohlfahrt hier und
Idoert, bey dem Schutzheiligen, vor deſſen Bildniß
„Du vielleicht fo eben knieeſt, bey der Göͤttlichen ſelbſt,
„die ohne Sünde empfing : verfage mir biefe legte
„Gefälligkeit nit! Gönne mir noch ein Geſpräch
gmit Dir! |
„Ort, Zeit und Art überlaß ih Deiner Wiſlkür.
„Gebeut mir die mühſamſten, die gefahrvollften Wege.
„Ah, was iſt Mühe und Gefahr, gegen wenige Mi⸗
„nuten im Geſpräche mit Dir vollbracht“ Sie follen
„mein Geſchick fir immer beftimmen ; fie follen —
„mildes, himmliſches Mädchen , vertweigere mir bi
„flebentliche Bitte nicht! An ihr will ich erkennen:
vich wirklih no in Deinem Auge fey
Dein
Bonaventuri.“
Sehnlicher blickt der Unglückliche, der an eiı
wüſten Snfel ftrandete, dem einzelne, am Felſen
fundene Beeren Faum noch das Leben friſten, den
legten Späne feines Bretes, das ihn ans Ufer tru
Faum nod erwärmen — fehnlicher blickt er nicht nı
ber See hinaus: ob vieleicht der Rauch feines fü
merlichen Feuers ein Segel herbeylocke? ald Bor
venturi, einige Tage hindurch, der Antwort auf fi
Begehren entgegen fhaute. Sie Fam endlich und le
tete alſo:
„Meinen Dank dafür, Liebling meiner See
„Daß Du ſelbſt die große Wahrheit erkennſt: um r
„nigftens jenfeits für einander zu leben, miffe m
„dießſeits ausdulden. Deine Einwürfe miderlege
„nicht, Sit dein Herz äleich geffimmt mit bem mei
„gen, fo bedarfes nit einmahl diefer Wederlegun
„Aber ach! daß ich, die ich fo gern jede billi
„Bitte, noch kaum gedacht, geſchweige wukl
„ausgeſprochen, Dir gewähren möchte, — «a
„daß ich nicht Hoffnung — nicht Hoffnung einm
„iu einem mündlihen Gefprähe Dir machen Far
„Mein Herz blutet; aber diefes Bluten macht lei
„Unmöglichkeiten nicht moͤglich.“
®
„Laß meine Mobrinn Die erzählen ; ‚ wie ben gans
„zen Tag hindurch Auffeher mid belauern; wie fein
„Augenbli für mich ſicher, Kein Winkel einfam’ ift.
„Muthmafite weine Hofmeifterinn. nur eine Rüden '
„innerung, gefhweige ein Verftändniß zwi⸗
„chen ung ; fie würte fogleich ed meinem Vater anzeis
„gen; ein Kofter würde für mid) feinen Schlund aufs
„thun, für Dich vieleicht ein Kerker. Alles, Alles
„wäre dann verloren. — O daf die Liebe einen Rath
„wüßte, und ich würde denfelben willig hören; aber
„iegt bat für Dich nur Seufzer, nur Spränen und
„Wüuünſche
Deine |
Bianca”
%
ben wollte. Dieß der Brief. — und zum Troſt für
meine Leſer, der legte Brief! den die Mohrinn zu⸗
ruͤck trug:
| „Uunmöglich alſo iſt es Dir, mich. am Tage zu
„Dir, oder ſonſt irgend wohin zu beſcheiden? Unmög—
„lich, ob Du ſelbſt gleich ſonſt meine Bitte billig
„findet? Wohlan, fo bleibt mir doch ein Vorſchlag
„übrig. Zwar thu' ich ihn mit Zittern; aber ich weiß,
„daß ich mit einer Heldinn,, mit einer edlen Geele,
F
Lv
Jetzt war Bianca da, wohin Bonaventuri fie has.
J
⸗
„gleich erhaben über Furcht und Vorurtheile, ſpreche;
„und ich wag ihn daher, —
„Von jeher war die Nacht der Siebe Freundinn.
„Laß uns ſolche auch zu der Unſerigen machen! Wann
x.
IIER 60 r208
„Dein Vater, wann Deine Auffeberinn ſchlafen, dar
„Du Theure, wache für mich! danıı Eomme Du fe
„zu Dem, der leider nicht zu Dir binfommen da
„Du weißt das Haus, worin id wohne; das le
„Fenſter gegen Welten, — das Einzige, in weld
„Du nad) zwölf Uhr noch Licht fehen wirft, — ift!
„Meinige; da will ich fieben Nächte hindurch anf t
„warten; da hoffe ih —“
„O zürne nicht, zürne nicht, Du Einzige! T
„für die ich Iobe und ſterbe! — Für Dich wollte
„freudig den glühenden Sand Afrika's, für Didy-
„ftarren Gebiethe des Nordens durdivandeln; ſollt
„Du Did) weigern , wenige Schritte uͤber die Stra
„für mich zu thun?
„Auch zage nicht, Did in einer fo gefährlich
„Stunde allein mir einem Manne zu fehen, der D
„liebt! — Gottes unmwiderruflicher Fluch falle auf me
„Haupt; jeder feiner Heiligen verfhmähe die Vorbii
„für mid, und Feine Meſſe, am Hocdaltar, zur h
„ligften Zeit gelefen , exlöfe dereinft meine See
„wenn ich einen Wunfch oder nur ein Wort gen
„Dich wage, das bie firengite Tugend fhamroth m
„ben könnte! — Die Ruhe deines Gewiſſens, De
„guter Nahme und Glück find allein mir tbeurer ne
„ald meine Liebe — Nur erhöre mih! Ich beſchwi
„Did ; erhöre mih! Bis zum Ende meines Leben
„und gewiß dort noch
Dein
Bonavensuri.”
Ich zweifele nit, daß die meiflen Damen, .
die durch ein Ungefähr dieſen Brief zu Gefichte bekor
wen 62 mem
men, und zumahl diejenigen, welche vergeffen , daß
das welſche Blut um ein gutes Theil glühender, als
unſer deutſches phlegmatiſches walle — Bonaventuri’s
Vorſchlag ziemlich dreiſt und unſchicklich finder dürften,
Bianca felbft fand ihn Anfangs fol Jungfräu—⸗
fihe Scham, —— vor der oft geleſenen Behaup⸗
tung: daß Meineid bey der Liebe, im Puncte der
Enthaltfamkeit, für keine Sünde gelte; die Schwie⸗
rıgkeiten des nächtlichen Entweichens ; Die fürdhterlichen
Folgen der Entdeckung: alles Das ſchreckte fie; und
fürwahr, ihre Vorfag, gegen ih felbft zu kämpfen,
mußte ftandhafter als ein gewöhnlicher weiblicher Vor-
fa feyn, denn ganger zwey Nächte hielt er an, fo
ſchlaflos auch drey Viertheile von ihnen Bianca ba-
hinſchlichen. — Dieß ift der Monolog der‘ dritten
Nacht, als fie abermahls die Mitternachtsſtunde ſchla⸗
gen hoͤrte: |
„Unmöglich, unmdglih, daß ich. an etwas ans
ders denke, ald an ihn! — Selbſt Gebethe, die ic
zum Himmel fenden will, werden zu Spott gegen
den Himmel; werden Gedanken an ihn — an ihn,
der mır mangelt, und Alles mitibm !’ — (paufe).
„Was er jegt machen mag?! Ob er. auch wacht?
auch feufze? auch fi fehnt nad mir? — O gewiß,
gewiß! Sagen es mir nicht feine Briefe? Sagt es
mir nit mein Herz? — (Uuffpeiigend, indem fie ihr
Bette weit wegwirft.) Hinweg mit dir, ebemähls die
Beruhigung meiner kleinen Sorgen, nun meine be
ſchwerlichſte Laft! Du gehörftfür Schlafende; aber für
mich iſt auch diefe Erquidung dahin. — Selbſt als
Kranke babe ich keinen Anſpruch mehr auf did. Meine
Krarkheit heilt ein Einziger, oder ein Bett von Erde,
— (Gcht einige Nahle auf uud ab, und bleibt vor dem B
ihrer Hofmeiſterinn Reben, A fer Idiäft.)
„Und du fdlummerit fo fanft? fo fett? DI
Sorgfalt für mi, die ich fo ſehr deiner Sorgi
bebürfte? — Kein Traum von Liebe, Eeine Sehnſu
nad einem Manne, der nicht dein Mann feyn Eur
bennruhigt dih. — Haſt du auch jemahls gefühlt, w
Gluth der Zärtlichkeit vermag, fo har jest das Al
dene Flamme erlöſcht, beine Wünſche befänftige.”
Pau.)
„O, daß ich wäre, was du biſt! Wie gern wı
te ich diefe Enöcherne Hand, dieſes runzelvolle Geſie
diefen verwachfenen Wuchs gegen meine Tugend ı
Geſtalt umtaufhen, befüme id nur zugleid dein H
mit; dein Herz, deſſen größte Glückſeligkeit &p
und Trank, Kleider und ein richtiger Jahreslohn a
maden! — — — (Auf und abgeheud.) Bonaventu
Bonaventuri! — Welch erbittertes Geſchick ſpr
über und das Urtheil aus: daß wir Unſchuldige ur
wechfelfitiges Elend machen folltent — Wie} w
ex jetzt vielleicht meiner barıte ? Bey jedem rauf
ben Lüftchen an Zhür und Fenſter eiltet Zürnte, |
id nie Aime?’ —
„Zürnen! Könnteer Das? War fein Vorfch
von der Art, daß ich ihn gemähren Eonntet 2
man mich nun binfchlüpfen fühet Wenn man mid
def vermißte ? Meine alsdann jeder Verleumdung pr:
gegebene Ehre, der Spott meiner Scweſtern,
Zorn meines Vaters, die Vorwürfe meines Gewiff
— — o Bonuaventuri, dem Allen wolltet du rn
bloßitellen?! Du, für den ich willig ſelbſt in den ‘
u wa 63° vorn
gehen würde! — (Eis sefinnend.) Inden Tod?” (Mirfe
find mit betretener Miene in einen Gelen. .
„Pfui, Bianca! hier ertappft du dich ſelbſt auf
einer Unwahrheit. Iſt ſpöttiſches Stadtgeflüſter, iſt
ſtrenge Behandlung deines Vaters, ſind Schlaͤge und
Einfperrung ſelbſt, mehr als der Zod? Ihm willſt du
für Bonaventurs dich unterziehen, und jenen Prüfun⸗
gen nicht? (Schnell auffpringend.) Auf! auf! Was dich
bintern kann, ſchlaͤft. — Auf! auf! bin jun ihm! Er
bat nichts Unmögliches gebethen! — (Einhaltend.) Aber
wenn er — — — Schwaches Mädchen, wie ver⸗
mödtet du — — —“
„Stein! nein! er hat geſchworen; und Mißtrauen
in feinen Schwur wäre Mißtrauen gegen den Himmel
ſeibſt. Sort ſelbſt könnte nicht Meineid in dem Herzen
eines Mannes ungeftraft erbulden, in deſſen Augen
und Mund er fo viel Redlichkeit und Überrebung legte.
— Auf! auf! zu ihm!”
—
Bianca eilte jetzt eben ſo leiſe als ſchnell die Trep⸗
de hinab > riegelte die Hausthüre anf, lehnte fie vor⸗
jihtig an, und flog zum Pallaſt des Salviati. _
Drey halbe Nächte hatte hier der junge Mann
vergebens an feinem Fenſter geharrt ; hatte auf jebes
lifpelnde Lüftchen gehorcht; auf jede noch ferne Geftalt
ängftlih gelaufht. Schon nahm feine Hoffnung, es
jemahls mit glücklichem Erfolge zu thun, allmählig
ab; ſchon beforgte er, durch feine allzudreifte Forde⸗
zung alles verloren zu haben; fhon war ihm auch
‚einige Mahl der ſchreckliche Gedanke: ber ertappten
ea 64 nosea ,
Bianca, burdhdie Seele gebrauft. Die ganze San
Iung feiner Kräfte war ihm dann nöthig, einer X
ftelung diefer Art nicht zu erliegen.
Raum traute er daher jeht feinen Augen, alı
fie daherſchlüpfen ſah; als er das Rauſchen ıhres
denen Gewandes vernahm, und ihre Geſtalt erfanr
Kaum vermochte er ihr entgegen zu eilen, ald end
ihr Hüfteln, ihr Winfen und ihr leifer Gruß ihn ut
zeugte, daß es kein Trugbild fey, was in biefer i
fo iheuern Korm erfcheine; und noch minder vermo:
er dann zu ſprechen, als das liebevolle, gütige M
chen ihm mit ſinkenden Augen, ftatt einer wörtlid
Bewillkommung, die Wange zum Kuffe darboth.
Aber ihre Unterredung ſelbſt? — Nein, eb |
nit Nachahmung jenes Mahlers Timanthes fe
der feinen AgamemnondsKopf *) verhüllte, weil
den leidenſchaftlichen Ausdruck desfelben zu erreid
verzweifelte! Doch was dem Liebenden von der G
Tiebten fo unnachahmlich ſchön dünkt, wird Teidht
dem Papiere für einen Dritten zur Übertreibung ‚
nicht gar zur Thorheit; Gefprache der Zärtlichkeit,
der wirflihen Natur fo ſchnell verfliegend, dehnen |
in der Wiebererzählung zur oft unerträglihen Lan;
und daher wird man fich hoffentlih auch mit die
Eurzen Nachricht begnügen. — Zwey Stunden v
ſtrichen
*) Ben einer Opferung der Iphigenia. Der Nabme
manthes, und dieſe Begebenheit intbeſondere, ſind
allbekannt, daß es Beleidigung der Leſer ſeyn dürfte,
ters Hiee umſtandlich zu erzählen.
x ven 65 TOR,
ffrihen den - Liebenden unter Betheurungen ihrer in:
brünftigen Liebe, unter Iuftigen Entwürfen für Ge⸗
genwart und Zufunft, Trotz mander innern Anreis
zung bielt der Züngling den Schwur feiner Enthalt⸗
ſamkeit; und Capello 8 Tochter erneute den isrigen : einit
diefes oder keines Mannes Gemahlinn zu werden.
Beym Abfchied.. vereinten fie ſich, fiber eine gfeis
he Zufammenfunft in der deitten Naht; meinten,
trockneten ſich wechfelfeitig die Thraͤnen; trennten ſich
unter tauſend Küſſen, mit zehnfachem Zurückkehrem.
Armes Moͤdchen, als du im Heimgehen mit bee
frohen, blinkenden Thraͤne zum geſtirnten Himmel
emporſchauteſt, und für dieſe zwey ſeligen Stunden
ihm dankteſt, da ahndeteſt du noch nicht: welchen
kränkenden Streich ein feindſeliges Geſchick dir indeß
erweiſen Eönne, und wirklich erwieſen hatte! Durch
eine Hinterthür in einem engen, ſchmalen Gäßchen
war. Bianca aus dem väterlichen Haufe. gefchlunft,
‚hatte fie hinter fih nur angelehnt. Ein Luftzug
mochte die Thüre merklicher geöffnet haben: ein Be:
Eannter des alten Capello ging vorbey ; fah es; glaubte,
daß hier bloß ein Ungefähr obwalte; glaubte den Pal⸗
laft feines Freundes ‚vor Dieben fihern zu müſſen,
und — warf fie, aus unzeitiger Dienfibegier, zu.
Welch ein Entfegen für Bianca, als fie 1egt
ſchnell wieder in ihre Wohnung zurüdkehren. wollte,
und fie — verfchloffen.fand. Starre Betäubung faßte
fie zwey Minuten hindurch; fprachlos fanE fie während
derfelben auf eine iteinerne Ruhebank. Dann fprang
fie fhnel wieder empor; bann war ihe Entfchluß ges
faßt auf — immer! |
Meißners Bianca Gap. 1. Thi. a | Zu
own 66 men
Aber mm denke man ſich auch auf der and
Seite das Erjtaunen, das Bonaventuri durchdrar
als ihn, der eben , wonnetiunfen feinem Schl
gemach zueilen wollte, eine Stimme unter fein
Benfter beym Nahmen rief; als er die Thür Öffne
und Bianca abermahls hereintrat.
Bonav. (indem er die Thür aufthut.) met e
Sie ſchon wieder da, Bianca?
Bianca, Und für i immer , wenn e3 das es
fol vergönnt!
Bonav. Kürimmer? Wie ift Das moͤglich 28
iſt hier vorgegangen?
Bianca. (Mit freudiger UEntſchloſſenheit.) Nich
was uns betrüben darf! Mein Theuerſter, der gl
lihite Augenblick unferer Liebe ift erfihienen. 9
beym Abichiede fehnten Sie fih nad der Minute,
Ste mid) Battinn nennen Eönhten; jegt bin ich's
will es bleiben, fo fang ich lebe. Nur mit ber klei
Bedingung — nicht zu Venedig!
Bonav. Wie? was? — Bianca ! Höre
recht, eder — — —
Bianca. Laß mich ausreden, und dann
ſcheide! "Ah, Lieber! ſchon hatten wir vorhin ı
hinaus in die Zukunft geträumt; doc fo ſpottet
Himmel menfhliher Entwürfe! — Als ich zur IL
meiner Wohnung kam, fand ich fie verihloflen. €
nabrnenlofe fürchterlihe Empfindung; aber zum &
auch nur von der Dauer weniger Secunden; d
hatte ich Partey ergriffen, hatte gewählt für
ganzes Leben. — Nichts, nichts kann mid hier
dem fchredlihen Zorn meines Vaters jhüßen, mw
er erfährt, was er bald erfahren muß — mein: ni
%
een 67 —
fie Ahweſenheit. Seine Wuth, die Wuth meinet
Familie, erpreßt oder erraͤth dann leicht mein Geheim⸗
niß; heimlicher jäher Tod wird dein Loos / langſame
Abzehrung das Meinige. — Nichts, nichts rettet
uns hier; um uns zu erhalten, müſſen wir flleben.
Bonav. Fliehen? Gerechter Gott, wohin?
Bianca Kein Einwurf, keine Zweifel, keine
Thraͤnen jetzt! Glaubſt du, Jüngling, daß id daran
Mangel hätte, wenn ich fie nicht durch gefammelten
Much zurücdwiefe ? — Nunmehr. ift es Zeit, mir zu
bewähren, daß du mich liebſt! Harre keinen Augen⸗
blick länger, als die höchſte Noch gebiethet! Der Mor⸗
gen muß uns ſchon fern, fern von Venedig finden, -
an unjerm geringiten Verzuge hängt. vielleicht Ehre,
Glück und Leben. — Halt du nit einen Varer!
Iſt nicht auch Florenz ſchön und groß?
Bonav. Wohl habe ich einen Vater! Wohl iſ
Florenz ſchön und groß! Aber ach! mein väterliches
Haus ift die Wohnung der Armuth. Von dem Weni—⸗
gen, mir bier abgedardt, leben dort größten Theils
meine Ältern. Kaum würde uns bey ibnen ein dürf-
tiges Dad) vor ben Unbequemlichfeiten der äußern Rufe
befhügen; Waſſer und Bros wäre dort unfer einziger
Unterhalt. — Nein, theuerite Bianca, wie könnten
&ie, in uͤberfluß und Reichthum erzogen, jenen äͤußer⸗
ſten Mangel ertragen, der ſelbſt Diejenigen, die in
ihm geboren find, ſchmerzhaft genug drückt! Mie?
würde die Tochter des edlen Capello nicht bald dem
Manne fluden, der fie in Mangel und Elend herab
erniedrigte?
Bianca (miternftem Biice.) Bonaventuri! ich dem
Monne fluchen, den ich mir ſelbſt erwaͤhlte .
" &$
[7 777° 68 —X
Bonav. Und mit dem Sie gleichwohl nur
in der erſten Aufwallung des Schreckens ſich verbin
und ihm folgen wollen! — O Bianca! der Üßerg
vom Unglüd ;um Ölude it jo fuß und leicht,
der Weg zur Hölle; aber der Pfad vom uͤterfluß
Düräftigkeit iſt ſteil und ſchwer. Sit die erfte £
.Ihrer Liebe weggedunſtet, dann dürften Sie in
nicht mehr ten Gegenſtand Ihrer Zaͤrtlichkeit, font
bloß fie Quelle all Ihres Jammers fehen.
Bianca. Mein, lieber Mann, bu ireft &
Meg mir tem Zwang, ber deine Reden erkultet! !
find vor ten Augen ber Gottheit fo gut ald vermal
und das vertraulihe Du ziemt unsnun. Hier iſt m
Hand, und unfere Verbindung, bezeichnet durch
fen Handſchlag und durch diefen Kuß, trennt
des Tod.
Bonav. D Bianca, wie fehr beforge ih —
Bianca. Beforge nichts! Sch thu jet BI
was ich auch ohne diefen Zufall gethban hätte, et
fpäter zwar, doch nicht minder gewiß. — G
ih dich ſah, warft du mein heifeiter, mein gro
Wunſch; was frage ih nun nad ber Erfüllung
Geringern
Bonav. Aber der außerite Mangel, der u
wartet?
Bianca Warum eben außerfier Man
Verzage niht an unferm Unterhalt! Das, was m
Hände ehemahls zum Zeitvertreib erlernten, ı
de num ihre wirkliche Arbeit! — Sch veritehe
auf Stickerey von jeder Art; fie naͤhrt dürftig,
fie nährt dog. — Selbſt wenn ich eile Heerde
Weide führte, würde ich Sonnenſtrahlen und Re
‚ nafe one Murren tragen, wean ich an den Abend
gedaͤchte, wo ich froh in deinen Arm zurüchſliehen
koͤnnte.
Bonav. Und wenn man uns nun fände ? Wie
dann! — —
Bianca. Iſt Florenz nicht ein ferner, weitläufs
tiger Ort? Gibt es dort gar Beinen einfamen , "abges
Iegenen Winkel? Kein Dorf, wo wir uns bergen Fönn«
ten ?!— Und gefept auch, daß man uns fande, Eönns
te ein härtered Schickſal, als jete bier, auf und wars
ten!— Doch Mann, ift e billig, daß du hier den
Verzagten fpieft, und ich die Tröfterinn mahe? — Bo⸗
naventuri, Bongventuri! weffen Brief ift an dem
Alten ſchuld? Ich fürdte, du liebſt mich nicht halb ſo
feurig, als ich dich liebe..
Bonav. Ich? — Götter, vernichtet die Aber
oder die Merye, die nicht ewig, ewig für Bianca
glüpe!
Bianca. Nun fo laß uns, ftatt zu flreiten und
zu zandern, flieben'— Jeder diefer Augenblicke ift
uns hoc) angerechnet. Wehe und, wenn wir fienugen
Bönnten, und aus Zweifelfucht nur verfhleudern!
— Diefe Nacht, der Würfel falle, wohin er wolle, iſt
fiber die wichtigftein unferer Beyder Bisherigem Leben.
Mache, daß fie der Anfang Eünftigen Glückes, nicht
künftigen Elendes ſey! — Sieh! Sieh! die Morgen-
zöthe ift nahe! Wie Hleich bereits die Sterne glänzen !
Schon erkenne ich jedes Steinchen auf, ber Etrafe,
— — D Öeliebter, wir find verforen, wenn wir nad)
fo vielen Wageſtücken nicht noch das Legte wagen!
Bonav. Wohlan, ich folge dir! — Gott der
Liebe, und ihe alle feine Beiligen , habt Erbarmen mit
ron 79 nero
ung Fliebenden! — Ah, ich mwähnte nicht, daß d
Macht meine Braͤutigamsnacht werden follte; aber r
dieſe Bitte erhört: Nehmt euch unfer ſchützend an,
lange wir uns lieben! Macht meine theure Bia
eben ſo ſtandhaft in ihrer Zärtlichkeit gegen mid) ,
“ ein jeder Blutstropfen in mir — und ‚ware er co
mein letzter — fi) freuen wird, wenn ich ihn für bi
| ca vergieße.
Bonaventuri ſammelte nun haſtig von feiner.
be alle die kleinen Koſtbarkeiten, die wenigſtent
Betracht feiner Armuth fo beiffen Eonnıen. We
Zechinen waren feine ganze Barſchaft, eın Paar
bedeutende Rınge feine fammelihen Juwelen. Ern:
fie, und floh mit Bianca — einer Juwele, die |
Füuͤrſt bezahlen konnte, — dem eriten Sciffchen
das fie glüdlih von dannen und in Kurzem an das |
Fand brachte. Die Sonne war ındeß aufgegan;
das ganze ftolze Venedig Tag von fern ın feiner Pı
vor ihnen. Bianca blickte oft hin, und wandte
dann ſchnell zum Schiffer, um ein Paar Worse mit
zu ſprechen, oder vielmehr, um Bonaventuri'n
Thräne zu verbergen, die unwillkürlich über
Wange berabrollte.
Als fie aber an das Land traten, (eine Vorſ
die fie deßhalb ergriffen, weil fie glaubten, daß ı
ihnen vorzüglid zu Waſſer nachſetzen würde) und als
Bianca ganz allein mit ihrem Geliebten auf dem Ü
nad Bologna bineilte, da vermochte fie freylich ni
ihm ganz denfummer zu verhehlen, ven fie biöher als.
binn unterbrädt hatte; und auf einem Hügel, von
non: TI came
gan noch in grauer gerne Venedig fehen Eonnte, machte
ein. halblauter Seufzer, daß Vonoventuri ſie ſchnell
und ſtarr anblickte. |
Bonav. (fe umarmend.) D ih ſehe — ich ſehe
fie doch, liebſte Bianca, dieſe Perle, die auf die Er⸗
be fallen ſollte, und hier auf-beinen Schleyer fiel. Laß
mich fie auftüffen! — Aber was zamderfi bu? Reuet
dich vieleicht jegt erſt, jest ſchon dieſe fchnelle Flucht?
Noch iſt es Zeit zurüczufehren.
Bianca. Nicht zur ückzukehern,, wohl aber
noch zur ückzublicken! — Sieh, Bonaventuri, noch
zwey Schritte tiefer hinab, und die Stadt, die mich gebar,
ſchwindet aus meinen Blicken; fhwirder wahrſchein⸗
lich auf ewig, — Bonaventuri! wenn ih mir Den,
den ich bis jegt Vater nennen durfte, denke, wie
er mit dumpfem Erftaunen die Nachricht meiner under.
greiflihen Berfhwindung hört; wie er vergebens nach mir
jeden Winkel feines weiten Gebaͤudes durchſucht; verge⸗
bens feine Bothen ausfendet; wie er dem Tage, ber
ihm ein ungehorſames Kind gab, und dem, der ihn kin⸗
derlos machte, mit gleichem Schmerze flucht; wenn ich
fein graues ehrwuͤrdiges Haupt ſich fhnell um viele
of tiefer zum Grabe. hinabnergen fehe; — o dann,
dann muß ich wohl zaudern und Beben. — (Paufe; mit
Gtändertem Zone.) Und doch bebe .id ohne Grund. —
„Du wirft Water und Mutter verlaflen, und beinem
„Manne anhängen;” ſo fpriht er ja, ber Ewige,
deſſen Wort ich ſchon oft verftohlen las, und dann mit
ernftem Bli auf diefer Stelle haftete, ohne zu ahn⸗
den, daß fie mir bald fo theuer werben würbe. — Lebe
wohl, lebe wohl, Venedig! — (Bie geht einige Sqcritie
weiten) Sieh, Bonaventuri! da entflieht ber lette
— 6A mein +
Bianca, durch die Seele gebrauft. Die ganze San
Iung feiner Kräfte war ihm dann nöthig, eıner X
ftelung diefer Art nicht zu erliegen.
Kaum traute er daher jetzt feinen Augen, alı
fie daherſchlüpfen fah; als er das Rauſchen ihres
denen Gewandes vernahm, und ihre Geftalt erkan—
Raum vermodte er ihr entgegen zu eilen, ald end
ihr Hüfteln, ihr Winken und ihr leifer Gruß ihn ül
zeugte, daß es Fein Trugbild fey, was in diefer i
fo theuern Form erfheine; und noch minder vermo«
er dann zu ſprechen, als das liebevolle, gütige M
hen ihm mit finkenden Augen, flatt einer mörtfid
Bewillfemmung, die Wange zum Kuffe darboth.
Aber ihre linterredung ſelbſt? — Nein, es
nicht Nachahmung jenes Mahlers Timanthes fe
der feinen AgamemnondsKopf *) verbüllte, weil
den leidenſchaftlichen Ausdruck desfelben zu erreid
verzweifelte! Doch was dem Liebenden von der C
Tiebten fo unnachahmlich ſchön dünkt, wird Teiche |
dem Papiere für einen Dritten zur Übertreibung,
nicht gar zur Thorheit; Gefprade der Zärtlichkeit,
der wirklichen Natur fo ſchnell verfliegend, dehnen
in ber Wiebererzählung zur oft unerträglichen Län,
und daher wird man fich hoffentlich auch mit die
kurzen Nadriht begnügen. — Zwey Stunden v
ſtrichen
2) Bey einer Opferung der Iphigenia. Der Nahme
manthes, und dieſe Begedenheit intbeſondere, Aint
allbekannt, daß es Beleidigung der Leſer ſeya dürfte,
tere dier umRändlich zu erzählen.
v⸗ 65 ——
ſtrichen den Liebenden unter Betheurungen ihrer in:
brünftigen Liebe, unter Iuftigen Entwürfen für Ge:
genwart und Zufunft. Troß mander innern Anreis
zung hielt der Süngling den Schwur feiner Enthalte
famkeit ; und Capello 8 Tochter erneute den ihrigen: einit
diefes oder Feines Mannes Gemahlinn zu werden.
Beym Abſchied vereinten fie ſich, fiber eine gleis
he Zufammenkunft in der deitten Nacht; meinten,
trockneten ſich wechfelfeitig die Thränen ; trennten ſich
unter taufend Küffen, mit zehnfachem Zurückkehren.
Armes Mädchen, als du im Heimgehen mit der
froben , blinkenden Thräne zum geftienten Himmel
emporfchauteft, und für, diefe zwey feligen Stunden
ihm danfteft, da ahndeteft du noch nit: welden
Erankenden Streich ein feindfeliged Geſchick dir indeß
erweifen Eönne, und wirklich erwiefen hatte! Durch
eine Hinterthür in einem engen, ſchmalen Gäßchen
war Bianca aus dem väterlichen Haufe. gefchlupft,
‚hatte fie hinter fih nur angelehnt. Ein Luftzug
mochte die Thüre merklicher geöffnet haben: ein Bes
Eannter des alten Capello ging vorbey ; fah es; glaubte,
daß bier bloß ein Ungefähr obwalte; glaubte den Pal⸗
laft. feines Freundes ‚vor Dieben fichern zu müſſen,
und — warf fie, aus unzeitiger Dienftbegier, zu.
Welch ein Entfegen für Bianca, als fie jetzt
fhnell wieder. in ihre Wohnung zurückkehren. wollte,
und fie — verfchloffen.fand. Starte Betäubung faßte
ſie zwey Minuten hindurch; ſprachlos ſank ſie während
derſelben auf eine ſteinerne Ruhebank. Dann fprang
fie fhnell wieber empor; dann war ihre Entfchluß ges
faßt auf — immer! | |
Neißners Bianca Gap. 1. Thl. a | Zu
Aber nun denke man fih auch auf ber anb
Seite das Eritaunen, das Bonaventuri durchdrar
als ihn, des eben , wonnetrunfen feinem Schl
gemach zueilen wollte, eine Stimme unter feir
Senfter beym Nahmen rief; als er die Thür öffne
und Bianca abermahls hereintrat.
Bonar. (indem er die Thür aufthut.) er e
Sie ſchon wieder da, Bianca?
Bianca, Und füri immer , wenn das es
fal Wergönnt !
Bonav. Kürimmer? Wie ift Das mögric t x
ift hier vorgegangen ? ?
Bianca. ( Mit freudiger ntfeteffengeit.) Nie
waß uns betrüben darf! Mein Theuerſter, der gl
lihite Augenblick unferer Liebe ift erſchienen. 5
beym Abjchiede fehnten Sie jih nad der Minute,
Sie mid) Battinn nennen könnten; jegt bin ich's
will e$ bleiben ‚ fo lang id febe. Nur mit ber klei
Bedingung — nicht zu Venedig!
Bonav. Wie? wat — Bianca ! Höre
recht, eder — — —
Bianca. Laß mich ausreden, und dann
ſcheide! "Ad, Lieber! ſchon hatten wir vorfin ı
hinaus in die Zukunft geträumt; doch fo fportet
Himmel menfhliher Entwürfe! — Als ih zur TE
meiner Wohnung Fam, fand ich fie verſchloſſen. (
nahmenloſe fürchterlihe Empfirdung; aber zum &
auch nur von der Dauer weniger Gecunden; dd
hatte ich Partey ergriffen, hatte gewählt für r
ganzes Leben. — Nichts, nichts kann mid hier
dem fihredlihen Zorn meines Vaters Ihüßen, n
er erfährt, was er bald erfahren muß — mein: n
%
een 67 —
liche Ahweſenheit. Seine Wuth, die Wuth meinet
Familie erpreßt oder erraͤth dann leicht mein Geheim⸗
niß; heimlicher jäher Tod wird dein Loos ‚ langfame
Abzehrung das Meinige. — Nichts, nichts rettet
uns hier; um uns zu erhalten, müffen wir fliehen.
Bonav. Fliehen? Gerechter Gott, wohin? |
Bianca Kein Einwurf, Beine Zweifel, keine
Thraͤnen jetzt! Glaubſt du, Jüngling, daß id daran
Mangel hätte, wenn ich fie nicht durch geſammelten
Muth zurückwieſe? — Nunmehr iſt es Zeit, mir zu
bewähren, daß du mich liebſt! Harre keinen Augen⸗
blick länger, als die höchſte Noch gebiethet! Der More
gen muß uns fhon fern, fern von Venedig finden; -
an unferm geringiten Verzuge hängt. vieleihe Ehre,
Glück und Leben. — Haft du nit einen VBasert
Sit nicht aud Florenz ſchön und groß ?
Bonavb. Wohl habe ich einen Vater! Wohl iſ
Fiorenz ſchoön und groß! Aber ach! mein väterliches
Haus ift die Wohnung der Armuth. Won dem Weni:
gen, mir bier abgedardt, leben dort größten Theils
meine Altern. Kaum würde uns bey ihnen ein duͤrf⸗
tiges Dach vor ben Unbequemlichkeiten der’ äußern Rufe
befhüsen; Waſſer und Brot wäre dort unfer einziger
Unterhalt: — Nein, theuerite Bianca , wie Eönnten
&ie, in uͤberfluß und Reichthum erzogen, jenen außer:
ſten Mangel ertragen, der ſelbſt Diejenigen, die in
ibm geboren find, ſchmerzhaft genug drückt! Mie?
würde die Tochter des edlen Capello nicht bald dem
Manne fluhen, der ie in Mangel und Elend herab
erniedrigte?
Bianca (miternftem Blice.) Bonaventuri! ich dem
Manns fluchen, den ich mir ſelbſt erwähltet .
" C *
v⸗3 68 [77277]
Bonap. Und nic dem Lie gleihwohl nur
in der eriten Aufwallung des Schreckens fi verbin
und ihm folgen wollen! — O Bianca! ber Überg
vom Unglück zum Glüde it jo ſüß und leicht,
der Weg zur Hölle; aber der Pfad vom uͤberfluß
Dürftigkeit iſt ſteil und ſchwer. Iſt die erfie 4
.Ihrer Liebe weggetunitet, dann dürften Sie in
nicht mehr den Gegenitand Ihrer Zärtlichkeit, font
bloß tie Quelle al Ihres Jammers fehen.
Bianca. Mein, lieber Mann, bu irrft b
Meg mit tem Zwang, ber deine Neben erkultet! '
find vor ten Augen ber Gottheit fo gut ald vermäl
und das vertrauliche Du ziemt unsnun. Hier iſt m
Hand, und unfere Verbindung , bezeichnet durch
fen Handſchlag und dur dieſen Kuß, trennt
der Tod.
Bonav. O Bianca, wie ſehr beſorge ih —
Bianca. Beſorge nichts! Sch thu jeke bi
was ich auch ohne diefen Zufall gethan hätte, et
ſpäter zwar, doch nis minder gewiß. — (
ih dich ſah, warft du mein heifeiter, mein grö
Wunſch; was frage ih nun nad ber Erfüllung
Geringern ©
Bonav. Aber ber auferite Mangel, der u
wartet !
Bianca. Warum eben außerfler Man
Verzage nit an unfern Unterhalt! Das, was m
Hände ehemahls zum Zeitvertreib erlernten. ı
de nun ihre wirklihe Arbeit! — Sch veritebe .
auf Stickerey von jeder Art; fie nuhrt dürftig,
fie nahre dog. — Selbſt wenn ich eiıle, Heerde
Weide führte, würde ih Sonnenjtrahlen und Re
— 6g —
„naͤſſe ohne Murren tragen, wenn ih an den Abend
gebädhte, wo ich froh in deinen Arm surückfliepen
koͤnnte.
Bonav. Und wenn man uns nun fände ? Wie
dann? — — |
Bianca. Zft Florenz nicht ein ferner, weitläufs
tiger Ort? Gibt es dort gar feinen einfamen , 'abge⸗
legenen Winkel! Kein Dorf, wo wir uns bergen Eönn«
ten? — Und gefeßt au, daß man ung fande, könn⸗
te ein härteres Schickſal, als jeße bier, auf und wars
tent— Doch Mann, ift es billig, daß du hier den
Verzagten fpieft, und ich bie Tröfterinn mahet— Bo: .
naventuri, Bongventuri! weffen Brief ift an dem
Allen ſchuld? Ich fürchte, du liebſt mich nicht halb fo
feurig, als ich dich liebe..
Bonav. Jh? — Götter, vernichtet die Aber
oder die Nerye, bie nicht ewig, ewig für Bianca
glüht!
Bianca. Nun ſo laß uns, ſtatt zu ſtreiten und
zu zandern, fliehen! — Jeder dieſer Augenblicke iſt
uns hoch angerechnet. Wehe uns, wenn wir fienugen
Eönnten, und aus Zweifelfucht nur verfhleudern!
— Dieſe Nacht, der Würfel falle, wohin er wolle, iſt
fiher die wichtigftein unferer Beyder bisherigem Leben.
Made, daß fie der Anfang Eünftigen Glückes, nicht
Fünftigen Elendes ſey! — Sieh! Sieh! die Morgen:
zöthe ift nahe! Wie Hleich bereits die Sterne glänzen !
Schon erkenne ich jedes Steinchen auf, ber Straſte.
— — O Geliebter, wir find verloren, wenn wir nad
fo vielen Wageſtücken nicht noch das Letzte wagen!
Bonav. Wohlan, ich folge dir! — Gott der
Liebe, und ihr alle feine Heiligen, habt Erbarmen mit
ron 79 vos
uns Fliebenden! — Ah, id mahnte nit, daß d
: Nacht meine Braͤutigamsnacht werden follte; aber
biefe Bitte erhört: Nehmt euch unfer ſchützend an,
Tange wir uns lieben! Macht meine theure Via
eben fo ftanohaft in ihrer Zartlichkeit gegen mich,
Rein jeder Blutstropfen in mir — und ware er
mein letzter — ſich freuen wird, wenn ich ihn für B
ca vergieße.
Bonaventuri fammelte nun baflig von feiner
be alle die Eleinen Koftbarkeiten, die wentgitene
Betracht feiner Armuth fo beiffen Eonnıen. We
Zechinen waren feine ganze Barſchaft, eın Paar
bedeutende Rınge feine fümmelihen Zumwelen. Er ne
fie, und floh mit Bianca — einer Juwele, die |
Fuͤrſt bezahlen konnte, — dem erſten Sciffchen
das ſie glücklich von dannen und in Kurzem an Das |
Land brachte. Die Sonne war indeß aufgegany
das ganze ſtolze Venedig lag von fern ın feiner Pr
vor ihnen. Bianca blickte oft bin, und wandte
dann ſchnell zum Schiffer, um ein Paar Worte mit
zu ſprechen, oder vielmehr, um Bonaventuri'n
Zpräne zu verbergen, die unwillkürlich über
Wange herabrollte.
Als fie aber an das Land traten, (eine Vorf
die fie deßhalb ergriffen, weil fie glaubten, daß ı
ihnen vorzüglich zu Waſſer nachſetzen würde) und als
Bıanca ganz allein mit ihrem Geliebten auf dem Ü
nad) Bologna hineilte, da vermochte fie freylich ni
ihm ganz denKummer zu verhehfen, ven fie bisher als.
binn unterdruͤckt hatte; und auf einem Hügel, von
wa I *—
man nod in grauer gerne Benebig fehen konnte, machte
ein. halblauter Seufzer, daß Bonaventuri ſie ſchnell
und ſtarr anblickte.
Bonav. (fie umarmend.) O ich ſehe — ich ſehe
ſie doch, liebſte Bianca, dieſe Perle, die auf die Er⸗
be fallen ſollte, und hier auf deinen Schleyer fiel. Laß
mich ſie aufkuͤſſen! — Aber was zauderſt du? Reuet
dich vielleicht jetzt erſt, jetzt ſchon dieſe ſchnelle Flucht?
Noch iſt es Zeit zurückzukehren.
Bianca. Nicht zur ückzukehern,, wohlaber
nodzurädzubliden!— Sieh, Bonaventuri, noch
zwey Schritte tiefer hinab, und die Stadt, die mich gebar,
ſchwindet aus meinen Blicken; fhwirder wahrſchein⸗
lich auf ewig, — Bonaventuri! wenn ih mir Den,
den ich Bis jegt Vater nennen durfte, denke, wie
er mit dumpfem Erftaunen die Nachricht meiner under.
greifliden Berfhwindung hört; wie er vergebens nach mir
jeden Winkel feines weiten Gebäudes durchſucht; verge⸗
bens feine Bothen ausſendet; wie er dem Tage, ber
ihm ein ungehörfames Kind gab, und dem, der ihn kin⸗
derlos machte, mit gleichem Schmerze flucht; wenn id)
fein graues ehrwürdiges Haupt ſich ſchnell um viele
Kol tiefer zum Grabe. hinabneigen fehe; — o dann,
dann muß ich wahl zaubern und beben. — (pauſe; mit
Geändertem Tone.) Und doch bebe .ich ohne Grund. —
„Du wirft Mater und Mutter verlaflen, und beinem
„Manne anhangen;” ſo fpriht er ja, ber Ewige,
befien Wort ich ſchon oft verftohlen lad , und dann mit
ernftem Blick auf diefer Stelle haftete, ohne zu ahn⸗
den, baß fie mir bald fo theuer werben würde. — Lebe
wohl, lebe wohl, Venedig! — (Bie gebt einige. Garäüte.
weiter) Sich, Bonaventuri! da entflieht der Iehte
won MB —
Flimmer feiner Thürme! (Indem fie wieder einige os@
zurüd geht.) Vergib mir, Geliebter! ih muß bie
Slimmer noh ein Mahl fehen.— So! ſo — 1
nun fort, tbeurer Gemahl, fort! — Auch Flor
bat der Käufer und Ihürme genug; bat Vater ı
Mutter, und — o ber tröjtenden Wonne!— hat
nen Bonaventuri für mid.
Bier Tage unV Mäckte beachten unfere Lieben
zu, ehe fie Bologna erreihten. — Ihr erfied Na
lager war in einer elenden Dorffhenke, wo man.
nen in einer dunkeln einfamen Kammer eine St
von halb moderigem Stroh anwies.
Bonav. (indem er ſich trausig auf einen wanker
Scqchamel Hinwirft,) Dieß, Dieß alfo der Ruheort ei,
Dame, deren Blut an Adel mit manchem fürftlihen Se
fe wetteifern Eönnte! die hoch am naͤchſten Abend auf
nem Lager .rubte, deffen Werth-vielleicht den We
diefer ganzen Hütte weit überſtieg! — Theure Bian
welch ein Anfang |
Bianca. (täbernd.) Sahſt du denn, Lieber, |
beym Anblick diefer Streu der geringfte Seufzer m
nen Bufen höher als gewöhnlich hob? — Habe ich
fache gu murren, wenn ich mit dem Geliebten mei
Seele gleiches Schickſal theile! — Oder maden |
derdunen und prächtige indifche Decken einen gefünb
Schlaf, als Eörperlihe Bewegung und ein rupi,
Herz t— D wäre nur dieſes Legtere bey mir noch g
fo, wie es feyn follte; vielleicht wetteiferte die R:
dieſer Nacht mis der füßeften meines zeitherigen Lebe
wen© „5 ...s
— Gleichwohl Eine Bitte ‚ theurer Gemabl, gewaͤh⸗
re mir noch, ehe wir zur Nuhe uns legen!
Bonav. Warum bittet meine Bianca, da ſie
befehlen kann?
Bianca, Als ich auf deinen Brief zu dir kam,
Fam ich vol Vertrauen in deine Tugend; denn du hat⸗
teft geihworen, und ich kam als ein bloß verlobtes
Maͤdchen zu einem edlen Züngling. — Aber alt ich
dir meine Hand gab; als ich in dir meinen Gemahl be:
grüßte, da entfagte ich allerdings der Sicherheit mei-
ne Schwurs — — (Mit dem wärmften Tone.) Bonaven⸗
turi, arte mid nicht geringer, weil ich meine and |
che bir eingeffehen will! Aufrichtigkeit ift ja eine T
gend, die ſchwerlich ganz ohne Begleitung im weibl
den Herzen zu wohnen pflegt. — Wenn ich mich jetzt
fo allein an deiner Seite niederlege ‚wenn dein Arm
mich umſchlingt, dein Kuß mich entzückt; dann nur
ein einziges liebevolles, bittendes Wort — und ich —
verzeih, Die jungfräulihe Schamhaftigkeit hat für
gewiffe Sachen Beine Worte. — Kurz, ih würde dann
ganz deine Gattinn; und doch, Lieber, fühle id es,
noch fol. ich Diefe nicht ganz feyn.
Bonav. Nicht ganz, da du mid liebſt? |
Bianca. Hebt Tiebe jedes andere Geboth auf?
Noch haben Eeine heiligen Hände die unfrigen in eins
ander gelegt; nod bat Fein ehrwürdiger Vater siber |
- und gebethet, uns gejegnet; uns, die. wir jeßt des
Segens fo fehr bedürfen! — Zwar find, was
uns gebricht, nur Gebräudhe, und der, welcer Altes
ſieht, fiebt bloß das Harz an. Aber, ad! es gibt
Augenblicke, wo. au unfchuldigere Handlungen Ges
wiſſens zweifel erregen; "die flüchtige, ungehorfame
.... 74 >
To Öter will wenigfiend den Himmel ice .«
fo erzürnen, wie jie leider! ihren Bater erzär
muß. — Verfprih mir ed daber, nicht eher in mid
dringen, bis wir vor dem Altare — biefer Altar
auch, wo er wolle — durch kirchliche Gebräuche
fo verbunden worden find, wie unfere Deren
fyon langit verbanden.
Zwar ließ der junge Mann deutli merken,
viel ihm diefe Selfibezwingung Eofte; und es war
Kampf , über den Bıanca ſelbſt — heimlich nicht gi
te: Doc ſicherte er ihr endlih Alles zu, was fie
langte; und mit einer Freudigkeit, als fey fie
Jugend an gewöhnt, warf fih dann das edle —
wohl zweyfach edle Mädchen neben ihrem Lieb
auf das Lager nieder, und fhflimmerte bad fi
ein, ermübet von der getragenen Laſt des Tages,
deß Bonaventuri's Augenlieder der Schlaf weit f
famer befucdhte.
Aber auch diefe letzte freywillige Enthaltfam
unferer Liebenden bauerte nicht lange, Am vie:
Abend, ald fhon Bologna in der Ferne fihtbar,
ihnen lag, Tangten fie bey Sonnenuntergang in
nem Eleinen Sieden an; und Bonaventuri, der
eriten beiten Wirthehaus, das ihm aufitoße, nur
in Bologna, übernachten wollte, ſah, indem er
einkehrte, einen Geiſtlichen vorbengehen, den er fogt
für einen Geipielen feiner Jugend erkannte, und di
Redlichkeit er trauen durfte,
Natürlich, daß der Gedanke, fi dur ihn
dem Befige Bianca’ zu verfihern „ foglei in ©
on 75 —
penturi's Geiſte aufſtieg; Er folgte dem Prieſter nach;
erneuerte die ehemahlige Freundſchaft; entdeckte ihm
ſeine Flucht mit einer jungen Venetianerinn — deren
Stand er jedoch zur Vorſicht um ein Großes erniedrig⸗
te — Elagte ihm die Gewiſſenhaftigkeit derfelben-, und
bath um feine priefterlihe Einfegnung.: Der Geiftliche
gewährte ihm fein Begehren, und befchieb ihn in eine
nahe Kapelle. Bonaventuri ermangelte nicht, in mer
nig Minuten allda zu. erfheinen. — Als fie jeßt vor
das Altar traten; Bianca ihren Schleyer zurückſchlug,
und fhön, wie ein Engel Gottes — verfchönert noch
dur die Farbe der Scham, und durch den Schein
einiger flanmenden Lampen — vor dem Priefter ftand,
da fingte Diefer merklich bey ihrem Anblick; warf einen
halbneidiſchen Blick auf feinen ‚ehemahligen Jugend⸗
Geſellſchafter, ſchwieg eine halbe Minute lang mit
nachdenkender Ungewißheit, und — erfüllte dann doch
ſein Verſprechen. |
Schon hatte unfer neu verbundenes Paar für
feine Mähmwaltung ihm gebankt; ſchon wollte dasfelbe
fih vom Altare enıfernen, ald der Priefter Bianca
ſchnell bey der Hand ergriff, und durch folgende Frage
in Beſtuͤrzung ſetzte:
„Nur ein Wort no, fhönes junges Weitchen!
Heißen Sie wirklich Roſaura Carini ?”
Bianca. Ich hieß fo, bis jezt. Daß mein Nah⸗
e fi) nunmehr ändert, wiſſen Sie, hodmürdiger
Vater, ja felbit.
Priefter. (gu Bonavensu ) Lieber Pietro , nicht
wahr im Haufe der Salviati Ichteft bu zu Venedig!
Bonav. Allerdings.
Priester. Gacheind. Und lag diefes Sans m
ab vom Pallafte der Capello ?:
Bonav. (Herren): DO ja — ziemlich weit!
Warum Dac? (lürfid.). Unbegreiflicpes Schickſal, w
es moglich? J
Priester (Gedeutend.) Hatteſt bu nicht vielle
in dieſem Pallaſte zuweilen wichtige — ſehr wicht
Geſchaͤfte zu beſorgen?
Bonav. (um ein kiein wenig gefaßter) Nie, |
th mich entfäanne. — Wie kommſt du auch jegt
diefe Srage ? |
Priefter. Schaͤme dich Pietro deines 5H
chelns! Es iſt jetzt zweyfache Sünde, da du nicht |
auf geweibter Stelle, fondern au vor Freundes
gen ſtehſt! Und Sie, reizende, edle Venetianerir
vergeben Sie mir, wenn id, um ihrem neugemor
nen Ehemann nod höhere Schanröthe und ſtaͤrke
Stottern zu erfparen, Sie frey beraus als Bia
Capello begrüße. Zudringlich dürfte vielleicht mie
Verwegenheit Ihnen ſcheinen, doch die Warnur
die ich Shen mitzutbeilen gedenke, wird hoffen:
Alles vergüten.
Bianca, (in äuferker Verlegenheis) Eine Warnu
— Bianca Capello $ — Ehrwärdiger Water, ih ı
fiehe Sie nid !
Driefter. Möge doch der Himmel Shnen ı
mir — bier und an jenem großen Tage, eben fo
wiß Gnade erweifen,, ald Sie mich jetzt, Troß bi:
Ablaugnung, verſtehen! — Wiſſen Sie affe, um
nicht langer mis Umſchweifungen zu verzögern, wi
Eie, reizende Bianca, daß ıch erſt feit zwey Stun
von Bologna zurüdgefommen bin, wo heute Mor
ihre Entweihung ans Venedig die Neuigkeit war, bie
von Haufe zu Hanfe lief , die. jeder Cicisbeo, noch
unfrifire, feiner Dame zu binterbringen eilte. — Gkaubt
ihr denn, arme, bethörte, von Liche geblendete Leut⸗
chen, daß ein fo reicher ,. vornehmer Water feine eine
jige, und zumahl eine. folche. Tochter, fi rauben laſ⸗
fen werde, ohne Himmel, Erde, und — wenn es
möglich it — die Hölle felbft in Bewegung zu brins
gen? Mehr als zwanzig ausgeſchickte Diener fuchen,
euch überall. Ihre Augen , ſchoͤne Capello, Ihre Baare,
Ihr Wuchs „ Ihre Geſichtszüge — jede Miene, jedes
Faͤdchen Ihrer Kleidung find auf das forgfältigfte ber
ſchrieben. Ein hoher Entdedungspreis reist die Aufs
merkfamfeit. von taufend Menfchen; und bloß der un«
mistelbare Schuß bed Himmels muß euch bi jeßt ex«
halten, — mußgerade mich dir, toukühner Juͤngling,
entgegen geſchickt haben, um euch Beyde zu warnen,
und vielleicht auch zu reiten: .. |
Bianca. Wenn ih Eure Hochwuͤrden aber nun
verſichere —
Prieſter. Wie? immer noch? — Zögern Sie,
ich beſchwre Sie, nicht länger ſich mir zu entbeden!
Man würde das Himmelblau von Bianca Tapello’s
Augen, ihre fchön geformte Stirne, ihres Mundes
reizvolle Form nicht fo einitimmig durch halb Ita⸗
lien preiſen, wenn die Augen, Stirn und Mund,
bie id jegt vor mir fehe, einer andern Venetianerinn
als ihr zugehörten.
Und wenn ein Frauenzimmer auf nichts ſich ver⸗
räth, fo geſchieht es doch alsdann, wann' man ihr
von 72 vos.
Flimmer feiner Thürme! (Indem fie wieder einige Sar
zurüd geht.) Bergib mir, Geliebter! ih muß die
Flimmer noch ein Mahl fehen. — So! ſo! — U
nun fort, tbeurer Gemahl, fort! — Auch Flor
bat der Häufer und Thürme genug; hat Water u
Mutter, und — o ber tröjtenden Wonne!— hat
nen Bonaventuri für mid.
Bier Tage uny Nächte brachten unfere Liebent
zu, ebe fie Bologna erreichten. — Ihr erftes Nat
lager war in einer elenden Dorffchenfe, wo man-
nen in einer dunkeln einfamen Kammer eine Sti
von halb moderigem Stroh anwies.
Bonav. (indem er fi trausig auf einen wanken
Schamel Jinwirft,) Dieß, Dieß alfo der Ruheort eir
Dame, deren Blut an Adel mit manchem fürſtlichen Ha
fe wetteifern Eonnte! die hod am nächiten Abend auf
nem Lager .rubte, deffen Werth-vielleicht den We
diefer ganzen Hütte weit überſtieg! — Theure Bian
wel ein Anfang |
Bianca, (täsermd.) Sahſt du denn, Lieber, k
beym Anblick diefer Streu der geringfte Seufzer m
nen Bufen höher als gewöhnlich hob? — Habe ich I
ſache zu murren, wenn ih mit dem Geliebten mei
Seele gleiches Schickſal theile! — Dder maden (
derdunen und prächtige indifche Decken einen gefünb:
Schlaf, als Eörperlihe Bewegung und ein ruhic
Herz? — D wäre nur diefed Legtere bey mir noch ge
fo, wie es feyn follte; vielleicht wetteiferte die Re
Diefer Nacht mis der füßeften meines zeitherigen Leben
wen® 73 —X
— Gleichwohl Eine Bitte ‚ theurer Gemahl, gewaͤh ⸗
re mir noch, ehe wir zur Ruhe und Tegen!
Bonav. Warum b ittet meine Bianca, da fie
"befehlen kann ?
Bianca. Als ih auf deinen Brief zu dir Fam,
Fam ich voll Vertrauen in deine Tugend; denn du hat:
teft gefhworen, und ich kam als ein bloß verlobtes
Mädchen zu einem edlen Süngling. — Aber alt ich
dir meine Hand gab: als ich in dir meinen Gemahl be:
grüßte, da entfagte ich allerdings der Sicherheit mei-
nes Schwurs — — (Mit dem wärmften Tone.) Bonaven⸗
turi, achte mich nicht geringer, weil ih meine Eichwär .
che bir eingeffehen will! Aufrichtigkeit ift ja eine Tur
gend, die fehwerli ganz ohne Begleitung im weiblir
den Herzen zu wohnen pflege. — Wenn ich mic) jetzt
ſo allein an deiner Seite niederlege, wenn dein Arm
mich umſchlingt, dein Kuß mich entzuͤckt; dann nur
ein einziges liebevolles, bittendes Wort — uud id —
verzeih, Die jungfräufihe Schamhaftigkeit hat für
gewiffe Sachen feine Worte. — Kurz , id würde dann
ganz deine Gattinn; und doch, Lieber, fühle ih es,
noch fol ich Diefe nicht ganz feyn.
Bonav. Nicht ganz, da du mid fiebftt |
Bianca. Hebt Tiebe jedes andere Geboth auf?
Noch Haben Eeine heiligen Hände die unſrigen in eine
ander gelegt; noch hat Fein ehrwuͤrdiger Vater siber |
- and gebethet, uns gefegnet; uns, die. wir jetzt des
Segens fo fehr bedürfen! — Zwar find, was
und gebricht, nur Gebräuche, und der, welcder Altes
ſieht, fiebt bloß das Harz an. Aber, ad! es gibt
Augenblicke, wo auch unfhuldigere Handlungen Ge⸗
wiſſens zweifel grregen; die flüchtige, ungehorſame
zo Öter will wenigſtens den Himmel nie -q
fo erzürnen, mie fie leider! ihren Vater erzürr
muß. — Verſprich mir ed baber, nicht eher in mich
dringen, bis wir vor dem Altare — bdiefer Altar
auch, wo er wolle — durch Eirhliche Gebräuche e
fo verbunden worden find, wie unfere Herzen
ſchon langit verbanven.
Zwar ließ der funge Mann deutlich merken,
viel ihm biefe Selſtbezwingung Eofte; und e6 war
Kampf, über den Bianca ſelbſt — heimlich nicht zi
te! Doc) ſicherte er ihe endlich Alles zu, was fie ı
langte; und mit einer Freudigkeit, als fey fie
Jugend an gewöhnt, warf fi dann das edle —
wobl zweyfach edle Mädchen neben ihrem Lieb!
auf das Lager nieder, und ſchkuͤmmerte bald fı
ein, ermübet von der getragenen Laſt des Tages,
dep Bonaventuri's "Augenlieder der Schlaf weit fi
famer befuchte.
Aber auch diefe letzte freywillige Enthaltſam
unſerer Liebenden dauerte nicht lange. Am vier
Abend, als ſchon Bologna in der Ferne ſichtbar,
ihnen lag, langten ſie bey Sonnenuntergang in
nem kleinen Flecken an; und Bonaventuri, der
erſten beiten Wirthehaus, das ihm aufſtobe, nur:
in Bologna, übernachten wollte, ſah, indem er
einkehrte, einen Beiitlihen vorbeygehen, den er fogl
für einen Befpielen feiner Jugend erkannte, und bi
Redlichkeit er trauen durfte,
Natürlich, daß ter Gedanke, ſich durch ihr
dem Befige Bianca's zu verfibern „ fogleid in &
mon 75 —
penturi's Geiſte aufſtieg; Er folgte dem Prieſter nach;
erneuerte die ehemahlige Freundſchaft; entdeckte ihm
ſeine Flucht mit einer jungen Venetianerinn — deren
Stand er jedoch zur Vorſicht um ein Großes erniedrig⸗
te — klagte ihm die Gewiſſenhaftigkeit derſelben, und
bath um ſeine prieſterliche Einſegnung. Der Geiſtliche
gewaͤhrte ihm ſein Begehren, und beſchied ihn in eine
nahe Kapelle. Bonaventuri ermangelte nicht, in wer
nig Minuten allda zu. erfcheinen. — Als fie jetzt vor
das Altar traten; Bianca ihren Schleyer zurückſchlug,
und ſchön, wie ein Engel Gottes — verſchönert noch
durch die Farbe der Scham, und durch den Schein
einiger flammenden Lampen — vor dem Prieſter ſtand,
da ſtutzte Dieſer merklich bey ihrem Anblick; warf einen
halbneidiſchen Blick auf ſeinen ehemahligen Jugend⸗
Geſellſchafter, ſchwieg eine halbe Minute lang mit
nachdenkender Ungewißheit, und — erfüllte dann doch
ſein Verſprechen. |
Schon hatte unfer neu verbundene Paar für
feine Mühwaltung ihm gebankt; ſchon wollte dasfelbe
fih vom Altare enıfernen, als ber Priefter Bianca
f nel bey der Hand ergriff, und durch folgende Frage
in Beſtuͤrzung ſetzte:
„Nur ein Wort noch, ſchoͤnes junges Weitgen!
Heißen Sie wirklich Roſaura Carini ?”
Bianca. Ich hieß fo, bis jetzt. Daß mein Nah⸗
me fi) nunmehr ändert, wiſſen Sie, hochwuͤrdiger
Vater, ja felbft.
Priefter. (m Bonavensusi ) Lieber Pietro , nicht
wahr im Haufe der Salviati Ichteft bu zu Venedig!
Bonav. Allerdingäes.
Prieiter. Gadeind.) Und lag dieſes Haus ve
ab vom Pallaſte der Capello ?-
Bonav. Getreten.) DO ja — ziemlich weit!
Barum Dac? (für ſich.) Unbegreifliches Schickſal, w
es moͤglich? Ze
Prieſter Gedeutend.) Hatteſt bu nicht viellei
in diefem Pallafte zuweilen wichtige — fehr wicht
Geſchaͤfte zu beſorgen?
Bonav. (um ein kiein wenig gefaßter) Nie, t
th mich entfänne. — Wie kommſt du auch jept
diefe Frage?
Priefter. Schaͤme dich Pietro ‚ deines 9
chelns! Es ift jetzt zweyfache Sünde, da du nicht ı
auf geweihter. Stelle, fondern aud vor Freundes ?
gen ftehft! Und Sie, reizende, edle Venetianerin
vergeben Sie mir, wenn ih, um ihrem neugemor!
nen Ehemann nod höhere. Schamröthe. und ftärke:
Stottern zu erfparen, Sie frey heraus als. Biar
Capello begrüße. Zudringlicd dürfte vielleiht me
Verwegenheit Ihnen fcheinen, doch die Warnun
die ich Ihnen mitzutheilen gedenke, wird boffent!
Alles vergüten.
Bianca. (in äußerfer Verlegenheis) Eine Warnun
— Bianca Capello $ — Ehrwürdiger Vater, ih v
fiehe Sie nicht !
Driefter. Möge doch der Himmel Shen u
mir — bier und an jenem großen Tage, eben fo
wiß Gnade erweifen , ald Sie mich jeßt, Trotz die
Abläugnung, verftehen! — Willen Sie alfe, umı
niht langer mit Umfchweifungen zu verzögern, wil
Eie, reizende Bianca , daß ich erſt feit zwey Stun!
von Bologna zurüdgelommen bin, wo heute Mor;
ihre Entweihung aus Venedig die Neuigkeit war, bie
von Haufe zu Hauſe lief , die. jeder Cicisbeo, noch
unfrifire, feiner Dame zu binterbringen eilte. — Glaubt
ihr denn, arme, bethörte, von Liebe geblendete Leut⸗
den, daf ein fo reicher, ,. vornehmer Vater feine eine
jige, und zumahl eine. folde. Tochter, fich rauben laſ⸗
fon werde, ohne Himmel, Erde, und — wenn: e6
möglich iſt — die Hölle felbft in Bewegung zu brins
gen? Mehr als zwanzig ausgeſchickte Diener fuchen,
euch überall. Ihre Augen , ſchoͤne Capello, Ihre Haare,
pr Wuchs „ Ihre Geſichtszüge — jede Miene, jedes
Fadchen Ihrer Kleidung find auf das forgfältigfte ber
ſchrieben. Ein hoher Entdedungspreis reist die Aufs
merkſamleit von taufend Menfcyen; und bloß der uns
mittelbare Schuß des Himmels muß euch his‘ ießt era
halten, — muß gerade mich dir, toilkühner Jüngling,
entgegen geſchickt haben, um euch Beyde zu warnen,
und vielleicht auch zu retten:
Bianca. Wenn ih Eure Hochwuͤrden aber nun
verſichere —
Prieſter. Wie? immer noch? — Zoͤgern Sie,
ich befchwäre Sie, nicht Tänger ſich mir zu entdecken!
Man würde dad Himmelblau von Bianca Tapello’s
Augen, ihre fchön geformte Stirne, ihres Mundes
reizvolle Form nicht fo einitimmig durch halb Ita⸗
lien preiſen, wenn die Augen, Stirn und Mund,’
bie ich jegt dor mir febe, einer andern Venetianerinn
als ihr augehörten.
Und wenn ein Frauenzimmer auf nichts ſich ver⸗
räth, fo geſchieht es doch alsdann, wann' man ihr
J
on HB on u
unvermutbet eine Schmeicheley ſagt. Auch Bihr
Eonnte fi nun nicht länger verftellen; fie blickten
ſchlüſſig ihren Gatten an, und da er ihr Vollmacht
geben fchien, nah Willkür zu handeln, fo entber
fie dem Pater ihre ganze Geſchichte, und fand keit
Grund ed zu bereuen. Denn durch ihn erhielt fie’
anderes Gewand, das ihren Stand minder verrie
: und eine Farbe, die ihre Haare und Augbraur
veränderte. Auch Bonaventuri verfchaffte er and
Kleider, und ertheilte ihm fo gute Maßregeln
Vorſicht, daß fie Beyde den folgenden Tag unerfaı
in Bologna eintrafen und eben fo wieder wegging
. Bologna wird, wie man weiß, von dem florı
tinifhen Gebiethe dur die höhen Apenninen |
ſchieden; ein ſteiles rauhes Gebirge, wo aud |
gewöhnlichen Wege vol Befchwerlichkeiten u
Gefahren find. Aber felbft auf diefe gemöhnlicden Wi
wagten unfere Liebende fih nicht, aus Furt ı
nachgeſchickten Ausfpabern; fie wandten fih red
Hand, und verſuchten es, den gefährlichen Fußſt
hißanzuklemmen, der über die fteilften Klippen n
Piſtoja führt.
Hier, wo Feld auf Feld ſich thürmte; wo
beynahe Eein menihliher Fußtritt fihebar war; ı
überdieß gerade damahls ein anhaitender Regen f
immer ın undurdfichtigen Nebel fie verhüllte, il
Kleider durchnäßte, ihre Körper erkältete, ihren M
verinlimmerte ; wo Hunger und Elend von je
Seite ıhnen drohte, bier ohne Wegweifer, Geld ı
Kräfte, — unglüdlihe Bianca, wie groß mul
beine Seele feyn, daß du niche ganz erlagft!
we. 0 wa
Pſlanzen, Warzen und einige herbe Beeren wa⸗
ten ihre Speife; und die Erde des Nachts ihr Bert,
und der Himmel ihr Dad. Der harse Boden harte
fait ganz ihre Schuhe vernichtet ; fie warf fie ger
laffen weg, und Bonaventuri fah mit der Empfindung\
eines für Menſchenzungen unausſprechdaren Jammers
ihre lilienweißen Süße von Dornen und Geſträuchern
zerriſſen; ſah, daß fie blutige Merkmahle auf jedem
betretenen Steine zurück ließ, und daß endlich die äus-
herſte Müdigkeit und Eörperlihe Schmerzen ihr kaum,
fo fehr fie fih zwang, noch fortzumandern erlaubten.
In diefer hoͤchſten Noth erblickte er endlich nicht
weit von ſich, in einem kleinen Thale, gelehng an ein
ungehenrds Felſenſtuck, einen jungen Hirten ſtehen,
der ſorgenfrey ſein Liedchen brummte, indeß ſeine we⸗
nigen Ziegen hier und da am Abhange weideten. —
Eine himmliſche Erſcheinung hätte nicht kräftiger ihn
entzücken können. Mit einigen raſchen Sätzen ſchwang
er ſich von den Felſen herab, flog auf ihn zu, und
rief ſchon von Weiten:
O mein Freund, wie unbeſchreiblich erfreues
bin ih, in dieſer Wildniß endlich einen Menſchen zu
finden, und zwar einen, dem ich's anfehe, daß er
auch menichli denken wird!
H irt Giemiuich gleihgäteig.) Haha! gewiß detirer?
Bonan. Ja wohl, und noch mehr als Das! Dicht
An den Rund des Werderbens gerathen,
. Dirt. Es thus mir leid. Ihr fepd freylich ſtark
ſeitabwärts gefommen. Wenn meine Ziegen nicht wären,
wollte ih Euch herzlidy gern den rechten Weg zeigen.
Bonav. Ad, das wirft du gewiß , auch une
geachtet deiner Ziegen. |
wen BO wu
Hirt. Nein, wahrlich nicht! bie. kann ih
möglich im Stiche laſſen; denn fie nehmen gar zu le
Schaden.
Bonav. Doch darf ich nur etwas dich frag
und du wirft dann gewiß noch mehr für uns thun.
Hirt. Nu! und was wäre denn Das}
Bonav. Sage mir einmdhl aufrihtig, gu
Süngling, haft du niemahls geliebt?
Hirt. Senun, id dähte, man fühe mir’s b
wohl an, daß ich meine volle zwanzig Jahr alt 6
und mein Nachbar Jeronimo hat drey bligfhme
Mädchen. -
Bonav. Das freuet mid. — Wohlen daı
Sreund, wenn du, wie du felbft geftanden, jema
empfunden haft, was zärtlihe Liebe fey, fo erbar
dich meiner unglücklichen Gattinn, bie ic) dort ol
bingefunfen verlaſſen mußte, und bie, wie bu fei
fehen wirft, unvermögend ift, diefes jähe Bebirge
erfteigen. — Piftoja kann nicht fern mehr feyn; dal
gedenken wir. Du Eennft gewiß den nachſten We
hilf mir fie auf denfelben fhaffen! und richt nur un
feurigiter Dank, nit nur der Segen des Himme
der jede gute That vergilt, fondern auch ih felbft u
dich aus meiner Eleinen Barfhaft fo belohnen, t
dich Schweiß, Mühe und Verfüaumniß nicht gereuen fü
Hirt. Hm! das feste läßt ſich allerdings hör:
— Wo ift denn Euer müdes Schätzchen?
Bonav. (Hinaufzeigend.) Siehſt du fie nicht di
oben? — Komm mit zu ihr! (Gie ſteigen hinauf.)
Bıanca. Lieber Fremdling, haft du Mitleit
bey unfern Bitten, und Rath für unfere Noth?
Hirt.
Yessa 8ı ver
Hirt. (oerwunderungsvalt.) Heilige Mutter Dia
tia! — da muß man wohl Mitleid haben, wenn fo
ein niedlich Weibchen unfer Einen bittet! — (Zum Bo⸗
naveneuri.) Du haſt mir vorhin ein. Langes und ein
Breites vorgefhwagt; die Mühe ‚hättet du erfparen
Eönnen, wenn du, flatt alle dem Wirrwarr , mit
gleich die Fraubild gewiefen hätteft.
Bıanca Dein Mitleid alfo hätte ih. —
Wie wird’s ader noch um die Hülfe ſtehen?
Hirs. Se, dafür wird wohl auch noch Rath
werden ! Der Weg, auf dem ihr euch befindet, iſt
freylich weiterhin kaum für Maulthiere gangbar, und
eure zarten, jebt fhon wund gelaufenen Füßchen waͤ⸗
ren auf ihm fo gut als geliefert. — Alles, mas ih
euch alfo hierbey anbiethen kann, ift, euchauf eben die
Art aufzubhuden und fortzubelfen, wie wir’; mit uns
fern Kranfen machen, wenn wir fie in's Bad nad Pos
retta, daß Enapp drey Stunden von hier liegt, brins
gen. Ich habe fo einen Traͤgſeſſel; meine Schultern find
ſchon mehrmahls dabey gewefen, und id, feldft bin de
veit, euren Zrager abzugeben.
Bianca. Braver, vortreffliher junger ann!
Bonav. (ihn umarmend.) Unfer Schugengel! .
Hire Na, nul Mache nur nicht des Lärmens
fo gewaltig viel. Man müßte ja wohl ein rechter Bar
ſeyn, wenn man euch bier fo Tiegen und verſchmachten
laſſen wollte! (Hab bey Bette.) Zumahl, da ſie: meine
Mühe nicht ganz umſonſt verlangen!
Der Hirt, indem er dieß noch halblaut brummte,
lief ſchnell zu feiner Hütte, die unweit davon im näch⸗
Meißners Bianca Sap. 1. Tb. .
wen 82 rw
fien Diefigt lag; Fam bald darauf mit feiner Schr
fier, einem noch jüngern bräunlichen Mädchen,
den ſchlank gewachſenen Bonaventuri mit ziemlid
Wohlgefallen anftarrte, zurüd; übergab diefer fe
Herde mit der Einfhärfung, ja nicht indeß zu ı
und zu lederhaft mit den jungen Mannskerlen in
Nachbarſchoft zu fohakern, und etwa darüber gar
ner Ziegen zu vergejlen; zeigte Bianca feinen Tr
ſeſſel; rühmre deflen Bequemlichkeit, und redete
zu, fi nur getroft hinein zu ſetzen.
Indem fie Dieb that‘, befhwur ihn Vonavent
mit einer Angſt, die beynahe in Übertreibung gefal
wäre, zur möglihiten Vorſicht.
Der Much, oder vielmehr die Verwegenheit
fer Bergbewohner,, fpra er, iſt durch ganz Sta
berufen; und audy du, lieber Hirt, fcheinft mir-
dem Worte Gefahr wenig oder gar Ecinen Bes
zu haben. Aber mit Ihränen bitte ich, beſchwöre
dich, lieber zu furchtſam, ald zu Eühn zu feyn.
Sollten uns Abgründe aufftoßen,, jo wage Dich jan
allzn dreiit hinein.
Hirt (achend.) Ein guter Rath! Und was d
fonft machen? Warren vielleicht , bis die Kluft
wächit !
Bonav. Fühlloſer, der bu jegt meiner fpo
kannt! — Sie umgehen, und wenn es Zagere
erforderten. Bedenke wenigitend, daß deine Bı
die edelſte We — (er ſtodt deſtürzt ein Paar Gecur
und fünee dann fore:) das ſchönſte Weib in ganz Me
land fep.
Hirt. Nu, nu! Möglich wäre Das wohl;
boch ließe ſich Das noch vergeilen, ba ıd fie mut
⸗
des Fortſchreitens nicht fehen kann. Aber fen nur ge⸗
troft, du Furchtſamer! Ich will noch etwas bedenken,
was fi) nicht fo leicht vergeflen laͤßt; — die Gefahr
meines eigenen Halſes. Er iſt nicht der ſchoͤnſte in ganz
Welſchland; aber er ift mir dech herzlich lieb, denn es
ift mein Einziger. |
Der Zug ging nun fort. Ooſchon, wie ihr Küßs
rer vorher gefagt hatte, das Steigen mit jedem neuen
Schritte auch immer mähjamer ward , jo ſah tech
Bonaventuri's zagender Blick mehr auf den voranges
benden Hirten , ald auf feinen Weg; und fie erflie:
gen nad) wenigen Stunden den Gipfel des Berges.
Wer da behauptet, daf es durchgängig bergab
befler ald bergam gehe, ‚der hat ficher gewiſſe Berge, -
und wenigitens den Apennin nie geftiegen. Bonaven⸗
turis Todesangſt vervielfältigre ſich jetzt, als er auf
der fo ſehnlich gewunſchten Spitze ſtand. Gleich ‚einer
abgeſchnittenen Wand ſchießt hier das Gebirge in ein
Thal herab, bey deſſen Abgrund die Augen ſchier ver⸗
blinden. Ein niedergelaſſenes Senkbley faͤnde hier Lei⸗
nen Anſtoß. Durch das Thal ſelbſt brauſt ein Bach,
der Urſprung des fogenannten kleinen Rbheins *), mit
fürchterlichem Getoͤſe. Ein jedes Ohr, das ihn dort
unten in ber Nähe zu hören befommt, ftarrt betäubs
und hört zu viel, um irßend etwas Beſtimmtes
) Der Meine, Rhein if einer der fhädlihfien , verwüſtend⸗
Ben Stroͤme in gan) Europa; er verliert ſich endlich in
Ben flachen Gefilden Bononiens, ohne einen ordentlichen
Auttano zu finden.
own BA wen
bören zu können; fo mannigfaltig bricht er feine ı
thenden Gewäſſer an den hier und da ihm en:
genitebenden Klippen; und fo reich an Fällen ift
Boden, über den er binrollt. Aber doch, Troß fei
Braufens, it das Thal viel zu tief, als daß man o
das Eleinfte Geräufch des Stroms vernähme; nur
Mühe erblidt man den weißen Schaum, ber |
bier aus zu ſchleichen fheint, da er doch unten pf
ſchnell dahin ſchießt.
Schief quer hinab ſchlingt ſich ein einziger ihm
ler Steig; doch auch ihn hatte jet ein Kegenguß y
Gen Theils zerriffen und hinweggefpült. Zwar hat
tie Hirten der daſigen Gegend , denen diefer %
unentbehrlih war, in das fchlüpfrige weiche Erde
tiefe Tritte von der Größe eines Menfchenfußes
gegraben ; aber fie blieben, Trotz ihrer Tiefe, bi
unficher ; blieben die fürchterlichite Treppe , die je
menfchlicher Wagehals ſich zu befteigen erkühnen &
Jene kühnen franzofifhen Luftdurdjegler *) dä
fiher hier gezaudert, und vielleicht die Unvergeß
keit Preis gegeden, auf die fie jet fo fihern Anſp
mathen dürfen.
tun zum eriten Maple bebte Bonaventuri für
ſelbſt, als er dinabzuklimmen begann. — Aber, Mi
des Himmels, wie ward ihm vollends dann zu Mu
als er den Hirten ausglitſchen und auf's Anie fa
fah! Aus feinen glühenden Wangen wid) kligfchnel
der Bluröteopfen; Kalte, gleich jener legten Kälte
*) Edarles und Robert, die gerade damabls, ald B
Capello zuerſt erſchier, die Bewunderung von gan
ropa auf ſich zogen.
ar 85 vvov
menſchlichen Erſtarrens im Tode, ergoß ſich durch ſei⸗
nen ganzen Körper; er wollte ſchreyen, aber ſeine
Stimme erſtarb, und ſeine Angſt war ſo heftig, daß
fie ihm ſelbſt die Kraft zum kleinſten Laute raubte.
Doch über Bianca's Leben, zu größern Schick⸗
ſalen beſtimmt, waltete jetzt ein günſtiger Schutzgeiſt.
Mit bewundernswürdiger Geſchicklichkeit verlor auch im
Ausgleiten der Hirt das Gleichgewicht nicht ; ſein Fuß
gewann noch abgeriffenes Erdreich genug, ehe er bis zum
äufieriten Rand des jaͤhen Abfchuffes fortgeglitfeht war;
er erhob ſich raſch wieder, und endete dann unbefchäe
digt dicfen gefährlihen Steig, der ſich unten, feit-
waͤrts von jenem wiederhallenden Thale, mit einer Eleis
nen Wieſe ſchloß.
Als Bonaventurt hier bald nah ihnen ankam,
fand er feine Geliebte mitten unter Blumen figen,
wovon fie die ſchönſten brach, foldye in einen Strauß
zufammenband, und auf ihrem heiter dabey laͤchelnden
Geſichte auch nicht die Heinjte Spur der Surcht mehr
blicten ließ.
Bonav. lauf fie zurilend, ergreift ihre Hand.) Meine
Xheure, meine Einzige! gefhenit mir duch Wunder,
und jest auch durch ein Wunder erhalten! Wie if
dir Kepıt.
Bianca. Wohl; denn du fiehft, daß ich tändle;
und ratbe einmahl, für wer! (Sie Hierher ihm die Blu⸗
wen dar.)
Bonav. Dank, Tiebe Bianca, Dank! Aber
wie war dir bey dieſem ſchrecklichen Hinahitsigen zu
Mutpe ?
Bianca (lädelnd.) So, daß ich freylich dieſen
Muth nicht oft wieder zu bewähren wünfhe. Mit feft
e⸗
on BG ww
zugeſchloſſenen Augen war ich mir alle Augenblicke
Hinunterftürgens ın diefen fürchterlihen Abgrund
wärtig; wußte, daß dann mein Körner an jenen F
fen ın taufend Stücken zerfchmettert werden, und m
Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen
Tage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln
Kimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen.
Bonav. Heldinn! und ald dein Träger ausglt
Bianca Was follte ich fonft denken, als
der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih num wirklich e
ſtelle? Und doch, aufrichtig geftanden, lieder Bo
venturi, war diefer fohft fo graufende Beſuch mir m
der durch fich feldft, als dur den Gedanken fehr:
lich, daß er von dir mich fheide. — (Misvem 5
Aöyften Tone.) Scheiden von dir? — Böfer, Mann! w
che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in die, 1
mir deine Trennung fo zabllos qualvodler, als al
übrige Schredniß der Natur dünkt? — Zumahl jeg
da ih nur zu ſehr beforgte, dieſes Scheiden dür
Echeiden auf immer ſeyn.
Bonav. Scheiden auf immer ! Warum Das
Bianca. Und wie? Wenn ich vielleicht be
eriten Wiederbefinnen der erwachenden Seele die Ne
richt vernommen hätte, Daß du, zu treu wur, mir ne
eilen wollen; daß du den Poiten verlaffen habeft, I
die Vorfiht uns anwies, daß du mir nachgeftürzt fer
in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi
Kluft uns trenne?
Bonuv. Bianca, liebes fhwärmerifches Be
chen! ſprichſt du doch ernſthafter und weiſer, als
sin Prieſter ſprach! — Dir nachzufolgen, dich n
Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen
— BI —
Auge eines Gottes ſeyn, der dieſe endloſe Liebe
mir gab?
Bianca. Ja mohl endlas ; auch auf meiner
Seite! Aber eben deßhalb wünſchte ih, daß fie auch
dore daure, und auch dort noch befohnt würde. (Ihm
umarmen.) Mann! und wenn ich Metpufalems Alter
erreichte, ich würde ipn ja doch nicht austrinken, den
tiefen Becher der Liebe, womit ich ich liebe.
Bonap. (freudig) Nicht? Nicht ? O fo fen ſicher,
daß für den meinigen die Ewigkeit ſelbſt nit zureicht!
Dieſes Geſpraͤch — wovon das fondersarfte der
Umftand if, daß es der Hochzeit nahfolgte, da
bey andern Menſchenkindern fonft dergleichen Betheue⸗
zungen ihr bloß vorberzugehen pflegen — warb
durch die Zwiſchenkunft des Hirten unterbrochen, ber
feitwärts feinen Durſt bey ei
und jie nun zum Aufbruch
lich feine Ziegen fo lange
als / ein Mädchen fey, an
ten ihm, und erreichten in
— EB —
langen; warb von den Küffen feiner Mutter faſt
ſtickt, und von Beyden mit Bragen und Zärtlidl
überhäuft.
Eine ſchoͤne Scene in der Bietfigkit ſelbſt! D
da Scenen dieſer Arc fi ſchon in fo manchen Sch
ſpielen finden, fo ſtehe hier nur das Ende von der
genwärtigen.
Vater. Dank! Dank dem Gott, der mei
mattgelebten Augen, noch ehe fie fich ganz verbunke
die größte unter allen menſchlichen Freuden, den I
oͤlick meines Sohnes, wiederſchenkt! — (Au feiner de⸗
Mutter, wenn ic) einft ſterde, und ber Tod mir fa
werden follte, dann erinnere mid) an diefe Minu
und ihr Andenken wird feine Herbe mil! —
wird Bianes geipabr, die mod is jet unbamertt amd
.) Aber wer, licher Piet
itgebradit hat, und die
top nicht einmahl wahr
ben Sie mir, unbekan
— 9
Bonav. (deiter lacheind.) Ich verſtehe Euch, meine
theuere Ältern, verftehe biefe abgebrochenen Worte und
Das, was Ihr ihnen abbrecht. — (Indem er den Salever
aufdedt.) Ab-r feht her und entſcheidet, ob ich bey dies
ten Reizen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo
fange verziehen konnte, bis ed dem Glücke gefiel, feine
Ungereptigfeiten gegen uns zu verbeffern ?
Bianca (Bepder Hände mit Warme ergreifend und
tüend.) O mein Vater! — o meine Mutter! noch nie
von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie
unendlich theuer, empfangt eure gehorfame Tochter,
empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliehten
nicht mit Unwillen !
Mutter (fr umarwend.) Großer Gott! wer könnte
wohl den fühlen; bey dieſem Reiz und biefem Ton
der Unfhuld$ — Du haft die Beredfamkeit eines
Monchs, ohne feine Weitläuftigkeit
Vater. Sey mir geküßt
terliebe! — — (Si mit ©
erkenne ih dad Blut der B ie waren
zwar arm, von jeher arm; ab) jeher ſchon
gewohnt, nur am Buſen fü
nur für ein reizendes Weibchen ib, Herz und
Hand hinzugeben. — Selbſt mein altes, nun
graugewordenes Mütterden inſt berühmte
Schönheit. Ihre Wangen fta
Tochter, an Blüthe und Rei
mancher Graf und Mardeje, d
nen man zuräd gewiefen hatte ‚|
die Freuden der Brautnacht, als ferhörten, daß die
ſchöne Jolantha Cornari die Meinige geworben fa
⸗ ww. 90 AA
Mutter. Mas du nun da wieder tinmahl ſchr
tzeſt! So ſchäme did, doh, Mann!
Vater Gaqelnd) Und fo ziere dih doch, lie
Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem ne:
jıgiten Jahre *) gar zu gern loben ließet; ald wi
es Bir jege nocdy unangenehm wäre, wenn ich jezun
len verjihere, daß deine Augen kohlſchwarz und f
kelnd find. Wahrlich, ich müßte doch fehr vergeß
ſeyn, wenn ich es vergaße, daß euer ganzes Gefchle
Eitelfest und Lobeserhebung nod weit über Nahrı
und Wopfftand fegt. — Aber es fey darum. Kurz, li
Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz
Reiz deiner würdig, und du wirit ihr, hoffe ich, a
dafür an ehelicher Tugend gleiden.
Bianca. Wenigftens werde ihhmid ein fo et
Mufter nachzuahmen beſtreben.
Vater. Das verforicht mir dein Auge; und ı
erzähle mir auch, wein Sohn: wie biſt du fo fhnell
fo haftig in den Orden des Glücks und Elen
der Nahrung@leieige and der Hörner eingetreten
Wer warft buch, Tochter, ehe du meine Tod
wurdeit?
Bianca. pen Vater, Michael Albani, ı
ein begüterter A" in Venedig. Pietro, de
a, wie manchmahl der Bcheifek
in wird! — Aus diefee Stelle Bi
BB: ade Ginige, und zwar fogar Welch
» Mbmaventuri’6 Mutter fen ſelbſt neun
* alt geweſen, und haben mir bewieſen, daß Dieß ı
angehe; weil dann Pretro Bonaventuri [dom funſzig
alt feon, aber. ich eine Art won Iſaals Gebure anneb
mäft.
"008 9 Zn 77770
Herr mie und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt,
und fand Mittel, mein Herz zu geroinnen, aber‘
feider! zur Einwilligung meines Vat ers fand er eine;
denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg noch feinen
Reichthum bey Weitem. — Nur eine Tugend hatte
er, die Öeizige fonft felten zu haben pflegen ; er war.
eintreuer Freund; und doch, — fonderbar genug,
— war es vorzüglich diefe einzige Tugend, bie ihn um
feinen mühſam erworbenen Moplftand brachte. Als
Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver⸗
fit auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗
Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein
baltes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nadricht,
daß ein gefcheitertes Schiff ihn um. die andere Shalfte
beinge, und ftarb am Dritten. — (Gtodend.) Muthet es
der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder
Gram.
Water. Armes Mädchen! BR
Mutter (ein Kung d
nius bitte für ihm! J *
Bonav. (teiſe für na.) H Miällen Vorz üͤ⸗
gen, die jemahls ihr Geſchlech? Befaß ‚ boch wenig»
ſtens auch einen feinee Fehler! Sie weiß Erdichs
tung zu erzählen, als 06'$ die beifigfte Wahrheit wäre,
Bianca. Kaum war er todt, ald ih Bonaven⸗
turi rufen ließ. Meine Sorge für tler Fiebe wuchs
durch dieſen Fall, ſtatt daß fie ſich ¶ —— Follte; denn
ich fiel nun in die Gewalt eines hari Wheims, deſſen
Sohn mid ſchon laͤngſt mit feiner wörigen Neigung
gequaͤlt hatte. Ihr mußte ich jetzt entgehen, oder ich
vermochte es nie. — Mein Geliebter erſchien. „Theu⸗
„ter, ſprach ih, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für
ellige Anto⸗
„ ns 923 ww...
„mich empfunden halt, fo beweife es jege! Ich Ein
„reit, mit dir zu fliehen; aber wiſſe, fo wie id ı
»dir ſtebe, fiebft du auch meine ganze Habe. M
„Vater —“ Hier erzählte ich ihm alles, was ih er
fo eben erzähle habe ; und ber brave junge Mann fi
ald ich endere, zu meinen Füßen, ſchwur mir ew
Treue, und entflob mit mir. — — Verzeidt, verze
ihm, wenn er Unrecht that! Ich bin’s, die ihn v
leitete.
Vater (gerüpre) Er that, was er thun fol
— Ich erfennte ihn für meinen Sohn nicht mehr, wi
er anders gehandelt hatte.
Mutter. Du bit unfere liebe Toter. M
möütterliher Segen ruhe auf dir! Aber rimm a
meine Bedaurung! Dein Vater war reih, uud |
bey uns, wohin du blickſt, it Elend und Mangel.
Mater (etwas unwilig) Mangel? Mutter ,
weißt ja, ich hab's nich gern, wenn man Wahr!
durch übertreindag zur Unwahrheit macht.
Nenne mir den Müttag, den wir gezwungen faſtet
Oder den Abend, un welchen der Schlaf und hun:
uberrafıhte !
Mutter. Das nicht. Aber auch Sättigung
bloß trockenem Brode iſt Demjenigen halber Hung
der an Braten und 4 Wein ſich gemohnt hat.
Biansa.Sehr richtig vielleicht bey man d
Denkungsart, über nicht bey der meinigen!
Nennt miepagufiebte AÄltern, irgend eine Beſche
gung, und febt, obich mich ihrer ſchaͤme, ſobald fie e
bar iſt! Habt ihe bisher von ber Arbeit eurer Si
gelebt, fo follen von nun an zwey Haͤnde mehr «
ein Mehreres zu erwerben fi) bemühen.
veron 93 wesen
Vater. Herzbaft gefprochen ! Laß fehen, ob es
dein Ernft ſeß! — Wir hielten uns bis jegt eine Adr
chinn; unſere auswärtigen Gefhäfte beforgt ein Eleis
nes armes, ganz’ verwaifetes Mädchen, bie uns, als
Pa:he, und als unfere nächſte Muhme, anbeimfiel.
Theile, liebe Mutter, von nun an die Arbeit der Küche
mit unfrer neuen Hausgenoflinn, fo haben wir ſchon
eine Erfparnıß mehr, und für ben Erwerb Deſſen, was
ihr kochen follt , wird der Himmel und unfer Fleiß
forgen.
Bianca. Ich nehme euern Vorſchlag freudig
an. — Nur, liede Mutter, habt im Anfange ein we⸗
nig Geduld mit mir! Sch bin eine angehende Schüler
rinn, amd Diefe fehlen ‘oft Troß dem beften Willen.
(Irdem fie auf DBonaventuri blickt, und flieht, daß er fi eine
Shräne vom Kuge wifcht, bineitend und Ihn umarment.) Weich⸗
ling!- was fehlt dir, da wir nun in Sicherheit find?
Meg mit diefer und jeder folgenden Thrane! Damahls,
als ich in die Gondel flieg, die ungzngg.-Wenctig ent
fernte, oder ald ich in fäter Todes auf fremdem
Mücken fhwebte, da vergab ich ſſe aber ietzt? —
Heſorgſt du vielleicht, daß ich dir dann nicht reitzend
genug mehr ſcheinen werde, wenn die Glaͤtte und Weis
fie diefer Hände fih von Eonne und Arbeit ein wenig
mindern dürfte?
Bonav. Verzeih dir der Himmel diefe Frage,
die obnedem gewiß dein Mund nur fpxihe ! — O bu,
dann noch ſchön, wenn aud dein Körper zuſam⸗
menfchrumpfte, wie ein verwelfendes Blatt, wer uns
ter den Menſchen verbient dich, Engel, zu befigen?
Und weicher verachtete Sterbliche befiße dich? <Gr eilt
in Die nähfte Kammer; fie ibm nad, ihn zu tröften.)
un BA wen he
hören zu Eönnen; fo mannigfaltig bridt er feinen
thenden Gewäſſer an den hier und da ihm enı
genitebenden Klippen; und fo reich an Fällen ift
Boden, über den er binrollt. Aber doch, Troß fei
Braufens, iſt das Thal viel zit tief, als daß man o
das Heinfte Geränfch de3 Stroms vernähme; nur |
Mühe erblidt man den weißen Schaum, ber ı
bier aus zu ſchleichen fheint, da er doch unten pf
ſchnell dahin ſchießt.
Schief quer hinab ſchlingt ſi 6 ein einziger ſchm
ler Steig; doch aud ihn hatte jet ein Regengußg
ben Theils zewriffen und hinweggefpült. Zwar bat
tie Hirten der daſigen Gegend , denen diefer X
unentbehrlich war, in das fchlüpfrige weiche Erde
tiefe Tritte von der Größe eines Menfchenfußes
gegraben ; aber fie blieben, Trog ihrer Tiefe, pi
unficher ; blieben die fürchterlidite Treppe , die je
menfhlicher Wagehals ſich zu befteigen ertühnen d
Jene kühnen franzofifhen Luftdurchſegler *) ba
ſicher hier gezaudert, und vielleicht die Unvergeß
eis Preis gegeden, auf die fie jegt fo fihern Anfp:
machen dürfen.
tun zum eriten Mahle bebte Bonaventuri für
ſelbſt, als er dinabzuklimmen begann. — Aber, Mi
des Himmels, wie ward ihm vollends dann zu Miu
als er den Hirten ansglitfhen und auf's Knie fa
fah! Aus feinen glühenden Wangen wid, bligfchnef
der Blurtöteopfen; Kälte, gleich jener legten Kalte
*) EAdarles und Rob:rt, die gerade bamahis, ald B
Capello zuerft erſchien, die Bewunderung von gan
ropa auf ſich zegen.
on 85 .....
menihlihen Erftarrens im Tode, ergoß fh durch feis
nen ganzen Körper; er wollte ſchreyen, aber. feine
Stimme erftarb, und feine Angft war fo heftig, daß
fie ihm ſelbſt die Kraft zum Eleinften Laute raubte.
Doch über Bianca’d Leben, zu größern Schick⸗
falen beſtimmt, waltete jegt ein günftiger Schußgeift.
Mir bewundernswürdiger Geſchicklichkeit verlor auch im
Ausgleiten der Hirt das Gleichgewicht nicht ;- fein Fuß
gewann noch abgeriffenes Erdreich genug, ehe er bis zum
äufieriten Rand des jühen Abſchuſſes fortgeglitfcht war;
er erhob fich rafch wieter, und endete dann unbefchä«
digt diefen gefährlihen Steig, der fih unten, ſeit⸗
waͤrts von jenem wiederhallenden Thale, mit einer klei⸗
nen Wieſe ſchloß.
Als Bonaventurt bier bald nach ihnen ankam,
fand er feine Geliebte mitten unter Blumen fißen,
woron fie die ihönften brach, foldhe in einen Strauß
zuſammenband, und auf ihrem heiter dabey laͤchelnden
Geſichte auch nicht die Heinite Spur der Furcht mehr
blicten ließ.
Bonav. lauf fie zurilend, ergreift ipre Hand.) Meine
Theure, meine Einzige! gefhenie mir dur Wunder,
und jest auch durch ein Wunder erhalten! Wie ifi
dir Jetzt !.
⸗
Bianca. Wohl; denn du ſiehſt, daß ich tändle;
und ratbe einmahl, für wer! (Sie Hierher ihm die Blu⸗
wien dar.)
Bonav. Dank, liebe Bianca, Dank! Aber
wie war dir bey dieſem ſchrecklichen Hinahſteigen zu
Mutde?
Bianca (lächeln) So, daß ich freylich dieſen
Muth nicht oft wieder zu bewähren wünſche. Mit feft
ern BO wm
zugeſchloſſenen Augen war ih mir alle Augenblide
Hinunterſtürzens ın diefen fürchterlihen Abgrund
wärtig; wußte, daß dann mein Adrner an jenen 9
fen ın taufend Stücken zerfchmettert werden, und m
Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen
Tage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln
Kimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen.
Bonav. Heldinn! und als den Träger ausglt
Bianca. Was folte ich fonft denken, als 1
der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih nun wirklich «
ſtelle? Und doch, aufrichtig geftanden, licher Bo:
venturi, war Diefer fohft fo graufende Beſuch mir m
der dur ſich felbft, als durch den Gedanken fahr:
lich, daß er von dir mich fheide. — (Mir dem s
Näyften Tone.) Scheiden von dir? — Böſer, Maun!m
che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in dir, I
mir deine Trennung fo zabllos qualvoller, als al
übrige Schredniß der Natur bünft ? — Zumahl jet
da ih nur zu fehr. beforgte, dieſes Scheiden dür
Echeiden auf immer feyn.
Bonav. Scheiden auf immer? Warum Das
Bianca. Und wie? Wenn id vielleicht be
eriten Miederbefinnen ber erwachenden Seele die Ns
richt vernommen hätte, daß du, zu treu wur, mir ne
eilen wollen; daß du den Poiten verfaflen habeft, I
die Vorfiht und anwies, daß du mir nachgeſtuͤrzt fer
in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi
Kluft und trenne?
Bonuv. Bianca, liebes fhwärmerifhes We
hen! ſprichſt du doch ernfthafter und weifer, als
sin Priefter ſprach! — Die nadzufolgen, dich n
Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen
— BI —
Auge eines Gottes ſeyn, der dieſe endloſe Liebe
mir gab? .
Bianca. Ja wohl endlos ; aud anf meiner
Seite! Aber eben deßhalb wünſchte ih, daß fie auch
dort daure, und auch dort noch belohnt würde. Ita
umarmend.) Mann! und wenn ih Methuſalems Alter '
erreichte, ich würde ipn ja doch nicht austrinken, den
tiefen Becher der Liebe, womit ic dich liebe.
Bonav. (freudig) Nicht? Nicht? O fo fen fiber, '
daß für den meinigen die Ewigkeit felsft nicht zureicht!
— —
Dieſes Geſpraͤh — wovon das ſonderbarſte der
Umſtand iſt, daß es der Hochzeit nachfolgte, da
bey andern Menſchenkindern ſonſt dergleichen Betheue⸗
rungen ihr bloß vorherzugehen pflegen — warb
durch die Zwifpenkunft des Hirı nterbrochen, ber
feitwwärts feinen Durſt bey ei f
und fie nun zum Aufbruch
lich feine Ziegen fo. lange {
als ein Mädchen fey, a
sen ihm, und erreichten in Mi
bier einen
— BB —
Wangen; warb von ben Küſſen feiner Mutter faſt
fidt, und von Beyden mit Fragen und Zärttid
überhänft.
Eine fhöne Scene in der Wirklichkeit ſelbſt! D
da Scenen diefer Arc fi ſchon in fo manden Sch
frielen finden, fo ftehe hier nur das Ende von der
genwäctigen.
Bater. Dank! Dank dem Gott, der mei
mattgelebten Augen, noch ehe fie fi) ganz verdunke
die größte unter allen menſchlichen Freuden, den |
oͤlick meines Sohnes, wieberfhenkt! — (Zu feiner Bu
Mutter, wenn ich einft fterde, und der Tod mir fa
werben follte, dann erinnere mich an diefe Minu
und ihr Andenken wird feine Herbe mildera! —
wird Wianga geipabr, die mod his jeht unbamsrte
Aber wer, kieber'Piet
itgebracht baſt, und die
och nicht einmahl wahr
ben. Sie mir, unbekan
Bonav. (beiter lacheind.) Ich verfiche Euch, meine
theuere Altern, verftehe biefe abgebrochenen Worte und
Das, was Ihr ihnen abbrecht. — (Indem er den Salever
aufdedt.) Ab-r feht her und entſcheidet, ob ich bey die⸗
ten Reigen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo
fange verziehen Eonnte, bis es dem Glücke gefiel, feine
Ungerechtigkeiten gegen uns zu verbeffern ?
. Bianco (Werder Hände mit Wärme ergreifend und
tüffend.) O mein Vater! — o meine Mutter! nod nie
von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie
unendlich theuer, empfangt eure gehorfame Tochter,
empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliebten
nicht mit Unwillen!
Mutter (fe umarwend.) Großer Gott! wer koͤnnte
wohl den fühlen; bey diefem Reiz und biefem Ton
der Unfhuld$ — Du haft die Beredſamkeit eines
Moͤnchs, ohne feine Weitläuftigkeit zu haben.
Vater. Sey mir gelüßt ß und Bar
terliebe! — — ESu mit Bar;
erkenne ich das Blut der Bi ie waren
zwar arm, von jeher arm; abı jeher ſchon
gewohnt, nur am Buſen fi zu ruhen,
nur für ein reizendes Weibchen Hb, Herz und
Hand hinzugeben. — Selbſt mein altes, nun
graugeworbenes Muͤtterchen ; berühmte
Schönheit. Ihre Wangen ftan
Tochter, an Blüthe und Rei;
mancher Graf und Mardefe, de
nen man zurüd gewieſen hatte, I
die Frenden der Brautnacht, als fie N, daß die
fhöne Jolantha Eornari die Meinige geworben ſeſ
. — s0 —
Mutter. Mas du nun da wieder dinmahl fchr
geft!.So ſchaͤme did doh, Mann!
Vater uageted) Und fo ziere dich doch, lie
Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem nei
zigſten Jahre *) gar zu gern loben ließet; als we
es Bir jege noch unangenehm wäre, wenn ich jezun
len verſichere, daß deine Augen koblſchwarz und fi
kelnd find. Wahrlich, ih müßte body fehr vergeß!
ſeyn, wenn ich es vergäfie, daß euer ganzes Gefhli
Eitelfest und Cobeserhebung noch weit Über Nahri
und Wohlſtand fegt. — Aber es fey darum. Kurz, li
Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz
Reiz deiner würdig, und du wirſt ihr, hoffe ih, a
dafür an eheliher Tugend gleiden.
Bianca. Wenigftens werde ih mid ein fo et
Mufter nachzuahmen beſtreben. .
Väter, Das verforiht mir bein Auge; und r
erzähle mir al in Sohn: wie bift du fo fönell ı
fo haftig im rden des Glücks und Elen
der Nahrn d der Hörner eingetreten?
Wer warft Tochter, ehe du meine Tod
wurdet ·
Bianca, Vater, Michael Albani, ı
ein begüterter x in Venedig, Pietro, de
wie manchmadl der Sarifen
wird! — And dieſer Seelle d⸗
Be Vinige, und zwar foger Seleh
Jahr ait gewelen, mud Haben ınir beroiefe
angehe; weil Dann Pietro DB: nturi fon fünfzig 2
alt feun, der im eine Art you Aaals Chehutt anneb
wär.
Tue gr —
Here mit und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt,
und fand Mittel, mein Herz zu gewinnen, aber’
feider! zur Einwilligung meines Vater 6 fand er Feine;
denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg nod feinen
Reicht hum bey Weiten. —Nur eine Tugend hatte
er, die Geizige fonft felten zu haben pflegen; er war
ein treuer Freund; und doch, — fonderbar genug,
— war e$ vorzüglich diefe einzige Tugend, die ihn.um
feinen mühfam erworbenen Woplftand brachte. Als
Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver«
ficht auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗
Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein
halkbes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nachricht,
daß ein geſcheitertes Schiff ihn um die andere Hälfte
bringe, und ſtarb am Dritten. —(Gtodend.) Muther eb
der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder
Sram. ö
Vater. Armes Mädhenh
Mutter (ein Krend ſqhla ilige Antor
nius bitte für ihn!
Bonav. (ieife für Ma.) Ai
gen, bie jemahls ihr Geſchlech
ſtens auch einen feiner Fehler! Sie weiß Erdich⸗
tung zu erzählen, als ob's die heifigfte Wahrheit wäre,
Bianca. Kaum war er als ih Bonaven-
turi rufen ließ. Meine Gorge'fär liebe wuchs
durch diefen Fall, ftatt daß fie ſich ſollte; denn
ich fiel nun in die Gewalt eines har jeims, deſſen
Sohn mic ſchon längft mit feiner wehrigen Neigung
gequält hatte. Ihr mußte ich jegt entgehen, ober ih
vermochte es nie. — Mein Geliebter erſchien. „Theu·
„rer, ſprach ich, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für R
mn BO wow
zugeſchloſſenen Augen war ih mir alle Augenblide
Hinunterſtürzens ın diefen fürdterlihen Abgrund
wärtig; wußte, daß dann mein Adrrer an jenen £
fen ın taufend Stücken zerfgmettert werden, und m
Gebein unbegraben in diefem Schlunde bis zu jen
Zage ruhen würde, der alle Gebeine zu fammeln
ſtimmt ıft, die begrabenen wie die unbegrabenen.
Bonav. Heltinn! und als dein Träger ausgli—
Bianca. Was follte ich fonft denfen, als I
der Tod, diefer erwartete Gaſt, fih nun wirklich «
ftele? Und doch, aufrichtig geftanden, licher Bo
venturi, war dieſer fohft fo graufende Beſuch mir m
der durch fich felöft, als durch den Gedanken fohr
lich, daß er von dir mich fheide. — (Mit vom s
Näyften Tone.) Scheiden von dir? — Böſer, Mann!
che ſonderbare Kraft mich zu feſſeln, lebt in die, |
mir deine Trennung fo zabllo® qualvoller, als a
übrige Schredniß der Natur dünkt? — Zumahl jet
da ih nur zu ſehr beforgte, dieſes Scheiden dür
Scheiden auf immer feyn.
Bonav. Scheiden auf immer ? Warum Dat
Bianca. Und wie? Wenn id vielleiht be
eriten Wiederbefinnen der erwachenden Seele die Ri
richt vernommen hätte, daß du, zu treu nur, mir ne
eilen wollen; daß du den Poſten verlaffen habeſt,
die Vorfiht uns anmwies, daß du mir nadgeftürzt fei
in diefen graufenden Schlund, und nun eine ewi
‚Kluft uns trenne?.
Bonuv. Bianca, liebes ſchwaͤrmeriſches Be
chen! ſprichſt du doch ernſthafter und weiſer, als
sin Prieſter ſprach! — Dir nachzufolgen, dichen
Aberleben zu wollen, follte Das wohl Verbrechen
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— BI —
Auge eines Gottes ſeyn, ber dieſe endloſe Liebe
mir gab? .
Bianca. Ja wohl entlas ; auch auf meiner
Seite! Aber eben deßbalb wünſchte ih, daf ie auch
dort daure, und auch dort noch belohnt würde. Ida
umarmen.) Mann! und wenn ich Methuſalems Alter '
erreichte, ich würde ipn ja doch nicht auötrinten, den
tiefen Becher der Liebe, womit ich dich liebe.
Bonad. (freudig) Nicht? Nicht ? O fo fey ſicher,
daß für den meinigen die Ewigkeit ſelbſt nicht zureicht!
—
Dieſes Geſpraͤch — wovon das ſonderbarſte der
Umſtand iſt, daß ed der Hochzeit nachfolgte, da
ben andern Menſchenkindern ſonſt dergleichen Betheue⸗
tungen ihr bloß vorherzugehen pflegen — warb
durch die Zwifhenkunft des Hirten unterbrochen, ber
feitwärts feinen Durft bey ei f
und fie nun zum Aufbrut
lich feine Ziegen fo. lange &
als’ein Mädchen fey, a
sten ihm, und erreichten in
— BB —
langen; warb von den Küffen feiner Mutter faſt
flilt, und von Beyden mit Beagen und Zärtlichl
überhänft.
Eine ſchoͤne Scene in der Wirllihleit ſelbſt! D
da Scenen dieſer Arc fi ſchon in ſo manchen Sch
frielen finden, fo ſtehe hier nur das Ende von der
genwärtigen.
Bater. Dank! Dank dem Gott, ber melı
mattgelebten Augen, noch ehe fie fih ganz verdunke
die größte unter allen menf&ligen Sreuden, ben \
blick meines Sohnes, wiederſchenkt! — (Au feiner Zu
Mutter, wenn id einft ſterde, und der Tod mir fa
werden follte, dann erinnere mic) an diefe Minu
und ihr Andenken wird feine Herbe mil! —
wird Bianes br die mod bis jetzt unbemerkt und
idieberi von fen 3 Aber wer, lieber Piet
tgebracht haft, und die
och nicht einmahl wahr
eben Sie mir, unbekan
nicht Ban! einer Art zu fe
i isst hätte m
die man font eich
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— BG —
Bonav. (beiter iacheind.) Ich verſtehe Euch, meine
theuere Ältern, verſtehe dieſe abgebrochenen Worte und
Das, was Ihr ihnen abbrecht. — (Inden er den Salever
auſdedt.) Ab-r ſeht her und entſcheidet, ob ich bey die⸗
ten Reizen, vereint mis dem ebelften Herzen, wohl fo
fange verziehen Eonnte, bis es dem Glücke gefiel, feine
Ungerechtigkeiten gegen uns zu verbeffern?
Bianca (Bender Hände mit Warme ergreifend und
tüffend.) O mein Vater! — o meine Mutter! noch nie
von mir gefehen, aber jegt gleich beym erften Blick mie
unendlich theuer, empfange eure gehorfame Tochter,
empfangt die Gattinn eures und ihres Einziggeliebten
nicht mit Unwillen!
Mutter (ne umarwend.) Oroßer Gott ! wer könnte
wohl den fühlen; bey diefem Reiz und diefem Ton
der Unfhuld* — Du haft die Beredſamkeit eines
Vater. Seymirgeküßt
terliede! — — (Eis mie Der;
erkenne ih das Blut der Bi
zwar arm, von jeher arm; abı
gewohnt, nur am Buſen fü
jeher ſchon
zu ruhen,
nur für ein veizended Weibchen t, Herz und
Hand hinzugeben. — Gelbit mein altes, nun
graugewordenes Muͤtterchen i berühmte
Schönheit. Ihre Wangen ftaı
Tochter, on Bläthe und Rei,
mandyer Graf und Marche ſe, d
nen man zurüd gewieſen hatte, beneibeten mid um
die Freuden der Brautnacht, als ſie Härten, daß die
ſchöne Jolontha Eornari die Meinige geworben faß
— s —
Mutter. Mas du nun da wieder dinmahl ſchn
geft!. So fhäme did) doch, Mann!
Vater Caaelad) Und fo ziere dich doch, fiel
Weibchen! Als wenn ihr euch nicht noch in eurem nen
zigſten Zapre *) gar zu gern loben ließet; als we
es Bir jege noch unangenehm wäre, wenn ic jegum
Ien verſichere, daß deine Augen koblſchwarz und fı
Feind find. Wahrlich, ih müßte body fehr vergeßt
ſeyn, wenn ich es vergäfie, daß euer ganzes Geſchle
Eitellert und Cobeserhebung noch weit Über Nahru
und Wopfftand fegt. — Aber es fey darum. Kurz, li—
Tochter! deine Schwiegermutter war ehemahls ganz
Reiz deiner würdig, und bu wirit ihr, hoffe ich, aı
dafür an eheliher Tugend gleichen.
Bianca. Wenigftens werde ich mich ein fo ed
Mufter nachzuahmen beftreben.
Vater, Das verforicht mir bein Auge; und ı
erzehle mir auch⸗ in Sohn: wie biſt du fo ſchnell ı
fo haftig im rden des Glücks und Eien
der Naprum d der Hörner eingetreten?
Wer warſt Tochter, ehe du meine Toqh
wurdet ?
Bianca, Vater, Michael Albani, ı
ein begüterter in Venedig. Pietro, de
. mie wangmabt der Soriten
geirien, wird! — Aus Diefer Stele d
6 Ginige, und zwat foger Setah
jenturi's Mutter fen fe
Jahr atk geapefen, und haben mir Bew
angehe; foeil Dann Pietro Bonaventuri fon funfjig I
alt feon, dar im eine Art won Aaate Sedurt anneb
wäf.
Tun gr —
Herr mit und in Verbindung ftand, liebte mich laͤngſt,
und fand Mittel, mein Herz zu gersinnen, aber“
feider! zur Einwilligung meines Vat ers fand er Feine;
denn der Geiz diefes Letztern uͤberſtieg noch feinen
Reicht hum bey Weitem. —Nur eine Tugend hatte
er, die Geizige fonft felten zu haben pflegen ;'er war
ein treuer Freund; und doch, — fonderbar genug,
— war es vorzüglich diefe einzige Tugend, die ihn um
feinen mühſam erworbenen Wohlſtand brachte. Als
Bürge für einen treulofen Freund, dem er voll Zuver⸗
ficht auf fein Wort und auf ihre ehemahlige Jugend⸗
Vertraulichkeit traute, verlor er an Einem Tage fein
* haltes Vermögen; erhielt am Zweyten bie Nachricht,
daß ein geſcheitertes Schiff ifn um. die andere Hälfte
bringe, und ſtarb am Dritten. — (Gtodend.) Muther es
der Tochter nicht zu, zu entſcheiden, ob an Gift oder
Gram. ’
Barer. Armes Mädchen! NT
Mutter (ein Kıeny Idia, ilige Antor
nius bitte für ihn!
Bonav. (teife für a6.) Gmiii Men Vorz ü⸗
gen, die jemahls ihr Geflecht befaß, doch wenige
ſtens au einen feiner Fehler! Sie weiß Erdich⸗
sung zu erzählen, als ob's die heifigfte Wahrheit wäre,
Bianca. Kaum war er als ih Bonaven-
turi rufen ließ. Meine Gorge'fär liebe wuchs
durch dieſen Ball, ftatt daß fie ſich ſollte; denn
ich fiel nun in die Gewalt eines har jeims, deſſen
Sohn mich ſchon längft mit feiner wißrigen Neigung
gequält hatte. Ihr mußte ih jegt entgehen, oder ih
vermochte ed nie. — Mein Geliebter erſchien. „Iheus
„rer, ſprach id, wenn du je wahre Zaͤrtlichkeit für
* oo 93 ...
„mich empfunden hait, fo beweife es jetzt! Ich Ein
„reit, mit bir zu fliehen; aber wiſſe, fo wie dp ı
‚mdir ftebe, ſiehſt du auch meine ganze Habe. M.
„Vater —“ Hier erzählte ich ihm alles, was ih ei
fo eben erzählt habe; und der brave junge Mann fi
ald ich endete, zu meinen Füßen, ſchwur mır ew
Treue, und entjloh mit mir. — — Verzeiht, verze
ihm, wenn er Unrecht that! Ich bin’s, die ihn v
leitete.
Vater (gerührt.) Er that, was er thun fol
— Ich erkennte ihn für meinen Sohn nicht mehr, we
er anders gehandelt hätte.
Mutter. Du bit unfere liebe Tochter. M
möütterliher Segen ruhe auf dir! Aber nimm a
meine Bedaurung! Dein Vater war reih, und
bey uns, wohin du blickſt, it Elend und Mangel.
Vater (etwas unmilig) Mangel?! Mutter ,
weißt ja ‚ ih hab's nicht gern, wenn man Wahr!
dur) Übertesiäiing zur Unwahrheit macht.
Nenne mir ben Mittag, den wir gezwungen faſtet
Oder den Abend, an welchen der Schlaf und hung
überraſchte!
Mutter. Das nicht. Über auch Daͤttigung
bloß trockenem Brode iſt Demienigen halber Hung
der an Braten und IM Wein ſich gewohnt hat.
Biansa.:Sehr richtig vielleicht bey man d
Denkungsart, i Über nicht bey der meinigen!
Nennt mir Xrilebte Aitern, irgend eine Beſcheè
gung, und ſeht, obich mich ihrer ſchaͤme, ſobald fie e
bar iſt! Habt ihr bisher von ber Arbeit eurer SI
gelebt, fo jollen von nun an zwey Hände mehr ı
ein Mehreres zu erwerben ſich bemühen.
Vater. Herzbaft gefprocden ! Laß fehen, ob es
dein Ernft ſeß! — Wir hielten uns bis jegt eine Adr
chinn; urſere auswartigen Geſchaͤfte beforgt ein Eleir
ned armes, ganz’ verwaifeted Mädchen, vie und, als
Parhe, und als unfere nächſte Muhme, anbeimfiel.
Theile, liebe Mutter, von nun an die Arbeit der Küche
mit unfrer neuen Hausgenoffinn,, fo haben. wir ſchon
eine Erfparniß mehr, und für den Erwerb Deſſen, was
ihr kochen follt , wird der Himmel und unfer Fleiß
ſorgen.
Bianca. Ich nehme euern “Borfchlag freudig
an. — Nur, liebe Mutter, habt im Anfange ein we⸗
nig Geduld mir mir! Sch bin eine angehende Schüler
sinn, amd Diefe fehlen 'oft Troß dem beften Willen.
(Indem fie auf Donaventuri bild, und ſieht, daß er fih eine
Shräne vom Kuge will, hineilend und ihn umarmend.) Weiche
Iing!-was fehlt dir, da wir nun in Gicherheir find?
Meg mit diefer und jeder folgenden Thräne! Damahls,
als ich in die Gondel flieg, die ungen @Benchig ent⸗
fernte, oder ald ich in ſtaͤer Tddeſs auf fremdem
Mücken fhwebte, da vergab ich ſie Maber jest?! —
Heſorgſt du vielleicht, daß ih dir dann nicht reißend
genug mehr fiheinen werde, wenn die Glaͤtte und Wei⸗
fie dieſer Hände fih von Eonne und Arbeit ein wenig
mindern dürfte?
Bonav. Verzeih dir der Himmel diefe Frage,
die obnedem gewiß dein Mund nur fait! — O du,
dann noch ſchön, wenn auch dein Kbrper zuſam⸗
menſchrumpfte, wie ein verwelkendes Blatt, wer uns
ter den Menſchen verdient dich, Engel, zu befigen?
Und welcher veracdhtete Sterbliche befigt dich? (Er eilt
in Die nähe Kammer; fie ihm nad, ihn zu sröflen.)
Bianca hielt treulih , was fie zugelagt ba
Mit einem Eifer, ald wäre fie von Jugend auf
Haushaͤlterinn erzogen worden, griff fie jede, fü
die bärtefte Arbeit, glüdlich an, und ihre Scdwie
mutter hatte öfter nöthig, ihr die Ruhe, als
Gefchäft anzubefehlen. Oft, wenn -fie, müde ı
der Laft des Tages, fih des Abends freundlih an
Seite ihres Gatten fhmiegen wollte, fah fie den Ku
mer in feinem Blicke, und zwang fi denn ;u dop
ter Munterkeit und Stärke. Doc ihre Liit betrog
nicht ; feine Ihräne träufelte oft heiß mitten im K
fen auf ihre Wange, und als er einft fie üßerrafd
wie ſie ihre in der Küche blutig gerigte Hand heim
mit einem leinenen Tuche umwand, warfer fih, ı
des bitterften Schmerzens, zu ihren Süßen nieder.
„Wozu, rief er aus) wozu diefe himmliſche Gi
„mit der du jede Schmach und jeden Unfall deiner
„niedrigung mir zu verbergen ſuchſt? diejer Erniel
„gung,. die ich Unglücklicher allein über dich brach
„Glaubſt bu wohl, daß ich mich feldft minder mit U
„würfen quäfe, weil bu dir dieſelben nicht laut erlauf
„— Oder verklagt mid dein heimbicher Seuf,
„verklagt mid) der Gram, den du lange in dir x
„fchließeft, und den du nur dann lüfteſt, wenn du!
„allein fichft, minder vor dem Richterſtuhl Sort
„als eine öffentlich geweinte Thrane Dieß ıhun würd
Bianca (ipn aufpedend.) Was fhwapeit du
wieder? — Mein Theurer, welche finftere, grundl
Borftellung quält did) %
Bonav. Voritelung?! Iſt ed Vorftelung bI
wann ich mit fihtlihen Augen den Schweiß ei
Magd vom Angefiht eines Dame herabtraͤufeln fi
die fonft zwanzig leibeigen⸗ Hände bedienten? Iſt es
Vorſtellung bloß, wenn ich dieſes Blut von deiner
Hand wegküſſe, die du in der niedrigſten Arbeit ver⸗
letzteſt?
Bianca. Niedrig t Was nennſt du fo, lieber
Bonaventuri? Iſt eine Arbeit niedrig, die zu unſerm
Lebensunterhalt unumgänglich iſt, und edie fein Vor⸗
wurf det Gewiſſens vergällt? Iſt eine fürſtliche Mahl⸗
zeit ſüßer, als diejenige, die mein eigener Fleiß bes
veitet, und zu welder mir Mühe und Bewegung eine
reichliche Begierde erregt haben? Fehlt es einer treuen
Sattinn an Vergnügen, wenn fie mit ihrem felbft ers.
wählten Gemahl unter einem Dadye wohnt, an feinem
Bufen ausruht, an feinen Bliden, Worten und Küfs
fen ſich weidet? — Sieh, Sophift, Dieb ift mein
Lost, und du murreft, da du dem Himmel danken ſoll⸗
teft? Ja, ja, du Lieber, ich will dir's nicht verhehlen,
daß ic) diefe Hand mir bey der Arbeit blutig geriffen
babe; und um gan; von meiner Au ichtigkeit übers
zeugt zu ſeyn, fo wiſe es geſchah p einer Arbeit
für did. |
Bonav. Tür miht Ha, graufame Bianca,
und du verbiethbeit mir, mich zu betrüben , mich
ſelbſt deßhalb anzuklagen?
Biansa.- Ya wohl verbiethe ich es dir. Füuͤhlſt
du denn nicht, daß es ein Vergnuͤgen ſeyn müſſe, ſein
Blut für Denjenigen zu vergteßen, den man liebt?
Sen es nom fo wenig, fey es auf welche Art es wolle,
ed bleibt doch eine gewiile füße Wolluſt, die Die mit
taufend Freuden gemein har, daß fie ſich beffer e m⸗
pfinden, als ausdrücken laßt.
Bonav. Liebe Schwärmerinn! .
[|
a
Bianca. Nun wahrhaftig in diefem Pun
brauchte ich mich wohl vor der Abrehnung mie
kaum zu ſcheuen, ſo lange ich noch des Appennins -i
meines damahligen Trägers gedenken werde. Laß |
auch fhwärmen, Bonaventuri! Laß uns mis: dan
rem Herzen des Himmels mildeftes Geſchenk, we
felfeitig fih ergießende Liebe, genieß
— (indem fie nad ber einen Gcke des Bimmmers blickt)
Aber fieh da, faft hätte ich8 vergeflen, daß nach v
brachter Arbeit es felhfi an Zeitvertreib mirn
gericht.
Bonav. An Zeisverereib?
Bianca. Iſt diefe Laute hier Eeiner? Habe
dir ſchon das neue Liedchen auf ihr vorgefpielt und x
gefungen, Das überdieß wohl gar halb und halb me
eigene Erfindung ſeyn dürfte?
Bonav D weldest welches Ich beſchm
dich, laß mich es hören!
Bianca (die Laute nehmend.) So höre ed dei
und laß Balfam für dein Herz ſeyn, was v
feige Mißklang deinem Ohr ſeyn dürfte. — ı
ſingt mit zärtlichſtem Blick auf Bonaventuri gerichtet: )
Was llagſt du, Mann, daß nicht fein Gold.
Uns Indien und Peary zollt?
Daß nimmer, von Gewinnſbeſchwert,
Für und ein Schiff tur Fluthen führt?
Daß mir im Haar nicht Perlen prangen,
Woran die blut’gen Tropfen noch
Des armen Negers bangen?
Ma
®
May unfere Tafel Enapp und klein,
Oft trocken unſer Becher ſeyn!
Macht trocknes Brot und truben Moſt
Die Liebe nicht zur Göoͤtterkoſt?
Kann Armuth Seu:zer dir erzwingen
Menn, Ranten glei, ſich feſt um dich
Der Sattinn Arme ſchlingen?
Laß ſeyn, daß unſere Lagerſtatt
Kein Pfühl von Eiderdunen hat!
Daß uns, ſtatt füßer Melodey, |
Bor Morgen wet des Hahns Geſchrey!
Wohl und, wenn nie im ernften Grimme/
Wie den Tyrann, Ttog Kiön’ und Wach',
Schreckt des Gewiſſens Stimme!
Blick ber ins Auge, ſonnenhell!
Noch ward ed keiner Tpröne Quell;
Noch hob rein liebevolles Herz
Die Reue mi mit bitterm Schmerz;
Noch ſchaut' ich auf verlaſſ'nes Gluͤck/
Auf Überfluß, auf Rang’ und Pracht/
Mit keinem trüben Blick,
Denn du mein Stolz, mein Glück and Ruhm/
Gabft mir bein Herz zum Eigenthum;
Gabſt zu der Treue fiherm Pfand
Mir Wort und Schwur und Ring und Hand. —
Sm deutfchen und im welfchen Reiche,
Wo nun der Kaifer? wo der Fürſt,
Der mir an Hoheit gleiche ?
eltzners Bianca Gap. 1. Tbl. G
4
(Sie legt Hey dieſen Ichten Worten die Laute weg, und
arme ihn.) .
Bonav. (außer ih.) D daß fein Engel jetzt
fähet Neid Über meine Seligkeit Eönnte fonft 1
aus ihm einen Abgefallenen mehr maben. — &ı
deined Geſchlechts! aud mit mir kann der Beherrf
von Indoftan felbft ji nicht an Reichthum meſſen
Bianca. Schmeichler, lieber Schmeich
(Man Hört ein Geräufh von fern; Bianca eilt and Fent
Aber was ift das für ein Getümmel bes Volks
der Straße? Was foll der Sreudenruf der Menge
deuten ?
Bonadv. (der auch and denſter geht.) Nichts n
und nichts minder, als daß unſer Großherzog hier |
bey reiten wird.
Bianca. Der Großherzog?! -— Noch habe
ihn nie gefehen. — (Dura den Vorhang biidend.) |
fhöner Here! Seine Miene verräth Hoheit
Seele.
Bonav. Und doch verraͤth fie ſicher nochen
dad Drittheil von Derjenigen, die er wirklich beſ
Sein edles Herz würde ihn auch im tiefiten ta
eben fo über alle Slorensiner erheben, als ed jeßt St
und Geburt thun.
Bianca. Der verzweifelte Vorhang! Ich ke
feinethalben dieſen gerühmten Zürften nidt fo ganz
kennen, wie id wohl wünſchte.
Bonav, (fpätteind.) Eine wichtige Unannebmt
keit, die du mit einem einzigen Zinger aus dem W
räumen kannſt.
Bianca (Gqerzend.) Meinft du? Hab ih te
Erlaubniß dazu (Gie öffnet ein wenig Genfer und Vortza⸗
— 99 em '
Bonav. Sieh einmahl, er biidt herauf! 7
Jetzt wieder! — Ha, Bianca, lafeit du nicht in feines
Miene den Gedanken: beym Himmel! ein reizendes ..
Wen:
Bianca (tadend.) Nein, wahrhaftig, Das las
ich nie! Glaubſt du denn, daß alle Männer fo ſchlecht
ſehen, und fo übel wählen, wie bu? (Der Broßberzog *
ſieht IH no ein Mahl um ; Bianca läßt den Vorhang
fallen.)
Bonap. Lagen.) Kommt es nit auf meine"
Meder — Sah er fih nicht noch ein Mahl nach die
um? — Weibchen, Weibchen, daß ih nicht eiferſuͤch⸗
tig werde! |
Bianca. Hahaha! Eiferfügeigt Und auf wen ?
Man darf freylih euch Männern jede Ungerechtigkeit
zutrauen ; doch diefe hier wäre beynahe allzu groß,
als auch nur glaublich zu feyn.-
,
Läachelnd eilte Bianca bey bdiefen Worten vom
Fenſter hinweg, und ſchritt wieder zu irgend einer, »
fhon auf fie wartenden, häuslichen Arbeit. Daß es
Bonaventuri mit feiner angedrohten Eiferfucht Eein
Ernft war, ergibt ſich von felbft. Denn er war nur zu
überzeugt von Bianca's Tugend, von ihrer Eingezo«
genheit, von ihrer Unbelanntfhaft mit dem gans
zen Übrigen Florenz. Auch war der Vorfall, daß ein
junger Fürſt nach einem weiblichen Gefiht am Fenfter
ſich umfhaut, fo unbedeutend ;. Pietro hatte denfelben
am nächften Morgen bereits ganz; vergeſſen. |
Gleichwohl — da das Glüuͤck ſchon oft das Schick⸗
fal ganzer Staaten an einen Männerbli, oder ein
-&3.
vo. 100 vw
Meiberfächeln, an einen Seuerfunfen, oder ein S«
torn band, — gleichwohl ſchien auch jetzt eine fei
Sefttags » Launen fih ind Epiel zu mifhen; und
gefüfteter Vorhang ſollte in Bianca's Leben faft m
nod als jene zugeworfene Hausthür bewirken. |
Stanziscus, Großherzog von Florenz, der Alt
Sohn bes berühmten Cosmus I. war nit nur ei
der ſchoͤnſten, reichten, mädtigften Fürſten, die
. mohls das Zepter Über Toskana geführt, fordern a
"mit Geiftegaben fo mild, wie mit Glücksgütern a
geſtattet. Das Erbtheil ded medicäifhen Haufes, {
be zu Künften und Wiffenfhaften, war ihm reich
zugefallen. Seine Hauptftadt zu verfchönern, fe
GStaaten zu bereichern, feine Unterthanen zu beglück
war fein fehnliher Wunſch, der — nicht bloß Wur
blieb. Wiewohl gerave damahls Zeiten einzulen
begannen, die dem Flor des florentinifhen Hand
mit Verminderung, — mo nicht gar mit Verwel
drohten; wiewohl Spaniens finkender Wopfftand, H
Yands fteigende Größe auch aufs mittelläntifche M
wirkten — bennod) erhielt Franzens Boftreben das
terländifche Gewerbe beym bisherigen Gedeihen. W
Senkte er die Zügel der Regierung. Durch Ger:
tigkeit ſchreckte er den Frevler, befeligte durch Mi
den Biedermann. Glänzend war er bey feinen Feſt
sund um fi ber ſuchte er Heiterkeit zu verbreit
und — befaß fie doch felbft nıhe ganz; wenigfteng
nicht, wie er fie derdiente.
Denn dieſer gefühlvolle, jedem zärtlichen Einb:
offene Prinz haste als Jünglıng ſchon eın Opfer bi
gen müſſen, das beym Zurftenrange ſich — gemöhn
Gndes; haste fi nicht verheiracher, fondern war :
"we LOL mw
werbeirathet worden. Johanna von Oſterreich „Maxil⸗
milians U. Schweſter, arm an Eörperliher Schönheit,
und noch ärmer an jener Anmuth, die nicht ſelten den
Abgang der Schönheit erſetzt, ja zuweilen wohl gar
mir Wucherzins vergüset , harte aus Waters Willkür
feine Hand empfangen; feines Herzens fi) zu bemeis
ftern war ihr unmöglich. Der verbandelte Prinz ere
bedte heimlich, alder zum erſten Mahl die ihm beſtimm⸗
te Gemahlinn erblidte, und fie fo — reizlos fand.
Noch ahndete er nicht, was er bald nur zu genau ers
fuhr, daß diefer äußerlihe Mangel ihr Fleinfter Fehler
fey. Pfaͤffiſche Erziehung batte fie zur Andachteley,
die zwangvolle Sitte ihres väterlichen Hofes zum
Stolz, oder wenigftend zum Anſchein deſſelben geleitet.
Die Kaiſerstochter giaubte: der Großherzog muͤſſe ſich
durch Ehe mit ihr überfhwenglich geehrt finden; ihre
Eiferfuht war ohne Maß und Ziel. Jede noch fo eis
ne Schadloshaltung fhien ihr eine Verlegung. der ehe⸗
lichen Pflicht zu feyn. Sie fhmollte und Flagte dann,
bald bey ihrem Schwiegervater, fo fange er nach lebte,
bald bey ihrem Bruder, Daß fie Dieß nicht beliebter
machen Eonnte, erräth jeder. Franz entfrempete fein Herz
taͤglich mehr von ihr. Eine bängliche Leere herrſchte in
feiner Seele. Er hatte fie einige Mahl ſchon an feinem
Hofe auszufüllen gefuht, und — nicht vdrmodt. Man
teug ihm manches Herz entgegen, was doch nicht ein
Herz für ihn war. Die Schelſucht Johanna's vers
bannte überbieß aus bem Zirkel ihre Umgangs jeben
Reiz weıt hinweg, der ihr gefährlich bünkte. -.
Sept traf ein ungefährer Blick des Fürften auf
Bianca’s Blick; und ſchneller fliege kaum der Lichte
ſtrahl duch unermeßliche Räume, als die Liebe mir
wu. 102 rem
diefem einzigen Blick fih in fein Herz ergoß. 9
daͤucht' ihm, babe er ein Geficht erblickt, das an Sc
heit mit dieſer Unbekannten ſich vergleihen dürfe. Se
Hand erbebte am Zügel des Pferdes; die G
entſank aus feiner Rechten; des Eeiniten Seitenfpr
ges von feinem Roſſe hürte es bedurft, fo wäre
feibit bügel = und fatrelios geiworden. Er zauderte,
fih noch zehn Mahl um; watd roth; jegt bloß, |
wieder roth; fab auf der Jagd, zu welcher. er ritr,
die er fonft faft leidenſchaftlich liebte , weber Fußſteigr
Graben, weder Baum noch Wild; vermochte es ul
haupt kaum einige Stunden dabey auszuhalten; |
eilte dann, mit verhängtem Zügel, nah Klon
zurück.
Sein Rückweg trug ihn auch jetzt natürlicher. W
wieder bey Bianca's Wohnung vorüber; er ſah
nicht. — Sein Pferd, mit Abſicht von ihm, ſelbſt
reizt, baͤumte; faſt alle Bewohner und Bewohne:
nen diejer Straße eilten, bey dem Oetöfe, neugie
an das Fenſter, und blickten beſorgt auf ihn berg
nur Bianca fam nicht; nur fie, die Einzige nicht ,,
deren Fenſter er hinauf fhaute. Er ſah fi aberma
wobl jehs Mahl um, und alle ſechs Mahl vergebe
Verdrießlich Fam er in feinem Pallaft an; begab -
einfam in fein. Gemach; erſchien fpat bey der Taf
war einſylbig, ja faft ſtumm, fegte einige Tage 5
durch Alle Morgen feinen Jagd⸗ Ausritt fort, und k
fters nochwerbrießliher heim. Die Veränderung feiı
Gemüths war augenfheinlihd genug, um felbft x
feinen niedrigften Bedienten bemerkt zu werden. A
ihm fehlen könne, war Allen unbegreiflich.
‘ ma 103 oa 9,
Einer feiner erften Höflinge hieß Mondragone.
Bon Geburt ein Epanier, war er doch feit vier oder
fünf und zwanzig Zahren fhon in Slorenz einheimiſch
geworden; hatte felbft an der. Erziehung des Prinzen
und feines Bruders, Serdinand, — damahligen Cars
dınal von Mebdicis, vielen Antheil, obſchon herzlich
wenig Verdienft gehabt. Denn er gehörte zu jener
zabllofen Claſſe von Hofſchranzen, die zuerft an ihren
Fürſten und nurjezumweilen — wenn eds donnert,
oder wenn fie erfranken, oder auch wenn ihr An⸗
febn wantt, — an eine Gottheit glauben. An
ibm hatte ed wahrlich nicht gelegen: daß Großherzog
Franz nit ein Stiefvater feines Yandes ward; denn’
jeder Puit des Zünglings hatte er gewillfahrt, mandye
Begierten in ihm gewedt. Ein anfehnlihes Amt und
ein beträchtliches Zahrgeld war fein Lohn geworden.
Männern diefer Art, welchen ein durchlauchtiges
Lächeln mehr als die zehn Gebothe, ein. heimliches Wort,
von ihrem Regenten zugeflüftert,, mehr, als die ganze
Neligion,, und ein Schritt höher im fürftlihen Vers
trauen mehr als Zreu und Menſchlichkeit gilt, —
Männern diefer Art, .wenn ‚fe eınmahl den fchlüpfris
nen Poften des Günftlings errungen haben iſt nichts
peinlicher, als wenn fie bey ihrem Gebiether irgend ein
Geheimniß zwar wittern, doch nihe.errathen
Eonnen. Mondragone befchloß daher auch das Ge⸗
genwärtige auszufpöpen ; befchloß, Franzen ins Her; zu
ſchauen, es möge Eoften, was ba wolle. _
„Haben Eure Durchlaucht ((fragte er ihn eines Tas
ges glei trüb nad) den erfen Eintrittöcomplimenten.) „ſchon
„Ddas neue Singſpiel geſehen, das ber iunge neapoli⸗
„tanifhe Tonkünſtler geſetzt hat?”
Bianca Nun wahrhaftig in diefem Pun
brauchte ich mich wohl vor der Abrechnung mit
kaum zu fheuen, fo lange ich noch des Appennins r
meines damahligen Trägers gedenken werde. Laß ı
auch fhwärmen, Bonaventuri! Laß uns mis: danf
rem Herzen ded Himmels mildeftes Geſchenk, we
felfeitig fih ergießende Liebe, genieß
— (indem fie nach ber einen Gde des Bimmers biide:)
Aber fieh da, faft hätte ich$ vergeflen, daß nah vı
bradhter Arbeit es felbfi an Zeitvertreib mir mi
gebridht.
Bonav. An Zeisverereib?
Bianca. Iſt diefe Laute bier Feiner? Habe
dir ſchon das neue Liedchen auf ihr vorgefpielt und v
gefungen, das überdieß wohl gar halb und halb me
eigene Erfindung feyn durfte! ‘
Bonav O weldest welches Ich beſchw
dich, laß mich es hören!
Bianca lie Laute nehmen.) So höre eö der
und laß Balfam für dein Herz ſeyn, was v
feige Mißklang deinem Ohr ſeyn dürfte. — ı
ſingt mit zärtlichſtem Blick auf Bonaventuri gerichtet: )
Was klagſt du, Mann, daß nicht fein Gold.
Uns Judien und Perg zollt? .
Daß nimmer, von Gewinn befchwert,
Zür und ein Schiff durch Fluthen führt?
Daß mir im Haar nicht Perlen prangen,
Moran die blutigen Tropfen noch
Des armen Negers bangen 9
M a.
®
Mag unfere Tafel Enapp und klein,
Oft trocken unſer Becher ſeyn!
Macht trocknes Bros und trüben Moſt
Die Lebe nicht zur Götfertoit!
Kann Armuth Seutzer dir erzwingen;
Menn, Ranten gleich, fi feft um dig
Der Öattinn Arme ſchlingen?
Laß ſeyn, daß finfere Lagerſtatt
Kein Pfühl von Eiderdunen hat!
Daß uns, ftatt füßer Melodey, |
Bor Mörgen weckt des Hahns Geſchrey!
Wohl uns, wenn nie im ernſten Grimme/
Wie den Tyrann, Tiog Kroͤn' und Wach',
Schreckt des Gewiſſens Stimme!
.. Blick her ins Auge, ſonnenbell!
Noch ward ed Eeinet Tpröne Quell;
Hoch hob mein liebevolles Herz
Die Reüe nie mit bitterm Schmerz 3
Noch ſchaut' ich auf verlaſſ'nes Gluͤck/
Auf Überfluß, auf Rang’ und Pracht/
Mir Eeinem trüben Slid,
Denn du mein Stolz, mein Süd and Ruhm/
Gabſt mir bein Herz zum Eigenthum ;
Gabſt zu der Treue ſicherm Pfand
Mir Wort und Schwur und Ring und Hand. —
Im deutfchen und im welfchen Reiche,
Wo nun der Kaifer? wo der Fuͤrſt,
Der mir an Hoheit gleiche ?
reitet Bianca Gap. 1. Tbl. G
4
(Sie legt Hey dieſen Ichten Worten die Laute weg, und
armt ihn.) .
Bonav. (außer ib.) O daß fein Engel jegt ı
fähet Neid Über meine Zefigkeit könnte fonft 1.
aus ihm einen Abgefallenen mehr machen. — Ki
deines Geſchlechts! auch mit mir kann der Beherrf
von Indoſtan ſelbſt ſich nicht an Reichthum meſſen
Bianca. Scheichler, lieber Schmeich!
(Man hoͤrt ein Geräuſch von fern; Bianca eilt and Zenf
Aber was ift das für ein Getümmel bes Volks
der Straße? Was fol der Greudenruf der Menge
deuten? |
Bonadv. (der auch and Zenſter geht.) Nichts m
und nichts minder, als daß unfer Großherzog hier ı
bey reiten wird.
Bianca. Der Großherzog?! -— Noch habe
ihn nie gefehen. — (Durh den Vorhang blidend.) |
fhöner Here! Seine Miene verräth Hoheit
Seele.
Bonav. Und doch verraͤth fie ſicher nochen
das Drittheil von Derjenigen, die er wirklich bef
Sein edles Herz würde ihn auch im tiefiten Sta
eben fo über alle Zlorensiner erheben, als ed’ jetzt &r,
und Geburt thun.
Bianca. Der verzweifelte Vorhang! Ich Ec
feinethalben dieſen gerühmten Zürften nicht fo ganz
Eennen, wie id wohl wünſchte.
Bonav. (fpötteind., Eine wichtige Unannehmt
Beit, die du mit einem einzigen Finger aus dem W
räumen kannſt. |
Bianca (GEqerzend. Meinit du? Hab ich te
Erlaubniß dazu (Gie Iffnet ein wenig Fentter und Goran
on 99 re
Bonav. Sieh einmahl, er blickt herauf! —
Lebt wieder! — Ha, Bianca, lafeit du nicht in ferner
Miene den Gedanfen: beym Himmel! ein reizendes
Wen: |
Bianca (achend.) Nein, wahrhaftig, Das las
ih nicht! Glaubſt du denn, daß alle Dränner fo ſchlecht
fehen, und fo übel wählen, wie du? (Der Großberzeg
ſieht ſich no ein Mahl um ; Bianca läßt ben Vorhang
fallen.) |
Bonap. (aqend.) Kommt es nicht auf meine"
Meder — Sah er ſich nicht noch ein Mahl nach die
um? — Weibchen, Weibchen, daß ih nit eiferfücr
tig werde!
Bianca. Hahaha! Eiferfügtigt Und auf wen ?
Man darf freylich euh Männern jede Ungerechtigkeit
zuteauen ; doch diefe hier wäre beynahe allzu groß,
als auch nur glaublich zu feyn.-
—
Laͤchelnd eilte Bianca bey dieſen Worten vom
Fenſter hinweg, und ſchritt wieder zu irgend einer, n
fhon auf fie wartenden, häuslichen Arbeit. Daß es
Bonaventuri mit feiner angebrobten Eiferfucht Eein
Ernft war, ergibt ſich von felbft. Denn er war nur zu
überzeugt von Bianca’d Tugend, von ihrer Eingezo⸗
genheit, von ihrer Unbekanntfhaft mit dem gan⸗
zen Übrigen Florenz. Auch war der Vorfall, daß ein
junger Zürft nach einem weiblihen Geſicht am Fenfter
ſich umfhaut, fo unbebeutend ;. Pietro hatte denfelben
am naͤchſten Morgen bereits ganz vergeffen.
