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Full text of "Albert Zacher. Was die Campagna erzählt. Band 1 1"

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4339.03.20 


Harvard College Library! 


FROM THE FUND OF 


CHARLES MINOT 
d (Class of 1828) 




















Richard Voss, 


dem Meister der Campagnaschilderung 
in treuer Verehrung 


gewidmet. 


© 


Was die 
Campagna erzählt 


(Erster Teil) 


Vor den Toren Roms 
von 


Albert Zacher. 





Frankfurt a. M. 
Neuer Frankfurter Verlag. G. m. b. H. 
1903. 








‚Maschinensatz von Oscar Brandstetter in Leipzig. 


ieee WEDERDE Sa En Sn i nr at a 


Vorwort. 


Die gütige Aufnahme, die meine früheren Rom- 
büchlein in vielen Kreisen fanden, legte mir nahe, 
mit einem neuen herauszukommen, mit welchem 
ich den gleichen egoistischen Zweck verbinde, der 
mich zur Abfassung meiner „Römischen Augen- 
blieksbilder“ anregte. In deren Vorwort — man 
verzeihe das Selbstzitat — schrieb ich: „Dann aber 
-bedachte ich, daß ich „als Fremdenführer im Neben- 
-amte“ oft und immer wieder stets dieselben Dinge 
zu wiederholen gezwungen war, weshalb ich mich 
ein für allemal entschloß, mir mein Führeramt zu 
erleichtern — und das Büchlein war fertig.“ 

Noch eine andere Erwägung leitete mich. Wer 
lange in Rom weilt, wie der Verfasser, und mit 
vielen Touristen verkehrte, wird gefunden haben, 
daß nur diejenigen wahren Genuß von ihrer Rom- 
reise hatten, welche morgens Museen und Kirchen, 
‚nachmittags aber die Campagna besuchten, da diese 
Ausflüge die beste Erholung nach dem Kunst- 
studium bieten. 

Nun haben aber die in Rom Ansässigen auch 
oft die weitere Erfahrung gemacht, daß trotz der 
vorzüglichen Reiseführer, wie G’sell Fels, Baedeker 
etc., nur wenige Rompilger dazu kommen, sich selbst 
die schönsten Ausflüge zusammenzustellen. Ja, sehr 
viele Reisende, die aus Erholungsbedürfnis oder 
Bequemlichkeit das „trockene Baedekerstudium“, 


a | | 


wie sie es nannten, zu lästig fanden, nahmen stets 
ihre Zuflucht zu Berufsfremdenführern oder zu an- 
sässigen Freunden, um sich von diesen belehren 
zu lassen. So habe denn auch ich oft Gruppen 
von Freunden oder von Freunden empfohlener 
Fremden Pläne zu lohnenden Ausflügen auf- 
schreiben, oder unbekanntere Landschaftsperlen durch 
persönliche Begleitung zeigen müssen. 

Um daher meine hiesigen Freunde und mich 
zu entlasten — denn non semper repetitio juvat 
— schrieb ich dieses Büchlein, das nur Nach- 
mittagsausflüge enthält, (ein zweites, das Tages- 
ausflüge bringt, ist in Vorbereitung), Ausflüge, die 
. zum Teil in den Reisebüchern noch nicht erwähnt, 
oder aber sehr kurz behandelt werden. Vielleicht darf 
ich mich mit der Hoffnung schmeicheln, mit dieser 
Arbeit einem Bedürfnisse entgegenzukommen. Jeden- 
falls sollte es mich freuen, wenn sie den Lesern 
etwas von der wahren Campagnabegeisterung mit- 
teilte, wie sie sich in mir durch den Umgang mit 
befreundeten Künstlern entwickelte, die mich mit 
ihren Augen „sehen“ lehrten. 

Noch eins. Das Büchlein soll die Reisebücher 
nicht ersetzen, sondern nur hier und da ergänzen, 
und sollte diese Ergänzung stellenweise nicht ge- 
lungen sein, so wäre der Verfasser für jeden Wink 
aus dem Leserkreise herzlichst dankbar. 


Rom, Ende Januar 1903. 
Dr. Albert Zacher. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
1. Der PING 442343 2.5 8 824 2% 3 1 
2. Castello Costantino. .........2... 10 
3. Rund um die Mauern Roms ........ 19 
4. Vor Porta del Popolo. (Nach Ponte Molle). . . . 32 
5. Von Ponte Molle nach Aqua Traversa. . . . 45 
6. Villa Madama . . . .. 2 2 2 2 2 220. 48 
7. Monte Mario .... 2.22 2 2 22er. 57 
8. Viale Pariöli. (Von Porta Pia nach Porta del Popolo). 67 
9. Nach dem Poussinthal und Prima Porta. (Vor 
Porta del Popolo) . . . 2 2 2 2 2 2 2 te ww 78 
10. Über Monte Mario nach der Storta und Veji. 91 
11. Via Salaria 2 0: 0.0 ee u Swe, a OE OS ee 100 
12. Vor Porta Pia. (Via Nomentana — S. Agnese — Ponte 
Nomentano — Der heilige Berg). . -. - . 2.2... 106 
13. Vor Porta San Lorenzo. .......... 116 
14. Verbindungsweg von Via Tiburtina nach Via 
Appia Nuova. .. 2.22 2220000. 123 
15. Vor Porta Maggiore. (Via Praenestina — Via Colla- 
tina — Cervaragrotten) ....... ae. HAE 127 
16. Vor Porta S. Giovanni. (Via Frascati — Porta Furba) 136 
17. Via Appia Nuova. (Latinergräber — Aqua Santa — 
Oktoberfeste) - . © . 2 2 0 0 2 te ee es 142 
18. Via Appia Antica ..:.::: 222200. 152 
19. Der Hain der Egeria...... Be ee 168 


— VI — 


Seite 

. Vor Porta San Paolo. (S. Paolo fuori le Mura — Tre 
Fontane — Via Sette Chiese) . . . ....... 177 
. Santa Sabba und Monte Testaccio. . . . . . 185 


. Vor Bahnhof Trastevere. (Die Osterien der Monte- 


verdehiigel) . . 2 2: 22 m m rn en 194 


. Von Porta Cavalleggieri nach Porta San Pan- 


crazio. (im Rücken des Janiculus) . . . . 2 2... 202 


. Abschied von Rom. La passeggiata Margherita 211 





Der Pincio. 