Gleichwohl — da das Glüuͤck ſchon oft das Schick⸗
fal ganzes Staaten an einen Männerblid, oder ein
3.
vo. 100 vw
Weiberlaͤcheln, an einen Seuerfunfen, oder ein &a
korn band, — gleichwohl ſchien auch jest eine fei
Sefttags : Launen fih ind Epiel zu miſchen; und
gefüfteter Vorhang ſollte in Bianca's Leben faft m
nod als jene zugeworfene Hausthür bewirken.
Sranziscus, Großherzog von Zlorenz, der Alt
Sohn des berühnen Cosmus I. war nit nur ei
ber ſchoͤnſten, reichſten, mädtigften Zürften, die
mahls das Zepter über Toskana geführt, fondern a
mit Geiftetgaben fo mild, wie mit Glücksgütern a
geftattet. Das Erbtheil ded medicäifhen Haufe, |
be zu Künften und Wiffenfhaften, war ihm reich
zugefallen. Seine Hauptftadt zu verfhönern, fe
GStaaten zu bereichern, feine Unterthanen zu beglück
war fein fehnliher Wunfh, der — nicht bloß Wur
blieb. Wiewohl gerade damahls Zeiten einzulen
begannen, die dem Flor des florentinifhen Hank
mit Verminderung, — mo nicht gar mit Verwel
drobten; wiewohl Spaniens finfender Wopfftand, H
Yands fteigende Größe auch aufs mittellaͤndiſche M
wirkten — dennoch erhielt Franzens Beſtreben das
terländifche Gewerbe beym bisherigen Gedeihen. WB.
Senkre er die Zügel der Regierung. Dur Gere
tigkeit fchrecfte ex den Frevler, befeligte durch Mi
den Biedermann. Ölanzend war er bey feinen Feſt
rund um fih ber fuchte er Heiterkeit zu verbreit
und — befaß fie doch felbft nihe ganz; wenigfteng
nicht, wie er fie derdiente.
Denn dieſer gerühlvolle, jedem zärtlichen Einda
offene Prinz hatte als Jünglıng fon eın Opfer bi
gen müjlen, das beym Zurftenrange ſich — gewoͤhn
Gndes; hatte fi nicht verheiracher, fondern war :
we LOL mus
werbeirathet worden. Johanna von Oſterreich „Maxi⸗
milians 11. Schweſter, arm an Eörperliher Schönheit,
und noch ärmer an jener Anmuth, die nicht felten den
Abgang der Schönheit erfegt, ja zuweilen wohl gar
mit Wucherzins vergüset , harte aus Waters Willkür
feine Hand empfangen; feines Herzens fi) zu bemeis
ftern war ihr unmöglich. Der verbandelte Prinz ere
bedte heimlich, alder zum erſten Mahl die ihm beftimms
te Gemahlinn erblidte, und fie fo — reizlos fand.
Noch ahndete er nicht, was er bald nur zu genau ers
fuhr, daß diefer äußerlihe Mangel ihr Fleinfter Fehler
fey. Pfäffifhe Erziehung hatte fie zur Andachteley,
die zwangvolle Bitte ihres väterlichen Hofes zum
Stolz, oder wenigftend zum Anſchein deſſelben geleitet.
Die Kaiſerstochter giaubte: der Großherzog muͤſſe ſich
durch Ehe mit ihr überfhwenglich geehrt finden; ihre
Eiferfuht war ohne Maß und Ziel. Jede noch fo Eleis
ne Schadloshaltung fhien ihr eine Verlegung. der ehe⸗
lichen Pflicht zu feyn. Sie fhmollte und klagte bann,
bald bey ihrem Schwiegervater, fo lange er noch lebte,
Bald bey ihrem Bruder, Daß fie Dieß nicht beliebter
machen Eonnte, ercäth jeder. Franz entfrempete fein Herz
sägli mehr von ihr. Eine bängliche Leere herrfchte in
feiner Seele. Er hatte fie einige Mahl fchon an feinem
Hofe auszufüllen gefucht, und — nicht vͤrmocht. Man
trug ihm manches Merz entgegen, was doch nicht eim
Herz für ihn war. Die Schelſucht Johanna's ver⸗
bannte überdieß aus dem Zirkel ihres Umgangs jeden
Heiz weit hinweg, der ihe gefaͤhrlich dünkte.
Sept traf ein ungefährer Blick des Fürſten auf
Bianca's Blick; und fihneller fliege Kaum der Licht
ſtrahl durch unermeßlihe Räume, als die Liebe mis
wur. 102 rem
biefem einzigen Blick fih in fein Herz ergoß.
daͤucht' ihm, babe er ein Geficht erblickt, das an E
beit mit diefer Unbekannten fih vergleichen dürfe. €
Hand "erbebte am Zügel des Pferdes ; die ı
'entfanE aus feiner Rechten; bes Eleinften Geitenfi
ges von feinem Roſſe hätte es bedurft, fo wä
ſelbſt bügels und fatteioß ‚geworden. Er zaubert:
fih nody zehn Mahl um; watd roth; jegt blaß,
wieder roth; fab auf der Jagd, zu welcher. er ritr
die er fonft faft leidenſchaftlich liebte, weder Fußſtei,
Graben, weder Baum noch Wild; vermochte es
baupt kaum einige Stunden dabey auszuhalten ;
eilte dann, mit verhängtem Zügel, nad 1
jurü.
Sein Rückweg trug ihn auch jetzt natürlicher $
wieber bey Bianca's Wohnung vorüber; er. fe
nicht. — Sein Pferd, mit Abfiht von ihm, ſelb
reizt, baͤumte; faſt alle Bewohner und Vewohꝛ
nen dieſer Straße eilten, bey dem Getöoſe, NEU
an das Fenſter, und blickten beforgt auf ihn be
nur Bianca kam nit; nur fie, die Einzige nicht
deren Fenſter er hinauf fhaute. Er fab fi abern
wohl jehs Mahl um, und alle ſechs Mahl verge
Verdrießlich Eam er in feinem Pallaſt an; begat
einfan in fein. Gemach; erfchien fpat bey der 2
war einſylbig, ja faft ſtumm, feßte einige Tage
durch alle Morgen feinen Jagd » Ausritt fort, und
fters noch werbrießlicher heim. Die Veränderung |
Gemüths war augenfheinlihd genug, um felbft
feinen niedrigften Bedienten bemerkt zu werden.
ihm fehlen könne, war Allen unbegreiflich.
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[4
4 ma 103 - ,
Einer feiner erften Höflinge hieß Mondragone.
Bon Geburt ein Epanier, war er doch feit vier oder
fünf und zwanzig Jahren fhon in Florenz einheimiſch
geworden ; hatte felbft an der. Erziehung des Prinzen
und feines Bruders, Ferdinand, — damahligen Cars '
dinal von Medicis, vielen Antheil, obſchon herzlich
wenig Verdienſt gehabt. Denn er gehörte zu jener
zahllofen Claſſe von Hoffchranzen , die zuerft an ihren
Fürſten und nurjezumweilen — wenn es dbonnert,
oder wenn fie erfranfen, oder auch wenn ihr Ans
fehn wantt, — an eine Gottheit glauben. An
ibm hatte es wahrlih nicht gelegen: daß Großherzog
Franz nicht ein Stiefvater feines dandes ward; denn’
jeder Luſt des Jünglings hatte er gewillfahrt, manche
Begierden in ihm geweckt. Ein anſehnliches Amt und
ein detraͤchtliches Jahrgeld war ſein Lohn geworden.
Maͤnnern dieſer Art, welchen ein durchlauchtiges
Lächeln mehr als die zehn Gebothe, ein heimliches Wort,
von ihrem Regenten zugeflüftert,, mehr. als die ganze
Religion, und ein Schritt höher im fürftlihen Ver⸗
trauen mehr als Treu und Menſchlichkeit gilt, —
Männern diefer Art, wenn fe eınmahl den fchlüpfri⸗
nen Poften des Günftlings errungen haben, ift nichts
peinlucher, ald wenn fie bey ihrem Gebiether irgend ein
Geheimniß zwar wittern, doch nicht errathen
können. Mondragone beſchloß daher auch das Ge⸗
genwaͤrtige ausjufpöhen ; beſchloß, Franzen ins Herz zu
ſchauen, es möge koſten, was da wolle.
„Haben Eure Durchlaucht ((fragte er ihn eines Ta⸗
geb gleich früb nach den erſt en intrittöcomplimenten.) „ſchon
„das neue Singſpiel geſehen, das ber junge neapoli⸗
„tanifhe Tonkünftler gefept hat?” \
— 104
Bro6h. (etwas verdrießlich.) > Wi bu auch ſo
gen kannſt? Du biſt ja überall, wo ich bin ; wann fi
‚ich's gefeben haben ?
Monde. Man rühmt es mir, als vortreff
. Eine fo fröbliche, ſchöne Muſik und fo zärtliche A
ſou man nirgends kennen. Auch bie Fabel ſelbſt
gut verflochten und gut gelöst feyn.
| Großh. (gleichgũitig.) So!
Mondr..Die Hoffanger find ſchon ſeit vorgeſt
mit Erlernung deffelben fertig. Befehlen Eure Du
laucht es heute zu ſehen?
—Großh. Nein, gewiß nicht. Froͤhliche Mu
und meine Laune! Soll Jene durch Dieſe traurig, ©
Diefe tur Jene heiter werden?
” Mondr. Hoffentlich das Letztere.
&rofb. Eine fehr eitle Hoffnung! Völlig
naͤhmliche Plan, als wenn du den Paufenfgall |
einer Flöte überräuben wollteft.
Mondr. Der Kaufmann, ber das Bild von]
chael Angelo zu ſchaffen verſprach, ift wieder ba, a
bat Wort gehalten. Alles Lob veriiummt,'wenn u
es ſieht! Man fpricht lieber nichts, weil man fäb
fi) tod nicht genug darüber ausipreben ;u köonn
Die Miene in Lucretia’s Geiiht, dad Warme u
Werde ihres Fleiſches, die Schenheie ihred Buſen
dus Edle ın ihren ;urüdfullenten Gewändern ift
zausernd. Man wünſcht ſich Zereus Tarquinius
ſeyn „und wenn man aruich ein Königreich darüber verls
Großeh. Man tel’ es in die Gallerie!
Moendr. Und der Englänter, den Eure Dur
laucht neulich ſahen und zu reiten wilnfhten , it mn
won 305 um
ausgeforfht und feil gemacht. — Sqhoner, als er,
war nie ein Pferd; fen — —
Grofih. (ungeduldig.) Mondragons! Soll ih es
noch ein Mahl ſagen, daß meine beutige Laune traurig
iſt, und traurig ſeyn will! Du verlſuchſt umſonſt
j de Neuigkeit auszukramen, die mich ſonſt zerſtreuen
konnte; denn ſo uſt iſt wicht jetzt! — Blick in mein
Herz! lies in ihm, und dann!
Monde. Wie gern Iäff ich dariu, um ju ra⸗
then, und vielleicht zu helfen, wenn ich anders dürfte:
und Eönnte! Aber wer vermages, in einen verſchloſſe⸗
nen Schrank zu hiden?
Großh. (aitter lächeind.) Auch dann nicht, armer
angeblicher Menſchenkenner, wenn bfoß eine gläſerne
Thür ihn verwahrt? — Mondragone, man bedarf ja
wohl, dädre ich, keiner ſibylliniſchen Bücher, um den
Sram zu erraten, der an meinem Herzen nagt! —
Herr über ein glückliches, zahlreiches Volk, hin ich viele
leihe der einzige Unglückliche, wenigftend ganz gewiß
der Unglückli vſte dieſes Volks. Wie mander unter
Deuen, die meing Pferde fürtern, meine Zimmer faus-
bern, ruht, wenn die Stunden ber Arbeit dahin find,
‘au dem Buſen eined Weibes aus, das er liebt, das
ihn beſeligt; indeß ich ſeufzend wache, durch Staats⸗
feſſeln an eine Gemahlinn geſchmiedet, die mich haßt
und qualt.
Monde. Eure Durchlaucht!
Großh. {ver gleich wieder einfäut, mb ihn mit Wärme
Ben der Hand faßt.) Mondragone , du kennſt es ja ohnes
dem, diefes unruhig fhlagende Harz! Du haft ed ja
fon ſeit den Jahren beobachtet, wo nod ein recht
hocfliegender Ball mein erſter Wunſch, und eine neue,
— 1006 —
wit Brillanten beſetzte Hutſchleife mein Glück w
Du weißt es ja, wie zeitig Liebe mein ſtärkſtes X
türfniß ausmachte, und du fragfi noeh, warum
jegt mich grame ?
onde. Aber wie in aller Welt ift es möglich, d
diefes Bedürfniß ſtets, oder auch fo lange nur
nem Prinzen ungewahrt bleiben kann, den, als Ki
ftien, Alle anbethen; als Menſchen Alle fchögen, u
als Mann alle Weiber lieben müffen ? Warum ,
Prinz , wollen Sie, erbaben über alle menfhli
Geſetze, doch fo ängftlid fireng an menſchlichen S
bräuchen Hangen?— Sind der Schönen nit gen
am Hofe zu Florenz, die deym erften Winfe ihre:
Gebiether in die Arme ſinken, und burd die fröhli
ften Nächte der Liede ihm die wenigen traurigen Sta
den ter Ehe verguren würden? — Friſchen Mut ;
faßt, Eure Durthlaucht! Dem Sram nahbhänge
heißt ihn veritarken. Wer hat jemahls die-Mit
zu feinem Glück in Händen, wenn fie ein Fürſt ni
biste? — Geben Sie mir Befehl, geben Eie mir
nen einzigen Wink, und ih will Damen In Ahr E
mach führen, bey deren Reizen ber Neid felbit ſchw
gend erblajfen, und in deren Armen. fih Ihr glühe
der Durit nach Liebe und Schönheit gewiß reichlich |
friedigt finden fall.
Großh. Id danke bir, Mondragone, für d
nen Eifer, aber ich bedarf deinee Auswahl nicht.
D ich ſelbſt, ich felbft habe fie gefunden; nach dei
Liebe ich fo heiß verlange, als der geiagte Hirſch n
einem ruhigen Didicht.
Monde. (verwüunderungdvok;) Bi, „Eure Dut
laucht? — Sochon gefunden?! Fürwahr, ih erſtau
on 107 .
„Großh. Ja, ja, fage ich dir, ‚ich babe fie ger
funden, nad der ic) fo Heiß glühe, als ich noch nie:
mahls glühte. — Was ftaunft du fo ftarr darüber?
(gleihfam heteidigt.) Sol ich vielleicht ſtets durch frem-
de Augen ſehen und wählen! Soll ich eben fo vorten .
Altären der Liebe handeln , als ich es leider, . ewig
leider.! vor dem Altar der Ehe thun mußte! — Hat
denn ein Zürft gar Eein Herz, das ihr Grauſamen,
die ihr feine Füße zu küſſen fheint, und von feine
Beute lebt, immer fo über ihn fchalten wolk, als
wäre er das DOpfertbier , das ihr jegt mit Blumen
ſchmücken, jetzt ſchlachten, und jest nad Ägypterfitte
wieder göttlich verehren könnt? — Ha! bey Gott!
Thiere felbft haben: ja die Freyheit zu kieſen und zu ver⸗
werfen; und pur wir? — —
Mondr. Eure Durchlaucht erhitzen ſich ohne
Grund; Sie zürnen, obne daß ich den geringſten
Stoff zu ikgend einem Unwillen geben wollte. Wer
zweifelt wohl, daß Sie eben fo unbeſchraͤnkt Herr über
Ihr Herz, ald über unſer Aller Leben ind!—
Nicht darüber alfo flaunte ich vorbin, dag Sie Jenes
verfchenkten ; fondern nur, tafı Sie ſo unbemerkt es
thaten; daß man die edle Dame noch nicht einmahl
kennt, der dieſes Glück widerfuhr.
Groß h. (eerdrießlich.) Edle ! Edle Dame ? Warum
ſchen wieder eine Edfe? '
Monde. Am Reizund Seele meine ich.
Greßh.-Und dann, o fa, dann haft du recht!
dann ift fie die Perle in Florenz, gegen beren Rei;
dieſes ganze fhöne, große, reiche Lund mir nur eine
bleyerne Einfoffung zu feyn duͤnkt. — Die ganze Dauer,
in der ich ſie ſah, war zwar nur die. Dauer eines Au⸗
?
RIO 10B ua L
genblidd; aber, guter Himmel, welch' eines Aug
biides! — So ein Angefidht voll Würde, fo ei
Liebreiz, fold eine Harmonie in jedem Eleinften Zu
fo ein fternenhelles Auge ſah ih nimmer. — M
nie hörte ich zwar noch ein Wort von ihr; aber A
verfteht nichts, der ihre ſprechende Miene nicht ı
ſteht; in ihr ftand das ſchönſte Bild der ganzen wei
hen Zugend ausgedrüdt; in ihr — — Was läd
du? Glaubſt du nicht an weiblide Zugen
Weißt du nicht, was fie iſt?
Mondr. Wenigftens, was fie feyn follte.
babe ja genug Dichter und Romanenfhreiber gelefe
Großh. Und fie fonft nirgends gefunden I N
im Gange des wirklihen menfchlichen Lebens — 3
mit dir, Menſch! Du haft deine Weiberkenntniß nun
liederiihen Häuſern erworben !
Monde. Eure Durchlaucht! —
Großh. Dder hoͤchſtens, was oft noch ſchl
mer als ein Gemeinhaus ſeyn dürfte, in den Sch
jenmern derjenigen feilen Damen, beren id, leil
genug an ‚meinem Hofe babe; die jedem ſchoͤnen
gen, jedem durchreifenden Deutfchen,, jedem nen
oft noch unbezahlten Gallakleide zuminken ; und |
wer weiß, wie bitter, auf den Eeinften Liebesfe
ihrer beſſern Nachbarinn zu ſchmaͤhen pflegen. — W
Freund, wer weciblihe Tugend Täugnet, der ſchilt
Schöpferhand Gottes für eine Stümperhand, und
tritt den ſchönſten Ebdelftein im Kranze menſchl
Vorzüge.
Mondr. (gefameidig doch wit Anktand.) Berg
mir mein Fürft, wenn ich anzumerken wage, baf
verführeriſche Liebe auch hier ihre Allgewalt ausge
oo 109 AR
and feldft bey Eurer Durdlaudt ein wenig jenen Ad⸗
lerblick zu trüben verfucht habe, dem fonft nichts ſich
zu bergen vermag: — Sie widerlegen mie nun heute
{bon zum zwehten Mahl Wotite und Mienen, deren
ih mich — iwenigftens in der angenommenen Bedeu⸗
sung — nicht fhuldig weiß. Hab’ ih ja — mas ich
weder bejaben,, noch vetneinen kann — habe ih ja
vorhin gelädelt, fo geihah es nur, weil Eure Durchs
laucht mit ſolchem Eifer, mit fo gewißheitsvoller Kennts
niß von den Verdienſten einer Dame fprachen , die
Sie, Deko eigenen Vorten nad, nur einen Augen
blick hindurd fahen. — Darf ich mich erfühnen, zu
fragen: wer denn wohl .diefe Siegerinn ſey, die noch
mit größerm Rechte als Cäfar einft: Ich Eam, fah
and fiegte! ausrufen Eann %
Großh. (mireinem Seutzer.) Ah fragen, licher
Mondragone, fragen darfft du wohl, denn du weißt,
wie fehr ih dich ſchaͤtze; auch wirft du dem Liebetruns
Eenen leicht vergeben, wenn er unwillkuͤrlich im Rauſche
feiner Leidenfhaft nach feinem Freunde gefchlagen has
ben fellte. — — Aber wollte der Himmel, daß ich
dir nur eben fo leicht zu antworten vermöchte!
Alles, was ich von Derjenigen weiß, die jeßt mein
ganzes Selbſt beherrſcht, iſt nicht viel mehr, als dag
fie — zu Slorenz lebt, und daß ich das Haus Eenne,
wo fie wohnt. |
Monde. Wo ſie wohnt? O genug, genug, .
wenn wir Das nur willen! Mad Anffindung eines fols
hen Leitfadens, fol bie fernere Durdiwanderung bies
fes Labyrinths Hoffentlich keine Noth haben. — Wo
wars denn, daß Eure Duͤrchlaucht ſie zuerſt wpen⸗
*
ws. ıULoe we.
Großb. Als ih auf die Jagd ritt. — T
am Pallaſt der Bonateſta, nicht weit von der Ri
der Verkündigung , fteht ein Eleines, nur ein Ci
werk hobes, kaum vier Zenfter breites Häuschen ,
verblichener gelber Farbe. Dort, bortwohnt fie, wi
fibeinfich im tiefiten Staube; aber dennoch von
unentftellt, dennoch werth, Alles rings um fidh
überglänzen. Ihr großes, blaues, himmelvolles Aı
die liebenswürdige Beſcheidenheit ‚ .mit der ihr x
ſich fenkte, ihr — — — Doch nein! ih falle
Lob und Entzückung zurück, und Das will ih nid
Mondr. Aber, Eure Durchlaucht, mich di:
Sie ritten geflern auf die Jagd; und diefe Schu
mutb dauert ſchon viel langer %
Großh. Auch fah ich fie nicht geftern erſt;
ſie vor fuͤnf Tagen ſchon!
Mondr. Heiliger Gott, das nenne ich He
ſchaft über ſich ſelbſt! Glücklich, glücklich das Lan
welches ein Fürſt regiert, den ſelbſt die glüben!
Leidenſchaft nicht ganz zu unterjochen vermag!
Fünf Tage lang ſchon verliebt, und nodh.. ber allein
Vertraute feines Grams zu feyn; — fünf Tage le
von einer Flamme zu brennen, die ſonſt jeden Bit
fiund vernichtet, und doch noch jene. Macht nicht
nutzt zu haben, die das Schickſal Ihren Haͤnden r
lieb! Wahrlich, Eure Durchlaucht, das,iſt ein E
muth, mehr als zehn Siege auf dem Schlachtfe
werth! — Wohlan, ich gehe, um Alles aufzul
then, was Kopf und Geiſt vermögen, wab. Lift ı
Eifer Gutes herbey ſchaffen koͤnnen. Bin ich im we
gen Tagen nicht der Üerbringer einer guten Vo
ſchaft, fo Fämpft entweder das Schickſal ſelbſt ge;
vu. 111 vo...
mi, oder ih will unmerth meines hoben Poſtens,
unwerch Ihres Vertrauens, ja felbft des Lebens uns
werth feyn. (Seht ab.) on Ä
Tr —
In mancherley Unterhandlungsfädern erhielt das -
männliche Sefchlecht von, der Natur Vor;lige und Vor:
theile; doc in Liebeshändeln ift die größere Geſchick⸗—
lichkeit dem weiblihen Geſchlechter gan; unſtreitig zu
Theil geworden. Herzen zu verſtricken, zaͤrtliche Nei—
gung’ für ſich ſelbſt ſowohl, als für Andere, jetzt aus⸗
zuſtreuen, jetzt auszuforſchen — Das verſteht das Weib
unendlich beifer, als der Mann.
Auch Mondragone, fo viele Achtung er font für
feinen eigenen Kopf zu hegen pflegte ‚war do von
diefer Wahrheit fo vollfommen überzeugt, daß er jebt,
von feinem Fürſten mit dem Auftrag beehrt, Bianca
aussuforfhen und zu gewinnen, Eein ſichereres Mittel
wußte, als fpornftreihs: zu feiner Gemahlinn zu eis
len, ihr Alles anzuvertrauen, und ihrem Scarfjinne
die Einleitung diefes Handels forgfältig anzuempfehlen.
Zwar warf Signora mädtiglich ihr ohnedem aufs
geſtülptes Näschen in die Höhe, als fie hörte; in
welchem elenden Häusdyen die glückliche Diegerinn
wohne; zwar rief ſie das:
„Gott ſteh uns bey! Wohl gar eine ehrbare Bür⸗
„geröfrau 4” |
mit dem veraͤchtlichſten Tene aus; und ihr Seitenblick
verrieth deutlich genug den Gedanken: Wenn es we⸗
nigſtens unfer Eine wäre! Doch ſchon im voraus
hatte fih Mondragone auf Einwürfe diefes Schlage⸗
gewaffnet.
\
wur 112 won
„Nicht zu raſch — ſprach er; nicht zu x
meine Iheure, mit einem Tadel, der vielleicht
in Billigung übergeben dürfte! Auch ic) konnte
fangs kaum den Gedanken, den du fo eben äußert
unterdrücden; aber ein einziger Blick der Ealten 9
nunft machte, daß ich mich feiner ſchämte.
Sign. Mondr. mög) Wollte dw ı
wohl inden Stand ſetzen, auch fo ſcharfſichtig zu- fe
Monde. Won Herzen gern! Sieh, nod
vielleicht die Glückliche, die unfern Fürſten betht
auf die wahrfcheinfih bald halb Florenz mit Neib
Ken, deren Juwelen und Perlenfhmuck felbft- die 4
ſerstochter überftrahlen dürften — noch iſt fie viele
ihren, nädhften Nachbarn unbekannt und unbedeute
tft vieleicht vom niebrigften Stande: aber möchte
doch meinetwegen noch niedriger, noch bedeutur
tofer feyn; denn um defto mehr muß fie, wenn
Aun aus ihrer Dunkelheit hervorgeht, es Dem oder 3
fren verdanken, die ıhre Erhöhung zu beförtern q
wohl gar zu bewirken ſcheinen. — Obne mädhı
Verwandte, shne den Schutz von angefehenen Brüd
und Oheimen, bloß durch Das unteritügt, was
ſchnell wieder ſinkt und verfliege — durch ihren juge
lichen Reiz, muß fie, auch nur mir mäßigen X
ftande begabt, gleich beym eriten Eintritt in Die.gr
Welt, nah fremder Ecuge fi umfehn. Und ı
wird ihr dann naber feyn, als wır? Wem it fie d<
mehr verpflichtet ald uns! — Notürlich, daß ı
aud dann Dasjenige mır ihr theilen, mas der lie
teunfene Sean; ıhr zu Füßen legen wurd; und D
dürfte, wie ich hoffe, nicht viel weniger ald Aul
feun. Erfahren in den Kunften des Hofes, regieren ı
dann
wo 118 vr.
dann defto fiherer, weil wir mittelbar und durch
eine ungeübte Mittelsperſon regieren, und gebie⸗
then eben fo unbeſchraͤnkt Über ganz Florenz, als ehe⸗
mahls der Bohn des Perifles *) ber ganz Griechene
land; nur mit dem Unterſchiede: dag wir beſſer, als
dieſer Knabe, den Vortheil verſtehen werden, den
wir beſitzen,
Nicht immer hatten Mondragonens Gründe das
Gluͤck, bey feiner Gemahlinn für — unwiderleglich zu
gelten; doch dieß Mahl gab ſie ihnen wenigſtens im
Stillen Recht. Der Gedanke zu herrſchen — dieſe
uns Männern fo werthe, und ten Frauen fo un⸗
endlich theure Ausjiht — war nun hinlänglich,
die ftolze Signora ihres Adels vergeſſend, und zur
Beförderung eines embryoniſchen Liebeshandels will⸗
faͤhrig zu machen. Sie ſandte ſogleich Kundſchafter aus,
die nach Bianca's häuslichen Umftänden forſchen muß⸗
ten; erfuhr leicht Eines und das Andere, was ihr
Anlaß zu Plänen gab; und fuchte nun nichts eifris
ger, als bald mit der Mutter unfers Bonaventuri
zu ſprechen.
Auch hierzu fand ſich in Eurzem Gelegenheit. &ie
hörte, daß die alte Bonaventuri täglich sine gewiſſe
Peritkles pflegte bekannter Maßen oft ſcherzend zu feinen
Breunden zu ſagen: „die Aibdener herrſchen über Griechen⸗
„land; ich beherrſche die Athener z meine Gebietderinn
„iR Alpalia; Sie thut, was ihr Meiner Sobn begehrt.
„Dieter Knabe IR alfo Sriecheniands Her.”
Meißners Bianca Cap. 1. Th.
vos 114 voosä
Kirche zu beſuchen pflegte; fuhr des andern Tages zus
beflimmten Stunde hin, fand die Gefuchte, und nahm
dicht neben der armen andächtigen Betherinn ihren
Platz. — Als fie Beyde, Diefeihren wirklich en und
die Hofdame ihren fheinbaren Gottesdienſt voll⸗
endet hatten und weggehen wollten, nahm bie Letztere
von einem ſtarken Negen, der eben niederfiel, einen
Vorwand ber, ihrer Nachbarinn, die fie fhon vorher
freundlich gegrüßt hatte, einen Plag in ihrem Wagen
anzubiethen. Dian kann leicht ermeflen, wie fehe das
gute Mütterhen über diefen Vorfhlag flaunte, unb
wie höflich fie eine fo unverdiente Ehre fi) verbath;
aber Signora Mondragone verficherte fo Tiebreih, daß
fie ihr ſchon längft, fo wohl dem Anfehen nach bes
kannt, als ihrer Oottesfurdt wegen angenehm gewe⸗
fen wäre, und wiederhohfte ihr Anerbiethen fo ernſt⸗
lich, daß endlid die ehrliche Bonaventuri es body,
wiewohl unter taufend Entfhuldigungen und Beſorg⸗
niffen von Unſchicklichkeit und von verurfachter Ungele.
genheit, annehmen mußte.
. Große biefer Erde! nihtd, dünkt mich, fey für
euch, die ihr aus leicht begreiflihen Urfahen Satyre
fo wenig leiden Eönnt, eine beiffendere Satyre, als
jene Freude, die der fo genannte gemeine Mann
dann empfindet, wenn ihr jezumeilen (was noch übers
dieß taufend Mahl Verftellung und kaum ein Mahl
Redlichkeit zu ſeyn pflege) mit Herablaflung, oft nur
gar mit Menfhlihkeit, eure armern Brüder zu bes
bandeln geruht. — O ihr Ihoren, die ihr dann wohl.
gar mit dem erhaltenen Lobe euch krüftet! Man
wunbert fih nur über ungewöhnliche Begeben⸗
heiten; und ihr freuet euch des Zujauchzent, das euch
. won 215 wem
dann zu Theil wird, wenn ihr doch ein Mahl euh —
menſchlich zeigt? Es Eofter euch oft nur weniger Worte,
nur eines Blickes, um geehrt, geliebt, angebetber
fogar zu werben; und ihr Eönnt noch ohne die bren-
nendfte Schamröthe über den Haß Elagen, der eunch
gewöhnlich zu verfolgen pflege ?
Auch jetzt bewies Bonaventuri's Mutter » bag
diefe Ausfhweifung — die mir wahrfcheinlich ein ges
wiffer Theil meiner Refer nicht fonderlih verdanken
wird — menigitens fehr gegründet fey. Was. hätte
die arme Frau nit gern gethan, um fi) gegen ihre
neue Bekannte dankbar zu beweifen! In einer fo ſchön
vergoldeten Caroſſe, neben einer Dame zu figen; eines
fo freundlihen Geſprächs gewürdigt zu werden, o!
Das -war ihr eine Ehre; Das verfchaffte ihr beynahe -
mehr Entzücken, als fie manchmahl in den Stunden der
Trübfal von jenem leben ſich verfprochen hatte.
Signora Mondragone wußte bald das Geſopraͤch
dahin zu fpielen, wohin fie es haben wollte. Mit der
Frage: Wer denn ber junge angenehme Mann fey,
der fie zuweilen in und aus der Kirche begleitet fchloß
ſie der treuberzigen Schwägerinn dem Mund zu einem
ganzen Strom von Lobeserhebungen ihres einzigen,
geliebten Sohnes auf, und hörte ihr lange mit einer.
Aufmerkfamfeit zu, die aud an der Eleinjten Kleinig-
Eeit Theil zu nehmen ſchien.
* Ru]
* .
„Fürwahr,“ fing fie endlich an einzulenken; „es
„freut mich doch alle Mahl herzlich, wenn ich von der
„Ihaffenden Natur Dasjenige an der Seele eines
„Menſchen erfüllt finde, was fie in feinem Geſ ichte
H 2
soon 116 won u
„zu leiften verfprochen hat. Der Anitand biefes jungen
„Mannes gefiel mir ſchon längft; um defto mehr - muß
„ed mich jegt freuen, wenn ich höre, daß er eine fa
„brave Fran auh zur glüdliden Muster
„macht. — Mit feinen Gaben, mit feiner Bildung
„kann euerm Sohne eine höhere Ausſicht nicht ger
„brechen ; und er muß wenigftens einen fehr ſtarken
„Eindruck auf unfer Geſchlecht hervorbringen.”
Mutter (ſchmumelnd.) Hihihi! Das nun wohl
eben nicht, Em. Ercellen; — und wäre au Dem fo,
was hilfe ed ihm viel?
Sign. Montr Warum nicht ? Zaufend junge
Männer haben ſchon ihr Glück durch eine vortheilhafte
Heirath gemadt : ſollte Ahr Sohn denn nicht zu
einem gleihen Scidjale fid Hoffnung machen Eönnen %
Mutter Gmit bedeutendem Ahfesuden.) Freylich, frey⸗
lich, guter Gott! dachte ich ſonſt auch ſo zuweilen;
aber nun iſt es Punctum damit.
Sign. Mondr. Und weßwegen?
Muster (Halb unwillig nächelnd.) Weil chriſtliche
und florentiniſche Geſetze verbiethen, zwey Weiber
auf ein Madl zu haben.
— Sign Mondr Ah! &o% Iſt er bereitd ver⸗
heirathet?
Mutter. Leider!
Sign. Mondr. Und warum leider! Ich win
doch hoffen, daß ein fo braver Jüngling aud weiſe
gewehlt haben wırd. Wer iſt feine Gattinn?
Mutter. Eine Venetianerinn ; und wenn Schöne
beit, dornehme Geburt und ein engliſchgutes Der,
das ganze Glück der Ehe ausmachten, dann, Eure Ex⸗
"a
wma 117 war
rellenz, wäre mein Pietro der Seligfte aller Männer.
Aber leider waren: biefe drey Stücke auch der ganze
Brautfhag meiner Schwiegertodhter.
Sign. Mondr. Um Vergebung, Tiebe Mute
ter! Mid duͤnkt, eine ſolche Mitgift fey eben fo wüne
ſchenswerth, als ſelten. |
Mutter. Freylich wohl! freyfich wohl, Eure Ers
sellenz! Aber du lieber Gott! Schönheit und Tugend,
ganz ohne bare, Elingende Münze, bleiben immer
nur ein leichtes Sommerkfleid, das man im Wins
ger tragen will; es fey noch fo (hön, nod fo glans
gend, unbequem bfeibs es immer; denn fein Inhaber
erfriert foft darin.
Sign. Monde. Aber wie ſchickt fie ſich in ihre
gegenwärtige Lage? — Eine weiße weiche Hand ente
zieht ſich fonft gern der Arbeit.
Mutter. Mein, nein, Eure Ercellenz! Mein
Treu! Dos thut fie doch nichts und eben das iſt es,
was mich oft bitterlicd weinen macht. Eine größere
Ergebung, eine ungezwungenere Bereitwilligkeit zu je⸗
dem Gefcäfte, wovon ich ihr nur winke ober fage,
iſt pfotterdiggs unmdglih. Nie noch bat es ihr in irs
gend einer Arbeit an gutem Willen, und beynahe
eben fo felter an Kräften gemangelt.. Um Mitter⸗
nacht erft zu Bette, und mit Sonnenaufgang wieder
heraus, macht fie ot mich felbft, wider meinen Wile
Ien, zur Müffiggängerinn; und wahrlid mein Herz
blutet, wenn ich fehe, daß fie bey allen Dem fi) nie
euch nur einen Seufzer erlaubt. — Guter Gott! Ih
wollte ja gern Eümmerlih und elend gelebt haben,
wenn ich nur einft ruhig mis dem Bewußtſeyn ftärbe,
meine Kinder im Wohſſtaude zurüc zu laffen.
nern 118 oeva
Sign. Monde. Ein Wunſch, ber Ahnen f
erfüllt werden wird!
Mutter (ven Kopf ſchüttelnd. ) Ach nein! U
Unvermögen — —
Sign. Mondr. (fie ben der Hand faffend.) €
vieleicht bald verfchwinden! Brave Frau! Ihr E
muth und Shre ungekünftelte Erzählung rühren |
gleich ſtark. — So begierig ich ſonſt war, Sie ſ
kennen zu lernen, eben fo ſehr verlange mich jı
Ihre reizende S:chwiegertochter zu fehen und zu f
hen. Wir find reih; mein Mann befißt die Liebe
das Vertrauen eines Fürſten, von deſſen Stuhle
weinehde dürftige Unſchuld nie anders, ald mit &
denthränen und vollen Händen zurüd ging, Binde
— woran id niet zweifele — die Gattinn. Zi
Eohnes fo, wie Sie mir fie fchilderten; finde
diefen Sohn ſelbſt feinee Mutter werth; fo will
Alles, was ich durch meinen Gemahl über den Für
vermag, zu Ounften Ihrer Familie aufbiethen. U
leiht , daß man dann Ihren Sohn in Gefcdyäf
braucht, die feinen Wünſchen und Talenten beffer
gemeſſen find; oder daß feine Gattinn an bem +
unferer Großherzoginn gezogen wird, und bald
jeßige Dürftigkeit | mit Überfluß und Adhtung v
tauſcht.
Murter (ie ihr die Hand tuſſen wid.) O bi
Gnade —
Sign. Mondr. Nicht doch! Nicht doch! 8
für danken Sie mir? Für ein Verſprechen, das
gewiſſer Maßen mir ſelbſt thue. Glauben Sie mir,
fuhle zus gut die Laſt meines Standes, als nicht ai
das einzige Vorrecht deſſelben, die Sorge für k
wo. 119 oe
Wohl weiner Ärmern redlichen Mitbrüber, geniegen zu
wollen. Eine dankbare Thräne freut mich mehr, als
ein feftliher Bad, an welchem man neidifh meine Zus
welen anftarıt. Senden Sie morgen Ihre Schwiegers
tochter zu mir, und bann lailen Sie mid und den Him⸗
mel für das Übrige forgen!
Mutter. Verzeihen mir Eure Ercellenz, wenn
ich noch einen einzigen Zweifel frey heraus geſtehe. —
So unendlich Ihre Güte unſere Würdigkeit und meine
Hoffnung überſteigt, fo beſorge ich doch, es duͤrfte
Mühe koſten, meine Tochter zu dieſem Gange, we:
nigſtens auf morgen ſchon, zu bewegen. Seit ihrem
Eintritt in unſer Haus ſoll ſie auch noch den erſten
Schritt außer demſelben thun, und — lieber Gott!
ſie hat nur mehr als zu vielen Grund dazu. Der ganze
Vorrath ihrer Kleider beſteht in demjenigen, das ſie an
ſich tragt; und wenn ichs gerabezu befenne, daß diefer
ſchlechte mollenzeugene-Anzug mein Feſtagskleid fey, fo
werden Eure Ercellenz wohl ſelbſt auf unfere Üsrigen
ſchließen Eönnen. — Zudem ift ſie ſo ganz der Sthate
ten ihres Mannes, daß fie oßne feine Einwilligung —
Sign. Monbr. (acheind. Ba! Ha! Schwierige
Eeiten, bie ſich leicht heben Taffen! — Ihr Sohn ift ja
ein vernünftiger Mann; wie follte er wohl als ein
Solcher feinem eigenen Glück entgegenftreben ? Und was
die Kleidung betrifft, fo babe ih deren von aller Art
überflüffig genug, um auch diefem Mangel abzubelfen,
— Bon welder Statur ift Ihre Tochter ? |
Mutter, Ziemlich von gleicher mit Euer Excel⸗
lenz.
Sign. Mondr. Vortrefflich! Ganz alſo wie
ichs nur wünſchen konnte! — Morgen früh fell ein
urn YI2O sam
WBedienter von mir ihrer Tochter die Stunde mel
wo ich fie Nachmittags zu ſprechen wünſche, unt
gleich einen Anzug mitbringen, deſſen fie fi
Ihamen darf. — Meine eigene Kutſche fol fie |
abhohlen, und wenn Sie meine Freundſchaft ih
voraus verfihern: wern Sie ıbr den Vortheil von
Yen, der durch mid; und meinen Gemahl vielleich
vem ganzen Haufe zuwächſt: fo wird fie fiher von
ner Eindifhen Scham, oder von fonft einer Brille
Ihrem Beſuch fih hindern laſſen.
Der Wagen hielt jegt bey ber Wohnung der‘
naventuri; bie gute Frau ſchied mit taufend Dar
gungen von ber Dame, und war baum in ihr dun
Stübchen hineingefhlüpft, als ihre ganze Familie
ohnedem . durch den Anblick der fhönvergolderen ,
ibrem Haufe baltenden Caroſſe in nie geringe 2
wunderung gefegt worden war) ſich um fie ber verf
melte, und mehr in wenigen Augenbliden frag
als das arme Mütrterken bey allee Bereitwillig
und allem innern Drang zur Erzählung beantw
sen konnte.
Endlih Fam jie aber doch zu Athem und Wort
und gewiß; gröner war jene Kreude nicht, mit wel,
die Gefährten des Columbus bey der Rückkehr aus
neuen Welt ihre Entdeckungen durch halb Europa a
pofaunten, als diejenige, mit welcher jeßt das lei
glaͤubige Weibchen die Geſchichte diefes merkwürdt
Vormittags herplauderte. Da ward fein Wörth:
Roıne, Miene der Signora Mondragone vergeflen, ı
a 12 L vo
ihre ganze Rede ſchloß fich mit der Ermahnung an ihre
Schwiegertochter, einen fo glinftigen Wink des Glückt
ja nicht zu verſäaumen. |
Diefe Shtußermabnung, fo wie der guten
Mutter vorherige Umſtändlichkeit, war kei—
neswegs ganz überflüffig; denn Bianca, obſchon nicht
minder, als die übrigen Zuhörer, durch biefe- Erzäh:
lung überrafht, blieb doch lange unſchlüͤſſig, was fie
thun follte. Die Nachſuchungen ihres Waters und de:
ren Fortdauer, waren ihr gar wohl bekannt; fie Hatte
daher fhon oft gewuͤnſcht, fih einen Freyheitsbrief
vom Großherzoge erbitten zu können, ohne auf eine
Öelegenpeit hierzu hoffen zu dürfen. Jetzt zwar ſchien
diefer glüdlihe Angenblid vorhanden, und der Weg
zum Fuͤrſten ihr eröffnet zu ſeyn. — Aber der Gedanke:
„Wie, wenn dieß Alles ein Fallſtrick, Mondragone
ein Sreund deines Vaters, und biefer vergefchlagene
Beſuch ein Mittel dic aufzufangen wäre 1’ flieg eben
fo ſchnell und kräftig in ihr empor. Die menſchliche
Seele, von Natur geneigter ein großes Unglüd,
als ein großes Gluͤck zu glauben, gibt in dergleichen
Sälen den Beforgriffen auh immer Wahre
ſcheinlichkeit, und Die ſchwankende Bianca theilte
baher Beydes, Hoffnung und Zweifel, ihrem Gemahl
mit, auf defien Ausſpruch fie ihre eigene Entfgeibung
simzlih ankommen ließ.
Jedoch bey ihm, deffen herrſchende Leidenſchaft,
gleih nach der Liebe, Eitelkeit war, überwog bie
Hoffnung den Argwohn bey Weitem. Er beftürmte feine
Sattinn mit Zureden und Anrathen, und fie gehordte
ihm willig. — Auch die Spanierinn hielt in. beyden
Puncten getreulih Wort. Ihr Bedienter brachte Biam .
' oa 122 we
ca eine anfländige Kleidung, und ihre Wagen be
Mutter und Tochter zur beftimmten Stunde ab.
Die ganze Unterrebung vom Anfange ‚bis €
bier aufzuzeichnen wäre zweckloſe WeitläuftigEett. 9
kann gar zu leicht von felbft fich vorftelen, womit |
Zufammenfunft begann.
" Die ältere Bonaventuri trat herein mis elle:
fen DVerbeugungen , und mit einer ganzen Predt
„Bie fehr fie fih ſchaͤme, überläftig zu feyn! Wie
„überfhwänglicde Gnade ihnen wiberfahre! Wie
„entfchloffen ihre Zochter deweien fey, ob fie ed
„wagen dürfe! Wie man gleihwohl fo hohen We
„nicht unbefolgt laſſen woßen” — u. f. w.
Bianca hingegen fprad in den erften einigen '
nuten nur ein Paar Worte. Schücternheit und .ein
wifes Mißtrauen mahlte fih in ihren Blicken.
flammende Röthe ihrer Wangen, und ein leifes,«
ganz unbemerkbared Zittern ihres Körpers verriet
innere Bewegung. Doch war, was fie ſprach,
im Ausdrucke, echt befcheiden im Vortrag. She T
ihre Art fih zu halten, ihre Verbeugung ſchon ze
ten von vorbergegangener Bildung. Die Spanieri
als fie Bianca mit neugierigen Blicken mufterte,
ftand ſich heimlich ſelbſt: ein fhönered Frauenzim
babe ſie noch nie geſehen; ſchloß ſehr richtig aus bi.
Augen und dieſen wenigen Worten: daß ihr Umg
nicht mindern. Liebreiz als ihr Äußeres haben dür
fand des Großherzogs Thorheit doch nun ſchon ein.
nig verzeihlicher; konnte aber durchaus nicht begreif
woher ihr, ſelbſt als Kaufmannstochter, dieſer we
hart feine Anſtand eigen geworden ſey.
Nuht bloße Schmeicheley war ed daher, als D
nn 193 vom '
na Mondragone in Lobeserhebungen ihrer j jungen, neuen
Freundinn, — wie fie Bianca zu nennen geruhte —
ausbrach; und wenigſtens für etwas redlicher, als
fonft böfiſche Verfprechungen zu feyn pflegen, konnte
ihre Rede dann gelten, als fie zu allen niöglichen
Freundfihaftsdienften für die Zukunft ih erboth! — -
Auch widerftand die unbefangene Bianca fo lockenden
Zuredungen nit. Ihr Argwohn verflog, ihr Ver«
trauen erwachte. So raſch, daß es die Dame nie .
hindern Eonnte, beugte fie fi) nieder, drückte die Lippe
auf ihre Hand, und rief:
Bianca. Hätte ich auch zehnfache Kraft des
menſchlichen Zunge, dba ich Faum mit einfacher begabt
worden bin, fo würde ich doc) die Empfindungen nicht
auszudrücken vermögen, die beym Anerbiethen Euer
Ercellenz meine Seele durchſtrömen. Zu groß ift zwar
diefe Güte; doch fie ganz ungenügt zu laſſen, Fönnte
leichte für Verſchmähung oder Thorheit gelten. Auch
weiß ich jet nur einen einzigen Gall, wo ich ‘von ihr
Gebrauch zu machen wünſche und fiehe. \
Mutter rür ns.) Einen Einzigen? Sehr genüge
fam, Gott verzeih's ihr! Ich wüßte wenigftend ein
Dugend hülfsbedürftiger Fälle.
Sign. Mondr. Und warum fagen Sie ihn dann
nicht gleich heraus, liebe Bianca? Ich bin zu jeder Ge⸗
währung Ihrer Bitten bereitwilliger, ald Gie ed zum
Vortrag derfelben feyn können.
Bianca. Glücklich in der Liebe meines Gatten,
glücklich in meiner häuslichen Lage, wo bisher ung
wenigitens noch nie erwas zur Nothdurft gebrad,
babe ih nur einen einzigen Kummer, und diefen
wünſchte ich unmittelbar in einer Bitrfchrift meinem
124 ww
Kürften vortragen zu dürfen. — Ein Rort, ein W
ein Federzug von ihm machte mich dann zur Beneibt
würdigften meines ganzen Geſchlechts.
Sign. Wirklich? — Aber Ihre gute Mu
Hagte ja neulich auch über die Dürftigkeit ihres H
fes, und fiber die unwürdigen Beſchaͤftigungen, zu
nen Sie ſich oft herablaſſen müßten.
Bianca (etwas beſchamt.) Das hätte meine M
ter gethan?
Mutter. Sa wohl, liebe Tochter. FW
diefes Verfielen? — Deine Zurücdhaltung —
Bianca (eufsuen.) Iſt nicht Zurückhaltu
wenigſtens nicht Heucheley. Der Reichthum der —
friedenheit iſt freylich oft nur ein einge bil
ter Reichthum, aber dennoch der unfhäsbar
von allen. Mein jetziges Loos — (Dis Thär des Gew
oͤffnet ſich.)
Sign. Ha, mein Gemahl! Schon vom ©&
zierritt zur? Das freut mich; fürwahr, das fe
mid.
Mondr. (im Hereintreten.) Vergebung meine J
men, wenn ich ftoren ſollte!
Sign. Nicht doch, liebfter Gemahl! Sie ko:
ten nie gewünſchter, nie gerufener Eommen; denn
eben bedurften wir Ahrer. — Gehen Sie (indem fie
Bianca rorfelie) bier eıne ber fiebendwürdigften Per
nen meines Gefchlechts, ſammt ihrer würdigen M
ter; Beyde zwar erft nanz feit Kurzem meine ‚freund
nen, aber auch dafür defto wärmer von mir geliebt
Mondr. (täyeind.) Selbſt wenn Neuheit mi
eine fo günſtige Empfehlung in Frauengunſt zu fü
sflegte, würde ich doch gleich beym erſten Büd ı
wen 2185 mm
Ibre Freundinn ben Vorzug, den Sie ihr geben, ges .
muthmaßt und gebilligt haben. (Bu Biancd®mis einer
höftichen Verbeugung.) Ich war fonft eitel genug zu glau⸗
ben, daß ich alles Reisende in Slorenz kenne; bes
fhämt ſehe ich, daß ich mich bis jegt gewaltig ierte. —
Darf ih Sie um. Shren Nahmen bitten, ſchönſte
Signora? |
Bianca (mis niebergefhlagenen Augen und Erräthen.)
Martela Bonaventuri. .
Monde. Ich firitt geftern erit mit einem Engs
ander: ob Welfchland oder Brittannien die größten.
weiblihen Schönheiten erzeuge? — Jeder von uns
blieb, wie gewöhnlich, bey feiner Meinung. — Wie
unendlich bedaure ich nun, daß er ſchon heute früh
abgereifet ift! Ein Blid, sin Bild pon Ihnen entſchiede
gewiß unfern Streit, und ich würde Gieger feyn.
Bianca. Euer Erzeßenz,meine Befhämung —
meine Selbſtkenntniß — vergeben Sie, wenn ich, fo
niedrig als ih bin, Sie doch ;u bitten wage, daß
Ihr jchmeichelhafter Spott meiner fchonen möge.
Sign. Spott? Nein gewiß, meine liebe Frem⸗
de, mein Gemahl ſchmeichelt nicht, und fpottet noch
minder; er fpricht nur wahr! Zehn Jahr früher würde
ih, fo ſebr ich Sie auch liebe, mich wohl gehüthet haben,
ſeinen Beſuch in Ihrer Gegenwart anzu⸗
nehmen. 2
Monde. Und id bin viel zu wahrheitäliebend,
ald Ihrer Vorſicht nicht die Gründlichkeit einzuräumen.
— Aber Fremde fagten Sie, tiebe Gemahlinn? —
Signora find alfo eine Fremde?
Bianca. Eine Benetianerinn von Geburt, aber
un 126 um
feit meiner Heirath Ihrer großherzoglichen Durchla
demüthigſte sreuefte Unterthaninn.
Sign. But, daß Sie mid daran erinn
(Zum Gemahl.) Mein Befter, unfere Freundinn wäı
dem Großberzog eine Bittſchrift überreichen zus din
Ich habe ihr zur Unterftügung derfelben ſchon alle m
geringen Kräfte zugefagt, und ih zweifle nicht,
fie auch auf die Ihrigen wird rechnen können.
Mendr. O gern, fehr gern! Man bat noch
Beyſpiel, Signora, daf die Grazien eine Fehll
gethan haͤtten. Mein ganzer Wille und mein ga
Vermögen ift Ihnen beyzuſtehen erböthig; und.
nit bloß, weil. Sie es jo fehr verdienen, fon!
weil ih auch im Voraus überzeugt bin, (mie Sebemtn
Blide) daß meinem gnadigiten Heren Ihr Anbrir
‚ nide mififallen werde. Sagen Die mir daher frey
aus, Signora, um was foll id Seine Durchla
in Ihrem Nahmen bitten?
Bianca (etwas verlegen.) Ilm was? — Um w
— Wahrlich diefe Frage, fo billig fie feyn mag —
(ſich faſſend.) Entſchuldigen Sie mich, edelſter Mar
wenn id, wiewohl mein Herz vom Gefühle SZ
Huld überfließt, doc freymüthig zu befennen wa
Mein Anliegen Bann nur einzig Ihro Durchlaucht fel
ohne Zeugen und aus meinem eigenen Munde, ı
nehmen. — &o gewiß mir Ihre Großmuth für die @
verkeit Ihres Verſprechens gutjagt, fo it doch Di
was id) wünſche, das einzige Geheimniß, welches
felbit vor den enridiedeniten Zierden der Menſchh
nur ver meinem Fürſten nicht, verihmeigen muß; ı
Alles, warum ich flehe, iſt eine Mudienz bey Sr
Durchlaucht.
won Jar even
Mondr. Und Dieß alles fol Ihnen gewährt werz
den! So beleidigend ein ſolches Mißtrauen vieleicht
in jedem andern Munde flr mid) ſeyn würde, fo foll
doch keineswegs dadurch mein Eifer für Sie erkalten.
Übermorgen um dieſe Zeit, aufs Tängfte-gerechnet, has
ben Sie fiher fhon Gehör gehabt, dafür ftehe-ich Ihe
nen mit meinem Kopf und Leben. — (Mit laqelnder ger
deimnißvoller Miene.) Und vielleicht wechſelt dann die
Ordnung des Bittens und Gewährens Eünfe -
tighin unter und Beyden ab.
Bianca (detreten.) Euer Ercellenz, dieſe dunkle
Sprache —
Mondr Wird Ihnen bald licht werden, ſchoͤne
Bonaventuri! (Nach der Uhr ſehend.) Aber jetzt rufen
mich meine Geſchaͤfte. Nie vielleicht waren ſolche mir
laͤſtiger; aber doch muß ich gehorchen. Leben Sie wohl!
(Sept mit einer hoͤflichen Verbengung ab.)
Bianca Gie ſich auf einen Augenblick niederfeht, und
ihre Geſicht mit der hohlen Hand verdedt.) Ha! beynahe möchte
ih Dieß alles nur für einen füßen Traum halten.
Mut ter (He freundtih auf die Achſel Flopfend.) Nicht
doch, liebe Tochter, nicht doch! wir wachen! Oder
wenn Dieß bloß ein Ruftgefpinnft feyn follte, — guter
Gott! dann wollte ih deine ganze liebe Wirklichkeit
dafür hingeben. — Doch es wird Zeit, uns Em. Er:
cellenz wieder zu empfehlen.
Sign. Empfehlen? Weggehen, gute Mutter,
werden Sie fagen wollen; weggehen, um bald wieder
zu kommen. Sch liebe jene Umſtände nicht, fo ſebr
aud mein Vaterland fonit das Waterland der Ceremo⸗
nien zu ſeyn pflegt *). — Aber ehe Sie Abſchied neh⸗
Ich Hefte, man wird nicht vergeffen haben, deß Diondras
goue ſpaniſcher Abkunft war.
\ı
wo ich fie Nachmittags zu ſprechen wünſche, und zus
urn 120 sam
Medienter von mir ihrer Tochter die Stunde melden,
Hgleih einen Anzug mitbringen, deſſen fie fih nicht
Thamen darf. — Meine eigene Kutſche fol fle dann
abhohlen, und wenn Sie meine Sreundfchaft ihr im
voraus verfihern:; wenn Die ıbr den Vortheil vorſtel⸗
Ten, der durch mic, und meinen Gemahl vielleicht th⸗
vem ganzen Haufe zuwächſt; fo wird fie ficher von kei⸗
ner Eindifhen Scham, oder von ſonſt einer Grille, an
ihrem Beſuch ſich hindern laſſen.
Fuel
Der Wagen hielt jegt bey ber Wohnung der Bon
naventuri; bie gute Frau ſchied mit tanfend Dankſa⸗
gungen von ber Dame, und war Baum in ihr dunkles
Stübchen hineingefchlüpft, als ihre ganze Yamilie (die
ohnedem durch den Anblick der fhönvergolderen ,. wor
ihrem Haufe haltenden Caroffe in nice geringe Vers
wunderung gefeßt worden war) ſich um fie her verfams
melte, und mehr in wenigen Augenbliden fragte,
ald das arme Muͤtterchen bey aller Bereitwilligkeis
und allem innern Drang zur Erzählung beantwors
sen konnte.
Endlich Fam fie aber doch zu Athem und Worten,
und gewiß; größer war jene Freude nicht, mit welder
die Gefährten des Columbus bey der Rückkehr aus den
neuen Welt ihre Entdeckungen durd halb Europa aus⸗
poſauntén, als diejenige, mit welcher jeßt das leicht⸗
gläubige Weibchen die Geſchichte diefes merkwürdigen
Vormittags berplauderte. Da ward fein Woͤrtchen,
Aane Miene der Gignora Mondragone vergeffen, und
ss. 121 ns
ihre ganze Rede ſchloß ſich mit der Ermahnung an ihre
Schwiegertochter, einen fo glinftigen Wind. des Stüds
ja nit zu verfäumen. '
Diefe Shkußermahnung, fo wie der guten
Mutter vorherige Umſtändlichkeit, war kei—
neöwegs ganz überflüffig; denn Bianca, obfchon nicht
minder, als die übrigen Zuhörer, durch biefe- Erzaͤh⸗
lung überraſcht, blieb doch lange unſchlüſſig, was fie
tbun follte. Die Nachſuchungen ihres Waters und de:
ren Fortdauer, waren ihr gar wohl bekannt; fie hätte
daher (don oft gewuͤnſcht, fih einen Freyheitsbrief
vom Großherzoge erbitten zu können, ohne auf eine
Gelegenpeit. hierzu hoffen zu dürfen. Jetzt zwar ſchien
diefer gluͤckliche Augenblid vorhanden, und der Weg
zum Fürften ihr eröffnet zu ſeyn. — Aber der Gedanke:
„Wie, wenn dieß Alles ein Fallſtrick, Mondragone
ein Freund deines Vaters, und biefer vorgefchlagene
Beſuch ein Mittel dich aufzufangen wäre?” flieg eden
fo ſchnell und Eräftig in ihr empor. Die menſchliche
Seele, von Natur geneigter ein großes Unglüd,
als ein großes. Gluͤck zu glauben, gibt in dergleichen
Faͤlen den Beforgriffen auch immer Wahre
ſcheinlichkeit, und bie ſchwankende Bianca theilte
daher Beydes, Hoffnung und Zweifel, ihrem Gemahl
mit, auf deſſen Ausſpruch ſie ihre eigene Entſcheidung
gzoͤnzlich ankommen ließ.
Jedoch bey ihm, deſſen herrſchende Leidenſchaft,
gleich nach der Liebe, Eitelkeit war, überwog bie
Boffnung den Argwohn bey Weitem. Er beftürmte feine
Sattinn mit Zureden und Anrathen, und fie gehorchte
ihm willig. — Auch die Spanierinn hielt in. beyden
Puncten getreulih Wort. Ihr Bedienter brachte Biau⸗
' oa 122 wm
ca eine anftändige Kleidung, und ibe Wagen hohlte
Muster und Tochter zur beffimmten Stunde ab.
Die ganze Unterredung vom Anfange bis Ende
hier aufzuzeichnen wäre zweckloſe Weitläuftigkelt. Man
kann gar zu leicht von felbft ſich vorſtellen, womit diefe
Zuſammenkunft begann.
Die ältere Bonaventuri trat herein mit ellentie-
fen Verbeugungen , und mit einer ganzen Predigt:
„Bie fehr fie fih ſchaͤme, überläftig zu feyn! Wie viel
„überfchwängliche Gnade ihnen widerfahre! Wie. uns
„entichloffen ihre Zochter geweſen fey, ob fie es au
„wagen dürfe! Wie man gleihwohl fo hohen Befehl
„nicht unbefolgt laſſen woßen” — u. f. w.
Bianca hingegen ſprach in den erften einigen mi⸗
nuten nur ein Paar Worte. Schüchternheit und ein ge⸗
wiſſes Mißtrauen mahlte ſich in ihren Blicken. Die
flammende Roͤthe ihrer Wangen, und ein leifes, nicht
ganz unbemerkbares Zittern ihres Koͤrpers verriethen
innere Bewegung. Dod war, was fie ſprach, nett
im Ausdrucke, echt befcheiden im Vortrag. Ihr Ton,
ihre Art fich zu halten ‚ ihre Verbeugung ſchon zeugs
ten von vorhergegangener Bildung. Die Spanierinn,.
als fie Bianca mit neugierigen Blicken muſterte, ges
ftand ſich heimlich ſelbſt: ein ſchöͤneres Frauenzimmer
habe ſie noch nie geſehen; ſchloß ſehr richtig aus dieſen
Augen und dieſen wenigen Worten: daß ihr Umgang
nicht mindern. Liebreiz als ihr Außeres haben dürfte,
fand des Großherzogs Thorheit doch nun [hen ein wes
nig verzeihlicher; Eonnte aber durchaus nicht Ergreifen:
weber ihr, ſelbſt ald Kaufmannstochter, diefer wahrs
haft feine Anıtand eigen geworden fey.
Nicht Hope Schmeicheley war es daher, als Don⸗
on 183 rom '
na Mondragone in Lobeserhebungen ihrer j jungen, neuen
Freundinn, — wie fie Bianca zu nennen geruhte —
ausbrach; und wenigftens für etwas redlicher, als
fonft böfiſche Verſprechungen zu feyn pflegen, konnte
ihre Rebe dann gelten, als fie zu allen niöglichen
Sreundfchaftsdienften für die Zukunft fi erboth ! —
Auch widerftand die unbefangene Bianca fo lockenden
Zuredbungen nit. Ihr Argwohn verflog, ihr Wer«
trauen erwachte. So raſch, daß es die Dame nicht .
hindern Eonnte, beugte fie fi nieder, drückte die Lippe
auf ihre Hand, und rief:
Bianca. Hätte ih auch zehnfache Kraft deu
menfchligen Zunge, da ich kaum mit einfacher begabt
worden bin, fo würde ich dody die Empfindungen niche
auszutrüden vermögen, die beym Anerbiethen Euer
Ercellenz meine Seele durchſtrömen. Zu groß ift zwar
diefe Güte; doch fie ganz ungenügt zu laſſen, Eönnte
leihe für Verſchmähung oder Thorheit gelten. Auch
weiß ich jegt nur einen einzigen Gall, wo ich von ihr |
Gebrauch zu machen wünſche und flehe.
Mutter (für na.) Einen Einzigen? Sehr genüge
fam, Gott verzeih'3 ihr! Ich wüßte wenigftend ein
Dugend bülfsbedürftiger Fälle.
Sign. Mondr. Und warum fagen Sie ihn dann
nicht gleich heraus, Tiebe Bianca? Ich bin zu jeder Ge⸗
währung Ihrer Bitten bereitwilliger, ald Sie ed zum
Vortrag derfelben feyn Eönnen.
Bianca. Glücklich in der Liebe meines Gatten,
glücklich in meiner hauslihen Lage, wo bisher uns
wenigftens noch nie erwad zur Nothdurft gebrach,
babe ih nur einen einigen Kummer, und biefen
wünfchte ich unmittelbar in einer Bitiſchrift meinem
wn. 124 m
Kürften vortragen zu dürfen. — Ein ort, ein Wü
ein Gederfug von ihm machte mich dann zur Beneiber
würdigften meines ganzen Geſchlechts.
Sign. Wirklich? — Aber Ihre gute Mutt
Hagte ja neulich auch über die Dürftigkeit ihres Ha
fes, und fiber die unwürdigen Befhäftigungen, zut
nen Sie ſich oft herablaſſen nrlhten. .
. Bianca (emasseiham) Das hätte meine Mu
ter gethan?
Mutter. Ja wohl, liebe Tochter. Was f
dieſes Verſtellen? — Deine Zurückhaltung —
Bianca (enfauend.) Iſt nicht Zurückhaltun
wenigſtens nicht Heucheley. Der Reichthum der 3
friedenheit iſt freyfich oft nur ein eingebild
ter Reichthum, aber dennod ber unfhäsbarf
von allen. Mein jegiges Loos — (Die Ei bed Gem⸗
Sffnet fi.)
Sign. Ha, mein Gemahl! Shen vom Sp
zierritt zurück! Das freut mich; fürwahr, dab fee
mid. |
Mondr. (im Heeintreten.) Vergebung meine D
men, wenn ich ftören ſollte!
Sign. Nicht doch, liebſter Gemaht! Sie fon
ten nie gewünſchter, nie gerufener Eommen; denn
eben beturften wir Ahrer. — Sehen Ste (indens fie i
Bianca rorfen:) hier eıne ber fiebendwürdigften Per!
nen meines Geſchlechts, ſammt ihrer würdigen Miu
ter; Beyde zwar erft ganz seit Kurzem meine Freundi
nen, aber auch dafür defto wärmer von mir geliebt.
Mondr. (tägeind.) Selbſt wenn Neuheit ni
eine fo glinftige Empfehlung in Krauengunfi zu fe
sflegte, würde ich doch gleich beym erften Blick a
wen 285 um
"pre Sreundinn den Vorzug, den Sie ihr geben, ge
muthmaßt und gebilligt haben. (Yu Biancd® mit einer
höftihen Berbeugung,) Sch war fonft eitel genug zu glau⸗
ben, daß ich alles Reisende in Florenz kenne; bes
fhämt ſehe ich, daß ich mich bis jest gewaltig irrte. —
Darf ih. Sie um. Shren Nahmen bitten, ſchönſte
@ignorat |
Bianca mis niedergefehfagenen Augen und Errdthen.)
Martella Bonaventuri. on
Mondr. Sch firitt geftern erft nit einem Eng⸗
länder; ob Welihland oder Brittannien die größten.
weihlihen Schönheiten erzeuge ? — Jeder von uns
blieb, wie gewöhnlich, bey feiner Meinung. — Wie
unendlich bedaure ich nun, daß er fhon heute früh
abgereifet ift! Ein Blid, sın Bild pon Ihnen entſchiede
gewiß unfern Streit, und ic) würde Gieger fepn.
Bianca. Euer Erzelenz,.meine Beſchäniung —
meine Selbſtkenntniß — vergeben ie, wenn ich, fo
‚niedrig als ih bin, Sie doch ;u bitten wage, daß
Ihr ſchmeichelhafter Spott meiner fchonen möge.
Sign. Spott? Nein gewiß, meine liebe Frem⸗
de, mein Gemahl ſchmeichelt nicht, und fpottet noch
‚minder; er ſpricht nur wahr! Zehn Jahr friiher würde
ich, fo ſebr ich Sie auch liebe, mich wohl gehüthet haben,
ſeinen Beſuch in Ihrer Gegenwart anzu⸗
nehmen. U
Mondr. Und ic bin viel zu wabhrheitsliebend,
ald Ihrer Vorſicht nicht die Grünplichfeit einzuräumen.
— Aber Fremde fügten Sie, tiebe Gemahlinn? —
&ignora find alfo eine Fremde?
Bianca. Eine Venetianerinn von Geburt, aber
won 126 um
feit meiner Heirath Ihrer großherzoglichen Durchlaucht
demüthigſte treuefte Unterthaninn.
Sign. But, daß Sie mich daran erinnern &
(Zum Gemahl.) Mein Befter, unfere Freundinn wünſcht
dem Großberzog eine Bittfchrift überreichen zu dürfen.
Ich habe ihr zur Unterftügung berfelben fhon alle meine
geringen Kräfte zugefagt, und ich zweifle nicht, daß
fie auch auf die Ihrigen wird rechnen Eännen.
Mondr. DO gern, fehr gern! Man bat noch Eein
Beyſpiel, Signora, daß die Grazien eine Zehlbitte
!
gethan hatten. Mein ganzer Wille und nrein ganzes
Vermögen ift Ihnen beyzuſtehen erböthig; und Das
nicht bloß, weil. Sie es jo fehr verdienen, fondern
weil ih aud im Voraus überzeugt bin, (mir bedentendem
Btide) daß meinem gnabigiten Heren Ihr Anbringen
nicht miffallen werde. Sagen Sie mir daher frey her⸗
aus, Signora, um was foll id Seine Durchlaucht
in Ihrem Nahmen bitten?
Bianca (etwas verlegen.) Im was? — Um was?
— Wahrlich diefe Frage, fo billig fie feyn mag — —
(ſich faſſend.) Entfhuldigen Sie mich, edelfteer Mann,
wenn ich, wiewohl mein Herz vom Gefühle Ihrer
Huld überfließt, doch freymüthig zu bekennen wage:
Mein Anliegen kann nur einzig Ihro Durchlaucht felbft,
ohne Zeugen und aus meinem eigenen Munde, vers
nehmen. — &o gewiß mir Ihre Großmuth für die Lau⸗
terkeit Ihres Verfprechens gutfagt, fo it doch Dieß,
was ich wünſche, das einzige Geheimniß, weldes ich
felbit vor den enrfhiedeniten Zierden der Menſchheit,
nur ver meinem Fürſten nicht, verfhweigen muß; und
Alles, warum ich flede, iſt eine Audienz bey Weiner
Durchlaucht.
won 127 mm
Mondr. Und Dieß alles foll Ihnen gewährt were
den! &o- beleidigend ein ſolches Mißtrauen vieleicht
in jedem andern Munde für mich feyn würde, fo foll
doch keineswegs dadurch mein Eifer für Sie erkalten.
uͤbermorgen um dieſe Zeit, aufs laängſte gerechnet, ha⸗
- ben Sie ficher ſchon Gehör gehabt, dafür ftehe-ich She
. nen mit meinem Kopf und Leben. — (Mit laͤqelnder ger
beimnißvoiier Miene.) Und vielleicht wechſelt dann bie
Ordnung des Bittens und Gewährens Eünfe -
tighin unter ung Beyden ab.
. Bianca Uetreten.) Euer Ercellenz, dieſe dunkle
Sprache —
Mondr. Wird Ahnen bald licht werden, ſchöne
Bonaventuri! (Nach der Uhr ſehend.) Aber jetzt rufen
mich meine Geſchäfte. Nie vielleicht waren ſolche mir
laͤſtiger; aber doch muß ich gehorchen. Leben Sie wohl!
(Bene mit einer hoͤflichen Berbeugung ab.)
Bianca vie fid auf einen Augenblick niederfeht, und
ihr Geſicht mit der hohlen Hand verdedt.) Ha! beynahe möchte
ih Dieß alles nur für einen füßen Traum halten.
, Mutter (fie freundtih auf die Achfel Flopfend.) Nicht
doch, liebe Tochter, nicht doh! wir wachen! Oder
wenn Dieß bloß ein Luftgefpinnft feyn follte, — guter
Gott! dann wollte ih beine ganze liebe Wirklichkeit
dafür bingeben. — Doch es wird Zeit, uns Em, Cr:
cellenz wieder zu empfehlen.
Sign. Empfehlen? Weggehen, gute Mutter,
werden Sie fagen wollen; weggehen, um bald wieder
zu kommen. Sch liebe jene Umftande nicht, fo febr
auch mein WBaterland fonit das Vaterland der Ceremo:
nien zu ſeyn pflegt *). — Aber ehe Sie Abſchied neh:
) Ich hoffe, man wird nicht vergeſſen haben, daß Mondraa
gone fpanifcher Abkunft war.
en ARD 44
men, muß ih Ihnen doch noch einen Theil dieſes Pal⸗
laſtes, unſers Gartens und der verfchiebenen Kunſt⸗
werke in Beyden zeigen. Vielleicht, daß Ihnen Einiges
davon gefällt.
Bianca, O daran zweifle ich nicht; nur —
Sign. (einfaliend : mit angenommener Dienffertigfeit.)
Ich verfiehe! — Ihre gute Mutter wird bereits vom
Alter ſchwach zu Zuße geworben feyn. Aber eben deß⸗
balb mollte ich fie bitten, unfer indeß bier zu ware
ten. Es werten fogleich Erfrifhungen hergebracht wer«
den. Kürzen Sie fi) mittlerweile, fo gut ald möglich,
die Zeit damit!
Mutter. Nicht doch, Euer Excellenz! — Dem
Himmel fey Dank, noch —
Sign. (einfaltend.) Nein, nein, Eeinen Zwang!
Sn einem Viertelitündchen fehen wir und wieder. (Nnimmt
hurtig Bianca und geht mit ihr ab.)
Es war natürlich, daß bey ſolchen Maßregeln die
gute alte Bonaventuri, fo gern ihre Neugier Alles
mit befehen hatte, zurücdbleiben mußte. — Die fhlaue
Spanierinn führte nun Bianca dur eine Menge
Zimmer, immer Eines prächtiger ald dad Andere. Aber
die Ruhmredigkeit der Dame felbit, und die beyrällige
Bewunderung Bianca's wird man hoffentlidh wieder
dem Erzähler fhenken. Genug, daß Bianca allerdings
mande ſehr ſchöne Saucen ;u ſehen befam, und daß
fie ſolche ſämmtlich mit Verſtand beurtheilte, unters
fhied und lobte,
Sign. (na einem fangen Herummandern.) Ahr Bey⸗
fall fhmeichelt mir unendlih; denn bie Art, mit der
j &ie
—E
vvv 129 —XRX
Sie ihn geben, bezeichnet die Kennerinn; und die
Anordnung in allen den Gemäcern, die wir zeither
ſahen, war, ohne Eigenliebe gefprochen, von meiner
. eigenen Erfindung. — Gleichwohl habe ich es gemacht, u
wie⸗es gewöhnlich nur die Dichter und Redner zu mas
chen pflegen: ich Habe das Vorzüglichſte bis zuletzt
aufgefpart. Alle Zimmer, die wir bisher durchſchlüpf⸗
sen, zufammengenommen, Foften kaum halb fo viel,
als diefes einzige Cadinett. (Sie öffnet die Thür eines ſehr
prachtizen Cabinetts. Diefed foll, wenn unfer einziger
Sohn von Reifen zurückkehrt, und die Heirath mit
einer naben Anverwandtinn unfers gnädigfien Herrn
vollzieht, fein Schlafgemach werden. Auch verwahre
‘ich hier Aller, was mir Eoftbar und werth iſt. (Sie ers
öffne einen ſehr ſchönen Schrant.) Sehen Cie bier diefe
Aumelen! Ich glaube nit ruhmredig zu fpreden,
wenn ich fage, daß vielleicht manche Fürſtinn Dieß nich
aufzuweifen vermöchte.
Bianca So wie es gewiß auch mande Für:
flinn geben dürfte, die diefes Beſitzes minder würdig
wäre!
Sign. Holde Schmeidlerinn! — Aber verzies
ben Sie einmahl hier ein Paar Augenblicke allein?!
»Ich will Ihnen nur einige Kleidungsflücde von ganz
neuer Erfindung hohlen, um zu fehen, welden Anzug
Sie wohl für meine Bildung am vortheilhafteiten Hals
ten. — Vertreiben Sie ſich indeffen die lange Weile
durch Auslefung eines Andenkens in diefem Schranke,
Diejenige Zuwele, die Ihnen am .beften gefällt, ſey
beitimmt, Sie an meine Freundfhaft zu erinnern.
(Geht ſchnell ab.)
Bianca (die ihr einige Augendtide verwunderungeron
Meißners Bianca Cap. 1. Thl. | 3
. wen 130 mm”,
aachgeſehen hat.) Sonderbar ! Was fol ich von dieſer
außerordenilichen Herablaſſung, von diefer Überbäus
fung mit Anerbietbungen, Schmeicheleyen und Wohle
- thaten denken ?— Eine Dame aus der großen Welt,
und diefes Betragen 8 Unerhöre! — Uneigennügigkeit,
Menfhenliebe und Freundſchaft, — Eigenfchaften, bie
man fo fhwer einzeln findet — Tugenden, die fo fels
ten den geringern Claſſen der Menſchen, und noch feltes
ner den Großen und Mächtigen diefer Erde zu Theil -
werden; fol ich nicht ſtaunen? fol ih eu trauen, »
da ich euch jegt ‚im Pallaft eines Hoflingsd und einer
Hofdame finde? — (Keine Paufe.) Und doch! welchen
Nutzen könnten fie jemahld von uns zu erfhleichen hof:
fen? Von und? Von diefer auferften Armuth? —
(Mit einem Blick quf die Juwelen) Gute Signora! glaubft
du vielleicht, daß der Anblick ähnlicher Koitbarkeiten
mir fo ganz fremd fey? daß ich mit ihnen fpielen foll,
wie ein ‚Kind mit einem noch nie gefehenen bunten
Steinchen? Ad! es gab eine Zeit, wo — (Aer Schmerz
unterbricht fie eine Minute lang.) Auch das Haus der Gas
pello hatte der Eoftbaren Gemählde, der reichen Tape—
ten, der Prunfgefhirre und Juwelen — (Sie fäpıt ers
ſchroden zufammen, weit fie hinter fi ein Geräuſch hört.) Hu!
wer — (Indem fie ſich umfieht , fieht fie den Großherzog, der
durch eine verborgene Seitenthür focben bereingetreten ift.) Gott!
was ſehe ich?
Groß h. (mit verbindlichſtem Tone und Blid.) Eine,
Perſon, die wenigſtens nicht die Abſicht hatte, Sie zu
erſchrecken.
Bianca (beſtürzt halb wor fi.) Er iſt es! Er iſt
es! — Ha! nun erkenne ih, wo id bin — — (fig
pn zu Füßen werfend.) Ew. Durchlaucht —
7
wen 131 ned
Grob: (fie ſanft aufbeben wollen.) Stehen Si -
auf! Ich bitte Sie.
Bianca (tegen Steisend.) Nein! Nicht eher, bis
Sie mid ange hört, bis Sie mich erhört haben. —
Sch Tiege jegt zu den Füßen eines Zürften, ber über
viele Zaufende herrſcht, den aber noch weit mehrere
Zaufende lieben und ehren: O mein Fürft, gönnen
Sie mir, auch mir, Ihrer demüthigften Selavinn,
noch ferner dad Glück, meine Stimme mit bem allges
meinen Chor zu Ihrem Lobe vereinen zu konnen! Diefe
fhnelle Erſcheinung, der abgelegene einſame Ort, wo
ich mich jegt befinde, die Umftände , die ellen Diefem
‚vorher gegangen find; die Einladung, die mich hierher
gebracht hat, der Blick Ihres Auges — o Prinz, id
fürdte mich zu geflehen, was ich nach alle Dem be⸗
ſorge. —
Großh. taͤcheind.) Und was beſorgen Sie!
Bianca. Was ih mih zu nennen fheue:
was vielleicht ſchon Sünde iſt, es nur gedacht zu ha⸗
ben. — (Mit geſlammelter Stimme.) Doch nein, nein! Ich
beſorge nichts. Ein unglückliches Verhän niß raubte
mir Stand, Vermögen, Sreundinnen, Altern, Bar
terland , Alles, Alles! nur meine Ehre nit. Sie.
allein ;und die nicht ganz unverdiente Liebe meines
Gatten find mein jegiger Reichthum; aber auch ihn ver»
tauſchte ih nicht um Zepter und Purpur. — Vater
Ihres Volks, Gnädigfter unter der Heinen Zahl, des
nen Bott einen Thron, und, was nöd) feltener ift,
ein Herz, diefes Thrones würbig, verliehen
bat! Sie beſchwöre ich jegt bey diefem Ihren oberften
Lehnsherrn, erhalten Sie mir jenen einzig übriggeblie=
benen Schatz! Sorge für dad Glück ber Unterthanen,
| 32
vorn 132 vo...
Wachſanikeit für die ſchwaäͤchere Unſchuld geböten ia
unläugbar zu den Hauptoflichten eines Regenten. Was
aber iſt ſchwaͤcher, als ein Weist Was iſt verletzba⸗
rer, als ihr guter Nabme?
Großh. (indem er ne aufpebt.) Stehen Sie auf!
Ohne Zurdt, edle Ihöne Frau, ſtehen ie auf, wenn
ih anderd auf Ihre Bitte antworten ſoll! — Nicht
Shre Ehre zu beſtricken, vielmehr fie noch zu vere
größeren, kam ich hierher; aber wäre ich auch gefoms.
men, in welder Abjiht man immer wolle, fo würden,
ſelbſt beym fhwärzeiten Entwurf, diefe Ihre Worte
meine &eele durhdrungen, meinen Willen gelenkt ha—
ben. — (Bianca bey der Hand ergreifend, die immer unruhig
nach der Thür Hindlidt, und fih wendet.) Ruhig, Signora,
ruhig! Trocknen Sie dieſe Thraͤnen! Jede, aus fo fchd«
nen Augen vergoifen, würde mih noch auf dem Todbetie
drüden. Ih habe Ihnen ja mein fürftlihes Wort ges
geben, und ich hoffe, diefe Bürgichaft ift noch unbe⸗
fholten und fider.
| Bianca. O! fo fiher, wie die Worte einer
himmliſchen Erfheinung. Aber die Tugend einer Bat
tinn muß nicht Schuld allein, fie muß auch felbit
den Argmwohn zu vermeiden ſuchen. Criauben Sie
mir daher —
Großh. (ibr den Weg vertictend.) Nein, Signora,
verziehen Sie noch einen Augenblick! Allerdings nice
ein bloßes Ungefähr, fondern eine Abſicht — nur Feine
fo gefährlihe, wie Sie argwohnen — bringt mic)
hierher. Sch erfuhr von Mondragone: daß eine derteis
zendften Slorentinerinnen ſich unverfhulber in Noth
und Dürftigkeit befinde. Seine Echilderung weckte
meine Neugierde und mein Mitleid zugleich. Sch wollte
— 133 and ‘
felbſt hören, felbit fehen; und ich base nun genug ge⸗
fehen, genug gehört, um in Ihnen die Zauberinn |
wieder zu finden, die mich neulich ſchon faſt vom Roß
herabgeworfen hätte, und der id mich jegt zu ihrem
eifrigften Befchüger für nun und immer anbiethe. —
(gäweind.) Sie wiffen, ih vermag etwas in Slorenz.
Es kommt bloß auf Sie an, Fünftig Gebrauch von dies
Tem Etwas zu maden. Sie Eönnen gewiß feyn, daß
mein Betragen gegen Sie an Huld und Anftand ſich
ſtets gleich verbleiben wird; nur eine einzige Bedingung
verbinde ich damit; die, daß Sie mir die Erlaubniß
geben — Sie zu lieben. |
Bianca (urückweichend.) Mich lie ben! Trügen
mich meine Sinne, oder vergeſſen Eure Durchlaucht,
mit wem Sie ſprechen, und wer Sie ſind? — Ein
Fürſt, entſproſſen aus dem edelſten Blute, vermählt
mit einer Kaiſerstochter! — Und ich, ich, vielleicht
die Dürftigfte in Ihrem ganzen Gebietbe! — Selbſt
diefe geringen Kleider find erborgt; find noch viel zu
Foftdar für meine Armuth und Erniedrigung.
Großh. Was thut Stand zur Liebe? Sit fie
nicht die einzige Leidenſchaft, die, erhaben über allen
thoͤrichten Rangſtreit, nur auf den Werth des ge
fundenen Schatzes ſieht, und den Ort nicht achtet,
wo ſie denſelben fand? Gleicht ſie nicht auch darin
dem Weſen aller Weſen, daß vor ihrem Thron der
Edle und der Bauer, der König und der Sclave,
gleichviel gelten? — Aber weg mit allen Spitzündig—
keiten, allen Bildern! Wozu ward mir Überfluß,
als ihn da zu nügen, wo fih unverdienter Man-
gel finden? Ein einziges gewährendes Wort von Ihr
nen, fehönftes Weibchen, ‚und ich will dieſe ganze Are
—W 154 won
muth, diefe ganze vorgebliche Niedrigkeit in Glanz
und Reihthum verwandeln. Grafen follen den Saum
Ibres Kleides küſſen; was Kunfl, was Pracht und
Fleiß vermögen, fol zu Ihren Füßen liegen; Gold
und Juwelen —
Bianca (einkallend. Gott! Gott! Welche Spras -
che muß ich hören! Daran nur gebrachs noch, um den
Becher meines Leidens voll zu maden. — Nein, Eure
Durchlaucht, auf alle diefe Anerbierhungen habe ich
Eeine Antwort. Soon der Eleinfte Lan würde Vers
brechen, w ürde Verletzung meiner ebelichen Pflichten
ſeyn. — Und Erwiederung dieſer Geſinnungen?
Nein, Monarch! So mächtig Sie auch find, fo viel
gebricht Ibnen doch noch zu dieſer Allmacht! Nicht
dieſe reiche Stadt, nicht dieſes Land, ſelbſt gan; Eu⸗
ropa nicht, kann mein Gewiſſen ſchweigend machen,
kann meine Pflicht beitenen. — Ach habe einen Ges
mabl; bab’ ihn felbft gemählt; fhwur ihm Treue les
benslang, und halte ihm diefeloe. Sein Herz iſt mein
ganzer Reichthum. Was ihm das Meinige iſt, weiß
ih zıvar minder gewiß; aber nie werde ich dasfelbe zwi⸗
fhen ihm und einem Andern theilen. Selbſt Sie, mein
Fuürſt -- felbit Sie ind zwar der fhönitte Mann —
Großh. Scmeicheleyen, Eignora!
Vianca. Schon meine jetzige Lage verbiethet
fie, Und ſtarker noch mein Herz; aber was .ich ſagte,
iſt Wahrheit, und ich wiederhohle es. Selbſt Sie,
mein Furſt, ſind zwar der ſchoͤnſte Mann, den ich je⸗
mahls ſah: die Liebe unſers ganzen Gefchlechts könnte,
auch obne Thron, Ihnen nicht entſtehen; aber eher
regne es Flammen vom Himmel auf mein Haupt her⸗
eb; eher werde das Schickſal finnrei in Erfindung
woran 55 FRE
nener unerbörter Qualen gegen mich, ehe ich sich
das fhimmerndfte Glück auf Koften meines Gatten era
faufe !
Großh. und dennoch werden Sie mich an Fort⸗
ſetzung meiner Liebe nicht hindern können — Wenn
wahre Liebe ſich auf Verehrung der Tugenden iM dem
gelietten Gegenitande gründet, wo foll ich dann flärs
tern Grund zu diefer mächtigen Neigung‘ finden, als
bey Ihnen? Was hätte dann glühender meine Zärts -
lichkeit anfachen fonnen , ald unfer heutiges Geſpraͤch!
— Die Folge ſoll mich rechtfertigen , ob ich auf Koſten
Ihres Gatten mih um Zhr Herz beitrebe; fie foll be-
weiſen, wie aufrichtig der Antheil fey, den id an Ihr
rem Glück und Shrer Rube nehme. Vielleicht, daß —
aud Sie dann, wenn Ihr Wahn verjchloindet, ein
günftigeres Urtheilüber mich fprechen ! Leben Sie wohl,
und verzeihen Ste mir, ich bitte nochmahls darum,
diefe Überrafhung ! Daß fie Ihnen nicht Furcht, , niche
Schmerzen bringen follte, brauche ich nicht erft zu far
gen..Man macht ja Derjenigen nicht gern den Beinften
Kummer, mit der man gern Alles‘, was man nur
kefigt, und wäre es auch felbft das Leben, theilen
möchte. (Seht mit einer vöflichen Verbeugung ab.)
Bianca. callein) Ha! daß meine Sinne dieß
Mahl treuer, als ich felbft vermuthete, mit ihrem Bes
wußtſeyn mir blieben! daß ich nicht in Todesohnmacht
hinſank, als das Räthſel mit geföfet ward, dafür, ba=
für empfünge meinen Dank, Mutter des göttlichen
Sohnes!'— (kleine Paufe.) Dieß ,. Dieß alfo der Grund
von jener mir unerklärbaren Freundſchaft? Dieb das
Geheimnis , auf welches jene dunkeln Worte des
fürſtlichen Kupplers vom Abwechſeln im Bitten
. V
PAY YYN ı 56 essie
und Bewähren zielten! — Gich niederwertend auf& _
Rnie, mit gefalteten Händen.) Ewige Vorſicht! wäre es
wohl möglich , dag du haſſeteſt, wie Menſchen halfen ?
Und menn ed wäre, was that id Krmfte dir, daß dich
der Gegenitand‘ deines Haſſes ward ? (Huffpringend.)
O, ich fühle fie.nun, armer, beleidigter Water, ich
fühle fie nun, die Folgen jenes ſihrecklichen Fluches,
den du wahrſcheinlich deinem entlaufenen Kinde nach⸗
ſandteſt! Aber wenn tu wüftelt, wie unmillkürlich
ich fiel; wußtelt, wie tief ich jest büße; du widerrier
feit diefen gerechten und nur allzu erhörten Fluch. —
(finige Augendlicke nachdenkend.) Eine fürchterlihe Verfur
Hung ! (Mit Enktſchloſſenbeit. Aber nein, nein! Eheliche
Zreuefey mir heilig! beiliger, ald ed die Kindespfliche
war — Bor der Liebe ſchweigt fo gern jede andere
Empfindung ; vor dem Ehrgeiz, vorber Eitelfeit
foll die Tugend nicht fhweigen. — Capello's Tochter
Eonnte die Oattinu eines armen Sünglingd werden ;
aber tie Bepfchlaferiun eines Fürſten wird fie nie! Er
kaufe ſich Dirnen zu biefer ſchimmernden Schmach,
in deren Adern Eein fo edles Blut als in den meinigen |
fhlagt! — (Sie Hört ein Geräuſch.) Ha! wer kommt —
"wenn er wieder — Nein, fie iſt's! Sie, die Elende,
zu alt für die Sünde felbft: aber nit zu alt, fremde
Sünden zu fördern. (Signora Mondragone tritt herein.)
Sign. Mondr- Ich bitte um Entfhultigung,
liebes Weibchen, wenn id) vielleicht ein wenig zu fange
— Aber was fehle Ihnen denn? Sie find fo bloß, fo
beftürze. — Eind Cie etwa krank?
Bianca. (mit Falten fpöttifhen Tone) O nicht
doch! Ein wenig betreten nur. Freylich kin ich noch fe
N 197 . wen
wenig daran gewoͤhnt mit regierenden Aduptern zu -
fpreben, dag —
Sign. Mondr. Gerwunderungsvell einfallend.)
Miet Was ſagen Sie? Sind’ Shro Durdlaudt au
in diefem Zimmer gewefen?
- Bianca. (mit immer ſichtlicherem Unwillen.) E3 gibt
Fragen, Signora, auf welche man die Antwort vor: UL
ber fhon weiß, che man nod fragt.
Sign. Mondr. (im unbefangen feinenden Tone.)
Wenigſtens, wenn es gefheben ſeyn follte, dürfte e6
Sie nicht befremden. Sm Umgange mit meinem Ger.
mahl mehr Freund als Regent, befannı mit jedem
MWinfel unferd ganzen Gebaudes r pflegt Großherzog
Kranz uns hier oft ohne die geringfte Vegleitung zu.
befuchen; bat mid und meine Gefellfhafterinnen in
dieſem nähmlichen Cabinett ſchon oft auf das unvermus
thefte überraſcht. — Eine Gewohnheit, von der ih
Sie aber freylich wohl hatte unterrichten follen!
Bianca. (wie vorhin.) Freylich wohl! denn erra⸗
then läßt fie ſich kaum, und mir kam fie aͤußerſt uner⸗
wartet.
Sign. Mondr. Sande; was thut auch uͤber⸗
vafchung feiner Seits, und ein wenig Schüchternheit
auf der Ihrigen bey einem Herren, der fo gan, mit
ollen Denen, die ihm aufitoßen, als ein Menſchen⸗
freund „ als Gleicher mit Gleichen umzugehen pflegt! —
Haben Sie die Zeit genügt, ihm Ihr Anliegen vor⸗
zutragen?
Bianca. Nein, gewiß nicht.
Sign. Mondr. Das iſt Schade! die Gelegen⸗
heit war ſo günſtig. Indeß ſteht es auch nur bey Ih⸗
nen, wenn er Zie wieder ſehen, wieder anhören ſoll
ww 138 —
— (Keine Pauſe, worin fie ihre Verlegenheit zu verbergen
tuyi.) Kam er denn gleich darauf her, als ih Sie al⸗
lein gelaſſen hatte?
Bianca. Sogleich darauf, als waͤre es abge⸗
redet worden; kaum zwey Minuten ſpaͤter!
Sign. Mondr. Und hatten Sie vielleicht dieſe
zwey Minuten vorher dazu angewendet, ſich hier ei⸗
ne Juwele auszuſuchen? (Indem fie folche wieder zun⸗
Schranke hinführen will.)
Bianca. (ſich mit verädtlidem Blide loswindend.)
Was ſollte ich mir hier wählen? Was nur mir wün⸗
ſchen? In dieſem ganzen Zimmer fehe ih nun nichts,
was mir nicht unecht und trügerifh vortame. — IK
emviehle mid Ihnen, Signora; denn es ift Zeit,
daß ih meine Mutter wieder auffuce. -
Sign. Mondr Ihre Mutter! — Ab! fo
eben wollte ih es Ihnen fagen, daß fie nicht länger
unten verziehen wollte, und daß ich ihr daher meine
Caroſſe bereitd gegeben habe.
Bianca, Vortrefflih! Pflegen Sie Die oft im
ähnlihen Fallen zu thin ? Hofften Sie, dab ih länger.
noch in diefem niedlichen Cabinett Seiner Durchlaucht
Geſellſchaft Leiten würde? — Aber leben Sie wohl!
Ich finde hoffentlich auch zu Fuße den Weg nad unfes
ver Wohnung.
Sign. Mondr. So verziehen Sie bob nur
noch ein wenig! In ein Paar Minuten ift ja mein ans
derer Wagen angefpannt.
Bianca. Den vielleihs Ihro Durchlaucht auf
feinem Heimwege brauchen dürfte. Vergeben Sie
mir, wenn ih gebe. Die Hochachtung, mit ber
ih Eam, war ohne Maß: wie diejenige Empfindung
vena 159 w.
iſt, mit welcher ich ſcheide, bedarf nicht erft gefagt zu
werden. (ab.)
Sign. Monde. Gahaha! das wahre leibbaf⸗
tige Bürgerweib! Noch fo züchtig und tugendhaft,
als wenn fie das erſte Mahl am Beichtſtuhle kniete!
Aber Geduld nur! Diefe Tugend wird bald ſich fügen,
wie das Gold in ber Münze, das, in der Gluth ge⸗
ſchmolzen, dann jeglihen Stämpel annimmt. Zwar,
daß fie einem Fürſten, "und zumahl einem fo liebrei-
genden Mann, den erften Sturm abfhlug — Das kann
fhon fur ein mertwürdiges Abenteuer gelten. Doch
wenn fie beharrte auf diefem Trog, auf diefer elenden,
unerfprießlichen Tugend — wahrlich, das wäre felhft
für ein Wunder zu fabelhaft! Dann wollte ich eher
glauben, daß einft die Eonne ſtille ſtand, um zehn⸗
oder zwanzigtaufend Menſchen mehr abgeſchlachtet zu
erblicken. (ah.)
Bianca, als ſie nach Hauſe kam, fand ihre Mut⸗
ter wieder in der lobpreiſendſten Erzählung von allen
ben himmliſchen Dingen, die fie gefehen und genoffen
hätten. Bonaventuri zwar fragte beforgt: Warum feine
Gattinn nit mit zurück Eomme 8. aber die Verficherung :
daß fie bald nachfolgen würde; daß fienur noch erit mit
der Dame vom Haufe alle möglihen Schönheiten dies
ſes unglaublidy Eoftbaren Pallaſtes bzfehen wolle, und
daß Jene fie felbft in ihrem Wagen hierher zu beglei⸗
ten verfprochen habe, beruhigte ihn, wenigfiend zum
Scheine wieder; und indem fie noch darüber ſprachen,
trat ſchon Bianca ſelbſt zur Thür hinein.
— 140 —X
Bonav. Nun, meine Liebe?
Vater, Mutter |
(ine enrgegeneitend. )
Bonav. (ipe zärtlich um den Held ſallend) Wie
ging's indeß meine Liebe ?
‚ Mutter Haſt du noch feitdem u viel Neues ger
feben ?
Bianca, (feufzend.) Mehr, als ih dachte!
‚Mutter. Wirklich? Ei! Ei!
Bianca. (ipren Gatten umarmend,) O mein Lieber !
o mein Theurer! Florenz ift nicht der Ort, wo un«
fere Verbindung gedeihen, unfere Ruhe gefichert blei«
ben Eann! Tief — tief wird zwar did und mid die
Trennung von fo gütigen Altern fhmerzen. Dod ein
furdtbares Wetter fteigt, über und empor. — Laß ung
fliehen, bald fliehen, weil ein längerer Verzug uns
Beyden gefährlih, wo nicht tödtlich werben könnte!
Bonav. (erxſchroden) Wie? was? Bianca! Verr
ſtehe ih dich? Was ift dir begegnet?
Bianca. ZH base ihn beſchen; ich babe ihn
geſprochen!
Mutter. Je wen denn? wen denn?
Bianca. Den Großherzog.
Alle. Den Großherzog!
Bonav. Ha! und er hat beine Bitte um einen
Srepheitsbrief dir abgefhlagen? — (Bianca ſchlingt fi
ſchluchzend um ihn.) Nicht wahr? Du fhweigft! — du
bejabft dur dein Schweigen ?
Mutter. (die Hände zufammenfhlagend.) Lieber,
beiliger Gott ! Wer hätte fih nun wieder, nad fo -
fhöner Hoffnung, den Querſtrich vermuthen follen $
Nun, meine Tochter ?
ww 3% 41
Bonav. (fe aufrihtend, ihre thränenden Augen küf:
fend.) Bianca, meine Liebe, rede! Warum fol ich
nit auch hören, was du hören mußteft? Warum
‚nit auch Dieß dir tragen helfen, die du mit mir fo
viel tragt? — Du ſchweigſt ımmer noch! Diefer
fiumme Gram foltert mich zweyfach; rede! - |
Bianca. (chtuchzend.) Das kann ich nicht! Das
nügt dir nicht! Genug, um unfere Eiherbeit, um
das Glück unfere Liebe gu friften, müſſen wir fliehen.
= —
. Sieriß ſich hier loß, eilte in ihre Kammer ‚und
warf fi mit abgemandtem Antlıg auf ihr Luger. Bo⸗
naventuri, der ihr nadhfolgte, drang mit vielfältigen
Sragen vergebens in fie. Aus Furcht vor feiner hefti—
gen Gemürhaart, ja vieleicht ſelbſt dor ſeinem Arg⸗
wohn — denn die Zeit, während welcher fie ſich allein
in Mondragone’s Pallajt befunden batte, Eonnte, in
den Augen der Eiferſucht, allerdings Schon für eine be=
trächtliche Zeit gelten — hatte fie auf Dem Heimwege
fih feft vorgenommen , ihn und allen Übrigen den Kir:
Bes:Antrag des Fürſten zu verſchweigen, und hielt
ihren Vorſatz. Nur, daß in Florenz Ihnen Gefahr
drohe; Dieß wiederhohlte ſie mehrmahls, und Bona—
venturi hegte daher auch keine weitere Vermuthung:
als daß ſie um den oft erwähnten Sicherheitsbrief
gebethen und eine verweigernde Antwort erhalten ba:
ben werde. |
Durch Zröftungen mander Art — bald von tee
Möglichkeit hergenommen, ihren Verfolgern doch zu
entgehen, bald von feiner Bereitwilligkeit , noch more
gen mit ihr Florenz zu verlaſſen, bald von dem Hel⸗
sn 142 wien
denmuthe, mit welchem echte Liebe ja felbft dem T
troge — ſuchte er fie aufzuheitern; und eben, n
Verlauf einer guten Stunde hoffte er, daß es i
gelingen würde, eben fingen ihre Thränen nachzu
fen an , als feine Mutter haſtig in das Gemad |
einftürzte, und mit einem Mitteltone von Angfl ı
Verwunderung ausrizf:
„Pietro, ums Himmels willen, komm bin
aberaus! Im Zimmer draußen ift eın fremder,
„ßerſt fein gefleiderer Herr! Er behauptet, daß er:
„Seiner Durchlaucht hergefhicft worden wäre, ı
„nothwendig mit dir felbft fprechen müßte,”
Bianca fuhr erfhroden auf: Pietro fiut
Sprachlos fahen fie einige Augenblicke ſich wechfel
tig an; dann waren fie Beyde der Meinung: bi
. großberzoglihe Auftrag werde — ein Werbhaftsbel
feyn. Gern hätte Bianca zur Flucht gerathen; dd
fie verboth füch in Ddiefer Kammer, die nirgends
nen Ausweg hatte, von felbit. Mit Zittern gin.
entlih Mutter, Sohn und Echwiegertochter bine
Aber mit noch weit größerm Eritaunen hoͤrten fit ı
dem Höflıng, der ein Kammerjunker des Großl
zogs war, folgende Erklärung:
„Signor Pietro Vonaventuri, unſer gnadig
„Herr, der Großherzog Franz, hat von Ihrer Geſch
„lichkeit, von ihrem Arbeitseifer und von ihrer Ker
„niß verfdhiedener neuern Sprachen, fo viel Gu
„und Rühmliches vernommen, daß er, ohnedem «<
„merkfam auf jedes Zafent in feinen Staaten, es
„billig achtet, fo mannıgfache Verdienſte nicht ur
„nügs verroften zu laſſen. Er bedarf eines Seeret
we 143 —RR
| „gut Korreipondenz mit dem franzöfifchen Hofe, und
„has Sie dazu ernannt.”
Bonav. (verwunderungsvoll einige Sqrritte zurücktre⸗
tend). Wie? der Großherzog? Mich?
Hoftarglie⸗ r. Sa, Signor! — Fuͤnf hbundert
Zechinen ſind Ihnen einſtweilen zur Beſoldung ausge⸗
ſetzt; und ich hoffe, daß Sie dieſe außerordentliche
Gnade, die wahrſcheinlich nur die Vorlaͤuferinn von
baldigen weit größern Ebrenſtellen iſt, gehörig zu ſchaͤ⸗
tzen wiſſen werden.
Bianca. (heimlich.) Pa, der ſchlaue Wonäftling!
Sch fehe ihn Eommen; aber bey meinem Leben, er ſoll
ſich trügen!
Bonav. Urtheilen Sie von meiner Empfindung
nad) der Miene meines Erftaunend, nah dem Unver⸗
mögen, meinen Dank herauszuſtammeln!
Hofc. Eben deßwegen gibt Ihnen unſer guͤtige
Fürſt eine Stunde Zeit, um ſich zu faſſen und anzu—
kleiden; dann aber verlangt er Ihren mündli⸗—
hen Dant. — Leben Sie wohl! Vergeſſen Sie,
wenn id bitten darf, aud im künftigen Glücke nie,
daß ich der Überbringer diefer guten Bothſchaft, und
— ohne mid zu rühmen — auch in verſchiedenen Punc⸗
ten Ihr Vorfprecher bey Seiner Durchlaucht gewefen
bin. (Gehe mit einer tiefen Verbeugung ab.)
Bianca (bey Leite, Er hat feine Bothen gut zu
wählen gewußt; fie gleihen ihm! — Der Niederträd:
tige! der uns wahrſcheinlich nie mit einem Auge ſab,
erft heute nnfern Nahmen hörte, und dod jetzt den-
Schutzpatron fpielen will! Wollte Gott, daß ich einen
andern Vorſprecher nicht allzu gut nür ertiethe!
WE 5 n
j 3
cos 156 ertie
und Gew ähren ‚zielten — Sich niederwerfend auf's |
Rnie, mit gefatteten Händen.) Ewige Vorſicht! wäre es
wohl möglich , daß du hafleteft, wie Menfchen haffen ?
Und menn es wäre, was that ich Armfte dir, daß dich
der Gegenitand deines Haſſes ward T (Huffpringend.)
O, ich fühle fie.nun, armer, beleidigter Vater, ih
fühle fie nun, bie Folgen jenes ſchrecklichen Fluches,
den du wahrfiheinlich deinem entlaufenen Kinde nach⸗
ſandteſt! Aber wenn du wüßteſt, wie unwillkürlich
ich fiel; wüßteſt, wie tief ih jest büße; du widerries
feit dDiefen gerechten und nur allzu erbörten Fluch. —
(iFinige Augendlide nahdentend.) Eine fürchterlihe Verfur
bung! (mit Enktſchloſſenbeit. Aber nein, nein! Eheliche
Treue fey mir heilig! heiliger, als ed tie Kindespflicht
war!˖ — Bor der Liebe fohmeigt fo gern jede andere
Empfindung ; vor dem Ehrgeiz, vorber Eitelkeit
fol die Tugend nicht fhweigen. — Capello's Tochter
Fonnte die Gattinu eines armen SJünglingd werben ;
aber tie Bepfchlaferinn eines Fürſten wird fie nie! Er
Eaufe ſich Dirnen zu dieſer ſchimmernden Schmad,
in deren Adern kein ſo edles Blut als in den meinigen
ſchlägt! — (Sie Hört ein Gerauſch.) Ha! wer kommt —
"wenn er wieder — Dein, fie iſt's! @ie, die Elende,
zu alt für die Sünde feldft: aber nicht zu alt, fremde
Sünden zu fördern. (Signora Mondragone tritt herein.)
Sign. Mondr- Ich bitte um Entfhultigung,
liebes Weibchen, wenn ich vielleicht ein wenig zu fange
— Aber was fehlt Ihnen denn? Kie find fo bloß, fo
beſtürzt. — Eind Eie etwa Frank I
Bianca. (mit kraltem fpöttifhen Tone.) O nicht
doch! Ein wenig berreten nur. Freylich kin ich noch fe
vun 197 . wen
wenig daran gewöhnt mit regierenden Häͤuptern zu
ſprechen, daß —
Sign. Mondr. Gerwunderungsdoll einfallend.)
Wie? Was ſagen Sie! Sind Ihro Durchlaucht auch
in dieſem Zimmer gewefſen?
Bianca. (mit immer ſichtlicherem Unwillen) Ed gibb —
Fragen, Signora, auf welche man die Antwort vor |
ber ſchon weiß, che man noch fragt. —
Sign. Mondr. (im unbefangen ſcheinenden Tone.)
MWenigitens, wenn es gefhehen feyn follte, dürfte e6
Sie nicht befreimden. Im Umgange mit meinem Ger.
mahl mehr Sreund ald Regent, bekannt mit jedem
Winkel unfers ganzen Gebäudes, pflegte Großherzog
Franz uns bier oft ohne bie geringfte Begleitung zu.
befuchen; bat mich und meine Geſellſchafterinnen in
diefem nähmlichen Cabinett ſchon oft auf das unvermu⸗
theſte überrafht. — Eine Gewohnheit, von ter ich
Sie aber freylich wohl hätte unterrichten follen !
Bianca. (wie vorhin.) Freylich wohl! denn erra⸗
then läßt fie ſich kaum, und mir kam fie aͤußerſt uner⸗
wartet.
Sign. Mondr. Indeß, was thut auch Über⸗
raſchung ſeiner Seits, und ein wenig Schüchternheit
auf der Ihrigen bey einem Herrn, der ſo ganz mit
allen Denen, die ihm aufſtoßen, als ein Menſchen⸗
freund , als Gleicher mit Gleichen umzugehen pflegt! —
Haben Sie die Zeit genügt, ihm Ihr Anliegen vor⸗
zutragen?
Bianca. Nein, gewiß nicht.
Sign. Mondr. Das iſt Schade! die Gelegen⸗
heit war fo günſtig. Indeß ſteht es auch nur bey Ih⸗
nen, wenn er Sie wieder ſehen, wieder anhören ſoll
ww 238 —
— (Reine Yaufe, worin fie ihre Verlegenheit zu verbergen
Tui.) Kam er denn gleich darauf her, als ich Sie ale
lein gelaffen hatte! '
Bianca. Sogleich daranf, ald wäre es abge⸗
redet worden; Eaum zwey Minuten ſpaͤter!
Sign. Mm ondr. Und hatten Sie vielleicht biefe
zwey Minuten vorher dazu angewendet, fi bier ein‘
ne Juwele auszufuchen ? (Indem fie folde wieder zum
Schranke hinführen will.)
Bianca. (ib mit verächttichem Btide toswindend.y
Was follte ih mir hier wählen? Was nur mirwüns
ſchen? In diefem ganzen Zimmer fehe ih nun nichts,
was mir nicht unecht und trügerifh vorkame. — I
empfehle mich Ihnen, Signora ; denn e$ ift Zeit,
daß ih meine Mutter wieder aufſuche.“
Sign. Mondr. Ihre Mutter! — Ab! fo
eben wollte ih es Ihnen fagen, daß fie niche länger
unten verziehen wollte, und daß ich ihr daher meine
Caroſſe bereits gegeben habe.
Bianca. Vortrefflih! Pflegen Sie Dieß oft in
ähnlichen Fallen zuthun ? Hofften Sie, dab ih länger.
noch in diefem niedlichen Eabinett Seiner Durchlaucht
Geſellſchaft Leiten würdet — Aber leben Sie wohl!
Ich finde hoffentlich au zu Fuße den Weg nad unſe⸗
ver Wohnung.
Dign. Mondr. So verziehen Sie doch nur
noch ein wenig! In ein Paar Minuten ift ja mein ans
derer Wagen angefpannt.
Bianca. Den vielleihs Ihro Durdlaudt auf
feinem Heimwege brauden dürfte. ergeben Sie
mir, wenn ih gebe. Die Hochachtung, mit ber
ich Eam, war ohne Maß: wie diejenige Empfindung
my 159 wre
At, mit welcher ich ſcheide, bedarf nicht erſt geſagt zu
werden. (Gab.)
Sign. Mondr. Gahaha! das wahre leibbof⸗ |
tige Bürgerweib ! Noch fo züchtig und tugendhaft,
als wenn fie das erite Mahl am Beichtſtuhle Eniete !
Aber Geduld nur! Diefe Tugend wird bald fi fügen,
wie das Gold in der Münze, das, in der Gluth ges
ſchmolzen, dann jegliden Stämpel annimmt. Zwar,
daß fie einem Fürſten, “und zumahl einem fo liebrei-
genden Mann, den erftien Sturm abſchlug — Das fann
fbon fur ein merkwürdige Abenteuer gelten. Dod
wenn fie beharrte auf diefem Trog, auf diefer elenden,
unerfprießlichen Tugend — wahrlich, das wäre felbft
für ein Wunder zu fabelhaft! Dann wöllte ich eher
glauben, daß einft die Sonne ftifte ſtand, um zehn⸗
oder zwanzigtauſend Menſchen mehr abgeſchlachtet zu
erblicken. (a$.)
Bianca, als ſie nach Hauſe kam, fand ihre Mut⸗
ter wieder in der lobpreiſendſten Erzaͤhlung von allen
den himmliſchen Dingen, die ſie geſehen und genoſſen
hätten. Bonaventuri zwar fragte beſorgt: Warum ſeine
Gattinn nicht mit zurück komme? aber die Verſicherung:
daß ſie bald nachfolgen würde; daß ſie nur noch erſt mit
der Dame vom Haufe alle möglichen Schönheiten dies
fes unglaublich Eoftbaren Pallaftes bzfehen wolle; und
daß Jene fie felbft in ihrem Wagen hierher zu hegleis
ten verfprochen habe, beruhigte ihn, wenigfiend zum
Scheine wieder; und indem fie noch darüber ſprachen,
trat fhon Bianca felbft zur Thür hinein.
+
m 140 0
Bonav. _ Nun, meine Liebe?
Barer, Mutter | Nun, meine Toter?
(ihr entgegeneitend.)
Bonav. (ir zärtlich um den Held Feld) V
ging's indeß meine Liebe ?
‚ Mutter. Haft bu noch feitdem viel Neuep ;
fehen ?
Bianca, (feufiend.) Mehr, als ich dachte:
‚Mutter. Wirklich? Ei! Ei!
Bi ianca. (ipren Gatten umarmend.) O mein Lieb
o mein Theurer! Florenz iſt nicht der Ort, won
ſere Verbindung gedeihen , unfere Nube gefichert bi
ben Eann! Tief — tief wird zwar did und mid
Trennung von fo gütigen Altern fhmerzen. Doch
furdtbares Wetter fteigt, über und empor. — Laß ı
fliehen, bald fliehen, weil ein längerer Verzug u
Beyden gefährlich „ wo nicht toͤdtlich werden könn
Bonav. (eſchroden) Miet was? Bianca! V
ſtehe ich dich? Was iſt dir begegnet?
Bianca. Sh habe ihn sehen; ich babe
gefproden !
Mutter. Se wen benn? wen denn?
Bianca. Den Großherzog.
Alle. Den Großherzog!
Bonav. Ha! und er hat deine Bitte um ein
‚Srepheitsbrief dir abgefhlagen? — (Bianca ſchlingt
ſchluchzend num ihn.) Nicht wahr?! Du ſchweigſt? —
bejahft durch dein Schweigen?
Mutter. (die Hände aufammenfhiagend.) Lieb
beifiger Gott ! Wer hätte fi nun wieder, nad
fhöner Hoffnung, den Querjtrih vermuthen fol
rn 3% 41 vo
Bonav. (fle aufrichtend, ihre thränenden Augen küſe
fend.) Bianca, meine Liebe, rede! Warum ſoll ich
nit auch hören, was du bören mußteft? Warum
nicht aud Dieß dir tragen helfen, bie du mit mir fo
viel tragt? — Du ſchweigſt ımmer noch! Diefer
fiumme Gram foltert mich zweyfach; rede! -
Bianca. (ſchtuchzend. Das kann ich nicht! Das
nüßt dir nit! Genug, um unſere Sicherheit, um
das Glück unfere Liebe gu friften, müſſen wir fliehen.
= —
Sice riß ſich hier loß, eilte in ihre Kammer, und
warf ſich mit abgewandtem Antlitz auf ihr Lager. Bo⸗
naventuri, der ihr nachfolgte, drang mit vielfältigen
Fragen vergebens in fie. Aus Furcht vor feiner hefti—
gen Gemurhaart, ja vieleicht ſelbſt vor ſeinem Arg⸗
wohn — denn die Zeit, während welcher fie ſich allein
in Mondragone’s Pallaſt befunden batte, konnte, in
den Augen der Eiferſucht, allerdings ſchon für eine be—
trähtlihe Zeit gelten — hatte fie auf dem Heimwege
fi feft vorgenommen, ihm und allen Übrigen den Lie⸗
Bes:Antrag des Fürſten zu verfihweigen, und bielt
‚ihren Vorfag. Nur, daß in Florenz Ihnen Gefahr
drohe; Dieß wiederhohlte fie mehrmahls,, und Bona—
venturi hegte daher auch Feine weitere Vermuthung:
ald daß jie um den oft erwähnten Sicherheitsbrief
gebethen und eine verweigernde Antwort erhalten ba=
ben werte. |
Durd Zroftungen mander Art — bald von tee
Möglichkeit hergenommen, ihren Verfolgern doc zu
entgehen, bald von feiner Bereitwilligkeit , noch more
gen mis ihr Florenz zu veilajfen, bald von dem Hel⸗
sn ILS wem
denmuthe, mit welchem echte Fiebe ja felbft dem Tode
trotze — ſuchte er fie aufzuheitern; und eben, nad
. Verlauf einer guten Etunde hoffte er, daß es ihm
gelingen würde, eben fingen ihre Thraͤnen nachzulaſ⸗
fen an, als feine Mutter haſtig in das Gemach her⸗
“ tinftürzte, und mit einem Mitteltone von Angft und
Verwunderung ausrizf:
„Pietro, ums Himmels willen, komm burtig
sberaus! Im Zimmer draußen ift eın fremder, Aus
„ßerſt fein gekleiderer Herr! Er behauptet, daß er von
„Seiner Durchlaucht bergefhift worden wäre, und
„nothwendig mit dir felbft fprechen müßte,”
Bianca fuhr erfhroden auf: Pietro flußte.
Sprachlos fahen fie einige Augenblicke ſich wechfelfei-
tig an; dann waren fie Beyde der Meinung: dieſer
. grofiberzoglihe Auftrag werde — ein Verhaftsbefehl
feyn. Gern hütte Bianca zur Flucht geratbenz doch
fie verboth fich in diefer Kammer, die nirgends eis
nen Ausweg hatte, von felbit. Mit Zittern gingen
entlih Mutter, Sohn und Schwiegertochter hinein.
Aber mit noch weit größerm Eritaunen börteh fit von
dem Höfling, der ein Kammerjunfer des Großher⸗
zogs war, folgende Erklärung:
„Signor Pietro Bonaventuri, unfer gnoͤdigſter
„Herr, der Großherzog Franz, hat von Ihrer Geſchick⸗
„lichkeit, von ihrem Arbeitseifer und von ihrer Kennt⸗
„niß verſchiedener neuern Sprachen, ſo viel Gutes
„und Rühmliches vernommen, daß er, ohnedem aufs
„mertfam auf jedes Zafent in feinen Staaten, es für
„billig achtet, fo mannigfache Verdienſte nicht unge⸗
„nügs verroften zu laſſen. Er bedarf eines Seeretaͤrs
— 1 —
„zur Korreſpondenz mit dem Karaiiner Zur. mm
„har ie dazu ernannt.”
Bonav. (verwunterusgis] zurge Eiue gain
send). Wie? der Großherzegt I?
Hofcavalier. Sa, Eisser: — Sir mtnz
Zechinen find Shnen einiweilen ;ur Erieiturg amige-
fest; und ıh hoffe, tab Sie Ya: ssfermiertks
Gnade, tie wahrſcheinlich nur die Veriizirzer ıo=
baldigen weit großern Eirenüelen : n,gdirz ae
gen wiſſen werten.
Bianca. Geinliq.) Ha, ter igizue RoMNiẽ
Sch febe ihn Eommen; aber bey meinen: Feten, a 42
ſich trügen!
Bonav. Urtheilen Sie von mern Exrristuss
nach der Miene meines Erſtaunens, nc Tem Uxzsızs
mögen, meinen Dant nn
Hofc. Eben tefwegen gıir Atrın unfer gie
Fürft eine Ztunde Zeit, um ſich zu 3 falen um: 22,2
Feiden ; dann aber verlangt er Str wtaiie
hen Dank. — Leben Sie weht! Yarssärm Zr,
wenn id, bitten tarf, aud im kuniugen Biüke z:e,
daß ich der uͤberbringer Liefer guten Rerkigah, zıy
— ohne mid zu rühmen — auch in verZiekizen Pur
ten Ihr Vorfprecher bey Seiner Zurzischt geneiis
bin. (Seht mit einer tiefen Derbeuaung a8.)
Bianca (den Seite. Er har feine Kerken 5:2 „2
wählen gewußt; fie gleikenikm! — Ter Wırkesırizs
tige! der und wahrſcheinlich nie mit einem Aus: iz;
erft Heute nnfern Nahmen hörte, unt 15% ji u
Schutzpatron fpielen will! Wollte Gotu, 156 5: 217
andern Vorfprecher nicht allzu gut nur errisye'
8O
— 144 —
Bonanv. (der ganz flare geſtanden, indeß Vater und
Mutter HET, den vornehmen Bothen hinaus Begleitet
haben, ſich endlich gegen Bianca wendet und fie umarmt.)
O Bianca, meine theure Bianca! Hat jeirgend etwas
einer Feerey ühnlicher gefehen, als diefe ſchnelle, uns
begreiflibe Beförderung?! — Welch ein glücklicher
Wechſel! Welch eine fröhliche Ausſicht! — Und du
freueſt dich nicht?
Bianca (mit gegwungenem Lädein.) Allzu unver⸗
mutbeter Sreude fehlt ed ja immer am Ausdrud! Die
gebrach e3 Eur; vorher an Worten; mir will es fös
ger an Geberden bed Vergnügend gebrechen. —
(mit roarnendem Finger.) Bonaventuri, mein ©eliebter !
Vergiſſeſt bu ganz, daß Gefahr unferm Pfad auflauert ?
Bonav. Keinesweges! Aber ich hoffe nun, ihr
bald tie Spitze biethen zu dürfen.
Bianca. Daß vielleicht ſelbſt Dieß ein Fallſtrick
unſerer Feinde, unſerer Anklaͤger —
Bonav. Nimmermehr! Stande es nicht in ſei⸗
ner Macht, mich verhaften, mich vor Gericht ſtellen
zu laſſen? Warum ſollte er mich zu ſich laden laſſen,
um — Dein, fo handeln die Medicis nicht! So tü—
kiſch verfährt kein edler Fürſt! Höchſtens die ariſtokra⸗
tiſche Schlauheit von Staats-Inquiſitoren Eönnte zu
ſolchen niedern Wegen ſich herablaſſen.
Bianca. Und wenn es ihm auch mit ſeinem
Wohlwollen ein Ernſt waͤre — (wie vorhin, noch ein Mahl
mis dem Finger ihm drohend) Bonaventuri, Bonaventuri!
Selbſt wenn dein neuer Weg vielleicht glänzend ſeyn
ſellte, bedenke es, daß er dann gewiß noqh weit, ſchlüvfe⸗
riger werden dürfte!
Bona⸗
essen 145 essen
Bonav. Laß ihn! Das gute Glück, das mih
ungebethen auf denſelben führt, wird mich hoffentlich
auch vor dem Fall zu ſchützen wiſſen, fo lange ich red⸗
lich handle; und Das werde ich ſtets thun.
Bianca. Darauf hoffe ih auch; nur ——
.Bonav, O jetzt keine Beſorgniß weiter! Jetzt
nur Freude, nur Anſtalten mich anzukleiden, um dann
flügelſchnell zu dieſem gütigen Fürſten hin zu eilen!
Pries dieſer Wonnetrunkene jegt ſchon feinen Ger
biether, bevor er. noch ihn geſprochen hatte, ſo that er
es dann wohl noch zehn Mahl ſtaͤrker, als er von der
Audienz zurüd Eam. |
Nie harte ein Zürft die ſchwere Kunft, durch eine
Mittelftraße von Hoheit und Herablaſſung zu bewir⸗
ten, daß man nie in ihm den Prinzen zu ehren
vergaß, und doc immer Inniger no den Menſchen
liebgemwann, volllommener befefien ald Franz. Je⸗
den, der feinem Thron: fih nahte — und Das durfte
zu beflimmten Zagen und Stunden der Geringfte im
Volk! — empfing er mit zuvorfommender Güte. Er
hörte jede Bitte fo aufmerkfam an, als beträfe fie feis
nen eigenen Vortheil. Konnte er fie gewähren, fo ver«
doppelte die Art, womit er es that, — indem er, was
er gab, ſchnell gab, und fich feiner Kraft wohl zu thun
. nie überhob — den Werth der Gewährung; mußte ex
abihlägige Antwort ertheilen, fo geſchah diefe Ver⸗
weigerung felbft im Tone des Troftes; war Entihuls
digung, wo fein eigenes Herz am meiften zu leiden
ſchien. Baterlihe Milde verband fi bey ihm mit der
Staatsklugheit des Regenten. Seine Miene war ganz
Meißners Blanca. Sapı 1. Ihle 8
[v7 77 ı 46 wre - \
Sanftmuth, und doc nicht bloß die Miene der Vers
ftelung. Sein Äußeres verforacy viel, doc nicht mehr,
als fein inneres hielt, oder wenigſtens immer gern
gehalten hätte. Selbſt feine Fehler waren bloß falfche
Richtungen guter Grundlagen, Er lieg zum Benfpiel -
allerdings zuweilen feine Günſtlinge ziemlich willkurlich
falten; aber er that es, weil er fie nide für feine
Guünftlinge bloß, fondern für feine Freunde
hielt, und weil fein, wirklig zur Freundſchaft geſchaf⸗
fened Herz Dem auch traute, ben es liebte,
Sehr natürlich, daß ein ſolchet Fürſt den Mann
ſeiner Geliebten — für keinen? Preis ihm zu theuer! —
mit einer Güte, mit einer Leutſeligkeit empfing, die
den in allen Weltkünſten noch unerfahrnen Bonaven⸗
turi gar bald bis in den dritten Himmel entzückte. Er
nahm ihn nun förmlich zu ſeinem Geheimſchreiber —
wie damahls noch die beſcheidenen Titel lauteten — im
franzöſiſchen Fach auf; und ertheilte ihm ſofort einige
Beſchäftigungen; er befragte ihn, nicht neugierig,
aber forgfältig, um tauſenderley Kleinigkeiten ſeiner
individuellen Lage, und befhied ihn für den andern
Morgen wieder zu fid.
Die Arbeiten, die dem jungen Manne aufgetras
gen wurden, waren äußerft Feicht; aber Franz ers
wähnte, ald Bonaventuri fie ihm überbrachte, daß fie
ſchwer gewefen wären. Bonaventuri hatte fie viels
Teiche nicht übel beforgt; der Fürſt fand, daf er fie ”
vortrefflich ausgeführt habe, Die Befoldung, die
ihm angewiefen. wurde, belobnte die Mühmwaltung bey
feinem Poften mehr als dreyfach; der Fürſt dachte je
doc anders, denn er verdoppelte fie nach Verlauf wer
niger Tage, und begleisete ſelbſt diefe Verdoppelung
vesee 247 wie
mit dem Ausdrucke des Bedauerns: daß die hertfchaft⸗
liche Caſſe jetzt nicht größere Belohnungen verſtatte,
Franz war immer der Wohlthäter, ward es tag—
lich mehr und mehr, und ſtellte ſich doch immer, als
ober Schuldner wäre I
So von Ehrenſtelle zu Ehrenſtelle, ſtets im Beſitz
der Gnade ſeines Herrn, ſtieg Bonaventuri mit einer
Schnelligkeit, die Jedem, der nicht um das Geheimniß
wußte, unglaublich ſchien, vom Diener zum Rathe,
dom Rath zum. Freunde, vom Freunde zum Günits
ling. Ihm felbft war wie jenem trunfenen Bettler,
Ber auf dem Stroblager einfchlief und beym Erwachen
aus feinem Naufhe auf dem Throne ſich wieder. fand.
Uneingeweipt i in jeder Kunft des Hofes, überftieg er
doch bald die älteften, erfahrenſten Höflinge; hart auf
der Ferſe folgte ihm der Neid; laut ſumſten um ihn
Spott und Rerleumdung: Überall ſtellten Lift und
Haß fi) ihm entgegen. Doc) die Liebe feines Fürsten
fhügte ihn vor Dem allen. Ein einziges nachdrückli⸗
ches Wort des Fürften, — und Neid und Spötterepen
ſchwiegen, oͤder ſprachen wenigfteng, leife: =
Auch Bianca — die Gründerinn von allen die:
fen Schimmer eines ‚armen Handlungsdieners, der
ohne fie ruhig im Eomtoir arau geworden wäre —
fuchte der verliebte Fürſt bald aus ihrer Einſamkeit in
das Gewühl feines glänzenden Hofes, einẽs der glän:
gendften in ganz Europa, zu ziehen. Einladungen von
Mondragone's Gemahlinn, ragen des Fürften an
Bonaventuri felbft, Selle; Öffentliche Spiele, Gewin⸗
nuug der Bedienten, Alles, Alles ward verſucht; und
Alles, Alles mißlang. Bianca erſchien zwar am Hofe.
— weil fie Das thun mußte; aber man ſah es ihr any
| | K 3
1248 oe
daß fie ihre Seele daheim laſſe: und die andädtigfte -
Nonne bleibt nicht. ftrenger ihrer Ordensregel, als ie
anca jeder ihrer Pflichten treu.
Denn in Eeinen Zirkeln, wie: in großen Vera
fammlungen, nur auf wiederhohlted Bitten erft ſicht⸗
bar, erfhien fie ſtets im einfachften Kleide, mit der
befcheidenften Miene; Eein Edelftein im Haar, keine
Perle um Arm und Hals ‚ kaum’ &eide ihr Gewand,
und einfad die Farbe ihrer Gewaänder; aber doch durch
diefe Einfalt, biefe Beſcheidenheit doppelt ſchoͤn. —
Menig ſprach fie nur; und je weniger fie ſprach, deſto
mehr fland fie im Eredit, gut fprehen zu Eönnen.
Hundert höfiſche Damen warben um ihre Freundſchaft,
fie ſchlug keine aus und erwiederte Feine, Die Neigung
de3 Fürſten, bald jedem Höfling nicht mehr fremd,
entfernte von ihr die Bewerbungen der adeligen Wol⸗
luͤſtlinge; Alle ehrten, Keiner beläftigte fie. Sie gegen»
theils ſah auf Keinen und hielt felbft die Bewerbungen des
bewußten Einzigen zurüd. Franz, mit jedem Tage
heißer verliebt, mit jedem Tage redender im Blick und
angeduldiger in feiner Seele, ward doch ſtets karger in
Worten und zagbafter im ganzen Betragen.
Mondragone fab Dieb alles, und glüßte vor
Scham und Wuth. Bonaventuri hatte ihn gleih An⸗
fangs in ber Gunft bes Fürften um ein Großes zurück
gefegt; er litt es damahls gelaffen, denn er hoffte durch
Dienfte, feinem Gebierher bey Bianca geleiftet, fich
bald noch höher zu heben und ficherer zu gründen. Doch
als alle feine Bemühungen, alle feine Überretungskünite
mißlangen ; da ſank fein Anfehen auch deito tiefer, je
gewiffer er Franzen den günftigften Erfolg vorher vers
kündigt hatte. Freylich mußte ein Mann, deſſen höche
wen 149 nesen
fled Sut Gunſt des Hofes war, nit wenig flaus
nen, als er bey einer Frau diejenige Seelenkraft, dies
jenige unerfchütterliche Tugend wirkfih fand, die er
jeither nur dem Nahmen nah, und überdieß noch fo
zweifelhaft gekannt hatte, wie wir Alle etwa den Vogel
Greif Eennen. Aber als wahrer Höfling ergab er ſich
nicht lange einer fruchtlofen Neue; fondern dachte balı
aufbeffere Plane und auf fihere Rache.
Was ihn bier noch, aufer feinem innern Gefüht,
immer ftärker, immer heftiger reijte, war — ber tägs
lihe Spott, die bitzern Worwürfe feiner ehrfüchtigen
Gemahlinn. Gegen diefe allein hatte Bianca, fo wie
fie am Hofe erfchien, oder vielmehr erfheinen mußte,
faft gar keinen Zwang ſich aufgelegt; hatte bey vers.
ſchie denen Gelegenheiten ihr zu erkennen gegeben, daß
ſie dieſelbe — verachte. Jedes ſchmeichelnde Wort,
jebe dienftfertige Erbiethung diefer Donna, war mit
einer Kälte, die nahe an Öeringfchägung grenzte, auf⸗
genommen worden. Drey Beſuche von ihr waren un⸗
erwiedert geblieben. Im Buſen der Spanierinn kochte
dafür ein tödtlicher Groll. Da ſie ſich an der ehrbaren
Buͤrgersfrau nicht zu rächen vermochte, bielt fie
fi wenigſtens bey ihrem eigenen Gatten ſchadlos.
Bon den mannigfachen Scenen häuslicher Glückſelig⸗
keit ſey Hier eine Einzige ausgehoben, weil fie mandek
Licht auf bie Nachfolgenden wirft.
wen 150 mm
Mondragone's Haus.
Abend. Er ſelbſt (in feinem Gemach). GSigne
(aug einer Geſellſchaft surüdtehrend.)
Sign. (mit fpörtifhen Lächein). Schon heim ı
Sr. Durchlaucht? — So einfam? fo nachdenkend?
Monde. Iſt das Legtere denn fo etwas @
tenest
Sign. D nein! (Wieder mie deutendem Accent.) A
Über eigene, oder über Gtaat3 : Angelegenheiten
Mondr. (verdrießlich., uͤber Beyde. — Wie
es nimmſt.
Eign. So! L- (Mad einer Heinen Pauſe) M
chiavell hieß der berühmte Italiener, der ein fo fcha
finniged Buch über die Staatskunft geſchrieben bi
nicht wahr, lieber Gemahl? |
Mond. Richtig! i
Sign. Und ift fein Buch oder Sücfein de
wirklich der bewährten Hofraͤnke und Künite
vol?! '
Mondr. Vielleicht übervod! — Wie kom
du aber gerade jegt auf den Macchiavell?
Sign. Weil ih mich über die boßhaften Red
argerte, die einige neidifhe Witzlinge gegen dich au
fireuen.
Mondr. (aufmertfam werdend) Gegen mich?
Sign. Freylich! Denk einmahl, fie fagen ,
fenit jetzt Willens, eine Fortſetzung des Macchiavells
ſchreiben.
Mondr. (gan) verlegen.) 391 — —Bobrhaft:
id) weiß nicht, was bir einfällt.
wen 151 u...
Sign. cbittern Tond.) Und nod) minder, wa Denen
eingefallen feyn mußte, die diefem Einfall im Ernſte
Glauben beymaßen. Nein, nein! wahrhaftig, um sin
folhes Buch fortzufegen, müßte man in den Künften
der Höfe felbit eingeweiht und Meifter feyn!
Mondr. Ha, ba! da hinaus? Und du glaubft
alfo nicht, daß ich Dieß wäre?
Sign. Du glaubt es doch, um des Himmels
willen, felber nicht *— Ungleicher als du und Macchia⸗
vell find fih Mitternacht und Mittag nicht. Er, jener
echte ſchlaue Höfling, würde, wenn er fih ein Mahl
bis zum eriten Günitling. feines Herrn durchgearbeitet
bätte, fiher nicht aus einer halbvermoderten Bettler
hütte fih einen Nebenbubler gehohlt; ſicher nicht die
Liebe feines Prinzen zu einer tugenbbelodten Hands»
werköfrau fo blindlings unterftügt haben. Oder hätte
er auch vielleicht im Fieber: Schwindel einen folchen
Sehler begangen, — meinft du wohl, daß er dann rue
big zufehen würde, wie biefes treffliche Paar Alles an
fich reißt, was Stand und Rang und Stchätze Großes
mit fih führen? Indeß der thörichte fürftlihe Ver⸗
ſchwender, der vieleicht ein Drittheil feines Füͤrſten⸗
thums verpraffen würde, um Einen aus der Hefe des
Pöheld zum Hahnrey zu machen, auch nicht einen ein«
zigen elenden Kuß dafür gereicht erhält! — Sagte ich
dir Das nicht Alles vorher, ald du mit deinen weifen,
weitausfehenden Planen angeftodhen kamſt, und mich
zur Bephülfe, zur Unterflüßung, zur Kup
peley, zu Bott weiß was noch mehr aufwiegeln wolls
tet? — Schaͤndlich! vom erften Oängelbande an die
Hofluft eingeſogen zu haben, und doch fo ſchülerhaft
N
wei 15% u
noch gegen die erften Anfangsgründe zu fündig
(Sie ftodt vor Zorn halb athemlos.)
Mondr. (deffen Kätte natürlich ihre Hitze noch gem
Hat) Biſt du nun bald fertig mit Schmälen ı
Schmaͤhen?! -
Sign. Wollte der Himmel, daß du es mit 1
nenFehblern warefi!
Mondr. (wie vorhin.) Alfo dag ich mich zum Kü
Ver — wie du es zu nennen für gut befindeſt — br
chen lief, Das war der Fehler?
Sign. Frage doch lieber, ob es jetzt wirklich Na
ſey! Beyde Sachen beantworteten ſich von ſelbſt.
Mondr. Allerdings! und doch beantworteſt
fie ſehr falſch; denn du bejahſt, wo du vı
neinen follteft. — Gutes Weibchen, hätte
diefe Ciebe verurfacht; hätte ich dem Großherzog
erft Bianca, und zwar in foldy’ einer Abſicht gezei,
dann hätteſt du ganz Recht. Ober hätte ich fei
diefe Leidenſchaft erft im Auffeimen gefunden, u
ihren Wachsthum befördert; fo hätteft du viellei
wenigſtens nicht ganz Unrecht. Aber ſo — fa
ich ſie ja bereits eichenfeſt gewurzelt; fand, daß ſie
beugen Unmöglichkeit, und ihr nahzugeben ıı
nigitens ein boffentlicher Nutzen fey; fand, daß we
ih meine Hand ihr zu reichen ausſchlüge, taufe
Andere wilfährige Hande beym erften Gedanken f
ausitrecfen, und mid) zu gleicher Zeit von meinem u
fibern Maulwurfs » Hügel hinabſtürzen würden. -
Glaube nicht, als ih zu gewinnen verfudhte, &
ich nicht einfah, was au von der andern Seite |
verlieren möglich fey! Ich fah es und bebte; ab
we 8 on
die unumgänglichen Regeln bes Donrdſplele rißen
mich mit fi fort.
Sign. Ein trefflicher Hazarbfpiefer j der nicht -
Herr über ſich ift!
Mondr. Oft ift man Dieß eben dann am mei⸗
ſten, wenn man ed am mindeſten zu ſeyn ſcheint; oft
fpielt man dann am beften, wenn man nichts oder
Alles haͤlt. Aber Taf das Spiel! Da.wir doch ein«
mahl in Bildern fprechen wollen, fo weiß ich noch
Eines, paſſender ald Jenes. Wenn id das Haus
meines Nachbar brennen ſehe, wenn auch dem Mei«
nigen das fichere Schickſal bevorfteht, von der Flam⸗
me bald ergriffen zu werden ; handle ich dann unklug,
wenn ich feldft einen Theil meiner Wohnung nieders
reife, um bie größere, beffere Halbſcheid zu retten?
Sign. Nein, unklug nie! Aber menigftend
begnüge ich mich dann nicht mit nußlofen Klagen, fondern
denke vielmehr einem baldigen Wiederaufbau nad.
Mondr. Thu’ ich das nihet
Sign. Und ih warte dann auch Eeinesweges
fo lange, bis Wetter, Sturm und Zeit dad übrig
gebliebene Gemäuer vollends einflürzen.
Mondr. Weiße du denn, du Ungeduftige, -
ob ich fo fange warten will? Ob ich nicht jet bereits
das Mittel zu unferer Wiedereinfegung gefunden
habe $
Sign. Wenigſtens weiß ich, daß du unrecht
thaͤteſt, wenn du es mir verſchwiegeſt. (pottend)
Das Glück deiner bisherigen Anſchlaͤge gibt die
wahrlich Eein Necht, deine Eünftigen für untrügs
lich zu halten. |
XX 1 54 08008
Monde. Wohlan, ſchau her in meine Ke
"und fage an: 0b id die Blätter nicht weile g
net babe? — Gefegt einmahl, du felbit hegteft
altväterifche Grille, mit pünctliher Treue an de
Gemahl zu bangen; nichts zu thun, nichts zu
ten fogan, was der beym Altar ihm verfprod
Pflicht zuwider ware — —
| Sign. (vafig untersregend.) Ha, was folll
Was willit du mit diefem beinem: Gef est
mahl! Sc glaube, du fpotteft.
Mondr. (tädemd.) Ein großes Unrecht frey
wenn ıch deinem vorigen löblihen Beyſpiele nachfo!
Und doch' wollte ih Dieß jetzt wirklich nicht. Id
zweifle beine Zugend keineswegs; aber daß fie gaı
felfenfeft wie Bianca's "Tugend, bey Bianca's
fungen, geblieben wäre, das glaube ich freylich ke
nicht, weil ich zu fihlecht von deiner Treue, for
weil ih zu günftig von deinem Verſtande urt
Sign. Ein ganz vortrefflihes Complın
Doch immer weiter !
Mondr. Gefegt alfo, du glicheſt ihr!
meinſt du, Eöante wohl ſchmerzlicher dich Erä
als — Undanf? Beleidigung von eben dem M
für den du Alles verſchmäht hatteft ? Untreue de
gen Gemahls, dem du fo übertreu geblieben w
Sign. Schändlid allerdings, doch nicht:
mögliched bey euerem wetterwendiſchem Geſchl
Monde. Wenn dir num zumahl Jemand
dem du noch für" geliebt dich mwähnteft, Überzeu
Beweiſe darböthe, daß dein Gatte feine Kraft
feine Liebe an Buhlerinnen verfchwende, was w
du dann thun? \
we 155 mm
Sign. Mid rächen.
Mondr. Und die Art diefer Rache? — Nice
wahr, Wied erverg eftung wäre eine von den
allererften ? oo
Sign. Vielleicht!
Mondr. Würdeſt auch wog rubig zuſeben,
wenn dann ein Gegner deinen Treuloſen von der Höhe,
die er nur durch dich erſtiegen, herabſtürzte? Würdeſt
felbft vielleicht die Hand zu diefem Umfturz biethen,
fo bald dus fiher wäreft, nicht mit dabey zu leiden?
Sign. Wohl ındglih! Aber wo bey Bianca —
denn auf fie wird doch dieß Alles zielen — die Urſache
einer ſolchen Rache ſich Anden follte, das ſehe ich noch
nicht. |
Mondr. Ein Beweis, daß deine leibliche n
Augen nicht fo fharf, als deine geiftigen feben!
Sign. (mie ſotiilchem Knids.) Wollten doch die
Goͤtter, daß bey mandem großen Herrn der Fall nicht
umgekehrt da wäre! \
Mpndr. (hie lächelnd tüßend.) Brav gegeben! Aber-
- Emilie , laß diefes wechſelſeitige Verfpötteln uns vers
geilen; laß uns ftatt beifen lieber mit vereinten .
Kräften einander beyſtehen! — Du Eennft Kaſſandra?
Sign. Kaffandea! die Witwe unſers ehemah⸗
ligen Nachbars, Simon Bongiani? |
Mondr. Richtig! Das Weib mit den flolzen
Wuchfe, der vollen Bruft und dem ſchönen, flammen«
den Auge.
Sign. Nun, nun! nur gemach, Herr Ge⸗
mahl! Nur nicht gleich, fo ganz außer ſich vor Bits
züden! Ein fliered, großes Auge ift immer noch niht
fo außerordentlich jhön; und Kaſſändra's Wuchs — —
“
— 156 me
Monde. (has ſcherzbaft.) Der verzweifelte w
fihe Neid! Das, meine Liebe, ift doch wohl
läugbar, daß Kaſſandra .eine unferer fhönften Flor
tinerinnen it?
Sign Und fage and, eine unferer BWolluf
fen! Der arme Simon Vongiani lebte fiher nı
würde jicher noch immer unfere Bälle und Con;
mit feinem fchwinbfüchtigen Huften beunruhigen, |
te er diefe Unerfättliche nicht gebeirathet.
Mondr. (uaacheind.) Defto beffer! defto befl
Jemehr Gluth von innen, deſto weniger Anreiz
braucht es von außen. — Kurz, auf fie, wenn
nicht ſehr mich irre, wendet fchon feit einigen Ta
Eignor Pietro Bonaventuri feine Augen; ſchießt
ihnen Blicke, die fi Teicht deuten laffen, und
wahrfheinlih Kaffandra auch fehr genau gedeutet
ben wird.
Sign. (mit dem Kopf ſchüttelnd.) Wenn ichn n
nicht irre! Vielleicht! Wahrſcheinlich! — Lauter bl:
Möglichkeiten! |
Mondr. Die ih zur Wirklichkeit gar b
durch meine Helfershelfer erhöhen will. Du mußt
auch den Vetter der Kaſſandra, Franceſco Ricci, E
nen. Ein Höfling, wie es beren wenige gibt! GC
fhmeidig, verjchlagen, Herr über jede Miene und
bes Wort, führg zu Allem, wozu man niht perſör
hen Muth braucht, und mir Außerft ergeben. 3
habe ich befoßlen, Bonaventuri leife zuzuflüftern: r
heftig Kaſſandra ihn liebe; und Kalfandra ein Gleid
von Bonaventuri vorzufhwagen. Was gilts, die bi
ben ohnedieß nicht weit von einander entfernten P
teyen rücen bald naher zuſam men ? Er unerfohren u
. — 357 wesen
unbefonnen; fie buhleriſch und liſtig! Kan Fener ſich
bes Schwefels leichter bemaͤchtigen % Und bleibt Bianca
bann etwas weiter übrig, ald mis ihrem Gemapl zu
bredyen %-
Sign. Oder ihn zu verachten.