„Wie? Der Pincio gehört doch nicht zur Cam- 
pagna!“ wird mancher sagen. „Was hat er also 
hier zu tun?“ Der Einwurf ist richtig. Aber, wer 
eine Romreise tut, pflegt gemeiniglich, wenn er sich 
von Staub und Rauch gereinigt hat, zum Monte Pincio 
zu eilen, um hier in gedrängter Übersicht die Ge- 
nüsse, die ihm winken, aus der Vogelschau zu be- 
wundern. Der Gang zum Pincio ist die Ouvertüre zum 
Aufenthalt in Rom, also auch die Einleitung zum 
Studium der Campagna, die wir zum Teil hier er- 
blicken, um so mehr, als sich vom Pincio aus auch 
das Wahrzeichen Roms, der ewige Petersdom, der 
den Campagnafahrer stets begleitet, am besten nament- 
lich gegen Abend präsentiert. Aber der Pincio ist 
noch mehr. Freilich werden wir dessen erst inne, wenn 
wir dieses herrliche Gartenbollwerk, diesen „Hügel 
der Gärten‘, wie er bei den Alten hieß, des öftern 
besucht, und uns zugleich ein wenig im Werden und 
Wandeln der ewigen Stadt umgesehen haben. Dann 
ist uns der Pincio nicht bloß mehr Aussichtspunkt, 
dann ersetzt er uns Schule und Museum, und wird 
zur Offenbarung, kurz, zur Kulturstätte des Schönen. 

Zacher, Was dic Campagna erzählte 1 


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Vielleicht in keiner andren Stadt der Welt drängt 
sich dem empfänglichen Wanderer der Geist der Ver- 
gangenheit so gebieterisch auf wie in dem ewig jungen 
Rom, und das schafft ja eben den unvergänglichen 
Reiz, jenen Zauber, dem jeder Rompilger unterliegt, 
und schafft auch das Heimweh, das jeder, der einst 
Rom geschaut, im Norden nach ihm empfindet. Auf 
Schritt und Tritt löst sich dem schönheitsfreudigen 
Wanderer das Schweigen der Vorzeit, und nicht nur 
die Steine reden ihm von der Pracht des Gewesenen. 
Das erfährt besonders der Reisende, der, anstatt von 
der Piazza del Popolo aus zum Monte Pincio auf- 
zusteigen, von der Via Sistina aus dem Höhenrücken 
folgt, welcher in langsamer Steigung zu dem Hügel 
leitet, der den nördlichen Eingang Roms beherrscht. 
Hat man die Sistinische Straße durchschritten, so steigt 
der Obelisk vor der Kirche Trinità de’ Monti vor uns 
auf und mahnt an das Hieroglyphenland und seine 
römischen Bezwinger. Wenige Schritte — und ent- 
zückt schweift unser Auge über das im Talkessel 
gebettete nördliche Rom bis hinauf zur Villa Mellini 
auf dem cypressenbestandenen Monte Mario. Zu 
unsern Füßen aber geleiten die mächtigen Stufen der 
Spanischen Treppe, die Innocenz XIII. erbaute, zum 
Spanischen Platze hinunter. Farbenfrohes Treiben auf 
den Marmorfliesen! Modelle in bunter Hirtentracht, die 
des dingenden Malers harren und sich die Warte- 
zeit, die lästige, mit Singen und Tanzen verscheuchen, 
mischen sich unter niedliche Blumenmädchen. Hoch 
zu unserer Rechten erklingt Orgelgebraus und süßer 
Frauensang dazwischen. Wir blicken auf zu der mäch- 
tigen Kirche, die uns von Karl VIII. und der franzö- 
sischen Invasion erzählt, und lauschen: die frommen 


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Nonnen von Sacré Coeur singen vielleicht gerade eine 
von den Motetten, die einst Felix Mendelssohn fiir sie 
komponierte. 

Weiter geht der Weg. Zur Linken drängen sich 
flache Dächer an die Brüstung heran. Junge Semi- 
naristen in schwarzem Talar wandeln auf ihnen, aber 
in anderes Sinnen vertieft, als einst Joseph Viktor 
Scheffel auf Don Paganos flachem Dachlabyrinth in 
Capri. Weiter! Der bekannte lebende Tunnel aus 
immergrünen Steineichen nimmt uns auf. Wir stehen 
vor der berühmten Brunnenschale, über welcher ein 
Kreisausschnitt in der grünen Wand den herrlichsten 
Rahmen zur lichtgebadeten Peterskuppel schafft. Zur 
Rechten aber türmt sich die Villa Medici auf, seit 
Jahren das Heim der französischen Künstler, die nach 
siegreichem Wettkampf daheim den Preis für einen 
Studienaufenthalt in Rom davontrugen. Diese franzö- 
sische Akademie war aber auch einst das Gefängnis 
von Galileo Galilei! ... 

Im Weitergehen macht sich die lebendige Gegen- 
wart sinnfällig geltend; zur Linken begleiten den 
Wanderer auf sanftem Abhang Blumenbeete, Treib- 
häuser, in romantischem Dunkel plätschernde Brunnen, 
am Talrand drängt sich Atelierhaus an Atelierhaus, 
und manchen bekannten deutschen Malersmann ent- 
deckt man bei der Arbeit auf luftiger Terrasse. Zur 
Rechten aber wuchert an steiler Felswand üppigste 
Flora: Efeu, wilder Wein, Agaven, Riesenkakteen... 