Mondr. Gleichviel! in beyden Fällen find wir
die Mifcher diefer Karte, in beyden, ſobald wir wach⸗
ſam find, die Mittelöperfonen und die Belohnten.
Sign. Wenn ſie nun aber im Übermaß eheli⸗
cher Zärtlichkeit — denn zu welchem Grad der Zaͤrt⸗
lichkeit verſteigt ſich nicht zuweilen eine ſolche Bürs
ger⸗Seele! — ihrem guten Maͤnnchen bloß liebreiche
Vorwürfe macht dihn wieder umſchmelzt! feſter als je
an ſich kettet? An Tugend fie, an Treue er zunimmt?
Wie denn ba?
Mondr. Sprichſt du doch, als wäreft du erſt
feit ehegeftern in den Stand der heiligen Ehe getreten,
und wüßteſt noch nicht den mächtigen Unterſchied zwi⸗
{ben Draitreffen: Liebe. und Gattenpflicht!
— Lop mid nur machen, und ed fol Alles noch gut
geben.
Sign, Meinen Wunfd dezu,n wenn auch noch
nicht mebne Hoffnung!
t. In der That verweigerte Signora Mondragone
dieſe letzte nur, aus jener dem weiblichen Geſchlechte
zur zweyten Natur gewordenen Widerſprechungsgabe.
Der Anſchlag ihres Ehegemahls war, Das fühlte ſie
ſelbſt, nichts weniger als unwahrſcheinlich; ſo wie er
leider! bald darauf nichts weniger als fruchtlos blieb.
Kaffandra Bongiani hatte alle Eigenſchaften, die
fühig find, einen jungen, von Ehrgeiz bingeriffenen,
von Begierde aufgefhwellten und von unverdient
Blüde taumelnden Mann zu beſtricken. Nach der ga
zen Summe ihrer Schönheit betragtet, wär
Bianca’d würdige Nebenbuhlerinn; nach jet
Einzelnheit ipr®egenbild! Hätte man Bey
neben einander geftelt, dann wäre Kaſſandra ei
hocherhabene Juno, {don und ſtolz, Bianca, e
befheidene Pſyche, fanft und nur in der Liebe fi
rig geweſen. Zum Glüc der innigiten Zärtlichkeit n
. Bianca; Kaffantra ganz für eine Leidenfehaft gef
fen, die Auffehen madt. Ruhig zu befißen, w
Bianca's; allbeneibet zu herrſchen, Kajfantr
höchſter Wunſch. Jener genügte ein einziges Haı
dieſer nicht zehn taufend. Bianca bebte vor
der Mebenbuhlerinn; Kajlandra freute fi dere
denn fie erhöhten ihren Eieg. Erfalfung in !
Liebe war Jener größte Pein, für Diefe war es Ei
förmigfeit. Hundert Reize, bie ſie wirklich beſa
verbarg Bianca; Kaſſandra fügte zu ihren natür
chen noch doppelt fo viel entlehnte. Bianca ba
nur ein Mahl, Kaſſandra nie geliebt.
So war das Weib beſchaffen, das Bonaventur
Fallſtrick werden ſollte, und — ward. Kaum, d
ſie ein wenig gegen ihn ihr Netz ausſpannte, ſo w
er auch ſchon tief hinein verwickelt, und vergaf-d
Befig feiner wahren Shape, um fi eines trüg
eifhen Glanzgoldes zu bemädtigen. Vergebe
ſprach in feinem Herzen die Stimme ber Pflicht; |
Leidenfhaft übertäubte diefelbe bald. Vergebens fah
Schwierigkeiten und Gefahr; er fühlte fi dadu:
nur ftärker angefpornt. Auch war ber Mann, dem n
ſchon feir einigen Monden jeder Wunſch erfüllt w
D\
weh 159 vers
den, wahrlich nicht mehr im Stande, irgend eine
neuen zu unterbrüden,. ja, nit einmahl zu
verbergen. Sn nichts ein Hofmann, als in der
Eitelkeit, glaubte er ſich nur erklären zu dürfen, um
erhört zu ſeyn; und erklärte fi fo laut, fo unbefan⸗
gen, daß bald Franzens ganzer Hof, bald das ganze
weite Florenz mußte: Wen er liebe, und wie heiß
er fie Liebe!
Die einzige Perfon , vor der er ſich wenigſtens
einiger Maßen zu zwingen und zu. verbergen fuchte,
wareben Diejenige, um derentwillen der Leichtfinnis - .
ge Kaffandra ganz hätte wermeiden"follen ; die Einzige,
gegen welche feine kleinſte Sünde zur Todſünde ward.
Ah! und doch ſahBianca gar bald, was er verbarg ; fpürs
te feine Untreue und feinen Zwang gar wohl, vers
ſuchte alle mögliche Mittel, den Verirrten wieder jıre
rück zu bringen; verftärkte Zärtlichkeit, Erneuerung
ihrer erften Liebe, Zuvorkommen feiner Heinften Wün⸗
fhe, Warnung vor den Gefahren des Hofes; und
Eränkte ihn dey allem Dem mit einem Wörtchen eines
Vorwurfs; mit keinem ſtrafenden, ja ſelbſt mit Eeis
nem bewachenden Blicke! Die zaͤrtlichſte Gattinn
kann am zweyten Morgen ihres Eheſtandes ſich nicht
traulicher an den Geliebten ihres Herzens ſchmiegen,
als fie es that, wenn er — von einem Geſpraͤch mit ih⸗
ver Nebenbuhlerinn heimkam. — Tief fühlte der Schül⸗
dige das Gefühl feiner Unwuͤrdigkeit und — blieb dech
ſchuldig. |
- Aber bald vermochte die gute Bianca den Kum⸗
mer, den fie ihrem Gatten, dem einzigen Urbeber
desfelben , zu verbergen ſuchte, felbft fremden Zus
ſchauern nit zu verbergen. Bwar hatte fie keine Freun⸗
er 160 run
‚ Yinn, bes fie ſich mittheilen, und von ber ſte — ver⸗
rathen werden konnte; doch eine gewiſſe Schwermuth,
in ihrem Auge und über bie ganzen Züge ihres Ge⸗
vchtes verbreitet, verriethen jedem aufmerkfamen Be⸗
obachter eine innere Bewegung ihres Herzens. Sie,
die fonft nur ernſthaft zu ſeyn pflegte, war nun
traurig geworben. Und Dieß war es, worauf Mon⸗
dragone mit ängftliher Sorgfalt wartete. Schüchtern
gemacht duch fein voriges Mißratben, wollte ex erft
die fiherften Kennzeichen abwarten, ehe er auf das
Gedeihen feiner Ausſaat ſchlöße. Jetzt hielt er fie
für reif. |
Einft, an einem noch etwas ſchwülen Sommer:
abend , faß Bianca ſchwermuüthsvoll in einer von dem
Lauben ihres Eoftbaren Gartens; — denn es verſteht
fih, daß Bonaventuri feinem neuen Stande gemäß
wohnte; — mit ftarren Augen ſah fie einer pläte
fhernden Cascade zu, ohne auch nur einen von allen
diefen zahllofen Waffertropfen zu fehen, oder auf ihr
Plätſchern zu hören. Da trat unvermuthet Mondras
gone zum Garten herein, und grüßte ehrerbiethig deſ⸗
fen ſchoͤne Befigerinn.
Mondr. Verzeiben Sie mir, Gignora Bonas
venturi, wenn ich in der Hoffnung, Ihren Gemahl zu
finden — —
Bianca (mis Fatter Hönicptele.) ch bedaure, daß
Sie vergebens fi herbemüht haben ; er ift ausge⸗
fohren.
+‘;
wer 101 rem
Monde. (io verbindlich, ats möglich.) Was mir bie
Bedienten ſchon beym Abfteigen meldeten, und wad
ih auch die Mahl eben nicht mit allzu großem Ver
dauern hörte. Mein heutiger Auftrag geht Sie, reis
zende Signora, und Shren Gemahl zu gleichen Their
fen an; er enthält eine Beftellung von unferm gnädige
ften Großherzog an Sie Beyde.
Bianca. Was befehlen Seine Durchlaucht?
Mondr. Dem Signor Pietro Bonaventuri,
daß er morgen unfer Jagdgefolge verftärke! An Sig
nora ergeht ſeine Bitte, daß Sie einen Eleinen Ball f
auf dem Jagdſchloße Fioro angeſtellt, verſchönern
möge.
Bianca. Mein Semahl wird ohne Zweifel feine
Schuldigkeit beobachten ; mich hingegen wird bey
Er. Durchlaucht eine Heine Verſtauchung am rechten
Fuße — —
Mondr. Kein Hingegen , Signora! — Ihre
Durchlaucht verbothen mir durchaus, es dieß Mahl an⸗
zunehmen. Waͤre auch dieſe Unbequemlichkeit mehr
als Vorwand; ſo würde Sie dieſelbe höchſtens hin⸗
dern, am Tanzen Theil zu nehmen, und Gefellfgaft
und Geſpraͤch gewannen dann vielleicht doppelt dabey.
Bianca. Wenigftend werden mir Seine Durch⸗
Taucht verzeihen, wenn ich nicht, ohne vorher die Ers
laubniß meines Gemahls zu erhalten, meine Maß⸗
regeln nehme,
Mondr. Eine zu große Beſcheidenheit, ſchoͤnſte
Signora, unter Umftänden, wie Ihre gegen wärs
tigen find. — (Sie ſchweigt und blickt zur Erde; er nad
einer Paufe von einer Minute) Ausgefahren find alfo bes.
reits Signor Bonaventuri?
ZReifiners Bianca Cap. 1. Hl. 8
— 162 —
Bi-nca. Ausgersßren!
. Mondr. Darf ih Sie fragen: Wehin?
Bianca. Ich wei es ſelbſt nikt.
Monde, Vielleicht zu Signota Kofantra Bi
giani ?
Bianca. Mozlız
Monte. WRenigtens glaubte ich feinen Mag
‚ unweit tiefer Wohnung halten zu fehen.
Bianca. Co?
Mondr. (wis leicht iu deutendem Blick und als ww
er re Hand ergreifen wollte.) Arme Signora Tianca !
Biancataufketend.) Zignor werden verzeihen
Mondr. (ver fie, jedoh mit großer Ehrfurcht zu
san.) Nein, Eignora Bianca, verzeihen Sie m
lieder, wenn ih Sie jest noch nit von hinnen lai
Die Befehle meined Getiethers find noch nicht ve
endet. (Cie ficht ihn etwas verwundernd ap, faßt ſich «a
und Bleibt. Gr fährt mit geändersem Tone fort.) Arme S
nora, wie vertraut müjlen Lie bereits mit Ihr
Kummer — an dem auch fhon unfer ganzer He
vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt — |
worden feyn, baß Lie fo ganz gelajien ben No
men einer Perſon anhören Eonnen, von weld
doch all diefer Mißmuth ihnen zumädft !
Bianca (ebr ernſt. Eignor Mondragone,
ſetzte mich wieder, um zu hören, was Sr. Dur
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um ü
men Schickſal mit Ihnen zu ſprechen. Noch b
ih mich über dasſelbe, fo viel ich weiß, gegen M
mand, am allermindeften gegen &ie beklagt.
Monde. Weil Sie nıdt willen, mit weld
Grad der Ehrfurde ich mid) Ihnen verpflichtes füh
— 163 —
und wie ſehr die unanftändige Aufführung Ihres Ger
mahls au mich Eränft. Mein Vorwort *) bauptfächs
Ih war ed, was ibn, und zwar bloß I Spretwegen, ,
auf Liefen glänzenden Poſten erhob; hätte ih das _
mahls gewußt, wie ſehr er fen Glück mißbrduchen | \
würde — — nr
Bianca (detreten.) Mißbrauchen? — Mißbrau⸗ u
hen, Signor? Wann that er Das! ,
Mondr. Iſt es nicht der höchſte, möglichſte Miß⸗ |
brach , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianca
eine Kafandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald
fie winkte, Alles, was Florenz Großes und Edles
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüſtigen, herrſch⸗
ſüchtigen Buplerinn nadzufegen, die fhon mandes
baäuslihe Glück zertrummerte, mancher tugendhaften
Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann wies
der tem Erſten dem Bellen durdpreifenden Deutſchen
Preis gab.
I. Bianca. Nein, Signor, halten Sie ein! Ich
wiederhohl es Ihnen, daß ich nicht begreife, was
Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in diefe
Sache zu belältigen? — Auch iſt das Vergehen, das
Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht fo
ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen
*) Man überfehe nicht, daß Die nun fchen der zweyte Höfs
fing ift, der fib einer Mijwirkung zu Bonaveı £.ri’6 Grüd
rühmt; denn freylih hat diefe Art von Leuten immer
die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gate zuzufchreiten, was
“. fie — nit bewireten; und datür die Beſcheidenheit,
das Böfe zu verfcyweigen, was fie — wirklich thaten.
2
un 104 ww
Belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von der ans
. bern Seite gleih ald Ernft aufgenommen wurde;
eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebracht,
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde, mehr
als einer unfers Geſchlechts zugleich ben Hof zu mas
hen. — das Alles hat vielleiht einigen Schein gegen
Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentlichen Sinne
des Worts ſträflich zu machen. Zudem iſt fein Ber
tragen gegen mich von einer ſolchen Befchaffenheit —
— Doc vergeben Ste mir, ih vergaß mid. Eben
da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will — —
Monde. Ceinfattend.) Werden Sie aufs edelmü⸗
thigite die Vertheidigerinn eines Mannes, der wahr⸗
lich dieſer Vertheidigung längft ſchon unwerth war. —
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bianca,
ſchaͤndlich iſt Derjenige, ber eines bloßen Verdachts
halber Glück und Frieden feines Nächften flört; und
doppelt ſchaͤndlich wäre ich dann, wenn ich den Frieden
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete. Was
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr ſich flü«
fterte, überhörte ich; was ich ſelbſt nur halb fah,
mochte ich lieber ‘gar nicht gefehen haben : erſt ald mein
Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam ih ber;
und nun — (indem er ihr einen verfiegelten Brief barbies
tpet) Eennen Sie diefes Pettfchaft und diefe Hand?
Bianca (glei beym erfien Blick äußert betreten.)
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri.
Mondr. Und die Auffhrifet An wen?
Bianca. Öraufamer! Wollen Sie meiner und
meiner Schmach noch fpotten * Sagen Sie, wie fom-
men Sie zu diefem Briefe?
—16505
Mondr. Sey Das geſchehen, wie da wolle
Genug, es iſt ein Brief Ihres Gemahls an Kaſſandra,
und es ſteht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen.
Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alſo iſt er Das
noch nicht }
Monde. O nein! Nicht mir ziemte es, in bie
Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zuwollen; aber
wohl haben Sie ein Recht dazu.
Bianca (mit etwas Bitterteie.) Würden Sie Das
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeites
ben? — (alsbald wieder mis dem Tone der: Würde und ins
des fie den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob
ih dafür Ihnen danken fol, daß Sie mir über,
haupt dieß Schreiben brachten, Das ſtehe ih noeh
zu entfheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen
dafür, daß Sie es fo mir braten, — Es bleibt
nun fo.
Mondr. (gan erRaunt.) Wie, Signora, und
Sie wollten — —
Bianca (laachelind.) Bloß Ihrem Benfpiele fols
gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Ändern mid
eindrangen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur
ein Fremder, gegen mich ift ee Ehegemahl und
Herr. Was Shnen in Rückſicht feiner nicht ziemt,
ift mir fogar verbothen. Unanftändig wäre das Aufs
brechen bed Briefed von Ihnen gewefen, von mir
wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondra-
gone, ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie
* Schreiben mir ſo brachten. (Sie will gehen, er
hält fie abermahlss.)
Mondr. Und den Auftrag meines gnäbigften
Herrn alfo wollen Ste nicht hören ?
wa . IHB m
von Begierde aufgefchwellten und von unverdient
Blüde taumelnden Mann zu beftricken. Nach der ga
zen Summe ihrer Schönheit betrachtet, war
Bianca's würdige Nebenbublerinn; nad) jei
Einzelnheit ihr Gegenbild! Hätte man Ber
neben einander geftellt, dann wäre Kaſſandra ei
hocherhabene Juno, fhon und flolz, Bianca, ei
beſcheidene Pſyche, ſanft und nur in der Liebe fi
rig geweſen. Zum Glüc der innigiten Zärtlichkeit n
. Bianca; Kaffantra ganz für eine Leidenfchaft geſch
fen, die Auffehen macht. Ruhig zu befißen, w
Bianca's; allbeneibet zu herrſchen, Kajfantr
höchſter Wunſch. Jener genügte ein einziges He—
dieſer nicht zehn tauſend. Bianca bebte vor
der Nebenbuhlerinn; Kaſſandra freute ſich der
denn ſie erhöhten ihren Sieg. Erfalfung in I
Liebe war Jener größte Pein, für Diefe war es Ei
förmigfeit. Hundert Reize, die ſie wirklich befe
Herbarg Bianca; Kaflantra fügte zu ihren natün
den noch doppelt fo vielentlehnte. Bianca ba
nur einMahl, Kaflandra nie geliebt.
Co war das Weib befchaffen, dad Bonaventut
Sallftricd werden follte, und — warb. Saum, d
fie ein wenig gegen ihn ihr Meß ausfpannte, fo n
ec audy ſchon tief hinein verwickelt, und vergaf-t
Befig feiner wahren Schätze, um ſich eines trüg
eifhen Ölanzgoldes zu bemädtigen. Wergebe
ſprach ın feinem Herzen die Stimme der Pflicht;
Leidenſchaft übertäubte diefelbe bald. Vergebens fah
Schwierigkeiten und Gefahr; er fühlte fih dadu
nur ftärker angefpornt. Auch war ber Marin, dem n
fhon feir einigen Monden jeder Wunſch erfüllt w
*
on * ve
den, wahrlich nicht mehr im Stande, irgend eine
neuen zu wnterbräden, ja, nicht einmahl zu
verbergen. Sn nichts ein Hofmann, als in der
Eitelkeit, glaubte er ſich nur erklären zu bärfen, um
erhört zu feyn; und erklärte fih fo laut, fo unbefan⸗
gen, baf bald Franzens ganzer Hof, bald das ganze
weite Florenz mußte: Wen er liebe, und wie bei
er fie liebe!
Die einzige Perſon ‚vor det er ſich wenigſtens
einiger Maßen zu zwingen und zu verbergen ſuchte,
war eben Diejenige, um derentwillen der Leichtſinni⸗
ge Kaſſandra ganz hätte vermeiden'ſollen; die Einzige,
gegen welche feine Heinfte Sünde zur Todfünde ward,
Ah! und doch fah Bianca gar bald, was er verbarg ; ſpür⸗
te feine Untreue und feinen Zwang gar wohl, vers
ſuchte alle mögliche Mittel, den Verirrten wieder zu⸗
rüd zu bringen; verftärkte Zärtlichkeit, Erneuerung.
ihrer erften Liebe, Zuvorfommen feiner Heinften Wün
fhe, Warnung vor den Gefahren des Hofes; und
Eranfte ihn dey allem Dem mit einem Wörtchen eines‘
Vorwurfs; mitkeinem firafenden, ja feibft mit.Eeis
nem bewadenden Blide! Die zärtlihfte Gattinn
kann am zweyten Morgen ihres Eheftandes ſich nicht
traulicher an den Geliebten ihres Herzens fhmiegen,.
als fie es that, wenn er — von einem Gefpräd, mit ih⸗
ser Nebenbuplerinn heimkam. — Tief fühlte der Schul:
dige das Gefühl feiner Unwuͤrdigkeit und — blieb doch
ſchuldig.
- Aber bald vermonte bie gute Bianca den Kum⸗
mer, den fie ihrem Gatten, dem einzigen Urheber
desfelben, zu verbergen ſuchte, ſelbſt fremden Zus
hausen nicht zu verbergen. Zwar hatte fie Eeine Freun⸗
won ı60 rum
inn, bes fie ſich mittheilen, und von ber ſte — v
rathen werden konnte; doch eine gewiſſe Schwermu
in ihrem Auge und über die ganzen Züge ihres €
Üchtes verbreitet, verriethen jedem aufmerkfamen X
obachter eine innere Bewegung ihres Herzens. S
bie fonft nur ernfibaft zu ſeyn pflegte, war n
traurig geworben. Und Dieb war es, worauf Me
dragone mit ängftliher Sorgfalt wartete. Schücht
gemacht durch fein voriges Mißrathen, wollte er «
die fiherften Kennzeihen abwarten, ehe er auf t
Gedeihen feiner Ausſaat ſchlöße. Jetzt hielt er
fuͤr reif. |
Einft, an einem noch etwas fohwülen Somm
abend , faß Bianca ſchwermuthsvoll in einer von d
Lauben ihres Eoftbaren Gartens; — denn es verft
ih, dag Bonaventuri feinem neuen Stande gem
wohnte; — mit flarren Augen fah fie einer pl.
fhernden Cascade zu, ohne au nur einen von all
diefen zahllofen Waffertropfen zu fehen, oder auf i
Plärfhern zu hören. Da trat unvermuthet Mond:
gone zum Garten herein, und grüßte ehrerbiethis d
ſen ſchoͤne Beſi itzerinn.
Mondr. Verzeihen Sie mir, Signora Bon
venturi, wenn ich in der Hoffnung, Ihren Gemahl
finden — —
Bianca (mis kalter Hollichteit. Ich bedaure, bi
Sie vergebens ſich herbemüht haben; er iſt andg
fahren.
wer 101 rom
Mondr. (fo verbindtia, ats möglich.) Was mir die
Bedienten ſchon beym Abſteigen meldeten, und was
ih: auch dieß Mahl eben nicht mit allzu großem Bes
bayern hörte. Mein heutiger Auftrag geht Sie, rei⸗
jende Signora, und Ihren Gemahl zu gleihen Theis
Sen an; er enthält eine Beftellung von unferm gnädige
fien Großherzog an Sie Beyde.
Bianca, Was befehlen Seine Durchlaucht?
Mondr. Dem Signor Pietro Bonaventuri,
daß er morgen unfer Jagdgefolge verftärke ! An Sig: .
nora ergeht ſeine Bitte, daß Sie einen Eleinen Ball,
auf dem Jagdſchloße Fioro angeſtellt, verſchönern
möge.
Bianca Mein Semahl wirb ohne Zweifel feine
Schuldigkeit beobachten ; mid hingegen wird bey
Er. Durchlaucht eine Heine Verſtauchung am rechten
Buße — —
Mondr. Kein Hingegen, Signora! — Ihre
Durchlaucht verbothen mir durchaus, es dieß Mahl an⸗
zunehmen. Wäre auch 'dieſe Unbequemlichkeit mehr
als Vorwand; ſo würde Sie dieſelbe höchſtens hin⸗
dern, am Tanzen Theil zu nehmen, und Geſellſchaft
und Gefpräcd gewannen dann vielleicht doppelt dabey.
Bianca. Wenigftend werden mir Seine Durch⸗
Taucht verzeihen, wenn ich nicht, ohne vorher die Er⸗
laubniß meines Gemahls zu erhalten, meine Maß⸗
regeln nehme,
Mondr. Eine zu große Beſcheidenheit, ſchönſte
Signora, unter Umftänden, wie Ihre gegenmwäre
tigen find. — (Sie ſchweigt und blidtt zus Erde; er nad
einer Pauſe von einer Minute) Ausgefahren find alfo bes.
veitd Signor Bonaventuri?
Meißners Blanca Gap. 1. Thi. g
won " 162 wu
Bianca. Ausgefahren!
. Mondr Darf.ih Sie fragen: Wohin?
Bianca. Ich weiß es ſelbſt nicht.
Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra S
giani?
Bianca, Moglid!
Mondr. Wenigftensd glaubte id) feinen W
unweit dieſer Wohnung halten zu ſehen.
Bianca. So? |
Mondr, (mit leicht zu deutendem Blick und als
er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca
Bianca Gufſtehend. Signor werden verzeihe
Monde. (der fie, jedoch mit großer Ghrfurdt |
hätt) Nein, Signora Bianca, verzeihen Sie
lieber, wenn ih Sie jest noch nicht von binnen |
"Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht
endet. (Sie ficht ihn etwas verwundernd ap. faßt fid
und Bleibt. Er fährt mit geänderten Tone fort.) Arme |
nora, wie vertraut müſſen Sie bereits mit Il
Kummer — an dem aud ſchon unfer ganzer —
: vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt —
worden feyn, daß Cie fo ganz gelaffen ben 9
men einer Perfon anhören. können, von we
doch all dieſer Mißmuth ihnen zuwaͤchſt!
Bianca (fepr ernſt. Signor Mondragone,
ſetzte mich wieder, um zu hören, was Sr. D
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um
mein Schickſal mit Ihnen zu ſprechen. Noch
ich mich über dasſelbe, ſo viel ich weiß, gegen
mand, am allermindeſten gegen Sie beklagt.
Mondr. Weil Sie nicht wiſſen, mit wel
Grad der Ehrfurcht ich mich Ihnen verpflichtet fi
— 6 -
und wie ſehr die unanftändige Aufführung Ihres Ges
mahls auch mich Eränft. Mein Vorwort *) bauptfägs
Ih war es, was ihn, und zwar bloß I Spretwegen,,
auf dieſen glänzenden Polten erhob; hätte ih das
mahls gewußt, wie ſehr er fein Glück mißbrduchen J
würde — — “
"Mianca (beireten.) Mißbrauchen? — Mißbrau⸗ u.
hen, Eignor? Wann that er Das?
Mondr. Sites nicht der höchſte, möglichfte Miße
brauch , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianca
eine Kaſſandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald
fie winfte, Alles, was Florenz Großes und Edles
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüjtigen, beirfch«
ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches
bäuslihe Glück zertrümmerte, mander tugendhaften
Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann fies
der dem Erfien dem Bellen durchreifenden Deutfgen
Preis gab.
= Bianca. Nein, Signor, halten Sinein! Ih
wiederhoptl" ed Ihnen, daß ich nicht begreife, was
Sie” bewegen kann, fih nit Einmiſchung in dieſe
Sache zu belaͤſtigen? — Auch iſt das Vergehen, das
Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo
ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen
) Man überfehe nicht, daß Die nun fchen der zweyte Häfs
fing ift, der fib einer Mifiwerfung su Bonaveı teri's Grück
rühmt; denn feeylih hat diefe Art von Leuten immer
die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gute zugufchreiten, was
ſie — nicht bewirften ; und Dafür, die Beſcheidenheit,
R das Böfe zu verſchweigen, was fie — wirklich thaten.-
vr. Q 2
nn 164 —
Belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de
dern Seite gleih ald Ernft aufgenommen wı
eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebr
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde,
als einer unferd Geſchlechts zugleich ben Hof zu
chen — das Alles hat vieleicht einigen Schein ;
Pietro erregt, ohne ihn depfalld im eigentlichen €
des Worts ftraflich zu maden. Zudem iſt fein
tragen gegen mic) von einer folhen Beſchaffenhei
— Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid).
da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will -
Monde. Ceinfaltend.) Werden Sie aufs edge
thigfte die Vertheidigerinn eines Mannes, der ı
lich diefer Vertheidigung längft fhon univerth waı
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bic
fhändlih ift Derjenige, der eines bloßen Verd
halber Glück und Srieden feines Nächften ſtoͤrt;
doppelt fhändlih wäre id) dann, wenn ich den Fr
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete.
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr fid
fterte, überbörte ich; was ich felbft nur halb
mochte ich lieber gar nicht gefehen haben : erſt als
Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam ic
und nun — (indem er ihr einen verfiegelten Brief i
tpet) Eennen Sie diejed Pettfhaft und diefe Han!
Bianca (gleich dem erfien Blick äußert betr
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri.
Mondr. Und die Auffhrift? An wen?
Bianca. Öraufamer! Wollen Sie meine
meiner Schmad noch fpotten $ Sagen Cie, wie
men Sie zu diefem Briefe?
son 105 vema
Monde. Sey Das gefhehen, wie da wolle
Genug, es ift ein Brief-Ihres Gemahls an Kaſſandra,
und es ſteht nur bey Ihnen, ihn zu erbregpen.
Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alfo iſt er Dos
noch nicht ?
Monde. DO nein! Niht mir ziemte es, in bie
Geheimniſſe Bonaventuri's eindringen zumwollen; aber .
wohl haben Sie ein Recht dazu.
Bianca (mie etwas Bittere.) Würden Sie Das
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeftes
ben? — (alsbald wieder mis dem Tone der: Würde und ine
dep fie den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob
ih dafür Ihnen danken fol, daß Sie mir über«
haupt dieß Schreiben braten, Das ſtehe ih noch
zu entſcheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen
daflır, daß Sie es ſo mir brachten. — Es bleibt
nun ſo.
Mondr. (gan erRaunt.) Wie, Signora, und
Sie wollten — —
Bianca (liacheind. Bloß Ih re m Benfpiele fol⸗
gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Andern mich
eindrängen! Pietro Bonaventuri iſt gegen Sie nur
ein Fremder, gegen mich iſt ee Ehegemahl und
Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt,
ift mir fogar verbothen. Ananftändig wäre das Aufs
brehen ded Briefed von Ihnen gewefen, von mir
wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondra-
gone, ich banfe Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie
dieſes Schreiben mir fo braten. (Sie will gehen, er
hätt fie abermahls.)
Mondr. Und den Auftrag meines gnäbigfen
Herrn alſo wollen Ste nicht hören ?
v0 166 ee
| Bianca (verdrießtih.) Wie oft werden Cie
- pon diefem Auftrage fprehen, den Sie gleich &
erften Morte wieder vergeflen, um auf Nebenwe
auszufhwerfen, wo — —
Mondr. Wo man freylih meiner guten Ab
den Dank verweigert, den ſie verdiente.
Bianca (ſpottend.) Ihrer guten Abſicht?
Mondragone ! Die Peftluft des Hofes bat mich 3
nicht ſchon in der Wiege vergiftet; aber doch ˖ bin
nicht unerfabren genug, durd eine Heucheley di
Art mich hintergehen zu laſſen. Es gibt Gifte,
man, auch ohne Arzt zu ſeyn, kennt, und die, T
einer leichten uͤberzuckerung „ſich bald verrathen.
Aber ſieh da, ſchon komme ich ſelbſt wieder von
i Hauptſache aa! — Was Sie im Nahmen Er. Du
laut mir zu fagen haben, wünſche ih nun ju- wii]
wünſche es fo Eur; als möglich. |
Mondr So kurz als möglich! Ich mei
Tbeils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, ober
nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet.
biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen
hier, ſchöne, beneidenswürdige Bianca!
Bianca (keſtüczt.) Wie ein Brief vom Großl
zog? ein Brief an mich? Unmöglich!
Mondr. Und doh wahr! — Eignora! ı
nüßt diefes lange Zaudern, diefed Verftellen von ®
feit8 und Dießſeits? Wer wüßte es nit, daß St
Körpers trefflidie Reize das Herz des edelften Für
bezwungen haben, und daß ihn die noch größern X
trefrlichkeiten Zhrer Seele auf immer zu Ihrem ©
ven madten?
Bianca. Das wüßte gr
un 167 naran
Mondr. Ällerdings! denn wie waͤre es moͤglich,
daß am ganzen Hofe Ste, eben Sie! die einzige
Unwiſſende ſeyn follten? Aber wenn Sie Diefe denn
ja waren — wohlan, fo erfahren Sie hiermit , ſchoͤn⸗
ſte Signora, daß das Herz unſers angebetheten Zür-
ften für Sie von einer Gluth entbrannt ift, wie er
noch nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, Tebt
nur in diefer Liebe. — Durch gegenwärtigen Brief
und durh meinen Mund fragt er Ihnen feine innigſte
Zärtlichkeit, trägt Jhnen nebft Gewährung jeder Ih:
ver Forderungen, noch Alles, was Hof und Pracht und
Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ıhm er:
lauben — —
Bianca. Nein, Mondragone, nur allzu lange
habe ich Sie jetzt reden laſſen; denn das uͤberraſchende
bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo
tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke
betäubt und ſtumm. — Ja, ja, Hinterliſt und
Fallſtrick ſage ih; und Dieß von Niemanden, als
von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen —
wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es
auch nicht wiſſen; — aber von unſerm edelmüthigen
Fürſten Eommt es ficher nicht. Er Eennt zu gut. die
Pflihten eines Negenten und eines jeden’Standes;
ihm ift zu fehr Alles, was der Tugend heiligen Nah⸗
men führt, werth und ıheuer, als nad einem Rafter .
zu ſtreben. Er genoß ſicher ſchon der echten "Spende
genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden‘; die
von jeder Seite her ebebrecherifch feyn würde, und
die — — — Kein Wort mehr; verlaſſen Sie mich
ſo bald als moͤglich! !
en * 162 ven
Bianca. Ausgefahren!
. Mondr. Darf ih Sie fragen: Wohin?
Bianca. Ich weiß es ſelbſt nicht.
Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra Bon⸗
giani ?
Bianca, Möglich!
Mondr. Wenigftens glaubte ih feinen Wagen
unweit Biefer Wohnung halten zu feben.
Bianca. So?
Mondr, (mit leichte zu deutendem Blick und als wenn
er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca!
Biancaxauffehend.) Signor werden verzeihen —
Mondr. (der fie, jedoch mit großer Ehrfurcht zurück
part.) Nein, Signora Bianca, verzeihen Sie mir
lieber, wenn ih Sie jest noch nicht von binnen laffe,
"Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht voll-
eridet. (Sie fieht ihn etwas verwundernd an, faße fih aber
und Eleibt. Er fährt mit geändertem Tone fort.) Arme Öigs
nora, wie vertraut müllen Sie bereit mit Shrem
Kummer — an dem auch fhon unfer ganzer Hof,
: vorzüglich aber unfer Gebiether Antheil nimmt — ges
worden feyn, daß Sie fo ganz gelaffen ben Nabs
men einer Perfon anhören können, von welder
doch all diefer Mißmuth ihnen zuwächſt!
Bienca (febr ernf.) Signor Mondragene, id
feste mich wieder, um zu hören, was Sr. Durch⸗
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um über
men Schickſal mit Ihnen zu fpreben. Noch habe
ich mich über dasfelbe, fo viel ich weiß, gegen Nies
mand, am allermindeften gegen Sie beElagt.
Monde Weil Sie nıdht wilfen, mit weld-m
Grad der Ehrfurcht ich mich Ihnen verpflichtes fühle,
⸗
vo. 163 —
und wie ſehr die unanſtändige Aufführung Ihres Ges
mahls auch mich kränft. Mein Vorwort *) hauptſäch⸗
ih war ed, was ihn, und zwar bloß S Spretwegen, ,
auf tiefen glänzenden Poſten erhob; hätte ih da:
mabls gewußt, wie fehr er fein Glück mißbrduchen u
wirde — — =
Bianca (Betreten.) Mißbrauchen? — | Mißbrau⸗
chen, Signor? Wann that er Das? v
Mondr. Sites nicht der höchſte, möglichſte Miß—
brauch, nicht des Unſinns oberſter Grad, Bianca
eine Kaſſandra vorzuziehen? Bianca'n, der, ſo bald
fie winkte, Alles, was Florenz Großes und Edles
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüſtigen, Berrfch«
ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches
haͤusliche Glück zertrümmerte, mancher tugendhaften
Gattinn ihren Gemahl entriß, und dieſen dann wies
der dem Erſten dem Beſten durchreiſenden Deutſchen
Preis gab. |
=, Bianca. Nein, Signor, haften Siaein! Ich
wiederhohl⸗ es Ihnen, daß ich nicht begreife, was
Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in dieſe
Sache zu belaͤſtigen? — Auch iſt das Vergehen, das
Sie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo
ganz gewiß, fo unläugbar, wie Sie es anzunehmen
*) Man überfehe nicht, daß Dieb nun ſchon der zwente Hoͤf⸗
ling iſt, der ſich einer Mifwirkung zu Bonaven tri's Giück
rühmt; denn freylich hat dieſe Art von Leuten immer
die Menſchenliebe, ſich dasjenige Gute zuzuſchreiben, was
Dur? — nidt bewirkten; und dafür die Beſcheidenheit,
das Boͤſe zu verſchweigen, was fie — wirklich thaten.
2
nn 164 were
belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de
. dern Seite gleih als Ernft aufgenommen wı
eine Hoflichkeit, etwad unſchicklich angebr
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde,
als einer unfers Geſchlechts zugleich den Hof zu
chen — das Alles hat vieleiht einigen Schein ;
Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentlihen €
des Worts ſträflich zu machen. Zudem ift fein
tragen gegen mid) von einer ſolchen Beſchaffenhei
— Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid.
da ich gar nicht von diefen Sachen fprechen will -
Monde. (einfallend.) Werden Sie aufs ede
thigfte die Vertheidigerinn eines Mannes, der n
lich diefer Vertheidigung längft fhon unwerth waı
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, fhönfte Bi.
fhändlicy ift Derjenige, ber eines bloßen Werd
halber Glück und Frieden feined Naͤchſten ſtoͤrt;
doppelt [handlich wäre id) dann, wenn ich den Fr
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete,
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ohr fid
fterte, überhörte ih; was ich felbft nur halb
mochte ich lieber gar nicht gefehen haben : erſt als
Argwohn in Gewißheit fih verkehrte, Fam id
und nun — (indem er ifr einen verfiegelten Brief &
thet) Eennen Sie diejes Pettfchaft und diefe Hand
Bianca (gieih deym erſten Blick äußern betr
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri.
Monde. Und die Aufſchrift? An wen?
Biance. Graufamer! Wollen Sie meine
meiner Schmach noch fpotten ? Sagen Sie, wie
men Sie zu diefem Briefe?
san 105 roman
Monde. Sey Das gefchehen, wie da wolle
Genug, es ift ein Brief Ihres Gemahle an Kaſſandra,
und es fteht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen.
Bianca (die fin ſchnell faßt.) Alfo ift er Das
noch niche ? |
Mondr. O nein! Nicht mir ziemte ed, in bie
Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zuwollen; aber
wohl haben Sie ein Recht dazu.
Bianca (mis etwas Bitterteit. Würden Sie Das
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeſte⸗
hen? — (altdald wieder mis dem Tone der Würde und ine
dee Fe den Brief annimme.) Signor Mondragone! ob
ih dafür Ihnen danken foll, daß Sie mir über⸗
haupt dieß Schreiben brachten, Das ftehe ih noch
zu entſcheiden an. Aber wenigftens danke ich Ihnen
dafür, daß Sie es fo mir brachten. — Es bleibt
nun fo.
Mondr. (ganp erftaun.) Wie, Signora, und
Sie wollten — —
Bianca (acqcelnd.) Bloß Ihrem Benfpiele fols
gen, und nicht in bie Geheimniſſe eines Andern mid
eindrängen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur
ein Fremder, gegen mich ift er Ehegemahl und
Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt,
ift mir fogar verbothen. Unanftändig wäre das Aufs
brechen des Briefe von Ihnen gewefen, von mir
wäre ed fogar ſträflich. Nochmahls, Gignor Mondra-
gone, ich danke Ihnen von ganzem Kerzen, daß Sie
diefe6 Schreiben mir fo braten. (Sie wii gehen, er
Hals fe abermahls.)
Monde. Und den Auftrag meines gnöbigften
Herrn alfa wollen Ste nicht hören ?
wess 166 en. ,
Bianca (verdrießlich Wie oft werben Eie
- pon diefem Auftrage fprehen, den Sie gleich b
erften Morte wieder vergeſſen, um auf Nebenwe
auszuſchweifen, wo — —
Mondr. Wo man freylih meiner guten Ab
den Dank verweigert, den ſie verdiente.
Bianca (vottend.) Ihrer guten Abſicht?
Mondragone! Die Peſtluft des Hofes hat mich 3
nicht ſchon in der Wiege vergiftet; abet dod- bin
nicht unerfahren genug, durd eine Heucheley di
Art mid bintergeben zu laſſen. Es gibt Gifte,
man, aud) ohne Arzt zu ſeyn, Eennt, und die, 2
einer leichten Überzucerung ‚ fid) bald verrathen.
Aber fieh da, fon komme ich felbft wieder von
= Hanptfahe ab! — Was Sie im Nahmen Er. Du
laucht mir zu fagen haben, wünſche ich nun zu wi
wünſche es fo Eurz ald möglich.
Mondr. So kurz als möglich! Ich mei
Theils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, oder
nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet.
biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen f
hier, ſchöne, beneidenswirdige Bianca!
Bianca (beſtüczt.) Wie ein Brief vom Großl
zog? ein Brief an mich? Unmöglich!
Mondr. Und doch wahr! — Eignora! ı
nüßt dieſes lange Zaudern , dieſes Verftellen von ®
ſeits und Dießſeits? Wer wüßre es nicht, daß St
Körpers trefflile Reize dus Herz des edelften Zür
bezwungen haben, und daf ihn die noch größern T
tieftlichkeiten Ihrer Seele auf innmer zu Ihrem Se
ven madten? '
Bianca. Das wüßte ir
— 167 nem
Monde, Ällerdings! denn wie waͤre es moͤglich,
daß am ganzen Hofe Sie, eben Sie! die einzige
Unwiſſende feyn follten? Aber wenn Sie Diefe Nenn
ja wären — wohlan, fo erfahren Sie hiermit, fehöne
fte Signora, daß das Herz unferd angebetheten Zür-
ften für Sie von einer Gluth entbrannt it, wie er
noch nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, Tebt
nur in diefer Liebe. — Durch gegenwärtigen Brief
und durh meinen Mund tragt er Ihnen feine innigſte
Zartiihkeit, trägt Ihnen nebit Gewährung jeder Ihe
ver Sorderungen, noch Alles, was Hof und Pracht und
Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ıhm ers
lauben — — |
Bianca. Nein, Montragone; nur allzu lange
babe ih Sie jeßt reden laſſen; denn das uͤberraſchende
bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo
tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke
betäubt und ſtumm. — Ja, ja, Hinterliſt und
Falaſtrick fage ih; und Dieß von Niemanden, als
von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen —
wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es
auch nicht wiſſen; — aber von unſerm edelmüthigen
Fürſten kommt es ſicher nicht. Er kennt zu gut die
Pflichten eines Regenten und eines jeden’&tandes;
ihm iſt zu ſehr Alles, was der Tugend heiligen Nah⸗
men führt ‚ wertb und theuer, als nach einem Laſter
zu ſtreben. Er genoß ſicher ſchon der echten Freunde
genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden die
von jeder Seite ber ehebrecherifch feyn würde, und
bie — — — Kein Wort mehr; verlaffen Eie mic
fo bald als möglich ! !
wma " 162 num
Bianca. Ausgefahren!
.. Mondr. Darf ich Sie fragen: Wohin?
Bianca, Ich wejß es ſelbſt nicht.
Mondr. Vielleicht zu Signora Kaffandra 9
giani?
Bianca. Moͤglich!
Mondr. Wenigſtens glaubte ich ſeinen W
unweit dieſer Wohnung halten zu ſehen.
Bianca. So? |
Mondr. (mit leicht zu deutendem Bid und als
er ihre Hand ergreifen wollte.) Arme Eignora Bianca
Biancarauffehend.) Signor werden verzeihe
Mondr. (ver fie, jedoch mit großer ChHhrfurdt |
hätt.) Nein, Eignora Bianca, verzeihen Sie
lieber, wenn ih Sie jest noch) nit von hinnen |
"Die Befehle meines Gebiethers find noch nicht
endet. (Sie ficht ihn etwas verwundernd an. faßt fid
und Bleibt. Er führt mit geändertem Tone fort.) Arme |
nora, wie vertraut müſſen Sie bereitd mit 3
Kummer — an dem auch ſchon unfer ganzer «
- vorzüglid aber unfer Gebiether Antheil nimmt —
worden feyn, daß Sie fo ganz gelaſſen ben 9
men einer Perfon anhören Fonnen, von we
doch al diefer Mißmuth ihnen zumädft !
Bienca (fepr ernf.) Signor Mondragone,
feste mid wieder, um zu hören, was Sr. D
laucht mir zu befehlen gefalle; nicht aber um
mein Schicdfal mit Ihnen zu fpreden. Noch
ich mich über dasſelbe, fo viel ich weiß, gegen
mand, am allermindeften gegen &ie beflagt.
Monde Weil Sie nıcht willen, mit wel
Grad der Ehrfurcht ih mich Ihnen verpflichtes fi
\
und wie fehr die unanftändige Aufführung Ihres Ges
mahls aud mich kräänkt. Mein Vorwort *) bauptſäch⸗
lich war es, was ihn, und zwar bloß? Ibretwegen,
auf dieſen glänzenden Poſten erhob; hätte ich das
mahls gewußt, wie fehr er fen Glück migßrhugen J
würde — — u
"Mianca (beireten.) Mißbrauchen? — Mißbrau⸗ |
hen, Signor? Wann that er Das? BE
Mondr. Iſt es nicht der höchſte, möglichfte Miß:
brauch , nicht des Unfinns oberfter Grad , Bianco |
eine Kafandra vorzuziehen? Bianca'n, der, fo bald
fie winfte, Alles, was, Florenz; Großes und Edles
bat, zu Füßen fallen würde, einer wollüjtigen, herrſch⸗
ſüchtigen Buhlerinn nachzuſetzen, die fhon manches
haͤusliche Glück zertrümmerte, mander tugendhaften .
Gattinn ihren Gemahl entriß, und diefen dann wies
ber dem Erſten dem Beſten durchreiſenden Deutfhen
Preis gab.
= Bianca. Nein, Signor, halten Sie ein! I
wiederhohl⸗ es Ihnen, daß ich nicht begreife, was
Sie bewegen kann, ſich nit Einmiſchung in dieſe
Sache zu belaͤſtigen? — Auch iſt das Vergehen, das
Cie meinem Gemahl beymeſſen, noch lange nicht ſo
ganz gewiß, ſo unläugbar, wie Sie es anzunehmen
) Man überſehe nicht, daß Dieß nun ſchon der zweyte Höf⸗
fing iſt, der fi einer Mifwirfung zu Bonaventeri's Grüd
zühmt; denn feeylih hat diefe Art von Leuten immer
die Menſchenliebe, ſich Datienıge Gute zuzuſchreiben, was
fie — nicht bewirtten; und dafür, die Beſcheidenheit,
das Böfe zu verſchweigen, was fie — wirklich thaten.
* eu
ne 164 own
belieben. Ein flüchtiger Gedanke, der von de
. dern Seite gleih als Ernft aufgenommen wı
eine Höflichkeit, etwas unſchicklich angebr
und die euch Männern fo gewöhnliche Begierde,
als einer unſers Geſchlechts zugleich den Hof zu
chen — das Alles hat vielleicht einigen Schein 9
Pietro erregt, ohne ihn deßfalls im eigentliden €
des Worts fteraflich zu machen. Zudem iſt fein
tragen gegen mid) von einer folhen Beſchaffenhei
— Doch vergeben Ste mir, ich vergaß mid.
da ich gar nicht von diefen Sachen ſprechen will -
Monde. Leinfatiend.) Werden Sie aufs edy
thigfte die Vertheidigerinn eined Mannes, der n
lich diefer Vertheidigung längft fhon unwerth wa:
Ein bloßer Schein, fagen Sie? Nein, (hönfte Bis
fhändlicy ift Derjenige, ber eines bloßen Werd
halber Glück und Frieden feines Naͤchſten ſtoͤrt;
doppelt [händlih wäre ich dann, wenn ich den Fr
einer fo reizenden und würdigen Dame vergiftete,
feit einigen Wochen ſchon ein Jeder ind Ober fid
fterte, überhörte ich; was ich felbft nur halb
mochte ich lieber gar nicht gefehen haben: erſt als
Argwohn in Gewißheit ſich verkehrte, kam ich
und nun — (indem er ihr einen verfiegelten Brief %
thet) Eennen Sie diejes Pettfchaft und diefe Hand
Bianca (gleich beym erfien Blick äußern betr
Sie haben Recht, es ift vom Bonaventuri.
Monde. Und die Aufſchrift? An wen?
Bianca. Graufamer! Wollen Sie meine:
meiner Schmach noch fpotten ? Sagen Sie, wie
men Sie zu diefem Briefe?
— 165 va
Mondr. Sey Das gefhehen, wie da wolle
Genug, es ift ein Brief Ihres Gemahls an Kaffandra,
und es flieht nur bey Ihnen, ihn zu erbrechen.
Bianca Lie fin ſchnell Tape.) Alfo ift er Das
noch nicht 9
Mondr. O nein! Nicht mir ziemte es, in bie
Geheimniſſe Bonaventuri’s eindringen zu wollen; aber
wohl haben Sie ein Recht dazu.
Bianca (mie etwas Bitterteie.) Würden Sie Das
wirklich im ähnlichen Fall Ihrer Gemahlinn zugeftes
hen? — (attbatd wieder mis dem Tone der Würde und ine
Dem fie den Meist annimut.) Signor Mondragone! ob
ich dafür Shnen danken fol, daß Sie mir über⸗
haupt dieß Schreiben brachten, Das ftehe ih noch
zu entfcheiden an. Aber wenigftens danke ich Shnen
dafür, daß Sie es fo mir brachten. — Es bleibt
nun fo.
Mondr. (gany erſtaunt.) Wie, Gignora, und
Sie wollten — —
Bianca (läachelnd. Bloß Ihrem Benfpiele fols
gen, und nicht in die Geheimniſſe eines Andern mich
eindrängen! Pietro Bonaventuri ift gegen Sie nur
ein Fremder, gegen mich ift ee Ehegemahl und
Herr. Was Ihnen in Rückſicht feiner nicht ziemt,
ift mir fogar verbothen. Unanſtaͤndig wäre das Aufs
brechen des Briefed von Ahnen gewefen, von mir
wäre es fogar fträflih. Nochmahls, Gignor Mondras
gone, ih danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie.
diefe& Schreiden mir fo braten, (Sie will gehen, er
Hals fie abermahls.)
Monde. Und den Auftrag meines gnäbigften
Herrn alfo wollen Ste nicht hören ?
. we. ı66 OR ,
| Bianca (verdrießfih.) Wie oft werben Eie
vpon diefem Auftrage fprehen, den Cie glei &
erften Morte wieder vergeflen, um auf Nebenwe
auszuſchweifen, wo — —
Mondr. Wo man freylih meiner guten a
ben Dank verweigert, den fie verdiente.
Bianca (vpottend.) Ihrer guten Abſicht?
Mondragone! Die Peſtluft des Hofes hat mich z
nicht ſchon in der Wiege vergiftet; abet dod- bin
nicht unerfahren genug, durd eine Heucheley di
Art mich hintergehen zu laſſen. Es gibt Gifte,
man, auch ohne Arzt zu ſeyn, kennt, und die, T
einer leichten uͤberzuckerung, ſich bald verrathen.
Aber ſieh da, ſchon komme ich ſelbſt wieder von
= Hauptfahe ab! — Was Sie im Nahmen Er. Du
laut mir zu fagen haben, wünſche ih nun zu wiſſ
wünſche es fp kurz ald möglich. |
Mondr. So kurz ald möglich! Ich mei
Theils brauchte eigentlich nur ſehr wenig, oder
nichts zu reden; denn Er ſelbſt ſchon hat geredet.
biethet ihr ehrerbiethig noch einen Brief an.) Nehmen £
bier, ſchöne, beneidenswürdige Bianca!
Bianca (Ceſtüczt.) Wie ein Brief vom Groß
zog? ein Brief an mich? Unmöglich!
Mondr. Und doh wahr! — Kignora! ı
nüßt diefes lange Zaudern, dieſes Verftellen von ©
feit8 und Dieffeits? Wer wüßte ed nicht, daß SL
Körpers trefflide Reize das Herz des edelften Zärı
bezwungen haben, und daß ihn die noch größeren 7
trefflichkeiten Ihrer Seele auf immer zu Ihrem Se
ven nmadten?
Bianca. Das wüßte Fre
won 367 nem
Mondr. Ällerdings! denn wie wäre es möglich,
daß am ganzen Hofe Ste, eben Sie! die einzige
Unwiſſende feyn follten? Aber wenn Sie Dieſe denn
ja wären — wohlan, fo erfahren Sie hiermit, ſchoͤn⸗
fte Siguora, daß das Herz unferd angebetheten Zür-
ften für Sie von einer Gluth entbrannt it, wie er
nod nie eine fühlte. Er, in dem wir Alle leben, lebt
nur in diefer Liebe. — Durch gegenwärtigen Brief
und durh meinen Mund tragt er Shnen feine innigſte
Zärtlichkeit, trägt Ihnen nebjt Gewährung jeder Ih:
ver Sorderungen, noch Alles, was Hof und Pradt und
Stand vermögen, freudig an, fo bald Sie ihm er-
lauden — —
Bianca. Mein, Mondragone; nut allıu lange
babe ich Sie jeßt veden laffen; denn das uͤberraſchende
bey einer ſo heuchleriſchen Hinterliſt, bey einem ſo
tückiſchen Fallſtrick machte mich auf einige Augenblicke
betäubt und ſtumm. — Ja, ja, Hinterliſt und
Falaſterick ſage ich; und Dieß von Niemanden, als
von Ihnen ſelbſt. Alles, was Sie da ſprachen —
wem Sie es nachſprechen, weiß ich nicht, und will es
auch nicht wiſſen; — aber von unſerm edelmuͤthigen
Fürſten kommt es ſicher nicht. Er kennt zu gut die
Pflichten eines Regenten und eines jeden Standes;
ihm iſt zu ſehr Alles, was der Tugend heiligen Nah
men führt, werth und heuer, ald nad) einem Lafter .
zu itreden. Er genoß ſicher ſchon der echten Freude
genug, als in einer Liebe Vergnügen zu finden, die
von jeder Seite ber ebebrecherifch feyn würde, und
die — — — Rein Wort mehr; verlaffen Sie nid
fo bald als möglich !
wa 168 —
Monde. Ehebrecherifch ? Laſterhaft! Mohr!
orte, die hart Elingen, und ungerecht oben br
find I Sind Fürſten ihrerfeits nicht erhaben über
Geſetze der untergeordneten bürgerlichen Geſellſcha
Kann Vergeltung einer fo lange geduldig ertragen
Untreue bey Bianca ein Ehebruch heiffen ? Ka
Bonaventuri Über Entziehung eined Gutes klage
das er felbit vorher fo ſchändlich vernadhläffigte $ °
der Fürft , der ihn durch Übertragung glänzenber 9
ſten und unermeßlicher Reichthümer entſchaͤdigt, ni
mehr als zu gütig? Und ift Tugend niche allzu fren
wenn fie auch der Liebe allmaͤchtigem Rufe — —
| Bianta kon.) Daß ih mich etwa herablie
mit Shnen Über Dinge zu ſtreiten, die freylih Gin
lingen von gemeinem Schlage ein fünfter Weltth
find? — über Zugend und innere Empfindung! Gem
daß die Meinige nie zu einer Buhlſchaft ſich erniebrig
wird! Benug, daß Kranz fiher nicht — —
Monde. Wenn Signora meinen Worten ni
tranen will, fo traue fie wenigſtens diefem Briefe
(ige ihn wieber darbiethend.)
Bianca. Den ih nit annehmen werbe.
Mondr. (ägend) Nicht? So werde ich |
freplih wohl zurück laſſen müffen. (Lege ihn auf
Banı.) Signora, ich beſchwoͤre Sie, verſcherzen €
nit, was hundert tauſend Ihres Gefchlechts für !
beneidenswerthefte GtÄdE erkennen würden; was a
freylich auch unter diefen Hunderttaufenden Eeine
ganz, ald Sie verdienen könnte. (Gr win sehen.)
Bianca Cipn Hattınd.) Signor, nehmen €
Ihren Brief mis; ober ich ſchwöre Ihnen bey der |
.. 269 —R&
ligen Jungfrau, er bleibt ſo ungenützt ‚fe unerbros
gen liegen, wie Sie jegt ihn laſſen!
Mondr. Sie haben Recht; dann wäre er unge⸗
nüßt; und ich nehme ibn alfo zurüd, um fein — Sie⸗
gel zu brechen, und ihn fo hier zu laſſen. (Gr gerreige
ſchnell das Convert, und entfernt fi noch ſchneller.)
Wohl moͤglich, daß der Schrikt, den Mondragone
hier wagte, Manchem, der ihn vernimmt, allzu ge⸗
wagt vorkommen dürfte! Das Schreiben ſeines Zürs
fien — zumahl von einem Snhalte, wie er bier zu
vermuthen ftand, offen liegen zu faflen; es liegen zu
laſſen bey einer Dame, die ſich Eurz vorher mit bem
Zone des ungekünftelten Ernftes erklärt hatte, es
nicht zu lefen; Das ſcheint feinen Auftrag nicht als ein
feiner Weltmann, fondern als ein unvorfihtiger Neu⸗
ling beforgt zu haben. Und doch hatte Mondragone
gar wohl überdacht, was er that.
Er fing wirklich an, Achtung, ober vielmebf
Scheu — denn nur der Redliche Tiebt, der Boͤſewicht
fürchtet jebe fremde Tugend — gegen Bianca’d innere
Würde zu gewinnen. Doch war er auch feſt überzeugt, -
daß ihre Eiferfucht, fo fehr fie es verberge, geweckt wors
den fey. Er hoffte zuverſichtlich, daß weibfiche Neugierde,
fo bald er fich entfernt habe, auch hervortreten und
dann ganz anders als in feiner Öegenwart handeln wer:
de; er erwartete fogar, daß das Selbſtvertrauen auf‘
eheliche Treue fie noch dreifter in ihren Schritten ma⸗
hen, obfhon endlih — im Stiche laſſen folle; und ex
’
vn. 3170 XX
rechnete i in allem Dieſen, wenigſtens zu drey Vierth
len, nicht unrichtig.
Denn unerwartet war in allem Betracht Bia
ca dieſer Streich gekommen. Betroffen, keines We
tes fähig, ſtand fie noch da, als ſchon der Höfling we
aus ihrem Geſichte, ſchon zur Gartenthür hinaus mc
Als fie die Befinnung zurüd erhielt, griff’fie langſa
nach jenem, halb auseinander gefhlagenen Papier
ſteckte es zu ih — ſchweigend, zitternd. Hier Eonn
es ja nicht liegen bleiben, wo es fo leicht ein ‚Ander
finden Eonnte, und dann gewiß anders, als er ſollt
gedeutet haben wurde! — Langſam ſchlich fie in ı
Gemach zurück. Hier ungelefen die fürftlihe Schri
zu vernichten, war ihr anfänglicher Gedanke. Er ve
flog, je länger fie ihn überdadte. Wer würde ihr die
Verläugnung jemahls geglaubt haben? Womit w
fie zu beweifen? Wozu alfo wohl nützlich? — Nun fiı
fie an zu überlegen, zu bedingen, zu befchränfen, b
nad funfjzehn oder fehzehn Minuten der Brief —- g
Iefen war. Aber ein Mehreres gab fie auch ihrer Wei
lichkeit nicht nah! Der Entſchluß nad diefem Lefei
ja vieleicht nach Wiederhohlung deffelben, war nic)
wie Mondragone hoffte; war Bianca's würdig. |
Cie gab ihrem Gemahl, ald er ziemlich fpät d
Abends nach Hauſe Eehrte, auch mir Eeiner Miene | |
verftehen, daß fie wiſſe: woher er komme? Sie me
dete ihm bloß die füritlihe Tinladung zur Jagd, ur
bath ihr Nichterfheihen deym Ball durch eine Unpäl
lichkeit zu entſchuldigen. Bonaventuri verſprgch
gern; der Frevler hoffte bey dieſem Feſt Kaſſandi
um deſto freyer zu ſehen. Bianca errieth feine ©
danfen, aber fie verläugnete fo ganz die Landesa
rw 171 —R _
und ihr Gerhleht überhaupt, daß fie ſchweigen
konnte. |
Die Stunden feiner Abweſenheit nügte fie, um.
noch genauer jedes Wort zu erwägen, das fie fagen
wollte. Der dritte Tag, mit Abſicht von ihr zum Ges
ſpräch beſtimmt, Eam und verging. Es war Abend;
und die Stunde der Ruhe 'war nicht mehr fern. Bo⸗
naventuri trat, abermahls vom Hofe Eommend, in ihr
Gemach; er fand jie an einem Tifhchen figend, in flile
ler Schwermuth ihr Haupt auf ihre Nechte geſtützt.
Eine Stellung, die ihm ungewöhnlich war! denn ime
mer blieb die ın großer Geſellſchaft ftile Bianca; für
ihren Gatten im Haufe ein beiteres Weib. Et fland
daher eine Minute ftillfehweigend vor, ihr, und da fie
ihn Eaum zu bemerken fihten, Eonnte er fih nicht der
Frage entbrehen:
„Barum fo außerft ernſthaft? — - Barum wohl
„gar traurig, Wiebe Bianca?”
Bianca. Ich denke diefem Abende nad.
Bonav. (aufmerffam werdend.) Dieſem Abende ?
Bianca (mit einem ernfihaften Kopffaüttein.) DO, ed
ift eine feyerlihde Naht, Bonaventuri, dieſe heutige
Made! Nichte fowohl ihrer ſelbſt willen — fie müß—
te denn Dieß noch im Berfolge werden — als vielmehr
ihres Andenkens halber. |
Bonav. ch verftehe dich nicht, liebſtrs Weibchen.
Bianca. Was mir weh genug thut! Man vers
gißt feinen, oder eines theuren Sreundes Geburts—
tag nie fo leiht; und gegenwärtige Nacht war einit
die Geburtsnacht unferer ehelichen Verbindung.
Bonav. (ſtutzend. So? Wirklich? Leinen Augen
blid nachdenkend.) Es it wahr!
una 1723 a
Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine
Schaubder,. der alle Gebeine durchbebte, bey der Rü
Eehr von unferer zartlichen Unterredung, bie vaterli
Hausthür verfchloffen fand — umkehrte — und, |
weißt ja, in weilen Arme ich flog!
Bonav. 'teine Hand auf ihren halbbloßen Arm
qelnd legend.) Was dich doch hoffentlich iegt nicht reu
Bianca (mit einem ſtarren Blick in fein Anger k
ee Faum auspätt.), Und auch wohl nicht reuen darf!
Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mih noch? «:
dem fie feine Hand ergreift.)
Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann!
tanca (immer feine Hand haltend, mit noch eenfter:
liebevollen Blicke.) Wenigftens Eann fie fragen: ‚Ob nı
fo rein, fo heiß, wie damahls?
Bonav. (mie dem Tone des ſich mühſam zwingend
Gewiſſens. Sorein, und heiß!
Bianca. Und aud fo einzigt— Nein, <
naventuri, verbirg deine Werlegenheit nicht länge
Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel
ald ein Heuchler werd. — Einzig! Sa, ih tı
das Wort, dad du nicht zu wiederhohlen vermag
jene vorigen erzwangft du noch.
Bonav. (der feine Betretung unter Beleidigtfeyn v
Sergen wit.) Erzwangt Fehler? Was foll Das? C
wiß, Bianca, ich weiß nicht, wie ich zu biefem Wi
wurf komme.
Bianca (mit aufgehobnem Bid) Mächte bes Hi
meld und ihr heiligen Märterinnen , die ihr ehemal
mie meine Schwäce vergabt, laßt auch diefen ®i
wurf. Schwäche und Irrthum gewefen ſeyn! — 4
ac) leider! er ift eg nicht. — Bonaventuri, verzeih
soon 179 nem
dem Weibe, das dich mehr als fich felder Tiebt, wenn
baffelbe die Laft des Kummers, lang genug im Stillen
getragen, endlich vor die auͤsſchüttet Biſt du es doch
ſelbſt nur, der dieſe Laſt mir auflegt! — Bonaven⸗
turi, unſere Liebe iſt nicht mehr gan, wie fie ehemahls
war; nicht mebr fo rein, fo wechfelfeitig, wie in jener
furdtbaren Nacht.
Bonav. Wenigftend auf meiner Seite — —
Bianca. Lieber, fprih dieſe Unwahrheit nicht
aus! Sch haffe einen jeden Mund, welder fügt, und
den Deinigen möchte ich gern ewig lieben und achten
zugleih. Sieh, ſchon wirft du bald roth, bald bleich;
fhon ftammelft du und ſtockſt; und doch habe ich dus
Wort noh nit einmabl. ausgefprohen, wodurd, ich
weit mehr noch deine Farbe wegfelnd. ‚ deine Zunge
fiammelnd machen koͤnnte.
Bonav. (immer veriegener.) Welches Wort?
Bianca. Kaflandra Bongiani!
Bonav. Kaf—— Kaflandra ? Sat ſoll Dieſe!
— Was meinſt du?
Bianca Du wollteſt es; und meine Vorher⸗
verkündigung iſt eingetroffen!
Bonav. (ſich fallend.) Nein, Bianca, die Roͤ⸗
the, die du mir vorwirfit, und die ich felbft gar wohl
fühle, erzeugt nid etwa Scham, fondern Erftaunen,
billige Erftaunen, daß meine fonft fo billig, fo edel
denfende Gattinn enblid auch ein Mähren glauben
Tann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an .
irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute,
welche glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit
der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt,
nn ) 174 .
oder über den anbern britien Zag zuweilen zwan
Worte fpridt.
" Bianca. Und du beharrft auf deinem Raugne
Warnung auf Warnung erfihürtert dich nicht?
Gott, ift es dahin gekommen? Sit Dieß derfelde Man
der ehemahls mir ſchwur, dafi die Dauer einer Ew
keit ſelbſt nicht hinreichend für feine Liebe feyt |
mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod? — H
weg mit langern Umſchweifen! Taf nicht Rürkere Schr
des Trugs noch über dein Haupt fomme; daß ich fel
nicht die unfpuldige Urfache Liefer Sünde feyn mög
fo (hau her! Werfen ift dieſes Siegel? (Sie ip auf
flanden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie i
jeigt.)
Bonav. (erſchrocken.) Das Meinige.
Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand bie:
Aufſchrift?
VBonav. (kur ſich.) Gott, wenn Dieß mein »
foren gegangener Brief, die Urſache von ſchon mand
meiner Zorgen were! — (Zaut und zitternd.) Auch D
fheint meine Hand zu feyn.
Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ı
Weib geihrieben, mit dem nur müßige Pagen u
Jagdiunker dich ind Gerede bringen !— Benaventu
bey dem Ewigen, Allwiſſenden! nicht meine Müf
nicht Liſt der Eiferſucht verfdaffte mir dıefen Brie
bloß der Haß deiner Feinde brachte ihn in meine Haͤ
de, und ich gebe ihn dır wieder, wie id ihn empfir
SH durfte nur das Ziegel deifelben breden, und |
hatte dann ficher der Beweiſe von deiner Untreue ta
ſendfältig; aber nein! da nımm ihn bin, nur ſpri
wahr fur künftig!
008 175
Bonav. (der gleichſam wie aus einem Traume aufs
fährt, und aufnmerffam und mit Erſtaunen den Brief betrachtet.)
Wiet— Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies
fed Siegel?
Bianca mie ſchmerdbaftem Lächeln.) Nun ia! ir
noch ganz. |
39 n a v. (mit Teuer ihre Hand ergreifend und küſſend.)
Bianca! Weib ohne Gleichen! Engel, der durch
Scham mich niederwirft! — O wüßteſt du, was dieſer
Brief enthalt! (Mit dem Ton der Reue.) Welche Vor⸗
ſchläge! Welche Wünfge! Welche Hirigefpinnfte ! Ä
Bianca. Mag ich fie doch nit wien! Beifer“
freylich, diefes Schreiben wäre nie gefchrieben, aber
da es Dieß einmahlift, fg vergehe es fo! (Sie halt den
Brief am die Flamme des Lichte; und verbrennt ihn.) |
Bonav. Edelſtes Weib auf Gottes weiter Erde!
(Indem er fie umarmen will, bebt er zurüd.) Mein, nein,
ic bin es nicht werth dich zu berühren! (@r fällt aufs
Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmahl, den tiefſten
Saum dieſer Gewaͤnder — —
Bianca. Bonaventuri! Mann! Eteh auf! Er⸗
niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wuͤnſchte!
(Sie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme;
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfhlungen ;
fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gedrüdt.
(Die küßt ihn, und ſieht ihn ſtarr an, der die Augen nicders
ſchiägt.. Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht
einmahl an? |
Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen Augen
der Verächtfichfte aller Männer!
son 176 IR
Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen
‚du immer noch ber. Theuerſte, der Reizendfte, der C
ziggeliebte. — (ihn küſſend. D. Bonaventuri! D
Nacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener um
geßlichen zu feyn; jener — — GSie läßt ein Paar Thrä
fallen.) Sey diefe erfte Thräne unferer Liebe, und di
zweyte dem Andenken eines Waters heilig, den id)
innig liebte und doch fo Eränfen mußte! — Einem?
ter — — — ad, daß doch jede rende mit taufı
Gram fo nahe verfhwiftert iſt, daß — — (Inden fie
_ ſchneul wit liebevollem Drohen nad Bonaventuri wendet.) %
fer, lieber, böfer Mann, wie viel opferte ih bir ni
auf!
Bonav. Ya wohl viel! Waterland, After
Wohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, ı
Verbannung, Elend und Niebrigkeit mit mir zu th
len, und ich — — id — o! — —
Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben |
nannte Elingt freylidy rauh; ertrug ſich freylich Anfan
ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tı
gen, als mein jetzige s Loos.
Bonadv. (ter fie falfh verficht) Was von nun
dir Feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ;
ben fol.
Bianca. Nicht? Weißt du auch Das fogewi
Kennft du meine ganze Lage
Bonav. (dem Dieß etwas auffänt.) Und follte |
fie nicht kennen? Welh ein Geheimnif verfclie
Bianca nod) vor mir ?
Bienca Das Peinlihfte, was fie jemahls be
— Ja, Bonaventuri, es ift unamgänglicdy nöthi
5 ich endlich den n Steger dir vom Auge reiſſe; ein
Schleyer
ea00 177 een.
Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nicht
ſchon längſt dir von ſelbſt entſank. — (mit ſehnell Rare
werdendem Htide.) Oder wäre ed, vielleicht ſchon gefches
ben? Wußteſt du vielleicht laͤngſt, was ich, um dir
Kummer' zu erſparen, gern lebenslang verſchwiegen
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur
aus Kaltſinn oder Staatsklugheit dazu? Schande,
unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem
alſo wäre!
Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nicht!
Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das
einzige Mahl, daß eine Blindheit von dir mir
lieb iſt; wenigſtens lieber als ein vorſetzliches
überſehen. — Wiſſe, eben diejenigen geringen
Reize, die einſt das Glück hatten dich zu beſiegen, haben
auch ſchon ſeit geraumer Zeit das Unglück gehabt, die
Begierden unſers Großherzogs zu reizen.
Bonav. Ceſtaum.) Wie, Franz liebt dich? x
Bianca. Wenigitens fpriht er fo. .
Bonav, Er liebt. big ? ? Franz? (Paufe und Weq ſet
im Ton.) Zwar wer Eönnge dich fehen, und müßte big
nicht lieben, Engel im? Weibesgeftalt! Engel, der
fetöit in tiefer Eörperlihen Hülle noch einen reichlich
durchbrechenden Abglanz ſeiner himmliſchen Herkunft
beybehalten hat! — lauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein
Haupt aufſtützend.) — Wie fo natürlih! Und doch wie.
fo ſchrecklich für mich! — (Bid) vor die ˖ Stirne ſchlagend.)
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich
Alles! — Alles, nur Das nicht, daß ich Dieß nicht
eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und
nicht felbft ſah! — Aber woher weißt du es? Won ihm
ſelbſt |
- Meißnerd Blanca Cap. 1. pt. Mm
9
nn 270 vos.
rechnete in allem Diefen, wenigftens zu drey Vierthei⸗ B*
len, nicht unrichtig.
Denn unerwartet war in allem Betracht Bian—
ca dieſer Dtreih_gefommen. Betroffen, Eeined Wor-
tes fähig, ſtand fie noch da, als fhon der Köfling weit
aus ihrem Gefichte, fhon zur Gartenthür hinaus war.
Als fie die Befinnung zurüc erhielt, griff’fie Tangfam
nach jenem, bald auseinander gefhhlagenen Papiere ;
ſteckte e5 zu ſich — ſchweigend, zitternd. Hier konnte
es ja nicht liegen bleiben, wo es fo leicht ein ‚Anderer
finden Eonnte, und dann gewiß anders, als er follte,
geleutet haben würde! — Langſam ſchlich fie in ihre
Gemach zurück. Hier ungelefen die fürfilihe Schrift
zu vernichten, war ihr anfünglicher Gedanke. Er vers
flog, je langer jie ihn überdachte. Wer würde ihr diefe-
Verläugnung jemahls geglaubt haben? Womit wär
fie zu beweiſen? Wozu alfo wohl nützlich? — - Nun fing
fie an zu überlegen, zu bedingen, zu befchränfen, bis
nad funfzehn oder fehzehn Minuten der Brief —- ger
lefen war. Aber ein Mehreres gab fie auch ihrer Weib:
lichkeit niye nah! Der Entſchluß nad diefem Lefen,
ja vielleiht nah Wiederhohlung deffelben, war nicht,
wie Mondragone hoffte; war Bianca’s würdig. |
Cie gab ihrem Gemahl, ald er ziemlich ſpaͤt des
Abends nach Haufe kehrte, auch mir Eeiner Miene zu
verftehen, daß fie wiſſe: woher er Eomme? Sie mels
dete ihm bloß die füritlihe Finladung zur Jagd, und
bath ihr Nichterfheihen deym Ball durch eine Unpäß-
lichkeit zu entſchuldigen. Bonaventuri verfprah es
gern; der Frevler hoffte bey dieſem Feſt Kaſſandra
um deſto freyer zu ſehen. Bianca errieth feine Ge⸗
danken, aber ſie verlaͤugnete ſo ganz die Landesart
nme ı 7 1 [v7 37%
und ihr Geſchlecht überhaupt, daß fie ſchweigen
konnte. |
Die Stunden feiner Abwefenheit nügte fie, um.
noch genauer jedes Wort zn erwägen, das fie fügen
wollte. Der dritte Tag, mit Abſicht von ihr zum Ges
ſpräch beftimmt, kam und verging. Es war Abend;
und die Stunde der Ruhe 'war nicht mehr fern. Bo⸗
naventuri trat, abermahls vom Hofe Eommend, in ihr
Gemach; er fand jie an einem Tiſchchen figend, in ſtil⸗
ler Schwermuth ihr Haupt auf ihre Rechte geſflützt.
Eine Stellung, die ihm ungewo öhnlich war! kenn im⸗
mer blied die ın großer Geſellſchaft ftille Bianca; für
ihren Gatten im Haufe ein heiteres Weib. Et fand
daher eine Minute flillfehweigend vor, ihr, und da fie
ihn Eaum zu bemerken ſchien, Eonnte er ſich nicht der
Frage entbrechen:
„Warum fo aͤußerſt ernſthaft? — Warum wohl
„gar traurig, Lebe Bianca!”
Bianca. Ich denke dieſem Abende na
Bonav. (aufmerffam mwerdend.) Dieſem Abende?
Bianca (mit einem ernſthaften Kopfſchüttein.) O, es
iſt eine feyerliche Nacht, Bonaventuri, dieſe heutige
Nacht! Nicht ſowohl ihrer ſelbſt willen — fie müß—
te denn Dieß noch im Verfolge werden — als vielmehr
ihres Andenkens halber.
Bonav. Ich verſtehe dich nicht, liebſtrs Weibchen.
Bianca. Was mir weh genug thut! Man ver:
gift feinen, oder eines theuren Sreundes Geburts
tag nice fo leicht; und gegenwärtige Nacht war einit
bie Geburtsnacht unferer ehelichen Verbindung.
Bonav. (ſutzend. So? Wirklich t teinen Augen
blick nachdentend.) Es it wahr!
Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine
Schauder, der alle Gebeine durchbebte, bey der Ruͤ
kehr von unferer zartlichen Ilnterredung, die väterlic
Hausthür verfchloffen fand — umkehrte — and, | |
weißt ja, in weſſen Arme ich flog!
Bonav. '(teine Hand auf ihren halbbloßen Arm
qheind legend.) Was dich doc, hoffentlich iegt nicht reu
Bianca (mit einem ſtarren Blick in fein Auge, dd
ee zaum auspätt.) Und auch wohl nicht reuen barf! -
Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mich noch? «
bem fie feine Hand ergreift.)
Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann!
tanca (immer feine Hand Haltend, mit noch eenftere
liebevollen Btide.) Wenigftens Eann fie fragen: Ob ne
fo rein, fo heiß, wie damahls?
Bonav. (mit dem Tone des fi mühlam zwingend
Gewiſſens. Sorein, und heiß!
Bianca. Und aud fo einzig? — Nein, ®
naventuri, verbirg deine Verlegenheit nicht länge
Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel
als ein Heuchler werth. — Einzig! Ha, ih t
das Wort, dad du nicht zu wiederhoßfen vermag
jene vorigen erzwangft du noch.
Bonav. (ker feine Betretung unter Beleidigtfeyn v
Bergen win.) Erzwang? Fehler? Was foll Das} €
wiß, Bianca, ich weiß nicht, wie ich zu biefem Wi
murf komme.
Bianca (mitaufgehodnem Blick.) Mächte des Hi
mels und ihr heiligen Märterinnen , die ihr ehemal
mir meine Schwäcde vergabt, laßt audy diefen Bi
wurf. Schwädhe und Irrthum gewefen ſeyn! — U
ac) leider! er ift ed nicht. — Bonaventuri, verzeih
[4
soon 179 vom
dem Weide, das dich mehr als fich felber liebt, wenn
daffelbe die.Laft des Kummers, lang genug im Stillen
getragen, endlid vor. dir ausfhhttet ! Bift du ed doch
felbit nur, der dieſe Laſt mir auflegt! — Bonaven⸗
turi, unſere Liebe iſt nicht mehr ganz, wie ſie ehemahls
war; nicht mehr ſo rein, fo wech elſeitig, wie in jener
furgtsaren Nacht. |
Bonav. Wenigſtens auf meiner Seite — —
Bianca. Lieber, ſprich dieſe Unwahrheit nicht
aus! Sch haſſe einen jeden Mund, welcher fügt, und
den Deinigen möchte ich gern ewig lieben und adıten
zugleih. Sieh, fhon wirft du bald roth, bald bleich ;
fhon ftammelft du und ſtockſt; und bod habe ih das
Wort noh nicht einmahl, ausgefprochen, wodurd, ich
weit mehr noch deine Farbe wechfelnd, beine Zunge
fiammelnd machen fünnte.
VBonav. (immer verfegener.) Welches Wort?
Bianca. Kaffandra Bongiani!
Bonav. Kaſſ — — Kaffandra ? Was fol Diefe ?
— Was meinft du?
Bianca Du wellteft ed; und meine Vorbers
verfündigung ift eingetroffen !
Bonav. (fa kaſſend) Nein, Bianca, die Roͤ⸗
the, die du mir vorwirfit, und die ich felbft gar wohl
fühle, erzeugt nicht etwa Scham, fondern Erftaunen,
billige? Erſtaunen, daß meine fonft fo billig, fo edel
denfende Gattinn endlid auch ein Mähren glauben
Tann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an .
irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute,
welche glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit
der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt,
DER 174 0
ober über. ben andern dritten Tag zumeilen zwanzig
Worte fpridt.
" Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugnen?
Warnung auf Warnung erfhürtert dich nicht? —
©ott, ift es dahin gekommen? Sft Dieß derfelde Mann,
der ehemahls mir fhwur, daſi die Dauer einer Ewig⸗
keit ſelbſt nicht hinreichend für ſeine Liebe ſey? der
mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod? — Hin—
weg mit längern Umſchweifen! Daß nicht ſtärkere Schuld
des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich ſelbſt
nicht die unſchuldige Urſache Diefer Sünde ſeyn möge;
fo ſchau her! Weſſen ift dieſes Eiegel? (Sie iR aufges
fanden, und hohlt aus ihrem Schranuk einen Brief, den fie ihm
zeigt.) .
Bonav. (erfgroden.) Das Meinige.
Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand diefer
Aufſchrift?
Vonav. (Ekur ſich) Gott, wenn Dieß mein ver⸗
loren gegangener Brief, die Urſache von ſchon mancher
meiner Sorgen ware! — (Laut und zitternd.) Auch Das
ſcheint meine Hand zu ſeyn. |
Ä Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ein
Weib geihrieben, mit dem nur müßige Pagen und
Jagdiunker dich ins Gerede bringen — Benaventuri,
bey dem Ewigen, Allwiffenden! nicht meine Mühe,
nicht Liſt der Eiferſucht verfdaffte mir dieſen Brief;
bloß der Haß deiner Feinde brachte ihn in meine Hüns
de, umd ich gebe ihn dir wieder, wie id ihn empfing.
Ich durfte nur das Siegel deſſelben breden, und ich
hatte dann ficher der Beweiſe von deiner Untreue taus
ſendfältig; aber nein! da mımm ihn bin, nur fprich
wahr fur künftig!
%
wen 17D ⸗
Bonav. (der gleihfam wie aus einem Traume aufs
fährt, und aufmerffam und mit Erflaunen den Brief betrachtet.)
Wie — Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies
ſes Siegel?
Bianca (mit fhmerspaftem Lächein.) un je iſt
noch ganz. |
Bo n ad. (mit Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.)
Bianca! Weib ohne Sleihen! Engel, der durch
Scham mid niederwirft! — O wüßteft tu, was diefer
Brief enthalt! Mit dem Ton der Reue.) Weldhe Mor:
fhläge! Welhe Wünſche! Welche Hirigefpinnfte !
Bianca. Mag ih fie doch nit willen! Beifer“
freylich, dieſes Schreiben wäre nie geſchrieben, aber
da es Dieß einmahlift, fg vergebe es fo! (Sie Hate den
Brief an die Flamme des Lichte, und verbrennt ihn.) |
Bonav. Edelſtes Weib auf Gottes weiter Erde!
(Indem er fie umarmen will, bedt er zurüd.) Mein, nein,
ich bin es nicht werth dich zu berühren! (Er källt aufs
Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmabl, den tiefiten
Eaum diefer Gewänder — —
Bianca. Bonaventuri! Mann! Steh auf! Er-
niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wünſchte!
(Sie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme;
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfhlungen ;
fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gedrüdt.
(Die küßt ihn, und fieht ihn ſtarr an, der die Augen nieders
ſchiägt.) Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht
einmahl an?
Bonav. Darf ich Das? Ich, in meinen Aigen
der Verächtlichfte aler Männer!
*
ooä 176 oa
Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen biſt
du immer noch der. Theuerfte, der Reizendfte, der Eine
ziggeliebte. — (in küftend.) D. Bonaventuri! Diefe
dacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener unvers
geßlichen zu feyn; jener — — (Sie läßt ein Paar Thräuen
fallen.) Sey diefe erfte Thraͤne unferer Liebe, und diefe
zweyte dem Andenken eines Vaters heilig, den id) fo
innig liebte und doch fo Eränfen mußte! — Einem Bas
ter — — — ad, daß doch jede Freude mit taufend
Sram fo nahe verfhwiftert ifl, daß — — (Indem ſie ſich
one mit liebevollem Drohen nad Bonaventuri wendet.) Bis
fer, lieber, bofer Mann, wie viel opferte ih bir nicht
auf!
Bonav. Ja wohl viel! Vaterland, Älteren,
Wohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, um
Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu thei⸗
len, und id — — ich — 0! — —
Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben ge⸗
nannte klingt freylich rauh; ertrug ſich freylich Anfangs
ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tra⸗
gen, als mein jetzige s Loos.
Bonad. (ter fe kalſch verſteht. Was von nun an
dir Feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ge⸗
ben fol.
Bianca. Nicht? Weißt by auch Das fogewiß ?
Kennft du meine ganze Lage?
Bonav. (dem Dieß etwas aufant.) Und follte ich
fie nit Eennen? Welch ein Geheimniß verfhließt
Bianca nod) vor mir ?
Bianca. Das Peintihfte, was fie jemahls hat⸗
te. — Ja, Bonaventuri, es ift unnmgänglidy nöthig,
daß ich endlich den n Sqleyer bir vom Auge reife; einen
Schleyer
Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nicht
fhon längit dir von ſelbſt entſank. — (nit ſchnell garr
werdendem Blide.) Oder wäre es vielleicht ſchon geſche⸗
ben? Wußteſt du vieleicht laͤngſt, was ih, um bie
Kummer‘ zu erfparen, gern Iebensläng vVerfchwiegen
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur
aus Kaltfinn oder Staatsklugheitf dazu? Schande,
unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem
alſo wäre! =
Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nice! =
Bianca. Nun fo fi Die das erfte und bad
einzige Mahl, daf eine Blindheit von bir mie
lieb iſt; wenigſtens lieber. als ein vorfeslides
Überfeden. — Wiſſe, eben diejenigen geringen
Reize, die einit das Glück hatten dich zu defiegen, haben -
auch ſchon feit geraumer Zeit das Unglück gehabt, bie
Begierden unſers Großherzogs zu reizen.
Bonav. (aſtaun.) Wie, Franz liebe dich?
Bianca. Wenigſtens ſpricht er fo.
Bonav. Er liebt dich? Franz? (Panfe und Wechfet
im Son.) Zwar iver Eönnge dich fehen, und müßte dich
nicht lieben, Engel im? MWeibesgeftalt! Engel, der
ſelbſt in tiefer Förperliher Hülle noch einen reichlich
durchbrechenden Abglanz ſeiner himmliſchen Herkunft
beybehalten hat! — tauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein
Haupt aufſtützend) — Wie fo natürlih! Und doch wie:
fo ſchrecklich für mich! — (Bid) vor die ˖ Stirne fhlagend.) |
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich
Alles! — Alles, nur Tas nicht, daß ih Dieß nicht
eher begriff! dafs ich es hören mußte von dir, und
nicht felbft fah! — Aber woher weißt du es? Von ihm
ſelbſt!
Neißners Blanca co. 1. Thi. M
vun 17 mm
Bianca, Von ihm felbft ! Und ich wußte eB
ſchon längft. Schon damahls, ald ich mich fo athemlos
in unfer Eleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich fo in⸗
brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil
ich ihn gefehen und gefprochen habe; ſchon damahls
war fein Gefpräd mis mir. Erklärung der Liebe gee
wefen! |
Bonav. (Hakig.) Und du verfchwiegft ed mir!
Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele
leicht deinen Argwohn, entflammen deine Eiferfucht?
Dich ängftizen, und doch zu Eeinem Rettungsmittel
di beſtimmen? — Prüfe dich, Bonaventuri! Als du .
fo trunten von Freude feinen Einladungen folgteit,
hätte eine ſolche Erzaͤhlung dich wohl zurüdgehalten
von jenem fchlüpferigen Pfade, deffen Betretung ich dir
obnedem fo dringend und fo fruchtlos abriety? — Ich
begrub daher in meiner Bruft diefes unglüdlide Ges
“beimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unfers
heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß diefer fürftliche
Weichling fih betriegen follte! Kalte und abfdlägige
Antwort, überlegt’ ih bey mir felbft, find Prinzen
nicht gewohnt: er wird es daher fatt "werden. feine
Zärtlichkeit und feine Leidenfhaft überhaupt an eine
Frau zu verfchwenden , die ihr fogenanntes Glück
durchaus nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und
Wohlthaten foll der Fürſt reichlichen Dank und we«
‚nigftens den Schein der Hochachtung, aber der
Mann nie Liebe empfangen! fo ſchwur ih mir uns
hielt es.
Bonav. Und ſahſt nicht ein, liebe Bianca, daß
eben diefe Maßregeln, die feine Leidenfhaft abkuͤh⸗
len ſellten, fie nur noch mehr erbigen mußten?
m. 179 em
daß eben diefer ungewohnte Widerftand einen ſolchen
Liebhaber noch ftärker an dich Eetten würde? _
. Bianca, Sonderbarer Mann! Was blieb mir
aber anders übrig, als Widerftand oder Erges
bung? Hätteft du denn es lieber gefehen, wenn ‘9
zur Legtern mid) beguens. hattet
Bonav. Bianca! |
Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung
um die fhone Witwe deſto fiherer, dein Glück am
Hofe deſto glänzender gewefen. Sreylich würden dann —
Bonav. Bianca, bey Allem, was heilig ift,
nit diefen Spott! Er it zugraufam geredt,
und noch nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗
ner Bianca Lippen.
Bianca. Und ſollſt es auch ferner nicht hören.
— Nur: geftehe ſelbſt, daß dein voriger Einwurf Uns
secht war!
Bonav, Unrecht! Unrecht! Mehr als uUnrecht!
aber verzeih es dem Zuſtande, in dem du mich ietzt
ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung, die nirgends _
Rath noch Ausweg findet!
Bianca Noch wüßte ich einen Weg; doch ihn zu
ergreifen wird Much und Selbftverläugnung erfordert.
Bonav. D zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt
Beydenicht in mir vermiffen !
Bianca. Sohöre ıch dich gern! Und doch duͤnkt
mir es nöthig, daß ich erſt ganz die Erzählung von
des Grobberzoss Werbung um mich vollende. — Lies
dieſen Brief! In ihm ‚ wie du-fiehft, biethet er Alles
anf, was er für fähig hält meine Tugend zu erſchüt⸗
tern! Laͤßt mir vor allem Übrigen die Wahl, fobald
ih nur ihn zu wählen mich ensfhlöße: Wahl, ob ich
mM 2 |
t
va ı80 —X
verſtohlen fündigen, ober als erklärte Günſtlinginn
mit meiner Schande prahlen wolle. — Der Arme, er.
ahndet nicht das Blut venetianifher Senatoren, nicht
dad Blut einer Capello in mir. — Auch ftellt ec es ganz
meinem Ausſpruch anheim, ob er dich noch höher bes
ben, oder tiefer old jemahls flürzen fol; ob ich bie
Buhlfhaft mit Kafandra an dir beftrafen, oder
nur burd gleiche mit ihm vergelten wolle. — Dieß
fein Brief, den ich vorgeftern erhielt! Begreifft du
nun, warum ich geſtern bey ſeiner Jagdluſtbarkeit durch⸗
aus zu erſcheinen mich weigerte? Warum er deinem
eigenen Ausdrucke nad ſich fo zweydeutig gegen bicy
betrug? Begreifit du es nun?
Bonav. Ach ich begreife nur allzuviel! Sch glei⸗
che ganz dem Unglüdlihen, den unbekannte Räuber
mit verbundenen Augen in ihre Mörberhöhle gefchleppe
haben, und dem jegt eine mitleidige Hand den Vet⸗
. band wegnimmit. Er fieht zwar nun wieder, aber was
er fiebt , find Bilder des Schrerfens.
Bianca. So will id dir nunmehr von einer
andern Seite her die reizenden Ausfihten einer fihern, ‘
fi genügenten Liebe zeigen. — VBonaventuri, Mann
meined Herzens, gedenke an jene Zeiten unferer Ars
much! Waren fie, Trog unferer Armuth, nicht die
Zeiten unfered Glückes? Spendete nicht eben damahls
das Schickſal gegen uns feine größten Schaͤtze, als es
mit uns zu Eargen ſchien? — Gedenke des Entzüdens,
mit welchem damahls die Liebe uns Alles war! Ges
benfe der Seligkeit, mit welder wir bamahld uns,
auch auf Minuten nur, von unferer Arbeit hinweg zu
Küſſen der mwärmften Zärtlichkeit ftahlen; und füge:
ift eine gleiche Wonne uns je wieder zu Theil gewor⸗
en 181 IR
den, feitbem Seide uns und unfere Zimmer Eleidet?
— Gedenke an jenes dunkle Gemach! Ah, ed war _
hell genug, wenn wir Aug’ in Auge gebeftet da fas .
fen, und Jedes in: dem Andern der Liebe Funken
glühen fah. Am fparfamen Tifh, oft nur mit
ſchwarzem Brot und Hülfenfrüchten befegt! melde
‚reizende Zufriedenheit empfanden wir an ihm!
Hat diefer beneidenswertbe Gaſt und je wieder befucht,
feit Leckerbiffen unfere Zafeln belajten, und der Zwang
fie auftiſcht ? — O Lieber! Wir, nur wir allein kön⸗
nen reich und arm, beglückt und unbeglüdt uns mas
hen; können maden, daß uns, eine Hütte zur Welt,
und eine Welt zur Hütte wird; Eönnen über Sürften
laden, und felbft mehr als ein Fürftenthum und ers
werben, fobald wir wollen; nur müffen wir raſch dar»
ju thun, weil es noch hoch am Tage ift.
Bonav. Und wie Die anfangen?! .
Bianca. Kurzlihtiger! fragft du noeh? Wir.
flohen aus Venedig über hohe Gebirge, ohne Geld und
Schug, ald wir Verfolgung nur beforgten;
follten wir nit nun aus Florenz weichen, wo fi e wirks
lich ſchon da iſt? |
Bonav. Aber die Dürftigkeit , die uns folgen,
uns wahrfheintih bald aufreiben wird!
Branca. Sie fürdre ih night! Dem Himinel
ſey Dank, noch bat die Weichlichkeit unfere Körper
‚nicht entkraͤftet; noch können diefe Füße fliehen und
diefe Hände arbeiten. Haben wir nicht jest Geld und
Juwelen genug? Laß uns biefe retten, und ein ſpar⸗
ſamer Gebrauch friftet dann "leicht unfer Ceben bis zu
glücklichern fihern Zeitpuncten.
Bonav. Werden fie uns nicht nachſetzen? er⸗
greifen! zurück ſchleppen?
2 174 voson
oder über. den anbern dritten Tag sumeilen zwan
Worte ſpricht.
Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugne
Warnung auf Warnung erfrhürtert dich nicht?
Gott, ift esdahin gekommen ? Sit Dieß derfelbe Mar
der ehemahls mir ſchwur, dafı die Dauer einer Em
keit feltit nicht hinreichend für feine Liebe’ feg? |
mir zuvoreilen wollte in Abgrund und Tod?! — H
weg mit langern Umſchweifen! Daß nicht Rürkere Schr
des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich fel
nicht die unſchuldige Urſache dieſer Sünde feyn mög
fo ſchau ber! Weiten ift dieſes Eiegel? (Sie iR aut
fianden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie i
seigt.)
Bonav. (erfäroden) Das Meinige.
Bianca (ihn umwendend.) Und die Hand die
Aufſchrift?
Vonav. (Ekur ſichh) Gott, wenn Dieß mein v
loren gegangener Brief, die Urſache von ſchon manch
meiner Sorgen were! — (Zaut und zitternd.) Auch D
ſcheint meine Hand zu ſeyn. |
Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ı
Weib gefhrieben, mit dem nur müßige Pagen u
Sagdjunker dich ind Gerede bringen — Benaventu
bey dem Ewigen, Allwiffenden! nidt meine Mk
nicht Lit der Eiferſucht verſchaffte mir dıefen Brie
bloß der Maß deiner Feinde brachte ihn in meine Ha
de, und ich gebe ihn dır wieder, wie ih ihn empfir
SH durfte nur das Siegel deifelben brehen, und.
hatte dann jicher der Beweiſe von beiner Untreue ta
ſendfältig; aber nein! da nımm ihn bin, nur ſpr
wahr fur künftig!
%
vo 175 XX
Bona v. (der gleichſam wie aus einem Traume aufs
fährt, und aufmerkſam und mit Erſtaunen den Brief betrachtet.)
MWiet— Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies
ſes Siegel?
Bianca {mie fhmershaftem Lächein.) Nun ia! iſt
noch ganz. |
39 n a v. (mit Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.)
Bianca! Weib ohne Gleichen! Engel, der durch
Scham mich niederwirft! — O wüßteſt du, was dieſer
Brief enthalt! (Mmit dem Ton der Reue.) Welche Vor:
fhläge! Welche Wünfhe! Welche Hirigefpinnfte !
Bianca. Mag ich fie doch nit willen! Beifer:
freylich, dieſes Schreiben wäre nie gefchrieben, aber
da es Dieß einmahlift, fg vergehe es fo! (Sie Hält den
Brief am die Flamme des Lichte; und verbrennt ihn.)
Bonav. Edelſtes Weib auf Bottes weiter Erde!
(Indem er fie umarmen will, Bebt er gurüd.) Mein, nein,
ich bin es nicht werth dich zu berühren! (Er källt aufs
Knie.) Nicht werth, ad nid werth einmahl, den tiefiten
Eaum diefer Gewänder — —
Bianca. Bonaventuri! Mann! Eteh auf! Er⸗
niedrige dich nicht tiefer, als ich ſelbſt es wünſchte!
(Bie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme;
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfchlungen ;
fo habe ich dich nie glühender an meinen Bufen gedrüdt.
(Die küßt ihn, und fieht ihn ftarr an, der die Augen nieder⸗
fhtäge.) Du antworteft nicht? Du blickſt mich nicht
einmahl an ? |
Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen: Augen
der Veraͤchtlichſte aller Maͤnner!
vosoA 176 OR
Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigenbik
du immer noch der Theuerſte, der Reizendfte, der Eine
ziggeliebte. — (ihn fürend.) D. Bonaventuri! Diefe
Nacht ift allerdings werth, das Jahresfeit jener unvers
geplichen zu feyn; jener — — (Bie läßt ein Paar Ihränen
falten.) Sey diefe erfte Thrane unferer Liebe, und diefe
zweyte dem Andenken eined Waters heilig, den ic fo
innig liebte und doch fo Eränfen mußte! — Einem Bas
ter — — — ad, daß doch jede rende mit taufend
Sram fo nahe verfchwiftert ift, daß — — (Indem fie Rd
ſchnell mit liebevollem Drohen nah Bonaventuri wendet.) Bde
fer, Tieber, böfer Mann, wie viel opferte ih dir nicht
auf!
Bonav. Za wohl viel! Waterland, Ültern,,
MWohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, um
Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu thei⸗
ln, und ich — — ich — o! — —
Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben ge⸗
nannte klingt freylich rauh; ertrug ſich freylich Anfangs
ziemlich hart; und war mir doch minder ſchwer zu tra⸗
gen, als mein jetzige s Loos.
Bonav. (ter fe kalſch verſteht. Was von nun an
dir Eeinen weitern Stoff zu Klage und Kummer ges
ben fol.
Bianca. Nicht? Weißt du aud Das fogewiß ?
Kennft du meine ganze Lage?
Bonav. (dem Dieß etwas auffäne.) Und follte ich
fie nit Eennen?t Welch ein Geheimniß verfchließt
Bianca nod) vor mir?
Bienca. Das Peintihfte, was fie jemahls hat⸗
te. — Sa, Bonaventuri, es ift unamgänglich nöthig,
daß ich endlich den n Sqleyer bir vom Auge reiſſe; einen
Schleyer
ren 177° vor
Schleyer, von dem ich e8 kaum begreife, wie er nicht
fhon längit dir von ſelbſt entſank. — (mit ſchnell .Nare
werdendem Slide.) Oder wäre es vielleicht ſchon gefches
ben? Wußteſt du vielleicht fängft, "was ih, um bir
Kummer‘ zu eriparen, gern Iebensläng verfchwiegen
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur
aus Kaltfinn cher Staatsklugheit dazut Schande,
unausleihlide Schande Eonıme Über dich, wenn Dem
alſo wäre!
Bonav. Bey Gott, id verſtehe dich nicht!
Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das
einzige Mahl, daß eine Blindheit von bir mie
lieb fl; wenigftens lieber. als ein vorfeglides
Überfeden. — Wiſſe, eben diejenigen geringen
Reize, die einit das Glück hatten dich zu befiegen, haben
auch fihon feit geraumer Zeit das Ungläd gehabt, bie
Begierden unſers Großherzogs zu reizen.
Bonav. (eſtaun.) Wie, Franz liebe dich?
Bianca. Wenigſtens fpricht er fo. u
Bonav. Er liebt big ? Franz? (Paufe und Weste
im Son.) Zwar iver könnge di) fehen, und müßte did
nicht fiesen, Engel im? Weibesgeftalt! Engel, der
felsit in tiefer Eörperlierr Hülle noch einen reichlich
durchbrechenden Abglanz feiner himmliſchen Herkunft
beybehalten hat! — tauf feinen Stuhl Hinfintend, und fein
Haupt aufrügend.) — Wie fo natürlih! Und doch wie.
fo ſchrecklich für mich! — (Si vor die Stirne ſchlagend.)
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich
Alles! — Alles, nur Das nicht, daß ich Dieß nicht
eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und
nicht ſelbſt ſah! — Aber woher weißt du es? Von ihm
ſelbſt?
Meißners Blanca Cap. 1. Thl. M
»,
— 178 Rn
Bianca. Von ihm felbft ! Und ich wußte eB
ſchon läangft. Schon damahls, ald ih mich fo athemlos
in unfer Eleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich fo ins
brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil
ich ihn geſehen und geſprochen babe; ſchon damahls
war fein Gefpräh mis mir. Erklärung der Liebe ge⸗
wefen! |
Bonav. (Hakig.) Und du verfhwiegft ed mir!
Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele
leicht deinen Argmohn, entflammen deine Eiferſucht?
Dih ängſtigen, und tod zu keinem Rettungsmittel
di beſtimmen? — Prüfe dich, Bonaventuri ! Alt dus .
fo trunten von Freude feinen Einladungen folgteſt,
hätte eine folhe Erzihlung dich wohl zurücgehalten
von jenem fhlüpferigen Pfade, deſſen Betretung ic) dir
obnedem fo dringend und fo fruchtlos abrieth — Ich
begrub daher in meiner Bruft diefed unglüdlihe Ges
heimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unſers
heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß dieſer fuͤrſtliche
Weichling ſich betriegen ſollte! Kaͤlte und abſchlaͤgige
Antwort, überlegt' ich bey mir ſelbſt, ſind Prinzen
nicht gewohnt: er wird es daher ſatt werden, ſeine
Zaͤrtlichkeit und ſeine Leidenſchaft überhaupt an eine
Frau zu verſchwenden, die ihr ſogenanntes Glück
durchaus nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und.
Wohlthaten ſoll der Fürſt reichlichen Dank und we⸗
nigſtens den Schein der Hochachtung, aber der
Mann nie Liebe empfangen! ſo ſchwur ich mir und
hielt es.
Bonav. Und ſahſt nicht ein, liebe Bianca, daß
eben dieſe Maßregeln, die feine Leidenſchaft abküͤh⸗
len folten, fie nur noch mehr erhitzen mußten?
. 179 m Ä
daß eben diefer ungewohnte Widerftand einen ſolchen
Liebhaber noch ſtärker an dich Eetten würde? _
. Bianca, Sonderbarer Mann! Was blieb. mir
aber anders übrig , als Widerftand eder Erges.
bunz? Hätteft du denn es lieber gefehen, wenn ich
zur Letztern mich beguems harte!
Bonav. Bianca! |
Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung
um die fhone Witwe deſto fiherer, dein Glück am
Hofe defto glänzender gewefen. Freylich würden dann —
Bonav. Bianca, bey Allem, was heilig ift,
nit biefen Spott! Er iſt zugraufam geredt,
und nod) nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗
ner Bianca Lippen. |
Bianca. Und ſollſt ed auch ferner nicht bören.
— Nur geftebe felbft, daß dein voriger Einwurf Un:
seht war!
Bonav, Unrecht! Unreht! Mehr als uUnrecht!
aber verzeih es dem Zuſtande, in dem du mich ijetzt
ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung, die nirgends _
Rath noch Ausweg findet! |
Bianca, Noch wüßte ic einen Weg ; doc ihn zu
ergreifen wird Muth und Selbftverläugmung erfordert.
Bonav. O zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt
Beyde nicht in mir vermiffen !
Bianca. Sohöre ich di gern! Und doch duͤnkt
mir es nöthig, daß ich erft ganz die Erzählung von
des Großberzoge Werbung um mid vollende. — lieg
diefen Brief! Sn ihm, wie du ſiehſt, biethet er Alles
anf, was er für fühig halt ‚ meine Tugend zu erfhlit-
tern! Laßt mir vor allen Übrigen die Wahl, fobald
ih nur ihn zu wählen mic entſchlöße: Wahl, ob ich
MM 2 |
ars0a 172 a
Bianca. Zwey Jahre nun, daß ich mit eine
Schauber,. der alle Gebeine durchbebte, bey der Rü
Fehr von unferer zartlichen Alnterredung, die väterli
Hausthür verfhloffen fand — umlehrte — und, | |
weißt ja, in weilen Arme ich flog!
Bonav. feine Hand auf ihren Halbbloßen Arm
qheind Iegend.) Was dich doch hoffentlich jetzt nicht reu
Bianca (mit einem farcen Blick in fein Auge, d
ee Faum auspätt.), Und auch wohl nicht reuen darf! -
Nicht wahr, Bonaventuri? Du Tiebft mich noch? «
bem fie feine Hand ergreift.)
Bonav. Wie Das Bianca fragen Eann!
tanca (immer feine Hand haltend, mit noch ernftere
liebevollen Blicke.) Wenigftens Eann fie fragen: ‚Ob nc
fo rein, fo heiß, wie damahls?
Bonav. (mit dem Tone des ſich mühlam zwingen!
Gewiſſens. Sorein, und beiß!
Bianca, Und aud fo einzigt— Mein, B
naventuri, verbirg beine Verlegenheit nicht Tänge
Ein aufeihtig Fehlender ift hundert Mahl mel
ald ein Heuchler werth. — Einzig! Ha, id tı
das Wort, das du nicht zu wieberhohlen vermag:
jene vorigen erzwangft bu noch.
Bonav. (ker feine Betretung unter BYeleidigtfenn v
Bergen wit.) Erzwang? Fehler? Was fol Das? E
wiß, Bianca, ich weiß nicht,r wie ich zu dieſem Wi
wurf komme.
Bianca (mit aufgehobnem Bid.) Mächte des Hi
meld und ihr heiligen Märterinnen,, die ihr ehemal
mir meine Schwäche vergabt, laßt audy diefen Ve
wurf. Schwähe und Irrthum gewefen ſeyn! — A
ac) leider! er ift ed nicht. — Bonaventuri, verzeih
s
OR 173 wen
dem Weihe, das dich mehr als fich felder liebt, wenn
daſſelbe die Laſt des Kummers, lang genug im Stilſen
getragen, endlich vor dir ausfchüttet } Biſt du es doch
felbit nur, der diefe Laft mir auflegt! — Bonaven⸗
turi, unfere Liebe ift nicht mehr gang, wie fie ehemahls
war; nicht mehr fo rein, fo wech effeitig, wie in jener
furchtbaren Nacht.
Bonav. Wenigſtens auf meiner Seite — —
Bianca. Lieber, ſprich dieſe Unwahrheit nicht
aus! Sch haſſe einen jeden Mund, welcher fügt, und
den Deinigen möchte ich gern ewig Tieben und achten.
zugleih. Sieh, ſchon wirft du bald voth, bald bleich ;
ſchon ſtammelſt du und ftodft; und dod habe ih das
Wort nod nicht einmabl. ausgefprohen, wodurch, ich
weit mehr noch deine Farbe wechſelnd ‚ deine Zunge
ftammelnd machen konnte.
Bonav. (immer verlegener.) Welches Wort?
Bianca. Kaſſandra Bongiani!
Bonav. Kaſſ — — Kaflandra ? Bus fol Diefe e
— Mas meinft du!
Bianca Du wellteft ed; und meine Vorher⸗
verfündigung iſt eingetroffen!
Bonav. (ſich kaſſend.) Nein, Bianca, bie Roͤ⸗
the, die du mir vorwirfſt, und die ich ſelbſt gar wohl
fühle, erzeugt nicht etwa Scham, ſondern Erſtaunen,
billiges Erſtaunen, daß meine ſonſt ſo billig, ſo edel
denkende Gattinn endlich auch ein Mähren glauben
kann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker fih an .
irgend einem Negentage ausgedacht haben; Leute,
weldye glauben, man fey. in jede Dame verliebt, mit
der man vielleicht zwey Mahl an einem Balle tanzt,
we 174 rewon
oder über, ben andern dritten zug zuweilen zwanzig
Worte ſpricht.
Bianca. Und du beharrſt auf deinem Laͤugnen?
Warnung auf Warnung erſchüttert dich nicht? —
Gott, iſt es dahin gekommen? Iſt Dieß derſelbe Mann,
der ehemahls mir ſchwur, daſi die Dauer einer Ewig⸗
keit ſelbſt nicht hinreichend für feine Liebe ſey? der
mir juvoreilen wollte in Abgrund und Tod? — Hin:
weg mit längern Umfchweifen! Taf nicht ſtärkere Schuld
des Trugs noch über dein Haupt komme; daß ich feldft
nicht die unſchuldige Urfache diefer Sünde ſeyn möge;
fo ſchau her! Weſſen ift Diefes Siegel? (Sie iR aufge
fanden, und hohlt aus ihrem Schrank einen Brief, den fie ihm
seigt.) .
Bonav. (erfgroden) Das Meinige.
Dianca (ihn umwendend.) Und die Hand diefer
Aufſchrift? |
Vonav. (fürfia.) Gott, wenn Dieß mein ver:
foren gegangener Brief, die Urfache von fon mancher
meiner Zorgen ware! — (Zaut und zitternd.) Auch Das
fheint meine Hand zu fepn. |
Bianca. Und it es! Iſt dein Brief, an ein
Weib gefhrieben, mit dem nur müßige Pagen und
Jagdiunker did ins Gerede bringen! — Benaventuri,
bey dem Ewigen, Alwiffenden! nicht meine Mühe,
nicht Liſt der Eiferfucht verfdaffte mir dıefen Brief;
bloß der Maß deiner Feinde brachte ihn in meine Hans
de, und ich gebe ihn dır wieder, wie ih ihn empfing.
Ich durfte nur das Siegel deifelben brehen, und ich
bätte dann ficher dee Beweiſe von deiner Untreue taus
ſendfältig; aber nein! da nimm ihn hin, nur ſprich
wahr fur künftig!
VBonav. (der gleihfam wie aus einem Traume aufs
fährt, und aufmerkſam und mit Erftlaunen den Brief Betrachtet.)
Wiet— Götter! — Bianta! — Iſt es möglich! dies
ſes Siegel?
Bianca {mie fhmershaftem Lächeln.) Nun dar iſt |
noch ganz.
Bo n ad. (mie Feuer ihre Hand ergreifend und küſſend.)
Bianca! Weib ohne Sleihen! Engel, der durch
Scham mich niederwirft! — O wüßteſt du, was dieſer
Brief enthalt! (mit dem Ton der Reue.) Welche Mor:
fhläge! Welche Wünfhe! Welche Hirugefpinnfte !
Bianca. Mag ich fie doch nicht wiſſen! Beſſer—
freylich, dieſes Schreiben waͤre nie geſchrieben, aber
da es Dieß einmahl iſt, fg vergehe es fo! (Sie halt den
Brief an die Flamme des Lichte, und verbrennt ihn.) |
Bonav. Edelſtes Weib auf Bottes weiter Erde!
(Indem er fie umarmen will, bebt er gurüd.) Mein, nein,
ih bin es nicht werth dich zu berühren! (Er fällt aufs
Knie.) Nicht werth, ach nicht werth einmahl, den tiefften
Baum diefer Gewänder — —
Bianca. Vonaventuri! Mann! Ste auf! Er
niedrige dich nicht tiefer, als ich felbft es wünfchte!
(Bie hebt ihn empor.) Fliegſt du nur anders mit inniger
Reue, mit verjüngter Zärtlichkeit in meine Arme;
o fo haben diefe Arme nie di brünftiger umfchlungen ;
fo habe ich dich nie glühender an meinen Buſen gebrüdt.
(Die Füße ihn, und ſieht ihn ſtarr an, der die Augen nieders
fstäge) Du antworteft nie? Du blickſt mid nicht
einmahl an?
Bonav. Darf id Das? Ich, in meinen "Augen
der Verächtlichfte aller Männer!
voson 176 OR
Bianca. Sprich nicht fo! In den Meinigen
‚du immer noch der Theuerfie, ber Reigendfte, der (
jiggeliebte. — Ehn küftend.) O, Bonaventuri! D
dacht ift allerdings werth, das Jahresfeſt jener um
geßlihen zu feyn; jener — — GSie läßt ein Paar Thrä
falten.) Sey diefe erfte Thräne unferer Liebe, und b
zweyte dem Andenken eined Vaters heilig, den ich
innig liebte und doc fo Eränfen mußte! — Einem‘
ter — — — ad, daß doch jede Freunde mit taufı
Sram fo nahe verfchwiftert iſt, daß — — (Indem fie
ſchnell mit liebevollen Drohen nach Bonaventuri mendet.) 2
fer, lieber, böfer Mann, wie viel opferte ih bir ni
auf!
Bonav. Ya wohl viel! Vaterland, Alter
MWohlftand, Rang und Sicherheit gabft du hin, ı
Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu th
ln, und ich — — ich — o! — —
Bianca. Guter Bonaventuri! Alles eben |
nannte Elingt freylidy rauh; ertrug fich freylich Anfan
ziemlich hart; und war mir doch minder fhwer zu tı
gen, ald mein jetzige o Loos.
Bonav. (ter fe falſch verfiehe) Was von nun
dir feinen weitern Stoff zu Klage und Kummer g
ben foll.
Bianca. Nicht? Weißt by auch Das fogemwi
Kennft du meine ganze Lage?
Bonav. (dem Dieß etwas auffäne.) Und follte i
fie nit Eennen? Welch ein Geheimniß verfälie
Bianca nod) vor mir?
Bienca. Das Peinkihfle, was fie jemahls ha
— Ga, Bonaventuri, es ift unnmgänglid nöthi
ww ich endlich den n Steger dir vom Auge reiffe; ein
Schleyer
ran 17 resen '
Schleyer, von dem ich es kaum begreife, wie er nice
fhon längit dir von ſelbſt entſank. — (mit ſchnell gare
werdendem Blicke.) Oder wäre es vielleicht ſchon geſche⸗
hen? Wußteſt du vielleicht laͤngſt, was ich, um dir
Kummer' zu erſparen, gern lebenslang verſchwiegen
hätte! Schwiegſt du vielleicht, ganz kummerlos, nur
‚aus Kaltſinn cder Staatsklugheit dazuk Schande,
unauslöſchliche Schande komme über dich, wenn Dem
alſo wäre!
Bonav. Ben Gott, ig verftebe dich nicht!
Bianca. Nun ſo iſt Dieß das erſte und das
einzige Mahl, daß eine Blindheit von bir mir
lieb iſt; wenigſtens lieber. als ein vorfeglides
-Überfeden. — Wiſſe ‚ eben diejenigen geringen
Reize, die einit das Glück hatten dich zu befiegen, haben
auch fihon feit geraumer Zeit das Unglück gehabt, bie
Begierden unſers Großherzogs zu reizen.
Bonav. (sun) Wie, Franz liebe dich? e
Bianca. Wenigitens ſpricht er fo.
Bonav, Er liebt dich? Franz ? (Gpaule und Weqlet
im Ton.) Zwar wer Eönnge dic fehen, und müßte dich
nicht fliesen, Engel in? * Weibesgeftalt! Engel , der
felöit in tiefer körperlichen Hülle noch einen reichlich
durchbzgechenden Abglanz feiner himmliſchen Herkunft
beybehalten hat! — Lauf feinen Stuhl hinſinkend, und fein
Haupt aufftützend) — Wie fo natürlih! Und doc wie.
fo ſchrecklich für mich! — (Sid vor die-Gtirne fhlagend.)
Franz dich lieben? Er dich? — Ha! nun begreife ich
Alles! — Alles, nur Das nie, daß ich Dieß nicht
eher begriff! daß ich es hören mußte von dir, und
nicht ſelbſt ſah! — Uber woher weißt du es? Won ihm
ſelbſt?
Meißners Blanca Cap. 1. Thi. Mm
”» .-
»
vun 170 mem
Bianca. Von ihm felbft ! Und ich wußte ed
ſchon laͤngſt. Schon damahls, als ich mich ſo athemlos
in unſer kleines dunkles Zimmer ſtürzte; als ich ſo in⸗
brünftig bath, dich abermahls mit mir zu flüchten, weil
ich ihn geſehen und geſprochen habe; ſchon damahls
war fein Geſpraͤch mis mie. Erklärung der Liebe ger
wefen! | |
Bonav. (Hakig.) Und du verſchwiegſt ed mir!
Bianca. Was follte ei dirnügen? Reizen viele
leicht deinen Argmohn, entflammen deine Eiferſucht?
Did ängſtigen, und doch zu Eeinem Rettungsmittel
di beſtimmen? — Prüfe dich, Bonaventuri! Ald dur .
fo trunken von Freude feinen Einladungen felgteit,
hatte eine folhe Erzihlung did wohl zurüdgehalten
von jenem ſchlüpferigen Pfade, deffen Betretung ich dir
obnedem fo dringend und fo fruchtlos abrieth? — Ich
begrub daher in meiner Bruft diefes unglüdiihe Ges
“Heimniß; Aber ich ſchwur zugleich, ſchwur bey unſers
heiligen Mittlers heiliger Mutter, daß diefer fürftliche
Weichling fih betriegen ſollte! Kalte und abflägige
Antwort, überlegt’ ih bey mir felbft, find Prinzen
nit gewohnt: er wird es daher fait ‘werden. feine
Zärtlichkeit und feine Leidenfhaft überhaupt an eine
Frau zu verfchwenden , die ihr ſogenanntes Glück
durchaus.nicht erkennen will. Für feine Geſchenke und
Wohlthaten fol der Fürſt reihlihen Dank und we⸗
nigftens den Schein der Hochachtung, aber der
Mann nie Liebe empfangen! fo ſchwur id mir und
hielt es.
Bonav. Und fahit nicht ein, liebe Bianca, daß
eben diefe Maßregeln, die feine Leidenfhaft abEühs
len folten, fie nur noch mehr erbigen mußten?
®.
-
— 179 m
baf eben diefer ungewohnte Widerſtand einen ſolchen
Liebhaber noch ſtärker an dich ketten würde?
Bianca. Sonderbarer Mann! Was blieb mir
aber anders übrig, als Widerftand ever Erge⸗
bung? Hätteft du denn es Lieder gefehen, wenn
jur Letztern mid) beguenas. hattet
Bonav. Bianca! |
Bianca. Freylich wäre dann deine Bewerbung
um die fhone Witwe defto fiherer, dein Glück am
Hofe defto glänzender gewefen. Sreylich würden dann —
Bonap. Bionca, bey Allem, was heilig ift,
nit diefen Spott! Er it zugra ufam geredt,
und nod) nie hörte ich fonft ein ſolches Wort von mei⸗
ner Bianca Lippen.
Bianca. Und ſollſt es auch ferner nicht hören.
— Nur: geftehe felbft, daß dein voriger Einwurf Un»
seht war!
Bonav. Uhrebt! Unrecht! Mehr als Unregt!
aber verzeih e6 dem Zuftande, in dem du mich jegk
ſiehſt! Verzeih meiner Verzweiflung ‚tie nirgends
Rath noch Ausweg findet! |
Bianca. Noch wüßte id einen Weg; doch ihn zu
ergreifen wird Muth und Selöftverläugmung erfordert.
Bonav. D zeige, zeige mir ihn; und du ſollſt
Beyde nicht in mir vermiſſen!
Bianca, So bore ich dich gern! Und doch duͤnkt
mir es nöthig, daß ich erſt ganz die Erzählung von
des Großperäogs Werbung um mid vollende. — Lie
diefen Brief! Sn ihm, wie du- ſiehſt, biethet er Alles
anf, was er für fähig haͤlt meine Tugend zu erſchüt⸗
tern! Laßt: mir vor allerh Übrigen die. Wahl, fobald
ich nur ihn zu wählen mich entſchlöße: Wahl, od ich
M 2 |
woran 180 sum
‚verftohlen fündigen, ober als erklärte Günftling
mit meiner Schande prablen wolle. — Der Arme,
ahndet nicht dad Blut venetianifcher Senatoren, m
das Blut einer Capello in mir. — Auch ftellt ee e8 y
meinem Ausſpruch anheim, ob er dich noch höher
ben, oder tiefer ald jemahls ſtürzen fol; ob ich
Bublſchaft mit Kaſſandra an dir beftrafen, ı
nur durch gleiche mir ihm vergelten wolle. — 1
fein Brief, ben ich vorgeflern erhielt! Begreifft
nun, warum ich geſtern bey ſeiner Jagdluſtbarkeit du
aus zu erſcheinen mich weigerte? Warum er deit
eigenen Ausdrude nah fich fo zweydeutig gegen
betrug? VBegreifit bu ed nun?
Bonav. Ah ich begreife nur allzuviel! Sch;
"de ganz dem Unglücklichen, den unbekannte Rai
mit verbundenen Augen in ihre Mörderhöhle geſchl.
haben, und dem jegt eine mitleidige Hand den 9
. band wegnimnit. Er fieht zwar nun wieder, aber
er fiebt , find Bilder des Schrerfens.
Bianca. So will id dir nunmehr von e
andern Seite her die reizenden Ausfihten einer fich
fi genügenven Liebe zeigen. — Bonaventuri, Di
meined Herzens, gedenke an jene Zeiten unferer
much! Waren fie, Trotz unferer Armuth, nicht
Zeiten unferes Glückes? Spendete nicht eben dam
das Schickſal gegen ung feine größten Schäge, al
mit und zu Eargen ſchien? — Gedenke des Entzüd
mit welchem damahls die Liebe uns Alles war!
denke der Seligkeit, mit welcher wir damahle ı
auch auf Minuten nur, von unferee Arbeit hinwe;
Küſſen der wärmſten Zärtlichkeit ſtahlen; und fi
ift eine gleiche Wonne uns je wieder zu Theil geı
rn 181 er.
den, ſeitdem Seide uns und unfere Zimmer kleidet?
— Gedenke an. jenes dunkle Gemah! Ah, ed war
heil genug, wenn wir Aug”. in Auge gebeftet da fas .
fen, und Jedes in dem Andern der Liebe Funken
glühen ſah. Am fparfamen Tiſch, oft nur mit
ſchwarzem Brot und Hüulſenfrüchten befegi! welde
‚reizende Zufriedenheit empfanden wir an ihm!
Hat diefer beneidenswerthe Gaſt nnd je wieder beſucht,
feit Teckerbiffen unfere Tafeln belaiten, und der Zwang
fie auftiſht? — O Lieber! Wir, nur wir allein kön—⸗
nen veih und arm, beglüct und unbeglüdt und mas
hen; fönnen machen, daß ums, eine Hütte zur Welt,
und eine Welt zur Hütte wird; Eönnen über Fürſten
lachen, und felbft mehr als ein Fuͤrſtenthum uns er⸗
werben, ſobald wir wollen; nur müſſen wir raſch dar⸗
zu thun, weil es noch hoch am Tage iſt.
Bonav. Und wie Dieß anfangen?.
Bianca, Kurzfihtiger! fragft bu noh? Wir .
flohen aus Venedig über hohe Gebirge, ohne Geld und
Schutz, ald wir Verfolgung nur beforgten;
follten wir nit nun aus Florenz weichen, wo fie wirk⸗
lich ſchon da iſt?
Bonav. Aber die Duͤrftigkeit, die uns folgen,
uns wahrſcheinlich bald aufreiben wird!
Branca. Sie fürdre ih nicht! Dem Himmel
fen Dank, noch bat die Weichlichkeit unfere Körper
‚nicht entkräftet; noch können diefe Füße fliehen und
diefe Hände arbeiten. Haben wir nicht jetzt Geld und
Suwelen genug! Laß uns dieſe retten, und ein fpars
ſamer Gebrauch feiftet Dann "Leicht unfer Leben bis zu
glücklichern fihern Zeitpuncten.
Bonav. Werden fie und nicht nachſeten? er⸗
greifen zurück ſchleppen?
ou 182°
"Bianca, Freylich wenn uns der nicht ſchi
der mädptiger als ein Großherzog, als König und
Kaifer ift; der einige Gott voll Liebe! — dann |
nen fie es thun. Aber fiher, fiher wird er unfern
beſchützen. Er, der ih größerer Noth uns ſchirr
"wird uns ih diefer Eleinern nicht verläflen; und g
es feinem Rathſchluſſe nicht — Bonaventuri, ich E
fterben. Was fürchtet Der , der Dieß kann?
Bonav. (fie umarmen.) Auch Bonaventuri f
es! Auch Bonaventuri zieht ein Strohdach, u
welhem er an Bianca’d Bufen fih fehmiegen, fi
an folhem einihlummern und aus dem Schlum
zu neuen himmliſchen Vergnügen erwachen kann,
nem ſchimmernden Pallaſte vor, den die Sorgen
treuer, ald der Schweizer an ber Thür, bewad
Bianca. DO wenn Das Ernit ift, Bonavent
dann Heil dir und mir! dann finder die dritte N
uns fiher nicht mehr in Florenz.
Bonav. (etwas betreten. Die dritte Nacht!
Bianca. Oder aud dieMorgente ſchon, n
du willſt.
‘ Bonav. Ich ſorge nur, ih forge — —
Bianca. Und was könnte noch zu forgen ü
ſeyn? |
Bonav. (nad einer Paufe von einer halten Min
ieh, meine Theure, ich wiederhohle ed: weder Zu
der Armuth, noch auch Scheu des Todes foll mid
einer Flucht an deiner Eeite abhalten. Aber nur
Zurdt, die Furcht der Schande wünfdte ichr
mitzunehmen, und eben ihrerwegen glaube id,
wir doch nicht ganz fo eilen Fönnen, wie wir wüpſch
Bianco, Welcher Schande?
x
"nern 183 vo
Son av. Du weißt , das Franzens anfcheinen-
de Großmuth mir eine Menge Geſchaͤfte von größter
Wichtigkeit anvertraut hat; die meilten unter. ihnen
find erit halb beſorgt; jetzt fliehen, ebe fie vollender
worden, ſchiene treulos gehandelt; gäbe unfern Zein«
den ein zweyſchneidiges Schwert in die Hand, .
Bianca. (den KRopffgüttend) Schiene treulos
gehandelt! Und warten, bis fie geendet, ſchiene dir
klug und leicht? — O Vonaventuri, verzeihe mir,
wenn bey dieſem Vorwand ein Verdacht mit Gewalt
empor ſich draͤngt! — Verzeih mir die Frage: Sprach
bier Verſtellung oder Kteinmutp?
| Bonav. Wire ed mö glih, daß du auch Bier
mih verkennteft I
Bianca. Mogiid vielmehr, daß ih dich beſſer
kenne! — Die Natur gab dir fo mande von ihren treff⸗
lichſten Baden ; aber leider verband fie mit ihnen Furcht
dor jeder allzumerklihen Entfagung, Zittern vor
jedem etwas rafchen Entfhluß. Lieber Mann! warum
biſt du fo ofe nicht ganz ein Mann? Warıım muß fo oft
deine ’eigene Gattinn dir als Tehrerinn dienen? Müb«
fan gelang es mir und der 'allvermögenden Liebe, dich
zur Flucht von Venedig zu bewegen; noch müßfamer .
“wirft du, des Glanzes und des Wohllebens nun ges
wohnt‘, alle jene Scheingüter aufzuopfern vermögen,
fie dir fo wichtig duͤnken und doch fo nichtdwürdig
find. — — Bonaventuri! Nur unvoflommen jwinge
ich den Fluß meiner Ihranen zurück, würde ihm end»
lich noch freyen Lauf vorfiatten müſſen, wenn ic wei—
ter ſpraͤhe. Sey es daher Pauſe für Heute! Nur bes
ſchwöre ich dich zu überdenken: iſt da, wo von jeder
Seite her Gefahr der Verführung uns droht, wo ver⸗
a 184 —*
ſteckte Feinde auf heine und meine Tugend Tauern,
ed da der Rlugheit gemäß, abzuwarten, bis wir e
weder unterliegen, oder durch, unfern Wibderitand |
Öegner zu Gewalt und Rache reizen! — Sch bü
für meine Standhaftigkeit; aber, Mann mit
wachsweidhen Seele und dem auffprubelnden Bei
wer bürgt die für dich ſelbſt? (Will im das Nebengen
gehen.)
Bonav. (fie Hattend.) Liebſtes, theuerſtes We
wohin? |
Bianea. Laß mih auf einige Minuten allei
Du Eennft die Art meines Grams. Auch Gabe ich
ja wohl indeß Stoff genug zur Unterhaltung mit
feldft gegeben, (Entfernt ſich.)
— — ——
Wohl ließ fie ihm hinlaͤnglichen Stoff zum Ne
denken zurück; und wohl ſah fie nur allzubald, t
fie fi in der Furcht vor feinem Charakter nicht gei
babe. Der Eindruck, den diefes Geſpräch und das ?
tragen Bianca's anf VBonaventuri gemacht battı
war allerdings tief; die Verfiherung von dem -Gef
feiner Unwurdigkeit und von der Erneuerung feiı
ganzen ebemahligen Liebe war allerdings aufricht:
aber er glich einem Streiter, dem ein feindlicher Wu
fpieß den Fuß gelahınt hat; gern möchte er fein ein
ged Heil in der Flucht verſuchen; aber er kann nı
fliehen: das ftäte, fhmerzlihe Gefühl feiner Wur
zieht ihn bey jedem Emporheben wieder zurück zı
Boden. — Fürſtlicher Günftling biöher: und nun ‘
lem zu entfagen, was fo herrlich glängte, obſchon
won 185
wenig in ber Wirklichkeit galt; was zwarnur Schaum
‚in der Verdauung , aber wenigftens ein ſüßer Schaum
für feine Zunge war; nein, Dief vermodte er nicht!
Immer zauderte er; immer erinnerte Bianca ihn an
ſeine Pflicht; immer verſprach er fih zurück zu Ziehen,
und immer blieb er, we er war.
Doch auch jegt ward noch bad Schickſal nicht muͤ⸗
de ihn zu warnen. Es wollte ihm gleichſam für die
Zukunft den Grund zu jeder Beſchwerde rauben; woll⸗
te bewirken, daß er durchaus nicht ſagen könne: es
habe ihm an Gelegenheit gemangelt, über fein unver⸗
dientes Glück nachzudenken. Die liebevolle Ermahne:
rinn hatte er überhört ; den ernflern Weisheitsprediger
konnte er nicht ganz uberhbren; ja, er berief ſich fol:
den gewißer Maßen feldft.
‚Denn einft, ald Bonaventuri in die Meile, fuhr -
und bey der Thür des. Tempels ausftieg, börte er
dicht neben fich eine ihm befannt bünfende Stimme:
bey Bott, Das ift er! .ausrufen. Er blidtefogleich nad
diefer Gegend hin, und fah, daß unter dem Haufen
des Volkes ein Mann in Reifekleidern ſich verbarg, den
er gleich beym erften Hinſchauen, für feinen ehemahlie
gen Bufenfreund , Martelli, erkannte.‘ -
Unzählige Mahl hatte fhon an diefen "Martei
-Bonaventuri, doch in fehr verſchiedener Ruͤckſicht, ge⸗
dacht. Immer wünſchte er in den Tagen der Be—
draͤngniß feinen guten Rath befolgt zu. haben; immer
. wünfdte er in den Zagen des nahmahligen Schimmers
diefen Schimmer: ihm zeigen, und des Muthes fi
rühmen zu Eönnen, mit dem er doc endlich zu Reich⸗
thum und. Hoheit vorgedrungen ſey. Jetzt, als er fa
unerwartet ihn erblickte; jet wäre ex ihm herzlich germ
—
®. ’
wor 86 RE
x
durch das Getümmel nachgeeilt; hätte gern vor al
Volke um feinen Naden fidy gefhlungen,, und ihn
fi) fortgeriſſen; aber ſchnell erwadte fein Ztol; n
der, und die Zucht, Auffehen zu erregen, übern
jene freundfchaftliche Aufwallung. Er eilte. daher b
die Stufen zur Kirche fo haſtig als möglich bina
winfte einem feiner Bedienten, nannte ihm Marte
Nahmen, befshrieb deffen Geſtalt und Kleidung |
das befte, und entließ ihn mit dem Auftrag: die
Fremdling aufzuſuchen, einzuladen, oder vielm
gleich mitzubringen.
Schon ſeit geraumer Zeit war allzufeutige
dacht die Empfindung nicht, womit Vonaventuri |
Himmel viel belältigte. Er, fonit en’ fo erfriger 8
ther, als er no um Bianca's Liebe warb, ober
den linterhalt des nachſten Tages bangte,. war ı
fhon viel zu fehr Höfling, und Günſtling obendre
als noch oft an unſichtbare Möchte zu denfen.. D
beute vorzüglich Eonnte er den legten Gegen des Me
leſenden Priefterd Eaum erwarten; und ald er hi
kam, als er feinen Diener noch nicht fand; als er
‚endlich mit der Verfiherung zurückehren fah: daß
Geſuchte Trog der vielfältigſten Mühe nich, zu fin!
fey; da ftieg feine Begierde und feine Ungeduld imr
höher. Es wurden der Kundſchafter nun wenigſt
ſieben bi5 acht ausgeſandt; und am dritten Tage E
wirklich Einer nebft dem Gefundenen zurüd.
Zwar war die Miene, mit welcher Martelli i
Gemach trat, völlig fo befhaffen, als komme er n
weil er — müſſe; als fey ihm weder mit diefem S
en, noch mit dieſem Finden ein großer Öefallen
ſchehen; bob alles Dieß irrte Bonaventuri ni
&
/
RX 187 X
Kaum ſah er fih mit feinem ehemabligen Frrund al⸗
lein, ſo eilte er ihm mit offenen Armen entgegen‘; um⸗
halste, kuͤßte, ſchalt ihn, daß er fo Tange nach ſich
forſchen laffe; daß er überhaupt nicht von freyen Stuͤ⸗
den gekommen fey; daß er wohl gar abſichtlich ſich ver⸗
ſteckt habe. Martelli blieb ernſt.
„Und wie hätte ich — ſprach er endlich — dieſen
Wunſch nah meinem Anblick bey einem Manne ver⸗
muthen ſollen, der zuerſt von mir ſich losriß; der
ſeit unſerer Trennung ſehr wohl meinen Aufenthalt,
aber ich keinesweges den ſeinigen wußte; deſſen Briefe
mich leicht getroffen haben würden, aber ihn nicht die
Meinigen; und der doch, ſeit zwey Jahren ſchon, we⸗
der nachfrogte, noch ſchrieb. Zudem, Bonaventuri,
vergib mir! Hofluft kann ihr Gutes für mancherley
Seelenkraͤfte haben, kann Manche erheben und ſchaͤr⸗
fen; doch daß durch ſolche das Gedächtniß, zumahl
das Gedächtniß an alte Freunde ſich mindere,
— Das iſt eine allgemeine Sage.
Bonav. Die du hier widerlegt ſiehſt! O Mars
telli! wenn du glauben konnteſt, daß das groͤßte Gluͤck
des Hofes meinen Hang zur Freundſchaft erſticken
würde, fo verkfannteft du mid. ſehr, oder haſt mich
vielmehr nig gekannt.
Mart. Und fo freue ich mich dann dieſes Vers
kennens! Nur zu oft finder man die Menfcen
fhlimmer, aldmanesglaubte; etwas Geltened und
eben deßhalb etwas höchſt Angenehmes ift e8, wenn
man fie beffer findet. — Aber frey heraus geftan«
den, Bonaventurt! auch wenn ich die Fortdauer dej-
» ner freundfhoftlihen Gefinnung vermuthet hätte,
rn 188 ron
doch — doch wäre ic) vielleicht jetzt vorüber gegange
ohne dich begrüßt zu haben.
Bonav. Und aus welchem Grunde?
Mart. Nies fkört die Freundſchaft Alteı
und jüngerer Geſchwiſter mehr, als ein ſchnel
Wahsthum auf jener , ein langes Meinbleiben «
diefer Seite: und fo find auch im bürgerlichen Let
Diejenigen gewöhnlich auf immer von einander gefch
den, zwifchen welchen eine allzu große Kluft ſich a
thut.
Bonav. Auch dann, wenn dieſe Kluft wiel
ausgefüllt werden kann? Und Das ſey ſie hierm
Komm, Freund und genieße von nun an mei
Glückes, meines Reichthums, meines Anfehens
Staate, ald ware uns ein gemeinfchaftliches Erbth
anheim gefallen.
Mart. Wahrlich das Anerbiethen einer edlı
oder wenigftens einer warmen Seele! Wahrlich e
Sreundfchaft, die ich nah Verdienſten fohäge! U
doch, vergib mir, dürfte Annehmung diefes Anerb
tbens ven mir nit Elügli gehandelt feyn; esg
Standpuncte, die durchaus nur einen Beſitzer fa
Sa, wohl und überwohl diefem Einzigen, wenn f
eigener Fuß nicht auf feinem allzuerpabenen Piedel
ausgleitet!
Bonav. (fi entfärbend.) Sch verſtehe. — Haͤ
du meinen Platz für ſo gar gefaͤhrlich?
Mart. Ich halte ihn für den Platz des GI
ckes felbit.'
Bonav. Und alfo ? >
Mart. Und alſo! O Bonaventuri, vergißt
denn, taß das Glück auf einer Auge fleht?
. ea 189 —*
Bon av. (der noch flärker ſich entfärdt, feine Gemütha⸗
eegung aber in ein gezwungenes Säceln verbirgt.) Nun wahr⸗
lich, ich fpüre doch , daß auch dich die Paar Jahre
Zwifhenraum noch nicht verändert haben. Ganz noch
der alte Martelli, der immer in Sentenzen ſprach, der
uͤberall Beſorgniſſe fand, überall nach fürchterlichen
Schatten haſchte, und niemahls der Meinung des Andern
war. — Erfehrung, Martelli, iſt ein gutes Ding;
Leſen, Umſichſchauen und Nachdenken bringt gemei⸗
niglich Weis heit hervor; aber. manche Weisheit iſt
die eines Uhus, der das Tageslicht ſcheut, und nur
in zerfallenen Gebaͤuden niſtet.
Mart. Bewieſen, Bonaventuri — erſt bewie⸗
. fen, daß Dieß der Fall mit der meinigen ſey!
Bonav. Wer konnte diefen Beweis ftärfer füh⸗
ven , als ich ſelbſt? Wäre ich wohl, was ich Bin, wenn
ich dir Folge geleifter hatte? Was war in-deinen Ger
danfen thörichter, als meine Liebe zu Bianca?
Ich ſprach mit ihr, und gewann ihr Herz — Was
war tolldreifter „ ald das Streben nah ihrem.
B efig? Ich wagte diefen Kampf, und ward Sieger.
— Ich floh aus,einer gewiffen Verforgung
zum ungewiffeftenSchidfal. Gewagt war aller-
dings diefer Schritt; aber Tage der Prüfung wurden
bald Tage der glänzendften Hoffnung ; und diefe Hoffe
nung erhöhte fih bald zur Wirklichkeit. — Was von
allen Diefem hätte wohl den Benfall deiner Bedaͤchtlich⸗
keit gehabt? Was würdeſt du mir vielleicht ſelbſt dann
noch gerathen haben, hatteft du in jener Dürftigkeit
unfers Großherzogs Bothfchaft an mich mit angehört ?
Mart. Did zu entfernen! Das laugne ih
Ä nit; ober wenigftens nichts anzunehmen, was
se 182 ne
- Bianca, Freylich wenn uns der nicht ſchi
der mächtiger ald ein Großherzog; ald König und
Kaifer ift; der einige Gott voll Liebe! — bann |
nen fie es thun. Aber fiher , fiher wirdeer unfern
beſchützen. Er, der ih größerer Noth uns fchirr
"wird uns ih diefer Eleinern nicht verlaflen; und g
es feinem Rathſchluſſe nicht — Bonaventuri, ich f
fierben. Was fürdtet Der , der Dieß kann?
Bonap. (fie umarmend.) Auch Vonaventuri h
-e5! Auch Bonaventuri ‚giebt ein Strohdach,
Delchem er an Bianca's Buſen ſich ſchmiegen,
an ſolchem einſchlummern und aus dem Schlum
zu neuen himmliſchen Vergnügen erwachen kann,
nem ſchimmernden Pallaſte vor, ben die Sorge,
treuer, ald der Schweizer an ber Thür, bewach
Bianca. DO wenn Das Ernſt ift, Bonavent
dann Heil dir und mir! dann finder die dritte N
und ſicher nicht mehr in Florenz.
Bonav. (etwas betreten. Die dritte Nacht!
Bianca. Eder aud dieMorgente (hm, w
du willſt.
Bonav. Ich forge nur, ih forge — —
Bianca. Und was könnte nod zu forgen ü
4‘
ſeyn?
Bonav. (nah einer Pauſe von einer halben Min
Sieh, meine Theure, ic) wieberhohle es: weder Zu
der Armuth, noch auch Scheu des Todes foll mich
einer Flucht an deiner Seite abhalten. Aber nur
Zurdt, die Furcht der Schande wünfdte ihr
mitzunehmen, und eben ihretwegen glaube id,
wir doch nicht ganz fo eilen Fonnen, wie wir wünſch
Bianca. Welcher Schande?
—
J
N nsen 183 vo.
Son av. Du weißt, das Franzens anfcheinen-
de Großmuth mir eine Menge Gefhäfte von größter
. Wichtigkeit anvertraut hat; die meiften unter. ihnen
find erit halb beforgt ; jetzt fliehen, ehe fie vollender
worden, ſchiene treulos gehandelt; gäbe unfern Zein-
den ein zweyſchneidiges Schwert in die Sand, .
Bianca. den Kopf fsüttend.) Schiene treulos
gehandelt! Und warten, bis fie geendet, ſchiene dir
klug und leicht? — O Vonaventuri, verzeihe mir,
wenn bey dieſem Vorwand ein Verdacht mit Gewalt
empor ſich draͤngt! — Verzeih mir die Frage: Sprach
bier Verſtellung oder Kteinmutp? ,
Bonav. Wire ed möglih, daß du aus bier
mich verkennteft I
Bianca. Möglich vielmehr, daß ich dich beſſer
kenne! — Die Natur gab dir fo manche von ihren treff⸗
lichſten Gaben; aber leider verband fie mit ihnen Furcht
dor jeder allzumerklihen Entfagung, Zittern vor -
jedem etwas raſchen Entſchluß. Lieber Mann! warum
biſt du fo oft nicht ganz ein Mann? Warum muß fo oft
deine ’eigene Gattinn bir ald Lehrerinn dienen? Mühe
ſam gelang es mir und der allvermögenden Liebe, dich
zur Flucht von Venedig zu bewegen; noch mühfamer .
wirit du, bed Glanzes und des Wohllebens nun ges
wohnt‘, alle jene Eceingfiter aufzuopfern vermögen,
fie dir fo wichtig duͤnken und doch fo nichtswürdig
find. — — Bonaventuri! Nur unvollkommen jwinge
ich den Fluß meiner Thränen zurück, würde ihm end-
lich noch frenen Lauf verſtatten müſſen, wenn ich mei-
ter fprähe. Sey es daher Pauſe für heute! Nur bes
ſchwöre ich dich zu überdenken: ift da, wo von jeder
Seite her Gefahr der Verführung uns droht, wo ver⸗
oa 184 urn
ftedte Beinde auf deine und meine Tugend lauern,
es da der Klugheit gemäß, abzuwarten, bis wir e
weder unterliegen, oder durch unfern Wideritand |
Öegner zu Gewalt und Rache reizen! — Sch bi
für meine Standhaftigkeit; aber, Mann mit
wachsweichen Seele und dem auffprubelnden Gei—
wer bürgt die für did fetöft? (Will in das Nebengen
gehen.)
Bonav. (fie valtend.) Liebſtes theuerſtes We
wohin?
Bianca. Laß mid auf einige Minuten allei
Du Eennft die Art meined Grams. Auch Gabe ich
ja wohl indeß Stoff genug zur Unterhaltung mit
felbft gegeben, (Entfernt ſich.)