Endlich ist man oben auf der von weit aus- 
ladender Steinbrüstung umrahmten Aussichtsterrasse. 
Man steht geblendet. Abgebraucht ist es zwar das 
Thema vom römischen Himmel, von der römischen 
Sonne, und doch ist’s dem Glücklichen, der es erlebt, 

1* 


4 _ 
ewig neu. Licht überall, von allen Seiten drängen, 
schmiegen und schmeicheln sich seine Strahlen, und 
die von diesen geschaffenen blendenden Farben uns 
zu; ja, man scheint sie einzuatmen, diese köstliche 
Helle, einzusaugen mit allen Poren, und mit ihr zu- 
gleich die sonnigste Heiterkeit. Den Armen müssen 
schon bittere Qualen foltern, der hier sich nicht glück- 
lich fühlt. Welch Panorama vor uns! Die Peters- 
kuppel in ihrer erhabenen Pracht blickt feierlich auf 
den gedemütigt staunenden Beschauer, und vergebens 
mühen sich daneben in dem Türme-, Häuser- und 
Palastgewimmel unter uns die Dutzende und aber 

Dutzende von kleinen Kuppeln sich aufzurecken, um 
Beachtung zu erzwingen. Im Süden ragt das Kapitol 
auf und der baumgekrönte Palatin, im Südosten die 
Königsburg auf dem Quirinal, und auf dem grünen 
Rücken des Janikulus im Westen schimmern die bunten 
Villen, blitzt der dreifache Wassergruß der Aqua Paolo 
und reitet der eherne Garibaldi auf hohem Sockel, 
Wache haltend gegenüber dem Vatikan, in dessen 
grüner Gartenpracht die weiße Kuppel der Sternwarte 
blinkt. In der Mitte des Häusermeeres jenseits des 
Tibers trotzt die Masse des Hadriansgrabes, die Engels- 
burg, auf deren Spitze Erzengel Michael das blitzende 
Schwert schwingt. Jahrtausende schauen zu uns her- 
auf; denn zuletzt haftet unser trunkener Blick an den 
Obelisken, der das weite Rondell zu unsern Füßen, 
die Piazza del Popolo schmückt, und an den beiden 
Schiffsschnabelsäulen, die auf der ersten Terrasse der 
Pincioanlagen von dem ersten Seesieg der Römer er- 
zählen. Jetzt bewundern wir auch, wie die Erbauer 
dieser Anlagen den Weg von unten zur Basteiplattform, 
"f der wir stehen, künstlerisch zu beleben verstanden 


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haben mit Terrassen, Arkaden, Statuen und Spring- 
brunnen, 

Die Fülle der Eindrücke ist zu groß. Man wendet 
sich zum Atemholen nach rückwärts und fällt in neues 
Staunen; denn man erblickt eine Gartenpracht, die 
selbst den Reisenden überrascht, der schon in Nervi, 
Pegli, Nizza lustwandelte. Unmittelbar vor uns, hinter 
den Ruhebänken der Terrasse, ein weiter Sandplatz, 
abgeschlossen durch ein Halbrund von Palmen, über 
das sich, ein wirksamer Hintergrund für die Musik- 
tribüne, eine dunkelgrüne Wand von Steineichen er- 
hebt. In der Mitte öffnet sich die Wand, und der 
nordische Gartenfreund, der in der Heimat nur die 
Treibhauspracht kennt, bewundert hier im Freien neben 
der Fächerpalme den Mahagonibaum, die Aloe, den 
Akanthus, den Granatbaum etc., dazwischen Magnolien, 
Oleander und Rhododendron in einer Schönheit und 
Üppigkeit, die alle Erwartungen schlagen. Man wagt 
kaum noch, diese harmonische und duftende Sym- 
phonie der Farben in ihre einzelnen Teile zu zer- 
legen, und träumt sich allmählich in die Vergangenheit 
hinüber, in die Zeit, da der Schwelger Lucullus an 
diese Stätte asiatische Blumenpracht verpflanzte, und 
so die nach seinem Namen benannten Gärten schuf, 
deren Pracht noch nach hundert Jahren so erstaunlich 
war, daß Messalina, um in ihren Besitz zu kommen, 
nicht den Mord an ihrem Eigentümer Valerius Asiaticus 
scheute. Nach Messalinas Ermordung blieben die 
Gärten kaiserlich, bis sie an die Familie der Pincii 
gelangten. Nach den Gotenkriegen, während derer 
Belisar hier oben wohnte, ward der Gartenhügel durch 
fromme Mönche zum Weinhügel gewandelt, bis Napo- 
leon l., und später Mazzini, ihn dem alten Berufe 


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zurückgaben. Napoleon schuf die jetzigen Anlagen, 
und Mazzini verschönerte sie, namentlich auch dadurch, 
daß er die zahlreichen Büsten der berühmtesten 
Italiener in den Alleen aufstellte. 

Die Klänge von Wagners „Walkürenritt‘“ wecken 
uns. Es ist vier Uhr geworden, und das römische 
Stadtorchester in seinen grünen Uniformen und den 
grünbebuschten Bonapartehüten hat das Konzert be- 
gonnen. 

Nun sehen wir auch das Publikum. Kosmo- 
politisch ist’s; denn es ist Spätherbst, und die Reise- 
und Pilgersaison hat wieder begonnen. Neben der 
in roter und blauer Seide funkelnden Amme aus dem 
Sabinerlande gleißen die purpurroten Talare der 
Priesterkadetten aus dem Collegium Germanicum. Vor 
dem deutschen Fremden im Lodenmantel drängt das 
Blumenmädchen, ein Hirtenkind aus dem Volsker- 
gebirge, dem römischen Stutzer ein Sträußchen auf. 
Im Vordergrunde aber disputieren vor dem befrackten 
Carabiniere aus den Schneebergen Piemonts zwei fran- 
zösische Geistliche . . . dem Völkergemisch entspricht 
das Sprachengewirr. Im Hintergrunde erblicken wir — 
die Wagenburg. 

Der Pincio ist die Krone der täglichen Korso- 
fahrt, und dieser tägliche Korso bildet ja den Lebens- 
zweck aller römischen Damen, die zur Gesellschaft 
gehören. Den ganzen Tag bleibt die feine Römerin 
im Negligé daheim, bis es Zeit ist, Korsotoilette zu 
machen; dann besteigt sie mit dem Gatten die Car- 
rozza und, nachdem sie in mehrfacher Hin- und Her- 
fahrt auf dem Corso Umberto den täglichen Appell 
über die übrigen Mitglieder der „Gesellschaft‘‘ abgehalten 
hat, geht sie zur Rast auf den Pincio, der so zum 


SIIIIIIIIIIIIIITIUIIUIIIO UT OT IT TI d 7 
Stelldichein alles dessen geworden ist, was sonst die 
Politik grausam trennt. Neben der „schwarzen“ ist 
auch die „weiße‘ Aristokratie vertreten. Die glän- 
zendsten Namen der römischen Geschichte des Mittel- 
alters hört man; in reichen Toiletten erscheinen die 
Damen der Häuser Aldobrandini, Colonna, Borghese, 
Albani, Buoncompagni, Odescalchi, Doria, Chigi etc. 
Zu ihnen gesellen sich die Damen des diplomatischen 
Korps. Kaum halten die Wagen, so eilen die Herren, 
um im Zickzackgange Besuche abzustatten, von Equi- 
page zu Equipage. Recht formgewandt huldigt man 
in Rom den Damen; denn die Römerin, die sehr 
auf guten Anzug, auch bei den Herren, hält, sieht 
auch sehr auf. feine Sprache. Plötzlich stockt die 
Unterhaltung. Ein Galawagen zieht auf, besetzt von 
Lakaien in Kniehosen und rotem Frack. Würdevoll, 
ernst tut Principe Massimi seine tägliche Pflichtfahrt. 
Da er von Fabius Maximus Cunctator abstammt, 
rangiert er unter den souveränen Familien, folglich 
fährt er auch mit souveränem Pomp. 

Wir retten uns aus dem Gedränge in die hinteren 
Alleen, welche schöne Ausblicke auf den borghesischen 
Park und die nördlichen Hügel bieten. Viele glück- 
liche Menschen wandeln still zu zweien, einsame 
Damen schmachten auf umschatteten Bänken a la Duse 
— „duseggiare‘‘ nennt der Römer ihr kokettes Tun 
nach der berühmten Schauspielerin — vom Kinder- 
tummelplatz mischt sich Jubelgeschrei in die Klänge 
des Orchesters. 

Wir warten jetzt auf den Sonnenuntergang. Dann 
treten wir zur Terrasse zurück. Der westliche Himmel 
flammt auf. Die Peterskirche ist auf Goldgrund ge- 
malt. Die Konturen der Stadt verschwinden, die 


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Hunderte von Türmen und Kuppeln versinken im 
violetten Duftmeer, und gespenstisch wächst Michelan- 
gelos Riesenschöpfung, die Kuppel des Petersdoms, 
in die Höhe. Der Pincio leert sich, nur manch ein 
empfindsamer deutscher Rompilger, der an die Abfahrt 
denken muß, weilt noch seufzend an der Balustrade, 
festgebannt von dem Goldmeer, in dem der Vatikan 
schwimmt. Wie gerne möchte er dem davoneilenden 
Sonnenwagen in die Speichen fallen. Doch die Nacht 
bricht ein — und der Pincio wird geschlossen. — 


Reisenden, die im Frühling den Pincio besuchen 
und die Apotheose der untergehenden Sonne allzu 
lang erwarten müssen, empfiehlt sich zur Ausfüllung 
der Zwischenzeit ein Gang in die mit dem Pincio 
verbundene Villa Borghese, die man nicht oft genug 
besuchen kann, namentlich im März und April, wann 
die Blumen sprießen. Viele Reisende betreten den 
herrlichen Park ja nur des Museums wegen, das er 
umschließt, und doch wetteifert mit der Kunstherrlich- 
keit dieses Museums die Zauberschönheit der Garten- 
landschaft nicht umsonst. König Ludwig I. von Bayern 
und Tieck werden nicht müde, der unvergeBlichen 
Villa zu danken, deren Alleen, Brunnen, Bäume, Wiesen 
und Lauben Goethe inspirierten, während er ,,Tasso“ 
und „Iphigenie‘“ schrieb. „Wie oft!‘ ruft Tieck aus, 
„habe ich hier den süßen Nektar des Lebens ge- 
trunken!‘ Schön und groß ist diese Villa, und wer 
sie nicht genauer kennt, kann sich keine Vorstellung 
machen von dem Glanz und dem durch Kunstsinn 
geadelten Reichtum der römischen Principifamilien der 
Renaissance. Schon die hier und da zerstreuten Reste 


des Altertums sind so reich, daß sie ein Museum füllen 
könnten. Und nun erst die Baumpracht in der Früh- 
lingssonne! Der Himmel ist wolkenlos, kein Nebel, 
kein Schleierduft trübt den Blick, eine von Tau oder 
Regen gebadete Rose könnte nicht reiner, nicht frischer 
aussehen, als die Baumsymphonie, die uns umgibt. 
Die leise vom Tiber her wehende Brise streicht durch 
die Wipfel, umschmeichelt die Riesencypressen, die 
knorrigen Eichen und die ernsten, ruhigen, vornehm 
großen Pinien. Überall riecht, duftet es nach Früh- 
ling, nach taugeküßter Erde, treibendem Saft und Harz, 
und Anemonen und Veilchen duften dazwischen. 
Jeden Augenblick ändern sich die Bilder, bald sehen 
wir dichtes Baum- und Strauchgewirr, durch dessen 
Laubfilter das Sonnenlicht nur in goldnen Tropfen 
durchsickert, bald elegante, hohe Alleen, bald immense 
Wiesen, dazwischen klassische Tempel, Rasenhügel 
und Täler, Seen und Teiche, und formenschöne Spring- 
brunnen in großer Zahl. Der Blumenschmuck der 
Wiesen ist so unglaublich reich, daß der nordische 
Fremde, der ihn zum ersten Male schaut, seinen Augen 
nicht glaubt, und erst gläubig wird, wenn er mit vollen 
Händen in dem schier unerschöpflichen violett-rosa 
Duftmeer wühlen kann, das so tief ist, daß unsere 
Augen das darunterliegende MARSENETUN kaum zu ent- 
decken vermögen. 


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Castello Costantino. 


Auch dieses Ausflugsziel gehört ebensowenig, wie 
der Pincio, zur eigentlichen Campagna, dafür gestattet 
es aber einen der schönsten Blicke auf diese. 
Egoistische Archäologen und Künstler behaupteten so- 
gar Jahrzehnte lang, es biete das schönste Panorama, 
das Rom kenne, und so umgaben sie es mit undurch- 
dringlichem Geheimnis, auf daß kein durchreisender 
Tourist sie störe. Erst seit kurzem ist das Schloß des 
Kaisers Konstantin dem Weltverkehr erschlossen. 