— — — —
Wohl ließ ſie ihm hinlaͤnglichen Stoff zum Na
denken zurück; und wohl ſah fie nur allzubalb, t
fie fih in der Surcht vor feinem Charakter nicht gei
habe. Der Eindruck, den diefes Geſpräch und das
tragen Bianea's auf Bonaventuri gemacht hatt
war allerdings tief; die Verfiherung von dem Gef
feiner Unwürbdigfeit und von ber Erneuerung ſeit
ganzen ehemahligen Liebe war allerdings aufricht:
aber er glich einem Streiter, dem ein feindlicher Wu
fpieß den Fuß gelahınt hat; gern möchte er fein er
ges Heil in der Flucht verfuhen; aber er kann mı
fliehen: das ftäte, ſchmerzliche Gefühl feiner Wu
zieht ihn bey jedem Emporheben wieder zurück zı
Boden. — Fürſtlicher Günftling bisher: und nun ‘
lem zu entfagen, was fo herrlich glängte, obſchon
—
wen 105 mann |
wenig in der Wirklichkeit galt; was zwar nur Schaum
‚in der Verdauung, aber wenigfteng ein füher Schaum
für feine Zuge war; nein, Dieß vermochte er nicht!
Immer zauderte er; immer erinnerte Bianca ihn an
ſeine Pflicht; immer verſprach er fih zurück zu sieben,
und immer blieb er, we er war,
Doch auch jegt warb noch das Schickſal nicht mü⸗
de ihn zu warnen. Es wollte ihm gleichſam für die
Zukunft den Grund zu jeder Beſchwerde rauben; woll⸗
te bewirken, daß er durchaus nicht ſagen könne: es
habe ihm an Gelegenheit gemangelt, über ſein unver—
dientes Glück nachzudenken. Die liebevolle Ermahne—
rinn hatte er überhört; den ernſtern Weisheitsprediger
konnte er nicht ganz libexhören; ja, er v berief fi fol:
den gewißer Maßen feldft.
‚Denn einft, ald Vonaventuri in die Meile. fuht
und bey der Thür des Tempels ausſtieg, hörte er
dicht neben ſich eine ihm bekannt dünkende Stimme:
bey Gott, Das iſt er! ausrufen. Er blickte ſogleich nach
dieſer Gegend hin, und ſah, daß unter dem Haufen
des Volkes ein Mann in Reiſekleidern ſich verbarg, den
er gleich beym erſten Hinſchauen, für ſeinen ehemohli—
gen Buſenfreund, Martelli, erkannte.
Unzaͤhlige Mahl hatte ſchon an diefen Martelli
Bonaventuri, doch in ſehr verſchiedener Ruͤckſicht, ge⸗
dacht. Immer wünſchte er in den Tagen ber Be:
drängniß. feinen guten Rath befolgt zu- haben; immer
. mwünfdte er .in den Zagen des nachmahligen Schimmer
biefen Schimmer: ihm zeigen, und des Muthes fid
rüpmen zu Eönnen, mit dem er doch endlich zu Reich⸗
thum und. Hoheit vorgedrungen fey. Jetzt, ald er fa
uneswartet ihn erblickte; jet wäre ex ihm herzlich germ
—
n...a 86 en
dur das Getümmel nachgeeilt; hätte gern vor all
Volke um feinen Naden fidy geſchlungen, und ihn:
fi) fortgeriſſen; aber ſchnell erwadte fein Stolzen
der, und die Zucht, Auffehen zu erregen, übern
jene freundfchaftlihe Aufwallung. Er eilte. daher &
die Stufen zur Kirche fo haſtig ald möglich bina
winkte einem feiner Bedienten, nannte ihm Marte
Nahmen, beſchrieb deifen Öeftalt und Kleidung |
das beſte, und entließ ihn mit dem Auftrag: die
Sremdling aufzufuchen, einzuladen, oder vielm
gleih mitzubringen.
Shen feit geraumer Zeit war allzufenrige 7
dadıt die Empfindung nide, womit Bonaverturi |
Himmel viel beläftigte. Er, fonit eın'fo eifriger 9
ther, aldö er noch um Bianca's Liebe warb, ober
den linterbalt des nachſten Tages bangte,. war —
fhon viel zu fehr Höfling, und Günſtling obendre
als noch oft an unſichtbare Mächte zu denfen.. D
beufe vorzüglich konnte er den legten Gegen des Me
Iefenden Prieiters kaum erwarten; und ald er bi
kam, als er feinen Diener nod nicht fand; als er
‚endlich mit der Verfiherung zurückkehren ſah: daß
Geſuchte Trog der vielfältigiten Mühe richg zu fin!
fey; da ftieg feine Begierde und feine Ungeduld imr
höher. Es wurden der Knndſchafter nun mwenigft:
ſieben bi5 achr ausgefande; und am dritten Tage F
wirklich Einer nebft dem Gefundenen zurüd.
Zwar war die Miene, mit welcher Martelli i
Gemach trat, vollig fo befhaffen, als komme er n
weil er — müſſe; als fey ihm weder mit diefem S
en, noch mit tiefem Finden ein aroßer Öefallen,
ſchehen; doch alles Dieß irrte Bonaventuri nt
Er
wer. 187 ER
Koum fah er fih mit feinem ehemabligen Freund al⸗
lein, ſo eilte er ihm mit offenen Armen entgegen-; um⸗
halste, kuͤßte, ſchalt ihn, daß er fo lange nach fi
forſchen laſſe; daß er überhaupt nicht von freyen Stuͤ⸗
den gefommen fey; daß er wohl gar abſichtlich ſich ver⸗
ſteckt habe. Martelli blieb ernſt.
„Und wie "hätte ih — ſprach er endlih — dieſen
Wunſch nah meinem Anblick bey einem Manne 'ver«
muthen follen, der zuerft von .mir fi losriſt; ber
feit unſerer Trennung fehr wohl meinen Aufenthalt,
aber ich keinesweges den feinigen wußte; deffen Briefe
mich Teicht getroffen haben würden, aber ihn nicht die
Meinigen; und der doc, ſeit zwey Jahren ſchon, wer
der nachfrogte, noch fhrieb.. Zudem, Bonaventuri
vergib mir! Hofluft kann ihr Gutes für manderley |
Serlenkräfte haben, kann Manche erheben und fchärs -
fen; doch daß durch ſolche das Gedacht niß, zumahl
dad Gedächtniß an alte Freunde ſich mindere,
— Das iſt eine allgemeine Sage.
Bonav. Die du hier widerlegt ſiehſt! O Mars
telli! wenn du glauben konnteſt, daß das gröfite Gluͤck
des Hofes meinen Hang zur Freundſchaft eritiden
würde, fo verfannteft du mid ſehr, oder haſt mich
vielmehr nig gekannt.
Mart. Und fo freue ich mich dann dirfes Vere
kennens! Nur zu oft finder man die Menfchen
fhlimmer, alsmanedglaubte ; etwas Seltenes und
eben deßhalb etwas höchſt Angenehmes ift e8, wenn
man fie beffer findet. — Aber frey heraus geftan-
den, Bonaventuri! auch wenn ich die Fortdauer dei:
» ner freundfhoftlihen Gefinnung vermuthet hätte,
ara 188 on
doch — doch wäre id) vielleicht jetzt vorüber gegarige
ohne dic) begrüßt zu haben.
Bonav. Und aus weldem Grunde?
Mart. Nies stört die Freundſchaft Alte
und jüngerer Gefchmwifter mehr, als ein ſchnel
Wahsthum auf jener, ein langes Kleinbleiben <
diefer Seite: und fo find aud im bürgerlichen Let
Diejenigen gewöhnlich auf immer von einander gefch
den, zwifchen welchen eine allzu große Kluft fi ih a
thut.
Bonav. Auch dann, wenn dieſe Kluft wiel
ausgefüllt werben Eann ? Und Das fey fie bierm
Konım, Freund , und genieße von nun an melı
Glückes, meines Reichthums, meines Anfehens
Staate, ald ware uns ein gemeinſchaftliches Erbth
anheim gefallen.
Mart. Wahrlih das Anerbietben einer edl.
oder wenigftend einer warmen Seele! Wahrlich e
Sreundfchaft, die ih nah Verdienſten fhäge! U
Doch , vergib mir, dlrfte Annehmung diefes Anerb
thens ven mir nit klüglich gehandelt feyn; es g
Standpuncte, die durchaus nur einen Vefiker fall
3a, wohl und überwohl diefem Einzigen,, wenn f
eigener Fuß nicht auf feinem allzuerhabenen Piedei
ausgleitet!
Bonav. (ſich entfärbend.) Ich verſtehe. — Ha
du meinen Platz für ſo gar gefaͤhrlich?
Mart. Sch halte ihn für den Platz des SI
des felbit.'
Bonav. Und alfo? -
Mart. Und aljo ! O Bonaventuri, vergißt
denn, taß das Glück auf einer Auge ſteht?
nern 1ÖQ Fo |
Bonav. (bevmod färker ſich entfärdt, feine Gemütha⸗
Bergung aber in ein gezwungenes Säceln verbiege.) Nun wahr⸗
lich, ich ſpuͤre doch, daß auch dich die Paar Jahre
Zwiſchenraum noch nicht veraͤndert haben. Ganz noch
der alte Martelli, der immer in Sentenzen fpradh, der
überall Beforgniffe fand, überall nad) fürchterlichen
Schatten haſchte, und niemahls der Meinung des Andern
war. — Erfahrung, Martelli, iſt ein gutes Ding;
Leſen, Umſichſchauen und Nachdenken bringt gemeir
niglih Weisheit hervor; aber. manche Weisheit iſt
die eines Uhus, der das Tageslicht fheut, und nur
in zerfallenen Gebäuden niftet.
Mart. Bewiefen, Bonaventuri — erſt bewies
. fen, daß Die der Fall mit der meinigen fey!
Bonav. Wer Eönnte diefen Beweis ftärfer füh⸗
ren, als ich ſelbſt? Wäre ich wohl, was ich Bin, wenn
ich dir Folge geleiftet hätte? Was war in-deinen Ge⸗
danken thö richter, als meine Liebe zu Bianca?
Ich fprad mit ihr, und gewann ihr Herz. — Was
wor tolldreifter ,„ ald das Streben nah ihrem.
B efiß? Ich wagte diefen Kampf,-und ward Sieger.
— Ich floh aus,einer gewiffen Verforgung
zum ungewiſſeſtenSchickſal. Gewagt war aller=
dings diefer Schritt; ‚aber Tage der Prüfung wurden
bald Tage-der glänzendften Hoffnung; und diefe Hoffe
nung erhöhte fih bald zur Wirklichkeit. — Was von
allen Diefem hätte wohl den Benfall deiner Bedaͤchtlich⸗
keit gehabt? Was würdeſt du mir vieleicht felhft dann
noch gerathen haben, hätteft du in jener Dürftigkeit
unſers Großherzogs Bothſchaft an mich mit angehört ?
Mart. Dih zu entfernen! Das läugne id
nit; ober wenigſtens nichts anzunehmen, was
| rn 100 — '
allzumädtig ben Neid reizt, allzu uüͤberſchwenglich
Kräfte .überfleigt, — Bonaventuri, wenn du nu
Mahl nad mir ſenden, und mit mie fprecdhen wol
dann mußt du nun auch Wahrheit hören Einnen,
mir gesiethen, mic zu entfernen, für bieß und
Mahl.
Bonan. Bleib und ſprich, was du willſt!
fprih ed ald mein Freund! _
Mart. Wäre ih Das minder, fo würde ja
Aufrichtigkeit Unſinn ſeyn. — O Bonaventuri,
ich dir wohl etwas Neues, wenn ich behaupte,
ſelbſt die auf's glücklichſte ausgeſchlag
Unbeſonnenheit deßhalb doch nichts minder
Unbeſonnenheit bleibt? Iſt es ſelbſt nach
gelungenen Tollkühnheiten wohl klug, eine ei
zu wagen? wohl klug, auf deren Gelingen im‘
aus su pohen? — Verdient mein ehemahls bi
geberrer Rath deinen Spott? Und wenn du auß d
Nichterfüllung auf die Schwäche meines Jetzigen,
nes Künftigen fchließeft,, ut diefer Schluß richtig
Darf ich dieſe zwey ragen wohl näher betrady
Bonav. Wenn dir es beliebtes warum Dasn
Mart. Sieb, Bonaventuri , wenn du
mahls, als ein armer Diener in Salviatis Com
auf des fürftlich reichen, fürſtlich edeln Gapı
Zohter, Her; und Meigung zu richten. gerul
follte ih) dir wohl, Bravo! oder, Eingebalı
zuruſen? — Wenn du Bianca, beftinmt das (
eines der erften Venetianer , die Wonne ihres
ters, den Glanz ihrer Vaterfladt zu maden,
tet, taufchteft, in deine Pläne, deine Iuftigen
winfe mit hinein verwebteft; — ſprach ih du e
— 191 a oo.
anders, als die Stimme deines eigenen Herzeus;
indem ich dir zurief: Wohlzugefehen, Freund, daß
du Fein Bbſewicht werdet? — War es klüglich, wer |
es vor irgend einem Richterſtuhl dieſer und jener
Melt verantwortlid , Venedigs trefflichſten Juwel ſo
heimlich hinwegzuſtehlen ? — GBonaventuris Miene wird
unwille. Hinwegzuſtehlen! fage ich mit Bedacht; denn
ich babe ja doch kein anderes Wort für. jene naͤcht⸗
liche Entführung*) — Und als du nun litteſt, was
wahrlich nsch eine fehr leichte, eine vorher gefehene
Strafewar, — Armuth und Dunkelheit; was konnte
dich berechtigen ein Anerbiethen anzunehmen, womit
es ſicher dem Glück kein Ernſt ſeyn kann, und wo⸗
bey kein innerer Werth dich unterſtützt? Unerfah⸗
ren in Staatsgeſchaͤften, unbekannt mit dem gläſer⸗
nen Pfade des Hofes; wie Fannft du hoffen, Jenen
gewachſen zu feyn und auf Dieſem dich aufrecht zu er⸗
halten? J
Bonav. (mit etwas bitterm Lächeln.) Wie ſehr doch
oft weiſe Männer, eben ihrer Weisheit wegen, die
Sachen felbft uͤnnbihig ſich erſchweren! Entſinnſt du dich
- wohl, von einem Philoſophen gehört zu haben, der die
Bewegung längnete, und deſſen tiefgedachte Gründe
ein Anderer ſtillſchweigend bloß dadurch wiberlegte,
daß er auf und niederging?
*) Meine Lefee merden fin bier erinnern, dag Martelli irey⸗
lich nicht fo genau, wie fie, die eigentlichen Umſtande
von Vianca's Verſchwindung, von zugeivorfener Hausthüt
u. ſ. w. wiſſen Fonnte : fondern daß er in ſeiner Rede und
in ſeinem Raiſonnement dbioß von der Wahrſcheiulichkcit
aue ging.
vun 202 von
Mart. Verſtehe ib dich? Meinſt tn vielleic
daß ſchon dein bloßer Anblick mir ſagen müffe, !
du doch nicht ganzlich fremd in Staatsſachen feyn, d
Hofkenntniſſe genug befigen müſſeſt, um ſo langed d
gehalten zu haben!
Bonav. Mid dünkt allerdings, daß er etw
dergleichen fagen Eönne!
Mart. DO Bonaventuri! fo fol ich denn -t
dürten, berben Morten die erflären, welcher Rohrſt
dich bisher geſtützt hat, und noch erhaäͤlt? Durch w
ches Verdienſt deine niedere Hütte ſich zum Pallaſt
bob? — Bianca, Bianca's Schönheit allein that
Jes Dieß! Nicht ein Ahnen deiner Wiſſenſcha
ein ſiüchtiger Blick in ihr Auge machte, daß Fre
auch dich näher zu ſehen begehrte! Nicht du biſt f
Günſtling, wohl aber it Bıansa fein Wunſch, vi
leicht auch ſchon lanigft fein Glück. — Du erröthe
Geſchieht Dieß aud Staunen über noch ungehe
Wahrheit! Oder au Scham, daß bein Behei
nift fo ruchtbar iſi? — Wahrlıh, Freund, es we
fhımpflider , ald es Worte faffen; ed wäre ein Brat
flef , den zwanzig Ordensbänder nicht verftecken Et
ten, Alles für eine Stau und deren Beſitz gewagt
haben, und dann diefen Befis mit irgend einem Ma
ne, wäre edaud ein Fürſt — für irgend einen Prei
und wäre ed auch ein halbes Fürſtenthum — freymil
‚zu theilen! Sieh, ich liedte nie wie du, aber ei
ſolche Entweihung einer Liebe und meines Eheber!
würde ich für alle Schäße der Erde nicht dulden.
Bonav. Habe ich dih nun ausreden laffen, u
habe ih nun auch auf dein ruhiges Zuhsren ein gl
ches Recht? |
Mart.
\medve 105 nano
e art. Das haſt du allerdings. |
Bonav. So will id mit wenigen Worten dich
„ widerlegen. ie ſtahl ich Biancan; nie rieth ich ibr
nur mit einem Worte zum Entfliehen. Ausgeſchlo fr
fen vom väterliben Haufe, warf fie fih in einer
Naht, wo ich auf nichts weniger ald auf das Entweis -
hen dachte, in meine Arme. Das ift Wahrheit, beym
heiligen Antonius! — Nicht einmahl muthmaßen
konnte id Franzens Liebe, als er mich hier an ſeinen
Hof berief. Ein ſonderbares Ungefaͤhr machte gerade
damahls uns mit Mondragone bekannt; und ich hielt
für Menfhenliebeund Mitleid, was ich freys
ch nachher für Hinterlift und Trug erkannte.
Es war ein Fehler, ein großer Fehler ſogat, Bey einem
Höfling von Mondragone’d Art Tugend zu vermu⸗
then. Doch verdiente derfelde bey meiner. damahligen
Weltkenntniß Verzeihung, und entforang aus gutem
Herzen — Das befhwöre id) dir bey jener unbeflecteii
Mutter Gottes! Wahrheit endlih, mit zwanzig Ei⸗
den zu betheuein, iſt es, daß ich erſt feit wenig Tagen.
Franzens Reigung für Bianca kenne; daß Bianca
ſelbſt mir freywillig und unerwartet das große Geheim⸗
niß eröffnete; daß ihre Tugend feſt bey jeder Lockung
fih erhält; daß weder Hofluft noch Weichlichkeit ihren
Edelſinn erſchüttert; ja, daß fie zum zweyten Mahl
Flucht und Elend mit mir wäpfen würbe, wenn id)
einen folhen Schritt nicht für unndthig hielte; wenit
ich nicht feit überzeugt wäre: felbft der verliebte
Franz wird nie zum Tyrannen fi) umgeſtalten. Bianca
mochte freylich wohl zuerft feine Begierden weden;
aber er hoffte nur, fo lange er fie noch nicht Eannte.
Seht wird er ihre Tugend ehren , wie er Anfangs ih⸗
Meißners Bingen Cap. 1. Speit. N
:f
sen Heiz bewundert. — Sie — fie allein mochte f
ich zuerft meine Berufung noch Hofe veranlajfen ; d
auch ich felbft war nachher glücklich genug, einen eigen
wahren Antheil an feiner Gunſt zu gewinnen.
1, Mars, (erſtaunt.) Pietro, babe ich recht gehoͤr
‚ Bianca — Bianca felbjt entdedte dir zuerft tieri
des Fürſten?
Bonav. Bianca — zuerft — und freywill
Markt. (alch.) Sie erboth fich fogar zur Verl
fung des Hofes — zu einer zweyten Flucht?
Bonav. Erboth ſich nid nur dazu, ſondern ba
vielmehr um dieſelbe.
Mart. Und Dieß — verzeihe meiner Schwergl.
bigkeit — Dieß mit einer Art, die gewiß mehr |
Frauenliſt, mebr als bloß gefchminfte Tugend we
Bonav. Miteiner Wahrheit, die den Verda
der Zweifelſucht ſelbſt zernichtet haben würde Mei
Willkür überlieferte ſie Franzens Briefe; meiner E
fiht allein überließ fie deren Beantwortung. &d
derte ich dir vollends Ort und Stunde und Lage, wa
und wie fie diefes Geheimniß mir aufſchloß, dur wi
deft glauben ein Mähren aus Pennelopens Zeit
vernehmen. — Sneiner Minute, wo ich befhämt ı
mir felbft zurückhebte, wo ich gern mid) vor mir fel
verborgen hatte — in einer Minute, wo taufend «
dere Frauen ihren Gatten mit Eirerfucht geftraft, r
Vorwürfen überhäuft, einen flüchtigen Leichtfinn ı
Meineid, einen raſchen Fehltritt ald Merbrechen |
trachtet haben würden, ftand fie vor mie fo rein u
mild, wie ein Bothe des Himmels; tröftete, verg:
fhwur mir unbegebrt neue, ewige Liebe; verfhmäl
Großherzogs Franzens Beliebte zu werden, um
195 —
Bonaventuti's Gattinn zu bleiben, um mit ſhm viele
leicht wieder zu Staub und Armuth herabzufteigen!
Mart. Za wahrlih, dann ift fiemehr, als eine
gewöhnliche Frau ; verdient mehr , ald gewöhnliche
Liebe ! Verziehen ſey dir nun alle jene Thorheit, die bu
in Venedig begangen ; verziehen Schwärmerey und
Flucht! aber Eines verzeihe dir nur Gott, und wenn
es möglid ift, dein eigenes Gewiſſen! Wor meinem -
Richterſtuhl würde der Stab über dic) gebrochen.
Bonav. (befremder.) Und diefes Einewäret
Mart. Daß da hier noch zu bleiben wagſt! —
Wie, Mann , du befigeft einen Schatz, den Eein Kö—
nigreich aufzuwiegen vermag, ein ſchönes, liebevol⸗
les, tugendhaftes Weib; das Weib deiner eigenen
Wahl! Du kennſt die wollüſtige Begier eines Maͤchti⸗
gen, und kannſt in unbegreiflicher Sicherheit hier noch
zögern ? willſt warten, bis Gewalt fie dir entwende,
oder Lift und Trug fie dir entweibe? Laß Bianca rein
und lauter, wie ein Engel Gottes feyn; aber bedenke:
auch Engel widerftanden einft nicht jedes Verſuchung!
Auch Engel fielen — und zwar um fo tiefer, je höher
fie Anfangs ftanden! Kann Leckerey der üppigften Ta-
fel dir [hmeden? Kann Reichthum did) reizen, Ehren:
amt dich locken? Kann ein geheucheltes Lob dich freuen,
ja felbft nur ein ruhiger Schlaf dich erguicken, da fläte
Furcht und drohende Ungewißheit deine Tiſch- und Bette
genoffen fegn müſſen? O fliche,, fliehe von einem Pfade,
wo mitten im Quftwandeln unvermeidliche Gruben deis
ner warten, und tüdifche Feinde auf dich Tauern !
Bonav. (Hard unwitig.) Fliehen! Fliehen! Und
bedenkt du dena nicht —
N 2
wor 196 vorne
Mart. (Ceinfallend.) O ich bedenke gar wohl
ſehe gar wohl voraus, daß du Manches dahinten laff
von manchem feheinbaren Vorzuge dich trennen mı
teft! Doch, von wahren Gütern gitft du auch F
Einziges Preis; und fetbft mit Vermeidung des M
gels in den Mittelftond ſich zurück zu ziehen, Eanıy
jegt nicht unmöglid fallen. Laß vaber ja nicht lan
ungenuͤtzt was —
Eine Bothſchaft des Großherzogs, die Beinen 2
{hub vertrug, unterbrach bier den Fluß von Marte
Beredſamkeit, und mochte wahrſcheinlich Bonavent
felbft nicht unwillkommen ſeyn, denn fhon begann
verlegen um Antwort zu werden. Doch befchwor
feinen Sreund — dem er vergebens eine Wohnung
feinem Pallafte antrug — ihn bed andern Morg
wieder zu befuhen, wo fie das heutige Gefpräd voll
den Eönnten; und wo er Entfhluß faſſen ivofle. V
teli, nad einigem Weigern , verfprach Zurückku
Auf feinem einfamen Zimmer, da er meht als ein Y
noch Daß, waser vernommen, und wozu er gerat
babe, durchdachte, — da war er zwar in feinem
wiſſen überzeugt: daß nur aufdiefem Wege fein re
noch zu retten fey. Aber er geftand ſich auch felbft:
diefer begehrte Entſchluß viel zu viel Geiſteskraft
Seelenftärke erfordere, als ihn.von Bonapenturi he
zu dürfen ; and fein Nichtpöffen ging in Erfüllung
So fehr das Übereintreffen von Bianca’ X
und Martellis Rath die Seele Bonaventuri’s erfe
terte ; fo wenig er fih nun feldft die Unſicherheit fe
Lage, die Unanftändigkeie feines laͤngern Hierbleil
ws |] 9 7 Kt
obzulaͤugnen vermochte; der Schimmer ſeines Range,
Die Nege ber Weiclichkeit, die Süßigkeit des Hof⸗
lebens behaupteten doch ihren unwiderftehlichen Zauber.
Er ſtrebte, Here Über ſich felbft zu werden, aber er
ftrebte vergebens. Er glih dem Schwaͤchling, der vor
einem hohen Belfen ſtebt, auf den er fo gern ſich
ſchwaͤnge, um dann einer freyen Ausficht in die herrliche
Meite zu genießen, dem aber Süße und Bruft ihren
Dienft verfagen, — Endlich nahm er wieder zum Lieb⸗
Iingsmittel träger oder feiger Seelen, sum — Auf
ſchub feine Zuflucht. —
Als er am Morgen darauf feinen Freund verſichere
te, — was auch wahr ſeyn mochte, — daß er ſchlaf⸗
los und nachſinnend die halbe Nacht hingebracht habe;
als er Mortellis Urtheil das Lob ber Gründlichkeit er⸗
theilt hatte, und nun mit der Betheurung endete:
er ſey entſchloſſen nach Monathsfriſtdem Hofleben
abzuſagen, da laͤchelte Martelli etwas bitter, und rief:
Feſt entſchloſſen! Nach Monathsfriſt ſchon? Bedacht⸗
ſamer Pietro, übereile dich nicht! Als die Thür des
Kerkers vor deinem Nahmenspeiligen fh aufthat, als
eine Stimme ihm befahl, fih zu gürten und hinweg zu
begeben, wartete da St. Peter wohl bis zum nädhften
Morgen? That er nicht fogefhwind, als möglid, was
er für gut erfanntz?
Bonaventuri errbthete ein wenig; doch par er;
wenn nicht auf dieſe, doch auf ähnliche Fragen. ſchon
vorbereitet. Manche Entſchuldigung yon aufgetragenen
Geſchaͤſten, deren frühere Beendigung ſein Gewiſſen
gebiethe — von der Unmoͤglichkeit, gerade jetzt bie Auf⸗
merkſamkeit dei Fürſten zu täuſchen — von der Mpthe
menbigkeit ‚ fid doch vorher einiger Maßen flir die Zu⸗
! 00008 198 0008
Eunft zu ſichern — ward vorgebracht. Die Worte n
ten ſcheinbar genug, aber fie bintergingen Mart
nicht. | |
„Du wirſt es, fprad er, einem Manne, der fch
ſo manches Garneval mit ahfah , nicht verargen , we
er mifitranifeh gegen Masken it. Ich Eenne frey)
deine Gefhäfte nicht; wie Eönnte ich fie alfo dir
läugnen ? Sch billige deine Morfiht , wenn fie ı
Map gefhieht; aber ich Fenne etwas anderes ;iem!
genau (indes er auf's Herg feines Zreundes geigt) Und
jorge, das Bild eines Vogels, der von der Leimruthe
losreiſſen könnte und figen bleibt, bid er erhaſcht wi
weil ervor dem Verlufte von einigen Federn ſich für
tet, dürfte bey dir ein treffendes Bild feyn. — 8
wohl! Mich rufen Gefhafte nah Ravenna. Wäl
du Einfamfeit und landlide Stille; bedarfit du |
ihr eines Gefaͤhrten, fo melde es mir! IK. ı
laſſe fogleih Allee, um mis meinem weifer gemot
nen Freunde zu leben und zu iterben. Aber die Bri
des Höflings, des Günſtlings, des halben Großh
3095 fogar, bleiben unbeantivortet; denn mich tr.
mein Einn abwärtd von diefer Atmofpbäre !”
Fruchtlos wandte Bonaventuri alles Mögliche ı
um Martelli noch langer bey fih zurüd zu baltı
fruchtlog bediente er fid) dee Verſprechen jeder Art,
Beſchwörungen und Selübte! Derftarre, aber bied
Mann blieb feſt auf feinem Sinne. Seldit Biar
mochte er nicht vorgeftellt werden, weil Dieß feine E
fernung erfchwere ; felbit Lie Geſchenke, die fein Fret
auf das edelmüthigfte ihm darboth, fhlug er a
weiler deren nicht bedürfe. Er reifte ab, und überl
Bonaventuri feinem Schickſale; denn er fah vora
wre® 199 v... .
baß alle Mühe, diefer Deele von Wachs männliche
Feſtigkeit zu ertheilen,, vergebens feyn werde.
Auch gefhah, was er verkündigt hatte! Der Moe
nath verlief; noch ein Paar folgten, und Kein Brief
vom Bonaventuri fuchte in Nevenna ihn auf. Der
Verblendete, , weit entferne, ſich durch eine edle Anſtren⸗
gung loszureiſſen, verfank jetzt — da Martefli’d ware
nende Stimme ſo ſchnell wieder verhallte, und Bianca,
der öftern fruchtlofen Vorſtellungen müde, zu ſchwei—
gen begann, — nicht nur in feine vorige Betäubung
jerüd, fondern gab ſich auch bald der Verſtrickung gir
ned Feindes preis, der deſto furchtbarer war, je ſchlei⸗
chender er heranrückte; defto gefährlicher , je tiefer feine
Schaͤdlichkeit fih in dag Gewand inniger Zärtlichkeit
verbüllte! Daß diefer Feind, oder diefe Feindinn viels
mehr, — abermahls Kaffantra Bongiani war , wirb
man wahrfheintih im Voraus vermuthen.
Zwar, wenn jemahls ein Schwur Bonaventuri
aus vollem, entfhloffenen Herzen quoll, fo war es jes
ner, ald er Bianca die Aufopferung ihrer Nebenbube
lerinn zuſchwur! Zwar hatte er es hierin nicht, wie
er fonft wohl pflegte, beym bloßen loͤblichen Vorfag
gelaſſen; hatte wirklich eine geraume Zeit felbft den
entfernteften Ilingang mit diefer gleich reizenden, gleich
gefährlichen Perfon abgebrochen, und war ſchon breit
genug fich felbft zur Geneſung heimlich Glück zu wün⸗
fhen. Doch viel zu voreilig war diefe Beibitzufriedene
beit! Sie entfprang , wie falt immer zu geſchehen
pflegt, aus Unbekanntfhaft mit feiner eigenen Schwäche
und mit der jenfeitigen Starke.
Nie hatte Kaffandra das göttliche Gefühl der wah⸗
ren eigentlichen Liebe empfunden; hatte. ſicher au im
wev⸗ 200 ..“
Bonaventuri's Umgang diefelbe nicht: Eennen geler
Doc die Empfindungen des beleidigten Stolzes,
gekrankten Eiferſucht Eannte fie defto beſſer, und fill
folde in ihrer ganzen Gewalt, ald fie Denjenigen pl
Iih in feiner Bewerbung erkalten, ja, ganz zurt
weichen ſah, über den fie ſchon als unbefchränkte (
bierherinn zu herrſchen glaubte. Aufeinige Augenbl
wähnte fie: Dieß fey die Wirkung einer neuen Liel
und fah forfhend rund umher, welche Nebenbubhler:
dreift genug fey, dieſe Beute ihr entreiifen zu woll
Doch als fie Keine erblickte, als fie durch Kundſch
von Bonaventuri's häuslichem Reben [bloß ; daß ni
eine neue Werirrung , fondern die Rückkehr zur Pfl
ihr diefen Anbether entziehe; Eurz, als fie Bianı
Mafregeln, wenn aud nicht vollftändig, dach 3
Theil errieth ; da rief fie mit ſtolzer, lächelnder
nügfamkeir aus : ‚diefe Belehrung fol nicht fa
dauern !— und der Weg, den fie einidlug, waı
einfach und doc fa zweckmäßig, ald möglich,
Drey Wochen lang entzog fi Kaſſandra dem H
und jeder andern Geſellſchaft, um beym Aufang
vierten mit defto bemerkteren Reizen wieder zu erſch
nen. An einem Sefte, wo ſich Alles mit Schmuck üt
deckt und — wohl kann man fagen, aud) überputzt hat
trat fie wieder auf in einem bloß ſeidenen, ungeſt
ten, ſchwarzen, Eunftlofen Gewande, veizend
durch fich felbft und eben deßhalb reizender, alß
ihre Schmeftern.
Bonaventuri bebte ſchon, als er fie eintreten fi
denn ſo ſchoͤn, dünkte ihn, habe er fie noch nie gefeh
Er bebte noch ftärker, als fie auf ihn ihr Auge ri
Ite, Er fuͤrchtete in demfelben verdienten Unillen
sowa SDNE vorn
eerblicken; ſah fhüchtern auf, und glaubte feiner eige⸗
nen Bemerkung kaum; denn er fah in ihm nichts als —
Riebe. Sie wandte, als er fi) zu nahen noch Beden⸗
fen trug, gelegentlich) anihn ihre Rede. Nun glaubte
er doch gewiß verſteckte Vorwürfe zu hören, und vers
nahm wieder den Zon der Sanftmuth felbft. — Schon
wanfte der Arme; feine Stimme ftodte. Kaflandra bes
merkte es nicht. Sie erzählt ihm bloß: daß fie eine
geraume Zeit geſiecht, — daß Herzens kummer fie bes
troffen — daß mancher Sreund, von dem fie cd nicht
beforgs , fie verlaffen habe. Ihr Mund nannte Beinen
einzigen Nahmen ; ihr Auge nanııte ihn. Bonaven⸗
turi würde zu ihren Süßen gefunten feyn, hätte er
nicht in der Nähe fo viele und vielfältige Zeugen gefes
ben. Eben hatte er-nun. Gedanken und Worte zu ein
Paar mühſamen Entfehuldigungen geſammelt, da ent«
fernte fie ſich raſch, doch zurückſchauend. Ihr nachzufol⸗
gen vermochte er nicht. Seine ganze Seele war bewegt.
Ein Briefchen ihm nachher heimlich, als er in Gedanken
ganz verloren am Spieltiſch des Großherzogs ſtand, zu⸗
geſteckt, (er wußte ſelbſt nicht, von wem,) verfehlte
ſeinen Endzweck noch minder. Folgendes ſtand in dem
Briefchen, ohne uͤberſchrift und Unterzeichnung.
„Ein Mann hoͤrte von einem Schatze, den ein
Geiſt bewache. Zwar war er ſelbſt ſchon begütert
genug; dennoch hing ihm das Herz nach dieſem
neuen Beſitze fo eifrig, daß er beffen theilhaftig
zu werden ſchwur, und ſollte es auch Aufwand und
Müdhe tauſendfach erfordern. Won der Ferne ber
wurden Beſchwörer verfchrieben ; Opfer wurden
dargebracht; der Bewerber felbft umging zu jeder
use 2OR ern
Stunde, bey Tag und Naht, forgfam den |
flimmten Ort. u
"Range wiberftand der Geiſt; endlich warb
nachgibiger: zuletzt beſchied eine dumpfe Stim:
den Suchenden, in naͤchſter Nacht mit dem Schla
zwölf Uhr ſich einzuſtellen. Bis funfzig Minus
vor zwölf hr machte der Wann; dann ward er I
ſchläfrig, fchlief ein, und — verfchlief ten Glock
flag. War Dieß zu verzeihen War eine fo fpı
Nachlaͤſſigkeit nit doppelt firafbar! — Au, |
ex es oft nachher bereur; oft ſechs oder firben M
ternächte hinter einander ji eingeitellt; mand
Morgen wahend entgegen geſchaut. Aber wei
Meue, Wachen, Opfer noch Befbwörung halfe
der Geift kam nicht wieder; nur ein fpottendes €
lächter antwortete zuweilen dem Beſchwörer.
Laffiger, der zwölften Stunde fo Naher:
weißt du dir wohl biefes Mährchen zu deuten?”
Hätte Bonaventuri auch nicht Kaffantra’s n
zum Schein in einigen wenigen Zügen verftellte ,
hundert andern fih mit Fleiß verrathende Handſchr
erkannt, ee würde liber ben Schreiber des Briefes di
Beinen Augenblick zweifelhaft geweſen ſeyn; aber wi
war er zweifelhaft, was bier zu thun oder zu lai
fey. Lange rangen in feinem Innerſten Pfliht und L
denfhaft. Der Sieg flug endlich) dahin aus, wol
er gewöhnlich fih lenkt. Kaſſandra fah den Flüchtli
wieder zu ihren Füßen. Inniger und fanfter |
gleich, ald ehemahls, ſchlangen fih ihre Nege ı
ihn. Aus Furcht ihn abermahls zu verlieren, mit
deritand und Nahchgibigkeit zugleich — — — 2
er 209
diefe Strihe nicht verfteht, dem em follen fie wenige
ftens hier nicht gedeutet werden.
Bald war Bonaventuri’t Gluͤck dem ganzen Hofe
kein Geheimniß mehr; Junker und Damen flüfferten
ſich, was fie vermucheten , mit verftärktem Haß und
Merde von Mund zu Munde zu. Auch daß ed Bianca
nie lange unbekannt bleibe — beforgte man treufid.
Was fie erfuhr, war ihr wenigftens keine unerwartete
Neuigkeit mehr. Schon hatte fie aus dem’ nnfläten
Blick feines Auges „ wenn fie das Ihrige fanft auf ihn
heftete, aus dem Farbenwechſel ſeiner Waͤnge, aus
der innern Unruhe, die zuweilen ein unwillkürlicher
Geufzer lüftete — mehr noch aus der unpaſſenden Hei⸗
terkeit, wozu er ſich ſichtlich zwang und dann nicht ſel⸗
ten die Mittelſtraße uͤberhüpfte, auf Erneuerung ſei⸗
ned Wankelfinnes geſchloſſen; hatte aus Grundfägen
fieber getäufht al8 überzeugt ſeyn wollen. Jetzt, als
man ihr Umitände binterbrachte,, die ſelbſt den klein⸗
ſten Zweifel zeritörten, vernahm fie ſolche mit einer:
Faſſung — ihrer felbft, obſchon nicht einer ſolchen Be⸗
leidigung werth. Ihr Auge blickte mit einer großen,
den Ungetreuen wider Willen verklagenden Thraͤne ge⸗
gen Himmel; ihr Mund erlaubte ſich die wenigen, und
doch fo bedeutungsvollen Worte: Das babe ich nicht
verdient um ihn! .
„Und win es auch künftig nie verdienen !” fügte
fie in nächfter Secunde, noch lindern Tones, hinzu;
und war Heldinn genug, ferner von etwas Anderm zu
ſprechen. Welche Ihränen auch dann vielleicht flogen,
wenn fie allein fih ſah; doch ftand fie wenigftens, fo
oft als Zeugen um fie laufchten, mit ber hohen
Miene eines großen unſchuldig verklagten Mannes
vor bem Richterſtuhl der Welt und ihres, sigenen Her
wen 204 -
zens zugleich; blieb feſt auf dem pied⸗ der Tuger
und ſchlug jede neue Bewerbung ihres fürſtlichen Li
habers ſtandhaft aus. Vergebens fuchte Dieſer 6
durch glanzende Pracht, bald durch reiche Geſchenke
wirken. Vergebens haufte vorzuglih Mondragone V
fuhung auf Verfuchung. Jede noch fo Einftlihe H
terlift bfieb fruchtlos; bey jeder war am Ende ein ı
williger Bli det Sürften, ein bieterer Spott ſei
Gattinn und innerer nagender Verbruß des fürftlid
Aupplere ganzer Lohn. — Ein Lohn, dag ihn db
jeder Mondragone empfinge, und lebenslang behiel
Doch nur allzu ausdauernd ift die Boßheit ei
vollendeten Höflings; nur allzu reich und ül
ſchwenglich ift das Arſenal feiner Sinterliften und
ner Tücken ausgerüftet. Hundert können wereitelt n
den: er bat zum andern Hundert noch gyten Wil
und Kraft genug. — Auch Mondragone ermattete nid
„Wenn dann (dachte er bey fich felbft) nichts, bu
„aus nichts diefe Thörinn von ihrem Pietro fren
„ann, fo wollen wir diefen Pietro feldft ihr raub
„Wenn fie mit fo fübelhafter Treue fogar un eir
„ebebrecherifchen Gatten hängt, wird fie denn aud
„nen Schatten — — Wohlan, meine Tegte M
- „fpringe! Sie macht wenigftens eine Öffnung
„Walls, — und der Stürmende wird fi deren
„bedienen wiiten!”
Etwas raͤthſelhaft Efingt vieleicht diefes Zei
geipräh ; doch was Mondragone fih dabey dachte,
leicht und faßlich genug!
Kaſſandra's Geſchlecht war alt» adelig und fl
Am folzeften unter Alen war Robert Ricci,
Haupt der Familie, und Kaſſandra's Oheim; ein
Mann, nicht ganz vom gemeinen Schlage; ein Mann,
der zwar nicht Ehrfurcht; ; aber auf jeden Fall Bemer⸗ J
kung verdiente. Von Jugend auf, bald bey dieſem,
bald bey jenem kleinen italteniſchen Fürſten in Kriegs⸗
dienſten angeſtellt, und nun — wie er gern von ſich zu
ſagen pflegte, — unter den Waffen ergraut, hatte
ed ſchon frühzeitig das Gluück gehabt, für tapfer zu
gelten, nicht, weil er Heldenthaten gethan, ſondern
. ein Paar unbedeutende Narben im Geſicht davon ges
tragen hatte. Schwelgend im Geheim, fhielte er öfr
fentlich den Haſſer jeder Wolluſt; war nicht reich, und
machte fih oft im Geſpraͤch noch ärmer, als er war, |
um das Selbſtlob einzuweben: zwey Erbſchaften wäs
teh von ibm verfhmaht worden, weil er fih nicht zu
büden wife. Sein rauhes Eriegerifhes Weſen, fein
Eurzgefaßter Ton im Sprechen, feine Sreymürbigkeit,
womit er. zumeilen den Vornehmften im Staat Wahr⸗
beiten fagte, feine Hinwegſetzung über alle höfiſche
Zierlichkeit, machten, daß er bey Allen, die ihn nicht
nahe und lange genug kannten, für einen Biedermann
galt. Aber fein Werth war bloßer Schein; fein
Inneres entſprach nicht ſeiner Form. Auf ernſten Grund⸗
fügen beharrte er nur da, wo Rache, Hochmuth und
Eigennutz es forderten. Dieſem Letztern opferte er
nicht ſelten bie beyden Erſtern auf, wenn es nur mit
einigem Anftande gefchehen Eonnte.
So zum Vepfpiel war Wonaventuri’& Liebe ‚u
feiner Nichte und ehemapligen Mündel, gleich von ih⸗
ver erften Entftebung an, ihm zwar bekannt und —
unangenehm genug gewefen, weil in den Augen des
ähnenftolzen Thoren des fürftlihe Guͤnſtliag, Tretz
-
won 206 wa
feines hohen Poſtens, nur wie ein Mann aus t
Wolke ſich zeigte; fo hatte er wirklich ſchon ein
Mohl auf Kaſſandra's Entfernung, wohl gar auf i
Einfperrung in ein Klofter gedacht; aber die Vorf
lungen feines Sohnes — eben besjenigen Francı
Nicci, deſſen Mondragone fon ein Mahl im (
fpräche mit feiner Gattinn erwähnte — und die Hı
nung, daß doch wohl nord durch diefe Liebfchaft fei
Familie ein weſentlicher Vortheil zu wachſen kön
machten, daß er eine geraume Zeit ſchwieg; 1
wahrſcheinlich hatte er immer geſchwiegen, hätte fi
ftet6 mit einem halblaut gemurmelte Wortchen, hd
ftens mit einem ſchelen Blick gegen Kaffandra begnüͤ
hätte nur Bonaventuri auch Mäßigung genug
habt, um dieſen Seitenblick, den. Robert feinem R
fhuldig war, zm überfeben; oder Klugheit gen:
um bem Stolz; und Eigennug diefes alten Krieg
anderwärts zu ſchmeicheln.
Aber der unvorfihtige Bonaventuri, ber je
Glück feft umklammert zu haben glaubte, weil er
Gunſt des Fürften befaß, — oder vielmehr zu befüi
fbien, hatte nicht einmahl hinlaͤngliche Einſicht,
Blursverwandten feiner Geliebten in feinen Nugen
verwideln, um dann defto ruhiger Tieden zu Eönn
Ohne eine Partey zu ſuchen, die ihn ſchirmen u
. ftügen könne, verfhmähte er fogar diejenige , bie '
ungefuht ihm darboth. — Denn als einft der jur
Franceſco Ricci in einem wichtigen und fihleunig
Geſuch ihn um fein Vorwort anſprach, vergaß er d
Fürſten aufzinvarten, bloß damit er nit ein Stü—
chen fpäter zu feiner Gebietherinn Eomme; ein ande
Mahl war er ſtolz genug, über Signor Robert fe
des Vorrangs dep einer öffentlichen Feyerlichkeit
‚wna 207 den
anzumaßen; und ein drittes Mahl erwieberte er deſſen
ziemlich höflihe Werbeugung mit einem bloßen nach⸗
läffigen Kopfnicken.
Die Farbe des Unwillens flog über Roberts Wan⸗
ge; das Feuer des Zorns glühte in ſeinem Auge.
Montragone bemerkte es, und ſprach heimlih zu fih .
ſelbſt: „Run babe ih ihn!“ — Noch diefen Abend.
fand Ricci auf feinem Tiſche einen Zettel liegen, den
— Niemand hingelegt haben wollte, und auf-welchem
die Worte flanden:
„Leider iſt Kaflantra nit Lucretia; aber Nobert
folte doch Brutus feyn! — Zwar nein! nein! diejer
Brutus ſchlaͤft!“
Einer ſtaͤrkern Anreizung bedurfte es nicht. Robert
nahm nun wirklich die Miene an, die ibm als Haupt
feines Stammes, ald Räder einer beleidigren Ehre
gebührte. Gegen Bekannte und Nichtbefannte entfie
len ibm bittere Ausdräcde Über den Mißbrauch, den
unwürdige Menſchen von fürſtlicher Gnade
machten ; bey jeder Gelegenheit richtete er mit offens
barer Geringſchaͤtzung auf den Günftling felbft fein‘
Auge; und ald Bonaventuri gleichwohl es nicht merkte,
oder nicht merken wollte, da wußte er es gefhidt ges
nug fo einzurichten, daß Bonaventuri einft beym Weg:
geben aus dem fürftlihen Gemach im Vorzimmer uns
ausweichbar auf ihn ſtieß; daß zwar Niemand ganz
in der Nähe, doch aud Verfhiedene nicht fo weit fh
befanden, um nicht aus Geberden und halb verftander
nen Worten auf das Übrige zu fliegen, und hier.xex
bete ev alfo ihn an:
were 208 mom
Mobert Ricei. Vortrefflid, dag mein Tori;
Suchen doch nicht ganz fruchtlos bleibt l Nach Ihne
Signor Pietro, ſah ich geſtern und heute ſchon über
mich um. ie allein, oder wenigſtens Sie am beſte
Eönnen über einen Streit eutſcheiden, d den ich vor
ſtern Ibretwegen hatte.
Bonav. (ka. And der betraf?
Rob. Nichts Größeres, und nichts Geringer:
als die Frage: ob Eie ein geborner Slorentiner war
oder niche ?
Bonav. Allerdings bin ih ein Florentiner v
Geburt.
Rob. Wirklich! Und am Ende wohl gar aus!
Stade felbft 3
Bonäp. Ganz gewiß!
Red. Sonderbar! So hätte ih doch mei
Werte verloren! Kaum hätte ich mir Das gedacht.
Bonav. (etwas vertegen.) Und warum denn kaur
Rob. Weil Sie mir für einen hier geborne
hier erzogenen jungen Dann zu unbekannt mit unfe
alten Geſchlechtern, ihren Sitten und ihrer Denkung
art zu feyn fohienen.
Bonav. (immer seriegener) Wie? Sch Eennte
nicht? .
Robert. Wenigftens bas uralte Gefchlechted
Ricci nicht!
Bonav. Sie ſprechen in. Raͤthſeln! — %
meinen Sie Das?
Rob. Wohl ſich ausgebrädt, Signor Pier
Bonaventuri? Es wird freflih Zeit, hoͤchſte Ze
baf wir endlich wechfelfeitig unfere Meinung uns ı
klaͤren
dere 289 J
Bären. Ich ſchwieg Tangez’aßer bie Ehte Meiner as
milie und die Rechtſchaffenheit, deren ih mich immer
befließ — zwey Güter; Bende mir unendlich theuer® —
zwey Güter, für die ich mein Leben felbit in Gefechten
und in deg- noch weit gefbrlichern Kämpfen der Höfe
niemahls fhonte! — zwingen! mich jetzt zu reden.
Bonav. (eine fafß trotzige Faſſung aunehmend) Mas
haben. @ie denn aber fo mächtig Großes zu reden?
Robert. Kaflandra Bongiani it meine Niger.
Bonav. Dad weiß ic! j
,. Rob. Sie war einit, als Waiſe, ganz meiner
Aufſicht unterworfen.
Bonav. Wer zweifelt daran?
Rob. Und iſt mir noch jetzt in mehr als einem
Betracht Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig.
Bonav. Wirklich? Aus welchem Rechte?
—Rob. Weil. ih dad anerkannte Haupt ‚ihre
Serhleäts bin.
Bonav. Sind Sie Das? (mit äftiem dagetn.)
Nun fo wünſche id Ipnen Glück dazu.
Rob. Und doc ſteht eben dieſe Kaſſandra Bon⸗
giani jegt im Begriff, ſich ſelbſt, ihr Geſchlecht unn
uüns Alle zu beſchimpfen.
Bonav. Cerngen Blids.) Ju beſchimpfen?
Nob. Zu beſchimpfen, ſag' ih‘, und Dieß durch
bie blinde Liebe, die zwiſchen Jonen und ihr obwaltet,
ader wenigſtens obzuwalten ſcheint,
Baonav. (mit außerſter Hitze.) Tod und Hoͤlle!
Veſchimpfung/ Beſchimpfung durch eine Liebe zu mir!
Ha! alter Graukopf, wenn ich hier einen Degen haͤt—
ke, und wenn Dieß nicht fürſtliche Gemaͤcher waren!
Meißners Bianca Gap. 1. THE O
r7 8
an LIO we,
Kot. (dot.) &o würden Sie Anden, daß ai
meine Klinge nicht eingeroftet, daß aud) von ihr
Spitze noch nicht abgebrochen ſey.
Bonapv. (verächtlich lächelnd. Weil Sie wa
fcheinlich, dieſe von jeher treulih fhonten. — A
warum, wenn id) e6 willen darf, ober wenn Sie fel
anders wiffen, was und zu wen Sie fpreden — —
Rob. (kart eintanene.) Zum Signor Bonavent:
fprech’ ih; und von einem Schandfled meines Hau
iſt die Rede!
Bonav. So ſagen Sie mir: warum beſchim
Kaſſandra, die ſonſt fo ſchöne und.fo edle Kaffand
eine Liebe zu mir? zu mir, den Se. Durchlaucht fei
ihrer vorzügfichften Gnade würdigen ?
Rob. Gnade des Zürften, fo fehr fie auch ch
gibt doch den Vorfahren des Begnabigten befhalb |
nen Tropfen edlern Blut. Ein olter Gelbat, ı
ich, beugt fi vor Gottheiten nicht, die nur die Lar
eines Höhern einige Tage hindurch auf den Altar
hebt, und dann vielleicht auf immer zertrümnsert.
fennen nur zweyerley echten Adel: den geerbten, o
den turd Narben und Verdienſt erworbenen. Se
geſchenkte, geſchenkt aus fürſtlicher Nachſicht, gıle ı
am fürſtlichen Hofe, in Vorgemaͤchern und ‚bey ©
mäblern; aber nicht in der Verſchwoͤgerung.
Bonav. Ob Sie nit Luft härten, dieſet tr
ſiche Theorie zu Papiere zu bringen?
Rob. Das mögen Andere thun, deren gan
Verdienft böchſtens ın ber Feder beftehen ann!
bin gewohnt Wahrheit zu ſprechen, und den Beim
wen 211 res
(er melner Worte mit Blut, nicht mit Dinte zu wis
Derlegen. — Aber felbit wenn jened ewig unaßänter:
libe Ainderniß des edlen Blutes bier nich⸗ vordanden
waäre; wie Eönnte aud dann nod ein⸗ Vetſchwagerung
zwiſchen Bonaventuri und Ricci nur denkdar ſeyn, a -
Sie ſchon der Gemahl einer ſchönen würdigen Gasınn -
find? — Und Kaffandra vielleicht bloß Geliedte neben⸗
bey? Ha, verdammt fey derjenige Riccı, verdammt
zur unterften Hölle, der auf jeiner enıfernteiten Ver⸗
wandtinn biefe Schande ſitzen ließe! — Hier haben
Sie mein Bekenntniß! Sch hofte, Ste werden - fid
darnach richten.
, Bonan. Ridten, ich bürge dakur, daß Ihnen das
Ohr wiebertönen, und das Herz erbeben foll!- Zenn
Die, Signer Robert, ift mein Gegenbekenntniß. —
Sch bethe Kaffandra an, und werde ed thun, fo lange
ic) athme. Oft babe ih fie heſucht; nod aͤfter werde
ich es künftig thun; und biethe Ihnen T Trotz hierdurch,
mich daran zu hindern. Kaſſandra's Vormund waren
Sie ehemahls? O ja, ich weiß es recht wohl, und auch
fie weiß es noch allzu gut; deun ſie empfindet es an
der Abnahme ihres Vermögens. Dabet Signor Kos
berts Wunſch/, eine Bekanntſchaft zu trennen, die ehe⸗
mahligen ungerechten Haushaltern ſchädlich werden
Ednnte; denn wahrscheinlich fürchter er, was fonft kaum
geſchehen waͤre, aber nun ganz gewiß geſchehen wird
— abgeforderte Rechenſchaft. Zu feinem Nagtheil,
ich ſtehe ihm dafür, fol er nun eriahren, dafı -3 ibm
Pfliggt geweſen fey, von Kaſſandra's Gütern- räuberifhe
‚Hände zurüc zu haften; fol erfahren, unter weiten
&ichuß? fie ſteht! (enttkernt ſich ſchnell.)
O 2
wa 212 ren
Rob. Tod und Verderben! Darf ich meinen L
ven trauen? Er droht mie noth! — Er mir! — €
dem vor zehn Monarhen noch eine Kammerdien
Stelle bey mir ein neidenswerthed Glück geſchien
baben würde! Mix, vor bem er fi büden follte, we
er anders feinen Weg fortzumandeln gedähte? — H
bey Himmel und Hölle, es fol dem Leder fo ungen:
fen nicht ausgeben! Er fol bald fehen, ob ich wahr |
fprochen habe, als ich verfiherte : daß manche Gewel
‚gegen ibn ihre Spigen nicht verloren'pätten! (Berniga
Das Geruͤcht von dieſem Streite durchlief 6
den ganzen Hof. Keiner zweifelte, daß die Fami
Ricci, die eine große Anzahl von kühnen Züngling
und erfahrenen Männern in fich faßte, eine ſolche 2
Teidigung, ihrem Oberhaupte zugefügt, und einen |
chen befchimpfenden Umgang mit einer ihrer Nicht
Öffentlich eingeflanden, nicht ungeraͤcht laſſen wür
Bianca felbft, ald fie es erfuhr (und Mondragone fo
te weislich Dafür, daß ſte es bald erfahren mußte) fü
te mehr Sorgfalt für den Unvorfihtigen, als Schm
über ihre eigene Schmach. Ahr hoher Beift vermo«
ed nicht, fih ned ein Mahl zu münt!ihen Vorſ
lungen und Bitten berabzulaffen; aber fie that ed
verfhiedenen Mahlen duch Briefe, die einen
Minuten lang dauernden Eindrud auf ihn macht
einen Eindrud, den Kaffandra’s Eleinfter Blick,
flüchtigſte Zeile ihrer Hand, ſogleich wieder verlöfd
Aber eine Wirkung hatten die Bitten und X
nungen Bianca's doch auf ihn; diefe, daß er won ı
\ *
mr 213 ron Bu
an feine nächtlichen Beſuche bey Kaſſandro mit mehr
Worſicht anſtellte. Einer feiner tägl; Tiſchfreunde,
Nicolaus Bilocchi, ein Kerl, ſtets das Wort
Her, im Munde, und dafür, nach gewöhnlichen
Laufe ber Narur, keines ım Bufen hatte, mußte
ihn gewaffnet begleiten ; ein deutſcher Miethſoldat
folgte ihnen Beyden von Weitem. Bonaventuri ſelbſt
verfah fih mit Rüftung und Gewehr, und fein anges
borner Muth machte, daß er nad einer ſolchen Vers
faſſung zu einer jeden Stunde der Nacht ſich hinläng⸗
lich ſicher achtete.
Der Unglückliche! Er wußte nicht, daß eben der
Elende, den er an feiner Tafel nährte — daß Bir
locchi fein gefährlichfter Feind, ein Söldner bes Nicci
und Mondragone zugleih, und im eigentlichften Vers
flande Betrieger gegen alle Drey fey.
In Geſellſchaft diefer feiner beyden Miethlinge
kehrte Bonaventuri einfk, in einer Auguſt⸗Mitternacht,
von der Liebe Schwelgereyen beim. Es war eine der
ſchoͤnſten Sommernädte; der heiterfte Himmel; Eein
Wölfen, das den Eleinften &tern bedeckte; kühle
wehende Lüfte; Stille weis umher. Ach, wie fröhlich
"über genoffene Wergnügungen, wie voll Hoff⸗
nung von bald zu wiederhbohlenden, ging der
Arme feinen Tegren Gang! Sie kamen zu der Drey⸗
einigkeit6- Brüde. Pioting! fholl eine Srimme
dumpf vom jenfeitigen Ufer! Piotina! Elang +8 vom
diepfeitigen Andern in einem graͤßlichen Bafle wieder.
Unfere drey Wanderer ftugten, horchten betreten, ſa⸗
ben noch betretener fich unter einander an.
ans un Dec}
en DI we
Bonav. (um Birscht.) Was ıft Das! Was ı
biefer unverſtändliche Ruf bedeuten?
Bilocchi tik sera € Zaſſund.) Sch bo
nichts.
Der Deutſthe (den Reif f@ütteind.) Und
fürchte: viel, ſehr viel. — - Hoch, gar! Hört
nichis!
Bonav. Aldwie ein Laufen.
Der-Deutfhe. Oder vielmehr, als wie
Kommen — Ha! dachte ich's nicht? Seht ı
mahl die Menge Feinde , die von dorther auf ung |
ftürzen.
Bilocchi. Müffen denn diefe Menſchen e
Feinde ſeyn?
Der Deutſche. Ihte blinkenden Waffen |
gen es! u
Bonav. (feinen Degen ziebend und den Mantel zu
werfend.) Nun, wenn es denn gelten foll, und gel
muß, fo gilt es Blut. Vor allen Dingen ken Rüd
frey gehalten! — Stellt euch ſo, meine Freunt
‚ (Indem er mit dem Degen ihnen ein ‘Paar. Stellen bezeichn
Bilochi (tiefe) Ey ja! fechten für dich? D
wäre mir rede! (Saut.) Um Verzeihung, ich ba
es fürs Beite, wenn ih mich fo ſtelle. (Enificht.)
Bonav. Ha, ber Nichtswürdige! (mit mei
baftem Vlick auf den Zw:nten.) Aber. du?
Der De urſch € (mit gezogenem Degen.) Ich |
ein Deutfcher !
(Seh Hi fleben Kerlo umriugen fie in einem Hat
ra 815 u
Ziekel und in einiger Entfernung. Der Anführer trite
einen Saritt ‘hervor und ruft;) .
Bandit Weg von bier, wer nicht Pietro Vo⸗
napenturi iftl Nur mit ihm haben wir zu thun. '
Der Deutfde Und mit mir! Hört es an
meiner Ausfprace „daß ich Eein Welſcher und kein
Weib bin! (Gr ſturzt auf den Anführer 108, der fig azurück
gieht.)
Einer. Bund. Noch ein Mahl, Brempfing,
entferne dich !
mörder |
Sonav, Begehrt ihr Boͤrſen, Singe ober ans
bere Koftbarkeiten ? | -
Der Anf. (Bitter tadend.) Erz von Werte!
Dein Leben begehren wir. .. \ \
- Bone». Nun, fo folt ihr denn weber Diefes
nach Jenes haben !. (Sie dringen wüthend auf die Banditen
sin, um Hd durchzuſchlagen⸗ und verwunden Einige.)
Einer d. Band. Brav, KRaufmannsdiener,
baft du-auch Fechten ſo gut als ſchmarozen gelernt?
Bonan. Da fühle ed, Bandit! (Nam Ihm Hauend
and treffend.) - ot |
Der Deutfhe, (indem er vom Stoß eines dieſer
Banditen fintt.) Ha, es ift dir gelungen, Boͤſewicht!
— Gott! (Riche.)
Einige db. Band. Und bad fol uns noch mehr.
delingen }
Bonav. Go. fahre benn wohl, Hoffnung! und
Der Deutſch 2 Entfernt euch ſelbſt, Dede:
dus Verzweifelung, ftärke mid) ! (Er Idlägt Ach dur
sur (ide eines Baß Sens, zwey neue Böltwidter vertreten
‚den Wera.) Ha! auch da alfo nur Degenfpigen und
Zod? ı& wendet fi gegen Die andere Belle, auch bief
beſent. Ochändliche, feige Mörder! Zu Dygenden Eon
ihr gegen einen einzelnen Mann? So verfudt bi
— (ein geroorfener Doich trifft Ihn son dinten in die Inte
fehle; er autt aufs Rule.) Jeſus Maria!
„anf d. Band, (Herten eitend.) Liegſt bu end
— Wahrlich, Burfch ‚du biſt fo brav, daß
* Aber freylich, ſterben mußt du nun |
„Bonav. Wenigſtens will ich es nicht, ol
mid an dır gerächt zu haben. (Jadem er alle feine Ke—
famnıelt, noch ein Maͤhl fi aufrafft , und das Haupt
Banditen fpaitet.) Gelungen! — Ha! — (Ge Kürit u
aus Ermattung, theils durch neue Streiche un Soden.) D!
O! — (Bie zerfleifhen ihn.)
Einervon ihnen (indem er ſich vorbränge ı
die Übrigen zurüc sa.) Zurück, zurück nun! Er |
genug und Üübergenug! Ihn zu tödten, nicht ihn
viertheilen, war unfer Öefhäft. — Saht ihr wo
baf er von meinem Streiche zuſammenſtürzte,
er eben, brav'wie eine ehwe ‚ unfern bisherigen ?
führer tödtete ?
Alle. Mir ſahen es!
Der Vorige. Und wer ſoll nun euer Anfuͤb
ſeyn? Wahlt hier auf der Wahlſtatt!
Alle, Sey du es!
Einige. Sey's würdig!
Andere Sey's glücklich!
nr. 217 EV
Alle. Sey's würdig'und glüͤcklich!
Der neue Anf Ib will das Erſtere, und.
hoffe das Zweyte. — Auch bin ih zu gutem Glück
mit dem Umfange des ganzen Geſchäfts bekannt, zu
dem unfer bisheriges Oberhaupt heute uns ausführte.
Es beitand im Morde, von zwey Drenfihen , oder,’
wenn ihr Tieber wollt, von anderthalben; eines Mans
nes und eines Weibes. Der Mann ruht bereits; das
Weib ift noch übrig. — Eilt, du Marco und du
Srancesco! Eilt zur Wohnung Kaffandra’s! Sie ift
ſchön und jung. Wäre fie aber auch Beydes noch zwey⸗
fach mehr, fie darf die Sonne nicht aufgehen fehen.
— Eilt zu ihrer Wohnung! Ein Bedienter ihres
Dheimd wird dort euer warten, und euch die Thür
ihres. Haufes und ihres Vorſaals öffnen, — Weckt
fie zu einem Waterunfer, und dann zum Tode! —
Wenn Kammerweiber wahen und Ereifhen , laßt fe,
und befudelt eure Dolce nicht! —
Marco, un Franc, Wir danken deinem Ver⸗
trauen, obſchon die Ermordung eines Helden uns will⸗
kommener waͤre, als eines Weibes!
Anf. Kleinigkeiten fangen an; große Thaten
enden. Eilt! Bey Cosmus Statue finden wir uns wie⸗
der, . — (34 einem, der fih herab auf Vonaventuri's Seich⸗
nam Side) Schaͤme dich, Kerl! Ich ‚glaube gar, du
willſt plundern? uͤberlaß Das dem erſten ehrlichen Bür⸗
ger, der ihn in ſeinem Blute findet, und Hülfe!
Mörder! und Wundärzte ſchreyt! Fort, Burſche!
(Ae 062
un 2ıB vom
Raffandra's Schlafgemach.
Kaſſandra (ſchtafend) Francesco, Marco
(herein tretend.)
Sranc. Reife! Leife! bier iſt fie.
Marco. Bey meiner armen Seele! ein ſchoͤ
Weib! Die Unfrigen find wahre Seefpinnen ba
gen. Sieh einmahl den Bufen, die Hüften, bie
Fleiſch!
Franc. Haft recht. Schön! recht ſchoͤn J
Marco. Du! Wie wäre es wohl, wenn ı
ihrer — — —
Franc. Schonten etwa Memme!
Marco. Nicht doch, Gensßen vorhe
meine ich. |
Franc. Pfui, Burſche! Hieße Das ehrlich
handelt? Sie umzubringen, nice fie zu fh
den, warb uns von unferm Befehlshaber aufgetrag
Marco. Bon ihm freylih, dem bu, wie
merke, fogar ın der Sprache nachahmſt. Aber we
erführe er e6, wenn wir des Guten noch mehr,
er befohlen bat, thäten?
Franc. Pfui, Marco! Wort muß man ha
in der Welt, fag’ ih dir, wenn man als sin bre
Kerl fein Handwerk treiben will.
Marco. &o laß uns wenigftens die Schme
ihr erſparen; laß uns ihr f Hlafend ben Dolch
Herz flogen!
Branc. Auch Dieß wahrlih nit! Denn
-
r , , \
sea 29.
bieße allzu tädifh in jene Welt he befördern. Der
Schritt, den fie thun muß, iſt viel zu wichtig, alt
nicht wachend gerhan werden zu müſſen.
Marc, Franceſco, Das kann dein Ernſt nicht
ſeyn; und doch ſchaudert mir vor ſolchem Scherze.
Franc. Wenigſtens iſt Das mein Ernſt, daß un⸗
ſer Hauptmann ſie erſt zu wecken und dann zu morden
befahl, und daß den Befehlen des Hauptmanns woͤrt⸗
lich nachgelebt werden muß. Immer merkt man dir's
doch an, daß du dein Gewerbe nicht von lange her
treibſt. (Sie ziemlich unſanft angreifend.) Kaſſandra!
K aff. Crſchroden aufwachend.) Was — (och erſchro⸗
dener bey dielem Anblid.) Allmachtiger Sort! Wo komme
ihr her! Und wer feyb ihr?
Sranc, Bothen find wir, die die fagen follen,
daß es hohe Zeit für dich fey, die Welt zu vellafſen.
Kaff. DO Erbarmen! Forderz, was ihre haben
wollt; nur font meines Lebens! — Erbarmen! Ers
barmen !
Franc. Das ſuche vw Gott! Wie werlgen
haben nur Eiſen für bi. ‚
Kaff. Ihr wißt, daß mein n Obeim ein angeſehe⸗
ner Mann. —
Franc, Wir wien, daß eben Der uns herſchickt.
*
Kaff. Er O ſchandlich! und Bonaventuri?
kennt ihr ihn?
SFranc. Kennft du fein SIut% Hier ſiehſt du
noch Spuren davon; (Auf Zlede an feinem Gewand zeigend.)
Kaſſ. O bey den, Wunden Deffen, der am
Kreuze —
‚wa 9220 won
Franc. (fpottend.) Sorge nit! Du ſelbſt fo
der Wunden: bald zur Oenüge haben. Bethe ein X
terunfer,, und dann flirb! Bethe fogleih, und wi
Bein Wort weiter Dagegen! (Eine ſHauderhafte Paufe von
nigen Seeunden, worin fie, die ſich gu Feiner Sylbe erküb
ſiehentlich Ihre Hände gegen Beyde ausſtreckt; Marco IR gerü
Zranceico nicht.) |
Sranc. Biſt bu nun fertig mit deinem Gebe
Kaff. O feyd barmherzig, wie Eönnte ich im |
fer Lage —
Srane Nun fo fhalte dann, auch ohne (
betb, der Himmel, wie er will, über dich! D
Stuͤndlein ift da! (Ge durchſticht ihre linfe Brum wit |
Dolce.)
Kaff. (in Todesangk ſich windend.) Heilige Mu
Sottesl —
Franc, Und du thuft nichts dabey, Marco!
Brav, Der traf das Herz! Sieb, wie ſchnell nun
fed Zuden ins Erſtarren fih verkehrt! — Wahl
Das find doch elende Wichte, die vor einem To En:
Leiden oft Zahre lang fi fürchten! — Komm]
haben gethan, was uns oblag. (a6.
x
al
Leblos, in feinem Blute gebadet, Tag indeß
unglüdlihe Bonaventuri, auf einfamer Straße hi
ſtreckt. Doch verharsts diefer Letztere nicht allzu la
einfum. Das Getümmel des Kampfes, das Kli
der Degen, hatte einige von den Nabewohnenden
wedt. Zwar getraute fih Anfangs, aus Beſor
men BIE vun
eigener Gefahr, Niemand hervor zu kommen, und nad -
zufeben, was bier vorgehe? Doch ald ed nun eine ziem⸗
Iıhe Weile wieder ftille geworden war, da fchlichen
Diefe und Jene aus ihren Häufern leiſe hervor; fahen
das ſchreckliche, obfhon in Welfhland nicht fo gar uns
gewöhnliche Shaufpiel; und unterſuchten genauer:
wer tenn eigentlich der bier Geopferte ſey?
Leiche und bald ward Bonaventuri's Antlitz er⸗
Eannt. Der hohe Poſten, den er im Staat und in der
Sunft des Fürſten bekteidete, veritärkte das Erſtaunen,
und aud die Sorgfalt, mit weiber man ihn behan⸗
deite; und da man Troß der fiebzehn Wunden, mit
welchen die Mörder ihn durchbohrt hatten , doc) noch
einige ſchwache Überrefte von zurückgebliebenem, oder
vielmehr zurückehrendem Leben in ibm zu. bemerken
glaubte , fo eilte man forgfältig, ihn nach feiner Be:
baufung zu bringen.
Es war, als Dieb geſchah, wenigftens noch eine
Stunde weit bis zur Morgendämmerung. Doc befand.
fih fo eben Branca ſchlaflos auf ihrem Lager ; dachte
wahrſcheinlich gerade an ihn, der fie fo unzaͤrtlich als
lein ließ; da vernahm fie das Gerauſch von Kommens
den, dos Klopfen am Hausthor, das Öffnen ‚besfeße
ben, die Unruhe, die ſogleich in allen Winkeln des Paßs
laſtes ſich verbreitete. Ein ahnendes Gefühl fogte ihr,
dag etwas Wichtiges, und zwar etwas Trauriges vor⸗
gebe. Sie ſchellte; eine ifrer Kommerfrauen kam,
bleich, zitternd, entftellt, dee Sprache unfähig. Auch
bedurfte Bianca ihrer Worte nicht. Sie ſprang empor
vom Lager, flog heraus, erblickte ihn, oder feinen
Ldeichnam vielmehr, den man die Gtiege heraufteug⸗
. #
sen 232 won
Bott, welch' ein Anbtick fiir Bianca’ N flüblbares
Herz! Ach — ihren Todfeind' felbit würde bie Milde
mit Schmerz und Mitleid, mit ähtem Betauern er⸗
blickt baben, haͤtte man fo ihm gebracht. Doch ihn,
den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe,
Troß feiner Treuloſigkeit, gefiebt! Ihn, dem fie ſo
viel einft aufgeopfert hatte, fo viel noch jetzt aufzu⸗
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritte nie ihr Herz
entfremdet, doch wohl zerriſſen hatten; ihn, deſſen
Abtruͤnnigkeit fie erſt vor wenigen Minuten beweinte/
"ohne zu wiſſen, daß er ſchon dafür geſtraft ſey —
nein! nein! keine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗
bern, was fie empfand! Keine Engelsſtimme -vermag
aus zuſorechen, wie unermeßlich theuer dieſer Gemsr⸗
dete jetzt ihr ward! ..
Bald Eamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗
turi's Wunden, und — zuckten mitleidig die Achſein.
Ibr Ursheil war: ohne Rettung! Mit einer Einſtim⸗
migkeit, die bey den Herren diejer Kunft wahrlich nue
höchſt ſelten ſich finder, veriüherten fie : „Es fen äußerfk
„ungemiß, ob aud die Eräftigiten Mittel ihn wieder
„anf einge Minuten nur zum Leben und Bewußtſeyn
„bringen würden. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß
„dann dieſe Rückkebr ins Leben nur eine Beine unbe⸗
„deutende Friſt dauern Eönnte.” |
„O nehme Alles bin, was ich habe und befiße, rief
Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur
macht, daß wenigftend nod ein Madl fein Auge mich
anblicke, wenigſtens ein Wort noch aus ſeinem Munde
mich tröſte!
Sie thaten wirklich, was fie nut Eonnten ; de
-
wa 228 rem
Bianca’s jammerndes Geſchrey, ihr unablaͤſſiges, aͤngſt⸗
liches Rufen wirkte vielleicht noch ſtaͤrker, als alle Kunſt
der Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein
Herz fammelse noch ein Mahl alles Blut, da von den:
jerriffenen Lebensgefüßen ihm ubrig war. Sein ge«
ſchloſſenes Auge daͤmmerte, ging auf, fah das Licht;
und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl,"
nicht des Lebens ſowohl, ald — des Leidens.’ Bianca
fiteß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine
trampfende Hand, | |
Bonar. (fh windend, und nad einem tiefen Geufzer.)
Hal iſt's möglih! — Gütiger Heiland! — Sch lebe
nos? — D wer — wer wedt mih zu — neuen.
Schmerzen?!
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! mein
Leben!
Bonav. Auch du dat — Wo bin ih? — Auf |
du ° — Vergib mir? Laß mit meinem Tode auch meine
Schuld! —
Bianca. O feine — Keine Sqhulb! Daß ich
ſterben könnte für dich“
Bonav. Nein, Bianca, .niht du! — nice
feymerzlier den Abſchied — Gott, mein Herz! —
nice fehmerzlicher den Abſchied noch — durch diefes
Üdermag von Tugend! — Deine Verzeibung nur —
böchftend deine Vorbirte, du Heilige! — (Budungen.)
Bott! Mutter Gottes! Mein Herz — die Gluth in
ibm — (Bein Haupt erhebend.) Btanca, noch dieſen blus
tigen Abſchiedskuß! — (int zurüd.) Und nun lebe wohl!
Le — (Reue Sudungen ı die ihn weiter zu ſprechen hindern.)
Zeus, Maria! Wergib ! — Er Airtn..
Bianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) Ni
Mich mit dir! (Man reißt Me 10, fie ſinet ohnmächtige
ind romm erfi nd einer fangen Werte wieder ju fi.) We
er? wo? — Ha! hier! Hier fo kalt und ſtarr!
(um Wundarie.) Alfo ganz todt, Signor? ganz?
Wund. (die Hafer zudend.) Ich bedaure.
Bianca (feine Hand ergreifend.) Bonaventuri! %
haventuri! Ganz tobt! ganz! — Go früh gern
und fo blutig! — So blutig und fo ſchaͤndlich (
ſchweizt einige Mugenblide, und wendet ſich haſtig gu einer
rer Rammsrfrauen.) Wo er jet feyn mag? '
Rammerf. Wert |
Bianca. Bonaventuri! Dod nicht diefer Lei
nam bier! der eigentliche Bonaventuri?
Rammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Wunder
Guter Sort, fie wird doch nicht —.,
und. Wohl möglich! Ein ſolches Schrecken
Bıanca (mit fhmerzhaftem Lacheln.) Seyd ruhi
und fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; we
was ich ſage! — — Wo er jetzt ſeyn mag, dieſer
früb entſflohene Geiſt ? Das fragte ich. — (Mit encſch
fenem Tone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entfern
oder noch uns umfthwebend, wenn er noch hören kar
fo höre er! Höre es aus dem Drte feiner Prüf
oder Vollentung! Ich will aufbiethen, was ich Fan
aufbierhen ,„ was «in Weib vermag, um fein
Schatten Genugthuung, feinem blurigen Tode Ka
zu verfbaffen; und endlofe Qual fey men Loo
Schmach werde men Nahme, wenn je ein Ma
such nur eines freundlichen Blickes von mir fi ri
men
WE
won 225 mm
men kann; er fey denn Bonaventuri’s Räder und
der meinige!
indem fie Dieß fagte, ichtete fi e f ch hoch empor;
fand, wiſchte die Thränen ſich güs dem Auge; und ſah
dann mit kaltem, ſtarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗
nam hinab. — „Sid haben Recht, Doctor! er if
tod!” — Stumm haftete nun ihre Auge ungefähr
drey Minuten auf ihn. Eine feyerliche Paufe; erfhür=
ternder für alle Anwefende, als des Affects rührendſte
Rede. — So aͤngſtlich harrt ein Land, das des Erdbe⸗
bens fürchterlicher Geißel unterworfen iſt, wenn ein
dumpfes unterirdiſches Getöfe den nahen Erdſtoß vers
Fündet; einen Erdſtoß, der vielleicht: im nächſten Mu
Städte verwüften und weite Striche Landes umbkeh⸗ J
ren wird.
Sie irrten! — Bianca, die heldenmüthige Bianca
dog fi bloß herab und tußte den eiskalten Mund des
Gemahls.
„Ich darf Das! rief ſie: ich darf Das! denn ich
„bin rein an ſeinem Tode, rein an ſeinem Blute, und
„der Himmel kennt die Wahrheit meines Anerbiethens,
„mit Freuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu
—* ſtatt ſeiner, wenn er auflebte dadurch. — Aber
„damit ſtets dieſes Gefühl Bleibe, wie es jegt iſt, —
„verzeib, blutiger Leichnam, id muß did berau⸗
„ben!” — GSie ſchneidet die größte Lode am Nacken, über und
Über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warft einft braun und
„ſeiden; oft babe ich fonft mit Dir gefpielt. Jetzt fpiele
„ich nicht mehr. Das Blur bat beine Farbe verändert,
„bat did ſtarr gemacht. Sey ‚mein Armband! Aber
Meifners Bianca Cap. 1. Thl.
x.
— —ñ
„keine Thräne jet ab auf dich, : fe
„Blut von dir nit « m
.r, Nod ein Mahl n, und wandte fi
gen ihr Gemach. Ihre Fr tterflügten fie. — „
„tann allein gehen, fagte : dh habe Kräfte geni
„und bedarf noch der Kräfte Eünftig.” — Man beg
tete ‚fie ins Gemad. Ebe fie über deſſen Schw
ſchritt, wandte fie fi abermals zegen Bonaventu
Leichnam. — „Du erwiederft es freylich nicht me
„nenn ich noch einen Kuß dir jumerfe; aber dort o
„ſiehſt du es vielleicht? Nimm ihn an, Geopferi
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu raͤchen
»Gemaptt" BR
Man bath fie, fi wieder auf ihr Lager zu be
ben. — „Meint ihr vieleicht, erwiederte fie mit ein
® „ihmerzhaften, faſt bitteren Laͤcheln, daß es nun
„raum genug für mic geworden fen? Ruhe werde
„doch dort und hier nit finten follen?” — Stut
ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine St
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer ı
ihr Auge auf jene blutige Locke gehefter. Man mu
fie ihr wirklich zu einem Armbande fledhren, .Ein ı
ſchloſſener Schmerz arbeitete in ihrem Bufen; Ele
Bewegungen des Mundes verrierhen zuweilen, |
fie mit ſich ſelbſt ſpreche.
So verging dieſer ? Zag. Als man ge,
Abend feinen Leichnam aus d_ Pallaite hinwegeri
um ihn ineinerCapelle beyzi ‚merkte fie eögat wi
doch begehrte fie nicht hn zu fehen. — „
„wird dort, ſprach fie, marten, und hoff
„lich nicht allzu lange. Andblicks hienieden,
. — 327 mm
„nes Anblicks am heutigen Morgen vergefie ich ohne⸗
„dieß nie.” Unbegreicich fhien diefe Faſſung und biefe.
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca’s eben ſo ſanf⸗
ten, als feften Charakter niche zu fehägen, nicht zu
verftehen vermochten. Alle ihre Frauen und Hausge⸗
noffen waren beforgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗
hielt, aushielt einen Kampf, wie gewiß noch wenige
Helden ihn Eampften. |
WERNER NANNUNINIERONENNCUNIECEREERE NEE A
Wien,
gedrudt bey Anton Etraußs
u GZ30 wen
Franc. (pettend.) Sorge nit! Du felbft fo
der Wunden: bald zur Genüge haben. Bethe ein 1
terunfer, und dann flirb! Bethe fogleih, und w.
Bein Wort weiter dagegen! (@ine ſchauderhafte Pauſe von
nigen Gesunden, worin fie, bie ſich gu feiner Sylbe erküb
ſedentlich Ihre Hände gegen Beyde ausſtreckt; Marco iſt gerü
Sranceico nicht.)
Sranc. Biſt du nun fertig mit deinem Gebe:
Kaff. O feyd barmperzig, wie Eönnte ich in
fer lage — —⸗— |
Brane Nun fo fhalte dann, auch ohne (
betb, der Himmel, wie er will, über dich! D
Stündlein ift da! (Gr durchſticht ihre linfe Beuſt mit
Dolce.)
Kaſſ. (in Todesangf fi windend.) Heilige Mut
Gottes! —
Franc, Und du thuſt nichts dabey, Marco!
Brav, Der traf das Herz! Sieh, wie ſchnell nun
fe8 Zuden ins Erftarren fih verkehrt! — Wahıl
Das find doc elende Wichte, die vor einem fo Er
Leiden oft Zahre lang fi fürdten! — Komm |‘
haben gethan, was und oblag. (46.
DT — —
Leblos, in ſeinem Blute gebadet, lag indeß
unglückliche Bonaventuri, auf einſamer Straße hi
ſtreckt. Doc verharete dieſer Letztere nicht allzu le
einſam. Das Getümmel des Kampfes, das Kli
der Degen, hatte einige von den Nahewahnenden
wet. Zwar getraute fih Anfangs, aus Beſor
men BGE von
eigener Öefahr, Niemand hervor zu kommen, und nach⸗
zuſehen, was bier vorgehe? Doch als es nun eine ziem⸗
liche Weile wieder ſtille geworden war, da ſchlichen
Dieſe und Jene aus ihren Haͤuſern leiſe hervor; ſahen
das ſchreckliche, obſchon in Welſchland nicht ſo gar un⸗
gewohnliche Schauſpiel; und unterſuchten genauer:
wer denn eigenilich der hier Geopferte ſey?
Leicht und bald ward Bonaventuri's Antlitz er⸗
kannt. Der hohe Poſten, den er im Staat und in dev
Gunſt des Fürſten befteidete, verſtaͤrkte das Erſtaunen,
und auch die Sorgfalt, mit welcher man ibn behan⸗
delte; und da man Trog der fiebzehn Wunden, mit
welden die Mörder ihn durchbohrt hatten , doch noch
einige ſchwache Überrefte von zuruͤckgebliebenem, ober
vielmehr zurückehrendem Leben in ibm zu. bemerken
glaubte, fo eilte man forgfältig,, ihn nach feiner Be:
baufung zu bringen.
Es war, als Dieb geſchah, wenigftens noch eine
Stunde weit bis zur Morgendämmerung. Doc befand.
fi) fo eben Bianca ſchlaflos auf ihrem Lager ; dachte
wahrfcheinlich gerade an ihn, der fie fo ungärtlich als
lein ließ; da vernahm fle das Geraufc von Kommens
den, dos Klopfen am Hausthor, das Öffnen desſeß⸗
ben, die Unruhe, die ſogleich in allen Winkeln des Pal⸗
faftes ſich verbreitete. Ein ahnendes Gefühl fagte ihr,
daß etwas Wichtiges, und zwar etwas Trauriges vor⸗
gebe. Sie ſchellte; eine ihrer Kammerfrauen kam,
Veh, zitternd, entſtellt, der Sprache unfähig. Auch
bedurfte Bianca ihrer Worte nicht. Sie ſprang empor
vom Lager, flog heraus, erblickte ihn, oder feinen
Leichnam vielmehr, den man bie Stiege heraufteug⸗
“nen 222 men
Bott, welch' ein Anbti für Bianca's füͤhlbares
Herz! Ah — ihren Todfeind“ felbit würde Lie Milde
mit Schmerz und Mitled, mit ähtem Betauern er⸗
blickt haben, hätte man fo ihm gebracht. Doc ikn,
den geliebten Senrahl! Noch immer mit heißer Liebe,
Trotz feiner Treulojigkeit, geliebt! Ihn, dem fie ſo
viel einft abfgeopfert hatte, fo viel noch jeßt aufzu⸗
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritie nie ihr Herz
entfremdet, doch wohl zerriffen hatten; ihn, beffen
Abtruͤnnigkeit fie erft vor wenigen Minuten beweinte,
"ohne zu wiflen, baß er ſchon dafiir gefiraft ſey —
ntin! nein! Eeine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗
dern, was fie empfand! Keine Engelsftimme -vermag'
auszuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemor⸗
dete jeßt ihr ward ! .
Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗
turi's Wunden, und — zuckten mitfeidig bie Achſein.
hr Urtheil war: ohne Rettung! Mir einer Einitims
migkeit, die bey den Herren diejer Kunſi wahrlich nur
höchſt ſelten fich finter, verfüherten fie : „Es ſey äußerft
„ungewiß, ob aud die Eräftigiten Mittel ihn wieder
„auf einige Minuten nur zum Leben und Bewußitfeon
„bringen mwürten. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß
„dann diefe Rückkebr ıns Leben nur eine kieine under
g„deutende Friſt dauern Eönnte.” |
„O nehme Alles bin, mas ich babe und befiße, rief
Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur
macht, daf wenigftend nod ein Mabl fein Auge mich
anblicke, wenigſtens ein Wort noch aus ſeinem Munde
mich tröſte!
Sie thaten wirklich, was ſie nut konnten; bey
6
—E 223 —*——
Bianca’ 8 jammerndes Geſchrey, ihr unablaſſiges, angſt⸗
liches Rufen wirkte vielleicht noch ftarker, als alle Kunſt
Ades Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein
Herz ſammelte noch ein Mahl alles Blur, das von den:
zerriſſenen Lebensgefäßen ihm ubrig war. Sein ge«
ſchloſſenesß Auge dämmerte, ging auf, ſah das Licht;
und fein dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl,
nicht des Lebens ſowohl, als — des Leidens. Bianca
ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine
krampfende Hand. | |
Bonar. (fc windend, und nach einem tiefen Geufjer.)
Sal iſt's möglich! — Gütiger Heiland! — Sch lebe
Koh? — D wer — wer weit mid) zu — neuen
Schmerzen?!
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein
Leben! |
Bonan. Auch du da? — Wo bin ich? — Kuh
u ?— Vergib mir? Laß mit meinem Tode aud) meine
Schuld! —
Bianca. O keine — keine Sqhulb! Daß ich
ſterben könnte für dich!
Bonav. Mein, Bianca, nicht du! — nicht
ſchmerzlicher den Abſchied — Gott, mein Herz! —
nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch — durch dieſes
uͤbermaß von Tugend! — Deine Verzeihung nur —
böchftens deine Vorbirte, du Heilige! — (Butungen.)
Sotr! Mütter Gottes! Mein Herz — die Gluth in
ihm — (Sein Haupt erhebend.) Bianca, noch diefen blu⸗
tigen Abſchiedskuß! — (ſuntt zurüc.) Und nun lebe wohl!
Le — (Neue Zucungen, die ihn weiter zu ſprechen hindern.)
Seins, Maria! Wergib ! — Er Kine). |
wen 226 weh
Bianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) N
Mich mis dir! (Man reift ſie 108, fie ſinet ohnmächtig
find Tommy erft ndg einer fanden Weile wieder zu fib.) W
er? wo? — Ha! hier! bier fo Ealt und ſtarr
(Fum Wundarze.) Alſo ganz todt, Signor? ganz?
Wund. (die Hafer ütend.) Ih bedaure.
Bianca (feine Hand ergreifend.) Bonaventuri!
haventuri! Ganz todt! ganz! — So früh get
und fo blutig! — So blutig und fo ſchaͤndlich! —
ſchweizt einige Augenblicke, und wendet ſich haſtig zu einer
der Rammerfrauen.) Wo er: jegt feyn mag?
Rammerf. Wert |
Bianca. Bonaventuri! Dod nicht diefer €
nam bier! der eigentlihe Bonaventuri $
Rammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Wunde
Suter Gott, fie wird doch nicht —
W und. Wohl möglih! Ein foldes Schrecken
Bianca (mit ſchmeribaftem Lädeln.) Seyd ruf
And fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; w
was ich fage! — — Wo er jetzt ſeyn mag, biefe
früh enıflobene Geiſt ? Das fragte ih. — (Mit entſe
fenem Zone.) Sep er, wo er will; ſchon weit entfer
oder noch uns umſtchwebend, wenn er nody hören ka
fo höre er! Höre es aus dem Orte feiner Prüf
oder Vollendung! Ich will aufbiethen, was ıd Fa
aufbierhen ,„ was ein Weib vermag, um feu
Schatten Genugthuung, feinem blutigen Tode R.
zu verſchaffen; und endlofe Qual ſey mein Lo
Schmach werde mein Nahme, wenn ge ein M
such sur eines freundlichen Blickes von mir fi ı
I 17
PEE
wor
wre 225 wo
. men kann; er fey denn Bonaventuri’s Naher und
der meinige! |
Indem fie Dieb fagte, richtete fie ſich hoch empor;
"Kand, wiſchte die Thraͤnen ſich Rt. dem Auge; und ſah
-dann mit’ falsem, ftarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗
am hinab. — „Sie haben Recht, Doctor! er ift
tod!” — Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr
drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchüt⸗
sernder für alle Anwefende, als des Affects rührendfte
NRede. — So ängftlih harrt ein Land, das des Erdbe⸗
bens fürchterfiher Geißel unterworfen ift, wenn ein '
dumpfes unterirdifches Getöfe den nahen Erdftoß vers
“ Zündet; einen Erdſtoß, der vielleicht im nächften Nu
Stäbte verwüften und weite Striche Landes umkeh⸗
ren wird.
Sit irrten ! — Bianca, die heldenmüthige Bianca’ »
bog fi bloß herab und küßte den eisfalten Mund des
Gemahls.
„Ich darf Das! rief ſie: ich darf Das! denn ich
„bin rein an ſeinem Tode, rein an ſeinem Blute, und
„der Himmel kennt die Wahrheit meines Anerbiethens,
„mit Freuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu
„ſterben ſtatt ſeiner, wenn er auflebte dadurch. — Aber
„damit ſtets dieſes Gefühl bleibe, wie es jetzt iſt, —
„verzeih, blutiger Leichnam, ich muß dich berau⸗
„ben!“ — Gie ſqhneidet die größte Lode am Nacken, über und
Über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warſt einft braun und
„ieiben; oft babe ich fonft mie dir geſpielt. Jetzt fpiele
„ih nicht mehr. Das Blur hat deine Farbe veraͤndert,
„bat dich ſtarr gemacht. Sey mein Armband ! Aber '
Meißners Biansa Cap. 1. Thl. P
won 326 vonea
„keine Thräne falle je herab auf dih, damit fie das
„Blut von dir nicht abwaſche!“
Mod ein Mahl Eüßte fie ihn, und wandte fid ges
gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. — „Ih
„kann allein gehen, fagte fie: id habe Krafte genug,
„und bedarf noch der Kräfte Fünftig.” — Man begleis
tete fie ind Gemach. Ehe fie über deflen Schwelle
fhritt, wandte fie fih abermahls gegen. Benavensuri’s
Leichnam. — „Du erwiederſt es freylich nicht mehr,
oHwenn ich noch einen Kuß dir zuwerfe; aber dort oben
„ſiehſt Du es vielleicht! Nimm ihn an, Geopferter!
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu rächender
„Gemahl!“
Man bath ſie, ſich wieder auf ihr Lager zu bege⸗
ben. — „Meint ihr vieleicht, erwiederte fie mit einem
„ſchmerzhaften, foft bitteren Lächeln, daß es nun ges
„raum genug für mi geworden feg? Ruhe werde ich
„doch dort und hier nicht finten follen?” — Stumm
ward ıhr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine Sylbe
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer war
ihr Auge auf jene biutige Locde gehefter. Man mußte
fie ihr wirklich zu einem Armbande fledten. Ein vers '
fhlojfener Schmerz, arbeitete in ihrem Buſen; Eleine
Bewegungen ded Munde verriethen zuweilen, daß
fie mit fich ſelbſt ſpreche.
So verging dieſer ganze Tag. Als man gegen
Abend ſeinen Leichnam aus dem Pallaſte hinwegtrug,
um ihn in einer Capelle beyzuſetzen, merkte fie es gar wohl;
doc) begehrte fie nicht weiter ihn zu fehen. — „Er
„wird dort, ſprach fie, meiner warten, und hoffents
„uch nicht allzu lange. Seines Andfictd hienieden, ſei⸗
non 227 ne .,
‚nes Anbtich am heutigen Morgen vergeſſe ich ohne⸗
„dieß nie. Unbegrei ih ſchien dieſe Faſſung und dieſe
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben fo, janf⸗
ten, als feften Charakter nicht zu fepägen, nicht zu
verfiehen vermochten. Alle ihre Grauen und Hausge⸗
noffen waren beforgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗
hielt, aushielt einen Kamſf, wie gewiß noch wenige
Helden ihn Fimpften.
Wien,
gedeudt bey Anton Gtraufi.
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seen 2332 sen
Bott, welch' ein Anblick flir Bianca’s fühlkares-
Herz! Ab — ihren Todfeind” felbit würde Lie Milde
mit Schmerz und Mitleid, mit ähtem Betauern er⸗“
blickt baben, hätte man fo ihm gebracht. Doch ikn,
den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe,
Trotz feiner Treuloſigkeit, geliebt! Ihn, dem fie fd
viel einſt aufgeopfert hatte, ſo viel noch jetzt aufzu⸗
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritie nie ihr Herz
entfremdet , doch wohl zerriffen hatten; ihn, beffen
Adtrünnigkeit fie erfi vor wenigen Minuten beweinte ;
"ohne zu wiflen, daß er ſchon dafür gefiraft ſey —
ntin! nein! Feine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗
dern, was fie empfand! Keine Engelöftimme -vermag'
auszuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemor⸗
dete jeßt ihr ward ! ..
Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗
turi's Wunden, und — zuckten mitleidig die Achſein.
Ibr Ursheil wor: ohne Rettung! Mir einer Einſtim⸗
migkeit, die bey den Herren biejer Kunft wahrlich nue
höchſt felten ſich findet, verſicherten fie : „Es ſey Außerfk
„ungewiß, ob auc die Eräftigiten Mittel ihn wieder
„auf einige Minuten nur zum Leben und Bewuärfenn
„bringen würden. Aber deſto gewiſſer wäre es, daß
„dann diefe Rückkehr ıns Leben nur eıne kieine under
„deutende Friſt dauern Eönnte.”
„O nehme Alles bin, was ich habe und befike, rief
Bianca, fordert, fo vıel ibr wollt, meine Freunde, nur
macht, daß wenigftens nod ein Madl fein Auge mich
anblicke, wenıgfiend eın Wort noch aus feinem Munde
mich tröfte !”
@ie thaten wirklih, was fie nur Eonnten ; doch
-
. we 225 room
Bianca's jammerndes Geſchrey, ihr unablaͤſſiges, aͤngſt⸗
liches Rufen wirkte vielleicht noch ftarker, als alle Kunſt
Ade Ärzte. Es durchdrang ſein ſchon taubes Ohr, ſein
Herz ſammelte noch ein Mahl alles Blut, dat von den:
zerriſſenen Lebensgefäßen ihm ubrig mar. Sein ges
ſchloſſenes Auge dämmerte, ging ouf, fah das richt
und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl,
nice des Lebens ſowohl, ald — des Leidens." Bianca
ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine
Trampfende Hand, | |
Bonar. (fih windend, und nad einem tiefen Seutzer.)
Hal iſt's möglih! — Gütiger Heiland! — Sch iebe
noch? — D wer — we weit mid zu — neuen
Schmerzen!
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein
Leben!
Bonav. Auch du da? — Wo bin ih? — Kuh
bu ?— Vergib mir? Laß mit meinem Tode aud) meine
Schuld! —
Bianca. O keine — Feine Sguß! Daß idy
ſterben könnte für dich!
Bonav. Nein, Bianca, nicht du! — nicht
ſchmerzlicher den Abſchied — Gott, mein Herz! —
nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch — durch dieſes
bermaß von Tugend! — Deine Verzeihung nur —
böchftend beine Vorbitte, du Heilige! — (Budungen.)
Gott! Mutter Gottes! Mein Herz — die Gluth in
ihm — (Bein Haupt erhebend.) Bianca, noch diefen bius
tigen Abſchiedskuß! — (fintt zurüd.) Und num lebe wohl!
Le — (Nette Zudungen ı die ihn weiter zu ſprechen hindern.)
Seins, Maria! Vergib! — Er Bine).
wen 226 wen
Bianca (fi auf ihn merfeud, ihn amarmend. Nimm
mich mit dir! (Man reift ſie lok, fie ſinkt ohnmaͤchtig Bin,
ind Tommy erſt naͤch einer landen Weite wieder zu ſich.) Wo iſt
er? wort — Ha! hier! bier fo kalt und ſtarr! —
(Fun Wundarie.) Alfo ganz todt, Signor? ganzt
Wund. (die Käfer südend.) Ih bedaure.
Bianca (feine Hand erareifond,) Bonaventuri! So
Haventuri! Ganz tobt! ganz! — So früh geendet
und ſo blutig! — So blutig und ſo ſchaͤndlich — Su
ſchweizt einige Augenblicke, und wendet ſich haſtig zu einer uz⸗
ver Kammerfrauen.) Wo er jetzt ſeyn mat
Rammerf. Wert
Bianca. Bonaventuri! Dog nicht diefer Leich⸗
nam bier! ber eigentlihe Bonaventuri $
KRammerf. (mit ängſtlichem Blick auf den Mundart)
Guter Gott, fie wird doch nicht —
Wund. Wohl moglich! Ein ſolches Schrecken —
Bianca (mit fhmerzbaftem Lächein.) Seyd ruhig,
und fürchtet euch nicht! Ich weiß, was ich fühle; weiß,
was ich ſage! — — Wo er jetzt ſeyn mag, dieſer fo
früb entſlobene Geiſt ? Das fragte ih. — (Mir enetgieh
fenem Zone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entfernt,
oder noch uns umfthmebend, wenn er nody hören kann,
fo höre er! Höre es aus dem Orte feiner Prüfung
oder Vollendung! Ich will aufbiethen, was ich kann;
aufbiethen, was ein Weib vermag, um ſeinem
Schatten Genugthuung, feinem dlutigen Tode Rache
zu verſchaffen; und endloſe Qual ſey mein Loos,
Schmach werde mein Nahme, wenn je ein Mann
duch nur eines freundlichen Blickes von mir ſich rüh⸗
men
I.
n LEE 225 on
. men kann; er fey benn Bonaventuri’s Raͤcher und
der meinige! |
Indem fie Dieß fagte, eichtete fi ie r ch hoch empor;
ftand, wiſchte die Thraͤnen fi ad dem Auge; und ſah
dann mit kaltem, ſtarren Blick auf Bonaventuri's Leich⸗
yam hinab. — „Sie haben Recht, Doctor! er iſt
tode!” — Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr
drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchͤt⸗
ternder für alle Anmwefende, ald des Affects rührenpfte
-Mede. — So ängſtlich harrt ein Land, das des Erdhe«*
bens fürchterliher Geißel unterworfen ift, wenn ein '
dumpfes unterirdifches Getöfe den nahen Erdftoß vers
kuͤndet; einen Erdſtoß, der vielleicht: im nächften Nu
Städte verwüften und weite Strihe Landes umkeh⸗
ren wirb. |
Sie irrten ! — Bianca, bie heldenmüthige Bianca’ ”
bog fich bloß herab und küßte den eiskalten Mund des
Gemahls. |
„Ich darf Das! rief fie: ich darf Das! denn ich
„bin rein an feinem Tode, rein an feinem Blute, und
„der Himmel Eennt die Wahrheit meines Anerbierheng,
„mit Sreuden mich hierher zu legen, zu leiden und zu
„ſterben ſtatt feiner, wenn er auflebte dadurd. — Aber
„damit ſtets dieſes Gefühl bleibe, wie es jetzt iſt, —
„verzeib, blutiger Leihnam, ich muß dich berau⸗
ben!" — GSie ſchneidet die größte Lode am Nacken, über und
- Über mit Binte veſpritzt, a6.) „Du warſt einft braun und
„ſeiden; oft babe ich fonft mit dir geſpielt. Jetzt ſpiele
„ich nicht mehr. Das Blut hat deine Farbe verändert,
„bat dich ſtarr gemacht. Sey mein Armband! Aber
Meißners Blanca Gap. 1. Thl. P
won 226 —⸗
„eeine TIhrane falle je berab auf did, damit fie das
„Blut von dir nicht abwaſche!“
Noch ein Mahl Eüßte fie ihn, und wandte fid ges
gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. — „Ih
„eann allein gehen, fagte fie: ih habe Kräfte genug,
„und bedarf noch der Kräfte Fünftig.” — Man begleis
tete fie ins Gemach. Ehe fie über deſſen Schwelle
ſchritt, wandte fie ſich abermahls gegen. Bonaventuri's
Leichnam. — „Du erwiederſt es freylich nicht mehr,
e„!denn ich noch einen Kuß dir zumerfe; aber dort oben
„ſiehſt Du es vielleicht! Nimm ihn an, Geopferter!
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu räͤchender
„Gemahl!“
Man bath ſie, ſich wieder auf ihr Lager zu bege⸗
ben. — „Meint ıhr vielleicht, erwiederte fie mit einem
„ſchmerzhaften, faft bitteren Lächeln, daß es nun ges
„raum genug für mid geworden ſey? Ruhe werde id
„doch dort und bier nicht finten follen?” — Stumm:
ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine Sylbe
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Immer war
ihr Zuge auf jene biutige Locke gehefter. Man mußte
fie ihr wirklich zu einem Armbande flehten. Ein ver '
fhlojfener Schmerz arbeitete in ihrem Buſen; Eleine
Bewegungen ded Mundes verrierhen zuweilen, daß
fie mit ſich felbft ſpreche.
So verging dieſer ganze Tag. Als man gegen
Abend ſeinen Leichnam aus dem Pallaſte hinwegtrug,
um ihn in einer Capelle beyzuſetzen, merkte fie ed gar wohl;
doc) begehrte fie nicht weiter ihn zu fehen. — „Er
„wird dort, ſprach fie, meiner warten, und hoffents
„lich nicht allzu lange. Seines Anölicks hienieden, ſei⸗
een 227 —RX
„nes Anblicks am heutigen Morgen vergeſſe ich ohne⸗
„dieß nie.” Unbegreizich ſchien dieſe Faſſung und dieſe
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben ſo, ſanf⸗
ten, als feſten Charakter nicht zu ſchaͤtzen, nicht zu
verſtehen vermochten. Alle ihre Frauen und Hausge⸗
noſſen waren beſorgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗
hielt, aushielt einen Kompf, wie gewiß noch wenige
Helden ihn Eampften. |
XXEXLXIELXXLELLLLVLIXXCMMMLLLM
Wien,
gedruckt bey Anton Etrauß:
..
A. G. Meißners
ſaͤmmtliche Werke.
Ein und zwanzigſter Band.
Enthaͤlt:
Bianca Capello
3weyter Theil
XXX— —
Wien, 1814.
In Sommiffion ben Anton Dott
— —— —— —2—4
— — — — —— nn
— —— — — — —
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zu a mA. — — —
een 222 um
Bott, wel’ ein Anblick für Bianca's fühlbares
Herz! Ah — ihren Todfeind“ felbit würde die Milde
mit Schmerz und Mitleid, mitäcdhtem Betauern er⸗ J
blickt haben, haͤtte man fo ihn gebracht. Tod ihn,
den geliebten Gemahl! Noch immer mit heißer Liebe ‚
Trotz ſeiner Treuloſigkeit, geliebt! Ihn, dem fie fd
viel einſt aufgeopfert hatte, ſo viel noch jetzt aufzu⸗
opfern bereit war! Ibn, deſſen Fehltritte nie ihr Her
entfremdet , boch wohl jerriffen hatten; ihn, deſſen
Abtrünnigkeit fie erſt vor wenigen Minuten beweinte/
"ohne zu wiſſen, daß er ſchon dafür geſtraft ſey —
netin! nein! keine menſchliche Feder vermag zu ſchil⸗
dern, was fie empfand! Keine Engelöftimme - ‚vermag
aubzuſorechen, wie unermeßlich theuer viefer Gemors
dete jeßt ihr ward | .
Bald kamen Wundärzte, unterfuchten Bonaven⸗
turi's Wunden, und — zuckten mitleidig die Achſein.
Ibr Urtheil war: ohne Rettung! Mit einer Einſtim⸗
migkeit, die bey den Herren dieſer Kunſi wabrlich nur
höchſt ſelten ſich findet, verſicherten ſie: „Es ſey aͤußerſt
„ungewiß, ob auch die kraͤftigſten Mittel ihn wieder
"anf einige Minuten nur zum Leben und Bewußtſeyn
„bringen würden. Aber defto gewiſſer wäre es, daß
„dann diefe Rückkebr ıns Yeben nur eine kieine unbe⸗
„deutende Friſt dauern Eönnte.”
„O nehme Alles bin, was ich habe und befige, rief
Bianca, fordert, fo viel ibr wollt, meine Freunde, nur
macht, daß wenigftens nod ein Mabi fein Auge mich
anblicke, wenigfiend eın Wort noch aus feinem Munde
mich tröfte !”
Sie thaten wirklih, was fie nut Eonnten ; doch
sn 223 ren
Bianca's jammerndes Geſchrey, ihr unäbläffiges, aͤngſt⸗
liches Rufen wirkte vielleicht noch ſtaͤrker, als alle Kunſt
der Ärzte. Es durchdrang fein ſchon taubes Ohr, fein
Herz ſammelte noch ein Wahl alles Blut, das von den:
jerrifienen Lebensgefäßen ihm ubrig war. Sem ger
ſchloſſenes Auge daͤmmerte, ging auf, ſah das Licht;
und fein. dumpfer Schlummer ward wieder Gefühl,
nicht des Lebens ſowohl, ald — des Leidens." Bianca
ſtieß einen freudigen Schrey aus, und ergriff feine
"Trampfende Hand, |
Bonav. (ſich windend, und nad einem tiefen Seutzer.)
Hal iſt's möglih! — Gütiger Heiland! — Sch lebe
noch? — D wer — wer weit mid zu — neuen
Schmerzen?
Bianca. Bonaventuri! Mein Theurer! Mein
Leben!
Bonav. Auch du dat — Wo bin ih? — Kuh
Bu — Vergib mir? Laß mit meinem Tode auch meine
Stud! —
Bianca. D feine — Feine Sgut! Daß ich
ſterben könnte für dich!
Bonav. Nein, Bianca, nicht du! — nicht
ſchmerzlicher den Abſchied — Gott, mein Herz! —
nicht ſchmerzlicher den Abſchied noch — durch dieſes
uͤbermaß von Tugend! — Deine Verzeihung nur —
böchftens deine Vorbitte, du Heilige! — (Butangen.)
Bott! Muster Gottes! Mein Herz — die Gluth in
ihm — (Sein Haupt erbebend.) Bianca, noch diefen bius
tigen Abſchiedskuß! — (fintt aurüd.) Und nun lebe wohl!
Le — (Reue Sudungen » die ihn weiser zu ſprechen hindern.)
Jeſut, Maria! Vergib ! — Er Atrn)..
wen 226 wen
Bi ianca (fi auf ihn werfend, ihn umarmend.) Ni
mich mit dir! Han reißt Me 108, fie fine obnmädtig
find komm erſt nd einer langen Weite wieder zu ſich.) We
er? wo? — Ha! hier! hier fo kalt und ſtarr!
(Bum Wundarze.) Alfo ganz todt, Signor? ganz?
Wund. (die Achlel zuckend.) Ich bedaure.
Bianca (feine Hand ergreifend.) Benaventuri! 9
Haventuri! Ganz tode! ganz! — So früh gern
und fo blutig! — &o blutig und fo ſchaͤndlich ı
ſchweizt einige Augenblide, und wendet ſich haſtig gu einer
der Rammerfrauen.) Wo er-jept fegn mag?
Rammerf. Wert |
Bianca. Bonaventuri! Doch nicht diefer Lei
nam bier! der eigentlige Bonaventuri
Rammerf. (mit angſtlichem Blick auf den Wunder
Suter Gott, fie wird doch nicht —.
Wund. Wohl möglich! Ein ſolches Shchrecken
Bianca (mit fümerbaftem Lacheln.) Seyd euß
And fürchtet euch nit! Ich weiß, was ich fühle; we
was ih fage! — — Wo er jet feyn mag, diefer
früh entflobene Geiſt ? Das fragte ih. — (Mit eneſch
fenem Zone.) Sey er, wo er will; ſchon weit entferr
oder noch uns umfthwebend, wenn er nody hören kar
fo höre er! Höre es aus dem Irre feiner Prüfu
oder Vollendung! Ich will aufbierhen, was ıd) Far
aufbierben ,„ was ein Weib vermag, um fein
Schatten Genugthuung, feinem blurıgen Tode Ka
zu verſchaffen; und endlofe Qual fey mein Loc
Schmach werde mein Nahme, wenn je ein Ma
such nur eines freundlichen Blickes von mir fi ri
sen
wu 225 wo
. men kann; ; er fey denn Bonaventuri’s Räder und
der meinige! |
Indem fie Dieß fagte, richtete fie fi ch hoch empor;
"Kand, wiſchte die Thraͤnen ſich ons dem Auge; und ſah
dann mit’Falsem, ftarren Blick auf Bonaventuri's Teiche
yam hinab. — „Sid haben Recht, Doctor! er ift
tode!” — Stumm baftere nun ihre Auge ungefähr
drey Minuten auf ihn. Eine feyerlihe Paufe; erſchüt⸗
ternder für alle Anweſende, als des Affects rührenpfte
Rede. — So ängſtlich harrt ein Land, das des Erdbe⸗
bens fürchterliher Geißel unterworfen ift, wenn ein
- dumpfes unterirdifches Getöf den nahen Erdftoß vers
kuündet; einen Erdftoß, der vielleicht im naͤchſten Nu
Städte verwüften und weite Strihe Landes umkeh⸗
ren wird.
Sit ireten ! — Bianca, bie heldenmüthige Bianca’ u
dog fi bloß herab und küßte den eisbalten Mund des
Gemahls. |
„Ich darf Das! rief fie: ich barf Das! denn ich
„bin rein an feinem Tode, rein an feinem Blute, und
„der Himmel Eennt die Wahrheit meines Anerbietbens,
„mit Sreuben mich hierher zu legen, zu leiden und zu
„fterben ſtatt feiner, wenn er auflebte dadurch. — Aber
„damit ſtets diefes Gefühl bleibe, wie ed jetzt ift, —
„verzeih, blutiger Leichnam, ih muß dich beraus
„ben!”— (Bie ſchneidet die größte Lode am Naden, über und
über mit Binte Sefprist, a6.) „Du warſt einft braun und
„feiben; oft babe ich fonft mit dir gefpielt. Jetzt fpiele
„ich nicht mehr. Das Blur hat deine Farbe verändert,
„bat dich flare gemacht. Sey mein Armband! Aber
Meißners Bianca Cap. 1. Thl. P
— 226 —
„keine Thraäne falle je herab auf dich, damit fi
„Blut von dir nicht abwaſche!“
Mob ein Mahl küßte fie ihn, und wandte fi
gen ihr Gemach. Ihre Frauen unterftügten fie. —
„kann allein gehen, fagte fie: id habe Kräfte gu
„und bedarf noch der Kräfte Eunftig.” — Man 6
tete fie ins Gemach. Ehe fie über deſſen Sd
ſchritt, wandte fie ſich abermahls gegen. Bonaven
Leichnam. — „Du erwiederſt ed freylich nicht x
s,„wenn ich noch einen Kuß dir zuwerfe; aber dort
„ſiehſt Du ed vielleicht ! Nimm ihn an, Geopf
„Nimm ihn on, geliebter, und nun zu rad
„Gemapt!” | ur
Man bath fie, fi) wieder auf ihr Lager zu
ben. — „Meint ıhr vielleicht, erwiederte fie mit
© „ihmer;haften, faft bitteren Lächeln, daß es nı
„raum genug für mid geworden ſey? Ruhe wer
„doch dort und bier nicht finten follen?” — ©ı
ward ihr Schmerz wohl ein® Stunde lang; Feine
erwiederte fie auf mannigfaltige Tröftung. Imme
ihr Auge auf jene blutige Locke geheftet. Man r
fie ihr wirklich zu einem Armbande flechten. Ein
ſchloſſener Schmerz arbeitete in ihrem Buſen;
Bewegungen ded Mundes verriethen zuweilen,
fie mus ſich jelbft ſpreche.
So verging diefer ganze Tag. Ald man
Abend feinen Leihnam aus dem Pallajte hinweg
um ihn in einer Capelle beyzufegen, merkte fie es gar
doch begehrte fie nicht weiter ihn zu ſehen. —
„wird dort, ſprach fie, meiner warten, und bo
„uch nicht allzu fange, Seines Anölicks hienieden
| won 227 wer |
„nes Anblicks am heutigen Morgen vergeffe ich ohne⸗
„dieß nie.” Unbegreizich ſchien diefe Faſſung und biefe,
Wehmuth zugleich Allen, die Bianca's eben fo, ſanf⸗
ten, als feſten Charakter nicht zu ſchaͤtzen, nicht zu
verftehen vermochten. Alle ihre Grauen und Hausge⸗
noffen waren beforgt für ihren Kopf, der — doch aus⸗
hielt, aushielt einen Kampf, wie gewiß noch wenige
Helden ihn Eampften. | |
Wien,
gedendt bey Anton Strauß.
A. G. Meißners
ſaͤmmtliche Werke.
—
Ein und zwanzigſter Band.
Enthaͤlt:
Bianca Capello
3weyter Theil
AMS GELBER EEE LO ICON UCHU EOS
—öäxXEXEEEEEEC
Wien, 1814.
In Gommiſſfſton bey Anten Dott.
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—Von
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A. G. Meißner.
Zweyter Theil.
Wien, 1814.
Sn Commiffion bey Anton Doll,
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RITTER TUE SET TI NDR NEN INDIA NAD
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Ns an dieſem Tage, Ha der Sammlung von we⸗
nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon»
dragone, und bath , ihr die Vorlajfung beym Großs
herzog auszuwirken. Sie erhielt diefeibe, wie man
leichte denken kann, fogleih gewährte. Im tiefften
Trauergewand begab fie ſich bin: doch ſprach ihr Ges
fiht von dem Schmerz in ihrem Innierften flärfer, als
alle Trauergemwänder auf dem Erdkreis vermocht hät⸗
ten. Franz, als fie in fein Gemad eintrat, eilte ihr
mit theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, hie
vor ihm niederfnien wollte,.bey der Hand, führte fie
zu einem Sofa, nöthigte fie niederzufigen, und nahm
das Worr, bevor fie noch ſprechen konnte.
„Eigentlich , ſchönſte Signora Bianca, follte ich
Ahnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzählung
ihrer Leiden erfparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich
mir nicht vortragen zu laffen; denn. jebe derfelben iſt
Ahnen im Voraus gewähre! — Ich weiß Alled, was
vorging; weiß, was Sie verloren haben; theile mis
Ihnen diefen großen Verluſt, und. — Ihren billigen
Sammer,
Bianca. Ja wohl, gnäbigfter Herr, müſſen
&ie wiſſen, was ich vetlor! Ja wohl, rechne ich bey
Ihnen auf Theilnahme an meinem unfäylihen Schmerz!
Genauer betrachtet, vermag ich ſogar nicht zu entſchei⸗
ben: wer von uns Beyden durch dieſen ſchaͤnblichen /
| 42
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Bi ta Capello.
Von
A. G. Meißner.
Zweyter Theil.
— — — — —
Wien, 1824.
In Commiffion bey Anton Dolk
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Ns an dieſem Tage, nad der Sammlung von we⸗
nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon⸗
dragone, und bath, ihr die Vorlaffung beym Groß»
herzog auszuwirken. Sie erhielt diefelbe, wie man
leicht denken Eann , fogleihy gewährt. Im tiefſten
Trauergewand begab fie jih bin: doch ſprach ihr Ge⸗
fiht Yon den Schmerz in ihrem Innerſten ftärfer, als
Alle Trauergewänder auf dem Erdkreis vermocht haͤt⸗
ten. Franz, als fie in fein Gemad eintrat, eilte ide
mis theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, hie
vor ihm niederfnien wollte,.bey der Hand, führte fie
zu einem Sofa, nöthigte fle niederzufigen, und nahm
das Wors, bevor fie noch ſprechen konnte.
„Eigentlich, ſchönſte Signora Bianca, follte id
Ahnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzählung
ihrer Leiden erfparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich
mir nicht vortragen zu laffen; denn. jede derſelben iſt
Ahnen im Voraus gewährt! — Ich weiß Alles, was
vorging: weiß, was Sie verloren haben; theile mit
Ahnen diefen großen Verluſt, und. — Ihren billigen
Sommer, .
Bianca. Ja wohl, gräbigfler Herr, müſſen
Sie wiſſen, was ich verlor! Ja wohl, rechne ich bey
Ihnen auf Theilnahme an meinem unjäylihen Schmerz $
Genauer betrachtet, vermag ich ſogar nicht zu entſchei⸗
ben: wer von uns Beyden durch dieſen ſchaͤnblichen/
rw
wen 4 —
grauſamen Meuchelmord mehr gekraͤnkt und bırterer
leidigt ſeyn ſolle; denn Ihre Gunſt, Ihre Huto |
te billig den Dann, der ſolcher genoß, vor jeder
waltthat heiligen follen. Uns Beyden gehörte di
Geopferte an. Ihnen ward der Gegenftand il
Wohlthaten, mir der Gegenftand meiner innig
Liebe entriffen. Mir war er Gatte, für Euer Du
laucht war er der treuefte eifrigfie Diener.
Broßh Mehr! Mehr! — Er war mir ren:
Bianca D Euer Durdlaudt, wenn er 7
Ihnen wirklih war; wenn dieß göttlıhe Wort —
es nicht anders von einem fo edlen Fürſten ſich ben
füge — Ihr Herz, und nie Ihr Mund allein o
ſprach; o fo haben Eie allerdings meine Bitte mir
Voraus gewahrt! So liegt Ihnen nun unerläßlid f
die Verbindlichkeit der R ade ob; und Bonaventu
vergoſſenes Blut ſchreyt fo laut, wie das Blut‘
Märtyrer, nicht bloß zum Throne jenes Höchſten,
ned Emigen empor; fondern auch zum Thron fet
‚ fürftlihen Sreundes.
Großh. Seyn Sie verfihert, daß ih es hi
Bianca. Nicht hören allein, Euer Durdlauc
fonbern auch Ihre Hände bewaffnen mit Gerechtigk
die den Thaͤter verfolge, mit Strafen gegen fü
ſchändlichen Mörder!
Großh. Auch Tas ohne Zweifel; fobald wir
wiflen, wer Ziefe find.
Bianca. Die Nicci, die Ricci find eb! 9
könnte bier nur einen Augenblick zweifeln! — +
Robert nicht Öffentlich meinen Gemahl mit dem T
bedroht? Iſt nicht mis raſchem Schritt die That
Drohung gefolgt? Has nicht die Wuth jener Ei
un 5 —
ſüchtigen auch Kaffandra , die Veranlaſſerinn dieſes
ganzen unſeligen Zwiſtes, in eben dieſer Nacht, in
eben dieſer Stunde gemordet? — O gnaͤdigſter Fürſt!
wofern jemahls das Flehen der knieenden, gebeugten
Unſchuld Ihnen theuer war; wofern der ſo grauſam
Ermordete jemahls nur ein günftiged Wort Ihres
Mundes, das kleinſte Andenken Ihres Herzens ver⸗
diente; wofern ich, die ich hier Ihre Knie umfaſſe —
(Sie wirft ſich raſch vor ihm nieder, indem er fie witder auf⸗
heben will.)
Großh. Ums Himmels Willen , wozu Das?
Stehen Sie auf, reizendſte Signora! Ich kann un⸗
moͤglich —
Bianca (die enien Bteist. y MWofern ich, Ihre demüs '
thigſte Dienerinn, jemahls Gnade vor Ihren Augen
fand — fo laffen Sie mich jegt nicht vergebens fleen.
— Selbſt wenn Bonaventuri, ald er ſtarb, in Ihrer
Ungnade weggeſtorben wäre, felbft dann — Blute
fYulden drücken ja Ränder, verwandeln oft fegensvolle
Fluren in ode Wüſteneyen; aber nie, nie miülfe ber .
glorreiche Beberrfcher, in deffen Handen die Regierung
und das Glück von Florenz ih befinden, mis Flecken
diefer Art feinen Ruhm entehren, fein Gewiſſen belar
ſten! Er thue, was fhon Menfhenmicleid ihm
zu thun gebiethet, doppelt gern aus Fürſtenpflicht!
Er laſſe nicht troftlos bier eine arme , unglückliche
Witwe Enien, die (indem fie den Arm aufhebt, um weichen fie
Bonaventuris Lode träge) wohin fie auch blickt, nur. das
noch rauchende Blut ihres Gatten ſieht, und diefe
Überbfeibfel von ihm nicht abzulegen ſchwur, bis fie
ſich überzeugt von der Werföhnung feines Schatten
fuͤhlt.
2
wer Ö —
Broßh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf,
wenn ich anders Sie hören, wenn ich überhaupt bier
bleiben fol! Sie fprechen zu mir fo ernſt, fo feyers
lich, fp flebend, als wollten Sie mich zu einem bars
ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befiehlt
mir, was Sie bitten, allerdings fhon mein eigenes
Herz. — Hier haben Sie meine Hard, und mit ihr
das Wort eınes Zürften, der fein Wort noch niemahl$
brach; ich will Alles anwenden, was in meinen KAräf-
ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu firafen.
Genügt Ihnen Das? Steben Sie noch nidt auf?
Bianca (ih erbebend.) ES genügte mir! denn
naͤchſt Gottes Wort praue ih dem Wort meines Fürs
ften am ſtärkſten.
Großh. Damit Sie aber aud nicht mebr hof⸗
fen, als ich zu gewähren vermag , fo beſtimmen Sie
nun felbit die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe!
Sie Hagen über die Mörder ihres Gemahls, und Ela»
gen mit volfftändigftem Rechte. Ste nennen mir bie
Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗
fdiedt mit Recht, Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗
wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter
ſprechen; nach Jenem ſpricht und handelt der Thrann.
Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter
ſucht auch Wahrfheintichkeit in Gewißheit zu verwan⸗
Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes
ſtrafung underhörter Weiſe kitte ich jetzt. Nur um ihre
Verhaftung, nur um Unterſuchung, ſo unparteyiſch
und ernſt als möglich. Sie kann dann nicht vergehens
ſeyn; Das ſagt mir mein Herz.
Großh. Und ich glaube ihm gern! Ich will
nicht einmahl einwenden, was ich als Fürſt eines oft
ra 7 wos ”
unruhigen Volkes mohl einzuwenden vermoͤchte: daß
jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers
drecher mit Gefahr und Beforgniß verbunden ift. Aber
wie dann, edle Bianca, wenn dieſe Uinterfuhung doch
anders ausjiele, ald wir wünfhten? Wenn doch diefe
Ricci's nur vergolten, niht begonnen hätten!
Wenn Bonaventuri felbft der Urquell feines Todes
wäre? — Vergefien Sie, wer zuerft beleidigte — "
Friede ſey mit der Seele unfers Pietro! Ich traure
um ihn, wig man um den geliebieften Blutsfreund
trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu
unvorfihtig die Eiferfuht eines mädtigen Hauſes
reizte. |
Bianca. Und wer hätte ein Recht zur Eifer⸗
ſucht gegen ihn gehabt, außer mir? Weſſen Gaftinn,
weſſen Tochter hat er verführt? Welche vorher
unbeſcholtene Tugend ward durch ihn verd aͤchtig
gemacht? — Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht
ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra?
Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit
hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen
unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri feiner Anrede
nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth
eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der
größten Beleidigung, nicht ſchändliche, ſtrafwürdige
Rache? DO Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls
der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war;
wenn ich ſelbſt, ich wiederbohle es, ih Ihre demüs
thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand —
(Sie will ſich bier abermabls zu. feinen Füßen werfen; ez
hält ſie noch auf, und unterbricht ſie halblächelnd, mit per
dentendem Tone.) on
De 7
οσ TEN NSORIEENIOIEINSIIEIRTEN NDDDEETNIIA ADD
|
Nes an dieſem Tage, nach der Sammlung von we⸗
nigen Stunden, ſchrieb Bianca einige Zeilen an Mon⸗
dragone, und bath, ihr die Vorlajfung beym Großs
herzog auszumwirken. Sie erhielt diefelbe, wie mar
leicht denken Eann , ſogleich gewährt. Im tiefiten
Trauergewand begab fie ſich hin: doch ſprach ihre Ger
fit Yon den Schmerz in ihrem Innetſten ftärfer, als
alle Trauergemänder auf dem Erdkreis vermocht haͤt⸗
ten. Stanz, als fie in fein Gemach eintrat, eilte ir
mir theilnehmender Miene entgegen ; faßte fie, die
vor ihm niederfnien wollte, bey der Hand, führte fie
zu einem Sofa, nöthigte fie niederzufigen, und nahm
das Wort, bevor fie noch ſprechen konnte.
„Eigentlich , ſchönſte Signora Bianca, ſollte ich
Ihnen jedes Wort ihrer Schmerzen, jede Erzaͤhlung
ihrer Leiden erſparen; ſelbſt ihre Bitten brauchte ich
mir nicht vortragen zu laſſen; denn jede derſelben iſt
Ihnen im Voraus gewährt! — Ic weiß Alles, was
vorging: weiß, was Sie verloren haben; theile mis
Ihnen diefen großen Verluſt, und. — Ihren billigen
Sammer, | .
Bianca. Fa wohl, gnaͤdigſter Herr, mögen
Sie wiſſen, was ich verlor! Ja wohl, rechne ich bey
Ihnen auf Theilnahme an meinem unfäylihen Schmerz $
Genauer betrachtet, vermag ich fogar nicht zus entſchei⸗
den: wer von uns Beyden durd dieſen ſchaͤnblichen /
' 42 .
— 4 —
grauſamen Meuchelmord mehr gekraͤnkt und bitterer
leidigt ſeyn fellte; denn Ihre Gunſt, Ihre Huto |
te billig den Dann, der folder genoß, vor jeder (
waltthat heiligen follen. Uns Beyden gehörte di
Geopferte an. Ihnen word der Gegenftand if
Wohlthaten, mir der Gegenftand meiner innigi
Liebe entrifien. Mir.war er Gatte, für Euer Du:
laucht war er der treuefte eifrigfte Diener.
Groß h. Mehr! Mehr! — Ermar mir Freu:
Bianca. D Euer Durdlaudt, wenn er 7
Ihnen wirklih war; wern dief göttlihe Wort —
es nicht anders von einem fo edlen Fürſten fi ben
laäͤßt — Ihr Herz, und nicht Ihr Mund allein a
ſprach; o fo haben Eie allerdings meine Bitte mir
Voraus gewahrt! So liegt Ihnen nun unerfäßlid) fi
die Verbindlichkeit der Race ob; und Bonaventu
vergoſſenes Blut fchreyt fo laut, wie das Blut
Märtyrer, nicht bloß zum Throne jened Höchſten,
ned Emwigen empor; fondern auch zum Thron fei
: fürftlihen Freundes.
Großh. Senn Sie verfihert, daß ich es hi
Bianca. Nicht hören allein, Euer Durdlaud
fontern auch Shre Hände bewaffnen mit Gerechtigk
die den Thaͤter verfolge, mit Strafen gegen fe
fhandlihen Mörder!
Großh. Auch Tas ohne Zweifel; fobalb wir ı
wiflen, wer Dieſe find.
Bianca. Die Ricci, die Ricci find ed! &
könnte bier nur einen Augenblid zweifein! — 4
Robert nicht öffentlih meinen Gemahl mit dem T
bedroht? Iſt nicht mit rafhem Schritt die That |
Drohung gefolgt? Hat nicht die Wuth jener Ei
wen 5 —
ſüchtigen auch Kaffandra , die Veranlaſſerinn dieſes
ganzen unſeligen Zwiſtes, in eben dieſer Nacht, in
eben dieſer Stunde gemorbet? — O gnaͤdigſter Fuͤrſt!
wofern jemahls das Flehen der knieenden, gebeugten
Unſchuld Ihnen theuer war; wofern der ſo grauſam
Ermordete jemahls nur ein günſtiges Wort Ihres
Mundes, das kleinſte Andenken Ihres Herzens ver⸗
diente; wofern ich, die ich hier Ihre Knie umfaſſe —
(Sie mwirft ſich raſch vor ihm nieder, indem er fie wier auf⸗
heben will.)
Großh. Ums Himmels Willen, wozu Dast
Stebhen Die auf, reizendſte Signora! Ich kann un⸗
moͤglich —
Bianca lie enien bieitt. »Wofern ich, Ihre demüs '
thigfte Dienerinn, jemahls Gnade vor Ihren Augen
fand — fo laffen Sie mich jeßt nicht vergebens flehen.
— Selbſt wen Bonaventur, ald er farb, in Ihrer
Ungnade mweggeftochen wäre, feloft dann — Blute
ſchulden drücken ja Ränder, verwandeln oft fegensvolle
Fluren in öde Wüſteneyen; aber nie, nie müſſe der
glorreiche Beberrfcher, in deffen Banden die Regierung
und das Glück von Florenz ſich befinden, mit Flecken
diefer Art feinen Ruhm entehren, fein Gewiſſen bela-
ften! Er thue, was [bon Menfhenmirleid ihm
zu thun gebiethet, boppelt gern aus & ürftenpflide!
Er laſſe nicht troftlos bier eine arme , unglückliche
Wirme Enien, die (indem fie den Arm aufhebt, um weichen fie.
Bonaventuris Lode träge) wohin fie auch blickt, nur. das
noch rauchende Blut ihres Gatten ſieht, und dieſe
Überbleibſel von ihm nicht abzulegen ſchwur, bis ſie
ſich überzeugt von der Werföhnung feines Schattens
fuͤhlt.
.
Großh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf,
wenn ich anders Sie hören, wenn ih überhaupt bier
bleiben fol! Sie fprechen zu mir fo ernft, fo feyer:
Ih , fo flebend,, als wollten Sie mich zu einem bare
ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befiehlt
mir, was Sie bitten, allerdings ſchon mein eigenes
Herz. — Hier haben Sie meine Hand, und mit ihr
dad Wort eınes Zürften, der fein Wort noch niemahls
brach; ı will Alles anwenden, was in meinen Kraͤf⸗
ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu ſtrafen.
Genügt Ihnen Das? Stehen Eie noch nicht auf?
Bianca (ih erhebend.) Es genügt mir! denn
naͤchſt Gottes Wort graue ich dem Wort meines Fürs
ſten am ftärkften.
Großh. Damit Sie aber auch nicht mebr hof⸗
fen, als ich zu gewähren vermag , fo beſtimmen Sie
nun jelbit die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe!
Sie Flagen über die Mörder ihres Gemahls, und kla⸗
gen mit volfftändigftem Rechte. Sie nennen mir bie
Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗
ſchhieht mit Recht. Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗
wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter
ſprechen; nah Jenem ſpricht und handelt der Thrann.
Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter
futt auch Wohrſcheinlichkeit in Gewißheit zu verwan⸗
Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes
ſtrafung unverhörter Weiſe kitte ich jetzt. Nur um ihre
Verhaftung, nur um Unterſuchung, fo unparteyiſch
und ernſt als möglich. Sie kann dann nicht vergehens
ſeyn; Das ſagt mir mein Herz.
Großh. Und ich glaube ihm gern! Ich will
nicht einmahl einwenden, was ich als Fürſt eines oft
1) 7 veseo “
unruhigen Volkes wohl einzuwenden vermoͤchte: daß
jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers
drecher mit Gefahr und Beſorgniß verbunden iſt. Aber
wie bann, edle Bianca, wenn biefe Unterfuhung doch
anders ausjiele, als wir wünfhten? Wenn doch diefe
Ricci's nur vergolten, nicht begonnen hätten!
Wenn Boraventuri felbft der Urquell feines Todes
wäre? — Vergefien Sie, wer zuerft beleibigte! —
Friede ſey mit der Seele unſers Pietro! Ich traure
um ihn, wig man um ben geliebreften Blutsfreund
trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu
unvorfihtig die Eiferfuht eined mächtigen Hauſes
reiste. |
Bianca. Und wer hätte ein Recht zur Eifer⸗
ſucht gegen ihn gehabt, außer mir? Weſſen Gattinn,
weſſen Tochter hat er verführt? Welche vorher
unbeſcholtene Tugend ward durch ihn verd aͤchtig
gemacht? — Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht
ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra?
Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit
hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen
unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri feiner Anrede
nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth
eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der
größten Beleidigung, nicht ſchaͤndliche, ſtrafwürdige
Rache? O Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls
der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war;
wenn ich ſelbſt, ich wiederbohle es, ih Ihre demü⸗
thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand —
(Sie will ſich hier abermanis zu. feinen Züßen werfen; er
hält fie noch auf, und unterbricht fie halblächelnd, mit ver
deutendem Tone.) on
——
3
88—
Großh. Sie haben Recht, ſehr Reht, bie
letzten Grund zu wiederholen. Keiner bee vorheri—
ift geringe; doch diefer dürfte leicht der flärkfte von
Ien ſeyn! — (Er ſchellt, ein Bedienter kommt.) Der Qi
tenant von meiner Wache !-— (Berienter 46.) Sie fo
feben, Schönfte der Zrauen, wie viel ein Wort von
nen bey mir vermag; wie fehr es mich Über Bed:
lichkeiten hinweghebt, die fonft keineswegs unerheb
geweſen wären.
Lieut. (eintretend.) Euer Durchlaucht Befehl -
Großh. Man nehme fogleih Robert Micci ı
feine Söhne , und alles fein Hausgeiinde ın Verba
Den Alten bringe man vor mich felbft; die Anderen
den Kerier,
Lieut. Euer Durchlaucht verzeihen mir —
Großh. Und waß? dod feine Einwendung ?
Lieut. So eben ward gemelder , daß Mol
Nicct und feine zwey Söbne ſich heute früh mit Ta,
Anbruch nad Piſa zu geflüchter bätten; warum! u
mon noch nid,
Bianca. Aber ih weiß ed nur allzu gut;
(mit emporgehobenen Händen.) Ewiger, allgerechter, al
bender Sort! Aus den Grenzen von Toscana, ja ı
Furesa felbit , können fie entflieben ; aber aus
Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht nice! 9
dus fierfindeft,, fey ihnen Vergelter! Der Schatten |
Erwürgten , und mein Sammer folge über Land ı
Meer jedem ihrer Schritte nach! — Gnaͤdigſter Herr
Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ich erra
ihre Bitte. Noch ſind die Ricei uns nicht entgang
Eben dieſe Flucht vielmehr kann für die Verbred
nachtheiliger werden. Dis zeigt kraͤftiger gegen Dief
—XX 9 02888
ben, als aller bisheriger Argwohn, und wenn man fie
erreicht , ſoll es an meinem Willen und an Anftalten
zu ihrer. Strafe nicht gebredhen. — (Zum Lieutenant.)
Daß man auf's fchnellfte den Entwichenen nachſetze!
Ein öffentlider Ausruf ergebe ! Ein Preis von taufend
Ducaten ftehe auf ibrer Verhaftung! Worman fie
findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies
nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben , werde eins
gezogen!
Lieut. Sogleih, Euer Durchlaucht! (@r geht;
auch Bianca mil fih, mit ſchweigender Derbeugung, entfernen ;
Ssarıy faßt fie ben der Hand.)
Großh. Nod einer Augendlick Verzug, Signos
ra, wenn ich bitten darf! Sie fehen meine Begierde,
Ihnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das
Blur meines erſchlagenen Freundes zu rächen; hörten
ſelbſt, was ich geboth. Manderley Gründe, Ihren
Wünfhen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend
gemacht. Seder derfelben war wichtig; des ſtaͤrkſten
unter allen ftarfen, — besienigen, der mir unvere
geblich ift, vergaßen Sie doch: vergaßen der Liebe,
die ih gegen Sie hege, und begen werde, fo lange
dieſes Her, noch ſchlaͤgt, diefes Lichts des Lebens nicht
verlöfcht.
Bianca (die Ach entfernen win.) Mein fürſtlicher
Gebiether verzeihe —
Groß h. (fie zurüdhaltend.) Nein, Reizendſte ihres
Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe
Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗
dern koͤnnen — erbötbig, ohne Furcht vor Mißfallen
des Volks, vor Aufſtand und Gefahr, Ihrem Gatten
ein blutiges Sühnopfer zu bringen — eben dieſe Liebe
na 710 wor
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, dieſes
himmliſche Auge nicht: trübe ; die Heiterkeit einer Seele
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden.
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die
Art, wie Sie. es verloren, it fdmerzbaft. Aber
vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht,
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. D nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer,
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden,
einen Augenblick nur den unſchätzbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen; würde als Großherzog feine ganze
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗
nen weiben; würde zu Shren Füßen — — Wie} Gie
bören nicht einmahl auf mich?
| Bianca. Ich febe nur auf dieſes Armband hier!
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗
turi's Blur. Heute vergefien; beute exft! doch aud
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem
Gedaͤchtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers
goſſenen Blutes gertillt würde ? Wenn der Racher ganz
leıne Pflicht erfüllte 2
(
BIER 11 u ne
Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen
Dank, der Dieb vermag! — Dod, Euer Durchlaucht
vergeben ; Gram und Schmerz; machen meine Zunge .
ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermds
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem
Fücſtenſtuhl wieder „ um lauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
Broßh. Nicht vor ihm allein, fondern auch in
dieſem Gemach erſcheinen Sie, fo oft ed Ihnen gut,
daͤucht. Jede Thür meines Pallaſtes hat für Sie kein
Schloß. Allerdings ſaͤhe ih Sie freudiger noch als ei⸗
nen (Engel der Liebe erſcheinen; wünſchte auf Ihr Herz
— doch Fein Wort mehr heute davon! Noch iſt She
Kummer zu fiart und zu neu, ald auf angebothene
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, ſchöne Bianca,
auch Franz von Medicis wird nicht unterlaſſen, auf
Ihrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ie
ſuchen.
Bianca. Er erlaube ir Diefes zu verbit! |
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn ift *
Gemach fortan beitimmt. Es siert: |
Gottgeweihten! Zu weinen, zu fla
Entriffenen, fey dort mein ein; ziged — Liefe
Traner ſoll jeden Blick des Loaͤchelns, Deufzeẽ werden
jeden Ton der Freude, mithin auch — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwor⸗
zen Gewande,, fiegender als mit dieſer Miene des.
Schmerzens, haste ſie noch nie vor Franzen geRanden,
vorse 12 wu
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ihr. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefe
hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, C
(denke, Briefe, perlonlihe Befuhe, Bianca tröf
zu wollen. Sie überhörte feine Borhen, lehnte fei
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet; na!
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug:
blic€ von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feined Gefprächs blickte fie auf Bonavı
turiꝰs blutige ode, und — ſchwieg. |
ber eben den Zürften, den fie unter vier Aug
nicht ſprechen wollte, ſuchte ſie deſto fleißiger an Offen
chen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und ı
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenclich gez.
ter Harm. Selbſt das Voll, — wiewohl ed den leb
den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünfdt b«
— hedauerte jeßt, nad) Art des Volks, den Erm
beten; zumabl da er folh einen Fürſprecher fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer ZarclichEi
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
bie Höflinge darüber zu wigeln, die Damen dark
zu lächeln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſte
allgemziner Bewunderung ; erhielt Billigung fei
von folhen Perſonen, auf welche die Leidende gen
am leuten gerechnet hatte.
Langſt ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumı
Aber die Rälte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich ſelbſt zugufchreiben hatte! — na
cz L 3 107,723
unheilbar an dem Keim ihres ohnedem fhwächlichen Lee
hend. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras
then worden; und ward „ihr dann unverkennbar, als
| Bonaventuris Gattinn am Hofe erſchien, oder viele
mebr: erfiheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Bliden ſchaute die ſtolze Kaiſerſtoch⸗
ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofdamen — nit aufgetreren‘
‚ wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca’s
Blicken galt für trüglihe Kunft , ihr prachtiloſer, eins
facher Anzug für ſtolze Selbftgenügfamkeit, die ſchon
durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Stanz
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud un⸗
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern durch Johanna's Glieder. Aber fo lauter war
Bianca’s fih immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas Keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich die
Fürſtinn fich felbft geftand: Bianca beglnftige wenig»
ftens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der
Unmwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argmohn
für Elinftig nie gan, entwich.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da mar ihre
erftier Ausruf: Aa, diefen Banditendold ſchliff eine
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Micc!’s nachgefegt würde, mit bike
tree 14 IRRE
term Radeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schlan⸗
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß verle«
Ben.” — Von Neuem erwadte zugleich ihr Verdacht
gegen Bianca felbft. „Sie wäre die Erite nicht, flüs
„iterte oft halbleife Zohanna, die vor Münnermordb,
„oder wenigftend vor Theilnahme an demfelben, mins
„der ald vor Ehebruch fih ſcheuete.“ — Erſt, als uns
abläffig ‚ die Verwitwete bas rihterliche Schwert um
Mache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stimme
zu ihrem Lobe ward ;da entſchloß ſich Johanna — nicht,
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sorten
bar genug war der Entſchluß; faft fonderbarer noch
deſſen Ausführung. |
Denn ald einft Bianca, ganz allein mit ihrem
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnklchen
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fi fiber vor als
lee Störung wähnte; da öffneten fi fihnell die Thü⸗
zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .
Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit?
Großh. Warum erfhridft Du? Darf eine
Trauerhde nicht die andere befuhen? Darf ich, des
Leidens wahrlich jchon Eundig genug, nicht auch Theil
an den Leiden einer Andern nehmen? j
Bianca. Euer Hoheit —diefe Gnade — biefe
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Luft,
jegt fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweifeln,
Echte Trauer pflegt fonft nıht auf Auszeichnung und
Unterſchied zu achten. Ihr ift nur das MWerlorne wich⸗
tig, das — Fein Bott ju erfegen vermag, Als ich zu⸗
. 15 *
erſt mit Überzeugung wußte, daß Franzens Herz mit
abwendig geworden ſey, da haͤtten Engel vom Him⸗
mel herabſteigen und meine Troſtung verſuchen koͤn⸗
nen. Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre ich
mich Hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch
vieleiht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid umzus
fhauen und zu richten Fam ich bierber (indem ſie Bianca
farr betrachtet. Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen gerötbet; diefe ſchönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗
chen von ungeheucheltem Schmerz.
Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗
mels, wäre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir
bezweifelte?
Graßh. Es iſt moͤglich; es if verzeiblich fogar!
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen
nicht mit Harm, fondern mit lächelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden höchſtens im Angefiht der Menge,
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. —
Wohlan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes
Simmers fhon die Fürſtinn bahinten gelafleny ich
will jegt audy eben fo ganz und freywillig der Neben⸗
bublerinn entfagen; will —
Bianca (einfaltend.) Der Nebenbuhlerinn? DO
diefes einzige Wort fage mir Alles. Aber au bey als
lem, was heilig ift, durchlauchtige Bebietherinn ſchwoͤ⸗
ve ih, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ;
und nie — nie fol er auch künftig —
Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle
dich nicht mit Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich
NA 10 wer
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, diefes
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele
nicht ftöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden.
— Was Sie verloren, ſchöne Bianca, war viel, die
Art, wie Sie. ed verloren, ift fhmerzbaft. Aber
vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht,
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer,
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden,
einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen; würde als Großherzog ſeine ganze
Macht, als Franz von Medicis ſeine ganze Seele Ih⸗
nen weiben; würde zu Ibren Füßen — — Wie} Sie
hören nicht einmahl auf mich?
Bianca. Ich fehe nur auf dieſes Armband hier!
Es find Bonaventuri’s Haare, beflect mit Bonaven⸗
turi's Blur. Heute vergoſſen; heute exft! doch aud
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol diefes,
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem
Gedaͤchtniß jhmweben! -
Großh. Und wenn nun das Mufen biefes ver-
goffenen Blutes geitillt würde ? Wenn der Racher ganz
teıne Pflicht erfüllte?
won 1 mn |
Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben ; Sram und Schmerz. machen meine Zunge .
ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermds
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem
Füeſtenſtuhl wieder ‚ um lauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud im
diefem Gemach erfiheinen Die, fo oft ed Ihnem gut,
daucht. Jede Thür meines Pallaftes hat für Sie kein
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger noch als er
nen Engel der Liebe erfcheinen; wünfhte auf Ihr Herz
— doch kein Wort mehr heute davon! Noch ift She
Kummer zu ſtark und zu neu, ald auf angebothene
Zröftung diefer Urt zu achten. Aber, fhöne Bianca,
auch Kranz von Medicis wird nicht unterlaifen, auf‘
Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ie.
ſuchen.
Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbit! di .
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn iſt
Gemach fortan beitimmt. Es glenheger;Z; de, siner
Gottgeweihten! Zu weinen, zu Ki 4 en kintinen.;
Entrifenen, fey dort mein ein; ziged” Ah Ä |
Trauer ſoll jeden Blick des Tüchelnd,. Deufjer werden
jeden Ton der Freude, mirhin au. — jeden Veſuch
veriheuden. .
Bianca ging. Reisender, als in biefem ſchwar⸗
zen Gewande,, fiegender als mit Diefer Miene des.
Schmerzens, hatte fie: noch nie vor Franzen geſtanden.
wen 12 wwe
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ihr. Auch bielten Beyde, was ſie einander zugeſa
hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, C
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; na!
feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch.
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug
blic€ von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı
tur’s blutige Locde, und — ſchwieg. |
Aber eben den Sürften, den fie unter vier Aug
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiger an öffen:
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihn
ihn oft mit lauter Stinme um Nachforſchung und ı
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9
ei's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenclich gez.
ter Harm. Selbit das Voll, — wiewohl eb den leb
ten, allzu hoc gefliegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünſcht be
— hedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm
deten; zumabl da er ſolch einen Fürſprecher fai
Bianca's edelihe Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
bie Hoöflinge barüber zu wigeln, die Damen darü
zu laͤcheln verſucht hatten — ward bald ein Gegenſte
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe
von ſolchen Perſonen, auf weiche die Leidende gen
am leiten gerechnet hatte.
Cängft fon ſiechte die Großperzoginn. Kumn
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich ſelbſt zugufchreiben hatte! — na
sysh L 3 —X
unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗
dens. Mit eiferſüchtigen Augen hatte ſie ſtets ſeine
Worte, ſeine Mienen, ja, wenn ſie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verra⸗
then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar, ale
| Bonaventuri’d Sattinn am Hofe erfhien, oder viele
mehr. erfcheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Blicken ſchaute die ſtolze Kaiferstochs
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben ber glänzenden Hofdamen — nicht aufgetreten‘
. wäre, Alles war ihr ſchon im Woran an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unfhuld in Bianca's
Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachiloſer, eins
facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon
durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Franz
nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferſucht alles vergrößernde® Trugglas Eeinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie
Fürſtinn fi feldft geftand: Bianca beglinftige wenig⸗
ftens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daß der
Unwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argmohn
für Elinftig nie ganz entwid.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen«
blicke eine furdtbare Vermuthung wieder; da mar ihr
erfier Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine
ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Nicc!s nachgefegt würde, mit bite
—X 14 ans
term Lächeln: „O fie entfommen gewiß! Das Sl
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß ver
ben.” — Bon Neuem erwachte zugleid ihr Verda
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f
„iterte oft halbleife Zobanna, die vor Maͤnnermor
„oder wenigftend vor Theilnahme an demfelben, m
„der als vor Ehebruch fi ſcheuete.“ — Erſt, als ı
ablaͤſſig, die Verwitwete das rihterlithe Schwert ı
Rache anflebte; als ganz Florenz; nur eine Stim
zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna — nic
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen
Augen zu prüfen: ob Bianca nit beuchle? Sond
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer n
beffen Ausführung. |
Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihr
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewähnfid
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor
ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Zt
zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd |
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felbit vor ihr.
Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit?
Großh. Warum erſchrickſt Du? Darf ei
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ich, t
Leidens wahrlich jhon Eundig genug, nicht auch Th
an den Leiden einer AUndern nehmen?
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — bi
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Eignora! Sıgnora! Faſt hätte ih Eu
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife
Echte Trauer pflege font nicht auf Auszeihnung u
Unterfchied zu achten. Ihr ift nur das Verlorne wi
tig, das — Fein Bots ju erfegen vermag. Als ich
mon 15 Mer
erft mit Überzeugung wußte, daß Sranzens Her mie-
abwendig geworden fey, da hätten Engel vom Sims
mel berabfteigen und meine Tröſtung verfuchen Eöns
nen. Sch würde kalt und ernſt — doch wo veritre ich
mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch
vielleicht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid) umzu⸗
[hauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca
frz betrachtet.) Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen geröthet; diefe fchönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗
chen von ungeheucheltem Schmerz.
Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗
mels, wäre ed möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir
bejweifelte?
Graoßh. Es ift moͤglich; es it verzeihlich ſogar!
denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen
nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden höchſtens im Angeſicht der Menge,
doch nicht im einſamen Gemach ihn betrauern. —
Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich habe an der Schwelle dieſes
Zimmers ſchon die Fürſtinn dahinten gelaffeny ich
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗
buhlerinn entſagen; will —
Bianca (einfallend. Der Nebenbuhlerinn? O
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat
nur ein Gedanke, Dem aͤhnlich, meine Seele befleckt;
und nie — nie fol er auch künftig —
Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri! Feßle
dich nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich
ma 10 —
drehen, oder wenn bu fie ſprengteſt, dir zum lebenstäı
Sihen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A
worte erft dann, wenn ih did frage! Sch habe t
gebaft, wie man einen Zodfeind haßt; gebaßt v
dem Augendlid an, als ich zuerft deinen Nabe
börte, und noch ftärker feir jenem, als ich zuerft ?
fab. Ich babe dich umſtellt mit Aundfchaftern rı
berum; id war im Voraus gewiß, was fie mir m
den würden; und — id babe mich geirrt. Wie f
mein Gemabl dich liebe, überzeugte mich mein eige
Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte
Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldli—
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ih mid
bie Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an !
ſelbſt! Sprich: hart du nie Gegenliebe zu ihn gefül
ober geheuchelt?
Bianca. Ich liebte in meinem Leben nur ein
Mann; und dieſer Eine liegt im Grabe. — Liebe
heuchelt habe ich nie!
Großh. Kannft du Das mit einem Eidſchr
befräftigen ?
Branca. Mit Taufenden! Und jeder Blutst
pfen meines ermordeten Batten werde eine eigene H
für mid , wenn ich falfch ſchwöre!
Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit
dieſen Lippen, Verftelung unter diefen Zügen, ei
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth
Dieß hieße einer Menſchenfeindlichkeit fih fhuldig |
den, die ich nie bejaß , und die ih jegt am Ra
des Grabes für ein Lafter achten würde. Wohl,
Bianco Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermorl
bisher dein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan;
Pflich
... 17 rn
Pflichten ehrlicher Treue erfüllteſt, daß aller x Gliam
irdiſcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke
der hoͤfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln,
geſchweige zum Fall verleiteten, dann — in propheti«
fhem @eifte betheuere ich es dir! — dann werben bald
Zeiten Fommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo
deine Seele wieder Sreude, und dein Gram Beruhi⸗
gung empfängt. |
Bianca. Ah, ich Eenne nur eine Beruhigung,
nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mich
ſelbſt — das Grab.
Großh. Mein! Nein! Mir iſt ed bald dort hin⸗
ab zu ſteigen beſtimmt! du hingegen — mit dieſem
Kuffe weih' ih dich ein: — fey glüclicher als ich! Ver»
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich
erſchreckte! — Ih — Das fühle ih nun innig und
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung
werde ich von nun an deinen Nahmen nennen, mit
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im
Wege dir ſtehen!
Sie entfernte fid ſchnell, indem fie Bianca ernft:
lich alle Begleitung verbosh. Der Ruf diefes feltfa
men Beſuchs — des einzigen, ben die fonft ſtolze Kai⸗
ferötochter einer ihrer Hofdamen abgeftattei, — durchs
flog ganz Florenz. Man rieth und dichtete, verfchönte
und entftellte taujenderley an ihm. Bianca felöft zu .
befragen wagten nur äußerft Wenige, und erhielten
auch nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede
Verkündigung Eünftigen Glücks macht Eindrud aufs
menfshliche. Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug⸗
Meißners Bianca Gap. 2. Th. B
AR 10 we
befhwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berb
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, bie
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Se
nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide blicke
— Was Sie verloren, fhöne Bianca, war viel, |
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. U
"vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt fie
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche ei
Hoffnung! Wollte Gott, dab Bonaventuris Leben
Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jegt fr.
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung r
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; ſich SShr
ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuth nimmer |
zu Schulden kommen Tieß; und zwar das Herz eit
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bied:
mannesift. — Nie würde biefer neue Merehre
wenn er das Glück hätte, auch der Geliebte zu werd:
einen Augenbli nur den unfhäßbaren Werth ih
Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ga
Macht, als Franz von Mebicis feine ganze Seele“
nen weiben; würde zu Sshren Süßen — — Wie} €
bören nichr einmahl auf mich?
| Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hi
Es find Bonaventuri’s Haare, befiedt mit Bonav
turi's Blur. Heute vergoſſen; heute erſt! doch a
nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll die
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in mein
Gedächtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen diefes v
goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Nücer g
leine Pflicht erfüllte?
un 1 nn
- Bianca. Dem meinen innigften , feurigffen
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben; Gram und Schmerz. machen meine Zunge .
ſchwer, machen zu fernerm Gefpräde mid unvermös
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem
Füeſtenſtuhl wieder, um lauter nod meine heutige
Bitte zu erneuern.
Großh. Nicht wor ihm allein, fondern auch im
diefem Gemach erfcheinen Sie, fo oft ed Ihne guts
daͤucht. Jede Thür meines Palaftes har für Sie kein
Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger noch als eir |
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünfhte auf Ihr Herz
— doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angeborhene
Tröſtung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca,
auch Franz von Medicid wird nicht unterlaffen, auf'
Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu ir
ſuchen.
Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbiciig SR
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn it Min
Gemach fortan beitimmt. Es geht —3
Gottgeweihten! Zu weinen, zu Ei; men.
Entriffenen, fey dort mein einzigeh dfe ! Tie
Trauer ſoll jeden Blick des Laͤchelns Deufjer werden
jeden Ion der Freude, mithin auch. — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗
zen Gewande-, ſiegender als mit dieſer Miene des.
Schmerz ens, hatte fie noch nie vor Franzen geRanden.
nor. 12 wo.
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ihr. Auch hielten Beyde, was jie einander zugeſa
hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, C
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei
Geſchenke ab, Tieß feıne Briefe unbeantwortet ; na!
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch
von zwey Kammerfrauen an, die fi Eeinen Aug.
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonavı
turi's blutige Locke, und — ſchwieg.
Aber eben den Fürſten, den ſie unter vier Aug
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiger an Offen
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und |
dic ernftlichften Maßregeln gegen die entflohenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffentlich gez
ter Harm. Selbſt das Bold, — wiewohl es den leb
den, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht bi
— dedauerte jegt, nad) Art ded Volks, den Erm
deten; zumabl da er fol einen Zürfpreder fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
die Hoflinge darüber zu wigeln, die Damen darü
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt
allgemeiner Bewunderung ; erbielt Billigung fe
von folhen Perionen, auf weiche bie Leidende ger
am leuten gerechnet hatte.
Cangft fhon ſiechte die Großherzoginn. Kumı
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theil ſich felbft zugufipreiben hatte! — na
\ sy 1 3 X
unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee
hend. Mit eiferſüchtigen Augen hatte fie ſtets feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie ed vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Aud feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras
then worden; und warb „Ihr dann unverkenndar , ale
| Bonaventuri'd Gattinn am Hofe erfdien, oder viels
mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein
durshfchneidenden Blicken ſchaute die ſtolze Kaiferstods
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofdamen — nit aufgetreten
. wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unfhuld in Bianca’s
lien galt für trügliche Kunſt, ihr prachiloſer, eine
facher Anzug für folge Selbſtgenügſamkeit, die fon
durch eigenen Werth zu fiegen boffe. ©o oft ſich Stanz
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud uns
„ bedeutende Worte mis ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferſucht alles vergrößerndes Trugglas keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich bie
Fürſtinn fi felbft geftand: Bianca begünftige wenig⸗
ftend die Neigung nicht, die fie erregt habe; daß der
Unmille für jetzt ſchwand, wenn glei der Argwohn
für Elinftig nie gan, entwich.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen«
blide eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr
erfier Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine
ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, bag den Ricckes nachgefegt würde, mit bite
Mesa 14 ne
term Sadeln: „O fie entfommen gewiß! Das Schlan⸗
genhaupt wirb doch nicht feinen eigenen Schweiß verle«
Ben.” — Von Neuem erwachte zugleich ihr Verdacht
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, flüs
„iterte oft halbleiſe Johanna, die vor Münnermorb,
„oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, mins
„der als vor Ehebruch fi ſcheuete.“ — Erſt, als uns
abläffig, die Verwitwete das rihterlithe Schwert um
Mache anflehte; als ganz Florenz nur eine Stimme
zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna — nicht,
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Soden
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nod
deſſen Ausführung.
Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihrem
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnfichen
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fidh fiher vor als
ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Thü⸗
ven ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .
Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?
Großh. Warım erfhridft Du? Darf eine
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ich, des
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Theil
an den Leiden einer Andern nehmen?
Bianca. Euer Hoheit —dieſe Gnade — dieſe
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Luft,
jest fhon an der Innigfeit Ihres Harms zu zweifeln,
Echte Trauer pflegt fonft nıcht auf Auszeichnung und
Unterfchied zu achten. Ihr ıft nur das Verlorne wich⸗
tig, das — Fein Gott ju erfegen vermag. Als ich zus
on 15
erſt mit uͤberzeugung wußte, daß Franzens Her; mir-
abmendig geworden fey, da hätten Engel vom Him⸗
mel berabfteigen und meine Tröftumg verfuchen Eöns
nen, Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre ich
mich Hin? Nie um Vorwürfe zu ergießen, die doch
vieleicht ungerecht fepn Eönnten, nur um mid) umzu⸗
fhauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca
ſtarr Setragtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und biefe Züge des Geſichts ſpre⸗
chen von ungeheucheltem Schmerz.
Brlianca (thränend emporblicend.) Mächte des Him⸗
mels, waͤre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir
bezweifelte?
Graoßh. Es iſt moͤglich; es it verzeihlich ſogar!
denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen
nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden höchftens im Angeſicht der Menge,
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. —
Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes
Zimmers fhon die Fürftinn dahinten gelaffeny ich
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗
buhlerinn entſagen; will —
Bianca (Ceintallend) Der Nebenbuhlerinn? O
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie bat
nur ein Gedanke, Dem aͤhnlich, meine Seele befleckt;
und nie — nie fol er aud künftig —
Großh. Halt ein, Bianca Boniaventuri ! Feßle
Did nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich
II 10 wem
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nit bleihe, dieſes
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden.
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die
Art, wie Sie. es verloren, it f[hmerzhaft. Aber
vergeſſen Sie nicht, daß ed ganz in ihrer Gewalt ſteht,
das DVerlorne wieder zu erfangen.
Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jegt frey⸗
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fi Ihnen
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer fi
zu Schulden Fommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eined Bieders
mannes if. — Nie würde diefer neue Verehrer,
wenn er das Glüd hätte, auch der Öeliebte zu werden,
einen Augenbli nur den unfhägbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗
nen weiben; würde zu Sshren Süßen — — Wie} Sie
bören nicht einmahl auf mid?
Bianca. Ich febe nur auf dieſes Armband hier!
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗
turi's Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, ſoll dieſes
Meute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jeßt, in meinem
Gedaͤchtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes ver⸗
goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Racher ganz
leine Pflicht erfüllte?
j
‘
— m |
Bianca. Dem meinen innigften , feurigffen
Dank, der Dieb vermog! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben; Gram und Schmerz; machen meine Zunge .
ſchwer, machen zu fernerm Gefprädhe mid) unvermöds
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtig—
keit verzieht — bald erfcheine ich kann vor Ihrem
Kürftenftupl wieder, um lauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud in
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen gutzs
daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes hat für Sie kein
Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger noch als eis |
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünſchte auf Ihr Herz
— doch kein Wort mehr heute davon! Noch ift She
Kummer zu ſtark ugd zu neu, als auf angeborhene
Tröſtung diefer Urt zu achten. Aber, ſchöne Bianca,
auch Franz von Medicis wird nicht: unterlajfen, auf'
Ihrem eigenen Zimmer Sie bann und mann zu ir
ſuchen.
Bianca. Er erlaube wir Diefes zu verbitg
Nur dem Kummer der verwitweten Gattinn it Min
Gemach fortan beitimmt. Es — 0e viner
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flag, *
Entrifenen, ſey dort mein einziged‘ I
Trauer voll jeden Blick des Laͤchelns Deufjer werden
jeden Ton der Freude, mirhin auf — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗
zen Oewande-, fiegender als mit biefer Miene des.
Schmerz ens, harte fie: noch nie vor Franzen geRanten.
12 vo.
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ihr. Auch hielten Beyde, was ſie einander zugefa
hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, &
ſchenke, Briefe, perſonliche Befuhe, Bianca troöf
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; nal
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Gefellfch.
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Augı
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı
turı’s blutige Locke, und — ſchwieg.
ber eben den Zürften, den fie unter vier Aug
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleißiger an öffen:
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befih
ibn oft mir lauter Stimme um Nachforſchung und ı
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo öffentlich geze
ter Harm. Selbſt dad Volk, — wiemohl es den leb
den, allzu hoc gefliegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht ba
— bedauerte jegt, nad) Art des 'BolE3, den Erm
deten; zumahl da er fol einen Zürfpreder fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
bie Höflinge barüber zu mwigeln, die Damen dark
zu lächeln verfucht hatten — ıward bald ein Gegenſt
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe
von folhen Perſonen, auf welche bie Leidende ger
am leiten gerechnet hatte.
Langft fhon ſiechte die Großherzoginn. Kumr
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich felbft zugufchreiben hatte! — na
rssih L 3 euer
unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗
dens. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras
then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar , als
Bonaventuri's Gattinn am Hofe erfhien, oder viels
mehr erſcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Bliden fchaute die ſtolze Kaiſersſtoch⸗
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Rei⸗
‚ben ber glänzenden Hofdamen — nit aufgetreten‘
‚ wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verhaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's
Blicken galt für trügliche Kunſt, ihr prachtloſer, ein⸗
facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon
durch eigenen Werth zu ſiegen hoffe. So oft ſich Franz
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, auch uns
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferſucht alles vergrößerndes Trugglas keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie
Fürſtinn ſich felbft geftand: Bianca beglinftige wenig«
ftens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daB der
Unmwille für jegt fhwand, wenn gleich der Argwohn
fuͤr künftig nie ganz entwich.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen«
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr
erfier Ausruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Riccys nachgefegt würde, mit bite
nen GB. nage
Großh. Sie haben Roche, fehr Reht, diefen
legten Grund zu wiederholen. Keiner der vorherigen
ift geringe; doch diefer dürfte leicht der flärkfte von al⸗
len ſeyn! — (Er ſcheult, ein, Bedienter Font.) Der Lien⸗
tenant von meiner Wache!? — (Bedienter 46.) Sie ſollen
ſehen, Schoͤnſte der Frauen, wie viel ein Wort von Ih⸗
nen bey mir vermag; wie ſehr es mich über Bedenk⸗
lichkeiten hinweghebt die ſonſt keineswegs unerheblich
geweſen waͤren.
Lieut. (eintretend.) Euer Durclaucht Befehl —
Großh. Man nehine ſogleich Robert Ricci und
ſeine Söhne, und alles fein Hausgeſinde in Verhaft!
Den Alten bringe man vor mich ſelbſt; die Andern in
den Kerker.
Lieut. Euer Durchlaucht verzeihen mir —
Großh. Und was? doch feine Einwendung }
Lieut. So eben ward gemelder , daS Robert
Ricci und feine zwey Söbne ſich heute früh mit Tages
Anbruch nah Pifa zu geflüchter bätten; warum? weiß:
man noch nicht.
Bianca, Aber ih weiß es nur allıu gutz —
(mit emporgehoßenen Händen.) Ewiger, allgerechter,, allfes
bender Sort! Aus den Grenzen von Toscana, ja aus
Kureya felbit , Eönnen fie entfliehen 5, aber aus den
Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht niche! Wo
du fierfindeft,, (ey ihnen VBergelter! Der Schatten des
Srwürgten , und mein Sammer folge über Land und
Meer jedem ihrer Schritte nach! — Gnäbdigfter Herr —
Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ich errathe
ihre Bitte. Noch find die Ricci und nicht entgangen.
ben diefe Flucht vielmehr kann für die Verbrecher
nachtheiliger werden. Sie zeigt Eräftiger gegen Dieſel⸗
nass 9 —X
ben, als 3 aller bisheriger Argwohn, und wenn man fie
erreicht, ſoll es an meinem Willen und an Anftalten
zu ihrer. Strafe nicht gebrehen. — (Zum Lieutenant.)
Daß man aufs fehnellite den Entwichenen nachſetze!
Ein öffentliher Ausruf ergebe ! Ein Preis von taufend
Ducaten ftehe auf ihrer Verhaftung! Woman fie
findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies
nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben werde eins
gezogen!
Lieut. Sogleich, Euer Durchlaucht! (Er geht;
auch Bianca will fi, mit ſchweigender Verdengune, entfernen;
Franz faßt fie bey der Hand.)
Grokh. Noch einer Augendlick Verzug, Signos
ra, wenn ich bitten darf! Sie fehen meine Begierde,
Ahnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das
Blur meines erfhlagenen Freundes zu rächen; hörten.
ſelbſt, was ich geboth. Mancherley Gründe, Ihren
Wünſchen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend
gemacht. Jeder derfelben war wichtig; des ſtaͤrkſten
unter allen ſtarken, — desjenigen, der mir unvere
geßlich ift, vergaßen Sie doch: vergaßen der liebe,
die ih gegen. Sie hege, und hegen werde, fo lange
dieſes Herz noch ſchlaͤgt, dieſes Licht des Lebens nicht
verlöfcht.
Bianca (die fi entfernen win.) Mein fürftlicher
Gebiether verzeihe —
Groß h. (fie zurüdbaltend.) Nein, Reizendſte ihres
Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe
Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗
dern Eönnen — erböthig, ohne Furcht vor Mißfallen
ded Volks, vor Auffkand und Gefahr, Ihrem Gatten
ein blutiges Sühnopfer zu bringen — eben diefe Liebe
NR 10 VESOR
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berb
Kummer, dab er diefe Wange nicht bleihe, bie
himmliſche Auge nidyt- trübe ; die Heiterkeit einer Se
nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide blic
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, |
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. A
vergeſſen Sie nit, daß e8 ganz in ihrer Gewalt fie
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca. Es wieder zu erlangen? Welde ei
Hoffnung! Wollte Sort, daß Bonaventuris Leben
Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jetzt frı
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung r
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fi Spr
ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuch nimmer {
zu Schulden Eommen Tief; und zwar das Herz ei
Fürſten, aber gewiß noch mehr eined Bied:
mannes ift. — Nie würde biefer neue SBerehr:
wenn er das Glück hätte, auch der Beliebte zu werd:
einen Augenblid nur den unfhägbaren Werth ih
Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ga
Macht, als Franz von Medicis feine ganze SeeleS
nen weiben; würde zu Shren Füßen — — Wie? €
bören nicht einmahl auf mid?
| Bianca. Ich ſehe nur auf diefed Armband bi
Es find Bonaventuri's Haare, befleds mit Bonav
turi's Blat. Heute vergsiien; heute exft! doch a
nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll die
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in mein
Gedäaͤchtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen diefes ı
goſſenen Blutes geſtillt würde ? Wenn der Racher g
leine Pflicht erfüllte?
ae 3 BE Ze |
Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben ; Gram und Schmerz machen meine Zunge.
ſchwer, machen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermds
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtig⸗
keit verzieht — bald erſcheine ich dann vor Ihrem
Füeſtenſtuhl wieder ‚ um lauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
Brtoßh. Nicht vor ihm allein, ſondern auch in
diefem Gemach erfiheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts
däucht. Sede Thür meines Pallaftes hat für Sie Eein
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger nod als eis
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünfhte auf Ihr Herz
— doch fein Mort mehr heute davon! Mod ift She
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angebothene
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, ſchöne Bianca,
auh Franz von Medicid wird nit unterlaffen, auf
Ibrem eigenen Zimmer Sie bann und wann zu ir
ſuchen.
Bianca. Er erlaube mir Diefes zu verbiti
tur dem Kummer der berwitwweten Gattinn it JR
Gemach fortan betimmt. Es gleiche Ber;
Gotigeweihten! Zu weinen, zu ita — — tinen.
Entriffenen, fey dort mein ein; zigeß —* Tief⸗
Sraner ſoll jeden Blick des Laͤchelns Deufʒer werden
jeden Ton der Freude, mithin auch — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwor⸗
zen Gewande-, ſiegender als mit dieſer Miene des.
Some; ens, harte fie noch nie vor Franzen gefanden.
— 12 we
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ihr. Auch hielten Beyde, was ſie einander zugeſa
hatten. Er ward nicht müde, durch Bothſchaften, C
ſchenke, Briefe, perſönliche Beſuche, Bianca troͤß
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte ſei
Geſchenke ab, ließ ſeine Briefe unbeantwortet; nal
feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch
von zwey Kammerfrauen an, die ſich Eeinen Aug.
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı
turı’s biutige Rode, und — ſchwieg.
Aber eben ben Zürften, den fie unter vier Aug
nicht fprechen wollte, fuchte fie defto fleifiiger an öffen
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihr
ihn oft mir lauter Stimme um Nahforfchung und ı
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo öffentlich geze
ter Harm. Selbſt dad Wolf, — wiewohl ed den leb
ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht ba
— bedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm
deten; zumahl da er fold einen FZürfpreder fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
die Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darü
zu lächeln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt
allgemeiner Bewunderung ; erbielt Billigung fe
von ſolchen Perſonen, auf welche bie Leidende ger
am letzten gerechnet hatte.
Cängft fon ſiechte die Großherzoginn. Kumt
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich felbft zugufihreiben hatte! — na
sysh 1 3 07,273
unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗
hend. Mit eiferfüctigen Augen batte fie ſtets feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belaufgt. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras
then worden; und ward „ihr dann urvertenndar , als
| Bonaventuris Gattinn am Hofe erfhien, oder viele
mehr. erfheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Blicken ſchaute die folge Kaiſerstoch⸗
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofpamen — nit aufgetreten“
. wäre, Alles war ihr fhon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's
Blicken galt für trügfihe Kunſt, ihr prachilofer, eins
facher Anzug für flolze Selbftgenügfamkeit, die ſchon
durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft fid) Franz
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aub uns
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern dur Johanna's Glieder. Aber fo lauter war
Bianca’s fih immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferfuht alles vergrößerndes Trugglas Keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte ; daß endlich bie
Fürſtinn fich felbft geftand: Bianca begünftige wenige
fiens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der
Undpille für jegt ſchwand, wenn gleih der Argwohn
für Elinftig nie gan, entwich.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augene
blicke eine furdtbare Vermuthung wieder; da war ihr
erfter Audruf: Sa, diefen Banditendolch fhliff eine
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Riccys nachgeſetzt würde, mit bite
wen 5 —
Großh. Nochmahls, Signora, ſtehen Sie auf,
wenn ich anders Sie hören, wenn ich überhaupt bier
bleiben fol! Sie ſprechen zu mir fo ernſt, fo feyer:
lich, fo flebend, ald wollten Sie mich zu einem bars
ten, widrigen Entſchluß bewegen; und doch befieble
mir, was Die bitten, allerdings fhon mein eigenes
Herz. — Hier haben Sie meine Hard, und mit ihr
das Wort eines Kürten, der fein Wort noch niemahls
brach; ih will Alles anwenden, was in meinen Aräfe
ten ſteht, um die Mörder zu entdecken und zu ſtrafen.
Genügt Ihnen Das? Steben Sie noch nicht auf!
Bianca (fih erhebend.) Es genügt mir! denn
naͤchſt Gottes Wort graue ih dem Wort meines Für
ſten am ftärtften.
Großh. Damit Sie aber auch nicht mehr hof
fen, als ich zu gewähren vermag , fo beflimmen Cie
nun ſelbſt die Grenzen Deffen, was ich zu thun habe!
Sie Flagen über die Mörder ihres Gernahls, und kla⸗
gen mit vollſtaͤndigſtem Rechte. Sie nennen mir die
Ricci als Verbrecher; und, ich beſorge, auch Dieß ge⸗
ſchhieht mit Recht. Aber Argwohn iſt noch nicht Ge⸗
wißheit. Bloß nach dieſer Letztern darf der Richter
ſprechen; nach Jenem ſpricht und handelt der Thrann.
Bianea. Sehr wahr! Doch der gerechte Richter
futt auch Wahrſcheinlichkeit in Gewißbeit zu verwan⸗
Zeln. Nicht um den Tod der Ricci, nicht um ihre Bes
ſtrafung unverhörter Weiſe bitte ich jetzt. Nur um ihre
Verbafeung, nur um Unterſuchung, fo unparteyiſch
und ernst ald möglich. Ste Eann dann nicht vergebens
ſeyn; Tas ſagt mir mein Herz.
Großh. Und ih glaube ihm gern! Ih will
nicht einmahl cinmenden, was ich als Fürſt eines off
—7 —
| uncufigen Volkes wohl einzuwenden vermoͤchte: daß
jedes gerichtliche Verfahren gegen vornehme Vers
drecher mit Gefahr und Beſorgniß verbunden iſt. Aber
wie dann, edle Bianca, wenn diefe Unterfuhung doc
anders ausfiele, als wie wünfdhten? Wenn doc) diefe
Ricci's nur vergolten, niht begonnen hätten?!
Wenn Boraventuri felbft der Urquell feines Todes
wäre? — Vergeflen Sie, wer zuerft beleidigte! —
m
-
Friede ſey mit der Seele unſers Pietro! Ich traure
um ihn, wig man um den geliebteften Blutsfreund
trauert; aber wahr bleibt es allerdings, daß er allzu
unvorfihtig die Eiferfuht eines maͤchtigen Hauſes
reiste. |
Bianca. Und wer hätte ein Reit jur Eifere
fucht gegen ihn gebabt, außer mir? WellenGastinn,
weſſen Tochter bat er verführe? Welche vorher
unbefholteneQugend ward durch ihn verd aͤchtig
gemacht? — Schwieg Robert Ricci's Biederſinn nicht
ſonſt ſchon bey ähnlichem Verdacht gegen Kaſſandra?
Schwieg er nicht ſelbſt dieß Mahl noch eine lange Zeit
hindurch, und redete dann nur, als ſein Schweigen
unbezahlt blieb? Stand Bonaventuri ſeiner Anrede
nicht, im Angeſicht des ganzen Hofes, mit dem Muth
eines Mannes? Und iſt Banditenmord, auch bey der
größten Beleidigung, nicht ſchaͤndliche, ſtrafwürdige
Nache? O Euer Durchlaucht! wenn Ihnen jemahls
der Nahme eines tugendhaften Fürſten theuer war;
wenn ich ſelbſt, ich wiederhohle es, ich Ihre demü⸗
thigſte Magd, Gnade vor Ihren Augen fand —
(Sie will ſich bier abermabls zu. feinen Füßen werfen; ez
hält fie noch auf, und unterbricht fie halblächelnd, mit vr
dentendem Tone.) ' 2
nen U. nage
Großh. Sie haben Recht, fehr Neht, bie
legten Grund zu wiederholen. Keiner der vorheri,
ift geringe; doch diefer dürfte leicht der ſtaͤrkſte von
Ien ſeyn! — (Er fHellt, ein Bedieuter kommt.) Der Qi
tenant von meiner Wache! — (Bedienter u.) Sie fo
feben, Schönfte der Frauen, wie viel ein Wort von
nen bey mir vermag; wie fehr es mich über Bede
lichkeiten hinweghebt, die fonft Eeineswegs unerheb
geweſen wären.
Freut. (eintretend.) Euer Durchlaucht Befehl -
Großh. Man nehme fogleih Robert Micci ı
feine Söhne, und alles fein Hausgeiinde ın Verba
Den Alten bringe man vor mich feldft; die Andern
den Kerier,
Lieut. Euer Durdlaudt verzeihen mir —
Großh. Und was? dod keine Einwendung?
Lieut. So eben ward gemelder , daS Not
Ricci und feine zwey Söbne fi heute früh mit Ta;
Anbruch nah Pifa zu geflüchter hätten; warum? m
man noch nit,
Bianca, Aber ih weiß es nur allıu gut;
(mit emporgehobenen Händen.) Ewiger, allgerechter, al
bender Gott! Aus den Grenzen von Totcana- ja «
Kuresa felbit , Eönnen fie entflieben ; aber aus |
Grenzen deines Reichs und deiner Allmacht nicht! 9
dis fierfindeft,, fey ihnen Vergelter! Der Schatten I
Erwürgten, und mein Sammer folge über Land u
Meer jedem ihrer Schritte nach! — Gnädigfter Herr
Großh. Faſſen Sie ſich, Signora! Ach erral
ihre Bitte. Noch find die Ricei und nicht entgang
ben diefe Flucht vielmehr Eann für die Verbred
nachtheiliger werden. Sie zeigt Eräftiger gegen Dief
—XX 9 —X
ben, als aller bisheriger Argwohn, und wenn man ſie
erreicht, ſoll es an meinem Willen und an Anſtalten
zu ihrer Strafe nicht gebrechen. — (Zum Lieutenant.)
Daß man auf's ſchnellſte den Entwichenen nachſetze!
Ein öffentlicher Ausruf ergehe! Ein Preis von tauſend
Ducaten ſtehe auf ihrer Verhaftung! Worman fie
findet, bringe man in Ketten fie zurück. Auch ihre Dies
nerfhaft , wenn einige zurückgeblieben , werbe eins
gezogen!
Lieut. Sogleih, Euer Durchlaucht! (Er geht;
auch Bianca will fi, mit ſchweigender Verbeugune, entfernen;
Sranı faßt fie bey der Hand.)
Großh. Nod einer Augenblick Verzug, Signos
ra, wenn ic) bitten darf! Sie fehen meine Begierde,
Ahnen zu willfahren ;fehen meinen thatigen Eifer, das
Blur meines erfchlagenen Freundes zu rächen; hörten
ſelbſt, was ich geboth. Mancherley Gründe, Ihren
Wünfhen Gewährung zu ſchaffen, haben Sie geltend
gemacht. Jeder derfeiben mar wichtig; des ftärkften
unter allen ſtarken, — besienigen, der mir unvere
geblih ift, vergaßen Sie doch: vergaßen ber liebe,
die ich gegen. Sie hege, und begen werde, fo lange
dieſes Herz noch ſchlaͤgt, dieſes Licht des Lebens nicht
verloͤſcht.
Bianca (die ih entfernen win.) Mein fürſtlicher
Gebiether verzeibe —
Groß h. (fie zurüdbaltend.) Mein, Reizendſte ihres
Geſchlechts, noch laß ich Sie nicht! denn eben dieſe
Liebe, erböthig für Sie Alles zu thun, was Sie for⸗
dern können — erböthig, ohne Furcht vor Mißfallen
des Volks, vor Aufſtand und Gefahr, Ihrem Gatten
ein blutiges Suͤhnopfer zu bringen — eben dieſe Liebe
NO 10 ven
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, dieſes
himmliſche Auge nicht trübe ; die Heiterkeit einer Seele
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide blicken.
— Was Sie verloren, fhone Bianca, war viel, die
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzhaft. Aber
"vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt fteht,
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca, Es wieder zu erlangen? Welche eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. O nein, auf Diefes dachte ich jetzt frey⸗
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer,
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden,
einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ihe
nen weiden; würde zu Shren Süßen — — Wie} Gie
bören nicht einmahl auf mich?
| Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband bier!
Es find Bonaventuri's Haare, befleckt mit Bonaven⸗
turis Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch
nad zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes
Heute fo itaıt, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem
Gedaͤchtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers
goſſenen Blutes geſtillt würde? Wenn der Racher ganz
leine Pflicht erfullte?
t
un 21 |
- Bianca. Dem meinen innigften , ‚feurigffen
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben; Gram und Schmerz machen meine Zunge.
ſchwer, machen zu fernerm Oefpräde mid unvermös
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Geredhtigs
keit verzieht — bald erfcheine ich kann vor Ihrem
Füeſtenſtuhl wieder, um fauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
Broßh. Nicht vor ibm allein, fondern aud ia
diefem Gemach erfiheinen Sie, fo oft es Ihnen guts
daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes bat für Sie kein
Schloß. Allerdings fühe ih Sie freudiger nod als ei⸗
nen Engel der Liebe erfheinen ; wünfhte auf Ihr Herz
— doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angeborhene
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca,
auch Kranz von Medicid wird nicht unterlaifen, auf'
Ibrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu be:
ſuchen.
Bianca. Er erlaube mir Dieſes zu verbitigut
tur den Kummer der berwitweten Gattinn iſt Mein
Gemach fortan beitimmt. Es gleiche Ber; geile riner
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flagta a weinen
Entriffenen, ſey dort mein einzige® Kalle Tiefe
Traner iolf jeden Blick des Loͤchelns, Seufjer werden
jeden Ion der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch
verſcheuchen. |
Bianca ging. Neizender, als in diefem ſchwar⸗
zen Gewande-, fiegender als mit dieſer Miene des.
Schmerzens, haste fie: noch nie vor Franzen geſtanden.
vor.. 12 ww
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ihr. Auch bielten Beyde, was jie einander zugefo
hatten. Er ward nicht müde, dur Bothſchaften, €
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca trofi
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei
Geſchenke ab, ließ feine Briefe unbeantwortet ; na!
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Aug
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feines Geſpraͤchs blickte fie auf Bonavı
turı’s blutige Locke, und — ſchwieg. j
Aber eben den Fürſten, den fie unter vier Aug
nicht ſprechen wollte, ſuchte ſie deſto fleißiger an öffen
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; beſchn
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffenslich geze
ter Harm. Selbſt dad Vol, — wıemohl eb den leb
ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünfdt 5:
— hedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm
deten; zumabl da er fol einen FZürfpreder fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
bie Köflinge barüber zu wigeln, die Damen darü
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe
von ſolchen Perionen, auf welche bie Leidende ger
am leisten gerechnet hatte.
Längft ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumt
Über die Kaͤlte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich felbft zugufihreiben hatte! — na
\ sysh L 3 DN7,779
unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee
dens, Mit eiferfüchtigen Augen batte fie fters feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Aud feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verras
then worden; und ward ‚ihr dann unverkennbar , als
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfhien, oder viele
mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Bliden ſchaute die ftolze Kaiſerdtoch⸗
ter auf jene Wenetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofdamen — nicht aufgetreten‘
. wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die fhüchterne Unſchuld in Bianca's
Blicken galt für trügliche Kunſt, ihr prachtloſer, ein⸗
facher Anzug für ſtolze Selbſtgenügſamkeit, die ſchon
durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz
nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Sittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war
Bianca's ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermodte ; daß endlich bie
Fürſtinn ſich feldft geftand: Bianca beglinftige wenigs
ſtens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß ber
Unwille für jest ſchwand, wenn gleich der Argwohn
für Elinftig nie gan, entwid.
Aber, ald Jobanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augene
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr
erfter Audruf: Sa, diefen Banditendold ſchliff eine
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Niccı’s nachgefegt würde, mit bite
—X 14 —XRX
term Ladeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweit ver
Ben.” — Bon Neuem erwadte zugleid ihr Verda
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f
„iterte oft halbleife Zobanna, die vor Münnermor
„oder wenigſtens vor Theilnahme an demfelben, m
„der als vor Ehebruch fih ſcheuete.“ — Erſt, als ı
abläffig , die Verwitwete das richterliche Schwert ı
Mache anflehte ; als ganz Florenz; nur eine Stim
zu ihrem Cote warb ;da entſchloß ſich Johanna — nic
ihren Argwobn fahren zu laſſen, fondern mit eigen
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sond
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nm:
deſſen Ausführung.
Denn ald einſt Bianca, ganz allein mit ihr
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnkich
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor
ler Störung wähnte; da öffneten fich ſchnell die Te
zen ihres Gemachs; da ftand, ald fie verwundernd
Augen aufſchlug, die Großherzoginn feltit vor ihr. .
Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?
Großh. Warım erfhridft Du? Darf ei
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, t
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Th
an den Leiden einer Andern nehmen?
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — bi
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Signora! Signora! Faſt hätte ih Qu
jetzt ſchon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife
Echte Trauer pflegt ſonſt nicht auf Auszeichnung u
Unterſchied zu achten. Ihr iſt nur das Verlorne wi
tig, das — Fein Bott zu erſetzen vermag, Als ich
— 18 Mg
erft mit Überzeugung mußte, daß Sranzens Herz mie:
abwendig geworben fey, da hätten Engel vom Him⸗
mel berabfteigen und meine Tröſtung verſuchen koͤn⸗
nen. Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre ich
mich pin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch
vielleicht ungerecht feyn Eönnten, nur um mid umzu⸗
fhauen und zu richten Bam ich hierher (indem Re Bianca
Rarr betrachtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts [pres
hen von ungebeudeltem Schmer;.
Bianca (thränend emporbiidend.) Mächte des Hims
mels, wäre es möglich, daß man felbft Dieß an mir
bejweifelte 2
Großh. Es ift moͤglich; es if verzeiblich fogar!
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entrifienen
nicht mit Harm, fondern mis lächelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden hoͤchſtens im Angeficht der Menge,
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. —
Wohlan, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes
Zimmers fhon die Fürſtinn dahinten gelaffeny$ ic
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗
buhlerinn entſagen; will —
Bianca Cenfallend. Der Nebenbuhlerinn? O
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befleckt;
und nie — nie fol er aud künftig —
Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle
dich nicht mis Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich
Pe
drücken, oder wenn bu fie fprengteft ‚ dir zum Tebenala
lichen Vorwurf gereichen dürften. Höre mih! A
worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe t
gehaßt, wie man einen Todfeind habt ; gehaßt v
dem Augenblick an, als id zuerft deinen Nahn
börte, und noch ftärker ſeit jenem, ald ich zuerft t
ſah. Ich babe dich umftelt mit Kundſchaftern rı
berum; ich war im Boruus gewiß, waß fie mir vr
den würden; und — ich babe mich geirrt. Wie f
mein Gemahl di liebe, überzeugte mich mein eige
Blick; daß du ihm Gleiches mit Gleichem vergelt
konnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldli—
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ich mich
die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; on I
ſelbſt! Sprich: haſt du nie Gegenliebe zu ihn gefül
ober geheuchelt?
Bianca. ah liebte in meinem Leben nur ein
Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. — Liebe
heuchelt habe ich nie!
Großh. Kannft du Das mit einem Eidſch
befräftigen ?
Bianca. Mit Taujenden! Und jeder Bluts
pfen meines ermordeten Gatten werde eine eigene H
für mid , wenn ich falfch ſchwöre!
Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit
dieſen Rippen, Verftellung unter diefen Zügen, ei
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth
Dieß hieße einer Menichenfeindlichkeit ſich ſchuldig
chen, die ich nie beſaß, und die ich jetzt am Ra
des Srabes für ein Lafter achten würde. Wohl
Bianca Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermor
bisher bein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan;
Yflich
-
on 17 sa
Pflichten ehrlicher Treue erfuͤllteſt, daß aller «Glan
irdiſcher Hoheit, ale Juwelen des Fürſten, alle Ränke
der höfifhen Verführung dich nicht zum Straucdeln ,
geſchweige zum Fall verleiteren, dann — in propheti«
ſchem Geiſte betheuere ich es dir! — dann werden bald
Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo
deine Seele wieder Freude, und dein Gram Beruhi⸗
gung empfängt.
Bianca. Ach, ich kenne nur eine Beruhigung,
nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mich
ſelbſt — das Grab.
Großh. Nein! Nein! Mir iſt ed bald dort hin⸗
ab zu fteigen beitimms! du hingegen — mit diefem
Kuffe weih’ ih dich ein: — fen glüdlicher als ih! Were
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich
erſchreckte! — Ih — Das fühle ih nun innig und
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung
werde ih von nun an beinen Nahmen nennen, mit
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im
Wege dir ftehen!
Sie entfernte ſich ſchnell, indem fie Bianca ernſt⸗
(ih alle Begleitung verboth. Der Ruf diefes feltfa-
men Beſuchs — des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗
ſerstochter einer ihrer Hofdamen abgeflattei, — durch:
flog ganz Florenz. Man rieth und dichtete, verſchönte
und entftellte taufenderley an ihm. Bianca felbft zu.
befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten
auch nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede
Verkündigung Eünftigen Glücks macht Eindrud aufs
menfshliche Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug-
Meignerd Bianca Gar. 2. Spt. B
NR 10 A
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleihe, dieſes
himmliſche Auge nicht trübe ; die Zeiterkeit einer Seele
nicht fire, auf welche Engel felbft mit Neide blicken.
— Was Sie verloren, fhone Branca, war viel, die
Art, wie Sie. es verloren, ift ſchmerzhaft. Aber
vergeſſen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht,
das Verlorne wieder zu ergangen. |
Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. O nein, auf Diefed dachte ich jetzt frey⸗
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bieders
mannes if. — Nie würde diefer neue Verehrer,
wenn er das Glück hätte, auch der Geliebte zu werden,
einen Augenblid nur den unfhäßbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen; würde als Großherzog feine ganze
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗
nen weiben; würde zu Ihren Süßen — — Wie) Gie
bören nicht einmahl auf mid?
| Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hier!
Es find Bonaventuri's Haare, beflecdt mit Bonaven⸗
turi's Blur. Heute vergeiien; heute erſt! doch auch
nach zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ich, ſoll dieſes
Heute ſo ſtart, fo ungeſchwächt, wie jetzt, in meinem
Gedachtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers
goſſenen Blutes geitillt würde ! Wenn der Racher ganz
teıne Pflicht erfullte?
—XR 11 —
Bianca. Dem meinen innigſten, feurigſten
Dank, der Dieß vermag! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben, Bram und Schmerz machen meine Zunge
ſchwer, machen zu fernerm Sefprädhe mid unvermds
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs
keit verzieht — bald erfheine ich dann vor Ihrem
Fücſtenſtuhl wieder ‚ um lauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
GBroßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud ia
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts
daͤucht. Jede Thür meines Pallaftes har für Sie kein
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger nod als eis
nen Engel der Liebe erfcheinen ; wünſchte auf Ihr Herz
— doch kein Mort mehr beute davon! Noch ift She
Kummer zu ſtark uyd zu neu, ald auf angebothene
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca,
auch Zranz von Medicis wird nicht unterlaſſen, auf'
Ihrem eigenen Zimmer Sie ann und wann zu iv
ſuchen. |
Bianca. Er erlaube mir Diefes zu vesich *
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn iſt
Gemach fortan beitimmt. Es glewääNer;; e, @iner
Gottgeweihten! Zu weinen, zu fi } k Aninen;.
Entriffenen, fey dort mein einzig e T Ziele
Trauer ſoll jeden Blick des Lachelns, —** werden
jeden Ton der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗
zen Gewande,, ſiegender als mit dieſer Miene des.
Schmerz ens, harte fie noch nie vor Franzen geftanden.
norse 12 wos
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft
ide. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefo
hatten. Er ward nicht müde, dur Borbichaften, C
ſchenke, Briefe, perſönliche Befuhe, Bianca tröf
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei
Geſchenke ab, Tieß feıne Briefe unbeantwortet ; na!
feine Beſuche gar nicht, oder nur in dee Geſellſch
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Auge
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonavı
turi's biutigelocde, und — ſchwieg.
Aber eben den Zürften, den fie unter vier Aug
nit ſprechen wollte, fuchte fie deſto fleißiger an öffen
hen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befchr
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforfchung und |
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohbenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo offentlich gez.
ter Harm. Selbſt das Bold, — wiewohl ed den leb
den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünſcht be
— bedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm
desen; zumabl da er fold einen Zürfpreder fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer ZartlichE
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
die Höflinge barüber zu wigeln, die Damen dark
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſte
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe
von folhen Perſonen, auf weiche bie Leidende gen
am legten gerechnet hatte.
Langſt ſchon fiehte die Großherzoginn. Kumr
Aber die Kaͤlte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich ſelbſt zugufipreiben hatte! — na
ss L 3 7573
unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwächlichen Lee
dens. Mit eiferfüchtigen Augen hatte fie ſtets feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verras
then worden; und warb ‚ihr dann unverkennbar, als
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfdien, oder viele
mehr. erfcheinen mußte. Mit ftrengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Blicken fehaute die ſtolze Kaiferstochs
ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofdamen — nicht aufgetreten‘
. wäre, Alles war ihr {don im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verhaßt. Die fhücterne Unfhuld in Bianca’s
Blicken galt für trügliche Aunft , ihr prachilofer, eis
facher Anzug für flolze Selbfigenügfamkeit, die ſchon
‚ durd eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz
nur Bianca nahte, ſo oft er nur ein Paar, auch un⸗
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern dur Johanna's Blieder. Aber fo lauter war
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
‚ der Eiferfucht alles vergrößernded Trugglas Eeinen
Sleden an ihr aufzufpäben vermodhte ; daß endlich bie
Fürſtinn fi felbft geftand: Bianca beglnftige wenig»
ſtens die Neigung nicht, die fie erregt habe; daB ber
Unpille für jegt ſchwand, wenn gleich der Argwohn
für Elinftig nie ganz entwich.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen«
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihr
erfter Ausruf: Ha, diefen Banditendold fohliff eine
ſehr vornehme Sand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Riccys nachgeſetzt würde, mit bite
X 14 —XR
term Laͤcheln: „O fie entkommen gewiß! Das Schlan⸗
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweik verle⸗
Ben.” — Bon Neuem erwachte zugleid ihr Verdacht
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, flüs
„iterte oft halbleife Kohanna, die vor Münnermorb,
„oder wenigſtens vor Theilnahme am demfelben, mins
„der ald vor Ehebruch fih ſcheuete.“ — Erſt, als uns
abläffig, die Verwitwete bas richterliche Schwert um
Rache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stimme
zu ihrem Cote ward; da entſchloß fih Johanna — nicht,
ihren Argmobn fahren zu laffen, fondern mit eigenen
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sorten
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer noch
deſſen Ausführung. |
Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihrem
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewöhnkichen
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und fi fiher vor als
- fer Störung wähnte; da öffneten fi fihnell die Thü⸗
zen ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd die
Augen aufſchlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .
Bianca (erfhroden.) Wie, Shro Hoheit?
Großh. Warım erfhrikft Du? Darf eine
Trauernde nicht die andere befuchen? Darf ih, des
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Theil
an den Leiden einer Andern nehmen?
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — dieſe
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Signora! Signora! Kart hätte ih Luft,
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweifeln,
Echte Trauer pflegt font nicht auf Auszeihnung und
Unterfchied zu achten. Ihr ift nur das Werlorne wide
tig, das — kein Bott ju erfegen vermag, Als ich zu⸗
—* 15 dern
erft mit Überzeugung mußte, baf Franzens Herz mie
abwendig geworben fey, da hätten Engel vom Hin
mel herabſteigen und meine Teöftung verfuchen Eins
nen. Ih würde Ealt und ernfl.— doch wo verirre ich
mich Hin? Nihe um Vorwürfe zu ergießen,, die doch
vielleicht ungerecht feyn Eünnten, nur um mid umzus
fhauen und zu richten kam ich hierher (indem Re Bianca
ſtarr betrachtet. Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen geröthet; diefe fhönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und biefe Züge des Gefichts ſpre⸗
chen von ungeheucheltem Schmerz.
Bianca (thranend emporblicend.) Mächte des Him⸗
mels, waͤre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir
bezweifelte?
Graoßh. Es iſt moͤglich; es if verzeiblich fogar!
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen
nicht mit Harm, fondern mis lähelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden höchftens im Angefiht der Menge,
dech nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. —
Wohlen, Bianca! Ich will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle dieſes
Zimmers fhon die Fürſtinn dabinten gelaffeny ich
will jet auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗
buhlerinn entſagen; will —
Bianca (einfaltend.) Der Nebenbuhlerinn? O
dieſes einzige Wort fage mir Alles. Aber aud bey als
lem, was heilig ift, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗
ve ih, Ihr Verdacht trifft mich unfhuldig! Nie hat
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ;
und nie — nie fol er auch fünftig —
Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri ! Feßle
dich nicht mit Banden, die einſt nur allzu ſchwer dich
NR jQO tesa
beſchwört Sie jegt : mindern Sie Ihrem allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, dieſes
himmliſche Auge nicht: trübe ; die Heiterkeit einer Seele
nicht ſtöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden.
— Was Sie verloren, fhöne Bianca, war viel, die
Art, wie Sie. e8 verloren, it f[hmerzhaft. Aber
"vergeilen Sie nicht, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht,
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca. Es wieder zu erlangen? Welde eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. D nein, auf Diefed Bachte ich jetzt freye
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Heiz, das Die anbethet; fih Ihnen
ganz zu ergeben bereic iſt; Wankelmuth nimmer ſich
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bieders
mannes ift. — Nie würde diefer neue Verehrer,
wenn er das Glüd hätte, auch der Geliebte zu werden,
einen Augenblid nur den unfhäßbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen; würde ald Großherzog feine ganze
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ihr
nen weiben; würde zu Shren Süßen — — Wie} Sie
bören nicht einmahl auf mid?
Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband hier!
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗
turis Blut. Heute vergeiien; heute exft! doch auch
nad zehn, zwanzig Jahren noch, boffe ich, fol dieſes
Heute fo ftart, fo ungeſchwächt, wie jegt, in meinem
Gedächtniß ſchweben!
Großh. Uns wenn nun das Rufen dieſes vers
goflenen Blutes geitillt würde ? Wenn der Racher ganz
teıne Pflicht erfullte?
— u21 |
Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen
Dank, der Dieb vermag! — Doch, Ener Durchlaucht
vergeben ,;, Bram und Schmerz; machen meine Zunge .
ſchwer, machen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermds
gend. Ich gebe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs
keit verzieht — bald erfcheine ich dann vor Ihrem
Fücſtenſtuhl wieder, um lauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
Gtoßh. Nicht vor ihm allein, fondern auch ia
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts
daͤucht. Sede Thür meines Pallaftes bar für Sie kein
Schloß. Allerdings fähe ih Sie freudiger noch als eis
nen Engel der Liebe erfheinen; wünſchte auf Ihr Herz
— doch kein Wort mehr beute davon! Noch ift She
Kummer zu ſtark uyd zu neu, als auf angebothene
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca,
auch Kranz von Medicid wird nit unterlaifen, auf‘
Ibrem eigenen Zimmer Sie ann und wann zu be⸗
ſuchen. |
Bianca. Er erlaube mir Diefes zu verbitiig
tur dem Kummer der verwitweten Gattinn ift
Gemach fortan beitimmt. Es gleiche d *
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flag ER in new...’
Entriffenen, fey dort mein ein; zigeb ER '
Traner ſoll jeden Blick des Laͤchelns Denfjer werden
jeden Ion der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗
zen Oewande-, fiegender als mit bdiefer Miene des.
Schmerz ens, harte ſie noch nie vor Franzen geſtanden.
er 13 we .
Seine ganze Seele hing mit glühender Leidenſchaft am
ihr. Auch hielten Beyde, was fie einander zugefage
hatten. Er ward nicht müde, dur Bothſchaften, Ge⸗
ſchenke, Briefe, perſönliche Beſuche, Bianca tröften
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte feine
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; nahm
feine Beſuche gar nicht, oder nur in der Geſellſchaft
von zwey Kammerfrauen an, die fih Eeinen Augen«
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeichel⸗
haften Worte feines Gefprächs blickte fie auf Bonaven⸗
turı’s blutige Locke, und — ſchwieg.
Aber eben den Fürſten, den ſie unter vier Augen
nicht ſprechen wollte, ſuchte fie deſto fleißiger an öffentlie
chen Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; beſchwur
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und um
die ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen Rics
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo Öffentlich gezeig«
ter Harm. Selbſt das old, — wiemohl eb den lebens
den, allzu hoch gefliegenen Bonaventuri nicht geliebt ‚
wohl eher gehaßt und oft laut genug verwünfht hatte
— dedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Ermors
beten; zumabl da er folh einen Fürfpreder fand.
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zärtlichkeit,
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfangs
die Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darüber
zu lacheln verfucht hatten — ward bald ein Begenftand
allgemeiner Bewunderung ; erbiele Billigung felbit
won ſolchen Perionen, auf welche bie Leidende gewiß
am letzten gerechnet hatte.
Langft ſchon ſiechte die Großherzoginn. Kummer
Über die Kälte ihres Gemahls — ein Übel, das fie
größten Theils ſich felbft zugufchreiben hatte! — nagte
sysh L 3 77,73
unheilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Lee
hend. Mit eiferfüchtigen Augen batte fie ſtets feine
Worte, feine Mienen, ja, wenn fie es vermochte,
felöft feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundfchafter verras
then worden; und ward „ihr vann urvertenndar , als
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfdien, oder viele
mehr erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein
dursbfchneidenden Blicken ſchaute die ftolze Kaiſerstoch⸗
ter auf jene Venetianerinn, die fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofdamen — nidt aufgetreten‘
wäre. Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die fhücterne Unfhuld in Bianca’s
Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachtloſer, eins
facher Anzug für flolge Selbftgenügfamkeit, die ſchon
durch eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, aud uns:
„ bedeutende Worte mit ihr ſprach, bebte ein merkliches
Zittern durch Johanna's Blieder. Aber fo lauter war
Bianca’s ſich immer gleich bleibende Tugend, daß felbft
der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daß endlich die
- Bürftinn fi felbft geftand: Bianca beglnftige wenigs
ſtens die Neigung nit, die fie erregt habe; daß der
Unwille für jetzt ſcwand, wenn gleich der Argwohn
für Elinftig nie gan, entwich.
| Aber, ald Zoharna vernahm, Bonaventuri fey
ermorbet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen»
blicke eine furchtbare Vermuthung wieder; da war ihre
erfter Audruf: Sa, diefen Banditendolch ſchliff eine
ſehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, baß den Nicc!’s nachgefegt würde, mit bite
(ee 14 X
term Radeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweitß ver
Ben.” — Bon Neuem erwachte zugleich ihr Verda
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erſte nicht, f
„iterte oft halbleife Kobanna, die vor Maͤnnermor
„oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, m:
„der als vor Ehebruch ſich ſcheuete.“ — Erſt, al ı
abläffig, die Verwitwete das richterliche Schwert ı
Mache anflebte ; als ganz Florenz nur eine Stim
zu ihrem Lobe ward; da entſchloß fih Johanna — nic
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen
Augen zu prüfen: ob Bianca nit heuchle? Sond
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer nı
deſſen Ausführung.
Denn als einft Bianca, ganz allein mit ihr,
Sram, zu einer für jeden Beſuch ungewähnfid
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor.
ler Störung wähnte; da öffneten ſich ſchnell die Tb
ren ihres Gemachs; da ſtand, al fie verwundernDd |
Augen aufihlug, die Großherzoginn felkit vor ihr. .
Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?
Großh. Warum erfhridlt Du? Darf ei
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, t
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch Th
an den Reiden einer Andern nehmen ?
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — bi
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Eignora! Signora! Faſt härte ih Lu
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife
Echte Trauer pflegt font nıht auf Auszeihnung u
Unterſchied zu achten. Ihr it nur das Verlorne wi
tig, das — Fein Gott ju erfegen vermag. Als ıdı ;
vn 15 fen
erft mit Überzeugung wußte, daß Franzens Herz mie-
abmwendig geworden fey, da hätten Engel vom Him⸗
mel berabfteigen und meine Tröftumg verfuchen kön⸗
nen. Ich würde kalt und ernſt — doch wo verirre id)
mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, bie doch
vielleicht ungerecht feyn Eonnten, nur um mid umzus
ſchauen und zu richten Bam ich hierher (indem fe Bianca
ſtarr betrachtet.) Sa, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen geröthet; diefe fchönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts fpres
hen von ungeheudeltem Schmer;.
Bianca (thranend emporbtidend.) Mächte des Hims
mels, wäre es möglich, daß man felbft Dieb an mir
bezweifelte ?
Graoßh. Es ift moͤglich; es if verzeiblich fogar !
denn Taufende an ihrer Stelle würden dem Entriffenen
nis mit Harm, fondern mit lähelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden höchſtens im Angeficht der Menge,
doch nicht im einfamen Gemach ihn betrauern. —
Woblan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes
Zimmers fhon die Fürftinn dabinten gelaffeny id
will jegt auch eben fo ganz und fregwillig der Neben⸗
buhlerinn entfagen; will —
Bianca (einfattend.) Der Nebenbuhlerinn? O
diefes einzige Wort fage mir Alles. Aber au bey als
lem, was beilig ift, durchlauchtige Bebierherinn ſchwoͤ⸗
ve ih, Ihr Verdacht trifft mich. unfhuldig! Nie bat
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befledt ;
und nie — nie fol er auch künftig —
Großh. Halt ein, Bianca Boraventuri ! Feßle
dich nicht mit Banden, die einſt nur allzü ſchwer dich
or 16 ur
drücken, oder wenn du fie fprengteft ‚dir zum lebenslaͤt
lichen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A
worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe d
gebaft, wie man einen Todfeind haßt; gehaßt v
dem Augenblick an, als ich zuerft deinen Nabe
börte, und noch ſtärker feit jenem, ald ich zuerft }
fab. Ich babe dich umftelle mit Kundfchafrern vı
berum; ich war im Voraus gewiß, waß fie mir m
den würden; und — ich babe mich geirrt. Wie f
mein Gemahl did liebe, überzeugte mich mein eige
Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte
Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Söldlit
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ih mid
die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an !
felöft ! Sprich: hart du nie Gegenliebe zu ihn gefül
oder geheuchelt?
| Bianca. Ich liebte in meinem leben nur ein
Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. — Liebe
heuchelt habe ich nie!
Großh. Kannft du Das mit einem Eidſchr
befräftigen ?
Bianca, Mit Taufenden! Und jeder Blutst
pfen meines ermordeten Gatten werde eine eigene H
für mid , wenn ich falfch ſchwöre!
Großh. Ich traue dir! denn Unwahrheit
dieſen Lippen, VBerftellung unter diefen Zügen, ei
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth
Dieß hieße einer Menichenfeindfichkeit ſich fhuldig |
dien, die ich nie bejaß , und die ich jegt am Na
des Grabes für ein Laſter achten würde. Wohl,
Bianca Bonaventuri! wenn wirklich diefer Ermor!
bisher dein ganzes Her; befaß; wenn du fo gan;
Pflich
“
ra 17 2a
Pflichten ehrlicher Treue erfüͤllteſt, daß aller Glanz
iedifcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke
der hoͤfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln,
gefhweige zum Fall verleiteten, dann — in propheti«
ſchem Geifte beiheuere ich ed dir! — dann werden bald
Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo
deine Seele wieder Freude, und dein Gram Berupis
gung empfängt.
Bianca. Ach, ich kenne nur eine Beruhigung,
nur ein Glück. Gerechte Race für ihn, und für mic
ſelbſt — das Grab.
Großh. Nein! Kein! Mir ift ed bald dort Ein
ab zu fleigen beſtimmt! du hingegen — mit diefem
Kuffe weih’ ich dich ein: — ſey glüdlicher als ih! Ver⸗
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich
erfhreckte! — Ich — Das fühle ih nun innig und
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung
werde ih von nun an deinen Nahmen nennen, mis
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im
Wege dir fteben!
Sie entfernte fid fhnell, indem fie Bianca ernſt⸗
Ich alle Begleitung verborh. Der Ruf diefes feltfas
men Beſuchs — des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗
ferötochter einer ihrer Hofdamen abgeftattet, — durch⸗
flog gan; Florenz. Man rieth und dichtete, verſchönte
und entfteflte taufenderley an ihm. Bianca felbft zu .
befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten
aud nur eine abgebrochene Antwort. Im Stillen wirkte
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede
Verkündigung künftigen Glücks macht Eindrud aufs
menfshliche Herz, wenn auch der Mund ihn abzuläug>
Meisners Bianca Gap. 2. Th. B
N j0 wen
befhwört Sie jegt : mindern Sie Ihren allzu berben
Kummer, daß er diefe Wange nicht bleiche, biefes
himmliſche Auge nicht- trübe ; die Heiterkeit einer Seele
nicht fiöre, auf welche Engel felbft mit Neide bliden.
— Was Sie verloren, ſchöne Bianca, war viel, die
Art, wie Sie. es verloren, it fhmerzbaft. Aber
"vergeilen Sie nit, daß es ganz in ihrer Gewalt ſteht,
das Verlorne wieder zu erfangen.
Bianca. Es wieder zu erlangen? Welche eitle
Hoffnung! Wollte Gott, daß Bonaventuris Leben —
Großh. O nein, auf Dieſes dachte ich jetzt frey⸗
lich nicht; wohl aber auf eine andere Vergeltung mit
Wucher; auf ein Herz, das Sie anbethet; ſich Ihnen
ganz zu ergeben bereit iſt; Wankelmuth nimmer ſich
zu Schulden kommen ließ; und zwar das Herz eines
Fürſten, aber gewiß noch mehr eines Bie der⸗
mannes iſt. — Nie würde dieſer neue Verehrer,
wenn er das Glück haͤtte, auch der Geliebte zu werden,
einen Augenblick nur den unſchaͤtzbaren Werth ihres
Geiſtes verkennen ; würde ald Großherzog feine ganze
Macht, als Franz von Medicis feine ganze Seele Ih⸗
nen weiben; würde zu Shren Füßen — — Wie} Sie
bören nicht einmahl auf mid?
Bianca. Ich fehe nur auf diefed Armband bier!
Es find Bonaventuri's Haare, befledt mit Bonaven⸗
turis Blur. Deute vergoſſen; heute exft! doch auch
nah zehn, zwanzig Jahren noch, hoffe ih, fol dieſes
Heute fo ftart, fo urngeſchwächt, wie jeßt, in meinem
Gedaͤchtniß ſchweben!
Großh. Und wenn nun das Rufen dieſes vers
goſſenen Blutes geſtillt würde ! Wenn der Ruder ganz
leine Pflicht erfullte?
own II wen |
- Bianca. Dem meinen innigſten, feurigffen
Dank, der Dieß vermag! — Doch, Euer Durchlaucht
vergeben ; Gram und Schmerz machen meine Zunge .
ſchwer, manen zu fernerm Geſpraͤche mid unvermös
gend. Ich gehe; aber, wofern der Arm der Gerechtigs
keit verzieht — bald erfcheine ich kann vor Ihrem
Fücſtenſtuhl wieder, um fauter noch meine heutige
Bitte zu erneuern.
Broßh. Nicht vor ihm allein, fondern aud ia
diefem Gemach erfheinen Sie, fo oft ed Ihnen guts
daäucht. Sede Thür meines Pallaſtes bat für Sie kein
Schloß. Allerdings fabe ih Sie freudiger noch als eis
nen Engel der Liebe erſcheinen; wünſchte auf Ihr Herz
— doch Fein Wort mehr heute davon! Noch ift She
Kummer zu flarE und zu neu, ald auf angebothene
Zröftung diefer Art zu achten. Aber, fhone Bianca,
auch Franz von Medicis wird nicht unterlaifen, auf‘
Ihrem eigenen Zimmer Sie dann und wann zu te⸗
ſuchen. |
Bianca. Er erlaube wir Diefes zu verbitä
tur denn Kummer der verwitsseten Gattinn iſt ñ
Gemach fortan beitimmt. Es gleiche
Gottgeweihten! Zu weinen, zu flo, 2*
Entriſſenen, ſey dort mein einziges ——8
Trauer ſoll jeden Blick des Laͤchelns, Deufjer werden
jeden Ion der Freude, mirhin auch — jeden Veſuch
verſcheuchen.
Bianca ging. Reizender, als in dieſem ſchwar⸗
zen Gewande,, ſiegender als mit dieſer Miene des.
Schmerz ens, hatte ſie noch nie vor Franzen geſtanden.
nor. 12 we.
Seine ganze Serle hing mit glühender Leidenfchaft
ihre. Auch hielten Beyde, was jie einander zugefe
hatten. Er ward nicht müde, durch Borbichaften, €
ſchenke, Briefe, perfonlihe Befuhe, Bianca trof
zu wollen. Sie überhörte feine Bothen, lehnte fei
Geſchenke ab, Tieß feine Briefe unbeantwortet ; na!
feine Befuche gar nicht, oder nur in der Geſellſch
von zwey Kammerfrauen an, die fih keinen Aug
blick von ihr entfernen durften. Bey jedem ſchmeich
haften Worte feined Gefprächs blickte fie auf Bonavı
turı’s biutigelade, und — ſchwieg. "
Aber eben den Sürften, den fie unter vier Aug
nicht ſprechen wollte, fuchte fie deſto fleißiger an öffen
den Orten auf; erneuerte allda ihre Klage; befihn
ihn oft mit lauter Stimme um Nachforſchung und ı
dic ernſtlichſten Maßregeln gegen die entflohenen 9
ci's. Nicht ohne Wirkung blieb ein fo oͤffentlich gez
ter Harm. Selbſt das Golf, — wiemohl es den leb
ten, allzu hoch geftiegenen Bonaventuri nicht gelie
wohl eher gehaßt und.oft laut genug verwünſcht be
— dedauerte jegt, nad) Art des Volks, den Erm
deten; zumab! da er fol einen Fürſprecher fa
Bianca's eheliche Treue, die Stärke ihrer Zaͤrtlichk
die Reinigkeit ihres Schmerzens — obgleich anfaı
bie Höflinge darüber zu wigeln, die Damen darü
zu laͤcheln verfucht hatten — ward bald ein Gegenſt
allgemeiner Bewunderung ; erhielt Billigung fe
von ſolchen Perſonen, auf weiche bie Leidende gen
am legten gerechnet hatte.
Cängft ſchon fiechte die Großherzoginn. Kumt
Über die Mälte ihres Gemahls — ein Übel, das
größten Theils ſich ſelbſt zugufihreiben hatte! — na
russ 1 3 77,73
unbeilbar an dem Keim ihres ohnedem ſchwaͤchlichen Le⸗
dens. Mit eiferſüchtigen Augen hatte ſie ſtets ſeine
Worte, ſeine Mienen, ja, wenn ſie es vermochte,
ſelbſt feine Gedanken belauſcht. Auch feine Neigung zu
Bianca war ihr zeitig genug durch Kundſchafter verra⸗
then worden; und ward ‚Ihr vann urverfenndar , als
| Bonaventuri’s Sattinn am Hofe erfhien, oder viele
mehr. erfcheinen mußte. Mit firengen, Mark und Bein
durchſchneidenden Blicken ſchaute die flolze Kaiferstocs
ter auf jene Wenetianerinn, bie fo gern unter den Reis
‚ben der glänzenden Hofdamen — nit aufgetreten‘
‚ wäre, Alles war ihr ſchon im Voraus an der Nebenbuh⸗
lerinn verbaßt. Die ſchüchterne Unſchuld in Bianca's
Blicken galt für trüglihe Kunſt, ihr prachtloſer, eins
facher Anzug für flolge Selbftgenügfamkeit, die ſchon
‚ burd eigenen Werth zu fiegen hoffe. So oft ſich Franz
nur Bianca nahte, fo oft er nur ein Paar, auch un⸗
„ bedeutende Worte mit ihr fprach , bebte ein merfliches
Zittern dur Johanna's Glieder. Aber fo lauter war
Bianca’s fih immer glei bleibende Tugend, daß felbft
‚ der Eiferfucht alles vergrößerndes Trugglas keinen
Flecken an ihr aufzufpähen vermochte; daB endlich die
Fürſtinn ſich ſelbſt geftand: Bianca begünftige wenig⸗
ſtens die Neigung nicht, die ſie erregt habe; daß der
Unwille für jetzt ſchwand, wenn gleich der Argwehn
fuͤr künftig nie ganz entwich.
| Aber, ald Johanna vernahm, Bonaventuri fey
ermordet worden, da ſchimmerte ihr auf einige Augen«
blide eine furhtbare Vermuthung wieder; da war ihr
erfter Ausruf: Sa, diefen Banditendolch ſchliff eine
fehr vornehme Hand! da erwieberte fie, als man ihr
erzählte, daß den Riccos nachgefegt würde, mit bite
—xX 14 —XRX
term Lächeln: „O fie entkommen gewiß! Das Schle
genhaupt wird doch nicht feinen eigenen Schweiß ver
Ben.” — Bon Neuem erwahte zugleich ihr Verda
gegen Bianca ſelbſt. „Sie wäre die Erite nicht, f
„iterte oft halbleife Kobanna, die vor Männermot
„oder wenigftens vor Theilnahme an demfelben, m
„der als vor Ebebruch ſich ſcheuete.“ — Erſt, al ı
abläffig, die Verwitwete bas richterliche Schwert :
Rache anflehte; als ganz Florenz, nur eine Stim
zu ihrem Lobe ward; da entſchloß fih Johanna — nic
ihren Argwobn fahren zu laffen, fondern mit eigen
Augen zu prüfen: ob Bianca nicht heuchle? Sond
bar genug war der Entfhluß ; faft fonderbarer n
deffen Ausführung.
Denn ald einft Bianca, ganz allein mit ihr
Sram, zu einer für jeden Befuh ungewöhnfid
Stunde, in ihrem Zimmer faß, und ſich fiher vor
- fer Störung wähnte; da öffneten fih fihnell die Zt
ven ihres Gemachs; da ftand, als fie verwundernd
Augen aufihlug, die Großherzoginn feltit vor ihr.
Bianca (erfhroden.) Wie, Ihro Hoheit?
Großh. Warum erſchrickſt Du?! Darf ei
Trauernde nicht die andere befuhen? Darf ih, !
Leidens wahrlich ſchon Eundig genug, nicht auch TE
an den Leiden einer Andern nehmen?
Bianca. Euer Hoheit — dieſe Gnade — di
Auszeihnung — womit verdiene ich fie?
Großh. Signora! Signora! Faſt härte ih Lu
jest fhon an der Innigkeit Ihres Harms zu zweife
Eihte Trauer pflegt fonft nıdht auf Auszeihnung u
Unterfhied zu achten. Ihr ift nur das Verlorne wi
tig, das — kein Gott ju erfegen vermag, Als ich
. ı5 weg
erft mit Überzeugung wußte, baf Franzens Herz mie
abwendig geworden ſey, da haͤtten Engel vom Him⸗
mel herabſteigen und meine Teöftung verſuchen kön⸗
nen; Ich würde Ealt und ernſt — doch wo verirre ich
mich hin? Nicht um Vorwürfe zu ergießen, die doch
vieleicht ungerecht feyn könnten, nur um mid umzu⸗
ſchauen und zu richten kam ich hierher (indem fie Bianca
fare betragptet.) Ja, ja! diefe Augen haben wirkliche
Thraͤnen gerötbet; diefe fchönen Wangen hat merklicher
Kummer gebleiht, und diefe Züge des Geſichts ſpre⸗
chen von ungeheucheltem Schmerz.
Bianca (tHränend emporblidend.) Mächte des Him⸗
mels, wäre es möglich, daß man ſelbſt Dieß an mir
bezweifelte?
Großh. Es iſt moͤglich; es it verzeihlich ſogar!
denn Tauſende an ihrer Stelle würden dem Entriſſenen
nicht mit Harm, ſondern mit laͤchelnder Zufriedenheit
nachblicken; würden höchſtens im Angeſicht der Menge,
doch nit im einfamen Gemach ihn betrauern. —
Woblan, Bianca! Sch will ablegen jede Verſtellung
und jeden Zwang. Ich babe an der Schwelle diefes
Zimmers fhon die Fürftinn dabinten gelaffeny ich
will jegt auch eben fo ganz und freywillig der Neben⸗
buhlerinn entſagen; will —
Bianca Ceinfallend. Der Nebenbuhlerinn? O
dieſes einzige Wort ſagt mir Alles. Aber auch bey al⸗
lem, was heilig iſt, durchlauchtige Gebietherinn ſchwoͤ⸗
re ich, Ihr Verdacht trifft mich unſchuldig! Nie hat
nur ein Gedanke, Dem ähnlich, meine Seele befleckt;
und nie — nie fol er aud künftig —
Großh. Halt ein, Bianca Bonaventuri! Feßle
dich nicht mit Sonden, die einſt nur allzu ſchwer dich
Finde 16 mu
drüden, oder wenn du fie fprengteft ‚dir zum lebenslaͤt
lihen Vorwurf gereihen dürften. Höre mih! A
worte erft dann, wenn ich dich frage! Sch habe d
gehaßt, wie man einen Todfeind haßt; gehaßt v
dem Augenblick an, als ich zuerft deinen Nahm
börte, und noch flärker feit jenem, als ich zuerft ?
fab. Ich babe dich umftellt mit Kundfchafrern ru
berum; ich war im Voraus gewiß, waß fie mir m
den würden; und — ich babe mich geirrt. Wie f
mein Gemabl dich liebe, überzeugte mich mein eige:
Blick; daß du ihm Gleiches mis Gleichem vergelte
Eonnte weder mein Auge, noch Einer meiner Sdpfü:
ergründen; und deßhalb — deßhalb wende ich mid
die Einzige, die mir Wahrheit geben kann; an
ſelbſt! Sprich: hast du nie Gegenliebe zu ihn gefül
oder geheuchelt?
| Bianca. Ich liebte in meinem leben nur ein
Mann; und diefer Eine liegt im Grabe. — Liebe
heuchelt habe ich nie!
Großh. Kannft du Das mit einem Eibfchn
befräftigen ?
Bianca. Mit Taufenden! Und jeder Blutst
pfen meines ermordeten Öatten werde eine eigene H—
für mid , wenn ich falfch ſchwöre!
Großh. Sch traue dir! denn Unwahrheit
dieſen Tippen, Verftellung unter diefen Zügen, ei
Meineid bey diefem Ton der Stimme zu vermuth
Dieß hieße einer Menichenfeindlichkeit fih fhuldig ı
den, die ich nie bejaß , und die ih jegs am Ra
des Grabes für ein Lafter achten würde. Wohl.
Bianco Bonaventuri! wenn wirklich diefer Erinor!
bisher dein ganzes Der; beſaß; wenn du fo gan;
Phflich
7 17 sure
Pflich ten ehrlicher Treue erfüllteft, daß aller Glanz
iedifcher Hoheit, alle Juwelen des Fürſten, alle Raͤnke
dee höfiſchen Verführung dich nicht zum Straucheln,
geſchweige zum Fall verleiteten, dann — in propbeti«
ſchem Geiſte betheuere ich es dir! — dann werben bald
Zeiten kommen, wo deine Tugend ihren Lohn, wo
being Seele wieder Zreude, und bein Gram Berupis
gung empfangt.
Bianca. Ach, ich Fenne nur eine Beruhigung,
nur ein Glück. Gerechte Rache für ihn, und für mic
felbft — das Grab.
Großh. Nein! Nein! Mir ift ed bald dort Eins
ab zu fleigen beſtimmt! du bingegen — mit diefem
Kuffe weih' ich dich ein: — fey glücklicher als ih! Vers
gib mir, daß ich dich haßte! Vergib mir, daß ich dich
erfhreckte! — Ich — Das fühle ih nun innig und
wahr — ich habe dir nichts zu vergeben. Mit Achtung
werde ich von nun an deinen Nahmen nennen, mis
Liebe an dich denken; und bald, bald! nicht weiter im
Wege dir ftehen!
Sie entfernte fid fhnell, indem fie Bianca ernft:
lich alle Begleitung verboth. Der Ruf diefes feltfa«
men Beſuchs — des einzigen, den die fonft jtolze Kai⸗
ferstochter einer ihrer Hofdamen abgeftattei, — durch⸗
flog gan; Florenz. Man rieth und dichtete, verfchönte
und entftellte taujenderley an ihm. Bianca felbft zu .
befragen wagten nur äußerſt Wenige, und erhielten
auch nur eine abgebrodene Antwort. Im Stillen wirkse
diefer Vorfall jedoch mächtig auf die Leidende. Jede
Verkündigung Fünftigen Glücks macht Eindrud aufs
menfshliche. Herz, wenn auch ber Mund ihn abzuläug>
Meiguers Bianca Gap. 2. Th. B
—X 18 vo...
nen fih mühe. Um wie viel Eräftiger mußten Wo
diefer Art von diefen Lippen erſchallen!
Bald ging auch die erfte Hälfte derfelben in (
füllung. Johanna's Leben erlofh. Es traf fie in ihr
legten Tagen das bittere, felbft die Todesſchmerzen
Herbe übertreffende Geſchick, unabläugbar zu jpüre
daß ihr Hintritt von Mehreren gewünſcht als befo:
werde; daß fie, wiewohl noch in des gewohnlid
Menfchenlebens eriter Halfte, doc ſchon dem größ:
Theil ihrer Höflinge und Grauen zu lang gelebt ha
Franz beobachtete zwar, was Rang, Anftand, und
fein eigenes gutes Herz von ibm forderten. Er n
die letztern Moden hindurch oft in ihrem Gema
ſuchte jie oft Durch freuntlihe — wenn auch nicht he
volle Worte aufzuheitern; verforach ihrem leuten Ü
len treulich nachzukommen; reichte ihr noch eine St
de, bevor fie einfchlummerte, mit eigener Hand
Arzney, die jie ftärken follte, und ließ fie mit fü
licher Pracht — beitetten. Mehrere Redner, die tr
liche Lobreden hielten, wurden großmüthig beloh
Künftler vom erften Rang empfingen den Auftrag
nes Maufoläaums ; aber im nneriten feines Herz
dankte gewiß Franz, dem Himmel für das Zerjprin,
diefer läſtigen Kette Mit der Gemahlinn verſchw.
einer dev Haupteinwürfe, den Bianca mehrmahls
ner Liebe entgegen geftemmt hatte. Lebendiger w
feine Hoffnung.
Und auch thätiger ward er felbft! Alle bisher
Nahforfbung, der entflohenen Ritcis, war
lendwerk, oder laͤſſiger Halbernſt geweſen. Nun
gingen die Befehle gemeſſener; nun merkten diej
gen Kundſchafter, die er ausſandte, daß er mit N
ae 1ö ——
druck gebiethe, ‚und gehörige Nachrichten Zebirig 6 7°
lohnen werde. Bald hatte er Beweiſe, wie er fie
Wunſchte in Haͤnden, und — eilte damit zu Bianca.
!
., Großbh. Finde ich Sie immer noch i in dieſer
Trauer — mit dieſem Kummer im Blick? Iſt der
Quell diefer Thränen immer noch unverſiegt? Aber
gettoſt, reizende Witwe! Heute hoffentlich werde ich
Ibren Gram mindern! werde — leider aum erıten Maple
in meinem Leben — mit: der füßen Überzeugung eins
freten dürfen, nicht ungern angehört zu werden.. Ends
lich haben mieine Vothen und die Arme der Vetgel⸗
tung die entwichenen Moͤrder ergriffen; eridiih — (mit
einem Blick auf die Kammerf:au) Vergeben Sie , wenn
ih Das, was nun folgt ‚ Ihnen allein zu ſagen
iwünſche!
B kanca (in deren Augen brennende Neugierde fünfeits)
Da Euer Durchl. e8 nöthig finden — (u ihrer Kaminer⸗
frau ‚Hatstaut.) Entfernt Euch, doch nidt allzu weit!
Großh. (eiwas impfindtih.) Und ſelbſt bey dieſem
Befehle noch Mißtrauen? Bianca, verdient Dieß der
"Mann und der. Fürfl, der, fo oft er Sie ſieht Alles
dergißt ‚nur feine Liebe nicht? der jo gern —
Bianca (einfattend.) Euer Durchlaucht wollten
fie von den Ricci's Nachricht mitzutheilen geruben *
Großb. Und werde es ſogleich thun! (Er wendet
fi gegen Bonaventuri’s in Diefem Gemach hängendes Bildniß.)
Schwebe nun verſoͤhnt zu dem Ort deiner Beftimmung,
Schatten des Ermordeten, und doch fo unjäglic Glück⸗
| feligen! Neidenswerth im Leben durch den Dejis des
Ihönften, vollkommenſten Weibes, und nech neidens⸗
Br
vo. 20 won '
wwerth im Tode durch ihre Thraͤnen! Du bit geräche !
Deine Mörder haben fich felbit gerichter. u
Bianca (etwas erſtaunt.) Sich felbit gerichtet ?—
Was meinen Euer Durchlaucht mit diefem Ausdruck?
Gr— o ß h. Ghr ein zulammengerolltes Papier hinreichend.)
Leſen Sie dieſes Schreiben, ſchönſte Bianca, das ſo
eben vom Senat zu Genua mir eingehändigt worden
ift! Sie werden finden, daß derfelbe, auf mein öf—
tered Anfuchen und Antreiben, endlih die Höhle auss
Eundfchaftet hatte, in weicher die beyden ‚Üliccı, tagr
fheu, halben Banditen ahnlich, von Mangel faft: aufs
gezehrt, von aller Welt verlaifen, ihr elendes Leben
durch Kräuter und Wurzeln frifteten; Sie werden fin⸗
den, daß ausgefhidte Söldner Befehl hatten, die
Unglücklichen aufzufahen, und an Florenz auszulies
fern; daß die Umijtellten, als fie nirgends ein Schlupf⸗
loch zum Entfliehen ſahen, tollkühn, oder verzweifelnd
‚genug waren, fih mit den Waffen in der Hand, Zwey
gegen Zwanzig zu ſtellen; dag fie tapfer ſich verchei:
digten, bis endlich der Sohn todt, der Vater vers '
wundet niederfanf; ja, daß der Leßtere im Kerker
nur wieder aufwachte, um eine Stunde naher fein
graues Haupt an der Wand fich felbft zu zerſchmettern.
Bianca (indem fie es überlefen.) Sein eizener
Mörder! Wahrlic ein Henker, diefes Böſewichts würdig!
Großh. Und nun, Signora, glauben Die nicht,
daß die Mörder Ihres Gemahls genug abgebüßt ba:
ben jollten? Gebüßt durch ein qualvolles Leben in Klüf⸗
ten und Höhlen, durch Kerker, durch Tod, und felbft
durch Schmach noch nah tem Tode ! Glauben Sie
nicht, daß ich mein Verfprechen nun ganz erfülit has
u wen DU em
be? Wenigſtens fo weit, ald es in meinen Rräften,
in meinem Wirkungekreife fand!
“Bianca. Wie Eönnte ich's wagen, andy nur ei-
nen'andern Gedanken zu begen? Voll Demuth und
voll Dank beuge id meine Knie —
Großh. linden er jie aufhält.) Mein, (öönfe Flo⸗
rentinerinn, nicht durch Kniebeugungen , nicht durch
Erniedrigung, von welcher Art es ſey, ſondern auf
eine andere, Ihren Reizen, Ihrer Würde, und mei⸗
nen Gefühlen weit angemeſſenere Art wünſche ich mir
Ihren Dank zu erhalten. — Verzeihen Sie, edelſte
ibres Geſchlechts, daß ich eine ſo oft ſchon angefangene
Melodie von Neuem anfange, — eine fo oft ſchon ger
fhehene Bitte jeßt abermahls wiederhohle! Müde zu
werden zient demjenigen nicht , der nad) vielfachen
feschtlofen Verſuchen doch immer noch fein hoͤchſtes,
fein einziges Wohl auf einen Punct, ihm fo nahe und
fo fern, gebeftet fiebt; dem fein eigenes Herz das
Zeugniß gibt: du Fampfteft zwar fruchtlos bisher, aber
du kämpfteſt dod) des Sieges midit ganz unwerth. —
Mit mehrerem Recht als je, glaube ich heute die Bitte
wagen zu dürfen: Legen Sie biefe Zrauer ab! Hören
Sie günftiger auf das Flehen inniger Liebe!
Bıanca (den Bticd verlegen, doch nicht zornig sur Erbe
niederſchiagend.) Wie, Euer Durchlaucht? Diefe Forbes
rung wäre heute billiger, als bisher ? |
Großh. Bey dem Thron ewiger Gerechtigkeit
und Liebe, fie ft es! — Was die Natur in und nes
ben uns erfhuf, erfchuf fie wandelbar und endlich.
Sonnen .eriöfhen, Welten zerftäuben, Menſchenge⸗
Thlechter vergeben; aud die Schöpfungen der moralis
ſchen Welt find nicht unvergängficher: Pflichten wech⸗
fein; ewiges Bebarren auf einer unb ebenderfelben
wird zur Storrigkeit; und was Anfangs Tugend ſeyn
mochte, wird in der uͤhertreibung zum Fehl und Fle⸗
cken. Dennoch — dennoch wollen Sie Ihrem Gram
allein Unvergänglichkeit geben? Wollen immer
noh fortfahren, ihrem verblichenen Gemahl ein] Opfer
zu bringen, das ihm felbit nichts nützt, und wodurch
die lebende Welt ihres ſchoͤnſten Schmudes beraubt
würde % Haben Lie denn noch nicht Alles erfüllt, mit
uͤbermaß erfüllt, was Ihnen zu thun vielleicht ob⸗
lag? Iſt nicht die geſetzliche Zeit der Witwentranuer
ſchon doppelt vorbey? Jũ der Ermordete nun nicht ges
rächt? Und iſt er es nicht durch Ihr Bemühen alleın }
Denn, freygeſtanden, ohne Ihre Anklage, ohne Ihr
eifriges Anhalten, hätte ich ganz gewiß die Ricciſs,
unverfolgt, ihr elendes Leben in freywilliger Verban⸗
nung fortfchlenpen laſſen. — Pietro war Ihnen theuer,
unendlich theuer ald Gatte. Gut! ich wage es nicht,
Ihre Wapı zu tadeln; denn ed war auch die Meinige.
Sie erkoren ihn zum Gemahl, und ih zum Freunde.
Aber fragen Sie Ihr eigenes Herz: würde Pierre Bo⸗
naventuri wohl für Bionca aud nur die Hälfte von
Dem gethan haben, was Bianca für ihn thut? War
er, bey taufend liebenswürdigen Eigenſchaften, nicht,
auf's gelindefte gefprochen, ein wenig flatterbaft und
wandelbar? Grub diefer Wankelmuth nicht felbft ihm
ein fo frübes Grab? Und Ihr Schmerz; um ihn fol
unwandelbar ſeyn ? (Sie mit Wärme bey der Hund ergreis
few.) Sprechin Cie: fol er Das!
Bianca Die ihre Hand ein wenig, doch nicht ganz zu⸗
sudziehe.) Euer Durchlaucht ich wiederhohle blyß ‚wag
ich fo oft ſchon —
voor 23_ XRC
Großh. (einkallend. Ja wohl! Was Sie fo- oft
ſchon fagten: was aber immer zu weit getrieben war,
und jest nod) zweyfach mehr ungerecht und unbilig
feyn würde! — Bianca, Erite ihres Geſchlechts, hö⸗
ren Sie mih! Sie wiſſen die Neränderung, die indeß
fih zugetragen bat. Die Bande, die mich mit einer
ungeliebten , mir an Denkungsart fo unaͤhnlichen Ge⸗
mahlinn zuſammen feſſelten, ſind durch Den getrennt
worden, der Alles trennt, — durch den Tod. Schon
vorber trug ich ein unget heiltes Herz Ihnen zum
Eigenthum an; doch jetzt zumahl iſt es ungetheilt nach
jedem Gefetze — göttlichen ſowohl als weltlichen!
Sie ſind frey, und ich bin es nicht minder. Wir ha⸗
ben Beyde unſere Pflichten gegen Gatten erfüllt, die
nun ruhen. Jeder fremde Anſpruch auf uns iſt per⸗
ſchwunden. Schönffe Florentinerinn! wollen Sie auch
nun noch mit ſtets ſich gleichbleibender Haͤrte den Zärt⸗
lichſten, Wärmften, Treueſten ihrer Anbether verſchmaͤ⸗
hen? — In dieſem Jugendlenze, in dieſer Blüthe
weiblicher Reize, ber Liebe ſchon entſagen, iſt Unmög«
lichkeit. uͤbermaß der Trauer kann, weil es uͤbermaß
iſt, unmoͤglich immer dauern; ſelbſt wenn es Tange
waͤhrt, beleidigt es die Menſchheit und den Himmel;
iſt tadelnswerth vor dem Richterſtuhl der Natur und
der Tugend zugleich. — Wohlan, Bianca, noch ein⸗
mahl lege ich Ihnen hier zu Füßen Alles, was ich ver⸗
mag und habe, Alles, was Florenz weites Gebieth
und die Grenzen meines Staats in ſich ſchließen! Darf
ich hoffen, daß endlich meine Bitte Erhörung finden
werde? Ihr Gemahl und meine Gemahlinn waren
ſtets Ihre Haupteinwürfe. Jener iſt verfohnt, und
Diefe ift entfehlafen. Darf ich nun hoffen Darf ich? —
won Dh ws
(mit gekraänktem Tone.) Auch nicht eine Sylbe zur A
wort! Bin ich felbft Diefer nicht werrh ?
Bianca, (bewege) Önädigfter Herr, ich bitte S
dringen Sie heute Feiner Antwort wegen in mich!
Großh. Aber wann— warn fol ich fie erh:
ten? Theuerſte Bianca! warn? (Cie ſtarker noch bev
Hard faffend.)
Bianca. (die ſich lobreiſen win.) Laſſen Sie mi
ih beſchwöre Sie!
Großh. immer feuriger. Sie nicht zu laſſen, T
ſchwoͤre ich Ihnen bey meinem und Ihrem ewigen He
— Wann dieſe Antwort, — Bianca, wann? M
gen? Morgen? Sie ſchweigen? — (freudig.) Mor—
alfo !
Bianca. lernt) Woher Dieß alſo? Wannv
ſprach ich noch etwas?!
Großh. Ah, au dieß ſchon ift mir ein Str
ber Hoffnung, daß Sie ed nicht verneinen! daß fe
ter biefe weihe Hand in der Meinigen bebt: daß
edle Bianca, ic beſchwöre Gie, laſſen Sie mir ı
nigftens auf Augenblide diefe entzückende Täuſchu
die mid) weit über Nang und Magt— die mich 5
Gott erhebt.
Bianca. Mein Fürft —
Großh. Nicht Ihr Fürſt! Der Schönheit ift
zu gebiethen beſtimmt; und Schönheit mit diefen g
fligen Vorzügen vereint, müßte felbit Seraphims
berefhen. — Edelſte der Frauen! diefe blutige Loc
fo oft die ſtumme traurige Antwort auf ale me
Sragen, follte fie doc) wohl fo lange nur an Boi
venturi erinnern, bid er gerät worden fey? Er
es! Die Rode werde gelöfet. LEr reißt ihr ſchneu diefeh
Armband ab.) u |
Bianca. (darnach greeifend.) Euer. Durchlaucht. —
Großh. Morgen, morgen die Antwort! Gie
wollten vorhin, ich follte Sie verlaſſen, — und ich
verlaffe Sie nun. Eitt a6.)
Bianca. Euer Durchlaucht —im Ernfi! Mein
Armband — unmoͤglich — (Sie eitt ihm nad.)
Man Eann leicht vermuthen, daß fie ihm nicht er= _
reichte; daß er ſchnell hinweg eilte! Zum erften Mahl
freywillig fihnell aus Bianca’s. Haufe! Zum erften
Mahl freudig!
Bianca allein (am Abend eben dieſes Tages vor Bonaven⸗
turi’d Bildniß.)
Was verbehle ich mir es länger ? Mein Ohr vers
nimmt wieder, und mein Herz empfindet! — Zwar,
noch it Er mein ftäter Gedanke, aber nicht mehr mein
einziger. (Hufdie Stele ihres Urmbandes blickend.) Hätte
ih. nor wenig Wochen noch diefen Raub geduldet ? Und
zürnte ih heute wahrhaft, fo zornig ich mich auch
ſtellte? — (fi nachdenkend auf einen nahen Seſſet werfend.)
Und morgen — morgen! wenn Franz. nun auf Ant-
wort bringe? Welche fol ih ihm geben?! Abm, der
ſo ſichtbar auf günftige hofft; den ich fo ſichtbar auf
günftige hoffen ließ ? und der ihrer auch — (Aufſtevend,
vor. das Bildniß eretend.) Verzeihſt di mir, Schatten bes
Snnigs Geliebten, vergibft du mir, wenn ih — bier
— 320 —
eine Fremde, eine Verkannte, eine Darniedergeber
te; ausgeſtoſſen aus meiner Vaterſtadt, ohne He
nung gunitiger Rückkehr; bald beträngt von aberme
ligem Mangel, umitellt von Hinterliſt, verlaffen v
allen Verwandten, allen Sreunten, und ach von
ſellſt: feir Jahr und Tag befturmt von dem edeli
liesensiwurtigiien Fürſten, beffürmter vieleiht nı
voa Innern Senden. — vergibit du mir, wenn id
ein Wein br? — (Zarüchk fintnd.) Gott! Gott! m
babe ich gefagt ?-- pPauſe, ſich farfend.) Nies! Nic
zwar, was dieſe Schamröthe verdiente! — Gage fe
Geiſt meines Gemahls, wo du jegt feyn magft, ı
wenn es aud) vor dem Throne des Ewigen wäre; fa.
kannſi du die ganze Zeit unferer Ehe hindurch mich ei
unfrenndiihen Wortes, eines unzartlichen Gedank
eines liebeleeren Augenblick anklagen? Kannft du
Thranen zöplen, bie id in einfamen Naͤchten beit
Wanken, in nod einfamern deinem Tode weih
Vrirde ih nicht jetzt noh Sterben mit dir!
gläͤcklichſten Leben vorziehen! — Aber da ich nun
be, bier lebe, und leben muß — 0 fo vergib, '
gib! Sch fühle es, dein Nebenbuhler wirb dir zu m
tig. — (Paufe) Warum bebe ih von Neuem! H
ich nicht erfüllt, was ich Eonnte und follte Verbiet
göttfihe und menſchliche Gefege wohl eine zwei
Liebe? Iſt Franz diefer Liebe nicht würdigt —
mächtiger Fürſt, und doch immer fo ganz ein Men
So fhön, fo mild, fo anmuthsövoll, daß er auche
Fuͤrſtenthron — — Arme Bianca, wohin verirrfl
dich? Dieſi felbft vor dieſem Bilde — O weib
Natur! Schwachheit it dein Brundſtoff; Empfind!
beit iſt deine Grube! Jahrhunderte wollen
— 27
gutdauern und Monden dünken uns eine Ewigkeit.
“(Die Augen niederihlagend und .iveggebend.) Ich blide
nich auf, ih blide nicht auf zu dir, Bild meines
Gatten, damis dein Auge mich nicht ftrafe! Ad, mein
Herz thut es ſchon, auch ohne dein Herabblicken ge⸗
nug. (line ihrer Grauen unterbricht durch Bereintkunit dielet
Selbſtgeſprac. I:
(Tag daranf).
Großherzog. Bianca,
Großh. Unt wenn Sie der Ausflüchte noch zu
Zaufenten, der Bitten um Aufſchub noch eine zahlloſe
Menge verſchwendeten — ich bin entſchloſen mein Ur⸗
thejl zu hören.
‚Bianca. Ich ein Urtpeit über meinen Monars
‚hen fällen! Woher käme mir diefes Necht 9
Großh. Und doch — doch können Sie es! doc
kann es Niemand außer Ihnen! — Sie erinnern ſich
fo oft im Sefpräch mit mir jener Würde, die ich bey
Ihnen ganz abgelegt willen möchte, — erinnern fi
fo gern, daß ih Fürſt fen. Wohlan denn, Bian⸗
eo, Ihr Fürſt it es, der um Liebe bitter, ewige
Liebe Ihnen ſchwört! Kann er Ihr Herz auf dem
MWege der Zärtlichkeit nicht rühren; o wie gern
nird er dasfelbe auf dem Wege des Ehrgeizes aufs
fuben. — Noch ſah er nur Andere vor fih die Knie
beugen; beugte das Seinige vor Niemanden, als vor
Bott. Jetzt fol er es auch vor Gottes ſchönſtem Mei⸗
ſterſtuͤcke! Gniet vor ide nieder.)
were IB —
Manta. Cinattih) Euer Durchlaucht — Euer
Durchlaucht! — Ach beſchwöre Sie, befhamen Sie
mich nicht. Wenn ich ein Wort noch ſprechen ſoll — —
Großh. Das ſollen Sie, und dann werde ich
wieder aufftehen! Hier betheuere ich Shnen , daf mein
ganzes Glück von Ihrer Liebe abhängt; daß ohne biefe
der Erde böchfter Thron mir Qual, das fröhlichfte Les
ben Elend dünfen würde. Bianca, Jahre flofßen vor⸗
über, feit ih zum erfien Mahl Sie fab. Unermeplidy
dünkte mir damahls ſchon meine Neigung für Sie;
und doch ift fie feitbem noch gewadhfen mit jedem Tage,
jeder Stunde, jeder Minute faſt! Keine Abweifung
ſchreckte, Fein Hinderniß erkältete meine Liebe. — Ger
fühlvolles, edles Meib! kann tenn nichts Ihr Herz ger
winnen? weder Größe, noch Wärme, noch Dauer
meiner Zaͤrtlichkeit?
Bianca. So ſey es denn! Den Weg des Ehr⸗
geizes achte id nicht, aber den Weg ber Zärtkiche
teit langer zu verſchmaͤhen, finde ich mich nicht ſtark.
genug. Steben Sie auf, Grofiberzog! Ihr Anhalten
zwingt mein Geheimniß mir ab, und es ift — Ges
ſtändniß der Gegenliebe. |
Großh. Cauffpringend und freudig.) Der Gegenlie⸗
be! — O du der Worte füßeftes! Harmonie der En»
gelchöre iſt Mißlaut dagegen! Wäre es möglich ?
Bianca! Wire ed moglih, Sie fieben mich wieder?
— Nun, fo werde denn diefer Kuß — (indem er fie küfs
fen will.)
Bianca. efi zurüd beugend.) Trotz meiner Neis
gung Ihnen nod nicht vergonnt! — (mit ernftem, dog
tiebenolem Zone.) Ya, mein Fürſt, ich liebe Sie. Ihre
Torte wirkten ſchon feit geraumer Zeit tiefer, als ich
sosen 209 we
wünſchte; ; tiefer, als Sie ſelbſt vielleicht hofften. Aber
ich liebe Sie ſo ſehr, daß ich dir Wonne, die viel.
Seiht im Glück der Zärtlichkeit auf uns Beyde wartet,
nicht durch Gewiſſensbiſſe geſchwächt, nice durch Ente
weihung endlid) ganz vergaflt erblicken möchte,
Großh. (ganı ſtutzig.) Entweihung! Gewiſſens⸗
biſſe?
Bianca, Allerdings! Verfolgen Diefe nicht ie
des Vergnügen der Liebe! mindern‘ fie nicht jede Se—
ligkeit der Inbrunſt, fo lange Religion die Leptere
nicht geweiht, rechtmäßige heilige Bande fie nicht bes
ftätigee haben *— Iſt eine ſolche Berbindung Ihr Vor⸗
haben, — dann, gnädigfter Herr, fey mein’ Herz
fortan fo gan; das Shrige, wie ed fonft das Eigen»
tbum meined Pierro war. Denken Sie aber anders, fo
werde ih zwar, fo fange id) lebe, Ihr theures Bild,
— das die Liebe langfam, doch deilo dau erhaf—
ter mir in das Her; grub — aufbewahren; aber in
ſchleunigſter Flucht mil ih, wenn auch nicht Rettung,
doch zum wenigften Linderung meiner Leiden ſuchen:
will fern von Slovenz die Leitenfhaft beweinen, die
vielleicht eben deßwegen mir zur Strafe ward, weil
ih auch im Grabe noch dem eriten einzigen Mann, den
meine Lippen je berührten, treu verbleiben ſollte.
Großh. (der erſtaunt ta gefanden har.) Bianca!
Verftehe ih Die wohl gan; ? |
Bianca, (eiwas empfindlich. Wenn Euer Durch⸗
Taudt Dieß jest nicht thun, fo werden unfere Herzen
ſich nie veritehen.
Großh. Nur vom Altare ber fol unjere Liebe .
fid) anfangen $
wen 30 moon
Bianca. Von ihm ber, ober nirgends fonft. —
Sie verwandeln ihre Farbe? Sie werben ernſt —
(Etwas Sitter.) Verzeihen Cie, wenn ich nad fo vielen
Schwüren endlich leichtglaͤubig genug war, zu traͤu⸗
men, daß Sie mich wirklich liebten!
Großh. Erniedrige mi das Schickſal bis zum
irftigften Bettler, wenn ih Sie nicht heißer liebe;
Worte und Gedanken faſſen koͤnnen. Aber der erſte
Beweis meiner Neigung ſey Aufrichtigkeit; ſey
der, daß von nun an jeder Gedanke meines Herzens
unverdeckt vor Ihnen da liegen fol. — Mit den fepers
fihften Echwüren mich zu verbinden, daß Eein Weib
auf dem ganzen Erdboden, und wäre fie Kaiferinn
bom Aufgang bis zum Miedergange, und böthe fie mie
mit ihrer Hand die Herrſchaft von zehn Koͤnigreichen
dar, meine Liebe von Ihnen abwenden, oder auch nur
mit Ihnen theilen ſolle; mich zu verbinden, daß nur
der Tod mich erkälten, nur das Grab uns trennen
werde; gern bin ich zu dieſem Schwure bereit und
werde halten, was ich ſchwur. Aber meine gefegmäßige
Gemablinn — (Er bätt inne.)
Bianca, Nun Aber Ihre geſetzmaͤßige Ge⸗
mahlinn?
Großh. Andere Pflichten bat Franz, der Ma nn,
und andere Franz, der Großherzog, zu erfüllen.
D daß er immer nur Jener zu feyn vermoͤchte, er würde
den Letztern nie vermiſſen! Aber da Bianca felbft zürs
nen würde, wenn er Demjenigen nicht nachzukommen
ftrebte , was fürftlibe Geburt und was der Wohlſtand
des ihm anvertrauten Volks erfordern ; fo vergeihe fid
Mit — (Gr ſtodt wieder.)
ee 31 new
Bianca. Ihr Schweigen iſt zu ſprechend, als
daß ich es nicht deuten, Ihre Gründe find zu leicht
verſtändlich, als daß ich fie nicht erratben follte. Ja,
was noch mehr iſt, ich felbft billige diefes Schweigen“
und diefe Zweifel. — Ich felbft, mein Prinz, begehre
nie, daß Liebe zu mirin Ihnen den Fürſten erniedrige,
Aber wenn Sie etwa glauben, daß meine Geburt
nur mic) des Rechts beraube, mit Ihrer Hund beehrt
zu werden, fo willen Sie hiermit, gnädigſter Herr,
daß Sie ih — irren. Sie fanden mich in Niedrig⸗
Eeit ; doch diefe Niedrigkeit war nicht urfprünglich mein
Roos. Auch ich bin von Italiens edeſſtem Blute ents
fproffen. Meine Familie , wenigitens fo alt als die
Sprige, wußte ſchon zu befehlen, ald die Familie der’
Medicis noch lung und viel an der Grundlage ihrer
Größe zu arbeiten hatte.
Gro bb. Bianco, Sie fegen mid in Erftaunen!
Bianca. Ob Das, was ichgeſprochen, er ſt a u⸗
nenswe rth ſey, weiß ich nicht; aber daß ih Wahr⸗
beit ſpreche, weiß ih, und bin erböthig, es Ihnen
heller als dieſes Mittagsliht zu mochen.
Großh. (mit Eifer. O ſo beſchwore ih Sie, es
zu thun: ſchwöre Ihnen, bey Allem was heilig iſt,
‚ Eann ich anderd bey Ihrer Heirath Liebe und Pflicht
‚verbinden , fo fteht ed nur bey Ihnen, die morgente
Sonne als Sroßherzoginn von Toscand untergehen zu
ſehen.
Bianca. Wohlen, fo faſſe ich Sie dann beym
Worte! Wiſſen Sie hiermit, daß bie uͤnglückliche, die
jetzt vor Ihnen ſteht, auf deren unedle Geburt Sie
freylich mit vieler Wahrſcheinlichkeit von dem Staube,
aus dem Sie uns erhoben, ſchloßen, als die einzige
Tochter des venetianiſchen Senator Capello geboren
ward; eined Edeln, deifen Nahmen Euer Durchlaucht
fiher Eennen müſſen; deſſen Geſchlecht xeich ift an
Männern‘, glei) berühmt in Krieg und Frieden.
Großh. (eſtaunt.) Capello's Tochter, und Bo⸗
naventuri's Gattinn!
Bianca, Der Liebe Allgewalt erniedriget eben
fo oft, als fie erhöht. Mein Her; wählte nah dem
Werth der Seele, bevor ih noch den Stand
des Geliebten kannte. Aber ald ich Pietro Bonaven⸗
turi meine Hand reichte, entfagte ich Feinesweges den
Vorrechten meines angefehenen Stammes: er bat, fere
den längſten Zeiten ſchon, der erſten unter allen jetzt
klühenden Republiken derühmte Häupter gegeben; bat
ihr Helden geſhentt, welchhe Feinde zu überwinden,
Üserwundene zu ſhonen, ſtolze Begner zu demütbi-
gen, und jeder Männertugend nachzueifern wußten.
Großh. Ich giaube es gern; aber fürſtliches
Blut — —
Bianca. Rollt in den Adern venetianiſcher Ge:
natoren eben fo gut, als in ten Adern eines Königs!
Sie, gnäligitersserr, entfheiden über Toscana’ä
Schickſal; mein Vater und feine Vorfahren entſchie⸗
den durch ihre Stimmen oft über das Schickſal von
drey Königreichen, über ein weitläufiges
Gebirth auf dem feiten Sande und über die ſtolzeſte,
reichſte von allen Städten. — Segen fey mit Sloren; !
Es it eine Perle ın Staliend Krone; aber feirdem
das fiele Rom von feiner Größe gefunken it, hat
Feine Stadt fo viel Anſpruch, der&delfteinin Welſch⸗
lands Stone zu feyn, als Venedig, die Madtige,
vorder Meere und Länder zittern. — Sie, mein Fürſt,
tra⸗
tragen das Diaden Ihrer Staaten felbft; meine Vor:
fabren, noch uneigennüßiger ald Cosmus, der große
Mann! befeſtigte es auf der Stirne ihrer mütterli-
lichen Republik, und behaupteten daſſelbe bald durch
die Weisheit ihrer Rathſchlaͤge, bald durch Aufopfes
rung ihres Blutes felbft. |
Großh. Mehr als zu überzeugend für mich! Aber
auch für die Menge?! — Iſt nicht ein mächtiger Uns
terfchied zwifchen einem unbefhränften Monars
hen und den Dienerneines Staats?
Bianca. Nein, gnädiger Herr! Auch die Ca«
pello’s waren nie einem andern Heren ald den Geſetzen
unterthan; Geſetzen, die ſie oft ſich ſelbſt gaben! —
Soll dieſe ein Fürſt nicht auch beobachten? Iſt er,
und hieße er noch ſo unumſchraͤnkt, wenn er anders
feine Pflicht erfüllt, mehr als des Staates erſter "Dies.
ner? — Es gab Nömerinnen, melde die Hund von
Königen ausfchlugen, weilihre Väter über das Schick⸗
fal von Konigen entfhieden. Es gab Venetianerin⸗
hen, durch deren Hand Monarchen ſich ‚geehrt zu ſeyn
dünften. — Hat auf Catharina Cornara’s Haupt
nit fhon die Krone von Cypern geglanzt? Iſt es
nicht mehr als wahrſcheinlich, daß feldit der Fürſten⸗
but auf Ihrer Stirne, gnätigfter Herr, nur durch die
Stimme einiger Capello's glänzt?
Großb. (auberſt erkaune.) Der Fürftenhut auf
meiner Stirne durch Die Stimme einiger Capello's —
Befte Bianca, wohin treibt Die Ihr Geiſt?
Bianca. Eic haben Recht; es iſt der Geiſt die
ner Benetianerinn, ver aus mir fpridt; Abel
ih wundere mich, nice ganz in Ihnen den Geiſt des
erfiern Cosmus zu finden.
Meißners Bianca Cap. 2. IH 6
Großh. (wie vorhin.) Des erjtern Cosmus? Mahre
lich, Signora, ih muß Sie bitten, minder undeute
ih für mich zu feyn.
Bianca. Eo hat mein Fürft wirklich des Zeits
puncts fdon vergeifen, ald fein großer Ahnberr, vers
bannt durch feine Neider, aus Florenz nah Venedig
flüchtete? Als die Großmuth unferer Parrizier, und
vorzüglich der Capello's, *) jenes edeln Verbannten
fih annahm! Hat Er vergeffen, daß Venedigs Rath
vorzüglich den Triumph bewirkte, mit welchem Cos⸗
mus jurüd in feine Heimath Eehrte, und die rufe
beſiieg ‚ auf der ietzt noch ſein Urenkel mit verſtärktem
and verdientem Glanze herrſcht?
Großh. Bey Gott, ich vergaß Deſſen, und
fhäme mid nun!
Bianca. Wenn Ihre Unterthanen jeßt den
Sürften ſegnen, ber fie gefürchtet im Arieg und fiher
im Frieden macht; wen verdanken Eie die Glück?
Venedig Senat! Wem verdankt es Großherzog Franz,
daß er vonregierenden Häuptern abitammt und ſelbſt res
giert Wenedigg Senat! Welchen Vorwurf können
die Slorentiner ihm machen, wenn er, der Enkel des
Erretteten, die Enkelinn jeiner Erretter — doch ich vers
geffe mich; vergefle, daß wohl Sie um meine liebe
warben, aber nicht ich um die Shrige; daf Zie meine
Vertheitigung des Rechts wohl gar fur eıne Zudring⸗
lichkeit halten Eönnten, die mich vor mir felbit ernie«
) Auf die wehre Geſchichte bezeugt: Daß der ältere Cos⸗
mus, Derienige, dem zuerſt Das Haus Medicis feiner
wabren &röße Grund verdankte, feine Wırdereiufenung
Yorzüglih durch Venedigs Senat bewirkt babe.
ven 35 0000
drigen würde! Genug, Sie kennen nun Gavello’s
Zochter ; und verbannen Sie Diefe auf das fchimpfs
Iıhfte aus Shren Staaten, wenn fie fih ibrer Äls
tern unwerth beträgt; wenn auch die glangentften Vers
fprehungen , wenn Franzens ganzes Großherzogthum
ohne feine Hand fie reizt!
Großh. So nehmen Sie dann, fhönfte Bianca,
diefe Hand! Toscana's Großherzog biethet fie feiner
füritlihen Braut. Ihre Gründe befiegen eben fo mäch⸗
tig ſeinen Verftand, als Ihre Reize feine Sinne und
Ihre erhabene Seele fein Herz längſt beſiegt haben. —
Darf er ald Bräutigam nun um den Kuß ber Vers
lodbung bitten? (@ie umarmend.)
Bianca. Er darf es, und findet Erwiederung ;
aber aud nur ald Brautigam! — (Da er eine Menge
Küſſe auf ihre Tippen drücke, ſich endlich aurüdbeugend.) Prinz!
Prinz! nennen Sie Das einen Kuß?
Großh. md ift einKuß dem Heißverliehten etwas
anders, ald Meerwaifer dem Durftigen? es reizt noch
mehr den Durft, es ſtillt ihn nicht.
Bianca. (lächeind.) Ey, warum ſagten Sie mir
Dieß nicht eher? Es wäre für mid) ein Grund mehr
gewefen, auch diefen Einen, aus Mitleid gegen Sie
ſelbſt, Ihnen zu verweigern. — Aber freylic find wir
Frauen immer die Beute männlicher Lit. (Ihn artlich
umarmend.)
Großh. (runken vor Freude.) Bianca, meine Bian⸗
ca! Wunder der Schönheit, und auch der Zugend !
des Verfiandes und der Beredſamkeit Wunder! Bey
Ihnen ſteht ed nun, den Tag ſich zu erfiefen, wo Flo⸗
venz Fürſtenſchmuck Lie zu der erften Florentine⸗
sinn, und mic der Schlummer in Ihren Armen zum
on - C 2
wre 56 mem
glücklichſten aller Erdenſöhne machen fol. Zwar febe
ich fie ale — bie Hinderniffe, die fi mir entgegene -
fielen werden. Aber ich bin ein Werlobter, und bin
ein Fürſt; laßt Den hertreten, der etwas dagegen zu
fprechen Bat!
%
=
Der Vorhang falle über den Verfolg biefes Ges
ſpraͤches! — Nicht, als ob Franz und Bianca irgend
etwas gethan oder gefprochen hätten, wobey die Ge:
genwart eines Engels, oder auch umgekehrt, die
Gegenwart der Verleumdung ſelbſt, ihnen furdts
bar hatte feyn können. Doch die Eeligfeit zweyer Lies
benden, die zum eriten Mahl ſich wechfeljeitig für eine
ander au fſchließen, bar der einzelnen bedeutungsvols
len Sylben, hat der redenden Blicke fo viel, daß, bey
MWiedererzählung derjelben, Abbreden — und Schwei⸗
gen der befte Theil feyndürfte. Genug! Drey odervier
Stunden entflogen den Glücklichen, als wären ed eben
fo viele Decunden. Endlich mußte doh Bianca — fo
ſchwer e8 ihr anfam— den Großherzog erinnern: ob es
nicht vieleicht fehicklich feyn dürfte, in den Zirkel feiner
Staatsgefchäfte zurück zu Eehren; und fie trennıen ſich
unter Küſſen, unter wechfelfeitigen Schwüren — fi
bald nicht mehr zu tfennen.
Sranzens ganze Seele hatte fi in die wenigen
Worte: Laßt bertreten, mer dagegen etwas zu fpres
chen hat! zufammengedrängt. Gleichwohl, aldernun,
von Bianca entfernt, ein halbes Scundchen in feinen
Gabinett eınfam hinbrachte; als er überdachte: war er
verfproden, worauf er Hand und Schwur ahgelent
babe? da Fonnte er fih doch nicht einıger ſchwan⸗
;
Eenden Einwürfe gegen feines Lebens Elnftigen Plan
ganz erwehren; da fraate er doch ein Paar Mahl fi
ſelbſt: Habe ih auch recht nebandelt ? Werde ih auch
halten können, was ich zufagte? Zwar die mehreften
dıefer Zweifel flohen ſchnell wieder in ihr Nichts zu⸗ |
rück: aber einer hielt Doch langer Stand; denn er war
tiefer gegrlindet, alt bie Übrigen alle zufammen.
Unter Cosmus Söhnen war Franz zwar ber Erfte
geborne, doch nicht der Einzige, ihn lißerfebende ge:
wefen. Er hatte noh zwey Brüder, Kerdinand und
Pietro mit Nahmen. Der Letztere, fchon ſeit mehre—
ven Jabren Genexal ih ſpaniſchen Dienſten, hatte eben
dadurch gleichſam förmlichen Abſchied von ſeinem Va—
terlande genommen. Im Kriege und Kriegsgetüm—
mel ſchien er höchſt felten oder gar nicht mehr an
feine Blutsverwandten und’ feine Geburtsſtadt zu
denken : feinetwegen durfte der Großherzog feine,
Furcht und Fein Bedenken ſich -anwandeln laſſen.
Aber ganz anderd war der Fall mit Berdinand,
dem Zwepten unter Cosmus Söhnen. Auch ex war
Medicaer — im weiten Verftande des Wortes; au
ihn hatte die Natur keineswegs in einer ihrer fargen
Augenblicke hervorgebradt. Denn edel war die Form
feines Geſichts, ftolz der Bau feines Körpers, voll
Anlage zum Gefühl des Großen und Schönen feine
Seele. Doch viel hatte an diefem Letztern das Gift
der Schmeichler, denen er früßzeitig Ohr und Herz
aufthat, mehr nod) fein unbegrenzter Ehrgeiz verderbt.
Schon ald Anabe in Geheim überzeugt, daß ihm Uns
recht gefhehe, weis er nur — der Zweptgeborne fey,
batte er ſtets mit Neid auf feinen Bruder geblickt,
hatte höchſtens nur dann brüderliche Liebe geheuchelt,
wenn er, verſchwenderiſch in feinen Ausgaben, praͤch⸗
tig in feinen öffentlichen, mollüftig in feinen geheimen
Ausgaben, wieder ein Mahl mit den Renten nit
auskam , die fein Water ihm Beftimmt hatte. Frühzei⸗
tig zur Kirche beſtimmt, ald ein unmüntiger Nüngling
ihon mit dem Purpurhut der Cardinals, Würde ges
ſchmückt, war ihm zwar der Weg zur drepfachen Kro⸗
ne — zu derjenigen erhabenen Etufe, die ſchon zwey
Medicäer beftiegen hatten — eröffnet worden. Dennoch
behielt er ſtets die weltliche Füritengröße feines Haus
fes ın Blick und Wunſch; harte lieber jetzt fhon zw
Florenz, als vielleicht derzinft in Rom geherrfht. Eben
deßhalb ſtrebte er fters nach Beybehaltung eines Eräfs
tigen Eınfluifes in feiner Vaterſtadt; fuchte jede Eleine
Unrube allda, jedes gährende Mißvergnügen anzus
ſchüren und zu vergrößern ; galt immer für das beime
liche Haupt einer beträchtlichen Partey von Unzufries
denen ım Staate.
Nur zu gut war Großherzog Franz mit allem
Diefem befannt. Ecerzend pflegte er oft zu einigen
feiner Vertrauten zu fagen: „Und wenn auch Alles
„an mir meinem Bruder Ferdinand mißfällt, wenig⸗
„itens tt er Damit zufrieden, daß ih noch — Einders
„los bin!” — Daß ein folher Bruder über eine neue
Ehe Eein fonderlihed Wohfgefallen äußern, und daß
ev zumahl über eıne Ehe diefer Art bittere Mißbilli⸗
gung bezeigen werde, Beydes war Franzen einleuch⸗
tenter ald Tageslicht. Daß Liefer Unwille bis zum
öffentlihen Ausbruch fortfchreiten würde, war wahr:
fheinlid; und daß der Unruhftifter dann Gefaͤhr⸗
ten feined Widerſpruchs, Theilnehmer feiner gewadt⸗
thäatigen Plane finden, daß der von ihm angeflimmte
Son des Spottö und der Vorwürfe auf einen großen
— 39 —
Theil der allgemeinen Menge übergehen werde, war
beforglid. Bruderzwift, Volksunwille, Staats⸗
jerrüttung — alles Dieß konnte der milde Franz ſich
nit obne Abſcheu denken. Die Liebe mußte daher
bier ihre ganze Kraft aufbiethen, um zu fiegen, und.
fie that es im vollften Bewußtſeyn ihrer Macht. „Bir
„ih nihe Flirſt und Mann? Sf Bianca nicht die
„Krone der Srauen®” fo rief Franz abermahle und
war — entihlojfen.
Am nadhften Morgen berief er in möglichiter Frühe
feine geheimen Rathe, und machte fen Vorhaben ihnen -
Eund. Alle ftzgten, ſtarrten ihn an, verbeugten ſich
und? — fchwiegen. Ein Einziger wagte doch feinen
Empfindungen Worte zu geben. Philipp Mopdefini,
hieß er, ein Greis, der fhon unter Cosmus Herr⸗
ſchaft für einen eigenfinnigen, unbiegfamen Starr⸗
Eopf gegolten hatte, unmwandelbar bey Drohung und
Verluſt, unbeſtechlich durch Schmeicheley uny Gold,
lauter in Worten und Thaten, wie ein ungetrübtes
venetianiſches Glas; aber auch unverſöhnlich bey Bes
feidigungen, unerbittlich. bey fremden Fehlern. „Er hatte
ſchon drey Frauen verftoßen, und feine einzigen zwey
Söhne enterbt. Er hatte dem Cosmus manden Rath
ertheilt, den man im Verfolg richtig und weife ers
fand, doch äußerſt felten einen, der gleih Anfangs
gefiel. Auch unter gegenwärtiger Regierung war man
daran gewöhnt, ihn oft widerfprechen zu hören, aber
fait eben fo oft — nicht auf ihn zu achten. Mehr
noch als gewöhnlich ſchüttelte erjegt fein greifes Haupt,
ſprach noch heftiger als forft gegen diefe Verbindung.
Er ſchmaähte nicht etwa auf Bianca's fledenlofen Char.
rakter; er beſtritt es nicht, aid Franz ausrief: eine
moon 40 —R
Seele dieſer Art adle mehr als die Abkunft von zwan⸗
zig Königen und als das Erbtheil von ſieben Fürſten⸗
thümern! Aber er blieb feſt und kalt quf der Behaup⸗
tung: ein Regent müſſe, in der Wahl feiner Gemah⸗
finn: felbft ouf die Vorurtheile der größern Menge:
achten; und fen vielleiht ein Herr über Alle, aber
nicht über jih feldft. — Nabe war Franz an Unwil⸗
len und Zorn; doch bald füßte er fich wieder; er dankte
dem greifen Modeſini für feine gutgemeinte Wärme,
und — blieb auf feinem Entſchluß.
Eine Bierreiftunde nah entlaffener Rathöder⸗
. fommlung war ſchon die große Neuigkeit; daß Bianca
Bonaventuri beftimme fey, Thron und Lager mit dem
Großherzog zu theilen, durch alle Straßen, alle Rins
kel von Florenz erfhollen. Cie lief fort mit der Ge»
fhwindigfeit des Lichtſtrahls und des Blitzes; aber fie
übertraf dieſe zwey merkwürdigen Naturerfheinungen
noch an Mannigfaltigkeit ihrer Wirkung.
Abraham geſtand einſt: daß er nicht vermögenb
ſey — die Sterne zu zählen. Er würde noch verleges
ner geweſen ſeyn, hätte er jekt in Die Kerzen ber Höf⸗
finge fhauen, und den Miſchmaſch ihrer Gefühle bes
ſchreiben follen. Zwar fhien auf After Geſichtern bie
Iebhaftefte Freude zu glänzen: aber überall war es
nur ein gebrochener Widerfchrin des Neides, ber Eir
fegfucht und zwanzig verſchwiſterter Eigenfchaften ihrer
beimtüdifhen Seelen. Wohl hundert von Florenz
fhönften Damen wurden in der nähften Nacht ges
fährlich krank. Mondragone's Gattinn mißhandelte
thätlich in der erſten Hitze ihren Gomahl. Er litt Alles,
denn er war verloren in dumpfem Erſtarren. So weit
follie das Weib es bringen, das er einſt unterm Schin⸗
won Ai mem
deldache wobnend fand! Sie, der feine Gemahlinn
die erften Kleider borgte, fie glänzte jegt im großs
berzogfihen Purpur! Mahriih, Das war mehr, alt
er ſelbſt im Ttaume befürchtet hatte.’
Indeß fammelte aller hoher und niederer Adel
fi eilends in Bianca's Pallaft zu Glückwünſchungen
und Empfehlungen. Man ftaunte, ald man in ihrer
-Miene noch ganz die vorige Befcheidenheit fand. Man
ftaunte nody mehr, als fie in Aller Gegenwart ihren
durdblaudtigften Bräutigam, der ihr verliherte, daß
Alles fhon auf morgen bereit fey, innigft Bath: we⸗
nigitend noch einige Tage diefe Feyerlichkeit aufzuſchie⸗
ben, damit ihr Vater erft davon benadhrichtiget werde.
„Er hatte zeither, fprady die Holde, des Grams um
mich fo viel. Es iſt billig, daß ich feiner nun aud
vor allen Andern gedenke, da er noch Freude erles
ben fol.”
Ungern willigte Franz in den Auffchub; doch gab
er fi endlich darein. Noch diefen Abend machten fich
Abgeſandte an Capello und an den Rath zu Venedig
auf den Weg. Es waren Baitfreunde des. Erftern,
gran geworden in Toscana's höchſten Ehrenitellen;
Mario Sforza und Antonio Tucci mit Nahmen. Um
die greude des Waters durch Überrafchung zu verſtaͤr⸗
fen, erſchienen fie als bloße beſuchende, durchreiſende
Fremde. Capello empſing fie detg zärtlider, da er
fhon feit zwanzig Jahren fie nicht mehr gefehen hatte.
Nach einem freutigen Mahle führte er fie in feinem
Pallaſte herum. Allenthalben ſchien hier Lie. Pradıt
eines unbefchranften Zürften zu ſchimmern. Erft ganz
zuletzt führte er ſie in eine Bildergallerie, beitchend
aus den Arbeiten der treiflihften Meiſter. Eine eigene .
l
mern 42 —
Abtheilung derfelben war den Gemaͤhlden feiner Ahr
gewidmet. Eine lange ehrfurchtswerthe Neihe! G
rauıne Zeit fanden die Fremden und ſchauten, ehe
ihr Urtheil darüber fällten.
Sforza. Wahrlich, Signor*) Capello, fiüı
nicht Stolz; — er ſtehe auch, wo er wolle — imu
am unrechten Orte; ich würde es dem erlaudten Ha
der Capello nicht verdenfen, wenn ich Spuren die
Denkart bey ihm antrüfe. |
Cap. Warum uns minder, ald Anbern? .
Sforza. Diefer Gallerie wegen! Die Gefchid
Venedigs nennt ihren Nahmen mit Ruhm auf jei
Seite ihrer Sahrbücher ; aber ſchwiege fie auch ge
davon, doch würden Fremde, fo bald fie nur bi
Gemählde Ihrer Ahnen fähen, keinen Augenblick I
ger zweifeln, daß dad Haus der Capello ein groß
edles Haus, ja eines der edelften fogar in ganz Welf
land feyn müſſe.
Cap. Sie find fehr gutig!
Tucci. Wir find nur gerecht! und mein Freu
Fam nur einen Augenblick früher im Lobe mir zum:
— Noh fah ih nie eine Gallerie, diejer glei.
Geſicht von jedem diefer Männer die Züge böcfl
Edr'maths; jede gran eine Schönheit. MWeiberreiz u
Mannerwürde überall in nachbarlicher Verbindun
*) Ich weiß fehe wohl, daß ein venetlanch.e Senator
fu ſehr üdel genannten baden wurde, men Man |
nur S'onor, und nicht Ercellenz : angeredit hätte, M
gezen alle dergleichen Lächerlichkeiten des Coſtums fünd
ich mit ẽleiß,
Was Eann ein Geſchlecht, ſelbſt wenn es ein fürftfis
ches wäre, mehr fih wünſchen?
Sforza. Und doch verzeihen Sie meiner Nens
gierde, Tiebfter Freund, wenn id, Troß dieſer vielen
jegt gefebenen Gemählde, noch über ein ungefehene®
Sie befrage.
Cap. uͤber ein ungefehenes? Was meinen Sie
damit ? |
Sforza. Diefes hier! (Indem er mit dem dinger
mad) eiver Ede bin deutet.) Warum verhüllt dieß Einzige
ein afhgrauer Vorhang? Es fteht fo dicht neben Ih⸗
nen ; wahrfdeinlid muß ed daher eine Perfon vor
fielen , die Ihnen nabe verwandt war , oder ift.
Cap. (mit dem Tone des Schmerzeht.) Ja wohl und
leider fteht fie dicht bey mir! Ra wohl war fie leider
mir nabe verwandt!
Tucci. Leider? Warım Das?
Cap. (mit herzlichem, halb teanrigem Tone.) Meine
Sreunde, ich empfing euch fo fröhlich; dieſer feltene
Beſuch erinnerte mih an das Glück unierer Jugend,
an ale die zahlloſen Augenblicke ehemahls genoifener
Freuden; ganz beitimmte ich daher diefen Tag der Hei—
terkeit. — Laßt ihm diefe Beſtimmung! Meine alten
Augen mölbten heute nicht gern weinen.
Sforza. Verzeihung, Eignor! Hatten wir Das
gewußt, wir hätten geſchwiegen. — Aber wahrlid,
die Thräne — —
Cap. Steht fhon in meinem Auge! Ich fühle
ed ſelbſt. — Nun wohlan, der erſtern möͤgen auch
mebrere folgen! Indem er den Vorhang wegzieht. So
feht denn das Bild, das diefer Vorhang deckt; das
— wen 44 mer
nächſtens bald ganz von diefer Stelle weggenommen
werden fol! — Wie gefällt ed euch?
Tucci. Eine wahre Grazie !
Sforza. Der Schönheit und ber Sanftmuth
Bild!
Cap. Und doch das Bild des Trugs!
Tucci und Sforza (als vrſtaunten fie.) Und des
‚Zeugs?!
Gap. Biancad — meiner Tohter — meiner
geweſenen Tochter Bild — meines ehemahligen- ein»
jigen Kindes! — O daß von mir und von dieſem
Meibe (auf feiner Gemahlinn Bildniß geigend) — daf une
ter einem fo bimmlifhen Anſchein ein Geſchöpf ges
boren werden Eonnte , welches die Ruhe feines Waters.
fo unerjeglich zertrümmern, ihn zwanzig Sjahre vor .
ber Zeit der Grube näher bringen Eonnte!
BSGSforza. Aber was that fie denn, das eine fo
tiefe Trauer verdiente ?
Cap. Ab, fie war mein Stolz, meine Hoff⸗
nung! Wer fie ſah, pries fie ald Venedigs Zierde ! Wer
fie fab und hörte, pried mich ald der Väter glückliche
ften. Die hatte noch ein Wort von ihr mich betrübt;
nie hatte ein Blick von mir fie je befirafi. — Da —
da Eam das Alter der Liebe; und ihre Liebe verirrte
ſich; da — — (er ſchweigt eine Minute, endlich mit Schluchzen
mühſam fit fafiend.) Kurz! die Buͤbinn floh mit ihrem Ver:
führer. Nichts hab’ ich ferner von ihr geiehen, nichts
von ihr gehört, (auts Her wenend) defto mehr hier em⸗
pfunden.
Sforza. Arıner Breund! und wer war denn der
Mann oder der Sungling, mit dem Ihre Tochter
entjlod 3
un 45 „even
Cap. Einer der geringften im VolE — ein Hands
lungsdiener der Salpiati. Schon die Liebe zu ihm
war Schimpfes genug fir Capello's Tochter; — aber
auch zu entfliehen mit ihm! von einem Vater
zu entfliehen, der fo heiß fie liebte! fo heiß, daß,
bat!e er gewußt — — (fodt ein Paar Secunden, dann
mit geänderten Tone.) Mein! Nein! ic will nicht fügen;
Das hätte ich nie erlaubt, Lieber hätte ich ihr Auge ges
fhloffen, ald ıhre Hand fo entehrt gefehen! — @en
Vorbang zugiehend.) Weg mit dir! Du warft nie meine
Tochter! Mein Weib betrog oder ward betrogen!. Dein
Loos fey dag Roos jener Elenden, die — —
Sforza. Halten Sie ein, Signor Gapello!
Shmähen Sie nicht auf Ihre Gattinn, und nod
inftandiger bitte ich, fluchen Sie nicht Bianca’n ! Sie.
Eann allerdings des bittern Grames viel Ihnen gemacht
haben; aber leicht möglih, daß fie auch der Freuden
nody mebrere Ihnen Eiinftig erzeuge!
Cap. Sie mir Freuden? — Sie mir? Sie,
die Entlaufene! die laͤngſt Verwefene vielleicht ! ha!
ba! ha! — citter.) Zwar was geſchieht nicht Alles $
Hatte ichs je gedacht, daß ich laden würde bey der
Erinnerung an diefen Unfall? — Meine Tochter, meine
einzige Tochter, und die Gattinn eines Mannes ans
der Hefe des Volks! Eines Mannes, vom Schickſal
ſelbſt zum Elend und zur Niedrigkeit verdammt!
„Sforza (Ccchnell diefe letzten Worte faffend.) In
Elend und Niedrigkeit geboren vieftridt, aber nicht
deßwegen auf immer dazu verdammte! Mit großen
Gaben aufgerüftet — und Das mußte der Mann ja
wohl ſeyn, der einer Bianca gefallen Eonnte! — hob
fhon fo Mancher fih aus dem tiefiten Staube zu des
Staates hoͤchſter Würde empor; war freylich der erfte
Edle feines Stammes; aber, unpartepifh betrachtet „
‚um fo edler durch ſich felbft, da Eein Ahnenverdienſt,
das zufälligfte aller Güter, ihn unterffügte. — Wenn
nun, zum Beyipiele, der entflobene Bonaventuri an. -
irgend einen fremden Hofe fi bemerkt zu maden, die
Gunſt des Fürſten ſelbſt zu erwerben gewußt hätte;
wenn er jetzt, bingerafft durch einen frühen Tod,
feing Gemaplinn als Wirwe, aber im Anfprudhe auf -
jedes Glück binterliefe; würden Ste aud dann Bian⸗
ca'n nicht vergeben? Sie nit wieder Ihre Tochter
nennen? — Sie flarren mih an, Signor? Unfere
Reden dünken Ahnen abenteuerlih ? Wohlan, fo
finte nun die Hülle, die ſchon laͤngſt für mic) faſt allzu
läſtig ward! Wiſſen Sie, Alles, was ich zur Zeit nur
bedingungsweife, nur ald Möglichkeit vors
trug, it — Wirklichkeit. Eben die Bianca, um
die Die fo lange getrauert haben, lebt noch; lebt
Ihrer würdig; tt fhon feit geraumer Zeit des floren«
tinifhen Hofes hoͤchſter Shmud; und Bonaventuri,
fo bitter von Ihnen verachtet, war unfers glorwürdig⸗
fien Süriten erflärter Günſtling.
Cap. (fib niederfegend, da er vor Erfiaunen fih nice
mehr autscht halten Bann.) Iſt Dieß Trug eined Zraus
mes oder Naufchest — Diefe frohe Bothſchaft — —
Tucci (enfallend.) Iſt doch nur der Eingang zu
noch froberen Borhihaften. — Schon ſeit Jahresfrift
u Bonarenturi todt, und binnen wenig Tagen wird
Bianca ıyren Witwen-Schleyer mit dem großberzogs
lichen Purvur von Floren, veriaufgen. — Wir felbit
erſcheinen, von dieſem Augendlick an, hier nicht als
beſuchende Freunde, ſondern als Geſandie unſers Mo⸗
narchen und feiner fürftlichen Braut, mit Auftragen
an Vater und Vaterland. '
Cap. (aufſtehend und feine Haare ſchü tteind.) Mein,
Freunde, dieſe greifen Locken, ben Gott ſchwöre ich
es euch! mir Ehren find fie weiß geworden; ihrer
fpotten ıft Sünde.
Sforza. Werde fie fo hart beftraft, ald Suͤnde
‚genen den göttlichen Geift; uns trifft doc diefe Strafe
nicht. Denn daß ih Wahrheit gefprochen, davon wird
den DBater unferer Durchlauchtigen Fürftinn dieſer
Brief gar bald Uberführen. (Eine ibm einen Brief.)
Cap. Ja, ja, it — eb ift ihre Hand! —
MNachbem er es gelefen, mit aufgehobenen Augen und Händen.)
Allgewaltiger Gott, dein ift die Macht und die Herr:
‚lichkeit! Todte Fannft du erweden, und Lebendigtodte
Eannit du hoch zu Ehren bringen. O bu, der du dies
fen abgefpannten Nerven noch ein Mahl des Lebens '
höchſte Wonne gönnen wollteſt, gonne mir. nun. auch
Kraft genug, dieſe Wonne zu tragen! Du gibft
“ mein Kind mir wieder; ſehen laß mich fie noch, und
wäre ed auf Minuten nur, und dann fterben! — (ber
ausrufend.) Pietro! Marco! (zwen Bedienten ehfcheinen.)
Man pade fogleich meine Eoftbarften Kleider und Sa⸗
pen ein! Bereite Alles zu einer Abreife mit dem frühe:
fien Morgen! (Bediente ab.)
Sforza. Nur daß Ihr Alter — — verzriben
Sie meiner Sorgfalt, Signor — —
Cap. Sch muß fie fehen! ih muß! — Sie war
mein theuerftes Kind von erfter Jugend an. Als ihr
einziger Bruder farb, tranerte ih minder um fernen
Tod, ald nachher bey ihrer Flucht. — Ich muß jie
fehen, und wenn diefe Wonne mich tödten fellte! Jede
wen 438 —
Stunde Verzug dünkt mir Einbuße und Vergehen. —
Und du hinweg, (den Vorhang wegreiffend), daß ihr Bild
wieder werde, was ed ebemahls war, bie Zierde meines
Hauſes; die Wallfahrı jeves Fremdlings! daß wieder
— — Verzeiht, meine Freunde, verzeiht meiner
Verwirrung ! Ihr wißt ja, das kein Waſſer ſtaͤrker be⸗
rauſct, als die Thraͤnen der Freude.
Mit Sonnenaufgang reiſete Capello nach Florenz
ab. Die Geſandten blieben zurück und übergaben das
Schreiben ihres Fürſten im vollen Senate. Stimmen
der Verwunderung fhollen von jeder Seite ber, als
es verlefen wurde. Viele mifigönnten wahrſcheinlich
dem Geſchlechte des Capello diefes glanzgende Geſchick;
doch zögerte der Senat nicht, fi wenigitens ſchein⸗
bar über die Ehre zu erfreuen, die einem aus ihrem
Mittel durch Bianca’! Erhebung widerfahre, und
Franzen für die Freundſchaft zu danken, mit welder
er Diefes ihm Fund mache. Un auch jo viel ald möglich
Gleiches mit Gleichem ;u vergelten, ward Bianca für
eine Tochter der Nepubli erklärt; eine Ehre,
die fonft nur Königinnen widerfuhr! Anfehnlihe Ges
ſandten überbragten ihr diefe Ernennung und den
Glückwunſch des Staats. Die feyerliche Vermaͤhlung
folgte gleich darauf. Ganz Eurova bezweifelte Anfangs
die Wahrheit des Rufes, und pries dann Biauca
glücklich; nur Franz geitand laut, daß er durh den
Bejig einer jolgen Gattinn ſich noch weit glücklicher
fühle.