Zwar vom Schlosse selbst besteht nichts mehr, 
aber auf seiner Stätte ragt jetzt eine Osteria, die wegen 
der nahen Kirche gleichen Namens auch Osteria 
di Santa Prisca heißt. 

Auf dem Aventin liegt die berühmte Schloß- 
kneipe. Wir müssen uns also in unserer historischen 
Rumpelkammer umsehen, um den Ausflug auf den 
an geschichtlichen Erinnerungen überaus reichen Hügel 
so stimmungsvoll wie möglich zu gestalten. 

Zunächst einige Vorbemerkungen. Wer Über- 
raschungen liebt und die Aussicht vom Castel Costan- 
tino erst am Spätnachmittage genießen will, besuche 
zuerst das Forum, dann das Kolosseum, ziehe darauf 
druch den Konstantinsbogen, die Via di San Gregorio 
und den Viale die Porta San Paolo entlang, bis er 
rechts den langsam ansteigenden Fahrweg Via di 


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S. Prisca findet. Hier hinauf und hinter der Kirche 
S. Prisca rechts ins erste Gartentor hinein. 

Ein zweiter Weg der Uberraschung: Elektrische 
Bahn von Piazza Venezia — S. Paolo bis in das 
Testaccioviertel. Halt an der Via Alessandro Volta. 
Ihr gegenüber führt ein schöner Hügelweg die Via 
del Priorato zum Kloster S. Anselmo (s. unten). 


Aber alle Wege führen zum Aventin. Nehmen 
wir also den gebräuchlichsten und schlendern zunächst 
von Piazza Venezia zu den Füßen des Kapitols. Rechts 
von der Treppe biegen wir in die Via di Tor di Specchi 
ein, die zur Piazza Montanara führt, auf der Sonntags 
nachmittags das bunteste Volksgewimmel herrscht, da 
sich die Hirten und Landarbeiter der Campagna hier 
ihr Stelldichein geben. Man besichtige das Marcellus- 
theater, dann weiter geradeaus auf der Piazza della 
Bocca di Verita den Rundtempel des Sole (auch Vesta- 
tempel genannt), das dahinterliegende Haus des Cola 
di Rienzi und die schöne Kirche Maria in Cosmedin. 
(Ist viel Zeit vorhanden, so mache man auch einen 
Abstecher zum nahen Janusbogen und zur Cloaca 
Maxima.) 

Rechts von S. Maria in Cosmedin geht es nun 
über die Via Greco nach der von Mauern einge- 
schlossenen Via Sabina. Zur Linken erblicken wir 
hier durch ein Gittertor üppige Gartenpracht, wir be- 
merken Rohr, Cypressen, Aloestauden, Agaven, und 
diese reiche Flora schmückt den alten Kirchhof der 
Juden, die man also früher nach ihrem Tode auf den 
Berg verbannte, der in den Zeiten der alten Römer 


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als der Berg der Plebejer verrufen. war. Seitdem 
König Ancus Marcius die besiegten Latiner auf dem 
Aventinus (Vogelberg) ansiedelte, war dieser verachtet. 
Selbst zur Kaiserzeit wurde er noch nicht zur eigent- 
lichen Stadt gerechnet, obschon er schon wegen seiner 
schroffen den Tiber beherrschenden Höhe als stra- 
tegischer Punkt in die Befestigung einbezogen worden. 
Auch heute noch ist der Berg ganz einsam und fast 
unbewohnt. 

Wie wir weitersteigend rechts um die Ecke biegen, 
fällt uns im Vordergrunde ein Riesenplakat auf, welches 
das Lob der Osteria del Castello di Costantino singt, 
doch lassen wir. uns noch nicht verlocken, sondern 
ziehen rechts unsere Straße weiter, stets zwischen 
hohen Mauern. Bald zeigt eine Lücke zur Rechten, 
wo ein Zweig der Via Sabina hinabführt, ein herrliches 
Panorama. Weiter kommen wir an die alte Kirche 
S. Sabina, dann zum Blindeninstitut, in welchem die 
durch die bekannte rührende Sage verherrlichte Kirche 
S. Alessio (Alexius) liegt, doch uns drängt es bis zum 
letzten Tor rechts gegenüber dem Benediktinerkloster 
S. Anselmo. Ein Bettler naht sich uns und zeigt mit 
einem Gemisch von Triumph und Schüchternheit auf 
eine Messingplatte, die ein kleines Schlüsselloch 
umschließt. 

Wir schauen hindurch — doch verraten wir unsern 
Begleitern nicht, was wir gesehen. Das ist Pflicht 
der Höflichkeit. Man soll denen, die zum ersten Male 
nach Rom kommen, die Freude der Überraschung 
nicht rauben. Nie werde ich den Eindruck vergessen, 
den ich empfing, als ich am ersten Tage, den ich in 
Rom weilte, durch dieses Schlüsselloch schaute. 

Der Bettler läutet; ein Pförtner erscheint und 


5555555557555 I5I333353 HH FEH 13 


führt uns in den Park der Malteservilla hinein. 
Ein Tunnel aus kunstvoll gestutztem Buchsbaum zieht 
sich bis zur Terrasse hoch über dem Tiber, die ein 
Panorama bietet, das —! —! Unter uns liegt der 
Hafen Ripa Grande vor dem langgestreckten Sankt 
Michaelhospiz, hinter und über diesem schauen wir 
Pietro in Montorio mit der spanischen Akademie, 
zur Rechten die Loggien des deutschen archäologischen 
Instituts auf dem Kapitol, und daneben die deutsche 
Botschaft. Dann fällt unser Blick auf die Peters- 
kuppel, auf die Villa Mellini, welche die Kuppe des 
Monte Mario (s. Seite 57) krönt, und den zackigen 
Kopf des Monte Soracte. 

Alles in allem ein überwältigendes Bild! Nun 
lassen wir uns vom Pförtner die Kirche und das Haus 
der Malteserritter aufschließen; denn oben im Kapitel- 
saale, wo die Bildnisse aller Großmeister hängen, 
geht ein Fenster nach Westen und wiederholt uns die 
Terrassenaussicht, gegenüber aber gewährt ein andres 
Fenster den Blick auf den ganzen Aventin und die 
fernen Albanerberge. 

Mittlerweile ist es Zeit geworden, zu unserem 
Ziele zu gelangen. Wir kehren den Weg zurück, den 
wir gekommen, bis zur Rechten wieder das Riesen- 
plakat winkt, und die Straße nach S. Prisca abbiegt. 
Wo diese sich zu senken beginnt, ragt links ein Garten- 
tor. Wir treten ein, links grüßt ein Weingarten, rechts 
eine Klostermauer, vor uns blinkt ein tunnelartiges 
Tor, das durch ein schönes Landschaftsbild ausge- 
füllt ist. Vor dem grauen, alten, kastenförmigen Bau 
zur Rechten halten wir still und steigen die kleine 
steile Treppe hinan, die zu einem hallenartigen Raum 
führt, der in uns die Erinnerung an die Vorstellung 


14 III II III III FI FF FF IH FH FF FF FF IF HF IF FH 


wachrüft, die wir uns in Deutschland von der „ita- 
lienischen Osteria an sich‘‘ zu machen pflegen. Wir 
durchschreiten ihn und kommen in einen kleinen Gang, 
der das 


Museo di Castello di Costantino 


enthält. Hier müssen wir unbedingt verweilen, um... 
nun, um einen Begriff von dem Humor der Römer 
zu bekommen. Selbst Deutsche, die längere Zeit in 
Rom weilen, aber nie den Römer im familiären Ver- 
kehr kennen lernen, lassen sich ja durch die ernste 
Haltung, die dieser gemeiniglich in der Öffentlichkeit 
zeigt, zu dem irrigen Urteil verleiten, daß der Römer 
immer trocken und steif sei.*) Zum näheren Ver- 
ständnis sei hier bemerkt, daß die römischen Archäolo- 
gen und Künstler alljährlich in der Konstantinsosteria 
ein feierlich Symposion abzuhalten pflegen, und daß 
bei diesen periodischen Banketten der Gedanke ent- 
stand, ein „Museum“ zu gründen, das als Selbst- 
persiflage der Archäologen Zeugnis davon ablege, wie 
Humor sich mit Gelehrsamkeit verbinden könne. 
Zunächst bemerken wir eine Urkunde, durch 
welche Kaiser Konstantin der Nachwelt kund tut, daß 
er hier in der Nähe des Dianatempels im Jahre 1061 
der Stadt (308 nach Chr.) dieses Schloß erbaut habe, 
um „im Anblick der Stadt und im Kranze vieler schöner 
Jungfrauen Bankette‘“ abzuhalten. Weiter fällt uns ein 
verrostetes Riesenschwert auf, das, wie Konstantin 
durch eigene Unterschrift bekräftigt, einst ihm gehörte. 


*) Siehe die Streiche des römischen Tolstoiklubs in den ,,Rémi- 
schen "Augenblicksbildern“. 


3555535553555 II3III3333 555555555555 15 


Die Frankenkönige Ascarius und Regaisus tötete er 
damit, sowie auch den Kaiser Maxentius an der mil- 
vischen Brücke. Später schwang es der griechische 
Held Belisar gegen die Gotenkönige Vitiges und 
Totilas. Der Besitzer des Museums ist aber ein edler 
Mann. Englische Sammler boten ihm zwei Millionen 
Pfund Sterling für dieses Schwert — und er gab’s 
nicht her. Unter Glas finden wir weiter ein Hufeisen 
von Konstantins Streitroß, und einen meterlangen 
Riesenschlüssel, den, wie die zugefügte Urkunde 
besagt, Konstantin stets bei sich trug. Im Kriege 
benutzte er ihn als Keule, und nicht weniger als — 
500000 Goten und Sarmaten erschlug er mit ihr. Auch 
den Helm Konstantins erblicken wir hier, den 
später Geiserich, der furchtbare Vandalenkönig, be- 
nutzte. „Im Jahre 1700 wollte ein Häuflein deutscher 
Archäologen dies Kleinod rauben, aber der Kastellan 
schlug sie mit Konstantins Schwert in die Flucht.‘ 
Noch andre Schätze finden wir nun, so eine große 
etruskische Tasse. Die. begleitende Inschrift besagt: 
„Dieses ist die Tasse Konstantins, in der ihm seine 
Gemahlin Fausta, wenn er in schlaflosen Nächten an 
der Influenza litt, Malven- und Lindenblütentee reichte. 
Diese Tasse entstammt von Lucumo, dem Etrusker. 
Napoleon I. wollte sie dem Museum von Paris ein- 
verleiben, doch der treue Kastellan lieferte sie nicht 
aus.“ — Die Krone aller Museumsschätze bildet aber 
die Imitation einer sogenannten „lapide‘“, die zum 
Spott und Hohn auf die auch von den Päpsten allzuoft 
verübte „steinerne Inschriftenwut“ hier angebracht 
wurde. Sie lautet in dem bekannten pomphaften 
Lapidarstil: 





Questa Memoria ricorda 
ai Posteri 
Quando la moglie di Costantino 
Nella fine del III secolo 
Precipitava”da”questa scala 
E con™le ‘sue parti carnose 
la fracassd 
Rendendola impraticabile. 

Il Castellano nel secolo XIX 
la riedifico 
Perpetuandone la Memoria*). 
Fe u ee eee ee eee 


Wir verlassen das Gang-Museum, steigen einige 
Stufen hinauf, und mit einem Ah der Uberraschung 
begriiBen wir das herrliche: 


Panorama der Campagna, 


das uns wie in einem Kompendium alle die land- 
schaftlichen Schönheiten zusammenfaßt, die wir in 
unseren spätern Ausflügen noch im einzelnen näher 
kennen lernen wollen. Der Wirt hat in seinem Plakat 
nicht zu viel gesagt. Solch ein Panorama, das links 
und im Vordergrunde fast ganz Rom, und rechts den 


*) „Dieser Gedächtnisstein erzählt den Nachkommen — Als die 
Gattin Konstantins — Gegen Ende des dritten Jahrhunderts — Diese 
Treppe hinabfiel — Und sie mit ihren üppigen Formen zerschmet- 
terte — Und sie unbrauchbar machte — Stellte sie der Kastellan im 
neunzehnten Jahrhundert wieder her — Und verewigte so ihr An- 
denken.“ 