Bald bewies auch das Berragen Bianca’, Daß
das Lob und Entzücken ihred Gemahls nicht ein dloßer
Tau⸗
wen BQ wie ..
Zaumel verblendeter Riebe, feine Wahl nicht bloß bie
Wahl eines reizenden Körpers gewefen fey. Tauſenb
edle, bisher noch verſteckt geblieberie Eigenfchaften ſtrahl⸗
ten nun in ſo vollem Glanze, daß ſelbſt die Fürſten⸗
Würde, nach dem Urtheil unparteyiſcher Richter, kaum
mehr für ein Geſchenk des Schickſals, ſondern nur
die Abtragung einer alten Schuld gelten
Eonnte: — „Du haft die Schönheit ſelbſt auf den
Thron erhoben!” fo batten die florentinifhen Dichter
ihrem Großherzog bey feinem Beylager zugerufenz
bald festen die Geſchichtſchreiber weit rühmficher,, und
minder figürlih, hinzu: „und nileich mit ihr auch
die Tugend!”
Von nun an flüchteten ſich zu Bianca alle Diejes
nigen, die in Florenz Bedrücdung fühlten, oder nur
zu fühlen glaubten; vor ihr enthüllte ſich Manches,
was felbit Franzens Augen entging; der eben feiner
Mildigkeit wegen öft allzu fehr auf feinet Diener Treue
ſich verließ. — Wer unter dem Drude Mondragone’s
oder eines andern Höflings ſchmachtete, übergab Bian⸗
ca feine Bittſchrift; wer Im Staube und umverdienter
Armuth feufjte, ſuchte bey ihr Unterftügung; Jener
fand dann Redt, und Diefer fat immer Hüffe; fand
fie um defto williger, ‘je öfter Bianca fi) daran erine
nerte, ehemahls felbft arm gewefen zu feyn. Scharen
umringten ihren Wagen, wenn fie ausfuhr, und nanrig
ten fie Mutter. Man pries fo unbegrenzt ihre Güte,
daß felbft ihre Edrperlichen Reize — obſchon ein«
jig in ihrer Art — doch für gering gegen ihre geifti-
gen galten. Allgemeiner Neid hatte ſich bey ihrer faſt
fabelhaften Erhebung fhon im Voraus zur Verleum⸗
Meißners Bianca Gap. 2.261. D
dung gerüſtet; aber eben diefe verſtummte beynahe
eher noch, als fie anhob, und feldft die Böſen und
Heimtückiſchen, verbannt von Bianca’ qAnblick, begnüg«
ten fih nur in Geheim zu murren.
Eie ging fo weit, daß fie Kranken und Dürftie
gen niche nur Unterſtützung fandte, fondern aud
oft in verfiellser Kleidung brachte; daß fie die dans
Eenden Seufzer der Geretteten, oder der im Tode noch
Erquickten felbft mit vernahm; und daß fie oft ihr Lob
von Perſonen preifen hörte, die weit entfernt waren,
in diefer bereitwilligen Tröfterinn die Großherzoginn
zu vermuthen. — Ein Benfpivi ftehe hier von zehn
Zaufenden!
Unter allen Edeiſteinen liebte Bianca — wies‘
wohl fie nur aäußerſt festen fih zu fhmüden pflegte, —
vorzüglich ben Rubin, zog ihn jelbft dem Diamant vor
und hatte mit ihrem Gemahl oft einen foherzhaften
Wortwechſel daruber. Einft daher, am Tage ihrer Ge
burt, brachte ihr Franz beym Morgengruß ein Hals
band von den auserlejenften Juwelen diefer Gattung
zum Geſchenke. Lange vrerweilte das Auge der Fürſtinn
mir Wohlgefallen auf dem mitteliten Stein, der von
außerordentliher Größe und Gluth der Farbe war.
„Ja, rief fie endlih, er ift fhon! Faum entjinne
ich mich jemahls etwas Echöneres gefeben zu haben.
Auch mag er wohl koſtbar — big zum Übermaß, für
dad Auge des Kenners feyn; und do halte ich eitle
Thörinn mid) für vermögend genug, ſelbſt diefes treffe
liche Geſchenk dir vergelten zu Fönnen.
wer Di een
Großh. Allerdings! Ein: einziger Kuß beines
Mundes — —
Bianca: Nein, fo meinte ich es nicht. Aver
wiſſe, ſeit vorgeſtern ſchon, mein trauter Gemahl,
bin ich im Beſitz eines Schatzes, den ich bloß deßhalb
noch verſchwieg, weil er mir es zu verdienen ſchien,
nur an einem Tage, ſo feſtlich, wie mein heutiger |
it, dir gefchenfe zu werden; eines Schatzes, deſſen
inneren Werth gewiß alle beine Juwelen nicht Übers
wiegen!
Großh. (vermunderungsvon.) Wie? Und biefer
Schatz würe? Ä
Bianca. Dfein äußered Anfehen ift fehr gering!
ieh, hier dieß leinene Tuch! ieh bier diefe Kleden,
wie die Tropfen irgend eines eınfahen Wafers! Ers
üthft du wohl, was ih meine! — '
Großh. Dann möchten die Hieroglyphen der
Ägypter mir ein leicht herzuleſendes Alphabet feyn !
Bianca Wohl wahr! Aber bu entfinnit dich
doch des Leonaro Pazzi?
Großh. O ja, der Nahme eines Todfeindes
ift eine Sache, die ſich nicht leicht vergißt! Bitterer
und unverdienter haßt Satan die Gottheit: nicht, als
Leonato das Haus der Meticis. Aber fern und flüchs
tig irer auch ſchon längſt diefer Elende herum, der
fonft mir und meinem Vater oft ziemlich nahe mit feı=
nem Dolce gekommen ift.
Bianca. Daß doch die vorfihtigfte Rache ims
mer noch fo blind zu feyn pflege! Wiſſe, diefer angebs
lich Herummrende war vorgeitern noch in Florenz.
Oroßh. In Florenz?
D 2
eo. 52 .
Bianca. Wille nod mehr! dieſe eigenen 5
de, die Hänte deiner Gattinn, haben treulich das J
rige beygetragen, feine Qual gelinder,, fein Elend |
träglicher zu. machen.
Großh. Bianca!
Bianca. Daß du nidt etwa zuͤrneſt, bevor
mich angehört und ausgehört haft!
Großh. Sprid, ſprich! Nie wüͤnſchte ich fel
licher, als jeßt, daß du ſchon geendet hätteft.
- Bianca. So vernimm denn! — Mit bem Te
der Warnung kam neulich meine vertrautefte Kamm
frau zu mir und bath mid: dir anzuzeigen, daß %
nato Pazzi fih bier verborgen halte. Auch mir a
diefer Nahme zur Genüge ſchon bekannt und fürcht
lich; raſch wollte ich daher fogleich zu dir eilen; ı
nur aus Vorſorge fragte ib noch vorher: wo? ı
wie er fi befinde? Sie antwortete mir: „In b
Haufe einer ihrer Berwandtinnen und auf ben T
krank. Geftern. babe er gebeichtet, und eben hier!
babe man, dur Behorchung, feinen bisher verfchn
genen Nahmen erfahren. Schon feit drey Woch
fuhr fie fort, leide er die entſetzlichſten Schmerz
wünſche zu fterben und vermöge ed doch nit; in e
gen Augenbliden der Fantafie wären ihm die ſchreckl
ſten Flüche auf dad Haus Medicis entfahren; a
beym zurückkehrenden Bewußtſeyn verberge er fo
faltig diefen Groll und Alles, was fonft den 9
verratben könne.“ — Ein feltfames Genifh ı
Schauder, Mitleid und Wuͤnſchen, mir felbft un
klärlich, ſtieg bey diefer Erzählung in mir empor. |
verboth meiner Kammerfrau das Fleinfte Wort von al
von 55: men
Dem ferner auszuplaudern; nahm einen einfahen
Schleyer, und befahl ihr, mich Binzuführen. .
Großh. Nun wahrlich — —
Bianca. Es war ein Anblick, der das Se
durchgriff! Ein Gerippe, ganz ohne Fleiſch, karg mit
Haut bekleidet; das Geſicht eines ſchmerzlich Sterben«
den; und doc) in feinen Augen noch Feuer und wilder,
ftörrifcher Muth! In feiner Kraftlofigfeie felbft noch
Spuren ehbemahliger Stärke! Wenn er.im Bieberfrofte
mit feinen verlängerten Zähnen Elappte: wenn feine
beinerne Hand langſam auf der wollenen Dede herun⸗
terfuhr,; wenn er immer Ruhe fuchte ung, deren nirs
gends fand — — Franz, Branz, alle Folter eines
Wuͤtherichs ift nichts gegen das langſame und dod vom
Bewußtfeyn nicht verlaffene Abflerben einer weiland
ftarken Natur.
Großh. Gewegtt) Und zu einem ſolchen grauſenden
Lager konnte meine edle, zarte Gemahlinn ſich wagen?
Bianca. Wer von uns iſt ſicher, ſelbſt nicht
dereinft“ auf ein aäͤhnliches zu kommen? Wann war
der maͤchtigſte Fürſt unfterblih ?— Franz, da nannteft
den Leenato Pazzi kurz vorher deinen Todfeind; aber
ih bin gewiß, hätteft du in diefer Geftaft ihn erblidt,
das Mitleid hätte ganz den "bisherigen Haß verdrängt.
— Wenigftens mein Widerwille ſchwand dazin, wie
Regenwaſſer, dad auf eine lodere Erde faͤllt; und
was ich von Stund an than Eonnte, dad that ich auch
redlich und gern, um ihm in den Wermuthskelch ſeines
Todes wenigſtens eini, ſchmerzenlindernde Tropfen
zu traͤufeln. Er erkannte es! Der Arzt hatte vorge⸗
ſtern ihm angekündigt, daß er dieſen Abend nicht mehr
ſeyn wuͤrde; ich kam bald nach Empfang diefer gleich
vvuvv 54 —X
leidigen und freudigen Nachricht zu ihm; aͤußerſt ſchwach
lag er ausgeſtreckt auf ſeinem Lager; auf ſeiner Stirn
ſtand ſchon kalter Schweiß; aber er unterdrückte Wim⸗
mern und Achzen, und.zwang feine ſtammelnde Zunge,
mir für die mannigfade, ihm erwiefene Sorgfalt Danf
zu fagen. — Ich unterbrach ihn. Du rühmft mich fo
ſehr, ſprach ich; würdeſt du wohl auch dann ein Glei—
ches noch thun, wenn du wüßteſt, wer ich waͤre?
Großh. Wohl gefragt!
Bianca. Sey, wer du willſt, antwortete er;
bu bift meine großmurhigite Wohlthaͤterinn. Selbſt
wenn du zu dem grauſamen Geſchlechte der Medizäer
gehörteſt, doch wurte ich dich ſegnen. — Nun wohl,
Leonato Pazzu! — Erſtaunen trieb fein ohnedieß ſtar⸗
res Haar noch ſtarrer einvor, als er ſich nennen hoͤrte.
— Nun wohl, veonato Pazzi, ſprach ih, fo ſegne
mich dann! denn ich bin Bianca. — „Bianca? Bians
ca Eapelo?” ſchrie er mit einer Stimme empor, die
feine menſchliche Zunge nachzuahmen vermödte :
„Bianca, Großherzog Franzens Gemahlinn 1?’ — „Ja,
Die bin ih ? — Und dur EFannteft mi! — „Kannte
dich langft! Ehe ih noch einen Schritt in dieſes Ger
mach thai, wußte üb , wen ich barin antreffen
würde.” — Nun, o Gott, — ſchrie er beynahe noch
ftarfer old vorder — fo haft du alfo in Lucifers
Geſchlecht einen Engel verbannt ?
Großh. Richtig: fe mußte ein Pazzi fpreden.
Bianca. Er fhwieg fürhterlih einige Augens
blike lang. — „Weiß Franz, hob er wieder an, was
dus thateſt 2” — Mein! aber er foll es wiffen, und
wird jih freuen, wenn er es erführt. — „Er? Ha!
der Verworfene!“ — „Such ihm nidt; du kennteſt
won BE noson |
nie Ihn Eennen; denn ihr ſeyd geerbte Feinde!
Fluche ihm nicht, damit von Dem Nichterftuhl, ber
noch in diefer Nacht deiner wartet, aud. dir Eein Fluch
erihalle!” — Er ſchwieg abermahld. Die Pauſe eines,
Orkans! Der Sturm bridt nun entweder ftärfer her⸗
vor, oder die Sonne zeigt fih. — „Unergründlid,
rief er endlih, find deine Wege, ewige Vorſicht! Ich
Eomme hierher nad Florenz, fo vermummt, fo ente
ſchloſſen, fo gerüftet; und in der nahmfihen Stunde,
da ich ausgehen und ihn niederftoßen will, wirft eine
Krankheit mid auf's Qager, von der ich nicht wieber
aufſtehe! Auf diefem Lager muß eine Medizäerinn,
muß eben Diejenige,'die ih zur Witwe machen woll⸗
te, mich erquiden! Muß mid Eennen, und doch
mir wohlthun! Alles verlor ih, Vaterland, Güs
ter, Ehre, meinen Nahmen fogar; und nun fol
ih aud aufgeben, was länger ald mein Leben felbft
dauern zu wollen fhien ? — aufgeben meine Feind—
ſchaft gegen das Haus der Medicis? — Nun
ja, ja ich thu' es. Der Ewige ſegne Franzen um
Bianca's willen!” — Ein Strom von Thranen
fhoß bier aus feinen Augen; er riß haſtig das Tuch
weg, das ich in meinen Händen hatte. Hierher (indem
fie einen Sleck zeige) flogen feine Thronen. — „Bringe,
Großherzoginn, fprady er, Dieß deinem Gemahl und
fage ibm: Hier auf dieſes Zuc babe fein Todfeind
Thränen der Vergebung und der Befüä-
mung geweint; hier Ha5e”— Und ſieh, mein Theu⸗
ver, indem er noch weiter ſprechen wollte, verfiummte
plöglih fein Mund, und der Stoß ded Todes durchs
bebte ihn. Er hatte fih Eur, vorher ein wenig aufge-
wen 56 soon
richtet auf feingm Lager; jegt fan er ſchnell rückwir
und erblich.
| Großh. Gewegt.) Bey ber Mutter Gottes, 7
iſt ſonderbar! iſt ſo unglaublich >» daß man eb ı
Bianca glaubt! — O gib her, Theure, gib her d
Tuch! Sieh, aud meine Tbräne mag darauf träufe!
— Wahrlich, du ſprachſt wahr, als du men Gefd
mit einem noch £oftbarern zu vergelten verhießeft. 7
Orients feltenfte Perle ift gemein gegen ſolch eine Le
wand. Ich gehe, und will ſogleich Befehl ertpeil
den Leichnam des Leonato zu beerdigen.
Bıanca. Das ift er vor Sonnenaufgang ſchi
Großh. &o fey ein Marmor auf feiner Ru
ftätte Beweis, daß auch ich ihm vergebe! daß a
ih — O edelftes aller edlen Weiber, wie ſchamr
wird meines Lebens fchönfte That gegen dieſes Pr
ftück deines Herzens beſtehen! Und wie geringfügig
mein Thron für ſolch' eine Seele!
Konnte foldy eine" Seele wohl Feinde Haben? 1
doch hatte fie deren wirklich; hatte fie von der bite
fien, furchtbarften Gattung. Lange lebte fie deßfe
in einer glücklichen Unwiffenheit; aber auch diefe v
fhwand endlich, verfhmwand immer noch viel: zu fü
für ein fo fühlbares Herz.
Eines Abends, kurz vor ber zur Ruhe beſtimm
Stunde, meldete Franzen einer von den Kaͤmmerli
gen: fein Hofkanzler wünfhe in einer wichtigen 7
gelegenbeit ſogleich und allein vorgelaffen zu werd
Etwas befremdend fchien dem Großherzog um bi
Zeit ein ſolches Begehren; doch erhob er fich fegleich
in sin nachbarliches Gemach. Lange verweilte er in
demfelben. Erſt nach Mitternacht kehrte er zu Bianea
zurück, die indeß wach und aufgeblieben war. Deuts
lih genug erkannte fie beym erften Blieck auf feine Ges
fihtszüge: daß die ihm hinterbrachte Nachricht glei)
wichtig ald unangenehm gewefen feyn müffe;. und bes
forgt forfchte fie nah dem Inhalt derfelben. Aber ernft
und Eur; verfiherte Sranz: es fey nichts von Belang;
und Bianca — yerfiummte. Nicht, ald habe fie buche
‚ ftablich diefen Worten ihres Gemahls getraut, fondern
weil fie vermuthete: es fey ein Geſchäft des Staats;
und weil fie ernftlich ſich die Pflicht auferlegt hatte, in
nichts fi) einzumifhen, was die Regierung, oder den
Regenten beträfe.
Schlaflos warf fid Franz den Überreft der Nacht
auf feinem Lager umber; düfter war fein Bid beym
Aufftehenz den größten Theil des Morgens verfchloß
ex ſich einfam in feinem Schreibcabinett ; nur dem Kanz⸗
fer warb abermahls defien Thür; geöffnet , und das
Geſpraͤch mit ihm mußte lebhaft geführt werden ; denn
einige einzelne Worte fchollen bis in's Vorgemach. Als
les Dieß entging Bianea's Aufmerkfamkeit nicht. Noch
jwang fie ſich; doch ihre heimliche Unruhe flieg mit
jeder Minute; und als Franz auch nad) dem Mittagss
mahle der Vorige blieb ; ald er jeber Zerſtreuung, die
ihm dargebothen ward, auswich; als er am Abend
foaar in dasjenige Gemach, an deilen Schwelle fonft
ftet6 jeder Zwang der Fürſtenwürde zu verſchwinden
und vom flattlichen Großherzog nur der liebenswürdige
Mann übrig zu bleiben pflegte — als er in's Schlaf⸗
gemach felbft die Diiene des Kummers mitbrachte ; da
ersen 58 BEE
Eonnte Bianca nicht langer fih zurück ‚halten; ba nüßte
:fie eben fo klug, als zaͤrtlich, die Einfamkeit des
Orts, und jenen ftillen Zwifhenraum, in wel«
chem weibliche Liebe, weibliche Beredſamkeit ohnedieß
fo übermächtig herrſcht. Indem fie innig und feſt ih⸗
ren Arm um feinen Naden ſchlang; indem fie mit
fanftem und doch tief eindringendem Blick in's Auge
ihm ſchaute; indem fie mit holdem und’ doch ſchwermü⸗
thigem Zone ihn fragte: Franz, find die Tage bed
Zutrauend ſchon dahin? indem fie jeat Die Lippe zum
Kuſſe ihm darboth, und jegt ſtumm und glühend ihre
MWange an bie feinige ſchmiegte: — wie hätte Franz fein
Geheimniß länger für fih allein behalten können!!
„3a, ja, theuerfte Binnca! rief er: die Tage
ded Zutrauend dauern noch; und follen erft dann fi
enden, wenn mein Leben erlöfhe! — Id laͤugne es
nicht: mich drückt ein. fhwerer Kummer, und ich will
ihn ausfchütten vor dir, weil bu es forberft. Aber
rechne es mir dann nicht zu, wenn biefer m mein Gram
auch auf dic) übergehen follte!
Bianca. D gern — gern will ib bir ibn tra⸗
gen helfen, wenn du nur dadurch Erfeichterung fühleft.
Franz. Was glaubſt du wohl, daß mein. Kanzs
fer in voriger Nacht mir hinterbrachte?
Bianca. Ich riethb Anfangs auf Zwiſtigkeiten
zwifchen Rom und Florenz ; aber ich beforge nun — —
Franz. Daß von einer näheren Gefahr die
Rede fey! Und dann hätteſt du Recht. Graͤßliche Meu⸗
tereyen glimmen im Innern meines Stauts, die Un:
vorficht eines Trunkenen, eines fogleih Verhafteten,
bat entdedt: daß er gedungen ſey, mich — zu er⸗
morden.
Bianca'cbetreten.) Ha, abſcheulich!
Großh. Und doch noch weit-adfrheuficher, wenn
ih die Den nenne, der ihn muthmaßlich — was fage
ih muthmaßlich? — der ihn gewifi dazu ertauft bar!
Bianca Nun?
Großh. Mein Bruder, der Cardinal!
Bianca. Dein Bruder! Ferdinand, der Cardi⸗
nal zu Kom? Unerbört!
Großh. Wüßteft du vollends bie face, die
diefen nichtswürdigen Bruder verleitet — oder mit
welcher er wenigftend gegen bie Bundesgenoſſen feiner
Boßheit diefen Entwurf befchöniget !
Bianca. ‚Öraufamer! Zittere ich nicht fhon ge-
nug, daß du nun auch noch durch Zauderk mich quält?
Sprich! Diefe Urſache? —
Großh. Bil du!
Bianca. Ich? — (Bleih und athemlos auf den nabe
fiehenden Sofa finfend.) Wahrlih, Das war des Giftes
fehr viel in fo wenigen Worten! |
Großh. user m Hütfe eitend.) Gott, Gott —
Bianca! Du wirſt doch nicht — Ha! ich Unvorſichti⸗
ger! Theures Weib, vergib —
Bianca Mein, ſorge nicht! ih werde nicht
ohnmachtig. — Vor gewiſſen Schmerzen flieht
felbft die Betäubung. — (Keine Pauſe.) Ha! nun
fällt ein fürchterliches Licht auf fo Manches, was bisher
mie dunkel war! Nun fehe ich ein, warum eine Kranke
beit ihn abhielt, zu unferer Vermählung zu Eommen!
Warum du immer fo Tangfam antwokteteſt, wenn ich
Pd
⸗
60 7
nach ihm dich befragtet Warum — O mein ther
Gemahl, vergib deiner Gattinn, wenn fie unwiffe
und ohne es zu wollen, die füßen Bande |
Bluts getrennt bat!
Großh. (fie umarmenn.) Die Bande dersi
ſind mehr als zweyfach ſo ſüß! Auch war es immer
das Blut, was mid und dieſen Bruder verei
Unjere Herzen flimmten nie zufammen; immer pfl
er in mir nur den Erben der väterlichen (
wals zu beneideyn, me den Bruder zu I
ben. — Von Jugend auf war Trug fein Odem,
Unwahrbeit feine Rede. Vom erften Tage meiner
gierung an war Er die Quelle meiner bitterften 2
drieglichEeiten. Und als ih noch ſchwankte und uͤ
dachte, ob ich auch meine Hand dir darbiethen bär
war Er der Hauptgrund meiner Bedenklichkeiten.
Bianca. Und verfhwiegft ed mr!
Großh. Weil ih ſelbſt einfah, wie nutzlos
fer Zweifel ſey! Wie thöricht ih handeln würde, w
ich meinem bitterflen Feinde zu Liebe meined Let
höchſtes Glück von mir fliege! Sey daher ohne E
gen, Qheure! Sch babe nichts zu yergeben!
dieſen Widerſpruch war ich längſt gefaßt. Schon |
nem Wefen nad muß mein Bruder in die (inden
fie gärstich dey der Hand ergreift) die Tugend felbft |
fen; doch ift diefeer Unwille über meine H
rarch fiher nur ein Vorwand, hinter dem fein a
Wunſchnach Aufruhr ſich verbirgt. — Aber
auh Andere fih zu ihm gefellen; Andere, bie
mit dem Wein aus meinem eigenen Becher labte;
Theil an jeber Freude meines Lebens, an jedem |
danken meiner Seele nahmen auf bie ich mich verki
⸗
1
6 nee
faft feit dem Yugeniitd an, als ich erft reden lernte;
Das Eränft mein Herz noch um Eins fo ſtark, und ih
verzweifle num beynahe, einen Freund wieder zu finden,
feit id — Mondragone's Untreue erfuhr. .
Bianca, Mondragone! Wie, auch er?
Großh. Ja, eben Er nagt an meinem Herzen!
Der Ausfage des Verhafteten zu Folge fteht er mir
‚ Serdinand im genaueften Briefwechfel; treibt ihn an,
fi Taut und bald Über unfere Verbindung zu beſchwe⸗
ven; erbietbet fih ihm zur erfprießfichften Hülfe, wenn
ed jemahls zu einer Empörung Eommen follte.
Bianca. Abfheulih! Ein Undank, ſchwaͤrzer
als ägyptifche Finſterniß! — (Mit geänderten Tone.) Und
boch, mein Gemahl, doch fpräde ih unnlahr, wenn
ih mich anftellte, als befremde .mich dieſe Untreue
allzu ſehr! Wahrlich, du felbft begingft fogar nur einen
menfhlihen Irrthum, wofern du jemahls dich auf‘
Mondragone's Treue ganz verließeft. Ein wenig Nach⸗
denken nur, und du follteft Tängft bereitd mißtrauifch
gegen diefen unwürdigen Günftling geworden feyn.
Großh. (aufmertſam werdend.) Wie Das?
Bianca. Sprich! Als deine erſte Abſicht bloß
noch auf meinen Befig ging; ald.ih deine Ges
liebte werden, unddoh Bonaventuri's Gat⸗
tinn bleiben follte; wer both dir zu deinem damahli⸗
gen Plan am erften, am willtgften die Hand !
Großh. Mondragone. |
Bianca. Und als meine Tugend widerdand;
als du den Entſchluß faßteſt, mit mir deinen Thron
zu theilen, damit auch ich mit dir mein Lager
theilen moͤge; wer fand da wieder dieſen Entſchluß
*
vvuvv 54 —X e
feidigen und freudigen Nachricht zu ihm; aͤußerſt ſchwach
lag er ausgeftredt anf feinem Lager; auf feiner Stirn -
ftand (don kalter Schweiß; aberer unterdrüdte Wim⸗
mern und Ächzen, und zwang feine ſtammelnde Zunge,
mir für Die mannigfade, ihm erwiefene Sorgfalt Danf
zu fagen. — Ic) unterbrach ihn. Du rühmft mid fo
ſehr, ſprach ich; würdeſt du wohl auch dann ein Glei—
ches noch thun, wenn du wüßteft, wer ich wäre?
Großh. Wohl gefragt! 0 -
Bianca. Sey, wer bu willſt, antwortete er;
bu bift meine großmürdigite Mohlthäterinn. Selbſt
wenn du zu dem graufamen Geſchlechte der Medizäer
geborteit, toch wurde ig dich fegnen. — Nun wohl,
Leonato Pazzt! — Erſtaunen trieb fein ohnedieß ftar«
res Haar noch ſtarrer eınpor, als er fi) nennen hörte,
— Nun wohl, Leonato Pazzi, ſprach ih, fo fegne
mich dann! denn ih bin Bianca. — „Bianca? Bians
ca Capello!” fchrie er mit einer Stimme empor, _bie
Feine menſchliche Zunge nachzuahmen vermödte :
„Bianca, Großherzog Franzens Gemahlinn ?’— „Ja,
Die bin ich!“ — Und du Eannteft mi! — „Kannte
dich Tangft! Ehe ih noch einen Schritt in dieſes Ger
mach thai, wußte üb , wen ich darin antreffen
würde.” — Nun, o Gott, — ſchrie er beynahe noch
ftarfer als vorber — fo haft du alfo in Lucifers
Geſchlecht einen Engel verbannt?
Großh. Richtig! fe mußte ein Pazzi fpredhen.
Bianca. Er ſchwieg fürhterlih einige Augen:
blike lang. — „Weiß Franz, bob er wieder an, was
dus thateſt ©” — Mein! aber er foll es wiffen, und
wird fih freuen, wenn er es erführt. — „Er? Ha!
der Verworfene!“ — „Fluch ihm nicht; du kennte ſt
wa BI un
nie Ihn Eennen; denn ihr ſeyd geerbte Feinde!
Fluche ihm nicht, damit von dem Nichterftuhl, ber
noch in diefer Nacht deiner wartet, auch dir Eein Fluch
erfhalle!” — Er ſchwieg abermahld. Die Pauſe eines,
Orkans! Der Sturm Brit nun entweder ftärfer her⸗
vor, oder die Sonne zeigt ſich. — „Unergruͤndlich,
rief er endlih, find deine Wege, ewige Vorſicht! Ich
Eomme bierber nad Florenz, fo vermummt, fo ente
fhloffen ‚. fo gerüftet; und in der nahmfihen Stunde,
da ich ausgehen und ihn niederftoßen will, wirft eine
Krankheit mid auf's Lager, von ber ich nicht wieder
aufſtehe! Auf diefem Lager muß eine Medizäerinn,
muß eben Diejenige,'die ih zur Witwe machen woll⸗
te, mid erquiden! Muß mi Eennen, und do
mir wohlthun! Alles verlor ih, Vaterland, Güs
ter, Ehre, meinen Nahmen fogar; und nun fol
ic) audy aufgeben , was länger ald mein Leben felbft
dauern zu wollen fchien ? — aufgeben meine Feind
ſchaft gegen das Haus der Medici! — Nun
ja, ja ich thu' es. Der Ewige ſegne Franzen um
Bianca's willen!” — Ein Strom von Thraͤnen
(hoß hier aus feinen Augen; er riß haftig dad Tuch
weg, das ich in meinen Händen hatte. Hierher (indem
fie einen Bted zeige) flogen feine Thrönen. — „Bringe,
Großherzoginn, ſprach er, Dieß deinem Gemahl und
fage ihm: Hier auf diefes Tuch babe fein Zodfeind
Thränen der Vergebung und der Beſchä—
mung geweint; bier habe” — Und ſieh, mein Theus
ver, indem er noch weiter fprechen wollte, verftummte
plöglih fein Mund, und der Stoß des Todes durchs
bebte ihn. Er hatte fih Eur, vorher ein wenig aufge-
wen 56 sea
richtet auf ſeinem Lager; jetzt ſank er ſchnell rückwir
und erblich.
| Großh. (bewege) Bey der Mutter Gottes, 7
iſt ſonderbar! iſt ſo unglaublich, daß man es —
Bianca glaubt! — O gib her, Theure, gib her d
Tuch! Sieh, auch meine Thräne mag darauf träufel
— Wahrlih, du fprachft wahr, als du mein Geſche
mit einem noch foftbarern zu vergelten verhießeft. 2
Orients feltenfte Perle ift gemein gegen ſolch eine Le
wand. —Ich gehe, und will ſogleich Befehl ertpeil
den Leichnam des Leonato zu beerdigen.
Bianca. Das ift er vor Sonnenaufgang ſche
Großh. So fey ein Marmor auf feiner Ru
flätte Beweis, daß auh ich ihm vergebe! daß a
ih — D edelftes aller edlen Weiber, wie [hamtı
wird meines Lebens fhönfte That gegen diefes Pr
ftüd deines Herzens beftehen ! Und wie geringfügig
mein Thron für fol’ eine Seele! |
Konnte fol’ eine’ Seele wohl Beinde haben? U
doc) hatte fie deren wirklich; hatte fie von ber bitt
fien, furchibarften Gattung. Lange Iebte fie deßfe—
in einer glücklichen Unwiffenheit; aber auch diefe v
fhwand endlich, verfhwand immer noch viel : r fa
für ein fo fühlbares Herz.
Eines Abends, Furz vor ber zur Ruhe beſtimm
Stunde, meldete Franzen einer von den Kaͤmmerli
gen: fein Hofkanzler wunſche in einer wichtigen ?
gelegenheit fogleidy und allein vorgelaffen zu werd
Etwas befremdend fdhien dem Großherzog um bi
Zeit ein ſolches Begehren; doch erhob er fich fegleich
in sin nachbarliches Gemach. Lange verweilte er in
demfelben. Erſt nach Mitternacht kehrte er zu Bianea
zurück, die indeß wach und aufgeblieben war. Deuts
ih genug erkannte fie beym erften Blick auf feine Ges
fihtszlige: daß die ihm hinterbrachte Nachricht gleich
wichtig ald unangenehm gewefen feyn mife;. und bes
forget forfchte fie nah dem Inhalt derfelben. Aber ernft
und Eur; verficherte Sranz: es fey nichts von Belang; -
und Bianca — rerſtummte. Nicht, ald habe fie buch⸗
ſtaͤblich dieſen Worten ihres Gemahls getraut s fondern
weil fie vermutbete: es fey ein Gefchäft des Staats;
und weil fie ernſtlich ſich die Pflicht auferlegt hatte, in
nichts fi einzumifhen, was die Regierung, oder den
Regenten betrafe.
Schlaflos warf. ſich Franz den Überreft der Nacht
auf feinem Lager umher; düfter war fein Bid beym
Aufſtehen; den größten Theil des Morgens verſchloß
er fi einfam in feinem Schreibcabinett ; nur dem Kanzs
(er warb abermahls deſſen Thür; geöffnet , und dad
Geſpraͤch mit ihm mußte lebhaft geführt werden ; denn
einige einzelne Worte fhollen bis in's Vorgemach. Als
les Dieß entging Bianea's Aufmerkfamkeit nicht. Noch
jwang fie ſich; doc ihre heimliche Unruhe flieg mit
jeder Minute, und als Franz aud) nad dem Mittags:
mahle der Vorige blieb ; ald er jeber Zerſtreuung, bie
ibm dargebothen ward, auswich; al6 er am Abend
foaar in dasjenige Gemach, an deifen Schwelle fonft
ſtets jeder Zwang der Fürſtenwürde zu verihwinden
und vom flattlihen Großherzog nur der liebenswürdige
Mann übrig zu bleiben pflegte — als ex in's Schlaf⸗
gemach felbft die Miene des Kummers mitdrachte ; da
ersen 58 IE
Eonnte Bianca nicht länger fi zurüc halten; ba nuͤtzte
:fie eben fo klug, als zärtlih , die Einfamkeit bes
Orts, und jenen ftillen Zwifhenraum, in wel-
chem weibliche Liebe, weiblide Beredſamkeit ohnedieß
fo übermäcdhtig herrſcht. Indem fie innig und feſt ih⸗
en Arm um’ feinen Naden ſchlang; indem fie mit
fanftem und*bocy tief eindringendem Blick in's Auge
ihm ſchaute; indem fie mit holdem und doch ſchwermü⸗
thigem Tone ihn fragte: Franz, find die Tage bes
Zutrauens ſchon dahin? indem fie jegt Die Lippe zum
Kuife ihm darboth, und jegt ſtumm und glühend ihre
Wange an bie feinige fhmiegte : — wie hatte Kranz fein
Geheimniß länger für ſich alein behalten können!!
„3a, ja, theuerfte Binnca! rief er: die Tage
bed Zutrauens dauern noch; und follen erft bann fi
enden, wenn mein Leben erlöfht! — Ich läugne es
nit: mich drückt ein. fhwerer Kummer, und ich will
ibn ausfchütten vor dir, weil du es forderft. Aber
rechne es mir dann nicht zu, wenn diefer m mein Gram
auch auf dich übergeben follte !
Bianca. D gern — gern will ib dir ihn tra⸗
gen belfen, wenn du nur dadurch Erleichterung fühleft.
Franz. Was glaubft.du wohl, daß mein. Kanze
ler in voriger Nacht mir hinterbradhte ?
Btanca. Ich rieth Anfangs auf Zwiftigkeiten
zwifhen Nom und Slorenz ;aber ich beforge nun — —
Stanz. Daß von einer näheren Gefahr bie
Rede fey! Und dann hätteft du Recht. Graßliche Meu⸗
tereyen glimmen im Inneren meines Stan, bie Uns
d
vorſicht eines Trunkenen, eines ſogleich Verhafteten,
hat entdeckt: daß er gedungen ſey, mich — zu er⸗
morden.
Bianca'betreten.) Ha, abſcheulich!
Großh. Und doch noch weit abſcheulicher, wenn
ich dir Den nenne, der ihn muthmaßlich — was ſage
ich muthmaßlich? — der ihn gewiß dazu erkauft hat!
Bianca. Nun?
Großh. Mein Bruder, der Cardinal!
Bianca. Dein Bruder! Ferdinand, der Cardi⸗
nal zu Rom? Unerhört! |
Großh. Wüßteft du vollends bie urſahe, die
dieſen nichtswürdigen Bruder verleitet — oder mit
welcher er wenigſtens gegen die Bundesgenoſſen ſeiner
Boßheit dieſen Entwurf beſchöniget!
Bianca. Grauſamer! Zittere ich nicht ſchon ge⸗
nug, daß du nun auch noch durch Zaudern mich quälit?
Sprich! Dieſe Urſache? —
Großh. Biſt du!
Bianca. Ich? — GBleich und athemlos auf den nahe
fiehenden Sofa fintend.) Wahrlih, Das war des Giftes
fehr viel in fo wenigen Worten!
Großh. (ige su Hülfe eitend.) Gott, Bott —
Bianca! Du wirſt doch nicht — Ha! ich Unvorſichti⸗
ger! Theures Weib, vergib —
Bianca. Nein, ſorge nicht! ich werde nicht
ohnmächtig. — Vor gewiſſen Schmerzen flieht
felbft die Betäubung. — (Kleine Pauſe.) Ha! nun
fällt ein fürchterliches Liche auf fo Manches, was bisher
mie bunfel war! Nun ſehe ich ein, warum eine Kranke
beit ihn abhielt, zu unferer VBermählung zu Eommen!
Warum bu immer fo Tangfam antwokteteſt, wenn ich
'
nah ihm dich befragtet Warum — O mein theu
Gemahl, vergib deiner Gattinn, wenn fie unmiffe:
und ohne es zu wollen, die füßen Bande d
Bluts getrennt hat!
Großh. (fie umarmenn.) Die Bande dersie
ſind mehr als zweyfach fo ſüß! Auch wor es immer zn
das Blut, was mid und diefen Bruder verein
Unſere Herzen flimmten nie zufammen; immer pfley
erin mir nur den Erben der väterliden E
walt zu beneiden, me ben Bruder zu li
ben. — Von Jugend auf war Trug fein Odem, u
Unmwahrheit feine Rede. Vom erften Tage meiner 9
gierung an war Er die Quelle meiner bitterfien V
drieplichkeiten. Und als ich noch ſchwankte und Ab
dachte, ob ich auch meine Hand dir durbietken duͤrf
war Er der Hauptgrund meiner Bedenklichkeiten.
Bianca, Und verfchwiegft e$ mir?
Großh. Weil ich ſelbſt einfah, wie nuglos d
fer Zweifel ſey! Wie thöricht ich handeln würde, we
ich meinem bitterflen Feinde zu Liebe meines Lebe
höchſtes Glück von mir ſtieße! Sey daher ohne St
gen, Theure! Sch habe nichts zu vergeben! 2
dıefen Widerfprud war ich längft gefaßt. Schon fi
nem Weſen nach muß mein Bruder in dir (indem
Me yärtlich ben der Hand ergreift) die Tugend felbft 5
fen; doch ift diefer Unwille über meine He
rarh fiber nur ein Vorwand, hinter dem fein alt
Wunſchnach Aufruhr fih verbirgt. — Aber d
auh Andere fih zu ihm gefellen; Andere, die
mit dem Wein aus meinem eigenen Becher labte; d
Theil an jeder Freude meines Lebens, an jedem G
danken meiner Seele nahmen ;auf bie ich mich verlie
.“
*
⸗
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faft feit dem Augenne an, als ich erſt reden lernte;
Das kraͤnkt mein Herz noch um Eins ſo ſtark, und ich
verzweifle nun beynahe, einen Freund wieder zu finden,
ſeit ich — Mondragone's Untreue erfuhr.
Bianca. Mondragone! Wie, auch er?
Großh. Ja, eben Er nagt an meinem Herzen!
Der Ausfage bed Verhafteten zu Folge fteht er mir
„Ferdinand im genaueften Briefmechfel; treibt ihn an,
fi Taut und bald Über unfere Verbindung zu beſchwe⸗
ren; erbiethet fi ihm zur erfprießfichften Hülfe, wenn
es jemahls zu einer Empörung Eommen follte.
Bianca. Abfheufih! Ein Undank, ſchwaͤrzer
als aͤgyptiſche Finſterniß! — (Mit geänderten Tone.) Und
bo, mein Gemahl, doch fprähe ih unndahr, wenn
ih mich anftellte, als befremde ‚mich diefe Untreue
allzu ſehr! Wahrlich, du felbft begingft fogar nur einen
menfhlihen Irrthum, mwofern du jemahls dich auf
Mondragone's Treue ganz verließeft. Ein wenig Nach⸗
denken nur, und du follteft längft bereits mißtrauiſch
gegen diefen unwürdigen Guͤnſtling geworben feyn.
Groß h. (aufmertſam werdend.) Wie Das?
Bianca. Sprich! Als deine erſte Abſicht bloß
noch auf meinen Beſitz ging; als ich deine Ge
liebte werden, und bob Bonaventuri's Gat—
tinn bleiben follte; wer both dir zu deinem damahli⸗
gen Plan am erften, am mwilltgften die Hand f
Großh. Mondragone.
Bianca. Und als meine Tugend widerdand;
als du den Entfhluß faßteft, mit mir deinen® hron
zu theilen, damit auh ih mit dir mein Lager
theilen möge; wer fand da wieder diefen Entſchluß
Pd
am weifeften ? Wer beugte fi) am tiefften vor dir
und mir?
Groß h. (etwas nachdenkterd.) Mondragone.
Bianca. Sieh, ſchon ſprachſt du jetzt bedenkli⸗
cher ſeinen Nahmen aus! Fühlſt du bereits, was ich
meine? — O kein Diener, der unſicherer, der bereite
williger waͤre, beym kleinſten Gewinn und kleinſten
Verluſt, ſeine Herrſchaft zu dertauſchen, als jene wil⸗
ligen Beförderer jeder fürſtlichen Laune, jene ſchaͤnd⸗
lichen Unterhändler fremder Lüfte! — Ihnen gilt Alles
gleich, was nur ihrer Habſucht, ihrem Ehrgeiz, ihren
übrigen niedrigen Abſichten ſchmeichelt. Ihnen trauen,
heißt auf des Meerufers einrollendem Sande praͤchtige
Gärten und Pallaͤſte aufführen. Ihr Eifer iſt eine er:
käufliche Warre, Sedem feil, der nur einen Scudi
mehr in die falſche Wage ihres Ei,ennuged wirft.
Wenn fie ein einziges Mahl ſich gekränkt fühlen —
Großh. Ceinfafend.) Und womit hätte Monbra-
gone ſich gekränkt fühlen können? Er, der unauege
ſetzt meines Vertrauens genoß!
Bianca. Theilteſt du nicht wenigſtens ſeit eini-
ger Zeit dieſes Vertrauen? Oder gabft du nidt viel
mehr mir fihrlich den Vorzug? Go lange du der Ges
mahl einer Gattinn warſt, der nur deine Hand, nicht
dein Herz angehörte, war nit er, er dein Günſt—
ling , dein bereitwilliger Diener jeder — (mit etwas ger
haltenem Zone) jeder Wünſche, im Beſitz großer Ders
diene, die dann ſchwanden, als dein Her; eine fefte
Mahl traf? Zede geliebte Gemahlinn mufte für
ihn eine verhbaßte feyn; und zumahl ich — id, die
ich vorher nicht allzu glimpflich manchen feiner Vorſchlaͤge
beantwortet , feinen angebothenen Schutz, ziemlich
won 65 wem
bitter, mir verbethen hatte! O Franz! Wenn fi als
wahr erhärtet, weifen man Mondragone anſchuldigt;
wenn entledigt fein Poften wird, weißt du wohl, auf
welden deiner Räthe ich did dann verzüglig zu ade
ten bitte ?
Großh. Auf wen! Wunſche, meine theure Ge⸗
mahlinn! Nenne ihn mir, und deine Vorſprache fol
erhört werden !
Bianca (läben.) Nein, noch Eann id ihn bie
nicht nennen; aud ſollſt du in allen foldyen Zallen
nie beiner Gemahlinn Vorſprache, fondern nur
ihre Gründe, wenn du fie richtig findeſt, befolgen.
Es gibt der Augenblicke viel, wo der Fürſt ganz den
Batten — es fol ihrer fogar einige geben, wo er
den Menfhen vergeflen muß.
Großh. (etwas ungeduidig. So fage doh, auf
wen?
Bianca. Auf Denjenigen, der, als du unſere
vorhabende Verbindung deinem geheimen Rathe zuerſt
bekannt machteſt, am lauteſten, wiewohl mit gebüh—
rendem Anſtand, dir ſie widerrieth; der, als die
Übrigen dir ſchmeichelnd Glück wuͤnſchten, feſt bey feis
nem Kopffhütteln,, feinem Achſelzucken, ſeiner zwei⸗
felvollen Kälte blieb.
Groß h. (erfaunt.) Wie? Den! — Es gab aller:
dings einen folgen Mann; aber Den kann Bianca
empfehlen 3
Bianca. Sch kann es! Weil id) fiher bin, er
meinte ed damahls redlich mit dir; weil ich eingeftehen
muß, unfere Verbindung war damahls noch man⸗
chem Zweifel, mandyer Beforgniß unterworfen; weil
ich aber auch hoffen darf, Beyde feitdem gehoben, ſtets
4 w.. 64 —
mic fo betragen zu haben, daß mein ebemahliger G
er nun mein Freund geworden ift, oder noch w
den wird.
Groß h. Vortrefflichſte deines Gefchlechts ! De
Einfiht, deine Weisheit gleicht deiner Tugend. A
ſprich, melde Mapregeln foll ich jegt gegen mein
Bruder und Mondragone ergreifen ?
Bianca. Diejenigen, die und faft nie gerem
— die Maßregeln der Güte und der Großmut
Ih glaubte, du bätteft bereits ‚beine Vorkehrung
getroffen.
Großh. Noch war es nur ber erfte Anfäng ı
umgänglicher Vorſicht. Montragone, wie du weil
lebt ſchon feit einigen Wochen auf feiner Villa unw
Piſa. Er erbath ſich diefen Urlaub unter dem Vorwa
ſchwächlicher Gefundpeit. Er bedient ſich deſſen wal
fheinlih nur, um deito verborgener feine Plane «
jufpinnen , feine Bothen ab;ufenden. Ich habe v
traute Männer beordert, die ihn von Weitem beoba
ten, bie jih bemühen follen, einen oder mehrere f
ner Briefe aufzufangen, damit dann befto unbezw
felter feine eigene Handſchrift ihn überführe. Auch nı
Kom — (Ein Kämmerer tritt herein.)
Kämm. Verzeihen Eure Durdlaudt, wenn.
ungerufen herein zu treten wage. — Der Hofmarſch
Mondragone befindet fih im Vorzimmer, und bit!
aufs allerdringendfte um die Erlaubniß, vorgelaff
gu werden.
Groß h. (erſtauut.) Mondragone? — Er hier, u
allein? Unter welchem Vorwand?
Kamm. Ganz auein, und unter der Verſich
vungy
rung , daß et Dinge von äußerfter Eile und Wichtige
keit Euer Durchlaucht zu binterbringen habe.
Großh. (Bianca andtidend.) Fa, was giltd, er
bat bereits erfahren — — Liede Bianca, was fol id
thun? ... —
Bianca. Daß du noch zweifeln kannſt! Ihn
vorlaſſen und hören. — Selbſt dem uͤber⸗
führten muß es nicht an Gelegenheit ſich zu verthei⸗
digen gebrechen, geſchweige dem bloß Angeklagten;
Großh. Und wage ich nicht zu viel?
Bianca. Was wagſt du gegen einen Einzigen
— in meiner Gegenwart — in der Nähe von deinen
Waren? . |
St oßh. ((u Bianca.) Wohl wahr! (um Kamme⸗
ser.) Er mag’ hereintreten. (Kammerer geht ad; Mondras
gone tritt gleich darauf mit ehrerbiethiger Derbeugung ein.)
Großh. «mie Hedeutendem Tone) Vortrefflich,
Mondragone! Ihr kommt ungerufen, als ich fo eben
befchloifen hatte, nah Euch zu fenden.
Monde. (unerfhroden Nah mir fenden? Ha!
dann wäre doch wohl das Gefühl meiner weiffagenden
Seele kein Selbftbetrug gewefen! Dann errache ich im
Boraus vieleicht, was diefe Worte Euer Durclaucht
und diefer ernſte, mir allerdings fremde Blick fagen
wollen. 0
Großh. Nur wäre es auch unglaublich kühn,
daß Ihr dann noch mich anzublicken wagtet!
— (mit etwas neändertee Stimme) Laß mich an dein
Herz fühlen, Mondragone, und id werde willen, ob
du richtig räthit.
Mondr. Diejes Herz flüge ruhig, felbft wenn
Ener Durdlaudır immer finiterer werdendes Auge den
Neißners Bianca Gap. 2. Thl.
wen 66 —
Tod, oder — was mehr ald der Tod ſelbſt mich fömerzen
würde — Ihre Ungnade mir ankündete. Denn auch
dann, au dann noch würde mich das Bewußtfeyn
meiner Treue, das Gefühl meiner unwanbelbaren Er⸗
gebenheit troͤſten!
Groß h. (mit dem Finger ihm deobend. .) Montragone,
Moridragone, fündige nicht allzufehr auf Rechnung
meiner Langmuth! Häufe nicht noch größere Schuld
auf dich, da du-unter der bisherigen ſchon erliegft! —
Dem reuigenTreuloſen Eönnte ich vielleicht no
verzeihen; aber, bey Gott; dem trotzigen Vers
räther, und dem ertappten Heuchler verzeibe
ih nie!
Monde. Dem mag die Öottheit felhit nicht ver«
zeihen! — Mein Zürft! Vor meinen Augen Tiegt jetzt
deutlich genug Ihrer Seele Innerftes und Ihr Irrthum
— (da Branz ihn unterbrechen will, mit noch ſtärkerem Nachdruck)
und Ihr Irrthum! Wergönne mir men Füuͤrſt eine Ers
Härung dieſer Worte, und er wirb dann finden, daß
fie weder falfch gewählt noch pflihtwidtig waren. Ich
weiß, daß ih angefhuldigt worden; ich weiß, daß
Schein, taufhender Schein gegen midy fpruht. Aber
wenn id, reden darf, fo hoffe ich auch darzuthun, daß
ed nur der Schein fey.
Großh. So rede!
Bianca. Sollte meine Gegenwart vielleicht
hindern — —
Mondr. Vielmehr iſt eben dieſelbe mir außerik
erwünſcht. Unſchuld ſcheut ſich nie vor Zeugen, ſie
wünſcht ſolchen ſich öfters: auch würde meiner Großherzo⸗
ginn himmliſch holdes Auge der Schüchternheit ſelbſt noch
größern Muth ertheilen. — (Mit dem Anſtand des ſchuidlo⸗
feften Sewiffens.) Ed höre mich denn des großen Cosmus
gleidy großer und noch gerechterer Sohn! Er entfcheide
nicht nad) meiner , fondern nad feines Herzens Stims
me! — Raum war die Verbindung meines Zürften gewiß .
und. allbeEannt geworden, als der Cardinal, mißnius
tbig, wie alle Welt im Voraus errieth, durch Briefe
und heimlich abgeſchickte Botben meine Gedanken von
diefer Vermählung auszuforigen ſuchte — „Ihr feyd
„nun,” ſchrieb er mir, „der Diener einer ehemahligen
„Bürgers⸗Frau geworden; fagt mir dod, wie ges
„fallt euch eure neue Herifhaft?” — Men Blut ers
ſtarrte, als ich dieſe Zeilen las; ed erftarrte noch mehr,
als bald darauf auch mündliche Anreizungen zu Ein⸗
verftändniß und Aufruhr an mid ergingen.
Großh. Vortrefflih! und du Eonnteft Beydes
mir verſchweigen?
Mondr. Das wollte ih nicht; vielmehr war
mein erſter Gedanke zu Euer Durchlaucht hinzueilen,
zu Ihrem Füßen dieſes verrächerifche Schreiben zu legen,
und die Männer anzuzeigen, die einem folden Bubens
ftü die Hand biethen Eonuten; aber mitten auf bem
Wege zur Burg hielt eim zweyter Gedanke mich noch
zurück. — „Alfo fol, ſprach ich bey mir ſelbſt, das
erlauchte Haus von Florenz Fürſten -uneinig unter
ſich feldft zerfallen ? Ein Bruder foll gegen den andern
fih waffnen? Und ich, ich Unglücklicher, bin beſtimmt
dazu, den Schleyer wegzureiifen, den Abgrund aufzus
ſchließen, der den gütigften Herren aus feiner bisheri⸗
gen Ruhe auffhreden muß? — Ad, und erweife ih
ihm, dur Beraubung feines fügen Srrtbums , wohl
wirklich den Dienit, den ich glaube?” — Hier über:
bachte ich einige Augenblicke lang den Character des
| “ € 2
wen 6 mn.
Cardinals; fanmelte die Erinnerung an jeine guten
Eigenſchaften, wie an feine Fehler, und wog Beyde
gegen einander: Von feiner Jugend an war Ferdinand
heftig in feinen Empfindungen, aber fenkbar in feinen
Maßregeln gewefen ; hatte freylich fehr oft übel ges
wählt, aber auch immer gern auf die beifere Stimme
eines kältern Rathgebers gebdrr — —
Großh. (pottend.) Wirklich? hätte er Die ge
than ? ?
"Mondr. (ungeirrt.) Wenigitens war mein Bors
ſchon oft Eräftig genug bey ihm gewefen, und aus Dies
fer Erinnerung entiprang der Vorſatz: erfi no, bes
vor ich ihn bey Euer Durdlaucht verklage, das letzte
Mittel feiner Beiferung zu verfuhen. Ein Brief, in
dem ich Alles femmelte, was meine Reber zum Lobe
meiner Fürſtinn ſagen konnte; wo ich alle Rednerkunſt
und alle Kraft des wahren Wohlwollens, mit' der noch
größern Stärke der lautern Wahrheit vereinte, ging
des andern Tages ab, und beſchwur Euer Durchlaucht
Bruder brüderlich gegen meinen Gebiether zu denken.
Nicht lange blieb die Antwort aus; aber ah, fie war
nicht, wie ich fie erwartete und wünfte.
Großh. Nun —und doch -hieltefi du auch Diefe
mir zurück!
Mondr. Noch bieft ih fie zurück! Dem nun
erft hoffte ich den Dienft, den ih Euer Durchlaucht
erweifen Eönne , vollwichtig zu machen. Der Cardinal
glaubte, — Das fah ich deutlich aus feiner Antwert, —
nur noch höher meine Hoffnung fpannen zu bürfen,
um dann von der Pfliht und Treue gegen meinen gürs
ften mich abzuziehen. Deßhalb that er mir Erbiethun«
gen vom hoͤchſten Werth; deßhalb ließ er mich noch
tiefer in dad Gewebe feiner Maßregeln blicken ; pries
deren Sicherheit, und forderte abermahls meinen Bey⸗
ffand.
Großh. CGieter.) Fürwahr, ſehr unvorſichtig für
einen Medizäer und noch unvorſichtiger für einen
Prieſter gehandelt!
Monde. (gefaßt bleſbend.) Auch mich nahm Dieß
Wunder; doch je unermwarteter diefer Umſtand war,
je mebe, glaubte ih, fey es Pflihe ihn zu nüßen.
Nichts fhien mır nun erfprießlicher für Euer Durchs
Taucht wahres Befte zu ſeyn, ald wenn ich mich nach⸗
gibig gegen Ferdinands Antrag, wanfend in meiner
Unterthand: Treue anftellte; wenn ich durch diefe Vers
ftellung allmaͤhlig Allee durchſpaͤhte, und dann erſt die
Summe der fammtlien Erfahrungen meinen: Fürſten
darlegte, um ihn ın den Stand zu fegen, mit einem Bli⸗
cke der VBerfhwörung ganze Kette zu überſchauen, mit
einem gewaltigen Streiche fie zu zerrrümmern.
Großh. (mir ſoöttiſchem Ligen.) Vortrefflich! Und
das Hinderniß, warum ba einen. fo weiſen, fo
nutzvollen Plan nicht durchführteft ?
M ondr. (ungeirrt in feiner Baffıng.) Wie Eönnte
gerade Euer Durchlaucht dieſes Hindernig fremd feyn ?
— Nahe ftand ich bereits meinem Ziel; in wenigen
Zagen hoffte ich den zweckmäßigſten Augenblick erſhei⸗
nen zu ſehen. Schon träumte ih von Gewißheit Ih⸗
res Dankes, vom Wachsſthum Ihrer Huld, von einer
Feuerprobe meines Dienſteifers, da — da erfuhr ich
geſtern durch einen eigenen ſchnellen Bothen: „Marco
„Badini ſey verhaftet worden! Warum ? wäre noch
„jetzt ein Geheimniß.“ — Mir war es keines! SH
kenne ihn allerdings, dieſen Marco Badini, ale einen
vo... 68 nerea
am weifeften ? Wer beugte ji am tiefften vor
und mir?
Groß h. (etwas nachdenkerd. Mondragone.
Bianca. Sieh, ſchon ſprachſt du jetzt beder
cher ſeinen Nahmen aus! Fühlſt du bereits, was
meine? — O kein Diener, der unſicherer, der ber
williger waͤre, beym kleinſten Gewinn und klein
Verluſt, feine Herrſchaft zu dertauſchen, als jene
ligen Beförderer jeder fürftlihen Laune, iene ſchaͤ
lichen Unterhändler fremder Lüfte! — Ihnen gilt A
gleih, was nur ihrer Habſucht, ihrem Ehrgeiz, ib
übrigen niedrigen Abfihten ſchmeichelt. Ihnen trau
heißt auf des Meerufers einrollendem Sande prädı
Gärten und Pallüfte aufführen. Ihr Eifer ift eine
käufliche Waare, Sedem feil, dernur einen &c
mehr in die falſche Wage ihres Ei,ennußes wi
Wenn fie ein einziges Mahl ſich gekrankt fühlen —
Großh. Ceinfattend.) Und womit hätte Monk
gone fi) gekraͤnkt fühlen Eönnen? Er, der unaus
fegt meines Vertrauens genoß! |
Bianca. Theilteft du nicht wenigſtens feit ei
ger Zeit diefes Vertrauen? Oder gabft du nicht vi
mehr mir fihrlid den Vorzug? So lange du der G
mahl einer Gattinn warſt, der nur deine Hand, n
dein Herz angehörte, war nit er, er dein Gür
ling, dein bereitwilliger Diener jeder — (mit etwas
haltenem Zone) jeder Wünſche, im Beſitz großer V
dienfte, die dann ſchwanden, als dein Herz eine fi
Mahl traf? Zede geliebte Gemaplinn mußte
ihn eine verhaßte feyn; und zumahl ich — id,
ich vorber nicht allzuglimpflich mandyen feiner Vorſchl
beantwortet, feinen angebothenen Schuß , ziem
wen 65 mem
bitter, mie verbethen hatte! O Franz! Wenn fih als
wahr erhärtet, weifen man Mondragone anſchuldigt;
wenn entledigt fein Poften wird, weißt du wohl, auf
welchen deiner Rärhe ich did) dann vorzüglich zu ach⸗
ten bitte ? ‚
Großh. Auf wen? Wünfie, meine theure Ges
mahlinn! Nenne ihn mir, und deine Vorſprache foll
erbört werden !
Bianca (acqelnd.) Mein, noch Eann id ihn bir
nicht nennen; aud ſollſt du in allen folden Zallen
nie beiner Gemahlinn Vorſprache, ſondern nur
ihre Gründe, wenn du ſie richtig findeſt, befolgen.
Es gibt der Augenblicke viel, wo der Fürſt ganz den
Batten — es foll ihrer fogar einige geben, wo er
den Menfden vergeflen muß.
Großh. (etwas ungeduidig. So fage doh, auf
wen?
Bianca. Auf Denjenigen, der, als du unſere
vorhabende Verbindung deinem geheimen Rathe zuerſt
bekannt machteſt, am lauteſten, wiewohl mit gebüh—
rendem Anſtand, dir fie widerrieth; der, als die
Übrigen dir ſchmeichelnd Glück wuͤnſchten, feft bey feis
. nem Kopffhütteln, feinem Achſelzucken, feiner zwei=
felvollen Kalte blieb.
Groß h. (erkaunt.) Wie? Den! — Es gab aller⸗
dings einen folgen Mann; ; aber Den fann Bianca
empfehlen ?
Bianca. Sch kann es! Weil ich ſicher bin, er
meinte es damahls redlich mit dir; weil ich eingeſtehen
muß, unſere Verbindung war damahls noch man⸗
chem Zweifel, mancher Beforgniß unterworfen; weil
ich aber auch hoffen darf, Beyde ſeitdem gehoben, Rete
’ wer 64 area
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mich fo betragen zu haben, daß mein ehemahliger Geg⸗
er nun mein Freund geworden ift, oder noch wer⸗
den wird.
Groß h. Vortrefflichfte deines Geſchlechts! Deine
Einfiht, deine Weisheit gleicht deiner Tugend. Aber
ſprich, welche Maßregeln foll ih je&t gegen meinen
Bruder und Mondragone ergreifen ?
Bianca. Diejenigen, die und faft nie gereueni,
— die Magregeln dee Güte und der Großmuth.
Ich glaubte, du hätteft bereits deine Vorlehrungen
getroffen.
Großh. Noch war es nur der erſte Anfang uns
umgänglicher Vorſicht. Mondragone, wie du weißt,
lebt ſchon ſeit einigen Wochen auf ſeiner Villa unweit
Piſa. Er erbath ſich dieſen Urlaub unter dem Vorwand
ſchwaͤchlicher Geſundheit. Er bedient ſich deſſen wahr⸗
ſcheinlich nur, um deſto verborgener ſeine Plane an⸗
zuſpinnen, feine Bothen abzuſenden. Ich habe vers
traute Maͤnner beordert, die ihn von Weitem beobach⸗
ten, die ſich bemühen ſollen, einen oder mehrere ſei⸗
ner Briefe aufzufangen, damit dann deſto unbezwei⸗
felter feine eigene Handſchrift ihn überführe. Auch nach
Kom — (Ein Kämmerer tritt herein.)
Kämm. Verzeihen Eure Durchlaucht, wenn id
ungerufen herein zu treten wage. — Der Hofmarfhall
Mondragone befindet fih im Vorzimmer, und bittet
aufs allerdringendfte um die Erlaubniß, vorgelaffen
gu werden.
Groß h. Cerkaunt.) Mondragone? — Er hier, und
allein? Unter welchem Vorwand?
Kamm. Ganz allein, und unter ber Verſiche⸗
. vungy
wien 65 mm
rung , daß er Dinge von äußerfter Eile und Biätige
keit Euer Durchlaucht zu binterbringen habe,
GrofXb. (Bianca andlidend.) Pa, was gilt, er
bat bereits erfahren — — Liede Bianca, was fol ich
thun?
Bianca. Daß du noch zweifeln tannſt! Ion
vorlaffen und hören. — Selbſt dem ÜÜber«
führten muß es nicht an Öelegenheit fi zu vertheis
digen gebrechen, gefhweige dem blog Angeklagten;
Großh. Und wage ich nicht zu viel?
Bianca. Was mwagft du gegen einen Einzigen
— in meiner Gegenwart — in ber Nähe von deinen,
Waren? |
Großh. (Au Bianca.) Wohl wahr! (um Kamme⸗
rer.) Er mag’ hereintreten. (Kämmerer geht ad; Mondras
gone tritt gleich darauf mit ehrerbiethiger Derbeugung ein.)
Großh. «mie Hedeutendem Tone) Vortrefflich,
Mondragone! Ihr Fommt ungerufen, als ich fo eben
beſchloſſen hatte, nah Euch zu fenden.
Monde. (uneriheoden? Nah mir fenden? Ha!
dann wäre doch wohl das Gefühl meiner weiffagenden
Seele kein Selbftbetrug gewefen! Dann errache ich im
Boraus vieleicht, was diefe Worte Euer Durdlaucht
und diefer ernſte, mir allerdings fremde Blick fagen
wollen.
Großh. Nur wire es auch unglaublich kühn,
daß Ihr dann noch mich anzublicken wagtet!
— (mit eiwas deänderter Stimme) Laß mich an dein
Herz fühlen, Mondragone, und ich werde wiſſen, ob
du richtig räthit.
Mondr. Diejes Herz ſchlaͤgt ruhig, felbit wenn
Ener Durchlaucht immer finfterer werdendes Auge den:
Neißners Bianca Cap. 2. Thl. E
ron 66 mem
Tod, oder — was mehr ald der Tod ſelbſt mich fümergen
würde !— Ihre Ungnade mir ankündete. Denn aud
dann, aud dann ned) würde mich das Bewußtſeyn
meiner Treue, dad Gefühl meiner unwanbelbaren Er⸗
gebenheit troͤſten!
Großh. (mit dem Finger ihm deobend. .) Montragone,
Mondragone, fündige nicht allzufehr auf Nebnung -
meiner Langmuth! Haͤufe nit noch größere Schuld
auf dich, ta du unter der bisherigen ſchon erliegſt! —
Dem reuigenTreuloſen Eönnte ich vielleicht noch
verzeiben; aber, bey Gott, dem trotzigen Ber
räther, und dem ertappten Heuchler verzeihe
ich nie!
Mondr. Dem mag die Gottheit ſelbſt nicht ver⸗
zeihen! — Mein Fürſt! Vor meinen Augen liegt jetzt
deutlich genug Ihrer Seele Innerſtes und Ihr Irrthum
— dda FSranz ihn unterbrechen will, mie noch ſtärkerem Nachdruch)
und Ihr Irrthum! Vergonne mir mein Fuͤrſt eine Er⸗
klaͤrung dieſer Worte, und er wird dann finden, daß
fie weder falfch gewählt noch pflichtwidrig waren. Sch
weiß, daß ich angefhuldigt worden; ich weiß, daß
Schein, taͤuſchender Schein gegen mid) fpricht. Aber
wenn ic) reden darf, fo hoffe ich aud) darzuthun, daß
ed nur der Schein fey.
Großh. So rede! .
Bianca. Sollte meine Gegenwart "vielleicht
hindern — — |
Mondr. Vielmehr ift’ eben diefelbe mir dußerfk
ermünfct. Unſchuld ſcheut fih nie vor Zeugen, fie
wünſcht folchen fid) öfters; auch würde meinerÖtoßherzos
ginn himmliſch holdes Auge der Schüchternpeit felbit noch
größern Muth ertheilen. — (Mit vom Anſtand des ſchuidis⸗
ſeſten Sewirtens.) Es höre mid) denn bed großen Cosmus
gleidy großer und noch gerechterer Sohn! Er entfheide
nicht nad) meiner , fondern nad feines Herzens Stims
me! — Kaum war die Verbindung meines Fürſten gewiß
und. alldefannt geworden, als der Cardinal, mißmu⸗
thig, wie alle Welse im Voraus errieth, durch Briefe
und heimlich abgeſchickte Botben meine Gedanken von
diefer Vermählung auszuforfhen ſuchte — „Ihr feyd
„nun,” fchrieb er mir, „der Diener einer ebemahligen
„Bürgers⸗Frau geworden; fagt mir doc, wie ges
„fällt euch eure neue Herrfhaft?” — Meın Blut ers
ſtarrte, als ich diefe Zeilen las; es erftarrte noch mehr,
als bald darauf auch mündlıhe Anreizungen zu Ein⸗
verftändniß und Aufruhr an mich ergingen.
Großh. Vortrefflih!" und du Eonnteft Beydes
mir verſchweigen?
Mondr. Das wollte id nicht ; vielmehr war
mein erfter Gedanke zu Euer Durchlaucht hinzueilen,
zu Ihren Füßen diefes verrätherifche Schreiben zu legen,
und die Männer anzuzeigen, die einem ſolchen Buben»
ftüd die Hand biethen Eonuten; aber mitten auf dem
Wege zur Burg hielt eim zweyter Gedanke mich noch
zurück. — „Alſo fol, ſprach ich bey mir ſelbſt, das
erlauchte Haus von Florenz Fürſten -uneinig unter
füch feldft zerfallen? Ein Bruder foll gegen den andern
fih waffnen? Und ih, ich Unglücklicher, bin beſtimmt
dazu, den Schleyer wegzureiifen, den Abgrund aufzus
fließen, der den gütigften Herrn aus feiner bisheri⸗
gen Ruhe auffhreden muß? — Ad, und erweife id)
ibm, durch Beraubung feines füßen Irrthums, wohl
wirklich den Dienit, den ich glaube?” — Hier über:
dachte ich einige Augenblicke lang den Character des
E 2
x
wen BE un
Cardinals; fammelte die Erinnerung an feine guten
Eigenfhaften, wie an feine Fehler, und wog Beyde
gegen einander: Von feiner Jugend an war Ferdinand
heftig in feinen Empfindungen, aber lenkbar in feinen
Mafiregeln gewefen ; hatte freplich fehr oft übel ges
wählt, aver auch immer gern auf die beifere Stimme
eines Ealtern NRathgebers gebdrr — —
Großh. (pottend.) Wirklich? hätte er Dieß ge⸗
than? ?
"Mondr. (ungeirrt.) Wenigſtens war mein Wort
ſchon oft kräftig genug bey ihm geweſen, und aus die⸗
ſer Erinnerung entſprang der Vorſatz: erſt noch, be⸗
vor ich ihn dey Euer Durchlaucht verklage, das letzte
Mittel ſeiner Beſſerung zu verſuchen. Ein Brief, in
dem ich Alles ſammelte, was meine Feder zum Lobe
meiner Fürſtinn ſagen konnte; wo ich alle Rednerkunſt
und alle Kraft des wahren Wohlwollens, mit' der noch
größern Stärke der lautern Wahrheit vereinte, ging
des andern Tages ab, und beſchwur Euer Durchlaucht
Bruder brüderlich gegen meinen Gebiether zu denken.
Nicht Tange blieb die Antwort aus; aber ah, fie war
nicht, wie ich fie erwartete und wünſchte.
Großh. Nun — und doch hielteſt du auch Diefe
mir zurück?
Mondr. Noch hielt ih fie zurüd! Denn nen
erft hoffte ich den Dienft, den ih Euer Durchlaucht
erweifen könne, vollwichtig zu maihen. Der Cardinaf
glaubte, — Das fah ich deutlich auß feiner Antwert, —
nur noch höher meine Hoffnung fpannen zu dürfen,
um dann von der Pfliht und Treue gegen meinen Für⸗
ften mich abzuziehen. Deßhalb that er mir Erbiethun«
gen vom höchſten Werth ; deßhalb Tieß er mich noch
ns 69 soo
tiefer in das Gewebe feiner Maßregeln bficken ; pries
deren Sicherheit, und forderte abermahls meinen Beys
fand.
Großh. cbieter.) Fürwahr, ſehr unvorſichtig für
einen Medizäer und noch unvorſichtiger für einen
Prieſter gehandelt!
Monde. (gefaßt bleſdend.) Auch mich nahm Dieß
Wunder; doc je unerwarteter diefer Umſtand war,
je mehr, glaubte ih, fey es Pflicht ihn zu nützen.
Nichts ſchien mır nun erfprießliher für Euer Durds
Taucht wahres Beſte zu feyn, als wenn ich mich nach⸗
gibig gegen Ferdinands Antrag, wankend in meiner
Unterthand: Treue anftellte; wenn ich durch diefe Vers
ſtellung allmählig Adee durchfpähte, und dann erft bie
Summe der fammtlien Erfahrungen meinen Sürften
darlegte, um ihn in den Stand zu fegen, mit einem Bli⸗
cke der Berfhwörung ganze Kette zu überſchauen, mit
einem gewaltigen Streiche fie zu zertrümmern.
Großh. (mir ſpöttiſchem Lagern.) Vortrefflih! Und
das Hinderniß, warum bu einen fo weifen, fo
nußvollen Plan nicht durchführteft ?
M ondr. (ungeirrt in feiner Baffıng.) Wie Eönnte
gerade Euer Durchlaucht dieſes Hinderniß fremd feyn f
— Nahe ftand ich bereits meinem Ziel; in wenigen
Tagen hoffte ich den zweckmäßigſten Augenblick erſhei—
nen zu feben. Schon träumte ib von Gewißheit Jh:
res Dinkes, vom Wahsthum Ihrer Huld , von einer
Feuerprobe meines Dienfteiferd, da — da erfuhr ich
geftern durch einen eigenen fhnellen Bothen: „Marco
„Batıni fey verhaftet worden! Warum? wäre nod
„ießt ein Geheimniß.“ — Mir war 06 Eines! SH
kenne ihn allerdings, diefen Marco Badini, ald einen
nm 70 nesen
Kundſchafter des Cardinals, als einen Kopf vol Nine
fe und Unfinn — voll Tollkühnheit und Feigheit zus
gleich ; ſchlau genug, wenn ed ihm glücklich, zitternd
und Eriehend , wenn es ſchlimm ‘geht. Seine Verhafs
tung , ıh geitebe es frey — klinge es auf den ers
fien Ton fo ſeltſam, fo ſtrafbar als man wolle — ſcholl
wie ein Donner in mein Ohr. Denn daß nun Alles -
enthüllt, Alles Verdierft, daß ich mir durch die erfle
Entdekung erwerben wollen, verfhwunden fey, ſah
ich deutlih; daß jener Ertappte meinen Nahmen mie
anzugeben nicht vergeffen haben werde, vermuthete
ih; und in welchem [handlichen Lichte, in welcher vers
suchten Geſtalt ih dann vor Euer Durdlaudt Geiſtes⸗
Augen ſtehen würde — nein, nein! diefan Gedanken,
ſchmerzlicher als der qualvollfie Tod am Hochgerichte,
vermochte ich nicht , auch eine Stunde nur gelaſſen zu
ertragen. Deßhalb fammelte ich fogleih mit Eile und
Übereilung meinenöthigften Brieffchaften; deßhaib warf
ih mich auf mein ſchnellſtes Pferd; deßhalb gab ic
mir feldit auch nicht eine Minute Ruhe und Raſt, bis
ih bier anlangte, und Oelegenheit fand, vor nieinem
Gebiether mich zu rechtfertigen.
Groß h. (mit center Würde) Mondragone! Kannſt dus
wirklich hoffen: deine ehemahiige Erziehung habe meinen
Geiſt fo ganzleer an Menſchenkenntniß gelajlen,
daß ich diefes elend zufammengeftoppelte Mahrchen die
glauben follte?
Mondr Dieß die Art von Antwort, die ih
voraus ſah! Dieß ein Mißtrauen, das fid von felbft
entfihuldigt ! Aber, wenn zu meiner Rechtfertigung
nicht fon ein Leben genügt, das ich von Jugend auf
Ihrem Vater und dann Euer Durchlaucht felbft wide
von 71 ws.
mete, — ein Leben voll Dienfteifer und Inbrunſt, wo
nie ein Schatten des Verdachts, nie eine Spur von
Untreue mir zu Schulden Fam; wo oft bes Füuͤrſten
wictigfte Geheimniſſe unentdeckt in meinem Bufen
fchliefen ; wo fein leifefter Befehl meinen Fuß beflügels
te, meine Kraft verboppelte; wenn diefed Leben jetzt
vergeffen oder verfhmäaht werben follte, fo fpreche wer
nigitens diefer Beweis für mid! — (indem er ipm ein,
Pavier überreicht. Hier auf diefer Nolle werden Euer
Durchlaucht ein vollftändiged Verzeichniß ihrer Feinde
— wenigftens derer, die ich Eenne — finden. Barbe
der Schrift und Ausführlickeit des Vortrags werden
zeugen, daß es nicht ein Werk von geftern, nicht et⸗
wa beffimmt war, den heiligen Anfer im Sturm zu
maden. Es follte, wenn mein erfter Plan nicht ges
fheitert wäre, zum Hauptbelege meiner ‚Eröffnung
dienen; follte waͤhrlich mehr, als bloße — Berzeipung
mir erwerben.-
Großh. (indem er das Bergeihnig durablicke.) Uns
endlier Bote! Iſt es moͤglich ? So viel habe ich der
Haſſer? Und unter ihnen Männer, die nie ein Blick,
nie ein Bedankte von mir beleidigte! Männer, die id
mit Wohlthaten Überhäufte! Ungeheuer, die ich mit
meinem Herzblut nährte! Ja, Mondragone, diefe
Lıfte, wenn fie. wahr befunden wird, erwirbt Vers
geihung. \
Monde. Euer Durchlaucht verzeihen dann nur
meiner — Langfamfeit, nur dem Schein, der gegen
mid fpriht; mein Merz, ich betheure es bey meinem
und Shrem Leben, war Ihnen nie entfremdet. —
Gleichwohl ift dieſes Verzeichniß, und die genauere
Auskunft, die ich zu geben erböthig bin, nur die Eleis
were 73 ...
nere Hälfte desjenigen Dienftes, ben ich zu I
vermag. An Ewr. Durchlaucht Wilffür ſteht es,
ne.geringen Kräfte noch zehnfach ausgibiger zu ni
Ein mäßiges Zutrauen ift das Mittel hierzu.
Großh. Rede! Ich verftehe Dich nicht!
Mondr. Entſinnt fi mein Fürſt noch aus
Lieblingsbuch feiner Jugend der Geſchichte des C
und der Panthea? Entſinnt er ſich noch eines gew
Araſpes?
Großh. (verwunderungtvoll.) und wenn ich |
nun feiner entfanne ?
. Monde. Aid diefer Arafpes die Huld, bie f
nende Behandlung feines Königs zu vergelten fuc
— auf welde Ars that er Dieß? Nicht, inden
änßerlih ein Abtrünniger von Cyrus warb, umb
Herzen. fein glühendfter Freund blieb? Nicht, in
er fogar zum feindlichen Feldherrn Üüberging, bald
ner gebeimften Anfchläge Eundig ward, jeden derfel
dem perfifhen Monarchen heimlich anzeigte, und
hierdurch mehr, als ein ganzes Hülfsheer, nügte!
Nicht?
Groß h. Allerdings!
Mondr. Wohlan! Eines Wortes, eines -
genwinkes von Emwr. Durchlaucht bedarf ed, und
können am Bufen ihres unbrüderlichen Brnders ei
glei nüglichen Freund fid erwerben. Cyrus zu fe
Eann Shen nicht ſchwer fallen; ich bin erböthig, |
Arafpes zu fpielen.
Großh. Ha, Verräther! Biftdu nun fertig:
deinem Gewebe von Trug und Boßheit? ſchmeicht
du dich auf eine fo plumpe Art, deine Gregheig und
0008 7 z —X
Verſchonung von der verdienten Strafe zugleich zu
gewinnnen ?
Mondr. (tar) Es gehört ganz die innige Ers ,
gebenheit dazu, bie ih für Euer Turchlaucht fühle,
ganz das dreifte Bewußtfeyn eines ſchuldloſen Gewiſſens,
um unerfhüttert bey fo häufigen, jo unverdienten,
fo unerwartet zurückkehrenden Vorwürfen zu bleiben.
— Verzeibung fol ic erft zu erwerben bemüht
feyn? Ener Durchlaucht ficherten ja (den vor weni:
gen Minuten mir fie zu! Nach meiner Freyheit
ſoll ih durch dieſen —** ſtreben? Wann ward
Dieſe bisher noch gekränkt? Oder was wäre mir leich-
ter als ſie zu ſichern geweſen? Nicht durch eine Wa⸗
he von Euer Durchlqucht abgeholt, durch meinen ei⸗
- genen Antrieb gefpornt, Eomme ich hieher. Zwölf Mei⸗
Ien liegt die Billa, auf welcher ih mıd befand, von
der Grenze des Kırenftaat6, und funfzig von Flo⸗
renz. Vier Mahl ſchneller hätte mich mein Roß dort⸗
bin, als bierher getragen. Ehe meine Flucht ein Auge
wahrnahm, ein Kundfipafter belaufchte, war ich ges
retter. Mit offenen Armen hätte Ferdinand mich em⸗
pfangen; hatte gewiß — 9 mein Gebiether, lernen
Eie fernerhin genauer ihre Freunde kennen! Fühlen
Sie inniger die ungefchminkte Wahrheit: daß nur der
Eifer für meinen Fürften mich hierher berief ! Nur für
ihn, den ich ſelbſt erziehen Half, den ich ald Knaben
fhon auf diefen Armen trug, — den ich auffproffen,
empor wachſen, blühen und Früchte tragen fah — nur
für ihn kann ich mich jetzt zu einer Rolle erbietben, die
ju den allerfchwierigften, allermißlichften gehört,
Großh. Und-zu den fhimpflidften obendrein !
— Geſetzt, Montrogone, ich glaubte deinen bisherigen;
Keden — fo unglaubfid fie find! — Gefekt, ich hielte
für einen Beweis deiner Tiebe und Treue, was mir
die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit fheint; wie Eönnte idy eis
nem Manne trauen, der fih mir den Wer äther eines
Andern zu fpielen erbiether ?
Mondrag. Und warum eben den Verräs
ther? Könnte ich nicht auch jeßt noch des Ausſsh⸗
ners edlere Rolle übernehmen? Iſt nicht überhaupt
der Nahme Verräther eine Ungerechtigkeit, wenn er
anf einen Mann angewandt wird, der feinem re ht maͤ⸗
Bigen Oberherrn in rebhtmäßiger Sache
— fen ed auch durch Hülfe einiger nothwendigen MWers
ſtellung — zu dienen gedenkt? Habe id dem Große
herzog Franz, oder dem Cardinal Ferdinand treu und
unterthan zu feyn geichivoren t Habe ib — dody nein!
Sch will der Gründe und Rechtfertigungen niht ned
mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich,
wie ed ihın gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen,
oder ſchenke er es mir noch Eunf:ig! Beſtrafe er meine
Unvorſichtigkeit, oder belohne ev meinen redlichen Wile
len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -u
geben , ih murre nie! Mis unwandelbarer Treue,
der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich feie
nem Gebothe.
Mondragone ſchwieg bier. Keine zagende Miene
hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stoden ben Fluß
feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feinem Richter,
nicht wie ein Beklagter, fondern wie ein verkannter,
beleidigter Btedermann flieht. — In defto ſtaͤrkerer Uns
— 75 —
entſchloſſenheit ging mit großen Shritten Franz einige
Mahl im Zimmer auf und ab.’ Zahllofe Gedanken
durhwogten fein Gehirn. Er Eonnte es ſich ſelbſt
nicht abläugnen: daß er Mondragone bisher ges
liebe, und nicht die Eleinfte Spur der Untreue an
ihm gefunden habe; Eonnte e6 nicht läugnen, dap er.
feine Vertheidigung maͤnnlich führe, und daß er zu ihr
freywillig ſich geſtellt habe. Gleichwohl waren auf der
andern Seite die Vermuthungen gegen ihn ſo wichtig,
die Gründe für ſeine Unſchuld ſo unwahrſcheinlich,
und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur noch ein
Verdacht mehr.
Eden deßwegen hatten, Sros aller Kunſt, feine
Worte bisher nur wenig gewirkt, doch defto jtärker
die durchgeſetzte Unerfhrocdenheit feines Tons, der
Sleihmuth feiner Miene, und die Würde feines
Anftands Schon begann almählig der gutmüthige
Franz zu.zweifeln, daß Werftelung fo weit geben
Eonne. Seine edle Seele ſträubte fi) gegen den Blau:
ben an Laſter, deren Unmöglichkeit er zu empinden
wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine,
diefe ganze Zeit über fhmweigende Gemahlinn: aber fie
fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte fich
auch ganz. — Etwas Ifeltfam dünkte Franz dieſes
Betragen, doch war es an ſich felbft leicht erklaͤrbar.
Denn zu flark war der Perdacht, den Bianca gegen
dieſen Höfling hegte: und doch Eonnte fie gleichfalls
feiner Rechtfertigung nichts Gründliches entge⸗
genſetzen. Ihre gerade, lautere Seele verabſcheute den
von ihm vorgeſchlagenen Plan einer tückiſchen Vers
ſtellung, und doch konnte fie deffen fcheindaren
Nutzen nicht abläugnen. Wohlbedaächtig wollte fie
vode 76 wo.
baker von jeder Billigung ober Misbilligung gleich
entfernt ſich halten.
Ihr Weggehn vermehrte des Großherzogs Un-
ſchlüſſigkeit und des Hoöͤflings Muth. Auch ſt um m
war ſie für Mondragone eine gefaͤhrliche Gegnerinn
geweſen. Jetzt rief er noch ein Mahl dem Fürſten alle
feine geleifteten oder angeblichen Dienfte ind Gedächt⸗
niß zurück; führte weitläufiger aus, was er Eurz
vorher nur zufammen gedrängt harte ; geftand, Daß er gar
wohl fähe, daß Bianca ihm abgeneigt wäre;
überrafihte dadurch aber den Fürften durch die Frage:.
Ob nidt Sr. Durchlaucht ehemahliger eiges
ner Befehl die erfte Duelle von dem Uns
willen feiner jegigen Gemahlinn fey!—
Franz flocte; er vermochte nicht, ganz Dieß abzulaugs
nen. Schon fein Verſtummen war Antwort genug,
und der ſchlaue Mondragone fuhr fort eben Diejenige
BereitwilligEeit, die Bianca Eur; vorher fo vers
dienter Maßen verdaͤchtig gemacht hatte, jeßt von ber
guten Seite darzuſtellen. Cie ward nun zur unbes
dingten Ergebenheit in den Willen bes Mo⸗
narchen, zur Öefangennehmung jeder eigenen Einficht,
und zur todverachtenden Treue. So fuhr er einige Mi⸗
nuten fort, rund fieh da, er acwann Sranzens Zutrauen
wieder !
Zogleidy ging er zu der Nothwendigkeit über,
bey einem fo gefährlichen Feind, als ter Gardinaf
wäre, oder werden dürfte, einen getreuen Kundſchaf⸗
ver zu haben; er erſchwerte dieſes unwürdige Gefchäft
noch um ein Großes, um deifen Dienitleittung deſto
gefchägter su machen; er warf das hellſte Licht auf Die
Möglichkeit: daß ein Mann, der tes Cartinals Were
— 737 —
rauen beſäße, ihm vielleicht Bianca's ſeltene Eigen:
ſchaften nur zu ſchildern brauche, um feinen Groß zu
befänftigen; und nun — nün hatte er Franzen, der die
Ruhe feines Staats, und die Sicherheit feiner geliebten
Gemahlinn über Alles wünſchte, da, wo er ihn haben
wollte. — Der Großherzog erlaubte feinem ehemahli⸗
gen Günſtling ſich wieder heim zu begeben ; erlaubte
ibm, des andern Tages, ſich halb verftohlen von Flo⸗
ven, nah Rom zu flüchten ; gab ihm fein fürftliches
Wort: daß feine Habe und Familie indeß Fein Verluſt
bedrohen follte; fand ed gut, daß er außerlich ben
Anhänger des Gardinald made ; und bedingte fid)
bloß, daß Mandragone ſtets einen unmittelbaren Briefs
wechfel mit ihm unterhalten und die Gefahr aller bes
forghihen Anſchläge duch zeitige Nachrichten abwen⸗
den folle.
Bianca, als fie des andern Morgens (denn dieß
Geſpräch hatte tief über Mitternacht gedauert,) die
Wendung der Sache erfuhr, die fie — vorbergefehen
hatte, zuckte zmeifelhaft die Achſeln; Franz drang
darauf ihre Meinung a wijfen; und fie antwortete
endlih :
„Wahrlich, ich habe der Seltenheiten ſchon viele
„geleben; doch ein getreuer Verräther ſchiene
„mir fonderbarer, ald alle Wunderwerke der alten und
„neuen Welt. — Ich kann mid) irren; doch mich wird
„fortan Mondragone nur dann serögen, ‚ wenn er
„keine Unwahrheit mehr fagt !” i
Großh. Aber, wenn er wirklich treulos, und
die Flucht nach Rom wirklich ſein Wunſch geweſen
wäre; warum ergriff er fie nicht auch ohne meine Er⸗
laubniß? Warum wagte er noch erſt feinen Kopf hier
x
VIER 70 se.
Kundfchafter des Cardinals, als einen Kor vol Raͤn⸗
fe und Unfinn — voll Tollkühnheit und: Feigheit zus
gleich ; ſchlau genug, wenn es ihm glücklich, zitternd
und friehend , wenn es ſchlimm ‘geht. Seine Verhafs
tung , ih geitehbe es frey — Einge es auf den ers
fien Zon fo ſeltſam, fo ftrafbar ald man wolle — ſcholl
wie ein Donner in mein Ohr. Denn daß nun Alles -
enthüllt, Alles Verdierft, daß ich mir dur die erfle
Entdefung erwerben wollen, verfhwunden fey, ſah
ih deutlich; daß jener Ertappte meinen Nahmen mit
anzugeben nicht vergeffen baben werde, vermuthete
ih; und in welhem [handlichen Lichte, in welcher vers
ruchten Geſtalt ih dann vor Euer Durdlaudt Geiſtes⸗
Augen ftehen würde — nein, nein! diefan Gedanken,
ſchmerzlicher ald der qualvollfie Tod am Mochgerichte,
vermochte ich nicht , auch eine Stunde nur gelaffen zu,
ertragen. Deßhalb fammelte ich fogleih mit Eile und
Übereifung meinenöthigften Brieffchaften; deßhalb warf
ih mich auf mein ſchnellſtes Pferd; deßhalb gab ich
mir ſelbſt auch nicht eine Minute Ruhe und Raſt, bis
ih bier anlangte, und Öelegenheit fand, vor meinem
Gebiether mich zu rechtfertigen. “
Groß h. (mit ernſter Würde.) Mondragone! Kannft du
wirklich hoffen: deine ehemahlige Erziehung habe meinen
Geiſt fo ganzleer an Menſchenkenntniß gelajfen,
dafı ich dieſes elend sufammengeftoppelte Maͤhrchen die
glauben follte ?
Mondr Dieß die Art von Antwort, die ich
voraus foh! Dieß ein Mißtrauen, das fid von felbft
entfihuldigt ! Aber, wenn zu meiner Redtfertigung
nicht fon ein Leben genügt, dad id von Jugend auf
Ihrem Vater und dann Euer Durchlaucht felbft wide
vorn 71 ws.
mete, — ein Leben voll Dienſteifer und Inbrunſt, wo
nie ein Schatten des Verdachts, nie eine Spur von
Untreue mir zu Schulden kam; wo oft des Füuͤrſten
wichtigfte Geheimniſſe unentdedt in meinem Bufen
ſchliefen; wo fein leifefter Befehl meinen Fuß beflügels
te, meine Kraft verdoppelte; wenn dieſes Leben jetzt
vergeffen oder verfhmäaht werben follte, fo fpreche wer
nigitens diefer Beweis für mid! — Lindem er ihm ein,
Papier überreicht. Hier auf diefer Nolle werden Euer
Durchlaucht ein vollftändiges Verzeichniß ihrer Feinde
— wenigftens berer, die ich Eenne — finden. Farbe
ber Schrift und Ausführlicfeit des Vortrags werden
jeugen, daß es nicht ein Werk von geftern, nicht et⸗
ma beftimmt war, den heiligen Anker im Sturm zu
maden. Es follte, wenn mein erfter Plan nicht ges
fheitert wäre, zum Hauptbelege meiner ‚Eröffnung
dienen; follte währlich mehr, als bloße — Berzeipung
mir erwerben.-
Groß h. (indem er das Bergeihnig dur@btidt.) Uns
endlicher Bote! Iſt es mögliht So viel habe ich der
Hafer? Und unter ihnen Männer, die nie ein Blid,
nie ein Gedanke von mir beleidigte! Männer, die ich
mit Wohlthaten Überhäufte! Ungeheuer, die ich mit
meinem Herzblus nährte! Ja, Mondragone, diefe
Liſte, wenn fie. wahr befunden wird, erwirbt Ver⸗
geihung.
Monde. Euer Durchlaucht verzeihen dann nur
meiner — Langfamkeit, nur dem Schein, der gegen
mid ſpricht; mein Herz, ich betbeure es bey meinem’
und Shrem Leben, war Ihnen nie entfremdet. —
Gleichwohl ift dieſes Verzeichniß, und die genauere
Auskunft, die ich zu geben erböthig bin, nur die Eleis
were 73 vxvv
nere Haͤlfte desſenigen Dienſtes, den ich zu leiſten
vermag. An Ewr. Durchlaucht Willkür ſteht es, mei⸗
ne.geringen Kräfte noch zehnfach ausgibiger zu nügen.
Ein mäßiges Zutrauen ift das Mittel hierzu.
Großh. Rede! Ich veritebe Dich nicht!
Mondr. Entjinnt fih mein Fürſt noch aus dem
Lieblingsbuch feiner Jugend der Geſchichte des Cyrus
und der Panthea? Entfinnt er ſich noch eines gewiffen
Araſpes?
Großh. (verwunderungsvon.) Und wenn ich mid
nun feiner entfanne ?
Mondr. Aid diefer Araſpes! die Huld, die fher
nende Behandlung feines Königs zu. vergelten fuchte,
— auf welche Art that er Dieß? Nicht, indem er
äußerlih ein Abtrünniger von Cyrus warb, umb im
Herzen fein glühendfter Freund blieb? Nicht, indem
er fogar zum feindlichen Feldherrn überging, bald feis
ner geheimften Anfchläge Eundig ward, jeden derfelben.
dem perfifhen Monarden heimlich anzeigte, und ihm
hierdurch mehr, als ein ganzes Sülfäpeer nützte —
Nicht?
Groß h. Allerdings!
Mondr. Wohlan! Eines Worte, eines Au⸗
genwinkes von Ewr. Durchlaucht bedarf es, und ſie
können am Buſen ihres unbrüderlichen Bruders einen
gleich nützlichen Freund ſich erwerben. Cyrus zu ſeyn,
kann Ihnen nicht ſchwer fallen; ich bin erböthig, den
Araſpes zu ſpielen.
Großh. Ha, Verraͤther! Biſt du nun fertig mit
deinem Gewebe von Trug und Boßheit? ſchmeichelſt
du dich auf eine fo plumpe Art, beine Freyheit und die
7. 7 3 —X
Verſchonung von der verdienten Strafe zugleich zu
gewinnnen ?
Mondr. (tar.) Es gehört ganz die innige Ers
gebenheit dazu, die ih für Euer Turchlaucht fühle,
ganz das dreiſte Bewußtfeyn eines ſchuldloſen Gewiſſens,
um unerfchüttert bey fo häufigen, fo unverdienten,
fo unerwartet zurückkehrenden Vorwürfen zu bleiben.
— Verzeibung fol ih erft zu erwerben bemüht
feyn? Ener Durchlaucht fiherten ja ſchon vor weni»
gen Minuten mir fie zu! Nach meiner Freyheit
ſoll ich durch dieſen Vorſchlag ſtreben? Wann ward
Diefe bisher noch gekränkt? Oder was wäre mir leich-
ter als fie zu ſichern geweſen? Nicht durch eine Wa⸗
he von Euer Durchlqucht abgeholt, durch meinen ei⸗
. genen Antrieb gefpornt, Eomme ich hieher. Zwölf Meir
len liegt die Villa, auf welcher ich mich befand, von
der Grenze des Kirchenſtaats, und funfzig von Klo: -
venz. Vier Mahl ſchneller hätte mich mein Roß borte
bin, als bierber getragen. Ehe meine Flucht ein Auge
wahrnahm, ein Kundfipafter belaufchte, war ich ges
rettet. Mit offenen Armen hätte Ferdinand mich em⸗
pfangen; hatte gewiß — o mein Gebiether, lernen
Sie fernerbin genauer ihre Sreunde kennen! Fühlen
Sie inniger die ungeſchminkte Wahrheit: daß nur der
Eifer für meinen Fürften mich hierher berief! Nur für
ihn, den ich ſelbſt erziehen half, den ich ald Knaben
fhon auf diefen Armen trug, — den ich auffproffen,
empor wachfen‘, blühen und Früchte tragen ſah — nur
für ihn Fann ich mich jekt zu einer Holle erbiethen, bie
su den allerfehwierigften, allermißlichften gehört,
Großh. Und: zu den fhimpflihften obendrein!
— Geſetzt, Mondrogone, ich glaubte deinen bisherige
Reden — fo unglaublich fie find! — Gefekt, ich hielte
für einen Beweis deiner Liebe und Treue, was mie
die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit fcheint ; mie könnte ich eis
nem Minne trauen, der fih mir den Werther eines
Andern zu fpielen erbiether?
Mondrag. Und warum eben ben Verräs
tber? Könnte ich nicht auch jegt noch des Ausfäh-
ners edlere Rolle übernehmen? Sft nicht überhaupt
der Nahme Verraͤther eine Ungerechtiglar, wenn er
auf einen Mann angewandt wird, der feinem ve htmär
ßigen DOberherrn in rechtmäßiger Sache
— fen ed auch durch Hilfe einiger nothwendigen Ver⸗
ſtellung — zu dienen gedenkt? Habe ih dem Große
herzog Franz, oder dem Carbinal Ferdinand treu und
unterthan zu feyn geſchworen ? Habe ih — body nein!
Sch will der Gründe und Rechtfertigungen nit ned
mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich,
wie es ihm gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen,
oder ſchenke er es mir noch Eünf:ig! Beſtrafe er meine
Unvorjichtigkeit, oder belohne er meinen redlihen Wil⸗
len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -zm
geben, ih murre nie! Mit unwandelbarer Treue,
der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich ſei⸗
nem Öebothe.
Mondragone ſchwieg bier. Keine zagende Miene
hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stoden den Fluß
feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feinem Richter,
nicht wie ein Beklagter, ſondern wie ein verkannter,
beleidigter Biedermann flieht. — In defto flärkerer Uns
— 7) —
entſchloſſenheit ging mit großen Schritten Franz einige
Mahl im Zimmer auf und ab. ’Zahllofe Gedanken
durhwogten fein Gehirn. Er Eonnte es ich ſelbſt
nicht ablöugnen: daß ce Mondragone bisher ges
liebt, und nicht die Heinfte Spur der Untreue an
ihm gefunden habe; Eonnte e6 nicht laugnen, daß er.
feine Vertheidigung männlich führe, und daß er zu ihr
freywillig ſich geſtellt habe. Gleichwohl waren auf der
andern Seite die Vermuthungen gegen ihn ſo wichtig,
die Gründe für ſeine Unſchuld ſo unwahrſcheinlich,
und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur no ein
Verdacht mehr.
Eben deßwegen hatten, Trot aller Kunſt, ſeine
Worte bisher nur wenig gewirkt, doch deſto ſtaͤrker
die durchgeſetzte Unerfhrocdenheit feines Tons, ber
Sleihmuth feiner Miene, und die Würde feines
Anftands Schon begann almählig der gutmüthige
Franz zu.zweifeln, daß Werftellung fo weit geben
könne. Seine edle Seele ſträubte ſich gegen den Blau:
ben an Lafer, deren Unmöglichkeit er zu empfinden
wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine,
diefe ganze Zeit über fhweigende Gemahlinn: aber fie
fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte ſich
auch ganz. — Etwas Ifeltfam dünkte Franz dieſes
Betragen, d Oh war es an fich felbft leicht erflärbur.
Denn zu ſtark war der Verdacht, den Bianca gegen
biefen Höfling hegte: und doch Eonnte fie gleichfalls
feiner Rechtfertigung nidts ©ründliches entges
genfegen. Ihre gerade, Iautere Seele verabſcheute den
von ihm vorgefchlugenen Plan einer tüdifhen Vers
fiellung,, und dod Eonnte fie deffen foheindaren
Nutzen nicht abläaugnen. Wohlbedächtig wollte fie
Reden — fo unglaublich fie find! — Geletzt, ich hielte
für einen Beweis deiner Liebe und Treue, was mir
die ſchwaͤrzeſte Treuloſigkeit ſcheint; mie könnte ich eis
nem Manne trauen, der ſich mir den Veriather eines
Andern zu fpielen erbiether ? by
Mondrag. Und warum eben den Verrär
ther? Könnte ich nicht auch jet noch des Ausſöh⸗
ners edlere Rolle übernehmen? Sft nicht überhaupt
der Nahme Verraͤther eine Ungerechtigkeit, wenn er
auf einen Mann angewandt wird, der feinem re htmär
figen DOberberrn in rechtmäßiger Sade
— ſey es auch durch Hilfe einiger nochwendigen Ver⸗
ftelung — zu dienen gedenkt? Habe ih dem Große
herzog Franz, oder dem Cardinal Ferdinand treu und
untertban zu feyn geichworen ? Habe ih — doch nein!
Sch will der Gründe und Redtfertigungen nicht ned
mehrere fuchen? Schalte mein Gebiether Über mich,
wie ed ihm gut däucht! Entziehe er mir fein Vertrauen,
oder ſchenke er es mir noch Fünf:ig! Befträfe er meine
Unvorſichtigkeit, oder belohne er meinen redlichen Wil⸗
len! Befehle er mir nad Rom oder in den Kerker -zu
geben , ih murre nie! Mit unwandelbarer Treue,
der ihr eigenes Bewußtſeyn genügt, gehorche ich ſei⸗
nem Gebothe.
Mondragone ſchwieg hier. Keine zagende Miene
hatte fein Geſicht entſtellt; Eein Stocken den Fluß
feiner Worte gehemmt. Er ftand vor feınem Richter,
nicht wie ein Beklagter, fondern wie ein verkannter,
beleidigter Biedermann ſteht. — In defto flärkerer Un⸗
— 7) —
entſchloſſenheit ging mit großen Shritten Franz einige
Mahl im Zimmer auf und ab. Zahlloſe Gedanken
durchwogten ſein Gehirn. Er konnte es ſich ſelbſt
nicht ablͤugnen: daß ce Mondragone bisher ges
liebt, und nicht die Eeinfte Spur der Untreue an
ihm gefunden babe; Eonnte e6 nicht laugnen, dap er.
feine Vertheidigung männlich führe, und daß er zu ihr
freywillig fi geftellt habe. Gleichwohl waren auf der
andern Eeite die Vermuthungen gegen ihn fo wichtig,
die Gründe für feine Unſchuld fo unwahrſcheinlich,
und ſelbſt der Vorſchlag, den er that, nur noch' ein
Verdacht mehr.
Eben deßwegen hatten, Zros aller Aunft, feine
Worte bisher nur wenig gewirkt, doch defto jtärker
die durchgeſetzte Unerſchrockenheit ſeines Tons, der
Gleichmuth ſeiner Miene, und die Würde ſeines
Anſtands. Schon begann almählig der gutmüthige
Franz zu zweifeln, daß Verſtellung fo weit geben
könne. Seine edle Seele ſträubte ſich gegen den Glau⸗
ben an Laſter, deren Unmöglichkeit er zu empfinden
wähnte. Er warf einen forfhenden Blick auf feine,
diefe ganze Zeit über fhweigende Gemahlinn: aber fie
fuhr nicht nur fort zu ſchweigen, fondern entfernte ſich
auch ganz. — Etwas !feltfam dünkte Franz dieſes
Betragen, doch war es an ſich ſelbſt leicht erklaͤrbar.
Denn zu ſtark war ber Perdacht, den Bianca gegen
biefen Höfling begte: und doch Eonnte fie gleichfalls
feiner Rechtfertigung nidts Gründliches entge⸗
genſetzen. Ihre gerade, lautere Seele verabſcheute den
von ihm vorgeſchlagenen Plan einer tückiſchen Vers
fiellung, und doch konnte fie deffen foheindaren
Nutzen nicht ablaugnen. Wohlbedächtig wolle fie
—R 76 u
baker von jeder Billigung ober Misbilligung gleich
entfernt ſich halten.
Ihr Weggehn vermehrte des Großherzogs Un⸗
ſchlüſſigkeit und des Höflings Muth. Auch ſt u mim
war ſie für Mondragone eine gefaährliche Gegnerinn
geweſen. Jetzt rief er noch ein Mahl dem Fürſten alle
feine geleiſteten oder angeblichen Dienſte ind Gedächte
niß zurück; führte weitläufiger aus, was er kurz
vorher nur zuſammen gedraͤngt hatte; geſtand, daß er gar
wohl ſaͤhe, daß Bianca ihm abgeneigt wäre;
überrafihte Dadurch aber ben Fürften durch die Frage:,
Ob nicht Sr. Durchlaucht ehemahliger eige
ner Befehl die erſte Duelle vondem Uns
willen feiner jegigen Gemahlinn ſey? —
Franz ſtockte; er vermochte nicht, ga:ız Dieß abzuläug⸗
nen. Schon fein Verſtummen war Antwort genug,
und der ſchlaue Mondragone fuhr fort eben diejenige
Bereitwilligfeit, dieBianca Eur; vorher fo vers
dienter Maßen verdadtig gemacht hatte, jet von der
guten Seite darzuftellen. Cie ward nun zur unbes
dingtenErgebenheit in den Willen des Mo⸗
narchen, zur Öefangennehmung jeder eigenen Einficht,
und zur todverachtenden Treue. So fuhr er einige Mis
nuten fort, ‚und fieh da, er gewann Franzens Zutranen
wieder !
Sogleid ging er zu der Nothwentigfeit über,
bey einem fo gefährlichen Feind, als der Cardinal
wäre, oder werden dürfte, einen getreuen Kundfchafs
ter zu baben; er erfchwerte diefes unwürdige Gefchäft
noch um ein Großes, um bdeifen Dienſtleiſtung deſto
gefchägter zu machen; er warf das hellfte Licht auf bie
Möglichkeit: daß ein Mann, der tes Cardinals Verz
7] — |
rauen befüße, ihm vieleicht Bianca's feltene Eigen:
fhaften nur zu ſchildern brauche, um feinen Grol zu
befänftigen; und nun — nün hatte er Franzen, der die
Ruhe feines Staats, und die Sicherheit feiner geliebten
Gemahlinn über Alles wünſchte, da, wo er ihn haben
wollte. — Der Großherzog erlaubte feinem ehemahli⸗
gen Günſtling ſich wieder heim zu begeben; erlaubte
ihm, bed andern Tages, ſich bald verftohlen von Flo⸗
ven, nah Rom zu flüchten ; gab ihm fein fürftliches
Wort: daß feine Habe und Familie indeß Fein Verluft
bedrohen follte; fand es gut, daß er äußerlich den
Anhänger des Cardinals made ; und bedingte fid)
bloß, daß Mandragone ſtets einen unmitteldaren Briefs
wechfel mit ihm unterhalten und die _Gefabr aller bes -
ſorglichen Anſchläge durch zeitige Nachrichten abwen⸗
den ſolle.
Bianca, als ſie des andern Morgens (denn dieß
Geſpräch hatte tief über Mitternacht gedauert,) die
Wendung der Sache erfuhr, die fie — vorhergeſehen
hatte, zuckte zweifelhaft die Achſeln; Franz drang
darauf ihre Meinung zu wiſſen; und ſie antwortete
endlich:
„Wahrlich, ich Habe der Seltenheiten ſchon viele
„gefeben; doch ein getreuer Verräther fhiene
„mir fonderbarer, ald alle Wunderwerfe ber alten und
„neuen Welt. — Ich Eann mid) irren; doch mich wird
„fortan Mondragone nur dann betrögen, wenn er
„Eeine Unwahrheit mehr fagt !”
Großh. Aber, wenn er wirklich treulos, und
die Flucht nah Rom wirklich fein Wunſch gemeien
wäre; warum ergriff er fie nicht auch ohne meine Er;
laubnig? Warum wagte er noch erſt feinen Kopf hier»
‘
ber zu tragen, da bey allen Dem bie Viederbinweg⸗
bringung desſelben fo ungewiß war.?
Bianca. Vielleicht weil er auf ſeiner Flucht
noch z veyerley mitnehmen wollte, woraͤn ihm freylich
unendlich viel gelegen ſeyn mußte.
Großh. Und Das waͤre?
Bianca. Sein Vermögen und bein Bus
trauen.
— —
Ich bleibe dabey, alle Fernröhre, die ſeit Gali⸗
laͤis Zeiten erfunden und verbeſſert wurden, find trüb
und ſtumpf gegen den fcharfen Blick des weibliden ”
Geiſtes. Richtiger hätte die Pläne feines niedrigen
Herzend Mondragone felbft vor dem Richterſtuhl bes
eigenen Gewiſſens nicht darftellen können, als fie Bians .
ca bier in wenige Worte zufammen engte. — Denn
ald er auf feiner Villa die Verhaftung jenes römifchen
Kundſchafters vernahm, war allerdings der erfle Ges -
danke feiner feigen Seele die fchleunigfte Flucht
gewefen; erſt als feine entfchloffenere Battinn, als
fein eigner Geiz ihm voritellten: welche unermeß⸗
liche, mübfam zufammengefparte Reichthümer er dann
preisgeben müſſe; als jer wohl begriff, wie unſicher
eine geneigte Aufnahme beym Qardinal feyn würde,
wenn Diefer in ihm Eeinen nüglichen Bundsverwandten
mebr, fondern bloß einen laͤſtigen Koftgänger ankom⸗
men ſaͤhe; da faßte er den feften Entſchluß, entweder
Alles zu verlieren, oder Alles zu behals
ten. Er Eannte die Wachsweiche von Franzens Ders
zen; er baute hierauf den Anſchlag der frevelbaftefien
Verftellung; und er führte aus, was er ſich vergenom⸗
men hatte.
Jetzt, als er nun unter ganz andern Umſtaͤnden
zum Cardinal Fam; als er ihm erzählte, wie nah über
feinem Haupt das Ungewitter hingegangen fey; wie
Hüglich er ed abgensandt habe; und wie er, auch noch
als Überläufer, Sranzens Zutrauen mit ſich ‚bringe ;
da ließ der ſtolze Cardinal ſich felbft Biß zur Umarmung
diefes Verräthers herab, und überhäufte ihn mit Lieb«
kofen und mit den glänfkdften Verſprechungen.
Bald aber gingen fie auf beyden Seiten von
diefem ſchmeichelvollen Zone wieder zu ernfthaftern
Geſpraͤchen über, und berathfchlagten: wie nun aufs
Befte noch der einmahl entdedte Entwurf von Fran⸗
zens und Bianca’s ‚Untergang ausgeführt werden
Eönne t
_ Der Mebizder, in deffen Adern, Trotz feiner übri⸗
gen Fehler, wenigſtens fürftlihes Blut rollte, wenig⸗
ſtens fürſtlicher Stolz ſich befand, war, des Hinter⸗
halts überdrießig, für erklärte Feindſchaft. Er glaub⸗
te, ſein Anhang ſey bereits ſtark genug geworden, und
hielt feine Beſchwerden felbft für gegründet genug,
um nun Öffentlich dem Großherzog die Spitze bietben
zu Fönnen. Er betheuerte feyerlih, nicht eher zu ru⸗
hen, bis entweder jene ſchimpfliche Ehe. getrennt, oder
wenigftens jeder aus ihr vermuthlihe Erde der Nach⸗
folge im Sürfienrange und Herrfchaft verluftig geworden
wäre. Montragene börte gelaffen und aufmerkfam
feinen Slammen : Worten zu; ließ ihn enden damit;
fhüttefte aber beym Schiuß der Rede bedenklich genug
fein Heupt. Es ſollte Dieß Ferdinands Augen keines⸗
wegs entgehen, und entging ihm auch nicht.
wer BO rem
„Ihr ſcheint nicht vollig (fragte er ihn) meitter
„Meinung zu feyn; habt Ihr, etwas an meinen Ents
zweck auszufogen ? |
Monde. Viel am Entzweck und an den Mitteln.
Card. Wie das?
Mondr. Ich finde Jenen zu gering, und Dieſe
zu unſicher.
Card. Wäre es Euch gelegen, deutlicher beraus
zu ſprechen?
Mondr. O, es if mäie 5 Pflicht fogar, ſobald
Eure Eminenz es mir gebiethen.
Card. Ohne Umſchweife! Nennt mih beym
Nahmen, oder nennt mich Fürſt ſchlechtweg! Wer
wird auf Titel unter Freunden denken!
Mondr. Ich danke Euch, gnädigſter Herr, für
diefe Erlaubniß! Aber verzeibt Euerm Knecht; au
wenn Ihr allen Euch gebührenden Titeln entfagen wolls
tet, dennoch würde man jenen Entwürfen es anmers
Een, daß ein geiftlicher Fürſt fie gefaßt habe.
Card. betreten.) Und warum legt Ihr eben auf
das Wort geiftlich einen folden Nachdruck?
Mondr. Weil bloß Di eſer das Glück des cher
lichen Lebens fo verkennen, die Stärke der v aͤ⸗
teclihen Liebe fo vergeſſen Eann! — Mur von
feiner Gattinn wollt Ihr Franzen gefhieden; nur
feine Söhne wollt Ahr des Erbes unfähig erklärt
wiſſen? Wahrfich, gnaͤdigſter Herr, ſchwerer als dieß
zweyfache nur iſt nichts! Leichter würde es ſeyn, Fran⸗
zens Haupt den ganzen Fürſtenhut, als ſeinen wollü⸗
ſtigen Umarmungen die geliebte Bianca zu entreiſſen:
eyer würde er ſelbſt — darauf kenne ich feine gefühls
volle le ſchwärmeriſche Seele — zum Kerker herabſteigen,
als
won Bi vom
als jemahls ein Teſtament unterzeichnen, das fine
Eöhne enterbt. i
Card. Glaubt Ihr?
Mondr. Sch weiß eb fogar. — Überhaupt iſt
in Unternehmungen dieſer Art Maͤßigung und Mittel⸗
ſtraße ein Unding. Wer ſeines Feindes ſchont, handelt
oft als ſein eigener Feind; und wer einen zweifelhaften
Frieden ſchließt, muß bald, wie es dem Hercules ging,
ſtatt eines Drachenkopfes zwey befä..ınfen.
Card. Vortrefflih, Mondragone! Ihr koͤnntet
Moral leſen; Trotz einem zu Bologna! So laßt und
alſo mehr noch fordern! Laßt uns laut von Entwe i⸗
bung ber. fürftlihen Ehre, von un würdigem Be⸗
fig der Herrſchaft, von Beleidigung und vom
Kriege fpreben!
Monde. "den.Kopf ſchüttelnd.) Der wohl ſehr
ſchwierig, wohl ſehr ungleich ſeyn dürfte!
Card. Und warum? Haltet Ihr dieſen weibiſchen
Franz für einen entſchloſſenern Mann, für einen beſſern
Feldherrn, als mih!
Mondr Das nicht; aber die Stärke des
Heeres enticheidet gewöhnlich noch mehr, ald der
Muth des Heerführers; Franzens Anhang
übertrifft den unferigen bey Weiten, und ich forge, ich
forge, es wırd unmöglich ſeyn, in offenem Kampfe einen
fo allbeliebten Prinzen zu beftegen.
Card. Allbeliebt! Wie kann er Das fepnt: —
Beleidigte denn nicht dieſe ſchnöde Heirath ſchon
die Herzen aller ſeiner Unterthanen?
Mondr. Sie befremdeteſolche nur. Einige
der Erſten im Staate fanden ſich feyn beleidigt; aber
Neißners Bianca Cap. 2. Thl.
sen BR meson
den groͤßern Haufen hat er vielleicht dadurch nur X8
neigter ſich gemacht.
Card. Unmöglichkeiten!
Mondr. Die doch wahrſcheinlich genug ſind.
Muß das Volk ſich nicht gleichſam geſchmeichelt finden,
wenn aus ſeinem Mittel der Fürſt eine Gattinn ſich
erwählt? Und wenn Dieſe zumahl ſtaatsklug genug iſt,
auch nad) ihrer Erhöhung, des vorigen Standes Des
muth Seyzubehalten ; wenn fie zur rechten Zeit fidy ges
gen Nathleidende mitleidig anſtollt; wenn fie, aud
ale Monathe ein Mahl nur, ihre milde Hand mit
fünf ober ſechs Zechinen aufthut; dann jauchzt ja wohl
die leicht zu betrügende Menge ſo überlaut, als ob
ein Engel Gottes ihr leibhaftig erſchienen waͤre.
Card. Die Nachrichten meiner übrigen Feinde
lauten anders.
Mondr. Weil Jene, oder weil auch Ihr, mein
Fuͤrſt, den Zeitpunct von wenigen Wochen mit einan⸗
der verwechſelt! — In den erſten Augenblicken, wo
ganz allein die Stimme der Mißgunſt und des Unwillens
ſprach; an jenem Tage, wo der bethörte Franz ſich nicht
ſcheuere, die Witwe feines Schreibers, die Naͤhmliche,
die nochManche ihres Gleichen in wollenem Gewante und
in tiefiter Niedrigkeit gekannt hatten, öffentlih zum
fürſtlichen Stuhle binzuführen: — ja gnädigiter Herr,
hättet Ihr an diefem Zage in Florenz Euch befunden;
dann wäre es ein Kinderfpiel gewefen, den Hochzeit⸗
abend mit Entthronung zu beſchließen, und der Neue
vermählten einen Kerker zur Brautkammer anzumeis
fen. Denn damahls empörte nod die Neuheit Aller
Herzen; damahls gebrach es dem murrenden Haufen
nur an einem Anführer aus fürftlidem Stamme. Aber
jene erfk en Augenblicke find Tängft vorbey. Bianca,
*
me BE —
wohlthätig vielleicht aus Ztaatsklugheit, hera b⸗
laſſend vieleicht aus Niedrigkeit, und frio mm viel»
leicht aus Heucheley, fieht fih nunmehr geliebt; dee
Poͤbel hängt an ıhr; det geringere Adel hat ihr vers
jieben; und die Stimme der bloßen Billigkeit oder
der beleidigten Fürſtenwürde vermag bie Schuren
nicht mehr aufzuwiegeln.
Card. Was wollt Ihr aber, daß ich thun ſoll?
Mondr. Würde Eure Eminenz zürnen, wenn’
ich ed gerade heraus fagte? |
Card. Sagt es!
Mondr. Thun, walichthet Sich verftelten
und büden.
Card. Bücken? Nimmermehr! — (Aoty.) Ein
anderes ziemt dem geheimen Rath, ein anderes
dem fürftlihen Bruder... — Wenn Shr fo
behuthfam in Euern Anſchlägen feyd, rathet Ihr mir
nicht lieber gar, auch um Ausſoͤhnung mit®ians
ca anzufuchen 3
Mondr. Auch dazu rathe id ft.
Card. Im Ermſt?
Mondr. Im Ernft, fo mahr ich lebe!
Card. (mit Rarsem Bid.) Mondrogone, nicht lange
mehr wird mein Argwohn fchlafen! Wolt Ihr vieleigt
Derjenige wirklih feyn, für den Stan; Euch hält:
@ein Anhänger unter der Außenfeite meines Freundes ?
Mondr. O nein, denn dann würde ih ſicher
nicht das legte Bollwerk, das ihn bey Euch noch
ſchützt, niederzureiſſen ſuchen.
Card. Und dieſes Bollwerk iſt?
Mondr. Iſt jenes ſtolze Selbſtgefühl in Eurer
Bruſt, vermoͤge deſſen Ihr jede nöthige Verſtel⸗
3
Lung für fchimpflih odtet, ohne zu bedenken,
Kriegsliſt und Hinterhalt felbit den tapferiten Feldher
felbit eingn Kannibal und Cäfar, nit umedel fe
en. — Kein Kind, das argiwohnleerer wäre
Franz! Kein Mädchen, das -brünftiger eine Aus
nung mit ihrem Bräutigam wünſcht, ald er mit €
Eminenz! — Wohian! Laßt mir bey,iim dad X
dienft, dieſe Ausföhnung bewirkt zu haben; und ı
zwendet Euch dann, gleich fheinbar für die Men
bey Franzen um meine Begnadigung, Er wird fie €
gern gewähren. Vereint Eehren wir fogleih nad F
renz ſelbſt zurück, und ſpielen dort unſer Spiel mit I
ferm Giücke. Gewinnt Ibhr durch Herablaffung die Li
des Volts, durch Freygebigkeit die feilen Geifter.
Söfiinge, und durch Freundlichkeit das Zutrauen Eu
Bruders; ſeyd Ihr nicht zu flolz, jener gefürfteten Bi
lerinn einige Lobeserhebungen wegen ihrergeſchmin
tenWange, und noch einige mehr über ihre g
ſchminkte Tugend zu maden: fo werden fih Eı
Eminenz bald den Weg. zu Beyder Herzen, zu ihr
Thron, zu ihtem Leben fogar — wenn Ihr es begeht
‚Öffnen.
Card. (Hatbiägernd.) Wahrlich drey Wege, ber
feinen vielleicht ich unter gewiſſer Einſchraͤnkung v
fhmähte! Nur mag ich nichts thun, was in ben 2
gen des Volks mid) erniehrigen könnte.
Monztr. Erniedrigen? — Muß eb denn das W
wiſſen, ob Ihr Franzen, oder er Euch die Hand;
Ausfohnung gebotben habe? — Sa, erfahre es aı
wer da wolle, defto beifer vielleicht !
Carb. (erfaune.) Defto beifer ?
Monde. Ich wieberhohle es: defto beffer viefleid
Wie? fol es mir denn erft vorbehalten ſeyn, d
ne 5 era
font fo ſcharfe Auge meines Fürsten über gewiffe Puncte
noch fiharfiehender zu machen? Brauch' ich euch erft
zu fagen, daß ein gewiſſes Vetragen, Bad man dem
Laien vielleicht als Kleinmuth anrechnen würde, ſchon
durch den prieiterlihen Etand von Euer Eminenz
zum Edelmuth erhoben wirb ?
Card. Durch meinen priefterlihen Stand? Ihr
‚fahrt fort unverjtändlih zu ſprechen.
Mondr. Steht es Euch, ald geborner Zürft, und
als ermählter Cardinal nit frey, zu welcher Claffe
Ahr Euch rechnen wollt? Immer ſetztet Ihr bisher den
Sohn eines Großherzogs über den Cardinal; zogt dem
muthmaßlichen Erben eined Zürftentbums, Eurer geifte
lihen Perfon vor; hörtet Euch eben fo gern Durch⸗
laucht ald Eminenz begrüßen ; ob mir Het, Bas ent»
fheide ih nie: aber verfucht es nun ein Mahl mir
der Clerifey, und hr werbet under hun! —
Card. Sie Dast © —
Mondr. IH Sanftmut hnicht eines Prieſters
erſte Pflicht? Jit Liebe zum Frieden nicht ſein
wahrer Ruhm! IE Verzeihung der Beleidi—
gung und Freundſchaft gegen Zeinde nie
der. echten apoflofifhen Sendung höchſter Veweib?
Wie leihrwerder Ahr daher, in den Augen ber Belt,
auf Rechnung diefee Tugenden Eure Nachgibigkeit hin⸗
fpielen! Wie leicht könne Shr bewirken, daß Ihr eben
Demienigen zu verzeihen ſcheint, der Euch ſelbſt ver
jiehen hat! — Glaubt mir, mein Fürſt! vor ben
Bildſaͤulen von taufend Heiligen brennen geweihte
‚Kerzen, obne daß ber Quell ihrer chriſtlichen Sanft⸗
muth reiner war; und Wunder thun die Leichname
von taufend Märtyrern, deren Der; von Hintecliſt
noch weit voller als das unſerige geweſen ſeyn mag.
waren , BO —
Card. Ben Gott, Mondragone, wenn ihr eben
fo gründlich die Pflichten Eures Standes, wie bes
meznigen durddacht hadt, fo moͤchte ich das Buben⸗
ſtuck wiſſen, zu dem Euch ein Freyheitsbrief gebräche.
(Cacheend.) Wohlan, weil Ihr alſo den Stand ber Kirche
fogar benzidenswerth findet, fo will ih heute ſchon
wenigitns in Einem Erüude ein Priefter zu feyn
mich beitreben ; in dee Vorſichtigkeit nähmlich;
will Euch für euren Rath zwar jetzt bereits danken;
doch den Entſchluß darauf erft morgen faflen.
Kein Capital, das mit fo fihern Zinfen wuchert
als böſer Rath; zumahl wenn Schlauheit ihn ertheilt,
und falſcher Ehrgeiz ihn empfaͤngt! Dieß eine
Wahrheit, die Mondragone gar wohl wußte; ruhig
ging er daher heim, und als ihn der Garbinal bes an⸗
dern Morgens wieder zu ſich rufen ließ, ſah Sein
E rernkundiger mit größerer Zuverſicht der läängſt aus⸗
gerechneten Mondfiniterniß , ald er der Vollmacht ents
gegen, mit Franzen in Unterhbandlung zu treten. —
Seine Hoffnung trog ihn nicht! Denn nach einem kur⸗
zen Geſprache geftand Ferdinand, daß feine bisherigen’
Zweifel verfhmwänden, daß Mondragone ihn überzeugt,
dap er fich felbit überwunden babe, und daß er bereit
fey, den erften Schritt zur Ausfohnung mit bem deß⸗
falls nicht minder gehaßten Franz zu thun. Der Höfe
ling lobte diefen Entſchluß mächtig ; überlegte mit feir
nem neuen Gebierher noch einige unbedeutende Um⸗
ſtaͤnde; und begann dann fogleih an ber Grube zu
großen, die er dem Großherzog und Bianca vorlängft
Ihon zugedadht hatte.
Und hier wieder ein Beweis, daß leichter die
Handlungen eines Mannes, ald einer Kran vor
berzufagen find ! Eben derjenige Mondragone , der fo
ſchülerhaft ſich irrte, als er feinem ehemahligen Herrn
Bianca's baldige Fügung nad’ feiner Leidenſchaft vers
ſprach — eben diefer hatte jeßt meifterhaft den Cha⸗
rafter und die Wünſche Franzens getroffen; hatte klüg⸗
lich den einzigen’ Weg eingeſchlagen, wo er den Fuß⸗
boden dieſes Sorglofen zu unterhöhlen vermochte.
Seine erften Briefe nad Florenz melbeten,, daß
er Kerdinanten ganz, wie er gehofft, angetroffen
hätte; zwar außerft aufgebracht gegen Bianca, bie er
als eine Entweiherinn des fürfflihen Bettes anfähe;
aber doch mehr aufgehetzt und erbittert durch Andere,
als durch eigenen Antrieb. Sein näcftes Schreiben
gab ſchon einen ſchwachen Schimmer von befferer Aus⸗
ſicht, gab eınige unglückliche Feine Kundſchafter, die
zu Sloren, im Dunkel umberfhlichen, preis, und er«
warb fi) dadurch das Zutrauen bes Großherzogs noch
ftärker. Bald darauf fing er an von Dienften zu fpres
chen, die er bereit der guten Sache geleiftet, von
Unterredungen, die er mit dem Carbinal gehalten,’
von Spuren der Neue, die er an ihm bemerkt babe,
bis er endlih im’ vollften Jubelton ausbrach; bis er
bod und viel betheuerte: aller noch übriger Zwift fey
ein kleines Teicht zu hebendes Mißverſtaͤndniß. Nur bie
Furcht, daß der beleidigte Bruder ihm nie ganz vers
zeiben fonne, halte den Gardingl von Friedensvors
fhlägen zurück. Won feinenetinrecht fey er ſchon laͤngſt
won BB vorn
überzeugt. Gelbft von Bianca’s Character ſprech
bereits mit Achtung.
Mehr bedurfte ed niht, um dem gutmüthig!
aller Furſten die Schlinge über dad Haupt zu werf
Umſonſt blieb Bianca, über Alees von ihm um Re
befvagt, bey ihrem mißtrauiſchen Kopffchütteln; v
gebens vieth ter brave, -ftarre Modefini, der wirkl
indeß, dur die Vorſprache der Großherzoginn, tie
in die fürſtliche unit eingedrypgen und auf Mond
gone's Polten erhoben war — vergebens rieth er,
nem Zwepzüngler durchaus nicht zutrauen. Franz BI
bey jeiner Leichrgläubigkeit. — „Men, rief et,
Söhne des Cosmus follen nieht zum zweyten Mal
ein fürchterliches Ebenbild der beyden erften menf
licher SSrüder abgeben! *) — Er bevollmädıtigte |
Hlerc, einen feiner Raͤthe zur Unterhandfung mit db
Cariinai, und da.diefer Letztere durch Mondragen
zw.;fiitige Werrätherey genau wußte, wie weit
ge,.., serie; fowares ihm auch leicht, bey dieſem ga
zen Beichefte ich fo zu benehmen, daß er an Br
mar, ınit fine: Bruder zu metreifern ſchien. Binn
Monathsfriſt wac Alles beygelegt. Der Cardinal li
ſich zu einem Mefud,; in Florenz willig finden; mit
nem ſtattlichen Gefolge, unter welchem auch der zu
Schein begnedigte Mondragone glänzte, madte F
*) Garſias und Julius, zwey von den Söhnen bed Coſsm
und aıfo Frangend .2nd Zerdinands Brüder find 0b,
durch ihren unglüciichen Zwiſt, wo der Lepte dur U
ders: und Jener nadı.ber dburds VatersHand umtam, €
Iegenhrit gu fo mancher Novelle, manchem Trayerfpi
und unser une zum Zullus von Turene und den Zoll
en gtgeben babe.
dinand fi von Rom auf. Kranz felbft hohlte einige -
Meilen von Florenz ihn ein, und bey ihrer erften Zur
fammenfunfe fhienen Beyde Edom und Jacob zu ſeyn,
die nad) langer Trennung, ergriffen von dem Geiſt
des Herrn, fih vol wahrer Inbrunft umarinten.
Ein fhönes Edaufpiel! — Aber noch aufmerk.
ſamer blickten die Augen aller Zuſchauer auf den Car⸗
dinal, als er im großherzoglichen Pallaſt eintrat,
als hier fein erſtes Wort war: Bruder, führe mich zu-
deiner Gemahlinn! und ald Bianca ihm vor die Thür
ihres Gemachs entgegen eilte. Er täufhte fie Alle
durch feine fiebevolle Miene, durch das freudige Stau⸗
nen, mit der er eine Becunde lang die Großherzoginn
betrachtete, und dann als feine fürftlihe Schweſter
fie begrüßte. — Ob er aber auch Bianca ſelbſt täuſch⸗
te, Das mag fie uns in einem Geſprache ſagen, wel:
ches fie am nächſten Abend mit Julien Carreri hielt,
der einzigen von ihren Kammerfrauen, die fie ihres
Vertrauens werth erachtete und werth erfand.
Julie (indem fie die Großherzoginn enttfeiden bilft.)
Kein, gnädigite Frau, länger vermag ich nicht, eine
Frage zurück zu halten, die freylih Neugierde
zu feyn ſcheint, ob fie ſchon wahrlid nur Beforg
niß if.
Bianca. Immer frage! — Waldlächelnd.) Das
Antworten fteht ja doc) in meiner Willkür.
Julie. Dieß ift heute fchon der dritte Seufzer,
der Euer Durchlaucht, halb unterdrückt, entſchlüpfte!
Dieß ift ſchon der zweyte Abend, wo id in dieſem
—XR 90 ws
Gemache auf Ihrem Geſichte jene Heiterkeit vermif
bie Öffentlich auf demielben glänzt. — Quaͤlt €
Durclaucht vielleicht ein Kummer ?
Biancd. Und wäre denn Dieß etwas fp fei
ned? Dann würde ih doch wahriih die Erfte ı
Einzige aller Zürftinnen ſeyn, wenn ih nichts ı
Kummer, biefem treulihen Gefährten des Purpu:
empfaͤnde.
Julie. Aber warum eben jetzt? Jetzt, da ge
Florenz ein allgemeines Freudenmahl zu ſeyn ſchei
jetzt, da die letzte Wolke der Bekümmerniß zu ı
ſchwinden anfängt; in tiefen Tagen. der Ausfohmı
‚und Freude!
Bianca. Freyfih ſagt man, daß freude ı
Leid fi halfen; aber man irrt. Oft find fie nur al
nahe mit einander verfhwiitert. O Julie, einen E
nen Stachel möchte zwar immer jede Roſe bey
führen; aber daß in dieſen Gebüſchen oft Natt
lauſchen, die unvermuthet hervor brechen und toͤdte
Dad — — Das verdient doch wohl mehr als ei
Seufzer?
Julie. Ha, was giles! Mein Atgwohn ti
mich nicht! Jene Perlenſchnur zerriß nicht umſonſt.
Bianca (fie verwunderungsvoll anfehend.) Was
eine Perlenſchnur?
Julie. Und Sie wiffen ed nicht einmahl?
Eure Durdlaudt den Cardinal mit innigiter Wüı
begrüßten und umarmten, da riß die größte Sci
Ihres Kopfſchmuckes entzwey, und freute alle ı
Derlen zur Erde. — Ha! date ih, noch iſt es
gendwo nicht Friede von ganzer Seele; noch kann
on GI — |
Freundſchaftsband ſchnell wieder zerriſſen werden, dab
man jetzt dem Anſchein nach fo feſt geknüpft hat.
Bianca. Thörinn, mit deiner ‚abergläubigen
Vorbedeutung !
JIunlie. Schelten Sie auf mic , fo fange und
viel Ahnen qut dünft; nur ſchließen Sie dann auch
Ihren Gram vor mir auf!
Bianca (nad einer Heinen Pauſe nachdentkend.) Run
ja, id will e6 fir vertrauen. Auch meinen Glauben,
auch meine Zuverſicht hat diefer zärtlihe Bruder nicht;
auc ich hoffe nicht von dieſer Freundſchaft unbegrenzte
Dauer! Aber wollte der Himmel, meine'Merkmahle
wären fo nichtig, wie die deinigen !
Sulie. And worin beftehen alfo biefe, grüntfis
ern Merkmahle, wenn ich darnach zu forſchen mich
erkühnen dauf ?
Bianca. Entfinnft du dich jener, gleichfam freus
digen Bewunderung, mit welcher mid der Carbinal
beym Eintritt im Vorſaale Ses:achtete?
Aulie. Wohl entfinne ich mich deren; fie ſchien
allen Ihren wahren Freunden ein glüdlihes Zeis
hen zu ſeyn.
Bianca. Und war mi: ein widriges. Denn
ich erkannte an ihr fofort einen Mann, der keineswegs
feiner Empfindung folgt, fondern nur eine überdachte
Rolle fpielt.
Jullie Cerſtaunt.) Wie Das!
Bianca. Mein Anblick, deffen bin ich zu gewiß,
Fann ihm nichts Neues feyn. Jenes Bildniß von
mir, wo mid der Mahler fo fpredyend traf, das einft
in Bonaventuri's Zimmer — fie wiſcht ſich das Auge)
noch bringe ich feinem Andenken den verdienten Zoll!
wer GE —
— ſich aufgehängt befand, und dann im fürftfic
Bilderſaal vernflanzt ward; eben dieß Gemählde,
nachher verfhmwand, obne daß jemand wußte, mo
— vo daͤchteſt du wohl, hafı es ſich befändet
Julie. Wahrlich, ich weiß nicht zu rathen, n
Bianca. An Ferdinands Cabinett ift ed —
fhon ſeit ſechs Monathen veritedr; auf feinen Bet
ward es entwendet. (Da Diefe einfallen wit.) Frage nie
woher ih Dieß weiß! Genug, daß ich Mahrheitre
— Längft bekannt war baher der Cardina mit mein
AÄußerlich en; und jenes Staunen bezeichnete ı
unmiberleglih den Heuchler. ber flärfer noch v
- riethen ihn mir gewiffe Blide, die er zuwei
feitwärts auf mid fallen ließ, wenn er von Niem:
den und am wenigiten von mir felbft bemerkt zu fü
glaubte; ein Irrthum, der deflo verzeihlicher wa
da er jenen Spiegel nicht kannte, der fo weife, v
du weißt, in einer „Bertiefung meines Zimme
angebradht if. — Julie, ich fage nit gern
viel: aber in diefen Blicken, — fo unendlih Fı
auch ihre Dauer war; fo wenig fie ſich befchreibe
fondern nur fehen und fühlen laſßſen; — in ihren n
doch Haß und Rachgier fprechender ausgedrüdt,
ſelbſt Apelles fie in jenem berühmten Bilde *) dar
jteflen vermochte. Mur der Dolch oder der Gifrl
cher fehlte noch in feiner Hand, um ganz den To
feind ;u erbfiden, ber mir iim — ab, mein H
u
*) am Hofe ‚u Alerandrien , wo der KRänftfer die Lafl
die einen ſchwachen argwöhniſchen Könie: wmringe
darſtellte.
fagte es mir nur allzu'gewiß — für mich nad Bloreng,
gektommen ift. “
Julie. Und was fürdten &ie viel, gnädigfte
Frau, felbft wenn er Der wäre, für den Sie ibn hal-
ten? Sie, die fie am Buſen Ihres Gemahls alle
Feinde ald ohnmadtig‘verfposten Sönhen? Nur eined .
Winkes von diefer Beſorgniß, nur eines Wortes von
dieſer Bemerkung bebarf * ja, und der liebevolle
Fürſt — — 9»
Bianca Ceinfallene.) Da fey Gott vor, daß auch
nur ein Hauch meines Mundes, auch nur ein Zug.
meines Geſichts, auch nur ein einziger Seufzer mei⸗
ned Vuſens Franzen von allen diefem Verdachte eine
Epur merken laſſe!
Sulie. Und warum Dash —
Bianca. Haſt du fhon vergeflen, daß meiner
ganzen Bemerkung Grund auf einen bloßen Argwohn
berubs ? daß jene Blicke, die ih wahrnahm, von fo
unbefchreiblich kurzer Dauer waren, daß fie nur ſich
fühlen, nicht beſchreiben laufen! — Wie} und
wenn id nun — fo unmöglid aud Diefed mir dünkt
— wenn ich nun falſch gefehen, wenn ein ſchaden⸗
froher Dämon rur auf Secunden fang mein Auge um⸗
nebelt, oder irgend eine andere verborgene Regung
Ferdinands diefe Mienen bervor gebracht hätten? Und
ih — id follte eines folhen Argwohns halber den
Samen der llneinigkeit ausitreuen? Sollte ein Feuer
neu anfadyen, das kaum unterdrüdt worden iſt? Sollte
deßhalb audh die Ruhe meines Gatten vergifs
ten, weil id die meinige vielleicht feldft vergiftete
Julie. Wenn nun aber — —
>
Bianca, Nimmernmehr! Wie Mondragone vo
Franzen als Beklagter fland; wie er'gefragt ward
Warum er die erſte Nachricht von Ferdinands heimli
Ken Entwürfen nicht ſogleich ihm hinterbracdt habe‘
"antwortete der Heuchler mit anſcheinender Eeelenrupe:
Er habe nit Bruder gegen Bruder waffnen wollen.
Und ih — ih eine Fremde, ich -in Cosmus edlet
Geſchlecht nur eine Aufgenommene, ich jollte dieſes
Geſchlecht entzweyen ? — Nein, Julie, ſchweigen
will ich; ſchweigen und erwarten, mas in bes Schick»
ſals großem Bude viebeicht ferner über mich bes
ſchloſſen ift; und auch dir gebiethe ih ein ae
gu thuh.
Sulie. Wie! Sie können verlangen, gnädigfte
Frau — —
Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn dir
won dieſem Geſpraͤche das kleinſte Woͤrtchen, es ſey
auch gegen wen es ſey, entfallen ſollte! — Zudem,
iſt unſere Beſtimmung nicht feſt? wachen über Unſchuld
und Tugend nicht höhere Weſen? — Er zählte mein
Haupthaar, und follte meine Tage zu zählen ver-
geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten Ar⸗
muth berabgefunfene Venetianerinn auf WBelfchlands
ſchoͤnſten Sürftenftuhl, und er toflte — O Julie! zu
ſichtlich waltete über mic bisher ein allweiſes, als
gütiges Schickſal; ihm fernerbin mißtrauen zu wollen,
wäre Undank. Aber nur Eined bitte ich von meinem
Schutzheiligen, bitte id von demjenigen Gott, unter
dem alle Heiligen tiefer, ald jet unter mir die ges
Nringſten Slorentinerinnen ſtehen! — —
Julie. Und was? Wahrlih, ic brenne vor
Begierde, dieſes Einzige zu wiſſen. .
Bianca. Wäre es wahr, was biefes bange Ger
fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit
und feine Zerftreuung verſcheucht, mir zu verkünden
fheinen; ware wahr jener Schauer, den, ber Him⸗
mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mich bey
des Cardinals erfiem Anblicke ausgoß; — follte ung
irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meeuterey
befaufchen,.o, fo komme fie über mein Haupt allein!
So verſchone das Strafgericht meinen Gemahl, beffen
Seele ſicher keinen Fehl, als Übermaß der Tugend, |
und eine allzu forglofe Milde, befigt — (etwas dörend)
Doc kill! Iſt Das nicht fein Fußtritt?
Julie. Mich dünkt. — Bott, gnaͤdigſte Kran,
Sie haden aus meinen Augen Thraͤnen in ſolcher Menge
gepreßt — — —
"Bianca (fe zur andem Thür hinaustreibend.) Die
er nicht fehen darf! Entferne did!
, (Eben diefe Nadt.)
Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf
feinem Zimmer auf und afgehend.)
Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten
thaten nicht unrecht daran, eine eigene Gottheit
aus ihr zu maden ! Denn woher kaͤme jonft bieje
ihre mädtige Gewalt, wenn fie nicht felbfiftändig
ware? — Auch Das war nicht unmeife vieleicht, daß
man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver-
edrte; denn wo wirkt fie unwiderſtehlicher, ald in
’
0
Bianca, Nimmermehr! Wie Mondragone
Framen als Beklagter ſtand; wie er'gefragt wa
Warum er die erſte Nachricht von Ferdinands heir
Ken Entwürfen nicht ſogleich ihm hinterbracht ha
"antwortete der Heuchler mit anfcheinender Seelenru
Er habe nit Bruder gegen Bruder waffnen woll
Und ih — ih eine Fremde, ich in Cosmus et
Geſchlecht nur eine Aufgenommene, ich jollte die
Geſchlecht entzweyen? — Nein, Julie, ſchwei—
will ide; fhweigen und erwarten, was in des Sch
ſals großem Bude vieleicht ferner Über mid
ſchloſſen iſt; und auch dir gebiethe ih ein Gleid
zu thuh.
Zulie. Wie! Sie können verlangen, gnädig
Frau — —
Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn
won diefem Geſpraͤche dad Eleinite Woͤrtchen, es
auch gegen wen ed fey, entfallen follte! — Zuder
it unfere Beftimmung nicht feft? wachen über Lnfch:
und Tugend nicht höhere Weſen? — Er zählte m
Hauptbaar, und follte meine Tage zu zählen v
geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten 7
muth berabgefunfene Venetianerinn auf Welfchlar
ſchönſten Fürſtenſtuhl, und er toflte — O Julie!
ſichtlich waltete über mic bisher ein allweifes, <
gitiges Schickſal; ihm fernerhin mißtrauen zu wolle
wäre Undank. Aber nur Eines bitte id von mein
Schutzheiligen, bitte idy von demjenigen Gott, un
dem alle Heiligen tiefer, ald jegt unter mir bie |
“ ringjten Slorentinerinnen ſtehen! — —
Julie. Und was? Wahrlih, ich brenne ı
Begierde, diefes Einzige zu wiffen. .
Bianca. Wäre ed wahr, was biefes bunge Ger
fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit
und Eeine Zerftreuung verfheudht, mir zu verkünden
fheinen; ware wahr jener Schauer, den, ber Him⸗
mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mid bey
des Cardinals erſtem Anblicke ausgoß; — follte ung
irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meuterey
belaufchen,.o, fo komme fie fiber mein Haupt allein!
So verihone dad Strafgericht meinen Gemahl, beffen
Seele fiber Beinen Fehl, als Übermaß der Tugend,
und eine all;u forglofe Milde, befigt — (etwas Hören) |
Doch al! Iſt Das nicht fein Fußtritt?
Julie. Mich dünkt. — Gott, gnadigfte Frau,
Sie haben aus meinen Augen Thränen in ſolcher Menge
gepreßt — — —
"Bianca (fie zur andern Thür Hinaustreibend.) Die
er nicht fehen darf! Entferne dic!
, (Eben diefe Nacht.)
Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf
feinem Zimmer auf und abgebend.)
Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten
thaten nicht unrecht daran, eine eigene Öottheit
aus ihr zu machen! Denn woher küme jonft biefe
ihre mädtige Gewalt, wenn fie nicht felbfiftändig
wiret — Auch Das war nicht unmeife vielleicht, daß
man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver
ehrte; denn wo wirkt fie unwiderſtehlicher, ald in
’
vorsa 99 wo
Gemache auf Ihrem Geſichte jene Heiterkeit vermif
die öffentlich auf demſelben glänzt. — Quaͤlt E:
Durchlaucht vielleihr ein Kummer 1
Biancd. Und wäre denn Dieß etwas fp fel
ned? Dann würde ih doch wahriih die Erffe ı
Einzige aller Zürftinnen fegn, wenn ih nichts ı
Kummer, diefem treuliden Gefährten des Purpu
empfände. |
Sulie. Aber warum eben jegt? Jetzt, dag
Slorenz ein allgemeines Freudenmahl zu feyn ſchei
jest, da hie legte Molke der Bekümmerniß zu ı
fhyminden anfang; in diejen Tagen der Ausfohn:
‚und Zreude !
Bianca. Freylih ſagt man, daß freude ı
Leid ſich halfen; gber man irrt. Oft find fie nur al
nahe mit einander verfchwirtere. O Julie, einen E
nen Stachel möchte zwar immer jede Roſe bey
führen; aber daß in dieſen Gebufhen oft Watt
lauſchen, die unvermuthet hervor brechen und toͤdt
Das — — Das vertient doch wohl mehr als ei
Seufzer?
Julie. Ha, was gile's! Mein Atgwohn t
mich nicht! Jene Perlenſchnur zerriß nicht umfonft.
Bianca (fie verwunderungsvoll anfehend.) Mas
eine Perlenſchnur?
Julie. Und Sie wiflen ed nice einmahl?
Eure Durchlaucht den Cardinal mit innigſter Wü
begrüßten und umarmten, da rif die größte Sch
Ihres Kopffhmuces entzwey, und freute alle
Derlen zur Erde. — Ha! dachte id, noch iſt es
gendwo nicht Friede von ganzer Seele; noch kann
rn GI ww
Freundſchaftsband ſchnell wieder zerriſſen werden, das
man jetzt dem Anſchein nach ſo feſt geknüpft hat.
Bianca. Thörinn, mit deiner ‚abergläubigen
Vorbedeutung !
Anlie. Scelten Sie auf mich ‚ fo lange und
viel Ihnen gut dünft; nur ſchließen Sie dann auch
Ihren Gram vor mir auf!
Bianca (nad einer Heinen Paufe nachdentend.) Run
ja, ih will e6 fir vertrauen. Auch meinen Glauben,
auch meine Zuverfiht hat dieſer zartlihe Bruder nicht;
auch ich hoffe nicht von biefer Freundſchaft unbegrenzte
Dauer! Aber wollte der Himmel, meine Merkmahle
wären fo nichtig, wie die deinigen!
Julie. Ind worin beftehen alfo biefe, gründfis
hern Merkmahle, wenn ih darnad zu forfehen mic
erkühnen dauf?
Bianca. Entfinnft du dich jener, gleihfam freu⸗
digen Bewunderung, mit welcher mid ber Cardinal
beym. Eintritt im Vorſaale Setzachtete?
Ju lie. Wohl entfinne ich mich deren; fie ſchien
allen Ihren wahren Freunden ein glüdlines Zei
hen zu fepn.
Bianca. Und war mi: ein widriges. Denn
ich erkannte an ihr fofort einen Mann, der keineswegs
feiner Empfindung folgt, ſondern nur eine üͤberdachte
Rolle fpielt.
Aulie (erftaune.) Wie Das!
Bianca. Mein Anblid, deffen bin ich zu gewiß,
kann ihm nichts Neues feyn. Jenes Bildniß ‘von
mir, wo mid der Mahler fo ſprechend traf, das einft
in Bonaventuri’d Zimmer — Lfie wiſcht fid das Auge)
noch bringe ich feinem Andenken den verdienten Zoll!
—2 92 were.
— ſich aufgehängt befand, und dann im fürftfid
Bilderſaal veruflanzt ward; eben die Gemählde, |
nachher verfhwand, ohne daß jemand wußte, wo
— vwo daͤchteſt du wohl, daß es ſich befände ?
Ju lie. Wahrlich, ih weiß nicht ju rathen, n
Bianca. An Ferdinands Cabinett iſt esen
ſchon feit ſechs Monathen verſteckt; auf feinen Bef
ward es entwendet. (Da Dieſe einfallen will.) Frage nic
woher ich Dieß weiß! Genug, daß ich Wahrheit rei
— Längſt bekannt war daher der Cardina: mir mein
Außerliden; und jened Etaunen bezeichnete ı
unmwiberleglich den Heuchler. Aber ſtärker noch v
. viethen ihn mir gewiſſe Blide, die er zuwei
feitwärts auf mich füllen ließ, wenn er von Niem
den und am wenigiten son mir feldft bemerkz zu fü
glaubte; ein Irrthum, der deſto verzeihliher wa
da er jenen Spiegel nicht Eannte, der fo weile, v
du weiße, in einer „Sertiefung meines Zimme
angebraht if. — Julie, ich fage nit gern
viel: aber in diefen Slicken, — fo unenblih Eu
auch ihre Dauer war; fo wenig fie fi befchreibe
fondern nur fehen und fühlen lafın,; — in ihnenen
doch Haß und Rachgier ſprechender ausgedrüdt,
ſelbſt Apelles fie in jenem berühmten Bilde *) dar,
itelflen vermochte. Mur der Dolch oder der Gifrt
cher fehlte noch in feiner Hand, um ganz den To
feind zu erbliden, der mir ifm — ab, wein H
) Am Hofe gu Alerandrien, wo der Känftfer die Laſt
die einen ſchwachen argwöhnıfken König umring
dar ſtellte.
ſagte es mir nur allzu'gewiß — für mich nad Bloreng
gekommen iſt. “
Jullie. Und was fürdten Sie viel, gnädigfte
Frau, felbft wenn er Der wäre, für den Sie ibn hal-
ten? Sie, die fie am Bufen Ihres Gemahls alle
Feinde ald ohnmächrig‘verfposten Sönhen? Nur eines .
Winkes von diefer Beſorgniß, nur eines Wortes von
dieſer Bemerkung bedarf ı? ie, und der liebenolie
Fürſt — — »
Bianca Ceinfaltenn.) Da fep Gott vor, daß auch
nur ein Hauch meines Mundes, auch nur ein Zug.
meined Geſichts, auch nur ein einziger Seufzer mei⸗
nes Vuſens Franzen von allen diefem Verdachte eine
Epur merken laſſe!
Julie. Und warum Dash —
Bianca Haft du ſchon vergeffen, daß meiner
ganzen Bemerkung Grund auf einen bloßen Argwohn
berubs ? daß jene Blicke, die ich wahrnahm, von fo
unbefchreiblich Eurzer Dauer waren, daß fie nur ſich
fühlen, nidt beſchreiben laſſen? — Wie? und
wenn ih nun — fo unmöglid aud Diefed mir bünkt
— wenn ich nun falſch gefehen, wenn ein fhadens
froher Damon nur auf Secunden lang mein Auge um»
nebelt,, oder irgend eine andere verborgene Negung
Ferdinands drefe Mienen hervor gebracht hätten? Und
ih — ich follte eines ſolchen Argwohns halber den
Samen der Uneinigkeit ausſtreuen? Sollte ein Feuer
neu anfaden, das kaum unterdrüdt worden ift? Sollte
deßhalb auh die Ruhe meines Gatten. vergifs
ten, weil ih die meinige vielleicht feldft vergifteien
Julie. Wenn nun aber — —
.
vera 94 wor.
Bianca Nimmermehr! Wie Mondragone
Sranzen ald Beklagter fland; ‚wie er'gefragt wa
Warum er die erfie Nachricht von Ferdinands heir
Ken Entwürfen nit ‚fogleih ihm hinterbracht ha
"antwortete der Heuchler mit anſcheinender Seelenru
Er habe nicht Bruder gegen Bruder waffnen woll
Und id — id eine Fremde, id in Cosmus et
Geflecht nur eine Aufgenommene, ic jollte die
Geſchlecht entzweyen — Nein, Julie, ſchwei—
will ich; ſchweigen und erwarten, was in bes Sch
ſals großem Bude vießeidht ferner Über mic
fhloffen ift; und auch dir gebiethe ih ein Gleic
gu thuh.
Julie. Wie! Sie können verlangen, gnäbig
Frau — —
Bianca. Meine höchſte Ungnade, wenn
won dieſem Geſpräche das kleinſte Woͤrtchen, es
auch gegen wen es ſey, entfallen ſollte! — Zudern
it unſere Beſtimmung nicht feſt? wachen über nf:
und Tugend nicht höhere Weſen? — Er zaͤhlte m
Haupthaar, und ſollte meine Tage zu zaͤhlen v
geilen haben? Er hob die entflohene, zur tiefiten 7
muth berabgefunfene Venetianerinn auf Welfchlar
fhönften Fürftenftuhl, und er tollte — O Julie!
ſichtlich waltete über mich bisher ein allwerfes, a
guͤtiges Schickſal; ihm fernerhin mißtrauen zu wolle
wäre Undanf. Aber nur Eines bitte ich von mein.
Schutzheiligen, bitte ih von demjenigen Gott, un
dem alle Heiligen tiefer, ald jegt unter mir bie ;
Nringſten Zlorentinerinnen fiehen! — —
Zulie. Und was? Wahrlih, ich brenne v
Begierde, diefes Einzige zu wiffen. .
arena 95 neh:
Bianca. Wäre ed wahr, was biefes bange Ger
fühl, was diefe Schwermuth, die Feine Feſtlichkeit
und Eeine Zerftreuung verſcheucht, mir zu verkünden
fheinen; wäre wahr jener Schauer, ben, der Him⸗
mel weiß welche unfichtbare Gewalt, über mich bey
des Cardinals erſtem Anblicke ausgoß; — follte uns
irgend ein Unglück bevorftehen, irgend eine Meuterey
belaufchen,.o, fo komme fie fiber mein Haupt allein!
So verihone dad Ötrafgericht meinen Gemahl, deifen
Seele fiber Beinen Seht, als Übermaß der Zugenb,
and eine all;u forglofe Milde „beſitzt — (etwas Hören) |
Doch Kill! Iſt Das nicht fein Fußtritt? |
Julie. Mich dünkt. — Gott, gnädigfte Kran,
Sie haben aus meinen Augen Thränen in folcher Menge
gepreft — — '
"Bianca (fie zur andern Thür Hinaustreitend.) Die
er nicht fehen darf! Entferne big!
(Eben dieſe Nacht.)
Der Cardinal Ferdinand von Medicis (auf
feinem Zimmer auf und abgehend.)
Ja! ja! es gibt eine Tugend, und die Alten
thaten nicht unrecht daran, eine eigene Gottheit
aus ihr zu machen! Denn woher kaͤme jonft bieje
ihre mädtige Gewalt, wenn fie nit felbfiftändig
wäre? — Auch Das war nicht unmweife vielleicht, daß
man als Göttinn, nicht als einen Gott, fie ver-
edrte; denn mo wirkt fie unwiderftehlicher, ald in
— 06 —
den Augen eines ſchönen Weibes? — Und ?
ift Bianca! Beym Himmel, Das iſt ſie! — (Ya
Gran; ! Franz! Ich haſſe dich, mehr, als je
Beraubte jeinen Räuber, ber toͤdtlich Verwundete
nen Banditen haßte; aber verachten kann ich |
nit [Frg:r; wenigftens dieſes Schrittes halber nic
— Dein Ebrgeiz und der meinige? Em David,
mit Goliath fi meffen will! Und doch, wenn ich
mein Annerites greife — an deine Stelle mi x
fege — ſelbſt auf eine Wagichale den Hut des Er
herzogs, auf die andere den Gürtel Bianca’s Te;
— Wahrlich, ed würde mißlih um diefe Wahl
ben: würde mid) ber Überlegung viel Eoften; und d
ber Ausſchlag derfelben vielleicht — die Millionen v
liebter Gecken noch überzähliger um Einen Kopf ı
hen! (Gin Diener tritt Herein.)
Diener. Ein Verkappter ift braußen; valat
Eure Eminenz zu reden, und "übergab mir bi
- Karte.
Card. Ein Derkzeichen, das ich kenne. M
laſſe ihn herein!
(Mondragone tritt aãußerſt vermummt ins Bimmer.)
Card. (achend. Nun fürwahr, Freund, T
nenne ich fi brav vermummen! &o gewiß ih m
. eurer verſah, unangemeldet hätte ih Euch doch kar
erkannt.
Mondr. Auch bedurfte ich dieſer forgfältig
Verkappung ſehr; denn in ihr habe ich beynahe a
öffentlichen Plätze durchſtrichen, um zu laufhen, n
Alles itande.
Card. Kun? Und wie fandet Ihr es?
Mon
— 97 *
| Mondr. (die Achtel zudend.) So, fo! Der Be⸗
richt dürfte ein wenig weitläuftia ausfallen, und deß⸗
halb, eb’ ich weiter darliber ſpreche, möchte ih mic
faſt unterfangen,, erſt Euer Eminen; felbft eing hut
de Frage vorzulegen.
Card. Welche denn?
Mondr. Wie haben Sie, verfteht fih im wahr
ren Ernft, den brüderlihen Hof gefunden? Habe ich
nicht, als ich denſelben ſchilderte, Wahrheit gefpre«
hen?
Card. Das habt Ihr. Wie man es nimmt, nahme
lich — Wahr ift Alles, was Ihe von Btanca's Gewalt
über den unmündigen Franz, von feiner trunßenen
Anbanglichkeit on jeden ihrer Blicke, und von der
Sclaverey des ganzen Hofes mir fagtet. Aber wenn Ihrt
eben viefe Bianca, als ein aberglaubifches, bigortes
Bürgerweib, als eınen mittelmäßigen Korf und eine
mitrelmäßige Schönheit mir ſchildertet; daun, Mon« *
dragane „— dann war in Eurem fonft fo fcharfen Fern⸗
glas ein Fleck, oder ein Qufehläschen, das Euern Blick
tauchte. |
Morndr. (Haid vertegen.) Wäre es möglich ?
Card. O gewiß, ganz gewiß! Unbegreiflich faſt
dünkt es mi), daß je ein Mann, der fein großes Otu⸗
fenjabr nicht ſchon überſchritten hatte, Bianca ohne
Aufwallung von Liebe erblicken Eonnte ! Erblickt in mie
felsit einen Anbether, werigftend ein Bewunderer
bon ihr! | | |
Mondr. Eure Eminenz fherzen, wie ih
dermuthe!
Card. O nein! Bey meiner fücitioen Ehre! &
Meißners Bianca Cap. 2. Thl.
, on GB, —
bürfte ein ziemlicher Beyſatz von Ernſt in dieſem Scherz
fi befinden. '
Mondr. (erſtaunt.) Unmöglih) Denn äußerten
Sie nicht, gleich nad der erften Zufammenfunft z in
den wenigen ‚ leife mir zugeflüftersen Worten das Ges
gentheil? |
Card. Seht, Mondragone, um Eud nit Wis
derfpruch und Unfinn vorzuſchwatzen, muß ich forgfäls
tig erft die Zeitpuncte meiner Gefühle aus einander
feßen. — Jene liebevolle Miene beym erfien Eintrizt,
die meinem fhmadköpfigen Bruder fo fehr an mir bes
hagte, war freylich nichts als Schminke. Wer wüßte
Das beffer ald Ihr, der diefe Schminke mir auflegen
half? Und doch miſchte fih damahls fhon unter meine
Verftellung ein Schatten — obſchon nur ein Schatten
— von wahrer Empfindung. Ich Eannte Bianca’ Bild.
Sprechend hatte es der Mahler verferfigt. Doc ach!
Raphael felbft kann ja nur einen Augenblid der Schoͤn⸗ |
beit mablen, und wie viel folher Augenblide hat ein
reizendes Weib!
Mondr: Eine feine Bemerkung!
Card. Schmeichler! Als ob Ihr heute fie zumi
eriten Mahle hörtet! — Leichter ward es mir daher durch
diefe unwilllnrlihe Empfindung meinen Betragen Wär:
me, meinen Worten wenigitens den Schein der Wahrs
beit zu geben. Die eriten Minuten vergingen, und
Bianca führte uns in ıhr Zimmer. Als ih bie Pracht
desfelben erblickte, ald in unter eben dem Ihronhime
mel, unter welrhem fonit eıne Erzherzoginn aus Diters
seihs Stamm zu fißen pflegte, Bianca Bonaventuri
Platz nehmen fah ; da flieg der Gedanke: wahrlich
viel zu viel Ehre für die Witwe eines entlanfenen
J
Handlungsdieners! mit verftärkter Gewalt in mir em⸗.
por; da koſtete es mir Mühe, diefe Aufwallung zu
verbergen; und hätte ih mit geübtern Augen *) zu.
thun gebaht, vielleicht wwäre.ich bemerkt und der Wir⸗
be! meiner Seele entdeckt worden. Seht hier den
Grund derjenigen Gemüthoſtimmung, in der Ihr mich
bald darauf ım Vorübergehen fander!
Mondr. Nın, und diefe Gemücpskimmung —
was Eonnte fie ändern $
Card. Eben Diejenige, die fie erregt hatte:
Bianca ſelbſt. — Spöttelt darüber in Eurer kalten
Seele, fo viel Ihr wollt; aber, bey Gort! es iſt
Wahrheit, wenn ich fage: jener bey geringern Frauen
fö oft entweihte Ausdruck: O es ift ein Engel!,
ſcheint mir hier in feiner ganzen Stärke zu paſſen.
Bianca's eriter Anblick blendet durch allzu großen
Glanz; aber dann enthüllen ſich bey ihr — wie bey
jenen ätheriſchen Weſen — Reize, zu hoch für wört⸗
lichen Ausdruck; dann enthüllt ſich eine Seeſe, wohl
mehr werth, als. nur einen ſterblichen Körper zu bee
leden. Tugend ſpricht aus jedem Worte; Milde herrſcht
in jeder Miene; und wenn zumahl idr Blick, voll
hoider Liebe, auch eine Secunde bloß Auf den. glück⸗
lichen, nur allzu glüdlihen Zranz ſich richtet —
wahrlich, wahrlich, dann möchte ah diefen Schwaͤch⸗
ling mordenz nicht um fein Reich, ſondern um fein
Weib zu haben.
’) Man fieht aus dem vorigen Geſpräche, daß Birne
doch ſcharfer ſah, als der ſelbſtſüchtige Cardinal muth⸗
maßte.
| O3
>
rn 100 wem
Mondr. (täweind.) Eure Eminenz fliegen mit
eines Arioito Fittig.
Card. Ohne ein Dichter zu ſeyn; ohne ein
Wörtchen mehr, als wahre Empfindung zu
fprehen! — Mondsagone! Ihr wißtes, mit welches
glühenden Halle gegen diefes Paar ich hierher -Eam;
noch fteht mein Haß auf dem vorigen Grad der Hitze;
aber er iſt nicht mehr getheilt; fein einziges jegiges
Biel ift Fran, — Franz allein. Wer Bianca antafter,
- taftet mein Leben zugleih an. Nah ihrem Beige
muß ich fireben, und follte ih Sclangentüde mit
Löwenmuth verbinden müflen; denn fie lehrt mich im
meinen Dreyßigen erft, was heiße Liebe fey. Sie
allein von ihrem ganzen Geſchlechte hat ſchneller, als
‘ein Blig, mein ganzed Herz an fich geriifen. .
Mondr. Sonderbar, furwahr fonderbar, daß
Dieß ſo oft der Fall bey ihr zu ſeyn pflegt.
Card. So oft? Wie meint Ihr Das eigentlich?
Ihr macht eine Miene, ald ob Ibhr anders bächtet,
And anders fpradt.
Monde. Sider nicht! — Es iſt mein Ernſt,
daß auch ich noch keine von Bianca's Geſchlecht kann⸗
te, ber fo allgemein die männlichen Herzen hul⸗
digten. Selbſt tief im Volke hat ſie ſich einen Anhang
erworben, ſtaͤrker und inniger, als je ein Fürft von
Cosmus edlem Stamm ihn hatte; und erft fo eben,
ebe ich hierher Fam, babe ich ein Benfpiel davon ges
fehen.
Card. Und Das beftand 2
Mondr. Ic durchſtreifte, wie ih ſchon vorhin
erwähnte, in biefem Gewande, einige unferer öffent⸗
lichen Pläge, Spaziergange und Bärıen, und hörte
022) 101 er0IB
auf die Geſpraͤche der Menge. Überall waren Franz,
Terdinand und Bianca , die Gegenftände derfelben.
UÜberall ward verglihen , wer fi) am edeliten betrage,
und überall bebielt fie den ‚Preis. Einer unferer
Kundfhafter — er felbft erkannte mich nicht — ſaß
unter einem foldhen dichten Haufen halbtrunfener Bürs -
ger, und wagte die Frage aufguwerfen: Für weffen
Mohlfahrt das Volk der Blorentiner wohl jegt die
inzigften Segenswünfce zu thun Urſache habe? Franz,
fuhr er fort, iſt unſer gutevolle Fürſt; Bianca ſcheint
ſein Schutzgeiſt zu ſeyn, ihm ſelbſt an Milde gleich.
Aber auch Ferdinand verdient unſere Hochachtung gar
ſehr; noch iſt er der dereinſtige Erbe ihres Stuhls;
und ihr müßt geſtehen, daß etwas ſehr Großes, ſehr
Edles, fehr Einnehmendes in feiner Miene liegt. —
Die Antwort darauf — — (Hält plstzlich Inne, als ob er
u) eines Andern befänne.)
Card. Nun, was ſtockſt du? Die Antwork
darauf ? "
Mondr. Verzeihe mir Euse Eminenz! bie Hige
des Sprechens riß mich hin. Ich vergaß bey Ermähs
nung der $rage, daß ich die Antwort darauf nicht
wieder fagen Eann.
Card. Und doch befehle ih Euh nun Dieß
zu thun.
Mondr. (die Achſel zutend.) Wenn Eure Eminenz
dann meiner Aufrichtigkeit verzeihen wollen,
Card. Gewährt im Voraus fhon! Diefe Ant:
wort war —
Monde. Ein lautes Hobngelöchter. Ein Geläch⸗
ter von fünf Minuten wenigſtens. „Bianca und Fer⸗
dinand unter fich. zu vergleichen! hob endlich Einer der
_
nn 102 vo
Mortführer an; Das beißt fo viel ald Sonne und
Mond in eine Claffe jegen. Er mag hingehen, wenn
die Nacht einbricht; aber er demüthige fi) dann mit
Recht, wenn er mit ihr zufammen trifft. Sie „bat
eigenthümliches Licht, und er nur geborgtes. — Rich⸗
tig, richtig! rief ein Anderer: ſelbſt feine Greßmuth⸗
ſeine Freundlichkeit, ſeine Bruderliebe — glaubt mir,
bedürfte er nur unſers florentiniſchen Goldes nicht,
fein Purpurhut ware fiber zu Nom geblieben. In
einer Bianca find.zehn foldhe Cardinaͤle begraben.”
Alle gaben dem Sprecher recht, und ich fchli mid
Davon, um den Unwillen nicht merken zu laſſen, der
in mir aufſtieg.
C ard. (der ganz ſtumm und nachdentend einige Yugene
plicke auf und niederaebt, dann halb für ſich.) Sie die Sonne,
und ih nur der Mond? — Zehn meines Gleichen in
Einer? Viel, fehr viel, und fehr ſchmaͤhlich!
Monde. (ür ih.) Gut! der Zunke feine zuůn⸗
den zu wollen.
Card. (mit entſchloſſenem Tone.) Doch nein! Nein!
— (Mit wieder, Beiterer Miene und Stintme. ) Ha, ich Tharx,
der ich den Beſtandtheilen dieſer dargebothenen
Arzeney erſt mühſam nachdenke, da ich doch dem.
Arzt, der fie berritet, und auch feine Curart kennen
folte! — Montragone! Was du mir da erzaͤhlteſt,
du magft ed nun wirklich gehört, ober auch nur ers
dacht haben; glaube mir, es haͤlt mich nicht ab, Bone
ca für die Krone ihres Geſchlechts zu achten; ja, ed
reizt mich nur ſtärker, dentoch zu verfuchen, ob dieſe
Krone nicht freywillig die Meinige zu werben Luft
hätte. Hat fie es, o dann Perunter, herunter 'mig’
ww 105 wwe
Stangen! Herunter zur Holle, es fey im offnen Kriege
oder im Hinterhalt!
Monde Und Eure Eminenz vergelfen ganz
jene Eunftlihe Keuſchheit, deren Bianca jederzeit ſich
rühmte, deren fie jederzeit fo paſſend fi bediente?
Sene Vorſicht, die eben den Großherzog Dasjenige für
einen fo hoben Preis zu Faufen zwang, was er gerin⸗
ger nicht erhalten konnte!
Card. (kon) Bin ic Sranz?. Ein fo halb
weiblider Mann? — Laß jept ſehen, ob es Schmeich⸗
ler waren, die fo oft meine ®eftalt erhoben?
Schmeichler, die — wie bu felber thateſt — meis
nen Geiſt auf Jenes Unkoften rühmen? — Ha,
bey Gott! Ich muß um ihre Liebe werben, und ſollte
morgen ſchon mein Kopf auf Florenz höchſter Zinne
ftecfen und mein übriger Körper in tiefer See ſich bar
den. — Lebe wohl, Mondragone, für heut! Es ift
fhon ſpät. Bald will ich dich wieder rufen laſſen. Thue
indeß dein Möglichftes, mir Herzen zu gewinnen; auch
ih will feine Mühe, wenigſtens bey einem dieſer Here
zen, ſparen. (b.
Mondr. (allein. War Das ein Traum, ben zum
Zeitvertreib mir die Hölle ſchickte? — Iſt es wahr,
was ich hörte, und dody noch lieber wähnen möchte
nicht gehört zu haben? Iſt Bianca, iſt dieſe vers
dammte Capello, der Fels, an dem mein Schiff durch⸗
aus ftranden fol und muß? Sind alle Söhne Cos⸗
mus an biefe hoͤlliſche Sirene gefeffeft? Iſt nun auch
Ferdinand von ihr erobert‘? Er, der taufendfache Urs
1
vvvñ 104 vo
ſache fie zu haſſen hatte, wenigftens fie zu 5
glaubt, auch er kommt, fieht fie, und fält am eı
Tage iton ın ihre Schlinge! — (Heine Paufe.) «
nun fehlte nichts, als daß feine tolle Liebe noch 7
munterung fande; daß nur einer ihrer Blicke freu
fih au? ihn fiele; und er opferte mich dann mit %
den anf; lachte, wenn man mid) folterte; fer;
wenn er mich auffnipfen ſaͤhe. — Was thue ich mı
Wie vermerde ich diefen zweyten Schiffbrudh? €
ib Ranke bervorfuhen? Briefe von dießs umd |
feits fhmieden? — — Alltagsliſt! — Und wie
ih auh an Bianca? wie an den Cardinal? Iſten
jetzt ſchon diefer Letztete mißtrauiſch genug gegen mi
— — Aber wie? wenn ich nun Franzen vor ber g
len Begierde feines Bruders warmte! feine Eiferfi
reiste ? feinen Haß neu entflammte? wenn id d
Mahl ein redlicher Verrather wäre? — Freylich
leichterer Weg! Aber doch nur der Weg der Verzn
felung! Dann wäre ed mit Ferdinand dahin auf i
mer, dann wäre ©claveren oder Abdanken, mein Lo
— — (Lüngere Pawfe.) Mein, nein! Geben will
jegt noh die Sache laffen, will nicht cher Vor
tung treffen, bis die Noth auch wirktih da iſt.
iſt freylich ein Tächerlihes Ding um Srauentre
und Weiberkeuſchheit; aber doch müßte *
derbar zugeben, wenn Diejenige, die des Regent
Beliebte zu feyn verſchmähte, jegt die Beliebte ein
jüngern Bruders würde; eines Bruderd, d
fie baffen muß; eines Mannes, der in Allem, w
Weiber reizt, weit unter Jenem fleht! — Sey
denn, du brüchiges Glatteis weiblicher Tugend! 3
wesen 105 wen"
traue dir dieß Mahl, ich hoffe, daß du ſelbſt mir
vielleicht den Weg zur belohnien Argliſt ebnen ſollſt!
(Zwey Tage darauf, Bianca's Gemach.)
Bianca, Julie.
Bianca. Du. weißt ed alfo ganz gewiß daß
Niemand uns behorchen kann?
Julie. Ganz gewiß; er müßte denn durch drey⸗
fach verſchloſſene Thüren dringen.
Bianca. So komm dann, und ſetze dich neben
mir! — (Sie ſchmerthaft bey der Hand ergreifend.) O meine
Julie! jegt erſt erkenne ich, daß es eine Art von
Kummer gibt, die der Verſchwiegenheit felbft zu vers
bergen unmöglich fiele. Wahrlih, mein Herz nrüßte
zeripsingen, könnte ich nicht gegen irgend Jemand ihm
Luft machen.
Julie Cerſchreden.) Um Gottes Willen! Gnaͤdige
Grau, was ift Ihnen widerfahren? Ich bin fo vers
wohnt an die Gelaſſenheit in Ihrem Betragen,
daß ich bey diefem unbekannten ſchmerzhaften Zone im
Voraus izittere. Sie ſcheinen mie bewegter zu ſeyn
als jemahls.
Bianca. Bewegter als jemahls! Du haſt recht,
und ich habe Grund dazu. — Entſinnſt du dich mei⸗
ner neulichen Vermuthung vom Haß des Cardinals
gegen mich“?
— Juie. Wohl entſinne ich mich deren. Aber
wodurch kann neuerdings dieſer Haß fi. geäußert
da 106 ve
haben ? Er ſcheint ja die Dienftbefliffenheit fe
zu feyn.
Bianca O daß er mid haßte ‚ ftärker ı
Feuer und Waſſer, Tag und Nacht fi: halfen ! Ai
biefer Pflichtvergeſſene — Julie, diefer Pflichtverg
ſene liebt mid.
Jullie. Eure Durchlaucht — —
Bianca. Starre mich an, wie du vwilſſt!
erſtarrte noch mehr, als dieſes ſchaͤndliche —**
ſich enthüllte; als vor mir fein laſterhafter Wunſ
ja ſelbſt feine frevle Hoffnung ſich aufdeckte;
der Druck feiner Hand, fg oft er die meinige zu
rühren Gelegenheit fand, als das Feuer in fein
‚Auge — fo oft Franz aud nur auf Secunden lang |
Rücken wandte — als die Lobeserhebungen, mit de
er unabläfjig mich überhäufte; als, mit einem Wor
taufend Eleine Kennzeichen fih heute morgen burdy!
fe8 Briefen aufblärten, das er ſelbſt in mu
Sand mir drudte.
Julie. Wiet Ein formlicher Liebesbrief Er ſe
deſſen Beſteller?
Bianca. Ja wohl eines ſchaͤndlichen Gewer
ſchändlicher Beſteller! Und wenn du vollends ihn
(Sie will ihr hier den Brief gu leſen geben, beſtunt ſich aber ſe
eines Undern.) Doch nein, nein! Den Antrag feldft kor
ich dir gefteben; aber die Frechheit, mit welde:
von feiner Liebe, als von der erlaubteften Sache fpr
von der Größe feiner Gluth, und felbit von ben 9
theilen einer folhen Eintraht — Eannft du dir
was Unjinnigeres als. fol eine Eintradht denken‘
Kein, Zulie, nein! Diefe Frehheit ift zu züge
als Daß ich fie noch irgend Jemand zeigen könnte;
x
we. 107 vvvu⸗
ich verwünſche den Tag, an dem ich ſolch eine Be⸗
ſchimpfung erleben mußte ! "
Julie; Ein Unwille, gnädigite Frau, der Ih⸗
ver Seele mehr Ehre macht, ald mein Mund — und
- hätte er ſiebenfache Kraft der Sprache — je auszudrüs
Een vernöchte! — Aber erlauben Sie, daß ich wenige
ftend nit die bittere Befhimpfung in fold eis
nem Anteagefinde, die Eure Durchlaucht darin fuchen.
Srevelhaft genug iſt freylich des Cardinals Wunfch- und
Hoffnung. Doch das Gefolge weiblicher Schönheit bes
ſtand ja ftetd aus Bewunderung und aus Mannerliebe,
tur zu oft vergiſtt diefe Letztere freylich, was Anſtand
und Pflicht —
Bianca. Schweig, ſchweig, leidige Tröfterinn !
Ich könnte dich haſſen, wenn ich Außerungen dieſer
Art für Ernſt, und nicht bloß für die Wirkung eines
Übel verftandenen Mitleid snähme. Nein !Niemahls
noch, fa weit ich mein Leben durchdenken kann, erlitt
ich eine Krankung wie dieje. Selbſt da nie, als id
in Bonaventuri's Haufe die niedrigfte Handarbeit, ach
fo willig übernahm! Gelbit da nidt „ als Mondragone
mie den fhimpfliden Vorſchlag that, die Beyſhlaͤfe—
rinn meines jegigen Gemahls zu werden. Denn Der: .
jenige, in defien Rahmen er ſprach, war wenigſtens
mein Sürft, ich tie Gattinn eines Ungetreuen, und
‚ vielen Zaufenden meinee Gleihen hätten Borfchlüge,
die mir Befhimpfung dünkten, die höchſte Gunft zu
fepn gefhienen. — Aber jept? Sept — O des nidhtis
gen drüdenden Schimmers einer Fürftenwürde, die
felöji vor Antraͤgen folder Schande meine Tugend nicht
ſichern kann!
men 10D rum
Julie. Warum zögern Sie aber noch läng
fih Ihrem Gemahl zu entdeden? In feinen Häm
ift ja bdiefer freulofe Brüder.
Bianca. Und bleibe doch, Trog diefer Treu
figkeit, no fein Bruder. — Sa, ja, ih Eei
Franzen. Seiner Sanftmuth ungeachtet, würde
foldy einen Frevel'nicht ungeabnder laſſen; und wi
ih ehemahls fchon der Zwietracht Samen unter |
fen Brüdern auszuftreuen mich fheute , wie koͤnnte
jegt — (mit färfer werdenden Affe) o einen Blick
diefen Brief, auf die Worfhläge deffelben! und
milde Srauz würde werden, was fein Vater w
würde die Stimme des Blutes vergeffen, und |
auf die Stimme der Rache und Gerechtigk
hören. — Nein, Zulie! Noch ift mir es unmoͤglich,
Mitteln diefer Art meine Zuflucht zu nehmen; n
will ich meiner eigenen ſchwachen Stimme, fo we
ich ihr fonft vertraue‘, mich bedienen „ um Die
Wollüſtling zum Pfade feiner Pflicht zurecht zu v
fen; und du felbft, Sulie, du felbft mußt mir da
Bebülfinn ſeyn.
Julie. Ih? Wie Das!
Bianca. Verbirg did morgen früh in das K
eines Zünglings, und überbringe ihm dieſe Antwe
(Ihr einen Brief hinreichend.)
Julie. Nichts it leichter als Das, Nichte t
ich wilfiger ! Aber Eann meine erlauchteſte Fürftinn ,
Ihrer ſonſt fo bewährten Menfchenkenntniß, hof
daß ein bloßer Brief diefen Laſterhaften umſchi
sen, oder ihr ſelbſt Ruhe vor feinen Anfchlägen
ſchaffen werde? — Iſt dieſer Brief mit der liebevo
Sanftmuth eines Engels — jenem Hauptzug im (
INTER 109 a
rakter meiner Gebietberinn! — geſchrieben, fo wird
der frevfe Ferdinand nur defto gemifler noch auf Nach⸗
gibigkeit rechnen, oder wird wenigſtens deſto glühene
der noch bie Geelenkräfte Eurer Durchlaucht bewun⸗
dern.
Bianca. Wenn ich ihn nun aber in einem Tone
geſchrieben hätte, er nſter, als Alles war, was ich
jemahlf ſagte oder ſchrieb?
Julie. So wird dieſer Ton jenen Verwegenen
zur Rade, zur. Verleumdung, zu den. fehandlichften
Ränken auffordern; wird — o Das fühle meine Füͤr⸗
ſtinn deffer als ih! — wird unnüg auf jeden Fall ſeyn.
Bianca (die Achſel zudend.) Leidige Prophezeihung,
wahrſcheinlich freylich, doch noch nicht ganz. ges
wiß! — Und eben defihalb will ich ihr niche folgen.
— Weißt du nigt, Julie, daß Lobgefänge ber Un⸗
mündigen des Himmels füßeftes Loblied, und Maße
regeln ſchwacher Werkzeuge oft feiner größten
Plane ſicherſte Triebfedern find ? — Selbſt, wenn dies
fer Brief nichts nützt, wenn er ſchadet fogar ; ich will
dadurd wenigftens meine Geele retten ; will thun,
was ich vermag. Überbring ihn morgen früh!
Sulies Ich gehorche Euer Durchlaucht Befehl,
— (für ih.) aber wahrlich nichts mehr als die Wehre
von einer Stecknadel, um einen Ehrenfhänder
abzuhalten!
. see 10 sende
(Mondragone’s Zimmer.) -
Mondragane. Mofellscin Wiethling und Sant
Mondr.. Wie ihdir ichon geſagt habe, Sur!
ih will fogleih zum Carbinal hingehen; zwey M
bereits hat er nach mir gefendet, und ich errathe fd
warum ? — Du tritt indeß an den bewußten Ple
gerabe feiner Wohnung gegen über, und gibft Ad
Komm ih un ein Fenfter, es fey bed Vorſaals o
Zimmers; huſte ih zwey Mahl und ziehe dann m
weißes Schnupftuh heraus: fo ift gefheben, m
ich vermuthete, und Ferdinand benimmt fih, wie
er fol. Dann eile an den beftimmten Ort, und fu
bie die Geſellſchaft nach Belieben aus! Wir Bey
denke ih, werten bald nachkommen; and bu hebſt
gleich dein Geſpräch an.
Moſ. Gut.
Mondr. Nur gib genau Acht, wenn wir here
treten! Fang ja an, ſobald du uns ſiehſt, noch
wir dich hören können!
Moſ. Recht gut.
Monde. Was du ſagen ſollſt, weißt du noch?
Moſ. Wenigſtens wäre es das erſte Mahl in m
nem Leben, daß ich eıne Rolle mir zwey Map vorfag
ließe!
Mondr. Und wirſt fie auch brav ſpielen?
Mof. Das hoffe ih! Habe ja ſchon Gurge
abgeſchnitten, und ſollte nicht lügen können?
Monde. Kein Schluß, der gilt! Denn me
Seel, mid dünkt, daß Jenes oft leichter ald Dieſes ſ
wer 111 wem
Moſ. Wie es foͤllt, Signor! — Überall muß
der Menſch fib mühen, wenn er irgendwo fein Brot,
obne Pfufherey, ebrlich und redlich verbieneh
will. — (Sachelad. Aber freylih it Unwahrheit
eine Waare, liber deren Werth und Schwierigkeit fich
inEurem Poften, Signor, richtiger noch als in dem
meini gen urtheilen läßt,
Monde Wie, Burſch, hättet du wohl gar
Stolz genug, dich mit mir zu ‚vergleichen ?
Mof. O nein, denn eben dann hätte ich des
Stolzes nicht genug. Wir Bravo’s brauchen nut
das Geld von Herren eurer Art; ihr braucht ung
ſelbſt. — Keinen Groll, kein unwilliges Geſicht,
Signor! Id gebe, um meine Schuldigkeit zu thun,
und wer diefe erfüllt, kann wohl auch zuweilen ein
freyes, aber wahres Wörtchen dazwiſchen reden. ca.)
Mondr. Der Bube !— Foſt mödte ein Gewerbe
mic) verdrießen, das fo nahe mit dem feinigen grenzt?
und nod oben drein dem Spott eines ſolchen Taus
genichts mich ausfett. Aber laßt es uns machen, wie
es Zürften mit ihren Dienern zu thun gewohnt find,
fhweigen, fo lange wir ibn brauden — ihn wegwers
fen „wenn er zu nuͤtzen aufhoͤrt (Nach der Uhr fehend.)
Hart Ferdinand nun lange genug gewartet ? Nun lange
genug gefühlt, daß er ohne mich eigentlich nichts if!
Auf, bin zu ihm, und die Mine fpringe, die ich ſchon
laͤngſt für ihn bereitete!
een 112 nen
x
(Gemach des Eardinale }
Card inal. Mondrag one, (de (0 eben Bereinfritt.)
Card. (i6m ein Yaat Schritte antgegen eitend.) O Mon⸗
dragone, Mondragone! In welchem Winkel der Erbe
ſtecktet Ihr?
Mondr. Ver zeihen Eute Eminenz, ich war nur
ſo eben — —
Card. (angeutbig) Sey ed, wo hei wolle! 34
glaube es auch ungehboͤrt, und bin froh, dag ich nus
endlich dich, meinen Achates, wieder babe, — Ad,
Freund, weißt du, wie du mich findeſt?
Mondr. Wenn ich nach dieſem Tone des Ems "
pfangs, nad der Art, wie Eure Eminenz mid: ſuchen
ließen , und nad) der gewöhnlihen Art der Zürften,
die immer nur im Nothfall uns rufen laſſen, fchlies
fen darf; fo beforge ich fait, ich treffe Eure Eminen;
in einer Verlegenheit an.
Card. Oſprecht lieber, in Verzweiflung! —
Prophet des Unglücks! Eure Vorherverkündigung ifl
eingetroffen. Schon glaubte ich deren ſpotten zu koͤn⸗
nen; ſchon traͤumte ih mich dem Gipfel des Glücks
nahe; und fiebe! meine Hoffnung iſt zertrümmert, ˖
mein Herz zerriſſen auf immer.
Mondr. Sch bedaure! Und tod weiß ich noch
nicht recht, wovon Eure Eminenz ſprechen: von den
Planen bes Ebrgeizes oder der Liebe?
Card. Daß Idr nod zwaifelbaft Euch anftellen
inne! — Füllte nicht fhon, als ıch zum legten Mahle
ud fah, Liebe für Bianca meine ganıe Seele?
laubt Ihr, daß ich fo ſchnell mich verändern, oder
daß
DIOR 115 VOR
daß ich irgend einen meiner Plane unverfudt auf
geben Eönne ? |
Monde. Nie würde ih fo etwas zu muthmafs
fen wagen, hätte ich nicht bereit3 einen der zuver⸗
figrlichiten Plane, mit Männerſtolz entworfen, bey
Fürſtenehre betheuert, und durch die Ausſicht auf böch-
fien Vortheil begünftigt, beym 'eriten Anblick eines
Paares einfacher blauer Nugen zertrümmern gefeben.
— Zudem, verzeibe mir Eure Eminenz, verfuden
ft zwor gut, aber ausdauermn tt beffer.
Card. Ha, Das fehlte mir noch, Mondragone,
daß aud Eure Vorwürfe meinen Gerft trüber, meine
Seele migmuthiger machten ! — (Ihn traulich bey der Hand
ergreifend.) Mein, jebt, Freund, jeßt oder nie erwarte
ic) deinen Rath und deinen Troſt; bin taub für Eigen
nuß und Ehre; bin fühlbar nur für Liebe oder für
Nahe der Liebe, — Die ftolge Capello verfhmäht
meine Zärtlichkeit; verweigert mir den Erfaß, den ich,
jtatt eines geraubten Throns, wenigftens in ihrem
Herzen begehrte. Meiner glühendften Liebe ſetzt fie
kalte Tugend, meiner ſüßeſten Schmeicheley ernfte
Verweiſe, und jelbit meinem Fünftigen Beſtreben,
wenn etwa ein folhes mir einfiele, die bitterflen Dros
bungen entgegen.
Mondr. (alt.) Sagte ich's doch!
Card. (immer hitziger werdend.) Verdammt ſey
deine Prophezeihung, und noch verdammter der Erfolg,
der fie rechtfertigt! — Mondragone, ſprich felbit! Jit
es erlaubt, Daß Lie Tochter eines venetianiſchen Sena—
tors ſich für beleidigt achten will, wenn ein Fürſten-
ſohn, un ſelbſt ein Fürſt der Kirche, feine Liede ihr
Meißners Biauca Cap. 2. Thl. H
Fa
wen 114 rom
anträgt ? Darf fie, die, vor wenigen Monathen ned,
aus väterlihem Hauſe entlaufen, mit einem s Aben⸗
teurer das Land durchſtrich, auf eine Tugend ſich bruͤ⸗
ften, die im meiblihen Charakter beynahe allgemein
für ein Mähren gilt? Kaum ‚auf den großherzogli⸗
hen Stuhl gefliegen — oder geſchlichen vielmehr,
rechnet fie jich ed fhon zur Schmad, wenn — — (dt
verbeifs feinen Schmerz und feine Worte, und gebe einige Mahl
baftig im Zimmer auf und ab; WMondragone nützt einen Biefer
Bwifchenräume, gebt and serfter, und gibt bad verabredels
Zeichen; der Sardinal fange endlih mis geänderten Tone an.)
Abfheulih und doch nur zu gewiß! — Unglaubs
Inch zwar, aber darum nicht minder wahr! ieh,
Mondragone, ſelbſt dieſe jtörifche Tugend, dieſer fres
velhafte Ton ihres Abſagebriefes, dieſer beleidigende
Stolz — ah, er beleidigt nid nicht, er vers
mwundetmid nur nod tiefer. Ein freundlicher Blick,
ein günitiges Wort nur, und id würde nicht verzei⸗
ben bloß ; ich würde (dur eine halb lädhelnde Miene des
Mondragone gereut) — Wie? Was? Was meint du?
was fagfl. du dazu? .
Mondr. um anſchetnendem Mitleid die Achleln
sudend.) Kann ich etwas dazu jagen?
Card. Nicht? — Nicht einmahl ein Wörtihen 1
Wolle Ihr für mid eben fo arm an beilfamen
Rathe, als Bianca angutem Pillen fya —
vein, Mondragone, ih wei, Ihr feyd reich an
Hulfsmitteln und Erfindung; vereint Vernunft mit
Erfahrung, Lit mie Menfchenfenntniß; o ich beſchwoͤ⸗
re dich, Mann, wenn du je mein Freund wareit,
oder ed noch werden willit, fo nütze jene neidens⸗
werthen Kräfte jegt zu meinem Beſten! — Du ſchmei⸗
wen 21D wm
chefteft mir font mis deiner Ergebenheit; wollteſt ein
Fürſtenthum mır erwerben; o nur eine Nacht an Bians
cas Buſen it mehr als ganz Toscana wereh! Und
ide Beſitz! — Sieh, und ginge ber Weg zu ihm
über Waters: Örab und Bruders: Kopf hin; donnerte
hinter mir der Bannftrahl des Papftes; brauſ'te zu
meiner Seite der Aufruhr eines wüthenden Pöbels;
riefe in meinem Herzen die ftrafende Erimme des Ges
wiſſens; ich wollte Tächelnd alle diefe Schreyer und
diefe Donner Überhören. Nur hilf mie zu dieſem
Befige !
Monde. (für fit.) Ehe ein Mühlftein an meis
ren Hald, und fors mit mir in das tiefite Meer!
(Laut.) Wahrlich, Eure Eminenz, je mehr ich ter Sa⸗
che nachdenke, je unmöglicher finde ich fie. —
Card. O nein, nein, Mondragone! Ad hielt
ed fonjt oft für Ungereimtheit, wenn ich hörte: dem
Menfhenfey nichts unmöglich! Jetzt möchte
ich gern, meines Nutzens halber, heiliger daran glaus
ben, als an alle Lehren der Kirche. — Noch ein Mahl,
Mendragone, du Eennit die Welt, und id müßte mid
ſehr täuſchen, wenn du nicht aud die Weiber benns
tet. — Sie find Feſtungen, bejwinybar auf mehr als
einer Seite, durch mehr als eine Gattung von Wafs
fen; bald durd Überraſchung und Kühnheit, bald durch
Sqhmeicheley und Geſchenke. O ſprich, ſprich, mein,
Sreundz mein Liebling, mein Vater! Auf welche Art
foll ih ed angreifen, um diefe unbezwinglich ſcheinen⸗
de Tugend zu beſtarmen, zu erſteigen — Sey du
mein Ahitophel, und ich will folgfamer für deinen
Huth als Abſolom feyn. oo
53
men 110 mm
Mondr. Allerdings gibt e3 der Manntgfs
£eit genug im Angriffe, und doch fürchte ih, d
jedeö der ſonſt befannten Mittel bier vergeben |
Bianca’s Sprödigkeit iſt ernſtlicher, als gewöht
Weiber-Ziererey. — (Mit ten Achſein zudend.) Fre
wenn es nicht ſchon fo suhtbar wire — —
Card. testen) Ruchtbar? Wied Wa
wuchtbar ? '
Monde. (ganz geloſſen) Nun, was fonit,
worüber fo eben Eure Eminenz geklagt haben — !
Liebe, und Bianca’s Strenge.
Card. Cimmer coſtaunter.) Dieß ruchtbar? Und
wen?
Monde. Für went Für ganz Florenz fe
und alfo zweifelsfrey au bald für gan; SItalie
Card. Menfh, Das Tügit du! Du felbft biſt
Erfte und Einzige, der ed aus meinem Munde erfü
Monde. Aus Euer Eminenz; Munde — 0
zweifelt daran! Aber mein Fuͤrſt glaubt doch mi
daß Dasjenige, was er hier mir entdedt hat, meit
Ohre fo ganz erwas Neues gewefen fey ? Wahrlich,
Sonne war nch fern vom Mittage, und ih wi
bereitö auch Den Eleinften Umitand von dem Entf
der Großherzoginn. Sa, fo eben komme ih aus ein
öffentlichen Haufe, dem gewöhnlichen Ort für me
Lauſchereyen, wo Bianca’s Tugend das Lob auf A
Zungen, Ener Eminenz Begierde und miplunge
Anſchlag der Segenftand aller Wiglinge war; wo
Burſchen gab, die fogar Abfchriften von jener Gef
predigt geieben haben wollten, welde die tugendhe
Fürſtinn Ihnen ſchriftlich zugeſandt hätte,
| Card. (fi dor den Kopf fhlagend.) Ha, bey Mei«
nem Leben, du biſt Eein Menſch; du bift Satans
Sprachrohr nur! (Er ſitzt ſprachlos mit unterſtütztem, ver⸗
decktem Haupt eine geraume Zeit, und ſpringt Dann pföslich mie
fürchtertichem Grimm empor.) Nein, nein! Es Eann nit
feyn! Schandlicher Lügner, mit diefen Händen er»
droſſele ich Dich, wenn ich deine Zalfchheit entdecke; und
Das werde ich! gewiß, Das werde ich! — —
Mondr (gang gelaſſen.) So ſey ein Pfahl mein
Paradebett, und der Bauch der Raben mein Grab⸗
mahl! |
Card. Ah das Mährhen der Stadt? Ich von
Bianca felbt dazu gemacht? — Nimmermehr ! Ste
fhwur mir fo thener in ihrem. Briefe, daß den meis
nigen Feines Menſchen Auge geſehen habe, den ihrigen
nur ich feben felle. — Sie Eann araufam ſeyn, Ealt,
liſtig, unempfindlich ; aber fie ift fiher weder Betrüs
gerinn, noch bofihaft.
dondr. Und wer fagt Das von ihr? Aber fie
it doch Furitinn und Weib; ald Rene muß fie irgend»
eine Vertraute baden; ald Diefe Eann fie eher alles
Andere, nur nicht ſchweigen; fihweigen von einer
Liebeserklärung, und von dem großen Ovfer,
fie verfhmäbe zu haben! — Ein einziges Wort zu
einer ihrer Dienerinnen, eine einzige Miene gegen
Denjenigen , dem fie Überbringung tes Briefes
anbefahl, gab vielleiht Grund genug zum Vers
dacht: und die Ausforfhung folgte dieſem
Verdachte nur allzu glucklich nach. Durchſtechen
läßt ein Damm ſich leicht; aber nachmahls feine Er—
gießung Sindern, it ein Werk der Unmöglichkeit,
Card. (mie den Kopf fihiieteind.) Nimmermehr
Nimmermehr! Franz fellte meine, Abſicht kennen, nud
rare 118 we.
ih lebte noch? ich raſtete hier ſicher in ſeiner Reſiden
in feinem Schloſſe?
Mondr. Willen Eure Eminen; gewiß, wie Ton
ge diefe Sicherheit noch dauern dürfte? Oder ift es fe
auögemaht, daß auch der Zürft fihon wiſſen mäfle,
was mandem feiner Untershanen längft Eein Geheim⸗
niß mehr iſt? Wie? wenn nun eben burd die dritte
vierte — oder hundertſte Hand vielleicht, Bidnca am
ihn bringen wollte, was fie aus Beſcheidenheit felbt
verfchwieg? Wenn, ihrem Plane nah, Graufopf Ess
pello vielleicht, oder Modefini, oder forft ein Zwi⸗
fbenträger von ehriwürtiger Larve, dem Herrn Ges
mahl zuflüſtern follte, was allzu parteyiſch in der Ge⸗
mahlinn Munde klaͤnge? — Lange glimmt oft die Lunt⸗
des Minierers, ehe fie die Pulverkammer erreicht, aufr
fliege und den Boden über fih ummühlt. Lange —
Doch wozu diefe Einwürfe und Widerlezungen I Ber:
fagt Fürn Serdinand feinen Glauben meinen Worten,
fo tomme er, fo höre er felbft, was ich hörte; Nenn
fonderbar müßte e6 zugehen, wenn das Gefpräd) baren
fih indeſſen ſchon gan; erſchöpft hatte.
Card, (erwasvertegen.) Mitkommen? Ich? Sept?
Sept ſogleich? To (nach einer Heinen Paufe, entichloffen.) Doch
- ja, Das will ich; will mich unkenntlich machen, noch mehr
als Ihr ſelbſt; will mit eigenen Ohren — Mondra⸗
gone, wenn ic es fo antreffe! — Schon beym’® es
danken glüht mein Herz wie Metall im Zeuerofen;
was werde id erſt dann empfinden, wenn ic wir:
lich — Ha, ſchändlich, treulos! Aber ich. will mid
überzeugen davon! Bleib du hier einitweilen, bis ich,
was bald gefchehen ſeyn fol, mic umgelleider babe,
(36.)
.. 119 va
(Öffentliches Kaffehhaus)
Menge von &piel: und Trinktifhen, unter den Gaͤ⸗
ften mitten inne, aber verkleidet, der Cardinal
und Mondragone.
Card. (Hatbiaut zu Mondragone.) Ob ed nicht iſt,
wie ih dachte! Schon an drey Tifhen herum, und
noch fein Wort gehört, das dahın zielte! — Bitter.)
Wahrlich, Eure herrlihe Nachricht, meifer Mentor,
verdient meinen wärmften Dank. Ich errathe ihre Abs
fiht volllommen, und werde fie zu ſchätzzen wiffen.
Mondr. (mit äußerfer Kätıe.) Kaum! Denn idy
jebe freglih, daß Eure Eminen; für meine Erfin
dung balten, was lautere Wahrbert ift. Auch
mi wundert das Stillſchweigen, das über diefen
Punct jege herrſcht; aber fo ganz unerklärlih ift es
mir noch nit: man fpricht fi ja wohl aus.
Card. (immer Kugiger.) Man ſpricht fih aus?
Wie meint Ihr Das! Haltet Ihr mich für einen Ges
genftand, den man nicht einmahl lan.ger Rede würs
dig achtet? für einen Elenden, deffen Tugenden und
Sehler man mir wenigen Worten hinwirft,, und dann
feined ganzen Dafepns vergißt? — Vortrefilih! vors
trefflich! Sich ausſprechen? Sich fo etwas leicht
erflären? Mondrogone, ich rathe euch, reizt mei⸗
nen Zorn nicht!
Mondr. Wenigſtens fühle ich, daß er wahrlich
leicht genug gereizt werden kann. Eure Eminenz fin⸗
den in meinen Worten einen Sinn, der tiefer verſteckt
liegen mufi, als ein Senkbley reiht; fo-tief, daß ich
ihn felbft nie fpüre. — Auch find wir noch lange nie _ |
S
ww 112 wm.
\
Gemach des Cardinals)
Cardinal. Mondragone, (er fo eben hereinf
Card. (ifmein Baar Schritte entgegen eilend. INS
bragone, Mondragone! In welchem Winkel ber (
ſtecktet Ihr?
Mondr. Verzeihen Eure Eminenz, ich war
fo eben — — Ä
Carb. (ungeduldig.) Sey es, wo des wolle!
glaube es auch ungeboͤrt, und bin froh, daß ich
endlich dich, meinen Achates, wieder babe, —
Freund, weißt du, wie du mich findeſt?
Mondr. Wenn ih nach dieſem Tone des
pfangs, nach der Art, wie Eure Eminenz mich fun
ließen , und nad der gewöhnlichen - Art der Kürfl
die immer nur im Nothfall uns rufen laſſen, fe
ßen darf; ſo beſorge ich faſt, ich treffe Eure Emin
in einer Verlegenheit an.
Card. Oſprecht lieber, in Verzweiflung!
Prophet des Unglücks! Eure Vorherverkündigung
eingetroffen. Schon glaubte ich deren ſpotten zur 1
nen; fhon träumre ih mich dein Gipfel des &:
nahe ;. und fiebe! meine Hoffnung iſt zerreimm:
mein Herz zerriffen auf immer.
Mondr. Ich bedaure! Und doch weiß ih n
nicht recht, wovon Eure Eminenz fprehen: von |
Planen bes Ehrgeizes oder der Liebe?
Card. Daß Idr nod zweifelbaft Euch anſtel
könne! — Füllte nicht ſchon, als ich zum legten Da
Euch ſah, Liebe für Bianca meine ganze See
Glaubt Ihr, daß ich fo ſchnell mich verandern, ®
baß
DIOR 115 VOR
daß ich irgend einen meiner Plane unverſucht auf
geben koͤnne?
Mondr. Nie würde ich fo etwas zu muthmafs
fen wagen, hätte ich nicht bereits einen der zuver⸗
figrlihiten Plane, mit Männerjtol; entworfen, bey
Fürſtenehre betheuert, und durch die Ausſicht auf böch-
fien Xortheil begünftigt, beym 'sriten Anblick eines
Paares einfacher blauer Nugen zertrümmern gefeben.
— Zudem, verzeihe mir Eure Eminenz, verſuchen
iſt zwor gut, aber auſsdauern iſt beffer.
Card. Ha, Das fehlte mir noch, Mondragone,
daß auch Eure? Vorwürfe meinen Geiſt trüber, meine
Seele mißmuthiger machten! — (Ihn traulich dey der Hand
ergreifend.) Mein, jetzt, Freund, ‚jegt oder nie erwarte
ic) deinen Rath und deinen Troſt; bin taub für Eigen
nuß und Ehre; bin fühlbar nur für Liebe oder für
Nahe der Liebe, — Die ftolze Capello verfhmäht
meine Zärtlichkeit, verweigert mir den Erfag, den ich,
jtatt eines geraubten Throns, wenigftens in ihrem
Herzen begehrte. Meiner glühendſten Lıebe ſetzt fie
alte Qugend, meiner ſüßeſten Schmeicheley ernfte
Verweife, und jelbit meinem künftigen Weitreben,
wenn etwa ein folhes mir einfiele, die bitterflen Dros
bungen entgegen. 0
Mondr. (alt.) Sagte ich's tod !
Card. immer Hiiger werden.) Verdammt fey
beine Prophezeihung, und nod verdammter der Erfolg,
der fie rechtfertige! — Mondragone, fprih felbit! Sit
es erlaubt, Daß Lie Zodter eines venetianiſchen Lena
tors ſich für Erledigt saten will, wenn ein Fürſten—
john, und feldjt ein Fürſt der Kirche, feine Liebe ıpr
Meißners Bianca Sapı 2, Thl. H
-
rn 114 ww
anträgt ? Darf fie, die, vor wenigen Monathen ı
aus väaterlihem Hauſe entlaufen, mit einems?
teurer das Land durchſtrich, auf eine Tugend ſich
ften, die im weiblichen Charafter beynahe allge
für ein Mähren gilt? Kaum auf den großher;
hen Stuhl geftiegen — oder geſchlichen vieln
rechnet fie ji) eö fhon zur Schmady, wenn — —
verbeift feinen Schmerz und feine Worte, und gebt einige‘
haſtig im Zimmer auf und ab; Mondragone nüßt einen.
Brifhenräume, gebt and Zenſter, und gibt das verabe
Zeiten; der Cardinal fungt endlich mie geandertee Zone
Abfheufih und doh nur zu gewiß! — Ungla
Ir zwar, aber darum nidt minder wahr! &
Mondragone, ſelbſt dieſe stäriiche Tugend, diefer
velhafte Ton ihres Abfagebriefes, diefer belzibig:
Stolz — ah, er beleidigt mid nidt, er v
mwundetmid nur nod tiefer. Ein freundlicher B
ein günitiges Wort nur, und id würde nicht ver
ben bloß; ich würde (durh eine halb lähelnde Miene
Mondragone gereizt) — Wie? Was? Was meinft
was ſagſt du dazu? .
Mondr. Mit anſchetnendem Mitteid die Ud
sudend.) Kann ic) etwas dazu fügen?
Card. Nicht? — Nicht einmahl ein Woͤrtche
Wollte Ihr für mich eben fo arm an beilfam
Rathe, als Bianca angutem Pillen feyu?
rein, Mondragone, ih wer, She feyd reich
Hulfsmitteln und Erfindung; vereint Vernunft |
Erfahrung, Lit mit Menfcdenfenntniß; o ich beſchr
re dich, Mann, wenn bu je mein Sreund mar
oder ed noch werden willi, fo nüße jene nride
werthen Kräfte jegt zu meinem Beſten! — Du ſchu
wen 10D mm
chelteſt mir font mit deiner Ergebenheit; wollteft ein
Fürſtenthum mir erwerben; onur eine Nacht an Bian⸗
ca's Buſen it mehr als ganz Toscana werth! Und
ide Beſitz! — Sieh, und ginge der Weg zu ihm
über Waters: Örab und Bruders: Kopf hin; donnerte
hinter mir der Bannſtrahl des Papſtes; braufte zu
meiner Seite der Aufruhr eines wüthenden Pöbels;
riefe in meinem Herzen die ſtrafende Stimme des Ges
wiſſens; ich wollte laͤchelnd alle diefe Schreyer und
diefe Donner Überhören. Nur Hilf mie zu dieſem
Befige !
Monde. (für fd.) Ehe ein Mühlftein an meis
ren Hals, und fors mit mir in das tiefite Meer!
(Laut.) Wahrlich, Eure Eminen; ; je mehr id ter Sa⸗
che nachdenke, je unmöglicher finde ich fie. —
Card. O nein, nein, Mondragone! Ich hielt
ed fonjt oft für Ungereimtheit, wenn ic hörte: dem
Menfhenfey nichts unmöglich! Jetzt möchte
ich gern, meines Nutzens halber, heiliger daran glaus
ben, als an alle Lehren der Kirche. — Noch ein Mahl, ,
Moendragone, du Eennit die Welt, und id müßte mid
ſehr täufhen, wenn du nicht aud die Weiber kenn⸗
teſt. Gie find Feſtungen, bezwingbar auf mehr als
einer Seite, durch mehr ald eine Gattung von Wafs
fen; bald durd Üverrafhung und Kühnheit, bald durch
Schmeicheley und Geſchenke. O ſprich, ſprich, mein,
Freund; mein Liebling, mein Vater! Auf welche Art
foll ih ed angreifen, um diefe unbezwinglic ſcheinen⸗
de Tugend ;u beitärmen, zu erſteigen? — Sey du
mein Ahitophel, und ich will folgfamer für deinen
Rath als Abſolom feyn.
52
IRA 116 00
Mondr. Allerdings gibt e3 der Manntafe
feit genug im Angriffe, und doch fürdte ich, d
jedes der fonk befannten Mittel bier vergebens |
Bianca's Sprödigkeit iſt ernfllider, als gewöhr
Weiber-Ziererey. — (Mit ten Achſein zusend.) re
wenn es nicht fhon fo zuhtbar wire — —
Card. cbetreten.) Ruchtbar? Wied Ma
wuchtbar ? |
Mondr. (ganz aeloffen.) Nun, was fonit,
worüber fo eben Eure Eminenz geklagt haben — ©
Liebe, und Bianca's Strenge.
Card. (immer erſtannter.) Die ruchtbar? Und
wen? |
Mondr. Für wen! Für ganz Florenz fü
und alſo zweifelsfrey auch bald für ganz Italier
Card. Menfh, Das Tügit du! Du felbft biſt
Erfte und Einzige, der es aus meinem Munde erfä
"Mondr. Aus Euer Eminenz; Munde — o
zweifelt daran! Aber mein Fuͤrſt glaubt doch mi
daß Dasjenige, was er hier mir entdeckt hat, meir
Ohre fo ganz etwas Neues gewefen fen ? Wahrlich,
Sonne war nch fern vom Mittage, und ich wu
bereitö auch den Eeinften Umjtand von dem Entfd
der Großherzoginn. Sa, fo eben komme ih aus eir
öffentlihen Haufe, dem gewöhnliden Ort für me
Lauſchereyen, wo Bianca’s Tugend dus Lob auf A
Zungen, Euer Eminenz; Begierde und miplunge
Anſchlag der Gegenftand aller Wiplinge war; wo
Burſchen gab, die fogar Abfhrifren von jener Gef
predigt geſehen paben wollten, welde die tugendhe
Fürſtinn Ihren ſchriftlich zugeſandt hätte,
LX 117 ONE
Card. (fi Vor den Kopf fhlagend.) Ha, bey Meir
nem Qeben, du bit Fein Menfh; du bift Satans
Sprachrohr nur! (Er figt ſprachlos mit unterſtütztem, ver⸗
decktem Haupt eine geraume Zlit, und ſpringt dann pfößlich mie
fürchtertihem Grimm empor.) Mein, nein! Es Eann nicht
feyn! Schandliher Lügner, mit diefen Händen er»
droffele ich dich, wenn ich deine Falſchheit entdede;. und
Das werde ich! gewiß, Das werdeih! — —
Monde (ganz getaffen.) So fey ein Pfahl mein
Paradebett, und der Baur der Naben mein Grab»
mahl!
Card. Ich das Maͤhrchen der Stadt? Ich von
Bianca ſelbſt dazu gemacht? — Nimmermehr! Sie
ſchwur mir fo theuer in ihrem Briefe, daß den meis
nigen keines Menfhen Auge gefeben habe, den ihrigen
nur ich feben felle. — Sie Fann graufam ſeyn, Ealt,
liſtig, unempfindlid ; aber fie ift fiher weder Betrüs
gerinn, noch bofihaft.
dondr. Und wer fagt Das von ihr? Aber fie
iſt doch Fürſtinn und Weib; als Jene muß fie irgend»
eine Vertraute baden; ald Dieſe Eann fie eher alles
Andere, nur nicht ſchweigen; fchweigen von einer
Liebederflarung, und von dem großen Ovfer,
fie verſchmäht zu haben! — Ein einziges Wort zu
einer ihrer Dienerinnen, eine einzige Miene gegen
Denjenigen , dem fie Überbringung des Briefes
anbefahl, gab vieleiht Grund genug zum Vers
dacht: und die Ausforſchung folgte dieſem
Verdachte nur alu glücklich nad. Durchſtechen
läßt ein Damm fich leicht; aber nachmahls feine Er«
gießung Sindern, it ein Werk der Unmöglichkeit,
Card. (mit dem Kopf fihiitteind.) Nimmermehr!
Nüunmermehr! Franz fellte meine. Abſicht Eennen, nud
°
ich lebte noch ? ich raftete bier fiher in feiner Nefl
in feinem Schloſſe! “
Monde. Wien Eure Eminenz gewiß, wie
ge diefe Sicherheit noch dauern dürfte? Ober ift
ausgemacht, daß auch der Zürft fhon wiflen n
was mandem feiner Unterthanen längſt Eein Gef
nig mehr iſt? Wie? wenn nun eben burd die d
vierte — oder hundertſte Hand vielleicht, Bidhe
ihn bringen wollte, was fie aus Beſcheidenheit
verfhwieg? Wenn, ihrem Plane nah, Graufopf
pello vielleicht, oder Modejini, oder forft ein
fhenträger von ehrwürdiger Larve, dem Herrn
mahl zuflüitern follte, was allzu parteyiſch in -der
mahlınn Munde Flänge ? — Lange glimmt oft die $
des Minierers, ehe fie die Pulverfammer erreicht, |
fliegt und den Boden über fih ummühlt. Lange
Doch wozu diefe Einwürfe und Widerlegungen 9
fagt Zürır Serdinand feinen Glauben meinen Worı
fo Eomme er, fo höre er felbft, was ich hörte; I
fonderbar müßte es zugeben, wenn das Geſpraͤch da
fid ındeifen ſchon gan; erſchöpft hatte.
Card, (eiwas verlegen.) MitEommen ? Ich? Sei
Jetzt fogleich ? — (nad einer feinen Paufe, entſchloſſen.) D
ja, Daß will id) ; wıll mich unkenntlich machen, noch m
als Ihr ſelbſt; will mit eigenen Ohren _ Mond
gone, wenn ich es fo antreffe! — Schon beym’d
danken glüht mein Herz wie Metall im Zenerofi
was werde ih erfi dann empfinden, wenn ich wi
lich — Ha, ſchändlich, treulos! Aber ih.will m
überjeugen davon! Bleib du hier einitweilen, bie ı
was bald gefhehen ſeyn fell, mid) umgekleidet ha
(6.)
... 129 a
(Öffentliches Kaffehhaus)
Menge von Epiel: und Zrinktifhen, unter den Gi»
ſten mitten inne, aber verkleidet, der Cardinal
und Mondragone.
Card. (baidiaut zu Mondragone.) Db ed nicht iſt,
wie ih date! Schon an drey Tiſchen herum, und
noch kein Wort gehört, das dahin zielte! — bitter.)
Wahrlich, Eure herrliche Nachricht, meifer Mentor,
verdient meinen wärmften Dank. Sch errathe ihre Abs
ſicht vollkommen, und werde fie zu fhägen wlſſen.
Mondr. (mir äußerfer Kätte) Kaum! Denn ich
ſehe freylich, daß Eure Eminen, für meine Erfin
dung balten, was lautere Wahrbert ift. Auch
mich wundert das Stillfhweigen, das über diefen
Punct jest herrſcht; aber fo ganz unerklärlich ift es
mir noch nit: man fpricht fi ja wohl aus,
Card. (immer Mugiger.) Man fpricht fih aus?
Wie meint Ihr Dast Haltet Shr mich für einen Ges
genftand, den man nicht einmahl lan.ger Rede wür⸗
Dig achtet? für einen Elenden, deflen Tugenden und
Fehler man mir wenigen Worten hinwirft,, und dann
feines ganzen Daſeyns vergißt? — Vortrefflih! vors
trefflich! Sich ausfprehen? Sich fo etwas leicht
erklären? Montrogone, ich rathe euch, reizt meis
nen Zorn nicht! -
Mondr. Wenigitens fühle ih, daß er wahrlich
leicht genug gereizt werden Eann.. Eure Eminen; fins
den in meinen Worten einen Sinn, ber tiefer verfteckt
liegen muß, als ein Senkbley reicht; fo tief, daß ich
ihn ſelbſt nie fpüre. — Auch find wir noch lange nicht
O
wen 121930 wos
ganz herum; haben noch — (plögiih tutzend und nad
einen Seite bin, , alt vernähme er etwas, horchend.) Z
Irrte ih mich — Euer Eninen; Nahmen? Der Vi
ne Bianca? — Erlauben Sie mir nur einen Aug
blick — nur ein Eleineres Naͤhergehen; ich bin gi
wieder bey ihnen. — An einen entferntern Tiſch geher
Card. (für ſich) Gehe, und komme meinetl
ben nie wieder zurück! Wahrfich, fhon fange id an, I
Chamäleon zu halfen, das anders ausfieht, wenn
Kind aus Züden, und anders, wenn er aus Mor
blaͤßt. — D Bianca, Bianca, daß du hören, dai
fühlen wollteſt, wie gern — —
Mondr. Gurückkebrend und haflig.) Mit mie bi
bin, Eure Eminenz, mir mir! Werde id num I
ger noch als ein Luügner geſcholten, fo fpanne n
morgen fruh vier vaiche Role an meine Füße und ‘
me, und made auf meine Gefahr nad) jeder Himme
gegend damit einen Luſtritt!
Card, berüre) Wie? es wäre wirklich — —
Mondr. Mit mir, Eure Eminenz! Ihr ei
nes Ohr ſey Zeuge, daß man allerdings noch nicht
ausgeſprochen babe. (Er fuhrt ihn an das äuße
Ende des Saals, we an einem Tiſche Mofelto ned wi
bis fünf andern Gäſten, alle vom Mittelſtande, fig
Mehbrere Stühle ſtehen ledig am Siſch; Mondragone und
Cardinal nebmen Piatz daran.)
ErſterFlorentiner. Alſo eine förmliche £
beserklörung an die Großberzoginn, meint Ihr?
Moſ. Eine foörmliche!
ErſterFlor. Und von ihr abſchläͤgige Antwor
Mei. Abſchlaͤgig! und Das noch förmlicher!
os 121 ....s
Zweyter Flor. Aber bedenkt Ihr auch, Freund,
was Ahr da fagt? Sollt' es wehl möglich feyn, daß der
Cardinal ſich fo weit verginge? —
Moſ. Möglich? — Ha! Ha! Ha! Und warum
Das nicht Gibt es wohl ſtärkere Begierden, als dieje⸗
nigen, welche unter den Purpurhüten niſten? — Oder
iſt, um einen Mann zu reizen, unſere Fürſtinn nicht
ſchön genug?
Dritter Flor. Sie würde unſere Fürſtinn
nicht ſeyn, wenn ſie es minder wäre!
Erſter Flor. Auch ſieht man es dieſem Ferdi—
nand allerdings gleich an den Augen an, daß er fein Hei⸗
liger feyn mag.
Mof. Ja wohl thut mar Das! Glaubt mir, die
aanze Ausſöhnung war ein Spiegelgefeht, und aller
Vertrag dabey fo glaubwürdig, wie der Schwur eines
Meibes, die in erften Kindesnoͤthen betbeuert, nie wies
der bey einem Mann zu ſchlafen. — Ferdinand war
nie Franzens Freund, und wird nie es werben. Frey⸗
ih follte man denken, daß er nocdy Tieber nad) feinem
Fürſtenthume, ald nad feiner Gemahlinn Be
lieben trüge; aber fo geht es! Mir dem Kleinern fangt
man an, und zum Größern ſchreitet man dann forr.
(Lauted Gelächter, der Cardinal beißt fih in die Lippe, Mon⸗
dragone bleibe Falt.) |
Mondr. Nur dag man oft über biefem Kleinern
das Größere felbft verliert.
Vierter Flor. Mohl erinnert! Wenn dem Gars
dinal wirklich fo etwas gelüften follte, fo wäre es das
Gelüſt eined Eleinen Knaben, der nach Allem, was er
fiedt , fogleich feine Hand ausſtreckt, aber auch oft dar
sea ' 222 wem
für, verdienter Maßen, einen derben Schlag auf b
Hand erhalt.
Edrd. Ceiſe zum Mondragone.) Werräther! 2
du hilfſt?
Mondr Verftelung, mein Zürft! Verftell
bier!
Zweyter Flor. Seht! Und eben deßh
glaube ich auch die ganze Geſchichte noch nicht. So
denn ein Cardinal Ferdinand ſo ganz und gar nicht
ſtehen, mas zu ſeinem Nutzen dient? — Sollte er ei
einzigen frohen, und noch dazu ſo ungewiſſen Aug
blicks halber, Alles zu verlieren wagen! Ale die w
läufigen Entwürfe preisgeben, die er muthmaßlid;
Perto führen. mag? — Maährchen! Mährden! 1
nichts mehr! — Woher habt Ihr biefe Nadric
Freund, wenn wir fie Euch glauben folen?
Mof. Hat Ha! Ha! Hattet nur ein Stündd
eber da feyn follen, und Ihr würdet wenigftend an ze
Zifhen davon haben fprechen hören. (Mondragone 1
farir und mit bedeutender Miene an den Arm des Gardinatd.) A
freylih beiten gewiß alle Übrigen ihre Nachricht mi
aus fo fiherer Quelle ale ich.
Mondr. Um Verzeihung,, und bie ift?
M of. (bämiſch lächeind.) Müßt mich doch ftir eir
braven Dummkopf, wohl gar für einen plumpen De
fhen halten, weil Ihr ſo geradewegs mid auszufrag
gedenkt ? Und doch, was wage ich auch viel dabey! — H
Ihr nie gehört, daß ein ehrliher Kerl fein Maͤdqh
babe!
Alle (lächend.) D ja! o ja!
Mof. Und wenn nun die Mädchen eine v
Bianca’d Kammerdienerinnen wäre?
vo. 125 we...
Einige. Denten läßt fih Das allerdings.
M of. Und wenn nun die Großfürftinn dreyen ih⸗
rer- vertrauteften Dienerinnen das Schreiben, wodurd
fie dem Gardinal feine Abfertigung ertheilte, vorgele«
fen; wenn fie eö dur eine von ihnen, bie ih in
Pagentracht verſtecken müffen, fortgefchickt hätte !Wenn
eben diefer weitlihe Geſandte meine Beliebte gewefen
wäre? Wenn fie mit eigenen Augen die Beſtürzung
Sr. Eminenz angefhaut, und mir ein Bild, zum
Zodtlahen drollig, davon entworfen hätte $ — (Der
@ardinat will auffpringen ; befinnt ſich aber wieder! Mofelle blickt
mit Noigem Lachein herum und fährt fort.) Nun, meine Ber»
ren? Gelt, ich bin ein Mann, deſſen Canale nicht zu
verachten find ? Sene Schurken dort hatten fiber nur.
aus zebnter, zwölfter Hand, mas ih aus der erfien
babe.
Zwepter Flor. Zhr habt Recht. Wenn Ihr an«
ders richtig eure Quellen angebt, fo ift deren Glaub—
würdigkeit keinesweges zu verachten.
Card. (leiſe zu Mondragone. ) Ich beſchwöre Euch,
kommt mit; oder länger dulde ich's nicht mehr!
Mondr. Noch nicht, mein Fürſt! Es fiele zu
ſehr auf! Verſtellung und Kälte! — (Laut zum Nofello.)
Und follte, mas Ihr wißt, nicht auch der Großherzog
wifen ? \
M of. (die Mater zuckend.) Wohl möglich.
Mondr. Und ed dulden!
M of. (ſpottend.) Warum Das nicht — Ung lück⸗
liche Nebenbuhfer duldet man ja wohl! Es thut, füß
fogar, wenn man fie leiden flieht. — Ich Habe felbit,,
wie ih Euch fagte, ein Maͤdchen; es ſchielt noch mans
use 124 0
cher nach ihr; aber nicht alle Mitwerder machen bel
mir graue Haare.
Card. (feine ganzen Kräfte zum Zwang zuſammen
mend.) Nicht alle, Das glaube ih gern; aber daß Bia
einen folhen Mann , wie der Cardinal it, fo bel
digend ausfhlagen Eonnte!
Dritterälor. Das wundert Euh !Mich wül
das Gegentheil befremden. Ein Großherzog Franz wi
doch wohl ein ganzes Conclave von folden Carbini
mit Überſchlag auf? — Auch hat wahrlich Bianca
deßhalb nicht zur Fürſtinn und zur angebetheten
bietherinn von uns Allen aufgefdhwungen, um die (
liebte eines Prieiters zu ſeyn.
M of. Sprichſt bu doch vollig fo, guter Sreu
wie fie felber gefprogen haben fol! — Alles, wor:
ich noch neugierig bin, ift, wie diefer Abgelohnte Ei
tighin fih betragen wird; 05 er feinen Korb verfhm
zen wird, oder fih rächen?
Card. (mit lauter Stimme) Sich raͤchen! da
ſteh' ich.
Mondr. mie den Buße ihn heimlich ſtoßend. Daf
ſtehſt du, Bruder? Wie Eannft du Das? Mas fi
dir ein“
Carb. (fi faſſend.) Nichts, als daß ih mih V
nuten lang an frine Stelle fegte.
Moſ. Und womis follte er fih rächen? Hier, ı
Alles Bianca eben fo hoch als ihn gering achtet.
Laßt ihn feine Stimme wie eine Heertrompete erbebe
unferer Fürſtinn Eleinftes Liſpeln dringt ftärker dur
MNeint ihr nice, meine Herren?
le (außer dem Gardinet.) Sa mohl! ja wohl!
rn 12) nem
Einer (tintend.) E$ lebe Bianca! Es ſterbe, wer
ihr übel will!
Faſt Alle. Sie lebe und er ſterbe!
Vierter Flor. Sie iſt ſchöner als die Schön⸗
heit, milder als die Milde ſelbſt; nun auch Zucht und
Tugend ſich ſo unwiderſprechlich in ihrem Charakter be⸗
währen, nun gibt es ſicher keinen Florentiner, der für
ihr Leben und ihre Wohlfahrt nicht Altes thäte.
Erfter Flor. Zumahl gegen den Cardinal! —
Er mag immer Prinz von Geburt und Cardinal
durch Geld geworden feyn; unfer Herr wird er fo
leicht nie werden. — Recht thut daher unfer Großher⸗
509, daß er fchweigt, felbft wenn er Alles weiß; denn-
ein folder Feind ift nicht fürchterlich.
Card. (aufficheud zu Mondragone.) Bleib „oder
komm mit! Ich gehe.
Mondr. Und ich folge. (Ab.)
(Zimmer des Bardbinals.)
Eardinal.Mondragone (treten herein), ein Page,
(der vorleuchtet.)
Card. (um Pagen.) Wir wollen allein feyn.
Page. Sogleich, Eure Eminen;.
Card. Aud das nächte Worzimmer halte man
ledig, und verläugne mid) vor Jedermann!
Page. Sehr wohl! — Willen Eure Eminen;
bereits, daß Ihres Herrn Bruders Durchlaucht auf
morgen zu einer Jagd Sie eingeladen haben ?
Card. Doß er und feine Jagd — Schon gut!
Entferne ih! — (Der Page abs der Cardinal wirft Ad
wovon ı26 were
auf ein Sofa ; ſchweigend ſteht vor ihm Mondragone ; eine Paufe
von einigen Minuten ungefäbe.) Iſt ed möglih, daß ich
noch lebe? Möglih, daß ih nicht das Bewußtſeyn
zugleich, hit der Kraft mich zu veritellen, verlor!
Mondr. Dem Himmel Dank, daß doc, endlich
der Unwille Eurer Eminenz in Worte übergeht! Faſt
beforgte ich einen Unfall, größer, als bloßer Schmerz
zu feyn pflegt, aus diefem flummen Gang über bie
Straße; aus diefem hufligen Schritt dieſen feurigen
Augen —
Card. (einfatiend.) O daß fie wirktiches Feuer
wären! daß fie vertilgen könnten jene Brut von Baſi⸗
lisken; und am erften, am langfamften, die Schänd⸗
iiche, die meine Liebe nihe nur verwerfen, ſondern
auch verſpotten konnte; die einem ſolchen Befin-
del meinen Nahmen, einer fo unverdienten Ber:
achtung meine Zärtlichkeit preis gab! — Aber
ih ſchwöre ihr Rache ohne Maß und Ziel! So lange
noch ein Funken Leben in diefem Herzen, ein Gedanke
nur in diefem Kopfe webt, will ih mit Wucher ihr
vergelten — oder fterben. — Unausſprechlich war Die
Größe meiner ebemahligen Liebe für jeden
menfhliden Mund; die Größemeines jeßti-
genHaſſes würde felbft der höhern Genien feiner
auszuſprechen vermögen.
Mondr So höre id denn doch endlich wieder
des großen Cosmus großen Sohn, und nicht mehr
des ſchwachen Franzens ſchwachen Bruder ſprechen!
Wahrlich, wenn Bianca —
Card. Nennt mir einen Nahmen nicht mebr, der
wie Fieberſchauer mi durddringe! Sparet jedes uns
nüse Wort, felbit jeden andern Gedanken, um nur
vorn 127 j —R
der Kraͤfte deſto mehrere zur Ergrübelung meiner Ra⸗
de zu ſammeln; um ihr, dieſer Heuchlerinn, dieſer
giftigſten aller bunten Nattern, ganz zu vergelten, wie
es ſich ziemt!
Monde. Und was braucht es denn der Gedan—⸗
fen und der Grübeleyen viel? (mit Dem nagdrüdlichſten
Tone.) Wenn ich anders mit einen Kürften, werth
feines Fürſtenſtammes — wenn ich felbit nur mit eis:
nem Manne, empfindlid bey der bitteriten Kraͤnkung
für unfer männfiches Geſchlecht, fprede „ fo muß
Bianca fterben. ı .
Card. Sterben muß fie! Und o daß fie Das nur
ein Mahl kann! — Mondragone, dus fprihft nicht nur
mit einem Mann und einem Furſten; du yprift
auch mit "einem Medizäer, dem Ehre und he
lieber als das Leben felbft find. — (Mit grimmigem Hohn⸗
tagen.) Ha, daß ich wüßte einen Wunderntann zw fins
den, der aufs Todten erweden ſich veritande;
vom Ende der Welt ber verfchrieb’ ich ihn mir, um
taufend Mahl meine theure Schwägerinn in’6 Leben zus
rück zu rufen, um taufend und ein Mahl fie zu tödten.
— Sieh, die größere Hälfte meiner Jahre gab’ ich
mit Freuden hin, Eönnte iy in Diefem Augenblide
den Dolch auf Bianca züden; und doch — doch wolls
te ich wieder bis in's Alter meine Rache verſchieben,
wüßte ih nur dann fie roh wirffamer als heute
zu machen.
Mondr. Weg mit Aufſchub! Das geſchieht
nimmer vielleicht, was nicht bald geſchehen kann.
Sit es nicht ſonnenklar, daß morgen Abends ſchon je⸗—
des Kind in ganz Florenz mit jener unglücklichen, (mit
geſchieiftem Zone) von mir fo weiſe befämpften Liebe
wo. 128 vor
bekannt feyn wird ? Sit es nit fonnenkiar, daß
Großherzog — gefegt, er wußte auch jetzt noch mi
davon — doch bald es wiſſen wird und willen ma
St es nicht wahrſcheinlich, daß aud dann, went
ein Weilchen ſich veritellen ſollte, wenigftens nicht |
ge mis diejer Verſtellung anhalten wırd? Muß De
nicht peinficher für Eure Eminenz das Hierbleibe
nicht gefährliher da Hınweggehben, n
unausführdarer jeder Plan der Rache werden f
Sept , weil der Haufe noch zweifelt und ſchwan
jegt, weil Franz noch nicht Partey ergriffen, Bia
durch ihre Schwaphaftigfeit, die überlegt ger
feyn mag, unfern Yincerzang nur no vorberein
bar; jest müffen wir aufs ſchleunigſte ihr zuvor Ee
men! Ihr zuvorfommen, — oder Verbannung ift (
ver Durchlaucht Loos; Schmach und Spott felbft übe
Grab hin noch Ihres Nahmens Erbtheil.
Card. Jetzt! Jetzt! — Aber wie kann ih F
ſogleich? Was ſoll ich jetzt thun?
Mondr. Mich bevollmachtigen; und dann m
ganz allein dafür ſorgen laſſen.
Card. (erſtaunt.) Nichts mehr a Tas? — O u
Herzen gern! Und wenn Woite nicht genügen, dar
mein theuerfter Freund hm um den Hals ralcı.a) hu’
diefer Ruß, Diele Umarmung. — Aber was willit d
was Eannit du thun?
Mondr. Altes! denn fhon hab’ ih dus Mei
vorbereitet. — Es bedarf noch zehn tauſend Zedın:
und Franz und Bianca kehren von der morgenden Jac
die ih ſchen laugſt wußte, bevor noch der Page fie a
Fündigte, gewiß air lebendig zuruck.
Card. Gnmer erftaunser.) Nicht lebendig t Morg
ſchon
wer, 3 ög russ
don? — Was für Rotten haſt du denn in Beſchlag
genommen? Was für Völker heimlich geworben?
Mondr. dächeind.) Keine! Braucht ed der Rot⸗
ten und der geworbenen Mannſchaften gegen das Le⸗
ben von zwey Menſchen? Der einzige Mundkoſch
Bianca's erfegt Dieß alles. Er iſt gewonnen, fobald er
zehn taufend Zedinen empfangt ; und Bianca findet
eben da, wo fie mit eigenen Händen fi ein Labfal zus
bereitet zu haben glaubte, tödtende Schmerzen und
alle Qual einer fruchtloſen Verzweiflung. |
Card. (uugewig.) Gift alſo! Gift! — (Ein Pant
Augenblicke in ſtummem Nachdenken.) Gift! — (mil geäns
dertem, gleichſam wankenden Tone.) Mondragone, vergib
meiner Schwäche! Vielleicht lachſt du, wenn id dir
geſtehe — Doc durch jedes aufrichtige Geſtändniß wird
ja mein Zutrauen gegen dich nur immer flärber bes
zeichnet.
Mondr. Nun, Eure Eminenz, dieſer Eingang ?
Card. Merdings liege im Worte, tödten,
der Sußigkeit viel für meine Race; aber im Worte,
Gift, in dem Gedanken von Beftehung eines
Mundkochs? — Es war die Art von Waffen,
wodurch Papft Alexander und fein Sohn Läfar Bors
gia flegten; aber es find nicht diejenigen, die einem
Medizaer ziemen. — Unfer Geſchlecht zieht die edle
Wuth des Löwen der niedrigen Hinterlift ei-
ner Schlange vor.
Mondr. (tänermd). Daß es doch mit gewiſſen
Redensarten wie mit gewiffen Gefäßen gebt: fie ts
nen defto fhöner, je leerer fie find! — Wenn feis
nen Feind zu tödıen der Rache wohl vergonnt iſt, —
und welcher Mann von Geift zweifelt daran? — me
Meißners Bianca Car. 2. Tht. J
——XX 130 wo
iſt dann bie ie laͤcherliche Vorfhrift, die dad Gemwe
zu diefer Rache beftimmte, oder wohl gar eine Na
ordnung bey diefen Gewehren einführte! — Und
mahl gegen ein Weib! Iſt es edler auf ein fol
Geſchöpf den Dold zu züden, als einen Gift
her ihr hinzureichen ?
Card. Du wirft bod nicht jeden Unterfd
zwiſchen Rache und Rache läugnen ?
Mondr. O nein, denn dann fpräche ich Unfi
— Wäre es in Shrer Gewalt, durch einen Herofd
tem Feinde Krieg anzukündigen, ein mächtiges H
zu fammeln, und ihm obzuſiegen; dann wäre frey
eine folhe offene Feldſchlacht rühmlicher,
ein Sieg durch Hintertift. Dod da einmahl d
Hinterlift und unumgänglich geworden, fo gilt in
auch völig ein Werkzeug den übrigen gleich. 9
Grade der Nugbarkeit, Grade der Sicherhe
find es, die dem Medizäer fo theuer ald dem Geri
fien im Volk bey feinen Anfchlägen feyn nüffen.
Card. Ih babe feine MWiderlegung mit W
ten, aber wohl ein Gefühl, bas widerftrebt.
Mondr. Nur Schade, daß eben diefed Gef
Eure Emineng oft ſchon irre führte! (etwas faster
Oder wären Sie vielleicht noch der nähmlichen M
nung, der Sie ehemahls waren? Noch voll der fü
Hoffnung, daß unfer Anhang dem Andange dei bu
Yauchtigiten Paares gleich komme? Haben Ihre eig
Sinne noch nicht ſich überzeugt, daß nichts flärker
Pöbel an fih feßle, ald ein ſchwachköpfiger Zürft, ı
“ mählt mit einer heuchleriſchen Sraut— Wohlen, r
Eure Eminenz gut däucht, das gefhehe! Ihr €
ſchluß werfe aud über mich das Loos! — Gewi
HR DAL ev
bin ih von dem Dafeyn des heutigen Tages nicht -
überzeugt, als daß beylängeem Zaudern der Untergang
uns Allen bevoriteht; doch ihn feften Fußes abzumars
ten ift meine Treue erböthig. — Wahrfcheinlicyer ıfk
mein näditer Pulsfchlag nicht, als daß Franzens und
Bianca’d Tod auf das Haupt Eurer Eminen; bie groß⸗
berzogfihe Krone im nähmlichen Augenblick befeſtigt.
Doch Bianca lebe, weil ed Ahnen fhimpflich dünkt fie
zu tödten! Sie lebe, und treue rubig Abſchriften ıhres
Briefes von einem (Ende Europa’s bis zum andern!
freue fi ruhig ihres grofiberzoglihen Gemabls,
den fie erworben, und ſeines durchlauchtigen
Bruders, den ſie — abgewieſen bar! Seibſt,
daß auf die Nachwelt noch das Andenken dieſes Vor⸗
falls Eomme, dafür werden wohl die Novelliſten und
Balladenfänger zu forgen wiffen.
Card. (parig.) Ha, bey Himmel und Höfe!
Wenigſtens fol Bianca nie eine folde Novelle leſen,
nie einer ſolchen "Ballade zuhören können! — Mions
dragone, ich ergebe mich deinen Gründen. Sie raubte
mir Erbfolge, Hoheit, Ruhe der Seele, Hoffnung und
Ehre; das Einzige, was ich ihr wieder rauben kann,
ift das Leben; und mıt Recht nennft du es Thorbeit,
wenn ich erſt lange noch nachgrübeln wollte, wie Dieß
am ehrbarſten geſchehen könne. — Sie ſterbe!
Sterbe morgen noch! Und Franz leiſte ihr im Tode
Geſellſchaft. Sein Leiden verdopple ihre Folter, mein
Hohn ihre Todesangſt! — Wenn ihr brechendes Auge
— — Mondragone, Mondragone, ſollte auch tie
Frende der Rache nicht aus der Hölle ſelber ſtam—
men; nahe verwandt iſt ſie ihr wenigſtens; Das fühle
ih; Das fagte mir — — — doch weg damit! (mr de⸗
99
wos 1393 nen E
wechfeltem Tone,) Zehntaufend Zechinen waren ed,
der verrätherifhe Mundkoch verlangte?
Mondr Mur zehntaufend Zechinen.
Card. Nimm dieſes Taſchenbuch! Duwirft I
ſel von dreyfach größerm Werth darin finden. Sieh
Überfhuß davon ald mein erited Geſchenk an; die
fern folgen! — folgen vielleiht, ehe die morge
Sonne uoch untergebt.
Mondr. Wenigfiend fol ed nicht an mei
Eifer fie zu verdienen mangeln! Alles, was ih
Eurer Eminenz zu empfehlen babe, ift: hüthen Sie
vor den Genuß einer Torte, die Bianca ſelbſt,
ein Kunſtwerk von ihrer Hand, Ihnen darbiethen w
Card, Wie? ſollte fie alfo doch vieleicht —
Mondr. (Gächeind, O nein! in Meeiſterſtüe
diefer Art ift fie unſchuldig: obſchon eben dieſe Unſch
ihr hoch zu fiehen fommen, und fogar den Berda
diefer That von und abwälzen fol. — Die Thör
glaubt fih ausſchlußweiſe im Beſitz, ein gewiſſes
bäcke verfertigen zu Eönnen, das fie, feiner außer
dentlihen Kühlung wegen, eben dann, wenn Sr
auf die Jagd geben will, am gewöhnliditen bereii
— (mit bitter fyottendem Zone.) Auch fur morgen bat
gütige Hausmutter ſchon geforgt ! Aber ich kenne eir
Mann, der meifterlicd) das gleiche Backwerk verferrig:
noch meiiterhafter es mit dem heftigiten Gift du
würzen, und am meifterhafteften fein Kunitftüsk ihr
Machwerk unterfhieben wird. Zu ihm eile ich je
um diefe Summe ihm binzubringen. Lebt wohl, m
Fürſt, denn meine heutigen Augenblide find nun ke
bar! (will gehen.)
IR 153 —XX
Card. (der ihn laͤchelnd bey der Hand kaßt.) Do
nicht fo Eoftbar, daß Ihr nicht meinen Dank noch erſt
annehmen Eönntet? Wahrlih, wein man deſto mehr
den Schauſpieldichter lobt, je einfacher und wirkungs⸗
reicher ſein Plan angelegt worden, ſo verdient auch
jenes Trauerſpiel, das Ihr zubereitet, meinen Beyfall
und meine Bewunderung im höditen Grade. — Nur
Eines fürchte ih) dabey noch: dürfte nicht vielleicht ein
Aufruhr des Pöbels, wenn dieſer doppelte Tod nun _
ruchtbar wird — —
Mondr. (einkallend.) Keine Sorge hierüber, Eure
Eminenz! Ich kenne diefes Wolf. Es bethet, wie Is⸗
rael, den Baal an, ſo lange er aufgerichtet ſteht; und
opfert wieder ſofort auf den Altären feines ehemahli⸗
sen Gottes/ wenn ein muthiger Elias jenen Gößen
niedergeworfen dat. (verbeugt fi und geht.)
Card, (im nawrutend.) Wohlgeſprochen! Und
doch wollte ih wahrhaftig Deifen Scharfiinn loben,
wollte ibm felbft den Lohn unſers morgenden Vorha⸗
bens abtreten, der die Vergleichung von Signor Mons
dragone mit Elias dem Thisbiten fortjufegen vers
mochte. ’
Klüglich handelden die Söhne des Laſters, daß
fie ſchon den nächſten Tag zur Ausführung ihrer
Meuterlift anberaumten. Einen Morgen fpäter, und
Mondragone fah fih ın feinem eigenen Garne ver-
ſtrickt! Denn die Triebfeder, die er angewandt hatte,
um bie Erbitterung bes Cardinals auf den böchften
Grad zutreiben, griff — was ihm auch nicht unerwartet
un 104 om
kam — bald weiter um fig, als fie ihrer eigentlichen
Beſtimmung nach follte. Das Gerücht von Ferdinands
Liebe zu Bianca, und von ſeiner Abweiſung, ward
noch an eben dem Abend das Geſpraͤch der zahle
reihften Tifhgefellfbaften ; fam zu den Ohren von
nebr als hundert Höflingen. Zwar adıteten die Meise
iten davon dieſe Sage roh für ein müßiges Stadt⸗
mäbrchen; doch grühslten auch Wiele bereits ſolchem
nad; glaubten den Schein einiger Gründlichkeit zw
finden; und webten darnad ihre Iufrigen Pläne: Selbft
Modefini hörte davon. 'Mie des Cardinals. Freund,
durch andere KAundidafter fhon vor Mondragone ges
warnt, und durch Briefe, Die felbft von Venedig aus
der alte Capello an ihn geſchrieben hatte, zur Vorſicht
ermahnt, war ev entfblofen, nur nod ein Paar Eleine
Ertundigungen mehr einzuziehen, und dann am näche
(ten Tage mir feinem Zürften ſelbſt zu fprechen.
Das Einzige, woran ſich alle Übrigen itießen, war
die Freundſchaft, mit weicher Franz feinen Bruder zu
beyandein fortfubr, und die — dafur bürgte fein Char
rakter! — unmöglich Beritelung feyn konnte. — Un⸗
glückliche Götter dieſer Erde! Ihr ſeht oft nicht, wißt
oft nicht, ahndet nicht einmahl, was euer niedrigſter
Stallknecht ſieht, weiß, oder adudet.
Wenig Nächte ſeines Lebens hatte Franz ſo ſanft
hingeſchlummert, als diejenige, die ſeinem fürchterlich⸗
ſen Tage voranging. Richtiger, vorherſehender war
BPianca's Gefühl geweſen.
8 3 35 —X
Nächſter Morgen.
(Bianca's Zimmer)
60
Bianca Kammerfrauen (die fi ſogleich entſernen⸗
da der Großherzog hereintritt.)
Großh. Biſt du bereit, meine Theuerſte?
Bianca. Schon ſeit einer Viertelſtunde, mein
Gemahl.
Großh. (lächeind.) Alſo wärft du auch wohl in
der Thorheit des langen Anputzes eine Ausnabme
von deinem Geſchlecht? — (fe liebreich umarımend.) Wahrs
ih, Seele meines Lebens, der Tag fol noch kom⸗
men, wo ich nicht einen Vorzug mehr.an dir entdes
de! O pie wohlfeil habe ich doch den größten aller meir
ner Schäßr erkauft! — ESie ſtarr andlidend.) Aber wie?
an deiner Augenwimper hängt ı eine Thräne? Worüher
kann Bianca weinen? J
Bianca (ſich su einem freundlichen Lächeln zwingend).
Und Eönnte Dieß nicht eine Thräne der Freude, feyn ?
— der Sreude, fih vom edelſten aler Füuͤrſten fo zärtlich
geliebt zu fehen ?
Großh. Emmer aufmertfamer werdend.) Nein, wahr⸗
fi nein, Das ift die wahre Urſache nit! — ieh,
Bianca, da quille noch eine Thraͤne hervor! Bas iſt
dir, theuerſte Gemahlinn? Rede! Vertraue mir deinen
Kummer!
Bianca. Könnte ich die Urfachen diefer Thränen
erklären, dann wiirde ich dir ein Raͤthſel loͤſen, dag
mir ſelbſt unerklärlich bleibe. — Franz, du lodteſt mich
zwar eben; und zuweilen beſtrebe ih mich auch, dein
Lob zu verdienen; aber doch bleibe ich. immer ei
DIOR 136 m.
Weib; bin oft hingegeben ſchwermüthigen Lauren, oft
Heinen Beängftigungen, die da kommen, ich weiß
nicht: woher? die'wieder verfliegen, : ih weiß nieht:
wohin — Sey daher, theurer Gemahl, auch bey
meinem heutigen Mißmuth unbeforgt! Er ift Bloß För-
perlih und wird wahrfheinlich Auch heute noch durch
Bewegung zerftreut werden,
Großh. Ich würde dır gern glauben; denn nod
nie fand ıch eine Unwahrheit in deinem Munde. Aber
doc drängen fih in mir der Gründe zur Beſocgniß
noch mehrere auf: die Unruhe deines Sclafes in der
vorletztern Nacht — —
Bianca (etwas betreten.) Haͤtte ih einige mere
Een lajjen ?
Großh. Sa wohl. Durd ven lauten ängſtlichen
Ausruf einiger Worte, bie ich nicht verfland, ob jie
gleich mich weckten. Schon wollte ich wieder einſchlum⸗
mern, da warfit du dich wieder auf die andere Seite;
riefit zwey Mahl aus tiefiter Brut: Ferdinand, ers
dinand! und bald darauf: ift denn gav feine Hülfe‘
— Ich wollte did wecken, aber du wardft von ſelbſt
wieder ruhig.
Bianca. Es muß ein Traum geweſen ſeyn; —
fo nichtig, daß ich ſelbſt ſen Daſeyn vergeſſen
habe. |
Großh. (fie ſtarr anfehend.) Wirklich nur Traum?
Aber aud Träume werden zumeilen von vorhergegans
genen Gedanken erzeugt! — (Sie gärılih bey der Band
faftend.) Bianca rede! Es ift dein Gemahl, der dich
bittet; ein Öemahl, der es für ein Geſchenk aufneh⸗
men würde, wenn du nur irgend etwas von ihm er-
bitten wolltefi. Sprih! Mißfällt dir Jemand? Ges
m. 137 en
forgit tu etwas? Nur ein Wort, und bisauf die Hälf:
te meines Fürſtenthumsͤ ſteht Alles dir zu Geboth. —
Du ſchweigſt? Soll ih rathen? Wäre vielleicht ‚der
Cardinal dir zuwider? — — Er iſt mein Bruder;
ic) freute mic) feiner Ausfühnung; aber — —
Bianca (fi zwingend.) Eben weil er dein Bru⸗
der ift, Eann er unmöglich mir verhaßt feyn. Glaube
mir, mein Gemahl! Ich ſelbſt räume dir zwar eine ges
gewiffe Unruhe meiner Seele, eine gemwiffe Dumpf-
beit meines Geiſtes willig ein; aber, nochmahls geſagt,
die Urſache davon ift mir felbft fremd. Wären Abe
nungen nicht Hirngefpinfte, fo beforgte ich ‚irgend wo :
einen verſteckten Feind, einen nefährlichen Haſſer.
Großih. Cäseınd.) Du einen Feind, einen Hafs
fer ? — Weib mit ter Miene der Liebe felbft, wo naͤhmſt
du Zeinde her? Meuchelmörder konnte man keck gegen
dich Dingen; du würdeſt did) ihrer doch mit einem ein⸗
zigen Blick erwehren; und dem verhärteften Böſe—
wicht entfünke der Dolch, wenn er ins Auge dir ſchau⸗
se. — Du bebarrit auf deinem Schweigen? O Bians
ca! Ausflucht und Merftellung ift ein allzu feltnes Ges
wand für dich, als paffend dir anzuliegen. Die ganze
Jagd wartet jekt auf uns, ihretwillen gllein höre
ich für das Mahl aufin dich zu dringen; aber wiffe,
noch diefen Abend fange ih von Neuem an, und laſſe
niche eher ab, bis du ganz dein Herz mir aufgefchlofr
fen hatt. |
Bianca (ach gärtlih an ihn (bmiegend.) Daß du
in diefes Herz Blicken könntet! Sicher fändeft du in
ihm Eeinen Gedanken, der von dir entdedt zu werden
fi) fhämen dürfte; gefeßt daß du auch auf einige trä-
fefi, die ih mir ſelbſt zu enthüflen ſcheue.
U LU
ro 158 OR
Ah, daß diefer Abend, zu dem Franz ſich |
bereitete, niemahls einbrach! daß Bianca der
nung nicht traute, von der ihre ganze Seele en
ſchwoll! — Jene prophetifhe Kraft unferd Geit
nur von Denen bezweifelt, die yegen eigenes Ge
zu ſtreiten ſich nicht erblöäden — wozu nüßt fie ı
da wir fo felten Gebraud von ihr machen, und
chen Eönnen ? — Zwanzig Wahl wollte Bianca, in
fie an der Hand ihres Gemahls die Treppe des Sch
fes herab ging, ihn aus einer Regung, ihr ſelbſt
begreiffid, zurüdzufehren bitten. Eben diefes!
benreiflihen halber zwang’fie jih, und ging im
weiter herab.
Des Fürften wartete unten bereits der ganze T
der Jagd; es wartete feiner ber Cardinal, und wı
dem Schwarm der Höflinge auch Mondrageone ;
nun wieder bffentlich begnadigt und in feinen vori
Rang eingefegt worden war. Auch er follte einer
den heutigen Begleitern feinee Bebiether feyn. Uı
den vier Kaͤmmerern, zur füritlihen Bedienung
ſtimmt, hatte Mondragone drey mit fhmwerem Ga
su feinen Geſellen erfauft; noch wußten fie felbit
Bubenſtück nicht, das fie befrdern helfen follten;
hatten bfoß dern Gardinal ihre Dienfte zugefagt,, ı
erwarteten nun rubig , was man fordern wür
Der Vierte, ein redliher Mann, war unerkauf
geblieben; aber auch er wußte nichts vom Belange:
nem Monarchen anzuzeigen; und wie hätte er ed a
thun Eonnen , bewacht von allen Übrigen Augen!
Die Jagd ging an; Bianca’d mitleidige Se
hatte nie an tiefer Ergeglidkeit viel Vergnüg
gefunden: heut empfand fie fogar Abſcheu dar
— 130 were
Jedes Bley, dad den flüchtigen Hickch zu Boden warf,
ſchien fie feldft zu verwunden. &ie ſchlug es mehrmahls
aus, jelbit auf eines diefer unglücklichen Thiere das
Gewehr loszudrüden ; und oft flieg eine helle Thraͤne
in ihr Auge.
„Immer Eann ih mid — ſprach fie — des Ge⸗
dankens nicht erwehren, daß das Tödten ſelbſt der ges
niefiaren Thiere höchſtens unferm Bedürfniß, nie
unſerer Luſt freygeſtellt ſey; mie kann ich den Glau⸗
ben unterdrücken: daß es in der Reihe der Weſen, 4
die Kette ih am Thron der Gotiheit ſchließt, noch
tauſend beſeelte Erſchaffungen geben möge,
die den Menſchen, ſelbſt den Fürſten, tiefer hinter
ſich zurück laſſen, als der Fürſt den Hirſch. Wehe uns,
wenn dieſe Stärkern dann die nähmlichen Örundfäße
der Moral befolgten! Heft würde ihnm für eine Pars
force Segd und bethlehemitiſcher Kinder
mord fir eine Hetze gelten.”
Offenherzig zu geſtehen, hatte Bianca diefe ganze
Tirade fir) eriparen Eönnen; Worte diefer Art wurden
in einer ſolchen Geſellſchaft (denn Franz war zu weit
voran, als fie hören zu können) nur tauden Obren
gepredige. Aber wenigfteng verſicherten die Kammer⸗
junfer, die zunaͤchſt der Fürſtinn ritten, daß Dieß mit
wahrer himmliſchen Milde und Weisheit gefproden
ſey; und fpornten in nächſter Minute nicht minder
ihre Pferde, um ein armes Reh fällen zu helfen. .
Die zur Jagd beſtimmten Stunden waren nn
vorüber; die Roſſe matt, die Neiter nach Speiſe und
Erbohlung begierig, das Schloß, wd der Großherzog
fein Mittagsmahl zu bereiten befohlen hatte, in der
Nähe; der ganze Zug wandte fi dorthin‘; Franz,
OR 140 AI
Bianca und Ferdinand ſetzten ſich zur Tafel. Mon
gone war der Einzige, der mitzuſpeiſen gewürdigt w
- auch Dieß wußte der Werräsher bereitd, und noch
baglicher war ihm eine Gewohnheit Sranzens „
“ aufgejegtem Nagtiſch alle eigentlihen Bedien
ein Paar Kammerer ausgenommen, berausgehen
heiffen.
Waͤhrend der Mahlzeit ſelbſt nahm Ferdinant
ſammen, was nur an Heiterkeit und Laune zu le
ihm möglich war. Mondragone, in Allem der geſch
dige Höfling, unterſtützte ihn treulich; Franz ſelbſten
hierdurch bald munter und ſcherzhaft; nur Bie
ſchien abermahls ihr Genius in das Ohr zu flüſt
daß Dieß ihres Lebens legte Mahlzeit fey. So
fie fih zwang am Gefprähe Theil zu nehmen,
ſichtbar blieb doch immer eben diefed Beilreben
Dad Mißtrauen gegen ihre beyden Gaͤſte. — ©
trua man die Nachgerichte auf; bie Bedienten
fernten ih, und Franz wandte fi läächelnd zu Biaı
„Sit fhon da, was du mir geftern verſpracht
Bianca (auf eine Torte geigend.) Hier mein G
mahl!
Großhb. Vortrefflich dem Anſehen nach,
wahrſcheinlich auch nicht geringer an Güte. — (
Sardinat.) Bruder, unfere bisherigen Gerichte ſchie
dir. zu ſchmecken; und Fein Wunder auch; denn ſt a
Bewegung, einfehr guter Koch, hatte jie gewü
Aber fieh bier ein Bericht von der Hand eines, w
auch nicht beffern, doch gewiß noch ſchöne
Kochs, von meiuc Bemahlinn feldft zuberei
(Indem er die Schüſſel ihm darbiether.) Nimm hin ‘„ und
es tir ſchmecken! ’
wen 141 wo
Card. (fie abtehnend.) Ich danke.
Groß h. (dalb vermunderungsvou.) Miet du ſchlaͤgft
eine Speiſe von ſo ſonderbarer Art aus?
Card. (abermadis fie zurückwehreud.) Allerdings fon«
derbar genug! Aber ich effe kein Gebäcke.
Großh. Polen! Ich ſah ja ſchon tauſend Mapı
did teergleuben ejfen.
Kar. cmmer fatt.) Raum! Und zum menigiten
bin ich jetzt ſatt.
Großh. Du kannſt es unmöglich ſo ſehr ſeyn,
daß du — und wäre es auch nur der Neugier halber —
meiner Gemahlinn abſchlagen koͤnnteſt ‚ einen Veweis
von ihrer Kunft zu orten,
Card. (mit zweydeutigem Tone.) Neugier war
nie mein Fehler, und die Kunft meiner theueriten
Frau Schweſter kenne ih fhon aus mancher. weit ſchwie⸗
rigern Probe, — Erlaude mir alfo immer dieß Mahl
meinem Öefchmade und meiner Laune zu folgen‘
Großh. (Heieitige ) Bey alle Dem eine fonderbare
Laune! Du glaubft doch nit, daß die Hand Bianca's
dir etwas Gefahrvolle 6 zurichten könne? Sieh dann
bier den Gegenbeweis und, erröthe ! (Er bricht ein Grüd
ab, und ıft.)
Card. Ich würde allerdings jet erröthen, wenn
ein folder Gedanke mir jemahls hätte beyfallen Eönnen.
Bianca (die ben Franzens letzter Rede erſt recht auf
mertſam getwosden.) Entfeglih, wenn Eure Eminenz aud
nur ein Schatten von dergleihen Argwohn beunruhi⸗
gen könnte! (mit bedeutendem Bud.) Mißtrauen zwiſchen
und Beyden foll hoffentlich nie von die ſer Seite here
Eommen. Auch ich folge meinem Gatten : (indem: fie abs
ſchneidet mad ihr.) Belieben Eure Eminenz nun? .
won 142 wen
Card. Eben nun am wenigften. — Denn
ade jegt wäre jeder Genuß ein Anſchein mehr,
vorher irgend ein Verdacht obgemaltet hätte.
Großh. immer noch Seleidigter) Verzeiht
Bruder — ich bekenne — Ihr ſprecht mit einem
ne, der mic, befremdet. (Mondragene winke in Bef
Card. (anf) So muß ich wahrlih anders
hen, 'als ich es fühle, anders als ich zufprechen $
lens war; aberdann brächte auch nur der Unwille,
mein tbeurer Bruber eined folhen Argwohns
ſchuldig achten Eann, mein Blut in Wallung.
Glaubt mir, auf meine Ehre! Schon langft hate
bey jeder Erhigung den Gebraud , vor allem X
werk mich zu hüthen; warum folteih nun eben h
meiner Eitte nicht folgen dürfen? Laßt von d
Zorte nur etwas zum Nachtmahl übrig‘, und ihr
ſehen, wie trefflich fie mir dann befagen wird !
Diefe legte Rede fhien Franzen zu befänftig
der gefallige Mondragone wußte bald wieder Drop
eınem neuen Geſpräche herbey zu ſchaffen. Eine Ei
Diertelftunde verlief abermahls ; der Großherzog fd
eben Luft zum Aufftehen zu bekommen, und Zerbin
batte fhon verſchiedene ungewiſſe Slide auf Mont
gone geworfen, als plögfid die Wirkung, nad n
her diefe beyden Treuloſen fo fehnlich erlangten,
zu außern begann.
Denn Bianca, Die bereitd feit einigen Aug
bliden ihr Haupt fhweigend auf ihre bohle Hand
ftügı hatte, brady auf einmahl in eine Iınde Klage a
⸗ m. 143 RM
die bald in Tone des heftigften Schmerzens Überging. —
„Ein glühendes Feuer, fprach fie, wüthe durch ihre
Eingeweide.” — Die Erhigung ihres Antliges, der
Angſtſchweiß auf ihrer Stirne bewiefen, dab fie nicht
zu viel fage. Vol zaͤrtlicher Beſorgniß eilte der Groß⸗
berzog ihr zu, ſchloß lie in jeine Arme, forfchte ängft«
lich nad den Umftänden und der mutmaßlichen Urs
ſache diefes Befindens, ließ, durch drey Kämmerer uns
terftüßt , fie auf einen Sofa des Nebenzimmers brins
gen, und befahl dem vierten Kämmerer mehrere Bes
dienten herbey zu rufen, auc einen Arzt hohlen zu
laffen. Der Kämmerer ging; doch ein Blick des Cars
dinald.befahl diefem Zreulofen das Gegentheil feines
Auftrags. Der Miethling ahnte bereits, was hier
vorgebe, oder noch vielleicht vorgehen werde, und
war nichtswürdig genug, diefem Blick mehr als je-
nem Gebothe zu gehorden.
Franzens Angit, indem Bianca’d Schmerzen mit
jedem Augenblid noch immer höher ſtiegen, war un⸗
befchreiblich. Weil der Kämmerer wieder zu kommen
verzog, und Bein Diener erfhien, wollte er ſelbſt
durch das ganze Schloß nad Bedienten und Helfern
rufen; als blitzſhneil auch in feinem Innerften eine
Hölle aufzulodern fhien; ald er mit dem Ausruf:
Gott, das find Schmerzen des Todes! auf eben dem
Sofa, wo Bianca ‚lay und litt, zu den Füßen dies
fer feiner Gattinn fi Hinwarf, und feinen mit ihr
befhuftigten Kämmerern zurief: daß doch einer von
ihnen ſchnell der. Ärzte, fo viel er Eönnte, berbey
fhaffen möchte. — Sept wollte wirklich jener einzige
redliche Dann, deffen Unbeſtechbarkeit wir ſchon vors
‘-
wenn 190 -
Weib; bin oft hingegeben ſchwermüthigen Launen,
Heinen Beängftigangen, die da kommen, ich
nicht: woher die wieder verfliegen,: ih weiß n
wohin! — Sen daher, theurer Gemahl, auch
meinem heutigen Mißmuth unbeforgt! Er iſt bloß
perlih und wird wahrfcheinfich auch heute nody ü
Bewegung zerftreut werden,
Großh. Ich würde dır gern glaufen; denn
nie fand ich eine Unmwahrbeit in deinem Munde. !
doch drängen fih in mir der Gründe sur Beſor
noch mehrere auf: die Unruhe deines Schlafes im
vorlegtern Nacht — —
Bianca (etwas betreten.) Haͤtte ich einige ı
Een laſſen?
Großh. Ja wohl. Durd den lauten ängftli
Ausruf einiger Worte, die ich‘ nicht verftand, of
glei mic) wedten. Schon wollte id wieder einſchl
mern, da warfıt du dich wieder auf die alidere &e
riefit zwey Mahl aus tiefiter Bruft: Ferdinand,
dinand! und.bald darauf: ift denn gar feine Hl
— Ich wollte dich weden, aber du wardft von f
wieder ruhig.
Bianca. Es muß ein Traum gewefen feyn ;
fo nigtig, daß ih felbjt fen Dafeyn verge
babe. |
Großh. (he ſtarr anfehend.) Wirklih nur Trau
Aber auch Träume werden zumeilen von vorhergeg
genen Gedanken erzeugt! — (Sie zärtlich bey der g
faffend.) Bianca rede! Es ift dein Gemahl, ber |
bittet; ein Gemapl, der es für ein Geſchenk aufn
men würde, wenn du nur irgend etwas von ibm
bitten wollteft. Sprich! Mißfällt dir Semandt
voor 197 voson
forgit du etwas? Nur ein Wort, und bisauf die Hälf:
te meines Fürftentbumsd ſteht Alles dir zu Geboth. —
Du ſchweigſt? Soll ih rathen? Wäre vielleicht ‚der
Cardinal dir zuwider! — — Er iſt mein Bruder;
ic) freute mich feiner Ausfohnung; aber — —
Bianca (fig zwingend.) Eben weil er bein Bru⸗
der ift, Eann er unmöglich mir verhaßt feyn. Glaube
mir, mein Gemahl! Ich ſelbſt raume dir zwar eine ges
gewiffe Unruhe meiner Seele, eine gewiffe Dumpf:
beit meines Geiſtes willig ein; aber, nochmahls gefagt,
die Urſache davon ift mir felbft fremd. Wären Ab:
nungen nidyt Hirngefpinfte, fo beforgte ich ‚irgend wo
einen verfteckten Feind, einen nefährlihen Hafer.
Groß h. (iadeind.) Du einen Feind, einen Hafr
fer ? — Weib mit der Miene der Liebe felbft, wo naͤhmſt
du Zeinde her? Meuchelmörder könnte man keck gegen
dich dingen; du wirrdeft did) ihrer doch niit einen ein-
zigen Blick erwehren; und dem verhärteften Böfe:
wicht entfünke der Dolch, wenn er ins Auge Dir ſchau⸗
se. — Du beharrit auf deinem Schweigen? DO Bians
ca! Ausfluht und Verſtellung it ein allzu feltnes Ge:
wand für dich, als paffend dir anzuliegen. Die ganze
Jagd wartet jekt auf uns, ihretwillen allein höre
ich für das Mahl aufin Dich zu dringen; aber wiffe,
noch diefen Abend fange ih von Neuem an, und laffe
nicht eher ab, bid du ganz bein Herz mir aufgeſchloſ⸗
fen haſt.
Bianca (ic zärtlich an ihn (bmiegend.) Daß du
in diefes Herz blicken könntet! Sicher fändeft du in
ihm Eeinen Gedanken, der von dir entdedt zu werden
ſich fhämen dinfre; geſetzt daß du auch auf einige trä-
feft, die ih mir felbft zu enthüflen ſcheue.
[U |
®
ER 158 DER
Ah, daß biefer Abend, zu dem Franz fid
‚ bereitete, niemahld einbrah! daß Bianca ber
rung nicht traute, von der ihre ganze Seele eı
ſchwoll! — Jene prophetifhe Kraft unferd Gei
nur von Denen bezweifelt, die gegen eigenes Ge
zu flreicen fi nıdht erblöden — wozu nüßt fie
da wir fo felten Gebrauch von ihr machen „und
chen Eönnen ? — Zwanzig Mahl wollte Bianca , it
fie an der Sand ihres Gemahls die Treppe des Se
fes herab ging, ihn aus einer Regung,. ihr felbft
begreiflich, zurüdzufeßren bitten. Eben dieſes
begreiflihen halber zwang ’fie fih, und ging im
weiter berab.
Des Fürften wartete unten bereits der ganze 5
der Jagd; ed wartete feiner ber Gardinal, und u
dem Schwarm der Höflinge auch Mondragene ;
nun wieder Öffentlih begnadigt und in feinen vor
Rang eingefegt worden war. Auch er follte einer
den heutigen Begleitern feiner Gebiether feyn. U
den vier Kämmerern, zur füritlihen Bedienung
ſtimmt, hatte Mondragone drey mit fhwerem ©:
zu feinen Geſellen erfauft; noch wußten fie ſelbſt
Bubenſtück nit, das fie befördern helfen follten;
hatten bloß dem Gardinal ihre Dienfte zugefagt,
erwarteten nun ruhig, was man fordern wi
Der Vierte, ein redliher Mann, war unerkauf
geblieben ; aber auch er wußte nichts vom Belange
nem Monarchen anzuzeigen; und wie hätte er ed a
thun können, bewacht von allen Übrigen Augen !
Die Zagd ging an; Bianca’d mitleidige Se
hatte nie an Liefer Ergeglidkeit viel Wergnüg
gefunden: heut empfand fie fogar Abſcheu dar
— 150 ee
Jedes Bley, dad den flüchtigen Hickch zu Boden warf,
ſchien fie felbft zu verwunden. Sie ſchlug es mehrmahls
aus, jelbit auf eines diefer unglücklichen Thiere das
Gewehr loszudrücken; und oft flieg eine helle Thraͤne
in ihr Auge.
„Ammer Eann ih mich — ſprach fie — des Ge⸗
dankens nicht erwehren, daß das Tödten ſelbſt der ges
nieflaren Thiere höchſtens unſern Bedürfniß, nie
unferer Luſſt freygeſtellt ſey; me kann ich den Glau⸗
ben unterdrücken: daß es in der Reihe der Weſen, Ai
die Korte fih am Thron der Gotiheit ſchließt, noch
taujend befeelte Erfhaffungen geben möge,
die din Menſchen, felhit den Fürſten, tiefer hinter
ſich zurück laffen, als der Fürſt den Hirſch. Wehe uns,
wenn dieſe Stärfern dann die nähmfichen Örundfäge
der Moral befolgten! Peſt würde ihnen für eine Par⸗
force Zegd und bethlehemitiſcher Kinder
mord für eine Hetze gelten.” |
Offenherzig zu geſtehen, hatte Bianca diefe ganze
Tirade ſich eriparen Eönnen; Worte diefer Art wurden
in einer ſolchen Gefelfhaft (denn Franz, war zu weit
vcran, ala fie hören zu können) nur tauden Ohren
gepredigt. Aber wenigfting verfiherten die Kammer⸗
junfer, die zunachft der Zürftinn titten, daß Dieß mit
wahrer himmlifhen Milde und Weisheit gefprodhen
fey; und fpornten in nadfter Minute nicht minder
ihre Pferde, um ein armes Reh fällen zu beifen. .
Die zur Jagd beftimmten Stunden waren nun
vorüber; die Roſſe matt, Die Reiter nah Speiſe und
Erhohlung begierig, das Schloß, wB der Großherzog
fein Mittagsmahl zu bereiten befohlen hatte, in der
Nähe; der ganze Zug wandte fi dorthin; Franz,
un 140 wen
Bianca und Ferdinand ſetzten fi zur Tafel. Mon
gone war der Einzige, der mitzuſpeiſen gewürdigt w
auch Dieß wußte der Verräsher bereits, und nod
baglıder war ihm eine Gewohnheit Franzen , |
aufgeſetztem Nagtiſch alle eigentlihen Bedien
ein Paar Kämmerer ausgenommen, herausgehen
heiffen.
Waͤhrend der Mahlzeit ſelbſt nahm Ferdinand
fammen, was nur an Heiterkeit und Laune zu [ei
ihm möglich war. Mondragone, in Allemder gefch:
dige Höfling, unterftügte ihn treulich; Franz felbfk u
hierdurch bald munter und ſcherzhaft; nur Bic
fhien abermahls ihr Genius in das Ohr zu flüft
daß Dieß ihres Lebens legte Mehlzeit ey. So
fie fih zwang am Gefprähe Theil zu nehmen
ſichtbar blieb doch immer eben diefes Beitreben
dad Mißtrauen gegen ihre beyden Gaͤſte — ©
trug man die Nacgerichte auf; die Bedienten
fernten ſich, und Franz wandte fi) lächelnd zu Bias
„sit fhon ba, was du mir geftern verfprachi
Bianca (auf eine Zorte geigend.) Hier mein G
mahl!
Großh. Vortrefflich dem Anſehen nach,
wahrſcheinlich auch nicht geringer an Güte. — (
Sardinat.) Bruder, unfere bisherigen Gerichte ſchie
dir. zu ſchmecken; und Fein Wunder auch; denn ffa
Bewegung, ein fehr guter Koch, hatte jie gewit
Aber fieh Hier ein Gericht von der Hand eines, w
auch nicht beffern, doch gewiß noch ſchäöne
Kochs, von meiur Gemahlinn felbft zuberei
(indem er die Schüſſel ihm darbiethet.) Nimm bin, und
es bir ſchmecken!
wen 141 won
Card. (fie ablebnend.) Ich danke.
Groß h. (Haid verwunderungsvol.) Miet du ſchlaͤgſe
eine Speiſe von ſo ſonderbarer Art aus?
Card. (abermabis fie zurückwebreud.) Allerdings fon«
derbar genug! Aber ich effe kein Gebäcke.
Großh. Polen! Ich fah ja fhon taufend Mahl
dich tergleuben eſſen. |
Card. ammer kat) Raum! Und zum mwenigiten
bin ich jetzt ſatt.
Großh. Du kannſt es unmöglich ſo ſehr ſeyn,
daß du — und wäre es auch nur der Neugier halber —
meiner Scmahlinn abfchlagen Eönnteft , einen Beweis
von ihrer Kunft zu koſten.
Card. (mit zweydeutigem Tone.) Neugier war
nie mein Fehler, und die Kunft meiner theueriten
Frau Schweſter fenne id fhon aus mancher weit ſchwie⸗
rigern Probe, — Erlaube mir alfo immer dieß Mahl
meinem Gefhmade und meiner Laune zu folgen !
Großh. (deteirige ) Bey alle Dem eine fonderkare
Laune! Du glaubft doch nit, taßdie and Bianca's
dir etwad Gefahrvolleszurichten könne Sieh dann
bier den Gegenbeweis und, erröthe! (Gr bricht ein Stück
ab, und ıft.)
Card. Ich würde allerdings jegt errbthen, wenn
ein folder Gedanbe mir jemahls hätte beyfallen Eönnen.
Bianca (die ben Franzens letzter Rede erſt recht aufs
mertlam geworden.) Entſetzlich, wenn Eure Eminenz auch
nur ein Schatten von dergleichen Argwohn beunrubi«
gen könnte! (mit dedeutendem Bud.) Miftrauen zwiſchen
uns Beyden foll hoffentlich nie von dieſer Seite here
Sommen. Auch ich folge meinem ©atten : (indem: fie ats
ſchneidet und ißt.) Belieben Eure Eminenz nun?
rue "142 wen
Card. Eben nun am wenigften.' — Den:
rade jeßt wäre jeder Genuß ein Anfdhein mehr,
vorher irgend ein Verdacht obgemaltet hätte.
Großh. (mmer noch beleibigter.) Verzeiht
Bruder —-ich bekenne — Ihr ſprecht mit einem
ne, der mich befremdet. (Mondragene winkt ihm Befi
Card. (anft.) So muß ich wahrlih anders.
chen, ald ich es fühle, anders als ich zu ſprechen
lens war; aber dann brächte auch nur der Unwille,
mein theurer Bruder eines ſolchen Argwohns
ſchuldig achten kann, mein Blut in Wallung.
Glaubt mir, auf meine Ehre! Schon laͤngſt hatt
bey jeder Erhigung den Gebrauch, vor allem X
werk mich zu hüthen; warum folteih nun eben’
meiner Eitte nicht folgen dürfen? Laßt von db
Zorte nur etwas zum Nachtmahl übrig‘, und ihr
fehen, wie trefflip fie mir dann behagen wird !
‘
Diefe legte Rede fhien Franzen zu befänftig
der gefällige Mondragone wußte bald wieder Zrof
einem neuen Geſpräche herbey zu jdaffen. Eine H
Viertelftunde verlief abermals ; der Großherzog fd
eben Luft zum Aufftehen zu befommen, und Ferdin
batte ſchon verſchiedene ungewiſſe Blicke auf Men!
gone geworfen, als plögli die Wirkung, nad x
er diefe beyden Treuloſen fo ſehnlich verlangten ,
zu äußern begann.
Denn Bianca, bie bereitd feit einigen Aug
blicken ihr Haupt ſchweigend auf ihre boble Hand
ftügt hatte, brach auf einmahl in eine Iınde Klage a
‘ IN 143 VIER
die bald in Thne bes heftigften Schmerzens Überging. —
„Ein glühended Feuer, fprach fie, wüthe durch ihre
Eingemweide.” — Die Erhigung ıhres Antliges, ber
Angftihweiß auf ihrer Stirne bewiefen, daß fie nicht
zu viel ſage. Vol zaͤrtlicher Beſorgniß eilte der Großs
berzog ihr zu, ſchloß lie in jeine Arme, forfchte ängft«
lich nad den Umſtaͤnden und der muthmaßlichen Urs
ſache dieſes Befindens, ließ, durch drey Kämmerer uns
terſtützt, ſie auf einen Sofa des Nebenzimmers brins
gen, und befahl dem vierten Käammerer mehrere Bes
dienten herbey zu rufen, auch einen Arzt hohlen zu
laffen. Der Kämmerer ging; doch ein Blick des Lars
dinals.befahl diefem Treuloſen das Gegentheil feines
Auftrags. Der Miethling ahnte bereits, was hier
vorgebe, oder noch vielleicht vorgehen werde, und
war nichtswürdig genug, diefem Blick mehr als jes
nem Gebothe zu gehorden.
Franzens Angit, indem Bianca’ Schmerzen mit
jedem Augenblid noch immer höher fliegen, war un⸗
befchreiblih. Weil der Kämmerer wieder zu kommen
verzog, und Eein Diener erfhien, wollte er ſelbſt
durch das ganze Schloß nad Betienten und Helfern
rufen; als biiefhnell auch in feinem Innerften eine
Hölle aufzulodern ſchien; als er mit dem Auseuf:
Gott, das find Schmerzen des Todes! auf eben dem
Sofa, wo Bianca lag und fitt, zu den Füßen dies
fer feiner Oattinn fi hinwarf, und feinen mit ihr
beihuftigten Kammerern zurief: daß doc einer von
ihnen ſchnell der. Ärzte, fo viel er könnte, herbey
fhaffen mödte. — Jetzt wollte wirklich jener einzige
redliche Mann, deſſen Unbeſtechbarkeit wir ſchon vor:
na 144 vor
ber ruͤhmten, eilen, um feinem Fürften zu gehord
als plöglih Ferdinand ibm Thür und Weg verrrai
Terjenige Augenblick, auf den Mondragone,
Ferdinands Unbeftand fih fürchtend, mühſam nod
biefem Morgen den Gardinal vorbereitet batte,
nun da; und nur zu treulich erfülte Diefer , fon
die Vorſchrift feines Leiters, als auch die Eingeb
feiner eigenen unmenſchlichen Rachgier! Denn
vorgehaltenem Jagdgewehr, und mit donnernder &ı
me befahl er dem Kämmerer zurück zu weichen; war
fih tann mit bitterm Hohnlachen, mit der Schal
freude eined Satans zu Blanca, und rief:
„Ha, durchlauchtige Schweiter , fo hätte.
doch vieleicht in meinem Argwohn mich nicht ganz
irrt? So hätten doch wirklich vieleicht Ihre für
hen Hände mir eine Koft zubereitet, die meine €
geweide zu durgfrefjen beſtimmt war, und jeßt bı
den fonderbariten Zufall in ihrem eigenen wuͤthet?
Glaubte die Schlange vielleiht, daß eigene G
ibr nicht ſchaden könne? Oder riß fie etwa Verz w
felung dahin, als, wahrſcheinlich ganz wider Ih
Plan, der forgenlofe Stanz verzeßrte, was
beforgtere Kerdinand fich verberhen hatte?
Großh. Um Gettes willen, Bruder — ı
Fannft du — — — o welde Schmerzen, dien
zerreiſſen! Um Gottes! Gottes willen, Hülfe!
Card. Sa wohl, n..: von Gott erwarte Häl
Denn durch diefe Thür laſſe ih Niemand weder zu nı
von dir geben, bis deutlicher die ganze Sache
anfflürt. — (Mit dem bitterſten Tone.) Wahrlih, di
Schmerzen, über die ihr fo fihnell, fo fait in eu
Minute end beklagtet, wenn fie von einem Ungefi
bes:
X 145 a]
berfommen, fo find fie ein fo fonderbares Ungefähr,
— fehen einem göttlihen Gerichte fo ähnlich,
daß es ſchon deshalb fündlich ware, fi in des Him⸗
mels unmittelbaren Rathſchluß zu miſchen. Meint du
nicht auth, Mondragone?
Monde. (ie Achſel zucend.) Eurer Eminenz durchs
dringender Einſicht unterwerfe ih meine Meinung ;
freylich —
Großh. Alſo auch du willſt mich erben fehen!
D Bott — o Gott!
Card. (gem) Warum flerben? Kämen. eure
Schmerzen vielleiht daher, daß ihr von einem eine
jigen Gerichte mehr als wir Übrigen aßet; von
einem Gerichte, das ihr fo eifrig mir aufbringen,
wolltet; dann,, armer Bruder! dann Eennit du ja
felbft die ſchönen Hände, die diefe Koft zubereitet ha⸗
ben; von ihnen, von Bianca's Liebe, erwarte jetzt
Beyitand und Hülfe! — (um Kammerer.) Zurüd,
Kerl! oder mein Stahl verfegt dich in einen noch kläg⸗
lihern Zuſtand, als jene Schuldigen verdienter Maßen
erleiden. |
Wenn es Auftritte in der Natur gibt, vor deren
Schreckniſſen felbit die Zaufhung des Pinfeld —
unter allen Nahahmungen eines Augenblids doch
immer die wirkfamfte! — fruchtlos zurüd bebt; wie .
foll ed der Sprache möglich feyn, das furchtbare, graßs
fihe Schauſpiel genüglich darzuitellen, das jest in
dieſen Gemache — — 0 wahrlich, die Feder zittert
Memßuers Bianca Cap. 2. Theil, K
sen 146 ven.
nd ſinkt, wenn fie nur die Hauptzüge falten, ver⸗
ainen und ſchildern will.
Auf einem Lager, mit gleichen Sqhmerzen
„kaͤmpfend, ein Gatte und eine Gattinn, vor Kurzem.
noch im ſüßeſten Genuß ber Liebe, in ‚der blübendſten
Gefundheit und Sugend — mitten in ihrem Glanze
und bey einem freundſchaftlichen Mahle, ohne War⸗
nung, ohne Hoffnung, von der langſamen eiskalten
Hand des Todes ergriffen! Ein Fliͤrſt und eine Fuͤr⸗
flinn , in ber entfeglichften Kolter, derlaſſen von ihren
Unterthanen, ihren Freunden, ihren Dienern, ihren
Blutsverwandten! Kein Arzt, der ihnen zu Hulfe
eilt; kein Tropfen Waſſer, der ihre Zunge Eübhlt ; Bein
Mund, der nur zum Troft, zum Flöglichen Troſt des
fruchtloſen Bedanerung ſich öffnet! — Vergebens fites
cken ſie ihre Arme aus; vergebens bittet das edelſte
Paar unter der Sonne nur um Menſchlichkeit;
fie find in den Händen von Böſewichtern, die weit
mehr noch thun, ald bloß fie morden — bie fie
Veiden fehen Eönnen, und fid) Deffen freuen. Was ſelbſt
Miſſethätern nicht verweigert wird, — Troft ber es
ligion! — verweigert man ihnen. — Und wer if
diefer Unmenſch? Ein Bruder, ein Priefter, ein
Erbe bes Throns! Seit Zahrhunderten vielleicht fah
die Erde — ein fo reiher Sammelplag von Frevel
und Elend fie fonft zu feyn pflege — Bein Schauſpiel,
das dieſem an Graͤßlichkeit glich.
Und doch blieb Ferdinand unbeweglich. Der Menſqh
lichkeit Gefühl ward ſtets von dem Gedanken erſtickt:
„Lie bier leidet, verſchmähte deine Liebe, und gab
„felbjt deine Ehre preit. Der neben ihr mis dem
m. 147 IE
„Tode Eampft, ift zwar dein Bruder, aber ein gehaß⸗
„ter Bruder; ter Entzieber eines Throns, und Bions
„cas Gemahl!“ — Zwey Mahl fehauderte und wanfte
Ferdinand vieleiht eine Secunde lang; ein Bid,
ein heimliches Wort von Mondragone gab feiner raus
famfeit wieder Erärfe und Kälte.
Sept, ald Bianca — feldft in: Leiden noch zw
ftolz, ald nur ein bittendes Wort an den Cardinal
zu verlieren — jest, ale fie ſah, Laß umjonft olle
Hoffnung, unerweichbar diefer Abfchenliche wäre; als
fie fühlte, daß unaufhaltfam fi der Augenblick des
Todes nahe; da nahm fie no ein Mahl alle Kräfte
jufammen, die ihrem abgematteten Geiſt und quals
vollen Körper üdrig waren; da kehrte zum legten
Mahle auf ihre ſchon bleichende Lippe eine heile Roͤthe,
die Farbe des Zorns, zurüd; und mit einem Blick,
in welhem Schmerz, Unwille, Verachtung, gekraͤnkte
Tugend fi fammelten, mit einem Tone, der Betten
hatte durchdringen follen, rief fie:
„O Barbar, Giftmiſcher und Böſewicht, wie es
noch keinen gab! daß Dieß dein Werk, Rache deiner
ſchäändlichen, zurück gewieſenen Wolluſt ſey — Das
ahnete mir ſeit dem erſten Augenblick des Schmerzens.
— Jaͤuchze nun, denn du haft geſiegt! Grauſamer,
als menſchliche Zunge es ausſprechen kann, iſt der
Tod, durch den tu mic) tödteſt; aber doch bleibt auch,
jegt nod dein Anblick das ſchmerzlichſte meiner Lei:
den; doch — und itände es bey mir, von diefer Folter
mich zu löſen, indem ıh in deine Arme mich würfe;
‚eber duldete ich noch taufend Mahl ſtaͤrker diefe Hölle
in meinem Eingeweide! — Du läachelſt! O Frevler,
K
[2 7,7 148 er
nicht in anferer Gewalt ſteht es, dir zu vergelten;
aber dort oben herrſcht ein Vergelter! Er wirb dereinft
noch fehaudervoller dein Sterbelager machen. Keine
Unſchuld des Gewilfens, Feine Hoffnung der Selig⸗
Eeit wird dich tröſten; und der Abfland, mis dem wir
einft vor des Nichters Thron und wieder finden werben
— tenke dir Den, und erzitiere |
Card. (tachend.) Welche herrliche Nednerinn!
Sie Fonnte auf den Thron ſich empor ſchwatzen;
laßt fehen, ob jie auch vom Tode fih losſchwatzen
wird! Vom Tode, den fe fo Eunitlich fich zubereitete ;
und in dem fie fo großmäthig ihrem Gatten Geſell⸗
ſchaft leiſtet!
Großh. O Ferdinand, wenn noch ein Tees
»fen Bruderblut in dir fließt! — Womit habe ich
Dieß um did verdiene? — Womit — — 0 Gott,
Gott!
Bianca (itre Hand nad ibm ausftredend.) Theurer
Gemahl, erniedrige dich zu Feiner Bitte! Stirb ohne
Klage, wenn du kannſt! Jeder unferer Schmerzends
töne ift diefem Mörder ohne Gleichen eine Wolluſt
mehr. Sieh, ic leide ja auch, was du leideſt; gleich
fhmerzhaft und gleih underſchuldet; aber naͤchſt Gott
bift du noch jegt mein letzter Gedanke. Unſerer Liebe
warb, was Menige fich rühmen können, der Iod in
eincr Stunde gewahrt. — Gelbit wenn jener Bar
bar unfere Leiber trennt, unfere Seelen wird Fein
Grab fheiden. — (Indem fie müpfem ſich aufrihten wii.
und ihre Hand nad) ihm ausftredt.) Hier! — Hier! nimm
den legten — (fie ſinkt unvermögend nieber.) Auch Das
nit einmahl! Emwiger, dein Wille geſchehe! — ©
vo. 149 u |
weh, o meh! — Komm bald mir nah, men Ge
mahl! — Ban! — Bald!
e
Und indem fie ihr Haupt fenfte, indem ihre fonft.
fo fhönen, obſchon jegt vom Schmerz, verzogenen
Augen, zwar nicht ih ſchloßen, aber do ſtar r⸗
fen: indem ihr ſchwellendes Her; brach; der legte
Schauder durd ihr Gebein bebte, und ihr letzter Athem
entflod ; da ſank auch Franz röchelnd an ihren Falten
Bufen, und verfchieb.
Die Bianca’d Ende! Einzig in feiner Art, wie
ihr Leben! Würdig, daß aus jedem Auge ihr eine
Thräne fließe! — Wann war Eine ihres Geſchlechts
mehr ein Ball des Glücks, als Bianca? Wen bob
Schönbeit höher empor, und wen ftürzte fie tiefer
berab ? An mem bewies Liebe mannigfaltiger ihre
Launen? ihre Tüde, ihres Sonnenitrahls Eurze Dauer,
und ihres Blitzes Unfehlbarkeit? Wer blieb treuer der
zugend im Staub und im Glanze? in Armuth, Mit-
telftand und Hoheit? Wer ward unverhoffter, was
er zu werden verdiente, — groß und glücklich? Und
ah! wer verlor in einer einzigen Viertelftunde mehr
als Bianca? ald Bianca, die Gemahl , Thron, Leben
und den Nachruhm felbit (menigftens diefen Cegtern für
eine geraume Zeit) verlor) die umfonft Jugend, Schön⸗
heit und Geſundheit, umſonſt Rang, Weisheit und
Tugend, umfonft tie Liebe des Volkes, die Make
®&
DV 7770 ı50 eo
ihred Satten, die Achtung aller Redlichen zu ſchi
verfuchten. — Wahrlich, die Gewalt des Laiters ı
eine furchtbare Gewalt, der nichts zu widerftehen.
möchte, vor der billig Alles ſich ſchmiegen müßte, u
ed nicht mehr als ein Reben gabe!