DI IIIIIITITIITI TI III TI OO OO OO U UI UI U 17 
schönsten Teil der Campagna umfaßt, bietet in gleicher 
Schönheit und Mannigfaltigkeit kein andrer Aussichts- 
punkt in Rom. Zuerst sind wir geblendet, da wir die 
Empfindung haben, als seinen wir auf der Plattform 
eines Rundgemäldebaus.. Nach dem ersten Staunen 
wird der bewundernde Blick magisch angezogen von 
den Bogennischen des Palatins, die gelbrötlich flammen. 
Dann schweift unser schnell reisendes Auge über die 
Campagna, die einem grünblauen See gleicht, nach 
den Albanerbergen und deren Perle Frascati, das wie 
ein Rosenbouquet am Busen der Berghalde prangt. 
Bei der Rückkehr vom Mons Albanus entdeckt dann 
unser suchender Blick das Grabmal der Caecilia 
Metella. Und im Vordergrunde blinkt und gleißt aus 
dunklem Laubversteck der goldene Palast der Villa 
Mattei, flankiert von der hohen Innenwand des 
Kolosseums. Hinter ihm aber tauchen die Marmor- 
bilder auf dem Dache des Laterandoms auf. Wir sehen 
auf der andren Seite den wie ein flammender Erzengel 
hoch zu Roß einherreitenden Garibaldi über dem Jani- 
culus, dann im Kreise uns drehend den Monte Mario, 
den Pincio, vor uns den Turm des Kapitols, dann die 
goldig glühende Masse des Quirinals, dahinter rechts 
den sogenannten Neroturm, und kehren dann zum 
baumgekrönten Palatin zurück, der einige Stellen weist, 
die Böcklin gemalt haben könnte. — Palatin! 


„O kaiserlicher Berg! Was ist der Erde Macht? 

Schreibt die Geschichte auch der Bände viel, 

Wo wäre besser sie als hier geschrieben ? 

Hier, wo der üpp’gen Herrscher Wunsch und Will’ 

Vereint, was Aug’ nur, Ohr und Herz mag lieben. 
Zacher, Was die Campagna erzählt- 2 


18 III III IF FF FH FF FF FH IH FF TH FF FF TFT THF FF F 


Was sollen Worte noch? schau selbst, was hier ge- 
blieben! 

Bewund’re, jauchze, weine und veracht’! 

Du kannst hier Stoff zu diesem allem finden, 

O Mensch, der ewig wechselnd weint und lacht, 

Schau, wie sich Zeiten hier und Reiche binden 

Auf diesem Berg, der, eh’ sein Glanz mußt’ schwinden, 

War eines stolzen Reiches Ehrenmal, 

Das prächtig leuchtend seinen Ruhm mußt’ künden, 

Bis heller sich entflammt der Sonne Strahl! 

Wo ist sein golden Dach? Wo sind, die’s bauten all ?“ *) 


Zufällig entdecken wir jetzt, daß die Albanerberge 
sich in tiefere Farben gekleidet haben. Darin liegt 
ja der Hauptreiz der Terrasse des Konstantins- 
schlosses, spätnachmittags bei einem guten Glase 
Wein den Sonnenuntergang zu erwarten und den 
Farbenwechsel zu bestaunen, den das sinkende Tages- 
gestirn auf der Campagnaebene und den Bergen her- 
vorzaubert. Mit Worten läßt sich dieses prächtigste 
aller Sceneriekunststückchen der koketten Mutter Natur 
nicht beschreiben, und es mit Farben zu schildern, 
wäre ebenfalls kühn, sind doch die Fälle gar nicht 
so selten, daß Maler, die mit vollendeter Beherrschung 
der Technik Gewissenhaftigkeit in der Wiedergabe 
des Wirklichen verbinden, wegen ihrer italienischen 
Bilder bei uns im deutschen Norden als Phantasten 
und Fabeldichter verketzert wurden. 

Unmerklich kommt man ins Träumen hinein, immer 
wieder schaut man auf den Palatin und wundert sich 
über das reiche Leben, das Frau Sonne, die all- 
erweckende Farbenkünstlerin, aus seinen Ruinen her- 


*) Byron. Childe Harold. 4. Gesang. 


355355555555535335355555 5353353553335 19 
vorzaubert, und besonders ziehen uns die Ruinen des 
von Septimius Severus erbauten Septizoniums an, eines 
Schau- und Prunkgebäudes, vergleichbar dem Maxi- 
milianeum in München, das dem aus dem Süden 
kommenden Reisenden den ersten Gruß der Kaiser- 
stadt brachte. Nur ab und zu überschleicht uns auch 
ein Gefühl des Ärgers, wenn drunten im Tal hinter 
den Cypressen des alten Judenfriedhofs die lästige 
Gasfabrik ihren qualmenden Rauch entsendet. Wann 
wird der Tag kommen, da sie dahinsinkt, und an ihrer 
Statt die Pracht des alten Circus Maximus wieder aus 
dem Erdgrab aufersteht und uns von den Tagen er- 
zählt, da hier zweihunderttausend Menschen entzückt 
den Wettrennen und Kampfspielen zujauchzten ? 


Rund um die Mauern Roms. 


Den meisten Reisenden fehlt oft die Zeit dazu, 
längere Ausflüge zu machen, die ihnen Roms wunder- 
herrliche Umgebung kennen lehren könnten, oft 
auch spielt ihnen das Wetter einen Streich. Aber 
beiden Arten von Romreisenden, den Zeitarmen und 
den vom Wetterungliick Verfolgten kann geholfen 
werden, wenn sie eine Fahrt um die Mauern Roms 
machen, die seltsamerweise noch von keinem Reise- 
buch beschrieben wurde. 

Wer sich eine Wagenfahrt leisten kann, oder ein 
Zweirad, oder gar ein Automobil besitzt, kann die 
Fahrt in wenigen Nachmittagsstunden behaglich be- 

2% 


20 
endigen, als Spaziergang ist die Umkreisung Roms 
ja auch nicht zu verachten, vielleicht lohnt sie auch 
`am meisten, aber sie erforderte doch wohl einen 
ganzen Tag. 