Es gehört nicht zu unferm Plan, bier nod
Maßregeln zu erzählen, die nun, fo wie das &
des unglücklichen Paares entfloben war, Ferdina
von Mondragone unterflugt, ergriff, um diefen
bekannt zu machen; nit, die Mittel herzurecht
die er anwandte, um ſich in den Befig der fo ſchän
errungenen Herrſchaft zu ſchwingen und zu ſich
die Schuld des ganzen Trauerfalls auf Bianca,
feine Totfeindinn, zu wälzen, und durch Künfte taufı
fültig, das Anfangs ſchwierige, tobende Volk für fid
gewinnen. Hinweg mit unferm Blick von diefem
würdigen! Selbſt das nicht einmahl mögen wir
zählen, wie ſchnell Untreue ihren eigenen Meifter ı
rietd; wie bald der Böſewicht Mondragone in
Ungnade feines Herrn fiel, und im ewigen Ke
nur allzu gelinde noch für fein” Verbrechen bis
mußte. Hinweg mit allen Dem! denn aflıu* ı
ſchon haben wir von Caftern und Laſterhaften jpred
muſſen.
Auch von des alten Capello nahmenloſem %c
mer, als er den Tod ſeiner angebetheten Tochter,
graͤßliche Art deſsſelben, und den Frevel der verleu
deriſchen Meuterey erfuhr, als er ſein ſparſam gew
denes greiſes Haar zerraufte, und in den Glutk
des heftigſten Schmerzens den Himmel nicht um
Wunder der Lebendigmachung, ſondern nur um Th
nen und um Tod anflehte; auch von ihm ſchwe
eur 151 mw .
ih, und fage nichts, als daß diefe zweyte Bitte
dem unglüdlihen Water bald gewahrt wurde, und daß.
feines geliebten Kindes Nahme das letzte Wort feiner
brechenden Zunge blieb.
Aber einen Bli der Bedauerung noch erzwingt
ber Leichnam Bianca's. — Zu wahr nur hatte es der -
Unglücdlihen geabnet, daß ſelbſt im Grabe nod
der Wütherich fie von ihrem Gatten trennen würde.
Wenn Zranz in fürftliher Pracht, wie einem Groß⸗
berzog gebührt, zur Erde beftattet wurde, trug man
feiner Gemahlinn Leichnam, als wäre es der Leichnam
eined Bettlers oder cined Verbrechers, auf bloßen '
Stangen nad Florenz; flellte ihn, aufgefhmollen von
Gift, entblößt, mit. zerftreuten Haaren, auf einer
aͤrmlichen Bahre zur Schau, und warf ihn ohne Klang
und Gang, felbft ohne Leintuch und Sarg, in ein
Beinhaus zu gemeinen Todtengerippen. hin. Gogar
aus der Sefhichte, aus ber Reihe von Toscana's Kür«
ftinnen fuchte Ferdinand ihren Ruhm und feine Schande
zu vertilgen, Zange genug gehorchten ihm Miethlinge
und zaghafte Schmeidhler ; aber endlich trat die Edle
wieder in ihre Rechte auf Achtung und auf Mitleid.
Denn nur die Gegenwart geborcht zuweilen Tprannen;
die Folgezeit gibt der Tugend ihr Los, dem Verdienſte;
feinen Nahmen wieder
ser
Ro
zwey Erläuterungen.
als ein Anhang.
*
öXXXCEXCX
Aus Bianca Capello zuerſt ſtuͤckweiſe in den Skizzen
erſchien, fand fie, überhaupt genommen, eine ſehr
günftige Aufnahme, — eine, die meine Erwartung
weit überftieg, und die vorzüglich mich bewog, dieſer
Geſchichte (die anfangs nur Fragment bleiben, höch⸗
ftens bis zur Erhöhung Bianca's auf den großherzog⸗
Iihen Stuhl ſich erftreden follte) die Vollendung bis
zum Tode des unglücklichen FZürftens Paares zu geben.
Gleichwohl hinderte diefer Beyfall des Werks, im
Ganzen, einige Leſer nicht, an einzelnen Theilen Fle⸗
cken zu ſuchen und zu finden; und am meiſten traf die⸗
ſes Loos den Charakter des Bonaventuri.
Diefer dreiſte, in feiner Leidenſchaft Anfangs fo
glühende, junge Mann hatte das Glück, auch in mei»
ner Darſtellung auf viele Leferinnen günftig zu wirken.
- Man fand e8 ſehr begreiflih, daß er auf Bianca's
Herz Eindrud gemacht, — fehr natärlıh, daß fie
aud dann ihre Liebe fortgefegt habe, als fie ſchon ges
Ich bitte, nit aus der Acht zu laſſen, dab diefer erfle
Anhang, und der Damit verbundene Audzug eines franzöfifhen
Romans (don 1785 (Mo die ältere Ausgabe von Bianca Gas
pello erfchien) verfaßt worden fey. Im barte nice übel
Luſt, ihn bier gang wegzulaſſen; aber ein Paar Freunde,
um Rath befragt, glauften doche es möchte dann für eh
nen Abgang bey derneueen Auflage gelten: und bey Ber
forgniffen Diefer Art find wir Schrififtelles — Leichtgläubie.
.... 156 en
wußt, daß er kein Salriati ſey, — und ſehr ve
lich, Laß fie ſeinetwegen Vaterhaus un) Vater
verlafen Eonnte; aber man fch ed dagegen am
Vexriolge außerit ungern, daß tiefer Tharckter fi
wantle; daß aus tem zartlichlten Liethefer ım Ar
ge, doch ein ungetreuer Gatte am Ente werbe;
er einer Railantra halber Bianca franfen Eenne; E
dañ er feinen Untergang ſich feldft zuziehe und —
diene. Man überſah, Laß man bdiefe, Änderung „
ohne große Tivinations = Gabe, buld Anfangs &
muthmaßen können; daß fihon Pietro’d erite Un
nebmung, das erſte Geſtändniß feiner Liebe, bey
der Hoffnungsloſigkeit ſeiner Lage, mehr den Si
ling von leidenſchafilicher Unbeſonnenheit, als
wahrhaft entfhloffener Seele bezeichnere. Man
gaß, daß ein großes Glüͤck dig Denkart des Ehrg
gen felten oder nie unvertorben laſſe; ja, man ver
ganz jenen Wankelmuth, der leider nur allzu gern.
mens Begleiterinn zu feyn pflegt; und man befand
gegen feft auf der yorderung: „Derienige Mann,
„Bianca's Liebe fi) zu erwerben gewußt, müfle «a
„allgemeine Liebe und Achtung verdienen, müſſe
„treuer Gatte eben dasjenige Mufter feyn,
„welches Bianca in Rückſicht weiblicher Zaͤrtlich
„gelten könne.“
Laut und deutlich genug kam dieſer Wunſch
meiner Kundſchaft; doch ihn zu erfüllen — bey al
möglichen Achtung für das Urtheil meiner Leſerinn
— ſchien mir nicht rathſam. Ich mag nicht bier eit
Punct berühren, über den ſchon oft und viel geſtrit
worden: ob es überhaupt ein ſehr verdienſtliches W
des Dichters ſey, in einer Welt, wo Tugend ı
von 157. oa
Schwaͤche fih fo treulih gatten, doch eine perſonifi⸗
zirte Vollkommenheit und auf Erden herum wandeln⸗
de Halbgötter aufzuſtellen? Mein Gefühl hier dem
Publicumaufzudringen, würde eben fo fruchtlos, als ans
maßend feyn. Aber die Mahl, dünktg mid, fey ein
allzu beträdtlicher Zufammenfluß von Umſtaͤnden jes
nem Anfinnen zuwider. Nicht gerechnet, daß die wahre -
Geihichte*) ſich höchſt gekränkt dabey fände; 'daß von .
Anfang bis zu Ende faft jede Hauptbegebenheit umges
ſchmolzen werden müßte; — auch Bianca's hervorſte⸗
chende Vortrefflichkeit würde dadurch mehr als zur Haͤlfte
gemindert, ihr nachheriges Geſchick um ein gutes Theil
weniger verdienſtlich, und der ganze Lauf ihrer Glücks⸗
wechfel entweder umgeändert, oder unnatürlih wers
ten müllen, wofern man Bonaventuri diejenige Tue
gend, diejenige Beftänbigkeit liebe, die er im wirkli⸗
chen Leben gewiß — nicht beſaß. Man überdenke es
ſelbſt: wenn Bianca eines treuen Gemahls treue
Gemahlinn verbleibt, fo thut fie eigentlich nichts mehr,
als — ihre Schuldigkeit. Wenn fie hingegen tie los
ckendſten Anträge eınes Fürſten felbft dann verſchmaͤht,
als fie mit dem Wanfelmuth eines Gatten, dem fie
Alles aufopferse, nur zu bekannt geworden war, —
dann erft drück fie ihrer Zucht und ebelichen Liebe das
Siegel der Vorzüglichkeit auf; dann erft thut fie mehr,
als menſchliche Erwartung von ihr fordert. Dadurch,
dag Bonaventuri mit Kaffandra buhlt, und diefes
Stückes fih rühmt, dadurch gräbt er ſich ja felbft fein
— — ——— ——
Wenigſtens, was id damahls für wahre Goſchichte Kiel!
Hiervon sin Mehreres im zweyten Abſchnite.
won 158 men.
Brad; dadurch wird Bianca fähig, einft ſelbſt den;
herzoglichen Stuhl zu befteigen; badurd empfängt
lange Trauer jlärkere Verdienftlihkeit, und auch
jwepte liebe wird gerechtfertigt. Kurz, Bonavı
xi’6 Leichtſinn, fo tadelhaft ee an fih feyn mag
ein fo wichtiges Rad in der ganzen gegenwärtigen
ſchichte, daß eine völlige Abänderung derfelben e
derlich wäre, wenn biefer Charakter veredelt we
ſollte.
Da ich indeß nie eitel genug war, zu wäh:
Dasjenige, was mir fhwer oder unmöglich ſche
müffe es auch für Jedermann feyn; da ich wohl u
te, das Bianca's Schickſale {hen vor mir einige.
derm beichäftiger hatten, fo fah ih mich fleißig :
ob nicht einer meiner Vorgänger — die ih ſaͤm
lich nur hiſtoriſch kannte, — glimpflider mie \
‚Snaben Abfolom umgegangen fey; und fieh ba!
günftiges Ungefähr ließ mic in der franzöfifhen !
manen : Bibliothek *) auf einen Schriftfteller ſtoß
der Alles, — ja noch weit mehr, ald man von
begehrt, gethan hatte. Bey ihm ift Bonaventu
Liebe, gleih von Anbeginn her, fo ſchuldlos, fo
ſcheiden, cls möglid; bey ihm ift an Feine Ente
hung Bianca's aus dem väterlichen Haufe zu denk
bey ihm bleibt Bonaventuri aud in der Ehe ohne Fe
tritt und Flecken. Freylich fürzt er ihn dagegen
manche abenteuerliche Gefahren, begeht manchen X
ftoß gegen Landesſitte, Zeitalter und Wahrfchein!
keit; hat zwar einige Vortheile aus feinen Abän
&
*) Bibliotbeque des Romans, Septembre. 1790.
008 189 10008
rungen zu ziehen, einige Züge nicht gemeiner Großmuth
feinem Helden anzudichten, einige nicht unintereſſante
Scenen anzulegen gewußt; aber auch — Do was
hindert mich, diefen Verfaifer felbft auszugsweiſe ſpre⸗
hen zu laffen? Immer war ed für mich ein angeneh⸗
mes Schaufpiel, wenn ich fah, wie zwey Schriftſtel⸗
ler, die unmiffend eine Ideé' bearbeiteten, ober
auf einerley hiſteriſchem Grund ihr Gebäude aufführs
ten, bald zufarımen trafen, bald weit von einander
abwichen ; wie die Kleinigkeit bey Diefem zur Wichtig:
Beit bey Jenem wart; und wie oft mir jedem andern.
Standpuncte auch die Überficht des Ganzen ſich ändere
te. Eben fo, glaube ih, wird e6 manchem meiner Le⸗
fer, Eeineswegs Tange Weile erregen, wenn ich ihnen
hier eine Probe der franzäfifhen Bianca liefere. Uber
freglich ziehe ih fie nur Eur, zufammen, und babe
mir auch in einigen Stellen des Dialogs eine kleine/
beſcheidene Abänderung erlaubt.
1.
Nein! ed gibt kein Frauenzimmer jetziger 3
das mis Bianca Capello im Reize ſich vergl:
Eönnte! Sie war ſchön, ohne beynahe felbjt
glauben; tugendhaft, ohne jemahls es befannt m
zu wollen; verbindlich in ihrem Geſpraͤch, ſelbſt
ſie keine Urſache dazu hatte. Alles trug an ihr die
ne des Ungezwungenen; und doch wußte fie ſelb
Nichts wichtig zu machen.
Achtzehn Jahre war fie alt; gebuͤrtig aus e
der vornehmften florentiniſchen Haͤuſe Ihr X
hoffte durch ſie auf den Genuß eines glänzenden
ters. Jeder edle Florentiner, der fie erblidte, fü
nur eınen Wunfh, — ihr Gemahl ;u werben.
ßerſt wenig nah Geſellſchaft firebend, befaß fie
große Geheimniß, ihr Leben ſich ſelbſt zu verläng:
Jedes Talent war ihr eigen, jede Wiffenfchaft ihr
Fannt. Die Ausſaat ihres Lenzes verfprad eine re
Ernte für den Sommer. Täglich ſchien die So
mit ihr zugleich aufzuftchen; Feine Stunde entfloh
genügt. Aber fo viel Bianca bereits wußre, fo ı
Hig hatte fie Bisher empfunden. Die Liebe, wei
fie ganz zu beglücen gefennen war, ließ ihre Bildı
vollenden, bevor fte ihr Herz entflammte. *)
) Der franzölıfhe Dichter läßt Bianca nun durdy das €
dDium der Mablerey und Bildnerey den Grund zur fin
Ken Liebe legen; fihildert einige Seiten hindurch Die V
diene des Haufes Medicıs um die bildenden Rune; H
aber dafs in ihrem Gefolae auch ſtets der Lusus Rp «
.. 162 vvv
Im Hauſe der Salviati's — einem bet etſten
Geſchlechter in Florenz — iwpuchs ein Juͤngling auf,
ſchön wie Adon, beſcheiden wie eben dieſer Schaͤfer,
aber noch ſchüchterner als er. Seine Augen, die ſchoͤn⸗
ſten Augen von der Welt, ſchlug er nie mit Zuverſicht
auf; beym kleinſten Wort erroͤthete et; und keine von
deu Annehmlichkeiten , die er fo reichlich beſaß, machte
er im Sprechen geltend. Ee vereinte in fi jedE An⸗
muth der Furchtſamkeit und der Unſchuld, Achtung für
den Anftand, Gefälligkeit und jene anfprudlofe Red⸗
lichkeit, die nicht für jeden kleinen Dienft fogleih Bes
lohnung erwartet. Sein Geiſt durchdrang Alles ; felbft,
wenn fid einige Verlegenheit in feiner Antwort fpüren
ließ, fah man dod wohl, daß er Alles verftehe, und
fih beffer noch auszudrücken wünfde. Biel — viel alfo
hatte die Natur fur ihn gethan. Im Frühlingsalter der
Welt hätte Paolo ohne Verbredhen Anſpruch anf
Bianca's Hand machen dürfen. Gleiches Maß von Faͤ⸗
bigfeit und Verdienſten hätte bald aud Gleichheit un«
ter ihnen felbft dervorgebracht. Aber bürgerliche Gefell⸗
fhaft trennte fie. Ä
Paolo war keineswegs ein Verführer; fo weit
konnte feine Rechtſchaffenheit fi nie vergeffen; abgt
Kelle, „und daß ein Bott, welches viel ſchͤne —*
„und Blidſäulen befie , gemeiniglich aufböre, ein iugenb⸗
„‚Haftes Bolt ju ſeya.“ — Diele ganze Tirade IM ſicht⸗
N aus Rouſſeau'd bekannter Preisfprife entichnt; aber
hier ſteht fie wohl fhwerlih am rechten Orte. Die Wel⸗
(den waren fiber vor den Zeiten der Medicis noch we⸗
niger tugendhaft, als 3u. und nach denſelben. Überhaupt
it der ganze Satz noch fo ſtreitig, daß sch glaubte , feıne
genauere Ausfuhrung könne hier — wegdleiden.
Meißners Biauca Gap. 2, Thi. ge
[2
uw ı62 ee
er warh verführt, und wahrte fih allzu” menig
feine Schwäde. Er fand ein Vergnügen dardn
Seele an Bianca's Bilde zu weiden. Er fü
ohne Zweck und Überlegung. Aud Bianca w
fo ſchuldlos. Sie liebte den Paolo, ohne auf d
gen diefes Gefühls zu denken; felbil,an ten €
eined Geſtändniſſes dachte weder fie noch er.
erriethen feit langer Zeir des Andern Geheimnif
bielten ihr eigenes für undurdtringlih. Bepte t
ihr wechfeljeitiges &tilfhweigen, und ihre Lıı
Doch wir mujlen erſt fehen, wie de Bekanr
ſich anſpann.
Salviati liebte den Paolo, wie einen e
Eodn; und fand ein Tergnügen daran, ihn i
eriten florentinifhen Haufern, unter ſolchen aı
Haufe des Capello, aufzuführen. Hier ſah
Bianca; ſah und gewann fie lieb. Wie hätte er
einem Schickſal entgehen Eönnen, dem Fein Man
ging? Bianca fang; — beifer zu fingen war u
lih. Sie fpielte auf dem Flügel; eıne eigene
fhien in ihren Fingern zu fhweben. Eine zweyte di
te in ihren Augen; und in jeder neuen Stellung
Körpers herrſchte au neuer Reiz.
Paolo ſprach nicht; aber unablaͤſſig ſtarr
Bianca on; verlor Feine Sylbe ihres Geſprächs; y
ibre Eleinite Handlung tief in fein Gedächtniß ein.
brannte bereits für fie, obne es felbit zu willen.
auf Bianca wirkte feine mannlihe Schönheit; fie
ihm felbft zuvor. Er war fo furdtfam: Fragen a
gerichtet, follten ihn zum ©efpräc bringen; doc
diefe Fragen verdoppelten ſeine Unruhe. Bianca':
en 163 mi
gan wibertänte in feinem Kerzen; ihre erſte Unterre⸗
dung trennte fi ohne ferneres Ereiäniß.
Ein Liebhaber, minder fhüchtern als Paolo, würs
be nicht ermangelt haben, bes andern Tags zu fehreiben 5
wide feinem Briefe balb felbft nachgefolgt feyn *) ;
würde bald auf's dringendfte, mit taufend Schwüren,
die jungfraͤuliche Schampaftigkeit beftürme haben ; doch
nicht fo unfer Jüngling! Zwar fehrieb auch er; doch
den Brief. fort;ufenden wagte'er nicht. Furcht, feine
Geliebte zu beleidigen, hielt ihn zurück. Er Tiebte zum
eriten Mohl; wußte noch nie, wie man bey einem
foichen Geſtändniß ſich benehme ; hatte Eeinen Vertrau«
ten, begnügte fi furdtfam und erfahrungslos mit
bloßen Entwürfen; und fein Brief blieb im Pulte lies
gen. Er ging aus, um Bianca zu fehen; ein Anderer
wäre zu ihr ſeldſt, es fey unter welhem Vorwand man
wolle, gegangen. Was bedeutet ein Verweis, wenn
man um Vergebung bitten Fann? Iſt nicht jeder Vor⸗
wand füß, um auf's Knie vor dir Geliebten zu finken,
und um eine Gunft fie anzuflehen ? Aber Paolo ging
unter Bianca’6 Fenſter bloß auf und ab. Begierde fie
zu feben, Beforgniß ihe zu mißfallen, wütheten mit
Rieberhige in feinem Adern. Unbeſchreiblich war. feine
Unrube.
) Schon aus dem Biäherigen wird man gefehen baten —
was man bald noch deusticher fehen wird — daß hier durdege⸗
hendsfranzöſiſche Sitte ber welfhbenLgondss
art untergefihoben worden ſey. Ein Zehler, den fi fo
viele franzöſiſche Dichter zu Schulden kommen laſſen;
Theils aus Hiftorifcher Ignoranz, Theils aus Stolz und @is
gendünkel, indem fie ſich eindilden, Feine als Ihre, oder
innen ähnlighe Bitten könnten intereſſiren.
ga
va 164 wa
Doch auch Bianca war um nichts ruhiger.
wünfchte eben nicht, daß Paolo ihr fhreiben m
doc) gern hätte fie feinen Brief gelefen; hätte d
Vergnügen felbft mit dem Zwang erfauft, den e:
gekoftet Hätte, ihn nit zu beantworten. —
wie langſam fehlich die Zwifchenzeit des erften und 5
ten Geſpraͤchs dahin! Ein ſchreckliches Ungefähr m
zuletzt in's Spiel ſich miſchen.
Paolo wagte zwar nicht, vor Bianca’s Auge
erfcheinen, doch entfernte er fi nie weit von if
Pallaſte; ſchien, einem Schutzgeiſt gleih, über ih
wachen; wußte Alles, was fie that; Eannte jeden
rer Morgen s Spaziergänge ; verbarg ſich, w
fie ausging, ausritt oder ausfuhr, immer forgfe
in dem einzigen Augenblick, wo fie ſich beyderſeits
ten fehen Eönnen, und folgte ihr dann von Weitemen
Eınft hatte Bianca ein ftolzes Roß beflfiegen, um
Berdald Florenz Mauern friſche Luft zu ſchöpfen.
Hitze war groß. Bianca fah fi genöthist, Schar
zu fischen. Ihe Pferd war ſcheu; ein Hafe, der |
den Gedüfhe bervorfprang, erfhredte dasfelke.
fprarig zur Seite, ward feiner Zügel mädtig, ı
ging mis Bianca durd. Paolo fah von fern diefe (
fahr ; fpornte fein Roß, und flog dem geliebten Geg
ftande nad). Doch er erreichte ihn nicht ;und ſah Biaı
nur in ein tiefes Gemwaffer ſtürzen, durch weldes jeı
ſcheugewordene Thier feste.
Augenblicklich ſtürzte auch Paolo ihr nach. Zu
konnte er nicht ſchwimmen; doch die Liebe ſchütz
ſtärkte ihn. Bewußtlos zog er Bianca aus der Ti
empor. Vol Beſorgniß, daß fie ganz entſeelt fi
möchte, faßte er fie in feine Arme; gewann das Uf
mern 165 wm
trug fie in eine nachbarliche Hütte. Arme andleute bes
wohnten diefelbe ; ex fand hier keine Unferffügung, um
Bjanga in's Leben zurückzurufen; aber die Leidenſchaft
macht finnreih. Taufend Bemühungen wandte er an,
und hoffte die Natur endlich triumphiren zu feben.
Durchnaäßt, träufelnd , zitternd pon Kälte, dachte er
an fih felpft mit keinem Gedanken. Sein Leben war
ohne Bianca's oben ihm nigts. In Thraͤnen zerflies
Bend , auf's Knie vor ihr hingeworfen, fuhr er in ſei⸗
ner Sorgfalt fort, und fühlte auch endlich ihr. Gerz un«
ter feinen Händen , wenn man fo fagen darf, wieder⸗
geboren werden. Ein Anfangs faft unmerkliches Kloofen
verkündigte ihm, daß die Quelle ihres Lebens fih neu
eroffne. — Sept hohlte fie wieder Athem; ihr Augens
lied zitterte ; doch ihr Auge felbft öffnete fi noch nid.
„Öötter, große Götter! rief Paolo! vollendet
euer Werk! Gebt Bianca das Leben wieder!" — Nes
ben ihm hatten fih auf ihre Anie bie ehrlichen Landleute
piedergeworfen, und flehten mit lauter Stimme zum
Himmel. Er ſchien fie und den Süngling erhören zu
wollen. Bianca ſchlug die Augen auf; aud ihr Bes
wußtfeyn Eehrtenad einer halben Stunde wieder. Wie
aus eınem tiefen Schlafe erwacht, entfann fie ſich kaum
der Gefahr, worin fie fi befunden hatte.
„Wo fin ih? flammelte fie; Wer riß mich aus
den Händen des Todes?”
„Diefer junge Mann hier ! (antworteten die Lands
feute noch sweinend.) Ohne ihm war's um fie gefchehen !
Hätte fie nur gefehen, wie er weinte, was für Mübe
er fih gab! She Bruder, ihr Bater, fein Menſch
auf der Welt hätte Das gethan, |
Bianca’ Augen richteten fi ch auf Paolo Pin. —
.. 166 u
„Sie, Paolo, Sie find 89 — Wahrlich, wahr
Ihnen bin ich lieber, ald jedem Andern mein 8
{huldig!” — Sie reichte ihm ihre Hand dar; er ü
deckte diefzlbe mit Küſſen. Endlih fand durch Schi
zen und Thränen feıne Etimme einen Ausweg.
„Sie leben, theuerfte Bianca, Sie leben!
D in diefem Augenblicke Eehre ih aud in das 2
zurück!“ — Erſchwieg, blickte fiean, und ſchwieg im
fort; aber tieffeufjte er, und blidtevon Neuem fie
„Sch verdanfe Ihnen mein Leben ; erwied
Bianca: und freue mich , eben Ihnen dieß Geſch
zu verdanken. Welchen Preis fegen Sie auf dieſe W
that ? Reden Sie! Meine Erkenntlichkeit weiß von
nen Örenzen.”
Paolo fank auf das Knie; ergriff Bianca's be
Hände; verbarg fein Haupt in denſelben und ſchw
Bianca deutete dieß Stillſchweigen.
„Sch verftehe Sie; fprach fie: Alles, was |
wünfchen, Bianca felbft fey die Shrige ! Hiermeine H
darauf!”
„Ihre Hand! rief Paolo: Ihre Hand daran
— Alles fagten diefe wenigen Worte. Eines weit
Geſpräches vedurft' ed nicht. Der nun glüdliche Pa
balf Bianca wieder ihre Kleider in Ordnung bring:
fandte nad) einem Wagen und brachte fie in die St
zurück. Sie gab es nicht zu, daß er an ber Pfe
ihres Pallajtes fi von ihr trennen durfte. „Mein S
ter, ſprach fie, muß fogleich die Verbindlichkeit erf
‚ren, die mir von nun an gegen Sie obliegt. V
weiß, welchen Nugen uns Dieß für die Zukunft bring
Sie ergriff ihn, indem fie Dieß fagte, bey
Hand, und ftellte ihn dem alten Eupellovor. — „H
k .
VOR 167 X
mein Vater, ſehen Sie meinen Erretter! Sie gaben
mir einſt das Leben; er bar es mir heute wieder gege⸗
ben.” — Sie erzählte ihm nun das ganze Abenteuer.
Capello drückte freudig den Paolo an fein Herz ; viels
fach begrüßte er ihn mit dem füßen Nahmen eines
Sohnes. — Bey diefem Wort erfeufzte der Jüngling.
Man verlaußte ihm nun, oft in dem Pallaft des Ca⸗
pello fi einzufinden; Bianca verfprach zu jeder Stunde
für ihn daheim zu feyn. — „Alle meine Augenblide
(fpra Ne) gehören nun Ihnen zu. Jeder, den Sie
von den Ihrigen mir weiben, wird mir füß bünken.”
„And jede Minute , die Sie mir vergönnen , wird
meines Lebens feligfte Minute ausmachen !” rief Paolo,
und entfernte ich.
Mit Vergnügen ſah Capello die Kortfchritte dies
fer wechfelfeitigen Zärtlichkeit. Aber ach, er befand fid
in einem Irrthum, der für Bianca und für Paolo bald
die Duelle mandyes Unfalls ward. Water und Tochter
bieten ihn für einen Sohn des Salviati.*) Eine
ſolche Verbindung fehien dem ältern Capello hoͤchſt ans
ftandig zu ſeyn; nicht einmahl auffchieben wollte erden
*) Was fie auch wohl nah dem Betragen des Altern Gal⸗
viati ehun mußten! Dee franzöfiihe Dichter Hatte hier
das achörige Motiviren gang vergeſſen. Unbegreiflich IM
ed, warum ein Mann vom erſten Range, der ſelbſt Göhr
ne bat. den Sohn eines feiner Unterthanen, als. wäre
derſelbe fein eigenes Kind, in den nornehmflen Geſell⸗
fyaften aufgeführt haben fol; zumahl in Stalien, wo der
Adel fo ſtotz auf feine Vorzüge iR! Wenn in ‚meiner Er⸗
sahlura die Souvernante und Bianca einen ähnlichen Irr⸗
thum beaen, fo ift er, wie mich dünkt, ben ihnen ſebr
vergeibfich. Aber hier muß bloß gute moralifhe Abſicht
eine große Unwahrſcheinlichkeit entſchuldigen. u
ana ı68 von
Abtrag feiner Erkenntlichkeit. — „Sie lieben ſich,
ſprach er: man muß ſie zuſammen bringen und Dur
bald!” — Aus Eifer übernahm er felbit die Rolle ei⸗
nes Freywerbers, die ſonſt für Salviati ſich geziem
haben würde. Er begab ſich zu ihm, „Ih komme,
fprady er, für Bignca um Ihren Sohn Paolo anzubafs
sen, Ich bin fie ihm ſchuldig. Willigen Sie ein 7”
Unvermutheter hätte dem Salviati nichts Fons«
men Eönnen; doch verbarg er feine Seflürzung und .
antwortere: „Meinetwegen dürfte ih aud Beinen
Augenblick mic bedenken; denn zu rühmlich ift diefer
Vorſchlag für den Polo und mid. Doch da Biarıca
gemacht iſt, einen Gemahl zu beglücken, ſo wird es nun
auch meine Pflicht, zu unterſu hen: ob Paolo senug
gegenfeitiges Verdienit ıhrec werth zu ſeyn beſitze;
deßfalls bitte ich um die Bedenkzeit von einigen Tagen?
„Die Sie gern haben ſolen! Ih ſchätze Shre
Klugheit hoch ‚ und bin übermorgen Ihrer Antwort
gewärtig.” |
Er hinterließ den Salviati in einer großen Wer«
legenheit. Diefer vechtfhaffene Mann liebe den Puole
wie feine Seele. Harte er bloß diefe Freundſchaft fg
ihn um Rath befragt , fo würde er jenes vortherlhafte
Anerbierhen haftig ergriffen haben. Aber aud er fab deut⸗
lich, daß Sapellg wegen Paolo's Abkunft in einem Jers
thum ſich befinde. Jhn fehnell daraus reiſſen, hieß den
Jüngling gan; um fein nahed Glück bringen; und doch
auf der audern Seite einen fo rechtſchaffenen Mann
zu hintergehen, — ibm als ware ed ein eigenes
Kind , den Sohn eines geringen Landmanns zum
Schwiegerſohn zu geben, — auch Dieß wur ein Vers
brechen, deſſen bloßer Gedanke ſchon dem Ealviati
— 369 nem,
perwerflich ſchien. Lange kämpfte er mit ſich ſelbſt dar⸗
über; endlich glaubte er dieſem Allen abhelfen zu koͤn⸗
nen, wenn er den Paolo an Kindesſtatt annaͤhme.
Doch auch Dieß konnte er ohne die Einwilligung feiner
fibrigen Söhne nicht hun. Ey verfammelte fie daher
fogleich in feinem Zimmer.
„Meine Sühne, ſprach er, guer Water hat euch
bier zufammenberufen,, um einen Dienſt von euch zu
erbitten, den ihr hoffentlich ihm nicht verweigern wers
det. Ihr wißt, ich liebe den Paolo innigft. Ihe felbft
kennt, fo gut wie ich, alle feine guten Eigenfhaften.
Würder ihr euch feiner wohl als euers Bruders ſchaͤ⸗
men Y”
Sie gaben ſaͤmmtlich ihre Einwilligung; ; nur ber
Süngfte verfagte diefelbe.
„Und warum, mein Sohn? Warum "vermeige
du dem Paolo diefe Woplehar 3”
„Weil ich ihn haffe! Er ift niche mein geborner
Bruder, und fol auch nie diefen Nahmen führen |
Ich Eenne Ihren Bewegungsgrund, mein Vater: Paolo
will Bianca heirathen. Er wird ed nit durchſetzen,
wenn fie ihn nicht zum Sohne annehmen.”
„Das wirb er allerdings nicht ! Aber bebenke,
Sohn, daß bu das Herz eines zärtlihen Vaters zer»
fleifcheft. Ich liebe den Paolo. Er ift feinen Tugenden
nad mein Sohn, und Die macht mir ihn’ theuer.
Dich gab mir ein Ungefähr; an ihn hat mich eine weife
Wahl geknuͤpft. — . Wahrlih „ mein Sohn | bu
machſt mir des Kummers viel; an deiner Stelle wuͤrde
Paolo fo etwas nicht gewagt haben. Aber wohlan , er
fol, weil du es fo haben winft, nicht bein Bruder;
doch deſto mehr mein Freund fegn!”
—XRX 170 VII
Salviati entfernte und verfchloß fih nun ın
Cabinett. Paolo's Schickſal rührte ihn außerit. 9
mandem neuen Kampf befchloß er, feineredhte Gebun
ihm zu offenbaren ; ließ ihn rufen, und ſprach alfo
„D mein Sohn, mein Sohn! Zumlegten DR:
gebe ich dir diefen Nabmen. Er gebührt dir niche. 2
(indem er Ihn zärtlich umarmt) — aber mein re
ſollſt du ſeyn. Verſprichſt du mir Dieß auch von be
Seite!”
„Wie? mein Vater! Bedarf es erft eines fol,
Verfprechens ?”
Salviati entdeckte ihm nun, daf er bloß der &
eines feiner Pächter ware; und Paolo erröthete mi
— „Ned, ſprach er, babe ich nichts verloren , wo
Cie, mein Vater, mich nur noch lieben !"”
Salv. (gerüpee.) Ob ich dich liebe? — Mir fi
ehrwürdiger Sohn, kannſt du daran zweifeln ?
Paolo. Schmeichelhaft wäre eu für mich ge
fen, Ihren Nahmen führen zu dürfen. Aber nod
er nicht ihrer Wohlthaten grofte. Ihnen verdanke
ed, daß ich die Tugend Feune; und daß ih audy r
der nur die Tugend fhage. Stolz war nie mein ?
fer; luftige Entwürfe madten nie mein Vergnü
aus. Von keinem Menfben habe ih je Ehrfurcht
gehrt. Nur lieben folten fie mih, und fie wer
mich lieben.
) Alfo auch Paolo mußte nicht, weffen Sohn er war? €
derbar, daß alle died Warums? der franzöfilbe 7
tee auch mit keiner Eyibe beantwortete;. gumabl BD:
dach, aufrichtig geftanden! — wenn nun eınmabl gedı
und umgetworfen twerden follte, ſich fo leicht in @in z
9 id wahrſcheinliches Ganze bringen ließen.
_
DV v9 171 “...
Salv. Ah, nod weißt du deinen Verluft nicht
ganz!
Paola. (getaßt.) Entdecken Sie mir ihn!
Salv. Wenn ih ſchwiege, fo wäreſt du mor⸗
gen Bianca's glücklicher Gatte!
Paoſo. Nein, mein Vater, reden — reden
Sie! Täuſchen Sie den edeln Capello nicht! Auch bis
in die Umarmungen ſeiner Tochter würden Gewiſſens⸗
biſſe mich verfolgen. Eine Lüge könnte nie mich glück⸗
lich machen. Sprechen Sie, erklären Sie ſich frey her⸗
aus! Ich zog feine Tochter aus ber Fluth, rettete ihr
Leben. Wenn Dich ihm nicht genügte, wenn er undank⸗
bar feyn Eönnte, fo würde ich unglüdlich feyn; tod
keineswegs murren, Eeineswegs ihn haffen!
Salv. Theures Kind, wenn id rede, fo ift
Bianca für dich uninfederbringlich verloren.
Paolo. (enränend.) So fey fie e6 denn! Beſſer
Dieß, als fie betriegen! Ihr gehört das Verbdienft, zu
mir herabzufteigen, und mid emporzußeben. Bianca —
fernen &ie ihr Herz beifer kennen! — hat der Tugend
hierzu genug! |
Salv. Ah, ich Eenne ihren Vater defto beffer.
Wenn er dich ausſchlaͤgt, was bleibt dir übrig ?
Paolo. Der Xod!
Salv. Der Tod? ,
Paolo. Ga, mein Vater! Ib würde nie fo
niedrig denken, daß ich eine Tochter gegen väterliche
Gewalt aufwiegelte; würde nie die Gefege und das
Anſehen der Schicklichkeit beleidigen; würde Bianca
nie der bürgerlichen Geſellſchaft entreiſſen. Nein, mein
Vater, auch in der aͤußerſten Verlegenheit noch ſoll
ss 773 vun
Paolo ih Ihrer. werth betragen. Siefollen ihn Tie
ibn beffagen müſſen. Nur entreiſſen Sie mid eil
diefer peinlichen Ungewißheit!
Saly. Morgen foll bein Sqickſal entſchi
ſeyn.
Paolo. Morgen erſt! — (Gr verbeugt ſih,
will geben.)
Salv. Du verfäffeft mich?
Paolo. Nur auf einige Augenblicke !
Salv. Noch habe ich dir nicht Alles gefagt. ;
biefed Teflameng! Dein Gluͤck iſt gemacht! Sarge
dein Bedürfniß wird nie dich quälen.
Paolo. Verzeifung, mein Vater! Alle
ſchenke, die ich von Ihnen annehmen durfte, babe
ſchon empfangen. Sie haben Söhne; biefen gehört
Vermögen; ich mag das Erbtheil derfelben Eeinesw
vermindern ; fie könnten mic haffen, undih will,
fie mich lieben ſollen. |
Salv. Wie, du fohlägft mein Geſchenk aus!
Paola. Sie fühlen feldft, was hier meine DR
verlangt.
Sal. Und was fol aus dir werben?
Paolo. Bianca’s Satte, oder — dad G
fol mid aufnehmen!
Salv. Wiet Könnteft bu Band an dich felbſt
Paolo. Nein, mein Vater! Auch im hoͤchf
Schmerz follen görtlihe und menſchliche Geſetze:
unverleglich bleiben. Der Schmerz; wird mich im |
Grab befördern; und, während daß ich diefen Lieb
dienſt von ihm erwarte, will ih von den Menfd
mich entfernen; will in eine tiefe Einöbe mich verl
von 179 ‚rseeh
gen, und bort ungeftdrt nur an Ihre väterlichen Wohl⸗
thaten, an meinen Schmerz und an Bianca denken
Salv: Wie bedaure ih dich! Wie ungerecht’ ift
dein Schickſal!
Paplo. Vielleicht noch nicht ! Dieſen Abend: were
ven Eie Capello feßen
Salv. Diefen Abend! |
Paolo. Wohlan, fo will ih aud heute noch
Bianca fprehen; will ihr Alles entdecken. — Bein,
wie ich hoffe, fremde Rückſicht auf fle nichts bewirkt;
wenn Bianca — O mein Vater | weld ein Augenblick!
wel ein Genuß uneigennügiger Liebe ftehe mir dann
bevor! Sicher warb dieß göttlide Mädgen geſchaffen
zum unnachahmlichen Beyſpiel! —
Salv. Glaube mir, Freund, daß ich es inniger
noch wünſche, als du ſelbſt. —
Sie ſchieden hier von einander, und Paolo flog
nad dem Pallaft des Capello. Doch ſchon war ihm ein
Brief ohne Unterfchrift vorgeeilt; ſchon war das Ges
heimniß feiner Geburt dem Vater Eund gemacht. Wer
anders, als Joſeph, Salviati's jüngfter Sohn, konnte
einer folhen Niederträchtigkeit fähig feyn! Er liebte
Bianca; fand in Paolo einen glücklichen Nebenbuh⸗
fer. Eiferfucht gab ihm diefes Mittel zu Deifen Vers
drängung ein. Ohne ein ſolches eiferfüchtiges Gefühl
würde er den Paolo willig für feinen Bruder erkannt
baden; würde der fhwarzen Entwürfe nicht fähig ger
weſen ſeyn, die wir bald bey ihm entdecken metben.
Aber noch befand fi) Bianca in friedlicher Unwife
fendeit. Sie empfing den Geliebten mit ihrer gewöhns
lihen Wärme, Er, der ſtets beſcheiden und fchuldlos
en 174 u
ſich betragen hatte, verabſcheute auch jetzt jeden
ſchweif, und vebete freymüthig fie. alfo an:
„Bignora! Die Abfiht meines heutigen Bel
dürfte von Shrer Erwartung weit verfhieden ſeyn.
fomme, Sie aus einem Irrthum zuziehen, worir
Sie ünwillkürlich ſtürzte. Sie hieften mich für €
viatis Sohn; auch ich hielt mich dafür; wir irrten
Beyde. Mein Leben bin ig einem Pächter, «
Übrige den Wohithaten des Salviati ſchaldig. — |
den Sie mich noch jetzt Ihrer würdig!”
„Paolo! Kennte id) Ihre Befheibenheit nicht, ı
würden mich bitter beleidigen. — Sie felbft, nice.
ven Nahmen liebe ih. Nur Ihre Perfon Eann n
glüdklid) machen. Kein Wort daher weiter von bi
Standesyeränderung !”
„Ha! ©o habe id) dann ridytig geurtheilt; 5
es Salviati'n zuvor geſagt. Bianca liebt mich! 8
Fümmert Sie meine Geburt! Aber was wird
Barer jagen!”
„Das wollen wir gleich fehen. Sie gaben mir
eben eın Bepfpiel der Freymüthigkeit; ih will €
nachahmen; will in Shrem Beyſeyn ein gleiches
ftandnig ableaen.”
©ie gingen. Nod lad Capello jenen Brief x
ungenannter Hand; noch Eonnte er fi nicht von |
nem Erſtaunen wieder erhohlen. — „Lies! ſprach
zu feiner Tochter; und Faum hatte jie die erfte Ze
überblickt, als fie ausrief:
„Ha! man ift ung zuvorgefommen! &o eben u
ven wir alles Dieß Ihnen zu erklären gefonnen !”
„Wie, Paolo? Site hätten wirklid ein aͤhnlis
Geſtaͤndniß mir zu thun?”
vr. 145 cn...
„Ja, Signor! Vor wenigen Minuten babe ich
bey Ihrer Tochter mein Geſtoͤndniß abgelegt; und jetzt
Eaın ic, um von Ihnen mein Urtheil zu ‚hören. Nie
babe ich irgend Jemand bintergangen. Nie ıwerde id
weder Sie, nody Bianca hintergehen.”
Cap. (gerüsre.) Und folte Paolo, der Sohn ei«
nes Pächters, mir minder ehrkurchtswerth, als Paolo,
der Sohn Salviati's feyn? In jedem Stande wären
Tugenden Ihr Eigenthum und Ihr höchſter Werth ges
weſen. Aber ach, warum war das Schickſal blind ge⸗
gen Sie? Oder vielmehr, warum gibt es einen Un⸗
terſchied der Staͤnde? — Paolo, ſprechen Sie ihr Ur⸗
theil ſich ſelbſt! Ich habe die Kraft nicht, Ihnen weh
zu thun. Wie wärden Sie an meiner Stelle handeln?
Würden Sie wohl einer .öffentlihen Schmach ſich bloß
fielen?! — O wie läftig ift oft ein großer Nahme!
wie glüdlih eine Dunkelheit, die uns fchalten und
walten läßt, ohne aufer und ohne Verdammniß zu
befürchten!
Paolo. Ich verfiche Eie, Eignor. Ich Eenne
Ihre Pflichten, und, wie Sie fehen follen, auch die
meingen. Nie werde ich Ahren häuslichen Frieden flo:
ten; nie Bianca verführen. Es wird mich viel Boften
— — — Gabtreich ſtürzten, indem er Dieß ſprach, Tbränen
von feiner Wange derab.) — — Es wird mid) viel koſten!
Aber — leben Sie wohl, Bianca! Leben: Ste wohl!
Gap. (Indem Paolo geben will, und Bianca in Ehränen
zerfließst.) O nice fo haftig hinweg, junger Mann!
Meine Kınder — denn auch Sie find mein Cohn;
ie, der das Leben meiner Tochter wieder gab! —
Wie gern vergöß’ id mein ganzes Blut, könnte Die
euch vereinigen! —
Stumm warb jegt auf einige Augenblid:
Schmerz. Was Eonnten fie auch fagen? Capello
weder graufam noch ungerecht. Er weinte mit ıf
gewährte gern der Natur, was fie mit Fug von
fooderte; gewährte au ben Befegen, was fie
ihm beifchten. Ä
„Ach, rief er endlich, meine Kinder! Die Ge
nur machen euch unglücklich; nicht ih, der ih fie
fo'gen muß. Nichts ift heifiger als ſie; nichts gef
licher ald Beyſpiele von ihrer uͤbertretung. Ber
rung würde dann unmerklich alle Stände ergreifen.
feleit bis zu den Häuptern des Staats ſich erflred
Sein Schickſal anklagen, ift die Zuflucht ſchwacher €
fen, unwiſſender Geifter. Sic ins JO der Notha
digkeit ſchicken und ſchweigen, ift bie Weisheit Der
gen, die Erhabenheit und Spannkraft in fi fe
fühlen.” |
Traurig und ſchweigend blickten bier Paolo ı
Bianca fih an. In Thränen beftand ihr ganzer Tr
Capello Überlad jenen nieberträhtigen Brief ˖noch
Mahl. — „Ha! brad er aus :nicht ein Freund vonu
fondern ein iseind von dir, mein Sohn, bat die
Brief gefchrieben. Daß ich ihn Eennte! Welke 9
berträchtigkeit, in eine ſolche Larve ſich zu verbüft:
folhe Berleumdungen zu fhreiben, und nicht einm
dad Herz zu haben, fein Geſicht zu zeigen ; Dieß,; D
it der Schändtichkeiten [händlihfie — Wenn ich
kennte — — Paolo, Sie haben einen fürchterliqh
Feind; feyn Ste auf Ihrer Huth! Der, deflen Ra
mit einem ſolchen Zug beginnt, der iſt auch der gri
ten Schandthaten fahig. Bey Gott, ich zitt
für Sie!”
Un
®
neo 177 RR
„Und doch würde feine Meuchellift nur ein Dienft
für mich feyn. Nie ſchaͤtzte ih dad Leben hoch; und
jegt — Aber zeigen Sie mir bein Brief!”
Er nahm ihn, und erkannte ſogleich Joſephs Hand.
— „Ich verlange nicht weiter zu leſen; ich kenne mei⸗
nen Angeber; möchte ihn gern vor mir ſeldſt verber⸗
gen, und verfhmabe alle grauſame Überzeugung.”
Mäher trat er jetzt ber Tafel, wo einige —28
brannten:.
„Paolo! was wollen Sie thun !”
“ „Emmen Brief vertilgen, der feinen Schreiber
entehrt. Bliebe dieſes Denkmahl ſeiner Schande in
Ihrer Hand, fo könnte es bald ſchmerzhaft einen tu⸗
gendhaften Vater kraͤnken.
Er ſprachs, und verbrannte das Schreiben; aber
ſelbſt jet, indem er fo großmüthig diefem Jofeph vor dem
däterlihen Zoen bewahrte, dachte eben Diefer auf ein
Bubenſtück, deffen Opfer Paolo werden follte.
Die Nacht brach ein; es war ſchicklich, daß Paolo
fi nun entfernte; doch mußte er Bianca und ihrem
Water des andern Tags wieder zu kommen verjprecen:
— „Sie werden ſich, fügte dieſer ehrwürdige Greis,
nie zum Verführer erniedrigen; kommen Sie Daher
aug wieder oßne Furcht zu und! Leben Sie mit Bian-
ea, wie ein zärtliher Bruder mit feiner geliebten
Schweſter lebt! Vieleicht bar auch die Freundſchaft
ibre Taͤuſchungen, ihre Wolluſt. Vielleicht kann jie
Ihrer edlen Seele ſelbſt die Liebe dereinſt erſetzen.
Seyd Freunde zuſammen, meine Kinder, da ihe nicht
Liebende ſeyn dürft! Und tröſtet Eines das Andere!”
Paolo verſprach baldige Ruckkehr, und ging Hin:
Weg, ganz allein. Piöglic fielen, bey der Wendung
Meißners Bianca Sap. 2. Ch M
vr. 178: or...
einer Straßenecke, verlarute und ‚mit Doldyen ben
nete Meuchelmörber ihn an. Er vertheidigte fi
allem möglichen Muthe; doch was nützte Dieß g
o Viele? An eine Mauer gelehnt, fuchte er verge
ſeine Angreifer von ſich abzuhaͤlten. Schon hast
verſchiedene Wunden empfangen; von ſeinem ga
Körper floß Blut; feine Kräfte ſchwanden; alt ı
Menſchen Eommen hörte. Seht flohen die Bandi
Einen derfelben hielt Paolo feit am Gewanbe,. f
Maske entfiel, und fiehe, Zofeph war ed.
„hr feyd es, mein Bruder? Shrt Gott, we
fonnte id Euch je beleidigen?” fo rief Paolo,
fan zur Erde. — Die Leute näherten fid.- Zu ü
fliehen war bem Joſeph unmöglich. Wenn er.gefan
ward, — welche Schmach für Salviatir . Ba
überſah diefe Gefahr, und fein Herz bebte für. Safe
Vater,
„Bleibt hier, mein Bruder ! ſprach er: wenn:
flieht, fo feyd hr verloren, werdet gefangen und
meinen Mörder erkannt. Bleibt lieber bey mir!
Fennt euch; halt euch für meinen Bruder; "wird gl.
ben, daß Ihr mir zu Hülfe kommen wolltet. O Joſe
wer Eönnte auch argwohnen, daß mein Meuchelm
Euer Werk ſey? Stellt Euch, als ſuchtet Ihr mir |
Blut zu ftillen I”
Alles erfolgte, wie Paolo es vorher gefagt bar
Die Herbeygeellten glaubten gern feiner Rede, u
man trug ihn in Salviati's Wohnung. Vergebens fra
ihn bier fein Pflegevater über feine Mörder und be
Ausfehen. Er weigerte fi) zu antworten, weigerte |
fogar die Klage zu unterfchreiben , die ihrer Verf
gung halber eingegeben werden follte.
A 179 wre
„Noch bin ich ja nicht tobt, mein Water! ante -
wortete er; noch hofft man ja auf meine Genefung.
Warum follen meinetwegen jene Unglüͤcklichen, die zur
Tugend zurückkehren fönnen, hin zum Galgen geſchleift
werden! Sie werden es nicht wagen, noch ein Mahl mich
. Anzugreifen. — Ohne Euern Beyftand, mein Bruder,
(indem er ſich gegen Joſeph in väterliher Gegenwart wandte,)
wäre ed um mich gefchehen gewefen. Euch verdanfe ich
mein Leben.” — Unverfhämt, und der Gewiffensbiffe
nicht fähig, fpielte diefer Letztere getroft feine Rolle
fort, wagte es, die Hand Paolo’s zu ergreifen, der ibm
zärtlich die feinige drückte, und mit ſtammen Worten
zu fagen fhien: „Joſeph, fey hinfers nicht mehr
mein Meucelmörder !"
Gleichwohl rüitete eben dieſer Elende ſch, indem
allmaͤhlig Paolo von feinen Wunden genas, zur Aus⸗
führung von neuen Entwürfen. Zwar wollte er nicht
mehr feinen Bruder tödten, aber Bianca wollte er
entführen, und in einem fremden Lande feine Bünftige
Wohnung auffplagen. Ganz in ihren Schmerz vers
fenkt, erfchien diefed holde Mädchen nicht mehr an oͤf⸗
fentliden Orten ; verfagt war Joſephen der Zutritt in
ihrem Pallafte, und feinee Verwegenheit ungeachtet,
wagte er ed hicht fih hindurch zu drängen. Aber ein
Bubenftäd follte ihm die Gelegenheit, die er wünſch⸗
te, verſchaffen.
Er erkaufte in diefer Abficht mit ſchwerem Gelbe
Mordbrenner, und beraumte ihnen eine Naht, wo fie
Feuer in Capello's Pallaft anlegen follten. Diefe Nacht
erfhien. Zu Allem gefaßt, gab Joſeph das verabrebete
Zeichen, und die Mine ward angeftedt. Dad entzüns
dete Pulver erfchütterte den Palast in feiner Grund⸗
M 2
ron 380 mom
fefte; Sald lief das Feuer über die Dächer hin, und,
Keuerbrände, indie Zimmer geworfen , verbreiteten als
Ientbalben die Gluth. Bianca, vol tödtlichen Schre
end, fprang aus ihrem Bette; hatte kaum Zeit in
einen leichten Mantel fih zu hüllen, und durch eine
Hinterthür zu flüchten. Doch eben diefe Kinterthür
war Joſephen unbekannt, ber feine Beute am Haupt⸗
thore des Pallaſtes erwartete.
Der Laͤrm von dieſer Feuersbrunſt drang auch bi⸗
zu Salviati’d Behauſung. Paolo, zwar noch fehr ent⸗
kraͤftet, aber jegt nur für Bianca zitternd, vergaß
fein Unvermögen , fuhr baftig in feine Gewänder, und
eilte berbey. Eine dichte Flamme wüthete bereits durh
Capello's ganzen Pallaſt. Die Dächer flürzten ein; abet
Paolo, undeforgt für fein Leben, warf ſich mitten in
diefen Feuerofen und flog dem Gemache Bianca’6 zu.
Aus gleicher Abſicht war ſchon vor ihm der ältere Co⸗
pello hierher geeilt; ihn fand Paolo, faft vom Rauch
erſtickt, in legten Zügen da liegen, faßte ihn , feier
eigenen Schwäche ungeachtet, in bie Arme, und enke .
riß ihn fo der Flamme. Der Fußboden unter ihren
gerfpreng. Paolo felbft ſtürzte, doch ohne den Capello
fahren zu laifen, eine betraditlihe Höhe herab. In⸗
dem er ſich aufrichtete und durchbrach, eilte Joſeph auf
ihn zu, und ſchien feine Beute, die er nit zu unters
fheiden vermochte, ihm entreiffen ;u wollen. -
„Wie, auch hier feyd Ihr, mein Bruder ? Sit
ter, müffen wir uns denn nur bey folden Vorfaͤllen bes
gegnen ? Wen ſucht Ihr?
„Bianca! ha, ift fie es nicht?”
„D mein Bruder! Wenn Ihr fo ihr Herz zu er⸗
ohern ſtrebt, dann dürfte ed Euch wohl nie gelingen,
X 181 RR
Daß Ihr eher Eure Abſicht auf fie mir offenbart haͤt⸗
tet! Gern würde ih alle meine Dienfte Euch gewidmet |
baden.”
Vol Verzweiflung, abermahls eines fruchtlofen
Bubenftüds ſchuldig geworden zu feyn, entfernte ſich
jest der Elende, und flog, die Ahnung feines res
vels befürchtend , nach Neapel.
Aber Paolo ließ den Eapello in den Pallaft der
Salviati briigen , und er felbft mußte wieder auf fein
Lager fih werfen. Die übergroße Anftrengung , Mü:
digkeit, Ungewifheit wegen Bianca's Schickſal — ale
les Dieß entzündete von Neuem ein Sieber in ihm; bes
vaubte ihm fogar des Gebrauches feiner Vernunft. Ca⸗
pello hingegen war indeß wieder zu ſich felbft gekom⸗
men, und erfuhr: daß nun aud er. dem Paolo fein
Leben verdanke; daß Diefer muthig das feinige daran
gewagt habe, und jegt abermabis in Gefahr bes To⸗
bes fi befinde. Man kann ſich leicht feine Ruͤhrung
bey biefer Nachricht denken; Tann leicht erratben , daß
er fih fogleih zu Paolo's Lager führen ließ.
Auch in feinen Zantafien hörte Diefer nie auf, Bian⸗
ca's Nahmen zu nennen. — „O wo ift fie! rief er
oft aus: Laßt mich gehen ! Laßt mich fie fehen! Bians
ca! theure Bianca! Capello, mein Vater! — D So:
feph! graufamer Zofepp ? — Caopello ergriff feine
Hand, benegte fie mit taufend Küffen. SGalvia‘ı vers
fuchte ihn aufzurichten. Ach, er verſtand nichts, er:
kannte Beyde nicht!
Plötzuch kam die Nachricht, dab Bianca aus dem
Teuer noch bey Zeiten ſich gerettet babe. Bald fandte
fie felbit aus dem Klofter,, wohin fie geflöhen war,
Boryen an ihren Water. Diefe Worte fanden offenen
won ı82 —XRXX
Weg zu Paolo's Ohr und Herz. Sie ſchienen
Balſam zu ſeyn, der ſchnell ſich durch ſein ganzes 3
ergoß. — „Dank ſey dem Himmel! rief er: fie
alſo!“ — Jetzt erkannten feine Augen den Ca
wieder; er wandte ſich gegen ibn: „O mein Wa
wenn fie lebt, wirklich lebt; darf ich nicht ſie fef
Nur meinen eigenen Augen kann ich feld ein Mi
der glauben.” — Der edle Alte befahl feine Zoı
ſogleich herbeyzubringen. — „Du ſollſt ſie ſe
mein Sohn! (fpradı er) ſollſt fie ſehen! Erwarten
noch von meiner Erfenntlichkeit! Vater und To
foßlen für dich nur leben.” "
Gern gehorchte Bianca dem väterlichen Gebe
und erſchien. Eine ſolche Scene kann nicht beſchri
werden. Capello ergriff ihre beyden Hände, und fd
fie zufammen in die feinige. — „Seyd verelnit, m
Kinter!” — flammelte er und umarmte fie thrän
„Sobald Paolo genefen feyn wird, legt am |
des Altars die-dießfalls nöthigen Gelühde ab! @
glücklich, aber ſeyd ed ohne Geräuſch! Das tft bie:
zige Bedingung , die ich euch auferlege. Nie müſſ
bekannt werden, daß ihr Eheleute feyb! Nie verän
Bianca ihren Nahmen; fie bleibe ſtets bey mir,
wie du, mein Sohn, im Pallafte des Salviati! £
wenn diefer Zwang euch allzu fehr belaftet; wohl—
fo entferng such, und lebt auf einem meiner &
guͤter!“
Ausſicht auf Bianca's baldigen Befig beſch
nigte kraͤftig Paolo's Geneſung. Capello hielt
Wort, und unſere Liebenden wurden verbunden.
zogen eine zwangloſe, laͤndliche Einſamkeit, we
ganz für einander leben konnten, einem fo eingeſchr
—XRX 183 „000
ten ftädtifhen Aufenthalt ohne Bedenken vor. Ganz
Florenz wußte fein Wort von ihrer Verbindung. Lange
Zeit hindurch lebten fie glücklich und vergnügt auf
ihrem Landgute; lebten ganz, wie man leben fol,
indem fie der Natur genoflen, und ihren Untertbanen
wohlzuthun ftredten.
Ihr But lag an Toscana's Sußerften Grenzen *).
Franz Il.-aus dem Haufe Medicis pflegte oft fein gans
ges Gebieth zu durchreiſen, und nahm einft, vom
Wege abgefommen, fein Nachtquartier bey unferm
Paare. Die einfache Kleidung einer Pachterinn ſchien
Bianca's Reizen noch neuen Zuwachs zu geben. Der
Fürft, der ihre erbabene Geburt Eeinedwegs muth⸗
maßte, fand doch bald, daß ihre Erziehung und ihre
Sefinnungen weit ihren Stand überfliegen. Ihre Ants
worten befremdeten , ihre Manieren überrafchten, ihre -
Annehmlichkeiten bezauberten ihn. — „Wie, rief ex,
in meiner Staaten legtem Winkel liegen fo viel Reize, .
fo viel Talente uuter der Hülle einer bloßen Bäuerinn
verftedt!” — Sein Erftaunen wuchs no, als er
den Paolo ſelbſt erblickte. Fine fo ausgezeichnete, Erafte
volle Miene glaubte er noch bey keinem Landmanne
gefunden zu haben. Ehrfurdtsvon ohne Niedrigkeit,
ſprach Paolo mit fo viel edlem Anftand und mit fo
richtigem Ausdruck, ald wäre er in bes Hofes erſt en
Poſten erzogen worden. — — —
9) Im Original ſteht war: im der Mitse. Doch es muß
ein Drugfehler feyn ; denn dad Nachfelgende widerlyricht
pffenbar,
—— — —
i on BL wen
Man Eann nun leicht den Gang errathen,
der franzöfifhe NRomancier, nachdem er einmahl
Geſchichte in diefes Geleiſe eingeleitet hat, im Ve
erwählt, Der Großherzog faßt Hochachtung für P
und Liebe für Bionca. Seine Bitten werden bey
Legtern abgewiefen; er entferns fi; aber ihr !
verfolge ihn auch an den Hof. Er beruft den Paofı
fi und überhäuft ihn mis Ehreniteßen. Die flore
nifhen Höflinge werden natürlicher Weife neidifch
diefen neuen Günſtling, und er fält endlich,
ganz ſchuldlot, durch Meuchelmoͤrderhand.
Getreuer bleibt von nun an der Dichter ber
fhihte. Der verwitwete Fürſt biethet der verwitw
Bianca, nahdem er fie abermahld umfonit beftin
feine Hand an, und nur diefe wırd angenomt
. Der Eardinal, fein Bruder, empfinder diefen &d
febr hoch; ſöhnt ſich aber doch zum Schein aus; Ed
nad Florenz zum Beſuch, und das fuͤrſtliche
ſtirbt durch Gift.
An einem einzigen abgeänderten Har
puncte babe ih unmwiffend dem Franzoſen
gegnet. Auch fein Cardinal wird in Bianca verl
und fie verjchmäht ihn. Aber er rächt ſich für
Abweifung dodurch: daß er Bianca bey ih
Gemahl zu verleumden fuhrt, der.
aber nicht glaubt. Mir dünkt es unwahrfd
lich, daß nach einem ſolchen offenen Schrittg
Bianca und einer ſo unvorſichtig genommenen, fr
los gebliebenen Rache, Ferdinand noch länger |
an Franzens Hof verweilen und des bisherigen
trauend genießen Eönnen; aber freylich fegen üb:
etwas die Dichter jenſeits bes Rheins ſich leicht hin
won 183 em
Auch bey dem letzten Auftritt (mo Übrigens einige
ſchoͤne Stellen ſich befinden) gibt es der Unbegreiflich⸗
Eeiten mandje. Denn
„der Grofiderzog empfängt, bedor fie ſich zu Tiſche
„ſehen, noch einen Brief, der ihn warnt: Heute
„mit dem Cardinal ja nicht zu effen, weil er fonft
„Gift empfangen würde, Diefes Billet reiht er
„ielbft dem Garbinal hin, und ſagt: „Lefet, mein
„Bruder! Was fol ich thun? — Ferdinand lieſt;
„aufmerkfam beobachtet ihn Franz: Doch Jener ver⸗
„aͤndert Beine Farbe, ſondern fragt nur ganz ge⸗
„laſſen: „Meßt Ihe Dem Glauben bey, mein Brus
„der!” — „Dann würdet Ihr nicht mehr leben.
„Aber ih Bann fo viel verftocten Sinn nicht in
„meines Bruders Seele argwohnen. Kommt zur
„zafel!” ie effen nun Alle von ben nah mlis
„ben Speifen, und body fterden nur Franz' und
„Bianca unter den beftigften Schmerzen. — Wer
„(fo ſchließt jene Novelle) der Urheber dreſer Kata
„ſtrophe gewefen fey, bleibt noch ein aufzuldjendes
„Räthfel.”
Sonberbar, daß ein Dichter, der ſchon fa viel
Mord und Brand aufgebothen hatte, bier ſich ſcheute,
das legte Unbegreifliche zu erklären. Doch ih will
bier nicht tiefer eindringen, nicht der Zweifeldfragen
noch mehrere aufwerfen. Man könnte fanft alzn leicht
diefe Mühe für eine ſchlecht verſteckte Eitelkeit halten.
Genug, daß icy denjenigen Lefern, die Bianta’s Flucht
und Bonaventuri's Wankelmuth bey mir anftößig fan⸗
den, hier einen Weg zur Ausbeugung zeigte. Jede
genauere Bergleihung fey ihnen ſelbſt überlaffen !
yon ı86 erg
U.
Derjenige T Tadel, der bey Bianca's erfter Er
nung den Charakter, oder vielmehr die C hai
ter-Änderung des Bonaventuri -traf,-
größten Theild noch ein fehe fanfter, bloß münbt
ud mir gleichfam nur in dad Ohr geraunter Tade
wefen. Doch ein zweyter, ber einige Jahre ſpaͤter
Bianca felbft erging, war ein deſto Iauterer,
druckter, und fogar mit arhivafifgen Estracten
legter Vorwurf.
Her J. P. Siebenkees nihmlich gab 1789
Rebensbefhreibung der Bianca Capé—
„de Medici, Großhberzoginnvon Tosca
aus Urkunden begrbeitet, heraus; ein W
in welchem er zwar an mehreren Orten meiner Darı
(ungskraft und Erzählungsgabe. ein weit vortheilha
res Zeugniß, als fie vielleicht verdient, ertheilt;
gegen aber äußerft lebhaft wider -die ganze Gattı
der biftorifhen Romane eifert; und dann
Bianca’d Biographie insbefondere übergeht, bie
ter feiner Feder, und nad den Quellen, aus meld
er fchöpfte, ein Bepfpiel von — erfchlihenem , unr
dientem Glücke, eine Meifterinn in Betrügerey ı
Buplerfünften,, ein ſchwarzes Gefhöpf voll Heime
ja zumeilen fogar voll blutgieriger Grauſamkeit wi
Ihm zu Folge entfloh Bianca wohl überleg
Weiſe aus dem Haufe ihrer Ältern,, nachdem fie fd
perichiedene Monathe hindurd mit Pietro Bonavent
im genayeiten Einverftändniß ſich befunden hatte, u
aun die lebende Wirkung davon zu ſpüren begaı
DUFT 187 Lyy 70)
Exit unter Weges, als Rückkehr unmdglih war, exe
fuhr fie, daß ihr Verführer — Fein Salviati ſey;
hatte aber vorher ſchon, aus Vorfiht, ihrem Vater
verfchiedene beträchtlihe Jumelen entwendet, die weit
über zwanzig taufend &cudi im Werthe betrugen, mits
hin genügſam vor allem Mangel fie fehligten. Won
Venedig aus geächtet, ja felbft durch Banditen vers
folgt, verbarg fie fih einige Mpnate lang zu Florenz,
im Haufe ihrer Schwiegerältern, bis fie endlich (und
wie Herr Siebenkees muthmaßt, durch einen abſichtli⸗
hen Plan,) die Aufmerkfamkeit des Prinzen auf*)
fih zog, und erft im Geheim, bald darauf oͤffentlich
genug, ferne begünftigte Freundinn ward. — Ihr
Gatte, bloß durd ihre Verdienfte zum fürftlihen Käm⸗
merer erhoben, und (wie er fich felbft ausdrüdkte,) mit dem
goldenen Korn auf feiner Etirn gar wohl bekannt,
verwidelte ſich bald in unkluge Liebeshändel, und
fiel, nide nur von ihr, fondern auch von dem Prin⸗
zen fruchtlos gewarnt, ald eın Opfer feiner Unbefons
nenheit. Veranftaltet hatte Franz diefen Mord nicht;
doch daß er darum gewußt habe, geftand er felbft nach⸗
ber feinem Beichtiger. Won nun an ward Bianca’s
Liobesverftändnig mit dem Fürſten noch viel inniger
und allbelannter. Sie wor der Hauptgrund feiner miß⸗
vergnügten Ehe, mit Johanna von üſterreich; ſie
behercſchte ihn unbeſchraͤnkt, und ward eben dadurch
bald ber Gegenftand eines allgemeinen Hafles. Um fi,
*) Cosmo, der Vater von Franz und Herdinand, lebte dar
mahls noch ; doch Hatte er fin ſchon faR ganz von Eıaatöger
(däften gurüdgesogen, und fie feinem älteſten Prinzen,
ald eigemsiihen Regenten, übertragen.
BIER 188 vum
Zroß demfelben, im Befiß flichtlicher Huld zu exhai
regte fir gleichſam Zrug an Zrug, Ränke an Ränke.
gewann tıe Freundſchaft von Franzens Schweſter
fie wußte den Cardinal Jerbinand, der bisher ſtets
feınem Sruder (obfhon, wie Herr G. verſichert,
ne jeın Verſchulden) im Zwift gelebt, eine Meng—⸗
ſcheinender Zienite zu leiften, und badurd fein Zutte
zu erhalten; fie ertichrete, um ihren Belichten
ſtärker an fih zu feileln, eine Schwangerfhaft; |
einen Sohn unter, und ließ naher alle Diejemi
die um ihr Geheimniß wußten, durch menmigl
Hinterlut umbringen. DVergebens , daß der Graf
zog von verfgiebenen Seiten Warnung wegen bi
Berrugs erhielt! Er glaubte doch nur ihre. Ja,
fie na einigen Jahren tiefe Unterfhiebung ihm 1
geſtand, fuhr er gleihmohl fort, den fen ein ®
anerkannten Don Antonio als feinen Sohn zu
tramten.
Bald naher ging ein neuer Hoffnungtflern
of. Johanna von Orterreich ſtarb, nad langem K
keln Aud an ihrem Tode gab ter Ruf Bianca
mittel? are Schuld. Die Zuritinn hatte den mg
bes Großherzegs mır der Venetianerinn für geen
geraiten, batte jogar eıniges Zurrauen gegen
ehemahlige Nebenbuhierinn gefaßt. Unerwartet be
nete ſie Terjelben ın einem Wagen mit bem ©
', Deuna Ziedella, "ermärit mit Jordan Orliai, —
Dane, auszegeichnet durch tauſead lichenswärdige E
ſchaften, aber unglüdlich durch bie Gıferfunt sheet
mahts und durch eigene Build. Denn er (il Be,
gcaauen Umgangs mit feinem Reffen wegen, ambrü
won 180 mom
herzog; ihr Argwohn erwachte von Neuem; fie rief
Bianca einige bittere Worte zu, und verfiel von Ztund'
an in eine Schwermuth, die binnen wenigen Zagen
ihr ohnedieß ſieches Leben endete. Bianca konnte ıbre
Freude Über diefen Tod nicht bergen. Franz hatte ihr
die Ehe verfproden; ihr Zutrauen, daß er Wort hal:
ten werde, wuchs, da er verichiedene andere, ihm ans
getragene Verbindungen autfihlug. Aber feine treueften -
Minifter und fein vertrautefter Gewiffensrath thaten
ihm fo dringende Vorftelungen; fein Volk bezeigte
fo laut den bitterſten Unwillen gegen bie Witwe eines
Kaufmannsdieners; daß der Großherzogbald in ſei⸗
nem, aflerdings [bon gefaßten Vorhaben wankte. Er
. fhien zum völligften Bruch mit feiner Gchebten ent⸗
fhloffen ; fihien ihr denfelben fhon angekündigt zu
haben, und fuchte eben deßhalb fih durch einige kleiue
Reiſen zu zerftreuen. Bianca felbft, nachdem fie oft
in Briefen ihn fruchtlos beſchworen hatte, bereitete
ſich ſchon, Florenz ganz zu verlaffen. Doch als der Fuͤrſt
in feine Hauptftadt zurückkehrte, erfhütterte ein Be⸗
fud der Geliebten Franzens Standhaftigkeit; ein von
ihr beftochener Mönch beruhigte fein ohnedieß leicht zu
beruhigendes Gewiffen; und als fie zumahl in ‚einer
Heinen Krankheit mit äußerfter Sorgfalt ihn gewartet
hatte, &geihte er ihre, zum Dante, wirklich ſeine
Hand.
Noch verblieb dieſe Ehe, bis zum Verfluß des
uͤblichen Trauerjahrs, ein Geheimniß, dann aber made
te Sranz fie bekannt; und ald, auf.ein Schreiben von
ihm, der Senat von Venedig Bianca zur Tochter der
Mepubliß erklärte, da ward fie als folhe bey einem
praͤchtigen Zefte mis einem Aufwande, den man zu
wer 190 —R
einer Million Seudi anſchlug, oͤffentlich gefränt
fentlich als Großherzoginn ausgerufen. Nicht
Vorwiſſen des Cardinals Ferdinand geſchah alles
aber es mißfiel ihm auch gewaltig. Als Beyſchlaͤfe
ſelbſt als heimlich angetraute Gattinn hatte er fa
Bruder Bianca gern gegönnt; doch fie nun als
Schwaͤgerinn anerkennen zu müffen, Das bünfte
eine berbe Schmach; und er äußerste fi. bey mei
Gelegenheiten bitter genug darüber. Aber die fd
Bianca vergalt nicht Feindſchaft mit Feindſchaft.
ſtrebte vielmehr durch Ausführung des brüderfichen ;
ſtes fih ein wechfelfeitiges Verdienft zu erwerben ;
ed gelang ihr vollfommen, Ferdinand, der, von
nem Bruder eingeladen, einen ganzen Winter
Florenz hinbrachte; der ſich mehr als jemahls von
zuvorkommend behandelt, um Rath befragt und
ſchenkt ſah, ertbeifte Bianca laut ben ehrenvr
Nahmen einer Wiederberftellerinn der Ruhe in fe
Familie. Mit faſt gleicher Klugheit geb fie in Irr
gen mit dem päpftlihen Stuhl, dem Senat von !
nedig, und dem Herzog'von Mantua *) die Verm
lerinn ab; immer wußte fie Auswege zu treffen,
welden fie ihred Gemahls oft zu raſchen Charakter
lenken, fein Anfangs gefunkenes Anfehen auswartig
mehren vermochte. Ihre Gegner feldft ——
Zeugniß ertheilen, daß durch Maßregeln, Eozu
*) Am merkwürdigſten — oder wenigſtens am feltfamften ı
dieſe Lentere. Es kam auf nichts weniger an, als daß
Deren erſt feine Mannbarkeit durch Thatbandlungen
Braftige » bevor er ter Gatte einer Horentinifden Ye
seffinn werden könne. j
PR ıgı esshn
gerathen, das Anfehen des Haufes Medici in Stalien
ausnehmend gewadfen, der Einfluß bes ihm feindli⸗
ben Geſchlechtes der Farneſe merklich gefunfen fey.
Pur einen fehr nahen ‚ bittern, ſchmähſüchtigen
Feind vermochte Bianca nicht mit fih auszufähnen,
und diefer war — das Volk von Florenz felöft. Uners
traͤglich duͤnkte es dieſem, daß die Witwe eines Bür⸗
gerlichen, eine Perſon, die man als die Verführer
rin des Großherzogs, als bie einzige Urfache feines
Mißmutdbs in erfter Ehe betrachtete, jeßt den Fuͤrſten⸗
ang mit ihm theilen folle. Die Gefälligkeit, die er
gegen fie bejeigte, die große Pracht, die er bey ihrer
Krönung verfhmwendete, die anfehnlihen Summen,
die er auf Verfhönerung ihrer‘ Lieblings : Billa ver,
wandte, wurden mit feiner ehemahligen Sparfamkeit
und Unfreundlichkeit gegen Johannag von Oſterreich
verglichen, und Bianca zum Vorwurf gemacht. Man
beſchuldigte fie, eine große Goͤnnerinn von heinilichen,
überall zerſtreuten Kundſchaftern zu ſeyn. Man klag⸗
te ſie der ungereimteſten Grauſamkeit *), ja ſelbſt
der Zauberey an. Jeder Gunſtling des Großherzogs,
der das Land drückte, galt auch ſofort für ihren Be⸗
ſchützten; jede Unbilligkeit, die etwa vorfiel, für ihre
Schuld. Wiewohl ſie ihren Bruder Victor, da ſein
) Man zeigte noch lange Zeit nad Ihrem Tede in ihrer Bile
la zu Pratalino ein Zimmer, il Stillatojo di Bianca
genannt , in welchem fie Heine Kinder Aber fiedended Waf
fer aufgebangt und von dem berabtriefenden Zette diefer
Unglüdiihen eine Schminke ih zubereitet haben follte. —
Abgeſchmacktheiten Diefer Art widerSegen fi von ſelbſt,
seigen aber auch, welche grundlofe Erbitterung gegen fie
obwaltete.
vo 192 vosen
Betragen den Florentinern mißfiel, ſelbſt entfernen
half, — wiewohl fie nichts verabſäumte, um ber.gri
fern Menge ſich beliebt zu maden; dennoch perblieh
man bartnädig im Haſſe gegen Diefelbe; und auch ben
innern Frieden bed regierenden Hauſes bedropte bal⸗
nachher eine neue Zerrüttung.
Don Philipp, des Großherzogs einziger Sehr,
mit Sobanna von Hfterreich erzeugt, flarb (1582) al
Kind; das Jahr darauf erklärte Franz den Don Ans
tonio — jenen.angeblic) untergefhobenen Sohn Bian⸗
ca's, — für fein eigenes rechtmaͤßiges Kind, und ver
fwaffte ihm von Spanien her, den Titel eines Prinzel
von Capeſtrano. Ferdinand beforgte daher: Bianca
werde nicht ruhen, bis ihr Gemahl ihn auch zum Made
folger in der Regierung erkläre; und fichtlich erkaltete
er von nun an in der Freundſchaft mist ihr. Anbere
Gerüchte gaben feinem Argwohn auch eine andere Lem
tung. Es verbreitete fi mehrmapls bie Sage: daß
Bıanca fhmwanger ſey. Der Großherzog felbft ſchien
ein Mahl davon ganz überzeugt zu ſeyn. Nach Ferdi⸗
nands VBermuthung war nichts gewiſſer, als daß Bian⸗
ca das Epiel der Unterfhiebung noch ein Mahl fpielen
werde. Er trug es feinem zweyten Bruder, Deren
der zwar fonft gewöhnlich in Spanien lebte, jetzt aber
einige Zeir in Florenz jih befand, dringend auf: je
nicht fo bald ſich wieder zu entfernen, und wohl Acht
zu geben, was vorgehe. Doch diefer Argwohn ber
Brüder kam bald au zu des Großherzogs Kundfchaft,
und beleidigte ihn höchlich. Won der Schwangerfchaft
feinge Gemaplinn feit, weit feſter als fie felbit über.
zeugt, lud er den Cardinal fchriftli ein, ſelbſt nad
Florenz zu fommen, und ein Zeuge von ber Mieders
kunft
voor. 195 on
Eunft feiner Schwägerinn zu feyn. Diefer ſchlug es aus,
weil er jenen Argwohn ganz — abläugnete. Es gab
einen Briefwechſel mit Beleidigungen auf beyden Sei⸗
ten. Ein Paar Monathe darauf ſchwand die frohe Er»
wartung des Grofherzogs gänzlich. Bianca's vermeinte
Schwangerſchaft ging in eine Krankheit Über, die ihre
Leben zu enden drohte, und nur mühfam gehoben ward.
Auch bey diefen Vorfallen hatte Bianca ſteis ſich
aufs Elügite betragen ; hatte‘ won ihrer Schwanger
ſchaft fters in einem zweifelhaften, mehr beforgfichen
als hoffzuden Tone geſprochen; hatte gegen Don Per
ter mündlich, gegen ben Cardinal ſchriftlich fich erklärt,
daß ſie fich eher Eranf als in der Hoffnung zu fepn ver⸗
muthe; batte zu.eben der Zeit, da ihr Gemahl äußerſt
hart an den Bruder ſchrieb, ſich ſtets gegen ibn fo
fanftmüthig ald möglich ausgedrückt, und hatte dafür
auch am Ende die ehrenvollfte Genugthuung. Denn
da der Cardinal gar bald verfpürte, wie nachtheilig ihm
diefer Zwift mit feinem Bruder werde; wie fehr vor⸗
züglich dadurch fein Anfehen und Einfluß beym vpaͤpſtli⸗
chen Hofe fine; dba wandte er fih an Bianca felbit,
und bath um ihre Vermittelung, ihn mit dem Großher⸗
zog — bey dem er nur verleumdet worden ſey — aus⸗
zuföhnen. Mit Freuden ergriff die Schlaue Liefe gün⸗
ſtige Gelegenheit, ein neues Verdienft in ben Augen ber
Welt und felbit ihrer Gegner fih zu erwerben. Sie trat
daher mıt dem Erzbifhof von Florenz in ein Verftänds
nig. Erit als Diefer, ein ehrwürtiger, von Fran
geachteter Prälat, das Herz des Fürſten durch triftige
Vorſtellungen ſchon erweicht hatte, trat auch Bianca
in’s Gemach, und vollendete durd ihre innigite Bitte
den Entſchluß der Vergebung. Die felbft ward bevolls
Meißners Bianca Cap. 2. Thl. N
—
XRXRXXx 194 [u
maͤctigt, dem Cardinal Dieß zu melden. Eine an
che Geldſumme, ihm lange verweigert, ward
ſchickt. Zum Siegel der Eintracht ward nichts
verlangt, als daß Ferdinand perſoͤnlich nach F
komme. |
Damahls gab ed zu Bianca's Lobe nur
Etimme. Ein großer Kenner ber Menfchen ur
Hofränke, der fhlaueite Mann, der je den püpf
Stuhl bekleidet und ganz durd) eigene Liſt dara
gefhwungen hatte — Sixtus V. erklärte das Bet
Bianca’s für ein Meifterftüf der GtaatsEunft.
Wunſch, fie perfönlid Eennen zu lernen, bewe
fogar zu dem Entfhluß, auf einer Reife, bie e
Padua zu unternehmen Willens war, auch dei
von Florenz, mit feinem, Beſuche zu beehren. X
traf ſchon zu feinem Empfange die practigften 2
ten. Die Eiferſucht der übrigen italiöniſchen Fü
die an Se. Paͤpſtl. Heiligkeit eine fruchtloſe Eint
ergeben ließen, machte zwar, daß die Neije-nod
gefhuben ward; doch wäre fie wahrſcheinlich fpäte
wirklich vor fih gegangen, hatte nicht die bald &
folgende Kataftrophe Alled unterbrogen.
Ferdinand, als er, bald nad) der Ausglei
mit feinem Bruder, zu Florenz eintraf, ward vo
und Bianca mit einer Zärtlichkeit empfangen, bi
Überreite ehemahliger Unernigkeit wohl hätte ve
hen können. Franz bath fogar feinen Bruter wege
beriger Härte um Verzeihung; verfprad alles
wohns ſich zu entfchlagen; und zwifhen den Haͤr
des Medizeifchen Haufe fhien das engfte, dau
teile Freundſchaftsbuͤndniß geſchloſſen zu feyn.
Trüglicher Anſchein! In den erften Tagen bi
wre 1 95 —RX
tobers war Ferdinand nach Florenz gefommen;; bald
daranf derreiften ſie Alle zufammen, auf eine Villa zu
Pogaio a Cajano, die Franzens Herbflanfenthalt zu feyn
pilegte, Bianca both dort jedes Vergnügen der Jahres⸗
zeit auf, um ihren Gaſt zu erfreuen. Doch fhon am
dreyzehnten October erkrankte der Großherzog. Seine
Krankheit, eın dreytägiges Fieber, fhien Anfangs ganz
ungefahrlich zu ſeyn; doc fein Eigenſinn, der allen
March ver Ärzte verachtete, und im Gebrauch ber Speis
fen ſich nie mäßigte, verwandelte es bald in eine his
tzige Krankheit; (%) und fhon am achten Zuge, nach⸗
tem er den Gartınal zu feinem Nachfolger ernannt,
feine Gemahlinn, den Don Antonio und feine vor⸗
nebmijten Näche ihm empfohlen hatte, verſchied er. Zwey
Tage nad) ferner Erkrankung überfiel Bianca ein ähns
liches Übel, das aber bald alle Anzeichen naher Tödt⸗
lichfeie begleiteten. Der Hintrist ıbres Gemahls ward
ihr zwar auf Ferdinands Ihonenden Befehl verborgen
gehalten; doch errieth fie ihn aus der ungewöhnlichen
Unruhe im Pallajt und den thränenvollen Bicken ihrer
Wärter. Ferdinand befuchte fie nod ein Mahl nad feis
nes Bruders Tode, und ſprach ıhr Muth ein: aber fie
fuhlte ihr berannabendes Ende, dankte ihm tiefgerührt
für.feine Sreuntfhaft, empfahl ihm ihren Zohn, und
ſtarb, neungehn Stunden nad dem Erblaffen ihres Ges
mahls. Zhr Leihnam ward zwey Tage darauf nad) Flo⸗
ren; abgeführt, und allda von eınem anfehnlichen Theil
der Prieiterihaft, von der deutſchen Leibgarde und dem
ganzen Hofitaute empfangen. Nach gefchehener Erxöffs
nung — die in Gegenwart ihrer näditen Blutsoer⸗
wandten geſchah, und wo ulle innere Theile ın großer
Zerrüttung gefunden wurden — brachte man ihren Körs
N 2
mon 106 num
ver mit feyerlihem Zuge in die St. Lorenzo « Ki:
und itellte fie auf dem Gerüſte zur Schau, we
zwey Tage früher für ihren Gemahl errichtet word
Alles diefes war dem Range einer wirklichen &
berzoginn angemeffen! Doc, ald man nady verrichte
Zodtenamte den ‚neuen Regenten fragte: ob fie fl
fih mit der Krone ausgejegt werden follte? gab er
Antwort: Sie bat die Krone lange genug getra
Und als man weiter nachforſchte: wie es mit ihrem
graͤbniß zu halten fep® erwiederte er: Wie ihr we
Nur in unfere Oruft begebre ich lie nicht. — Ferbinc
Feindſchaft war nun erklärt genug. Man beftattet:
daher in der Stille und in die große Gruft unter
Lorenzo » Kirhe, — Wenige Tage darauf warb,
Serdinands Befehl, ihr Wapen von allen öffentfie
Gebäuden abgeriſſen, und durch das Wapen der Bi
reihifhen Johanna erfegt. Don Antonio ward ef
falls durch eine eigene Urfunde— in welder man fü
Muster ein Paar Mahl lapessima Bianca fhalt —
ein untergefbobenes Kind erklärt ; gleichwohl (mel
fonderbare Widerfpruh!) erbte er, ald Sohn‘, eu
Zheil ihrer Juwelen, und dreyßig taufent Scudi.
Übrıges Gefhmeide und bares Geld gelangte an i
Tochter und ihren Water. Erft nad) geraumer Friſt no
der Großherzog eben diefen öffentlıh fo beſchimof
Don Antonıo wieder feyerlihit in dad Mebizeiiche C
ſchlecht auf; erklärte ihn für feinen Neffen; forgte
ihn wie für einen abgefundenen Prinzen, und verſch
te ihm die Stelle eines Großpriors ım Malthefer: 1
den. Auch Bianca's Water bekam dann ein anfehı
ches Jahrgeld, und alle ihre entlaſſene Dienerfch
ward veichlich beſchenkt.
XIXXXXXXX
wa 107 we
Dieß ift ein getreuer Auszug von Bianca’ Ges
ſchichte, wie Herr Siebenkees fie geliefere bad. Daß
in ihr die Begebenheiten ſowohl, als auch die Cha⸗
vaftere der handelnden Perfonen, beträchtlich von meiner
Darftelung abweichen, ergibt ſich gleich auf den erften
Blick; und darüber, daß fie fo abweiden, it mir in
mancher fpatern Kritik, zum Theil nur gelegentlich ,
zum Theil auch ernftlih genug, eine Erinnerung ges
macht worden. Mic) deffalls zu rechtfertigen, oder zu
entſchuldigen, ſahe ih, wenn ich jetzt anders Luft zu
langen Erdrterungen hätte, mehr ald einen Weg vor
mir. Der nächfte und kuͤrzeſte ware wohl, daß ich jene
Kritiker bäthe, etwas genauer fi zu erinnern: wann
ich zuerit diefe Arbeit unternahm.
Über Bianca’ Schickſalen ſchwebte fange — wie
Herr Siebenkees ſelbſt erwähnt, und zur größern Ver⸗
dienftlichBeit feiner Arbeit beraushebt, — eine dunkele,
verdrieflihe Ungemwißbeit. Alle Kahrbücher von Flo⸗
ren; (wenn man ein einziges Werk von ſichtlicher Par⸗
teplichkeit ausnimmt), gedachten ihrer: nur im Vorüber⸗
geben, oder vielmehr mir auffallender Ausbeugung. Nur
einige fogenannte geheime Geſchichten, freylich durch
mande Ausmwüchfe entftellt, und keineswegs mit dem
Gepraͤge durchgaͤngiger Glaubwürdigkeit‘ geftempelt,
gingen von ihr in der Handfhrift herum. Mit ihnen
mußte man fid) begnügen, da es an einer Biographie
nach geprüften®ewährsmännern ganz gebrach. Erit unter
ber , für Florenz in vielfaher Ruͤckſicht ſegenreichen
Negierung Peter Leopolde wurden Denen, welde der
Geſchichtskunde ih widmeten, Staatszugange geäff-
net, die man bisher ſorgſam verſperrt hatte. Nun erſt
gewann die Geſchichte des Hauſes Medici — das man
— 198 —
ſo oft ſchon bis zum Himmel erhoben, und doch ſo ſel⸗
ten nur gekörig geſchildert hatte, — eine ganz nenue
Beleuchtung; und jetzt, wenn ih nidt irre, war Ga⸗
Inzzi der Erfte, der, in feiner 1781 erideinenten flos '
‚xentinifhen Gefdichte, auch Bianca’s Schickſale weit⸗
läufiger, obſchon freylich nicht zu ihren Gunſten ers.
zahle *), lieferte. Ihm folgte dann erſt, acht Zahre
fpäter, Herr Siebenkees, nach, und auch Dieſem wurs
ben viele Privat⸗ und Staatsunterſtützungen zu Theil.
Daß ih, fern von Florenz Bücheriammiungen und .
Archiven, nit eines ähnlichen Vorſchubs mich erfreuen
Eonnte ; daß ih, — der ich überhaupt nit Bianca's
pragmatiſche Gefchichte, fondern nur ein Werk, von.
NRührung ausgegangen und wieder auf Rührung abs
zweckend, liefern wollte, — mich nicht in fange, kri⸗
tiſche Unterſuchungen, die meine Empfindung vielleicht
abgekühlt hätten, einließ; und daß id) endlich 1778
Bücher nicht benüßte, die fo viel fpater erft gefchrieben
wurden; alles Dieß jind Umijtände, die fih wohl durch
fi felbft rechtfertigen. |
„Aber warum (könnte man weiter mid) fragen)‘,
„hoblte ich nicht bey der zweyten Auflage, warum nicht
„wenigiiend jetzt Dasjenige na, was ich freplih An⸗
„fangs verabfaumen mußte! Warum babe ich niche
„nunmehr, da mid Herr Siebenkeed durch Urkunden
„belehrt, daß Bianca durchs ganze Leben eine — Be⸗
„trügerinn gewefen fey, ihr den Nimbus abgenommen,
„der Feineöwegs für ihr Haupt gehörte? Warum habe
„ich immer ned den an ihrem Tode fo ſchuldloſen Care
a
) Herr ©. ſeibſt werfühert (&. XVI. der Vorrede), daß em
als ein ber Bianca abholder FSlorentiner ge
ſchrieben babe. u
> | |
\
u
„dinal und nachherigen Großherzog Ferdinand (nach des
„Herrn Siebenkees Ausdruck), als ben ſchlimmſten Lot⸗
„terbuben auftreten laſſen?“ — Wenn ich hierauf ganz
nah Würden antworten wollte, fo müßte ich vor als
len Dingen umſtändlich mein Glaubensbekenntniß über
die Grundſätze des hiſtoriſchen Romans abs
legen; müßte genauer erörtern, was ich bey ihm für’
wefentli und für zufällig, für erfprießlich und auch
für bloß — erlaubt halte, Und wohl möglich, daß diefe
Darftellung. nicht ganz verdienftlos wäre! Immer noch
ift über diefe, bey uns Deutfhen, feit einiger Zeit fo
vielfültig ‚ausgeübten, und auch ‚nicht felten gemiß«
braudten, bey einem großen Theil des leſenden Publi⸗
kums begünftigten, von drey Viertheilen der Kunſtrich⸗
ter aber. gemißbilligten Dichtart aͤußerſt wenig mit rue
higem, ſcharfen Blick unterſucht, und mit anfländigem:
Tone geſagt oder geſchrieben worden. Eine Theorie,
bie man, nicht etwa genügend, ſondern nur not h⸗
dürftig nennen könnte, findet ſich von ihr nirgends.
Selbſt einige, an fi fchäbbare Aufläße — worunter
fih der Seßterifche in der deutfchen Monatheſchrift vor⸗
theilhaft auszeichnet. — haben die Hauptfrage: Wie
weit darf die romantifhe Daritellung von der wirklichen
Geſchichte abgehen F oder: Bis zu welchem Grade darf’
Wahrheit der Wirkung aufgeopfert werden ? bey Wei⸗
tem nicht gebörig auseinander geſetzt. So wenig ich
mir fhmeicheln kann, hierüber ein unt rüglich es Ur⸗
theil zu fällen, fo wenig ſelbſt meine Meinung für u ns
befangen geiten dürfte, ba ich zuweilen für meine:
eigene Sache fprehen würde, fo war ich doch längft
ſchon gefinnt, einige Bemerkungen, aus Erfahrung
geihöpft, einige Gründe, mit Muße durchdacht, ber
' 200 — u
Prufung billiger Kritik darzulegen, und ben flreiti
Dunct der Entfcheidung wenigitens naͤhet zu bring
ja, ich würde es gleich jegt ıhun, wäre es nuren
mit einer Unterfuchung verbunden, die durchaus
wenig in's Weite geben muß, und die mir unfd
lich für einen bloßen Anhang, allzu ernft für
Merk, der bloßen Unterhaltung beftimmt, dünkt.
verſpare daher Alles, was ich über diefen Stoff auft
Herzen babe, für ein eigenes Eleined Werk, das wa
fheinlich bald an’6 Tageslicht treten dürfte; Fann n
aber doch nicht enthalten, ein Paar der allererfien €
banken, die Herrn Siebenkees Biographie in mir ı
anlafte, bier noch mit anzuführen.
Daß Here Siebenkeed zum Leben ber Via
viele Nachrichten geliefert, deren wir bis dahin ga
oder wenigftens in der Umſtaͤndlichkeit entbehrt
baß er ſich dabey folder Hülfsmittel bedient, ‚Die |
allen feinen Vorgängern abgingen, und wovon ei
ge allerdings fehr ſchätzbar waren: daß er bey fei
Arbeit Mühſamkeit mit Einficht verband, und anf!
Dank der Gefhichtsfundigen, auf ein Citatum in Eh
tigen Staatengeſchichten Anſpruch fid erwarb, — D
alles wird wohl Niemand ihm abfprehen. Doc daß
mit UnparteplichEeit gefchrieben ; daß unter feinem ©
fel Bianca Dırjenige geblieben, die fie in der Wirkli
feit war; daß er, der gegen den biftorifhen Rom
fo öftere und bittere Ausfälle thut, fich felbft von.
Ier romantifdyen Erbichtung frey erhalten babe; bav
Fann ich mich Eeinesmegs überzeugen.
Klinge es immer für den erften Augenblick etn
abenteuerli , etwas gefucht parıbor! Aber gerad
daß Herr Siebenkees ſo diel aus arch iv al i ſ ch e n No
J
wer 208 vum
richten, und mit fo vollem Zutrauen auf diefelben ents
lehnt, ſchwächt feine Glaubwürdigkeit in meinen Augen
beträchtlich. Der bloße Plag in Archiven (Das weiß ich
aus achijähriger eigenen Erfahrung) gibt den bier aufs
bebaltenen Papieren nicht ein Haarbreit Wahrheit
mehr, als fie ohnedem befißen. Unendlih mehr Eommt
darauf an: Wann, von wem, und unter wels
hen DVerhäftniffen fie niedergelegt wurden ? Was
ein Regent, oder eine Regierung überhaupt, zu fams
meln und aufzubewahren gebiethet, von Dem laßt ſich
fhon, ber Natur der Sache nad, mit höchſter Wahr⸗
fheinlichkeit vermuthen, daß es nichts dem gebierheits
den Theile Ungünftiges in fid enthalten werde. Wenn
es aber zumahl die Angelegenheiten einer Perfon bes
trifft, die der Regent todelich haft; wenn es zu einer
Zeit gefhieht, wo diefer Legtere gewaltthätige Maßre⸗
geln ergreift, um feine Race zn befriedigen, und wo
er doch eben diefe Rache gern im Auge der Nachwelt
befhönigen möchte, — wer kann bann- Papieren bier
ſes Schlages, und wenn zehn fürftliche Ziegel fie ſtem⸗
gelten, wenn fie hundert Mahl die Form eines gerichts
lihen Verhoͤrs an fih trugen , viel Glauben beymefs
fen? Gleichwohl treffen alle diefe Umftände bey einigen
fogenannten Urkunden zuſammen, aus welden der
Verfaſſer gerade feine härteſten Anklagen gegen Bigns
ca, die Befhuldigung des Betrugs und der grauſam⸗
ften Mordanfihläge hernimmt. Alle Papiere, die Dieß
zu begründen feinen, wurden auf Ferdinands Bes
fehl niedergelegt’; zu der Zeit niedergelegt, als ihn
(nach des Verfaſſers eigenem Geftändnif) ein Schwarm
von Bianca's Feinden und Anklägern umringte; als
er ſich erft feft auf den ererbten großherzoglichen Stuhl
vo. 192 son
Betragen den Slorentinern mißfiel, felbft entfer:
half, — wiewohl fie nichts verabfälmte, um der. g
fern Menge ſich beliebt zu machen; dennoch yerb
man hartnädig im Haffe gegen Diefelbe; und auch
innern Frieden des regierenden Hauſes bedrohte 6
nachher eine neue Zerrüttung.
Don Philipp, des Großherzogs einziger &o
mit Johanna von Ofterreich erzeugt, ftarb (1583)
Kind; das- Jahr daranf erklärte Franz den Don ]
tonio — jenen.angeblich untergefhobenen Sohn Bi
cas, — für fein eigenes rechtinäßjged Kind, und:
fnaffte ihm von Spanien ber, den Titel eines Prin
von Gapeitrano. Ferdinand beforgte daher: Bia
werde nicht ruhen, bis ihr Gemahl ihn aud zum Ne
folger in der Regierung erkläre; und ſichtlich erkalt
er von nun an in ber Freundfchaft mis ihr. Ant
Gerüchte gaben feinem Argwohn auch eine andere £
fung. Es verbreitete fi) mehrmahls die Gage: |
Bıanca ſchwanger fey. Der Großherzog felbft fd
ein Mahl davon ganz überzeugt zu feyn. Nach Fe
nands Vermuthung war nichts gewiſſer, ald dag Bi
ca das Epiel der Unterſchiebung noch ein Mahl fpie
werde. Er trug ed feinem zweyten Bruder, Pet
der zwar fonft gewöhnlich in Spanien lebte, jet a
einige Zeit in Florenz ſich befand, dringend auf:
nicht fo bald ſich wieder zu entfernen, und wohl ?
zu geben, was vorgebe. Doch diefer Argwohn
Brüder kam bald auch zu des Großherzogs Kundfch,
und beleidigte ihn höchlich. Won der Schwangerfä
ſeiner Gemahlinn feit, weit feſter als fie felbit ül
zeugt, lud er den Cardinal ſchriftlich ein, felbft n
Florenz zu kommen, und ein Zeuge von ber Miet
$unfi
a voon 199 woran
Eunft feiner Schwägerinn zu fen: Diefer ſchlug es aus,
weil er jenen Argwohn ganz — abläugnete. Es gab
einen Briefwechſel mis Beleidigungen auf beyden Sei⸗
ten. Ein Paar Monathe darauf ſchwand die frohe Ers
wartung des Großherzogs ganzlid. Bianca's vermeinte
Schwangerſchaft ging in eine Kranfpeit über, die ihr
Leben zu enden drohte, und nur mühſam gehoben ward.
Yu bey diefen Vorfallen hatte Bianca fters ſich
auf's Elügite betragen ; hatte‘ won ihrer Schwanger:
{haft ftets in einem zweifelhaften, mehr beſorglichen
als hoffenden Tone gefprocden ; hatte gegen Don Per
ter mündlich, gegen den Cardinal fchriftlich ſich erklärt,
daß fie fich eher krank als in der Hoffnung zu ſeyn vers
muthe; hatte zu eben der Zeit, da ihr Gemahl üußerff
hart an den Bruder fehrieb, fih ſtets gegen ihn fo
ſanftmüthig als möglich ausgedrückt, und hatte dafür
auch am Ende bie ehrenvollfte Genugtfuung. Denn
da der Cardinal gar bald verfpärte, wie nachteilig ihm
diefer Zwift mit feinem Bruder werde ; wie fehr vor-
züglich dadurch fein Anfehen und Einfluß beym päpftlis
den Hofe fine; da wandte er ſi bh an Bianca felbit,
und bath um ihre Vermittelung, ihn mit dem Großher⸗
zog — bey dem er nur verleumdet worden fey — aus⸗
zuföhnen. Mit Sreuden ergriff Die Schlaue dieſe güns
ſtige Gelegenbeit, ein neues Verdienſt in den Augen ber
Welt und felbit ihrer Gegner fi zu erwerben. Sie trat
daher mıt dem Erzbifhof von Zloren; in ein Verftänds
nig. Erit als Diefer, ein ehrwürtiger, von Franz
geachteter Prälat, das Herz des Fürſten durch triftige
Vorſtellungen [bon erweicht hatte, trat auch Bianca
in's Gemach, Und vollendete durch ihre innigite Bitte
den Entfhlug der Vergebung. Sie felbft ward bevoll⸗
Meißners Bianca Cap. 2. Thl. N
2*
— 194 —
maͤchtigt, dem Cardinal Dieß zu melden. Eine anf
“he Geldfumme, ihm lange verweigert, warb r
ſchickt. Zum Siegel der Eintracht ward nichts m
verlangt, ald daß Ferdinand perſonlich nad 51
fomme.
Damahls gab es zu Bianca's Lobe nur
Stimme. Ein großer Kenner der Menfchen uni
Hofränke, der fhlauefte Mann, der je-den päpfti
Stuhl bekleidet und ganz durd) eigene Liſt daran
gefhwungen hatte — SirtusV. erklärte das Bet:
Bianca's für ein Meiſterſtück der Staatskunſt.
Wunſch, fie perfönlic Eennen zu lernen, bewo;
fogar zudem Entfhluß, auf einer Reife, die er
Padua zu unternehmen Willend war, auch den
von Florenz mit feinem, Befuche zu beehren. B
traf ſchon zu feinem Empfange die präctigften A
ten. Die Eiferſucht der übrigen italiöniſchen Für
die an Se. Päpftl. Heiligkeit eine fruchtloſe Eint:
ergeben ließen, machte zwar, daß die Reiſe moch
gefhuben ward; doch wäre fie wahrſcheinlich fpäten
wirklich vor fi gegangen, hatte nicht die bald de
folgende Kataftrophe Alles unterbrochen.
Serdinand, ald er, bald nad der Ausglei
mit feinem Bruder, zu Florenz eintraf, ward vor
und Bianca mis einer Zärtlikeit empfangen, Di
Überreite ehemahliger Unernigkeit wohl hätte ver
hen Eönnen. Franz bath fogar feinen Bruder wege:
beriger Härte um Verzeihung; verfprady alles
wohn fi) zu entfchlagen; und zwifchen den Hau
des Medizeiſchen Hauſes ſchien das engfle, dau
teſte Freundſchaftsbuͤndniß geſchloſſen zu ſeyn.
Trüglicher Anſchein! In den erſten Tagen bi
er ' 77 5 1 95 vr.
tobers war Ferdinand nach Florenz gefommen; bald
darauf verreiften ſie Alle zufammen, auf eine Villa zu
Poggio a Cajano, die Franzens Herbſtaufenthalt zu feyn
pflegte, Bianca both dort jedes Vergnügen der Jahress
zeit auf, um ihren Gaſt zu erfreuen. Doch ſchon am
dreyzehnten Dctober erkrankte der Großherzog. Beine
Krankheit, ein dreytägiges Fieber, fhien Anfangs gang
ungefährlich zu feyn; doch fein Eıgenfinn, der allen
Kath ber Ärzte verachtete, und im Gebrauch der Spei⸗
fen ſich nicht mäßigte, verwandelte es bald in eine bie
tzige Krankheit; (f) und fhon am achten Zuge, nach⸗
tem er den Cartınal zu feinem Nachfolger ernannt,
feine Semahlinn, den Don Antonio und feine vor⸗
nebmiten Räthe ihm empfohlen hatte, verſchied er. Zwey
Zage nach ferner Erkrankung überfiel Bianca ein ähns
liches Übel, daß aber bald alle Anzeichen naher Tödt⸗
lichkeit begleiteten. Der Hintritt ihres Gemahls ward
ihr zwar auf Ferdinands Ihonenden Befehl verborgen
gehalten; doch errierh fie ihn aus der ungewöhnlichen
Unruhe im Pallaſt und den thränenvollen Blicken ihrer
Wärter. Ferdinand befuchte fie noch ein Mahl nad) ſei⸗
nes Bruders Xode, und fprad) ihr Muth ein: aber fie
fühlte ihr berannahendes Ende, dankte ihm tiefgerührt
für.feine Sreuntfhaft; empfahl ibm ihren Sohn, und
farb, neungehn Stunden nad) dem Erblaffen ihres Ges
mahls. Ihr Leichnam ward zwey Tage darauf nad) Flo⸗
renz abgeführt, und allda von einem anſehnlichen Theil
der Prieſterſchaft, von der deutſchen Leibgarde und dem
ganzen Hofſtaate empfangen. Nach geſchehener Eroͤff⸗
nung — die in Gegenwart ihrer nächſten Blutsver⸗
wandten geſchah, und wo ulle innere Theile ın großer
Zerruttung gefunden wurden — brachte man ihren Körs
mM 2
won 106 vooes
ver mit feyerlihem Zuge in die &t. Lorenzo« Kire
und ftellte fie auf dem Gerüſte zur Schau, wel
zwey Tage früher für ihren Gemahl errichtet worde
Alles diefes war dem Range einer wirklichen Gr
berzoginn angemefjen ! Doch ald man nad) verrichtet
Zodtenamte den ‚neuen Regenten fragte: ob fie öffı
lich mit der Krone ausgejegt werden follte? gab er
Antwort: Sie hat die Krone lange genug getrag
Und als man weiter nachforfchte : wie es mit ihrem S
gräbniß zu halten fey? erwiederte er: Wie ihr wol
Nur in unfere ruft begehre ich fie nicht. — Ferdinal
Feindſchaft war nun erklärt genug. Man beftattete
daher in der Stile und in die große Gruft unter |
Lorenzo s Kirhe. — Wenige Tage darauf warb,
Serdinands Befehl, ihr Wapen von allen Öffentfid
Gebäuden abgerijfen, und durch das Wapen der fi
reihifhen Johanna erfegt. Don Antonio warb eb
falls duch eıne eigene Urfunde— in welcher man fe
Murter ein Paar Mahl lapessima Bianca ſchalt —
ein untergefhobenes Kind erklärt ; gleichwohl (wele
fonderbare Widerſpruch!) erbte er, ald Sohn, eu
Zheil ihrer Juwelen, und drepkig taufend Scudi.“
übriges Geſchmeide und bares Geld gelangte an i
Tochter und ihren Vater. Erft nad) geraumer Frift na
der Großherzog eben dieſen öffentlich fo beſchimpf
Don Antomo wieder feyerlihit in dad Mebizeiiche G
ſchlecht auf; erklärte ihn für feinen Neffen; forgte
ihn wie für einen adgefundenen Prinzen, und verfd.
te ihm die Stelle eines Großpriors ım Malchefer: 5
den. Auch Bianca's Water bekam dann ein anfehı
ches Jahrgeld, und alle ihre entlaſſene Dienerfch
ward veichlich beſchenkt.
XIXXXXXXX
’ IE 1 97 X
Dieß iſt ein getreuer Auszug von Bianca's Ge⸗
ſchichte, wie Herr Siebenkees ſie geliefert hat. Daß
in ihr die Begebenbeiten ſowohl, als auch die Cha⸗
raktere der handelnden Perſonen, beträchtlich von meiner
. Darftellung abweichen, ergibt ſich gleich auf den erften
Blick; und darüber, daß fie fo abweiden, it mir in
mancher fpätern Kritik, zum Theil nur gelegentlich „
zum Theil auch ernftlih genug, eine Erinnerung ges
macht worden. Mic deßfalls zu rechtfertigen, oder zu
entſchuldigen, fabe ih, wenn ich jetzt anders Luft zu
langen Erörterungen hätte, mehr als einen Meg vor
mir. Der nächſte und Bürzefte ware wohl; daß ich jene
Kritiker bäthe, etwas genauer fi zu erinnern: wann
ich zuerſt dieſe Arbeit unternahm.
Über Bianca's Schickſalen ſchwebte lange — wie
Herr Siebenkees ſelbſt erwähnt, und zur größern Vers
dienſtlichkeit feiner Arbeit heraushebt, — eıne dunfele,
verdrieflihe Ungewißheit. Alle Kabrbüher von Flo⸗
ven; (wenn man ein einziges Werk von fichtliher Par⸗
teplichkeit ausnimmt), gebadten ihrer: nur im Vorübor⸗
gehen, oder vielmehr mir auffallender Ausbeugung. Nur
einige fogenannte geheime Geſchichten, freylich durch
manche Auswüchſe entftelt, und Beineswegs mit dem
Gepräge durdgängiger Glaubwuͤrdigkeit geftempelt,
gingen von ihr in der Handfhrift herum. Mit ihnen
mußte man fid) begnügen, da es an einer Biographie
nach geprüften®ewährsmännern ganz gebrach. Erit unter
ber , für Florenz in vielfacher Ruͤckſicht ſegenreichen
Negierung Peter Leopolds wurden Denen, welche der
Geſchichtskunde ſich widmeten, Staatszugange geäffe _
net, tie man bisher. forgfam verfperrt hatte. Nun erſt
gewann die Geſchichte des Hauſes Medici — dat man
4
E 198 008
fo oft fhon Bis zum Himmel erhoben, und body fo ſel⸗
ten nur gekörig gefchildert hatte, — eine ganz neue
Beleuchtung; und jegt, wenn id nit irre, war Gas
Inzzi der Erfte, der, in feiner 1781 erideinenden flo⸗
rentiniſchen Geſchichte, auch Bianca’s Schidfale weite
läufiger, obſchon freylich nicht zu ihren Gunſten err.
zahle *), lieferte. Ihm folgte dann erft, acht Jahre
fpäater, Herr Siebenkees,nah, und auch Diefem wurs
den viele Privat und Staatsunterſtützungen zu Theil,
Daß ih, fern von Florenz Bücheriammiungen und .
Archiven, nit eines ähnlichen Vorſchubs mid erfreuen
Fonnte ; daß ih, — der ih überhaupt nicht Biancas
pragmatiſche Gefhichte, fondern nur ein Werk, von.
Rührung ausgegangen und wieder auf Rührung abs
zweckend, liefern wollte, — mich nicht in lange, kri⸗
tıfhe Unterfuchungen, die meine Empfindung vielleicht
abgekühlt hätten, einließ; und daß ih endlich 1778
Bücher nicht benützte, die fo viel fpater erft gefchrieben
wurden; alles Dieß jind Uaſtände, die ſich wohl durch
ſich felbft rechtfertigen. |
„Aber warum (Eönnte man weiter mich fragen),
„bohlte ich nicht bey der zweyten Auflage, warum nicht
„iwenigiiend je&t Dasjenige nad, was ich freylih Ans
„fange verabfäumen mußte? Warum habe ih nie
„nunmehr, da mich Kerr Siebenkees durch Urkunden
„belehrr, daß Bianca durchs ganze Leben eine — Be⸗
„trügerinn gewefen fey, ihr ben Nimbus abgenommen,
„der keineswegs für ihr Haupt gehörte? Warum habe
„ih immer ned den an ihrem Tode fo fhuldlofen Care
— — — ——
) Herr ©. ſeibſt verſichert ( S. XVI. der Vorrede), daß em,
als ein der Blanca abholder FSlorentiner ge⸗
ſchrieben Habe.
% )
\ .
— 809 we
„dinal und nachherigen Großherzog Ferdinand (nach des
„Herrn Siebenkees Ausdruck), als den fhlimmften Lot⸗
„terbuben auftreten.laffen?” — Wenn ich hierauf ganz
nad Würden antworten wollte, fo müßte ih ver als
len Dingen umftandlic) mein Glaubensbekenntniß über
die Grundfſätze des hiſtoriſchen Romans abs
legen; müßte genauer erörtern, was ich bey ihm für’
wefentlih und für zufällig, für erfprießlich und auch
für bloß — erlaubt halte. Und wohl möglich, daß dieſe
Durftellung. nicht ganz verdienftlos wäre! Immer noch
ift iiber dieſe, bey uns Deutſchen, feit einiger Zeit fo
vielfültig ausgeübten, und auch nicht felten gemiß«
braudten, bey einem großen Theil des leſenden Publis
fums begünftigten, von drey Viertheilen der Kunſtrich⸗
ter aber. gemißbilligten Dichtart aͤußerſt wenig mit rue
bigem, ſcharfen Blick unterſucht, und mit anfländigem-
Zone gefagt oder gefchrieben worden. Eine Theorie,
die man, nit etwa genügend, fondern nur noth«
dürftig nennen könnte, findet fi von ihr nirgends.
Selbſt einige, an fi ſchaͤtzbare Aufſätze — worunter
fih der Feßleriſche in der deutfhen Monatheſchrift vor«
theilhaft- auszeichnet. — haben die Hauptfrage: Wie
weit darf die romantifhe Daritellung von der wirklichen
Geſchichte abgehen ? oder: Bis zu welchem Grade darf’
Mahrheit der Wirkung aufgeopfert werden? bey Weis
tem nicht gebörig auseinander gefeht. &o wenig ich
mir fhmeicheln kann, hierüber ein untrüglidhes Ur⸗
theil zu fällen, fo wenig ſelbſt meine Meinung für u ns
befangen geiten dürfte, da ich zumeilen für meine:
eigene Sache ſprechen würde, fo war ich doch laͤngſt
ſchon geſinnt, einige Bemerkungen, aus Erfahrung
geſchoͤpft, einige Gruͤnde, mit Muße durchdacht, ber
>
’ ‚hen 200 — .
Prüfung billiger Kritik darzulegen, und bem fireit
Punct der Entſcheidung mwenigitens nähet zu bring
ja, ih würde ed gleich jegt ıhun, wäre ed. nur ı
mit einer Unterfuchung verbunden, die durchaus
wenig in's Weitegeben muß, und bie mir unfd
lich für einen bloßen —Anbang, allzu ernft für
Merk, der bloßen Unterhaltung beftimmt, dünkt.
verſpare daher Alles, was ich Über diefen Stoff. auf!
Herzen habe, für ein eigened Eleined Werk, das wc
ſcheinlich bald an’6 Tageslicht treten dürfte; Fann n
aber doch nicht enthalten, ein Paar der allererfien (
danken, die Herrn Siebenkees Biographie in mir ı
anlaßte, hier noch mit anzuführen.
Daß Herr Siebenkees zum Leben ber Via
viele Nachrichten geliefert, deren wir bis dahin ga
oder wenigftens in der Umſtaͤndlichkeit entbehrt
daß er fi dabey folder Hülfsmittel bedient, ‚Die
allen feinen Vorgängern abgingen, und wovon ei:
ge allerbings fehr fhakbur waren: daß er bey fei
Arbeit Mühſamkeit mit Einficht verband, und auf |
Dank der Gefhichtsfundigen, auf ein Citatum in EA
tigen Ötaatengefdichten Anſpruch fig erwarb, — D
alles wird wohl Niemand ihm abfpreden. Doc baß
mit UnparteylichEeit gefchrieben ; Daß unter feinem &
fel Bianca Diejenige geblieben, die fie in der Wirkli
feit war; daß er, der gegen den hiftorifhen Nom
fo öftere und bittere Ausfälle thut, ſich felbft von
Ier romantiſchen Erbichtung frey erhalten habe; bar
kann ich mich Eeinesmegs Überzeugen.
Klinge es immer für den erften Augenblick etn
abenteuerlih , etwas gefucht par:bor! Aber. gerad
daß Herr Siebenkees ſo diel aus arch iv al iſ ch e n Me
J
we DZOR vom
richten, und mit fo vollem Zutrauen auf biefelben ents
lehnt, ſchwächt feine Glaubwürdigkeit in meinen Augen
beträchtlich. Der bloße Platz in Archiven (Das weiß ih
aus adhrjähriger eigenen Erfahrung) gibt den hier aufs
bebaltenen Papieren nicht ein Haarbreit Wahrheit
mehr, als fie ohnedem befigen« Unendlih mehr Eommt
darauf an: Wann, von wem, und unter wels
hen Verbältniffen fie niedergelegt wurden ? Was
ein Regent, oder eine Regierung überhaupt, zu fans
meln und aufzubewahren gebiethet, von Dem laßt ſich
fhon, der Natur der Sache nah, mit höchſter Wahrs
ſcheinlichkeit vermuthen, daß ed nichts dem gebiethen⸗
den Theile Ungünftiges in ſich enthalten werde. Wenn
es aber zumahl die Angelegenheiten einer Perfon bes
trifft, die der Regent todtlih haft; wenn es zu einer
Zeit geſchieht, wo diefer Legtere gewaltthätige Maßres
geln ergreift, um feine Rache zn befriedigen, und wo
er doch eben diefe Race gern im Auge der Nachweis.
befhönigen möchte; — wer kann dann- Papieren bier
ſes Schlages, und wenn zehn fürftlihe Siegel fie ſtem⸗
pelten, wenn fie hundert Mahl die Form eines gerichts
lihen Verhoͤrs an fih trügen , viel Glauben beymefs
fen? Gleichwohl treffen alle diefe Umjtände bey einigen
fogenannten lirkunden zufammen, aus welden der
Verfaſſer gerade feine haͤrteſten Anklagen gegen Bian⸗
ca, die Befhuldigung des Betrugs und der grauſam⸗
ften Mordanfihläge hernimmt. Alle Papiere, die Dieß
zu begründen feinen, wurden auf Ferdinands Bes
fehl niedergelegt; zu ber Zeit niedergelegt, als ihn
(nad des Verfaſſers eigenem Seftändnif) ein Schwarm
von Bianca’6 Feinden und Anklägern umringte; als
er fih erft feft auf den ererbten großberzoglichen Stuhl
zu feßen ſtrebte; als er wegen. bed harten Betrag
gegen Bianca's Leihnam und gegen ihren, ibm nr
von feinem flerbenden Bruder empfohlenen Sohn «
Entſchuldigung zu finden ſuchte. Wie wilfommen i
damahls auch dad Unmwahrfte feyn mußte, wenn es
Bianca's Andenken fhändete, ergibt fi von felbft
Noch unglaubwürdiger werden dieſe archivalifd
Nachrichten, wenn man die Anklagen feldft etwas
nauer betrachtet, die fie enthalten. Die bitterfte ı
allen ift (wie fhon erwähnt worden), die Unterfd
bung eings Sohnes. Herr Siebenkees ift aufrichtig
nug, zu gefteben: er habe diefe ganze Beſchuldigung?
fangs für ein bloßes Florentiner-Mahrchen gehalt
aber nachher wären ihm der Zeugen dafür zu viele ı
ihre Ausfagen zu wichtig geworden, als daß at
der geringfie Zweifel dagegen Statt fi
den Eönne. Welches find denn diefe unmwiderlegfid
Zeugniſſe? Erſtens der Auffag eined Arztes, Peter (
pelli, der fhon an dem Tage, wo Bianca die Ri
der Gebaͤhrerinn gefpielt, Betrug vermuchet, und d
Großherzog diefe Vermuthung mitgetheilt haben wi
— Wodurch dieſes Legtere beweisbar gemwefen ſey,
det ſich nirgends. Zweytens der anonyme ©
eines Bologneſer Geiſtlichen an den Cardinal Zei
nand, worin er das Schickſal und die Ausſage
Johanna Santi *) erzählt. Wie viel ein folder a
*) So hieß diejenige Kammermagd, deren fi Bianca,
ihrer Vertrauteſten bedient baden fol, um bey m
seren () ſchwangern Weibern vin Kind aussufpähen,
man wegnehmen und unserfchieben könne; welde
vahher , zum Lohn iprer Mühe, won ihrer umbau
wen 208 wen
nymer Brief werth ſey, verdiene wohl Feine Erwöh:
nung? — Ferner die Abſchrift des Verhörs der Santi
aus Bologna vom 10. November 1577. — Wahre
ſcheinlich eine Beylage des vorigen Schreibens, und
mit ihm auf einer gleichen Stufe der Untrüglichkeit
ſtehend! Und endlich die Unterredung des Großherzogs
mit ſeinem Hoftheologen, Joh. Bapt. Confetti, wegen
feiner Vermaͤhlung mit Bianca.
Da Dieß der einzige Zeuge ift, deſſen Aufſatz Herr
Siebenkees wortlih mit einwebt, und da er auf defien
Ausfage eın vorzüglihes Gewicht zu legen fheint, fo
wollen wir bier zur Probe nur die erfte Hälfte feines
Dialogs ausheben; von ihm ift ein Schluß auf die
übrigen Handfhriften — wenigftens nit uner⸗
laubt. Herr Pater Confetti rebet folgender Maßen:
„Wenige Tage nad) dem feyerlichen Reichenbegängs
„niß der Großherzoginn ließ mich der Broßherzog durch
„feinen Pagen Luigi Capponi nad der Meſſe zu fid
„rufen. Wie ih allein bey ihm war, hub er alfo an:
„Ich will einen meiner Wünfhe, der Gott und Men:
„ſchen nicht mehr beleidigt, erfüllen, vorher aber Euer
„freymüthiges Gutachten darüber hören. Die Sache
„it kurz diefe: ich wıll die Signora Bianca heirathen.
„Was denkt Ihr davon?”
Conf. „Die®ade ift zu wichtig, als daß ich fogleich
„eine entfcheidende Antwort geben Eönnte. Jh muß vor⸗
„ber mit folgenden Umſtaͤnden näher bekannt feyn.”
Srau entlaffen, nad Bologna gefhidt, und auf dem Weg
über Die Apenninen (si fabula vera) durch Meuchelmörder
verfolge wurde. Wohl zu merken, daß eben Diele Santi
ihre verlarvten Banditen nicht deutlich erfennen Bonnte , _
fordern nr muthmaßlich, in letzten Zügen, für Bianca's
Soͤldlinge erkiärte!
won 204 wu
„Haben Sie der Signora Bianca bie Ehe Hera
ſprochen, da, Ihre Gemahlinn noch lebte?”
„Iſt diefes Verfprehen vor der Ermordung. bei
„Bonaventuri gefchehen ?
„Haben Sie in diefen Mord gewilligt, ihn an⸗
„gegeben oder begünſtigt?
„Haben Sie mit der Signora Bianca vertrauten
—Umgang gehabt, und Kinder mit ihr gezeuge?”
Großh. „Beyde, meine Gemablinn und der
„Mann der Signora Bianca lebten, wie ich ihr die
„Ehe verſprach, wenn wir Beyde frey feyn würden. Bald
"darauf wurde Bonaventuri ermordet;. eine That, bie
„ih weder veranitaltet noch angerathben habe; nur
„wußte ih darum, und ließ fie gefhehen. Vertraut
„habe ich vor und nad ber Ermordung ibres Mannes
„mit ihr gelebt, aber nie Kinder mit ihr gezeugt. Und
„wenn man glei) den Don Antonio für meinen mit
„ihr erzeugten Sohn hält, ift er's doch in der That
„richt. Ich war ohnehin felbit der Meinung, er fey
„mein Sohn. Als ich ihn aber dafür erklärt hatte, ente
„decte jie mir Alles, was gefhehen war. Aber dem⸗
„ungeachtet glaube ich mein Vorhaben ausführen zw
„können, weil ich ihn für meinen Sohn erfiärt Habe."
Eonf. „Der Umftand mit dem Don Xntonie
„erſchwert Mes. Doch kann ich Ihnen vorläufig fo viel
„fagen, daß Die Heirath nit vollgocen werden kann,
„weil ber Bedenklichkeiten zu viel find. Sie haben der
„Branca dad Verſprechen gethan, baben vertrauten
„Ungang mit ihr gehabt, da Ihre Gemahlınn unb
„Bonaventuri noch lebten. Ste huben zwar in die Er⸗
„mordung desjelben — wie Sie fagen, nicht ausdrück⸗
lich gewilligt, fie ader dadurch begünſtigt, daß Die,
t
wen 205 men ‚
„undeachtet Shres Vorwiſſens, Eeine Anftalten getrofs
„fen haben fie zu bintertreiben. Diefes find die Uriar
„hen, warum Ihre Vermählung mit der Bianca nicht
„vollzogen werden kann, und getrennt werden müßte,
„wenn fie ſchon vollzogen wäre; | denn fie wäre eine
„Zodfünde. ”
„Nach diefer Vorſtellung entließ mich der Große
„herzog mit der Erinnerung: ic follte die Sache reif
„überlegen. Ich kam zum zweyten Mahl; brachte die dos
„rigen Gründe vor, und führte ibm am Schluß meis
„ner Unterretung zu Gemüthe, da& dieje Verbindung
„auch nad dem Kirchenrechte verboten fey. Dafür fey
„Gott, antwortete er mir, daß ich etwas canoniſch
„Unerlaubtes vornehmen ſollte! Nun legte er vor Gott
„das feyerliche Verſprechen ab: er wolle aller Verbin⸗
„dung mit ihr entfagen und-ihr-wiffen laſſen: wie er
„an ein Verſprechen nie gebunden feyn Eönne, das
„feine Theologen für fündlich erklärt hatten.”
Sol ich wohl länger noch mit Abfchreiben forts
fahren? ft es wohl möglich, daß irgend Jemand bey
Lefung diefes Auffages im Ernft glauben foflte, ein ſo
wichtiges Geſchäft fey in einem Geſpräche dieſes Schla⸗
ges verhandelt worden? Blickt nicht, id möchte faſt
fagen, aus jeder Zeile, jedem Worte bie bloße will⸗
Eürlicye, höchſtens auszugsweife gefhehene Niederſchrei⸗
bung von Dingen hervor , ‘die — wenn fie anders, fes
mabls zwifhen Fürften und Beichtiger zur Sprache
Eamen, gewiß mit weit größerer Vorjiht von beyden
Seiten berührt wurden I Welder plumpe — id möchte
faft jagen, unprieiterlide — Gewiſſensrath mußte Herr
Pater Confetti feyn, wenn er fo auf feinen Großher⸗
dog zu wirken hoffte? Weiher erbaͤrmliche Schwäch⸗
"u
wu 209 [7 2 ” *
fing war Franz, wenn ſolche Gründe ſein Vor
ben erſchütterten! — Der Umſtand, daß Bianca g
ohne Noch ihrem Geliebten (der noch nicht ihr Gem
mar, und den fie gern erit Dazu gemacht hätte) geſt
den haben follte, der vermeinte Sohn fey nice |
Kind, — wie unwahrſcheinlich ift er an fi felbft! |
unverträglich mit ihrer oft erwähnten Schlauheir! %
unwahrſcheinlicher noch ıwird er dadurch: daß Franz d
fortfähre , den Don Antonio durch's ganze Leben
feinen Sohn zu’betradhten, und ihn noch liebevoll;
legten Augenbluf vor dem Tode, feinem Nachfol
empfiehlt. Ja endlich! Was in aller Welt hätte e
tiefen Nadfolger bewegen Eönnen, jenen nun wir
hen vor ben Augen des ganzen Europa befdhimpfti
fur untergefhoben erklärten, armen Süngling doch u
der als feinen Neffen zu erklären, zu erkennen,
befördern, — die Scene des Betrugs, ober bes n
Iggeiten Mitleid mit ihm noch ein Mahl zu fpielt
wenn ihn nit etwa das Gefühl einer begangen
wieder auszufühnenden Lngerechtigkeit dazu bewt
Wahrlich, durd Liefen einzigen Schritt vernicht
zerdinand alle Befhuldigungsacten, die er gegen J
Antonio's unglüdlihe Mutter in feinem Archive nie!
gelegt, alie Decrere, die er erlaffen, alle Gerüd,
tie er begünftige hatte! — Auch braucht man nur
eınfaltige Art, wie Bianca bey diefem Unterſchiebun
betruge gebundelt haben ſoll, und die fait noch
glaublichere, wie fie dur blutige Grauſamkeit ihn
der Runde verbergen wollte, mıt unbefangenem Ge
zu überdenken; und man erkennt überall die Spr.
der Verleumdung — der Verleumdung , bie fie nı
ber gern noch ein Mahl (mas felbft Herr Siebenkees
\
ion 207 —⸗ ! .
wirft), einer Wieberhohlung von diefem Betruge ge:
ziehen hätte.
Herr Siebenkees tadelte mich einige Mahl, daß
ich meinen Stoff zu parteyiſch für Bianca bearbeitet
harte. Er Eann recht, und ih — gleichwohl nicht une
vecht haben. Ich bearbeiteteihn , wie ich fhon erwahne
te, dichteriſch. Meine Hauptabſicht war daher nicht
Unterricht, fondeen Wirkung. Aber wie, wenn
nun ihm, der doc als Gefchichtfchreiber auftritt,
der für feine Rolle fhwerer zu entfhuldigende Vor⸗
wurf gemacht würde: daß er zu partegiih gegen
fie gefegrieben habe? Nicht bloß, weil er allzu leicht⸗
gläubig mande ungünftige Anecdoten aufgenommen,
fondern weil er fie oft. auch mit Neflerionen begleitet,
die bey einem unbefangenen Geifte fih Faum erwarten
ließen. Nirgends ift Dieß auffallender, als in der letz⸗
ten Epoche von Bianca's Leben, in der Epoche ihres
fürftfihen Standes. Sey ſie auf diefen glänzenden
Poiten gekommen, wie — man ſelbſt will; bloß duch
Franzens glühende Liebe, oder. duch ihre mitwirkende
Lift! Genug, von dem Tage an, wo fie ihn beftieg,
halt ihr chätiger Wandel, felbit in Herrn Sieben⸗
kees Erzählung , alle mögliche Prüfung aus. Sie vers
föhnte das unter ſich zwiſtige Haus Medici, und vers
Half ihm dadurch zu einer Stärke, zu einem Üperges
wicht in Italien, das es fhon laͤngſt verloren hatte;
fie Half die mißlihen Spaltungen mit den benachbar⸗
ten Fürſtenhäuſern zu wechfeffeitiger Zufriebenpeit beys
legen; fie lohnte Denjenigen, die ihr uͤbels zutrauten
und übel nachredeten, mit Freundſchaftsdienſten; ſie
entfernte ſelbſt ihre naͤchſten Blutsverwandten, ſo⸗
bald ſie dem Volke mißfielen; ſie beherrſchte zwar ih⸗
on 208 m
rem Gemahl aber mit fo viel Sanftmuth und €
nung, daß fein Anfehen bey Andern dadurch nicht |
fondern ftieg. Sie leitete ihn zum Guten; dur
ward er verföhnlich gegen feine Brüder, vorfichti
feinem Berragen gegen feine Nachbarn, ein Bus
genoife des damahls noch mächtigen Venedigs,
auch glücklich in feinen häuslichen Lagen. Alles -
find doch Iöblihe Züge in Bianca’d Leben! Aber
Säaebenkees macht ed gang, wieed nad) Bianca‘
die Schar der Höflinge, die dem neuen Wege
ſchmeicheln wollte, machte. Er verjigert: daß fie‘
Dieß ausunedlen Abfihten that, daß fie nur
Heucheley und Schlauigkeit die Ausfohnerinn ma
daß nie ihr Herz dachte, wie ihre Lifpe ſprach,
ihre Feder ſchrieb. Das iſt hart! Woher weiß
Siebenkees Das? Weil ihre Feinde es ihr Schult
ben? Wie wäre es, wenn wir in einer Welt, wi
gegenwärtige ift — in der Geſchichte von Höfen,
fie gewöhnlich zu feyn pflegen, ung doch vor der £
nod mit dem wenigen Guten, was da geſchieht,
gnügten; und die Würdigung der Abjihten Dem;
gen überließen, ber ın die Herzen felbft zu 1%:
vermag !
Herr Gigbenkees behandelt das Gerücht
Franzens und Bianca’s Vergiftung als ein bloßes
geſchmacktes Märchen. Wenn die Krankheitsgefchie
fo wie er fie liefert, ganz autentifch iſt, fo würde f
lich der größte Theil des Argwohns ſchwinden
der ganze, wage ıch nicht zu beftimmen. Das E
Sieber, das beym Großherzog fo raſch in ein dig
übergeht, — die ähnliche Krankheit bey Bianca,
bod
soon 209 nween
doch bald alle Zeichen einer tödtlichen verratht) — die
kurze Friſt von neunzehn Stunden, (die doc wohl
leicht um einige weiter erſtreckt worden ſeyn dürften,)
die Eurze Zwifchenzeit von des Cardinals Ankunft bis
zu dieſer Kataftrophe, der abgelegene ländlihe Ort,
wo fie ih ereignete — alled Diefes find Umftände, die
ſelbſt folgen Seelen , die font eines eitlen Mißtrauens
nicht empfänglich find, einigen Verdacht einflößen dürfe
ten. Auch war der Argwohn von, Franzens und Bian⸗
ca's gewaltfamem Tode nicht bloß ein Gefchwäg in des
Pobels Munde. Er war außer Florenz, wo freylich die
Furcht vor dem Fürſten manche Lippe verſchloß, eine faft
allgemeine Stimine. Herr Siebenkees rühmt den Franz
Molino, deſſen Memoiren ihm ſelbſt manchen er⸗
ſprießlichen Diesift geleiſtet, als einen der größten
Staatömänner damahliger Zeiten ; aber er geſteht auch,
daß eben diefer einfihtsvolle Mann den Eardinal der
Giftmiſcherey beſchuldigt habe **). — Was ein Zeitges
noſſe von geprüften Kenntniſſen in Schriften eintrug
— die er überdieß noch bloß zu eigenem Gebrauch be
ſtimmte! — das. konnte wenigftens nicht fo ganz uns
gereimt ſeyn. Wie unzuverläflig übrigens in folden
Sällen Zergliederungs: Berichte find; wie fehr Das Gold
Oder das Machtwort eines Gebietherd auch über Äs-
eulaps Richterſtuhl herrſcht; wie leicht es fen, unkun⸗
dige Zufchauer — wenn ed auch immerhin die nachften
*%) ©. xXxXıv. der Vorrede.
**) Ja bediene mich bier Herrn Siebenkeeſens eigener Worte,
Ein kaltes dreytäalges Wieder, das doch bald Anfangs
tödttich zu ſeyn droht, ift Immer cine feltfanıe Krankheit!
Meißners Bianca Cap. 2. Thl. O
oe 310 A
Verwandten und bie wärmiten Freunde wären — zu
taäͤuſchen, bedarf keiner Ausführung.
„Doch eine ſo ſchaͤndliche That (ſagt Herr Sieben⸗
„kees) widerſpricht Ferdinands ganzem Charakter. Er
„hatte ſich, ſo viel er in der Geſchichte bekannt iſt, in
„ſeinem Privatleben als Cardinal auf einer ruhmvol⸗
„len Seite gezeigt; als Großherzog war er unſtreitig
„der beſte Regent, den das Haus der Medici bervor⸗
„gebracht hat; nur in diefem Stück fol er fo ſchwarz
„gedacht haben, um über den ermordeten Leichnam feis
„nes Bruders deifen Thron zu beſteigen?“ — Wo in
Ferdinands Privatleden das fo fehr Ruhmoolle ſich fin»
der, weiß ich wirklid nice. In den Zwiltigfeiten mit
feinem Bruder, die er bald durch übertriebene Anfore
derungen, bald durch beleidigenden Argwohn veran⸗
laßte, — ein Wechſel ſtolzer Außerungen und nachgi⸗
biger Herablaſſung — in den heuchleriſchen Verſiche⸗
rungen, daß er keinen Verdacht gehegt, da er ihn
doch nie fahren ließ, — in allen dieſen Umftänden,
die Herr Siebenkees jelbft angibt, finde ich wenigfteng
den Bruder nidt, ber großes, echtes Zutrauen vers
dient. Daß er ein vortreffiicher Negent ward, jey ihm
unbeitritten. Aber gerechter Himmel! iſt denn der Fall
jo einzig, daß Negenten auf dem ınit Unrecht erwor⸗
been, mit unſchuldigem Blute erfauften Throne fidy
nachher, wenn fe ihn einmahl beitiegen hatten, befs
fer betrugen, als manche Andere, die curch dad ruhige
Erbrecht auf ihn getanaten? Seahen wir nicht ſelbſt im .
unſern Tagen das Beyſpiel einer großen Frau, die
zwar durch den Sturz ihres Gemahls — auf deſſen
Leben und Reich fie waßrlich keinen rechtsdegründe⸗
Ba »
LTE "Ede.
— 211 wur
ten Anfpruch hatte — das Diadem an fih riß, aber
dann die Bewunderung ihres Zeitalterd ward * Konnte |
nicht zumeilen gevade der Wunſch der Ausfohnung —
Doc) ich will hier nicht Gedanken ausführen, die, auch
nur leicht angedeutet, fi) fo leicht errathen Taffen.
Wenn übrigens Herr Siebenkees (S. 165.) felbft
geftebt: daß das Betragen des Cardinals.
gegen die todteBianca auf alle Art grau—
famgewefen ſey; fo freuet ed mich, von ihm ein
ſolches Geſtändniß halb unwilliger Aufrichtigkeit zu les
ſen; es freuet mich, daß ich der Mühe überhoben bin,
das Empoͤrende zu rügen, das in dieſem Betrugen liegt.
Auch it der fonft harte Ausdruck: auf alle Art
graufam, hier noch gelinde genug. Man follte es als
den allerfhandlichften Undank brandmarken; und ein
Undankbarer — weſſen iſt Diefer nit fühig! Ob aber
die Entfhuldigung, bie der Biograph doch für feinen
Helden anhängt, vermögend ſey, auch nur einen ran
feiner Sträflichfeit zu mindern, überlaſſe ich der Ent-
fheidung Derjenigen, die ihn felbit nachleſen wollen.
Eine lüngere Beftreitung feines Büchleins würde ends
lich ein Büchlein felbit werden; wurde dem Vorfag
zuwider laufen, hier nur einige ber flüdhtigiten oder
der nothwendigſten Bemerkungen hinzuwerfen. Viel—⸗
leicht doch noch ein Mahl etwas hierüber an einem an⸗
dern Orte!
Jetzt ſchließe ih bloß mit der erneuten Ver⸗
üiherung: daß ik damahls, als ih Bianca's Le:
ben fohrieb , nichts weniger als bloße Erdichtung
oder ein müßiges Volksmährchen zu liefern wähnte;
mithin die Wärme nicht zu erküniteln brauchte, mit
D 2
wen BIZ wo
der ich vieleicht es that. Aus diefer Verfiherung «
quillt auch tie — Manchem wohl gar ein wenig f
Eingende, jedoch, wahrlich nicht ſtolz gemeinte H
nung: daß die Schickſale diefer in jedem Betr,
merkwürdigen Venetianerinn, fey es meinerwegen
balbromantifhen Gewande auch dann nicht ganz ı
kungslos bleiben werden , wenn feldft noch meh
Archive dagegen ſich öffnen follten.
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Wien,
gedruckt bey Anton Stranf.
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täuſchen, bedarf keiner Ausführung.
„Doch eine fo [handliche That (ſagt Herr Sieben⸗
„kees) widerſpricht Ferdinands ganzem Charakter. Er
„hatte ſich, ſo viel er in der Geſchichte bekannt iſt, in
„ſeinem Privatleben als Cardinal auf einer ruhmvol⸗
„len Seite gezeigt; als Großherzog war er unſtreitig
„der beſte Regent, den das Haus der Medici bervors
„gebracht hat; nur in diefem Stück fol er fo ſchwarz
„gedacht haben, um über den ermordeten Leichnam ſei⸗
„nes Bruders deifen Thron zu befteigen!” — Wo im
Serdinands Privatleden das fo fehr Ruhmoolle fid fin»
det, weißich wirklich niche. In den Zwiſtigkeiten mit
feinem Bruder, die er bald durch übertriebene Anfors
derungen, bald durd) befeibigenten Argwohn verans
laßte, — ein Wechfel ſtolzer Außerungen und nachgi⸗
biger Herablaffung — in den beudlerifchen Verſiche⸗
rungen, daß er feinen Verdacht gehegt, da er ihn
doc) nie fahren eg, — in allen disfen Umftänden,
die Herr Siebenkees jelbit angibt, finde ich wenigftens
den Bruber nicht, der großes, echtes Zutrauen vers
dient. Daßer ein vortreffiicher Regent ward, jey ihm
unbeitritten. Aber gerechter Himmel! iſt denn der Fall
ſo einzig, daß Regenten auf dem mit Unrecht erwor⸗
benen, mit unſchuldigem Blute erkauften Throne ſich
nachher, wenn fie ihn einmahl beſtiegen hatten, befe
ſer betrngen, als manche Andere, die eurch das ruhige
Erbrecht auf ihn gelanaten? Teahen wir.nicht ſelbſt in .
unſern Tagen das Beyſriel einer großen Frau, die
zwar durch den Sturz ihres Gemahls — auf deſſen
Leben und Reich fie waßrlich keinen rechtsbegründe⸗
van 211 —R
ten Anſpruch hatte — das Diadem an ſich riß, aber
dann die Bewunderung ihres Zeitalters ward? Könnte
nicht zuweilen gerade der Wunſch der Ausſöhnung —
doch ich will hier nicht Gedanken ausführen, die, auch
nur leicht angedeutet, ſich ſo leicht errathen laſſen.
Wenn übrigens Herr Siebenkees (S. 163.) ſelbſt
geſteht: daß das Betragen des Cardinals.
gegen die fodte Bianca auf alleArt grau—
famgewefen ſey; fo freuet ed mich, von ihm ein
ſolches Geſtäͤndniß halb unwilliger Aufrichtigkeit zu les
fen; es freuet mi, daß ich der Mühe liberhoben bin,
das Empörende zu rügen, das in diefem Betrugen liegt.
Auch iſt der fonit harte Ausdrud: auf alle Art
graufam, biernoc gelinde genug. Man follte es als
den allerſchändlichſten Undank brandmarken; und ein
Undankbarer — weffen iſt Diefer nicht fühig ! Ob aber
die Entfhuldigung, die der Biograph doch für feinen
‚Helden anhängt, vermögend fey, auch nur einen Gran
feiner Sträflichkeit zu mindern, überlaffe ich der Ent:
ſcheidung Derjenigen, die ihn ſelbſt nachlefen wollen.
Eine lüngere Beftreitung feines Büchleins würde ends
lich ein Büchlein felbit werden; wurde dem Vorfag
zuwider laufen, hiee nur einige ber flüchtigiten oder
der nothwentigften Bemerkungen binzumwerfen. Viel⸗
leicht doch no) ein Mahl etwas hierüber an einem ans»
dern Drte ! | |
Jetzt Schließe ih bloß mit der erneuten Wars
jiherung: daß ik damahls, als ih Bianca's Le:
ben ſchrieb, nichts weniger als bloße Erdichtung
oder ein müßiges Volksmährchen zu liefern wähnte;
mithin vie Waeme nicht zu erküniteln brauchte, mir.
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nung: daß die Schickſale diefer in jedem Betr,
merkwürdigen NVenetianerinn, fey es meinerwegen
balbromantifhen Gewande, auch dann nicht ganz r
kungslos bleiben werden , wenn feldft noch meh:
Archive dagegen ſich öffnen follten.
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Wien,
gedruckt bey Anton Strauß.