Übrigens handelt es sich um eine sichere Tour, 
auch für den, der noch an Brigantenfurcht leiden sollte; 
verliert man doch keinen Augenblick die Fühlung mit 
der Stadt. Man tut auch für alle Fälle gut daran, Sinn 
für Landschaft, Phantasie und einiges historisches Ver- 
ständnis mitzubringen. 

Die Reise beginnt am besten von Piazza del Popolo 
aus. Also durch das flaminische Tor. Zwischen der 
Villa Borghese und den Bastionen des Pincio betreten 
wir die Via delle Mura. Links grüßen die Baumriesen 
des Parks, rechts oben winken die Pinien der ehe- 
maligen Gärten des Lukullus. Die Straße wendet sich 
plötzlich nach Süden, langsam aufsteigend. Eine 
malerische Ecke! Links ragt ein mit Adlern und 
Greifen geschmücktes Renaissancetor, ihm gegenüber 
durchdringt der rötlich schimmernde Rest eines antiken 
Gebäudes mit interessantem Netzmauerwerk die von 
wucherndem Efeu überhangene Stadtmauer. Im Zick- 
zack steigt es weiter. Der Blick auf die Borghesischen 
Haine und Wiesenflächen wird immer entzückender; 
rechts taucht die Hinterfront des Pincio-Bollwerks auf, 
dessen massive Bogen und Pilaster als Krönung die 
dunkelste Pinienpracht zeigen, grell abstechend gegen 
den blauen Himmel. Gegenüber ragen hohe deutsche 
Tannen im Verein mit Riesenkastanien und üppigem 
Ahorn in des Himmels Azur hinauf. An der Grenze 
des Pincio winkt uns ein Bouquet aus Palmen und 
Kakteen den Abschiedsgruß. Die Stadtmauer, die sich 
jetzt unterhalb der Villa Medici hinzieht, verschwindet 


SSIIIFFFHIFTSTH IH FT HHF HF FF I FH THIS FHFH 21 


unter dem grünsten Schlinggestrüpp, aus dem mit 
großen neugierigen Fensteraugen die Ateliers der 
Pariser Sieger im Rompreis hervorlugen. Welche 
Motive für den Landschaftsmaler! Welch Farbenspiel! 
Alle Schattierungen von braun, blau und grün sind 
vertreten, und von links tritt jetzt noch das Schwarz- 
dunkel der ernsten Cypressen hinzu. 

Ein neues Bild. Nach steilem Sprung stehen wir 
vor dem kleinen Turmtor, der Porta Pinciana. Vor- 
bei die Einsamkeit. Aus dem ludovisischen Viertel 
strömt der Spaziergänger Flut zur Hintertür der 
Borghesischen Villa. In unserem Geiste steigen die 
Gotenkriege auf; denn mit der alten Porta ist der 
Name Belisar verknüpft. 

Die aurelianische Stadtmauer wird niedriger, ein- 
förmiger. Eine noch minderjährige Platanenallee öffnet 
sich, links protzt eine amerikanische Palastvilla mit 
der stolzen, aber nicht recht verständlichen Inschrift: 
„Never give up.‘‘ Soll das eine Mahnung an die Neu- 
römer sein? Moderne aber langweilige Mietspaläste 
begleiten uns zur Linken, nur durchbrochen von einem 
hohen braunroten Klosterbau mit schöner romanischer 
Kirche. Zum Glück bieten auch die Querstraßen 
schöne Ausblicke auf die Villa Borghese und die 
Campagna mit ihren festungsartigen Meierhof-Ge- 
bäuden. 

Nächste Station: Porta Salaria. Nur der Name 
ist leider antik, doch der Rest eines Römergrabes 
erinnert uns daran, daß wir auf klassischem Boden 
stehen. War es nicht in Untersekunda, als wir zuerst 
deinen Namen hörten, salarisches Tor, in jenen glück- 
lichen Tagen, da uns Cicero mit der ersten katili- 
narischen Existenz bekannt machte? — Belisar und 


22 3I5IIIIIIIFIFFFH FF FF THF FH FF HI FF FF SSF 


Vitiges kämpften an dieser Stätte lange verzweifelt 
miteinander. 

Doch die Fahrt geht weiter, das hastende Leben 
der mit Maultierkarren und den malerischen Wein- 
wagen aus dem Albanergebirge gefüllten Straße, so- 
wie eine Miniaturausgabe der Berliner Siegessäule 
rufen uns in die Neuzeit zurück. Wir sind an der 
„Bresche‘‘ angelangt, durch die am 20. September 1870 
die Italiener durchzogen. Hinter ihr ragen schlanke 
Cypressen in die Höhe, die Villa Bonaparte um- 
säumend, in der 1899 Lucian Bonaparte starb. Wenige 
Schritte weiter, und wir blicken durch das lange Viereck 
der Porta Pia über die Via Venti Settembre (die 
Straße des zwanzigsten Septembers) zum Quirinals- 
palast. 

Zur Linken aber endigt die malerische Via No- 
mentana, die Lieblingspromenade der römischen Alt- 
bürger, mit dem überraschend schönen Panorama der 
Sabinerberge. Jetzt haben wir auch Augen für das 
unregelmäßige Platzrund, das dem Tor als Vorhof 
dient. Mit dem Rücken zum Tor, schauen wir rechts 
auf ein burgähnliches Landhaus, das einladend von 
einem Hügel herabwinkt, die katakombenberühmte 
Villa Patrizi, links aber verliert sich der Blick in ein 
volkreiches Viertel, reich an dem üblichen Zubehör: 
Schmutz, Elend, Kinderlärm. Die Kontraste wohnen 
nahe beisammen. 

Weiter! Rechts quillt über die niedrige, braun- 
rote Mauer üppigste Baumpracht, der berühmte Garten 
der englischen Botschaft scheint die altersmüden Ziegel- 
fesseln sprengen zu wollen. Wir ziehen nach Süden. 
Eine Lücke in der Mauer führt zu den schönen Garten- 
häusern, die einst Rudini und Siemieradski bewohnten 





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(das erstere ist jetzt russische Botschaft), eine andre 
Lücke zum Castrum Praetorium, das auch heute noch 
Kaserne ist. Zur Linken ein neuer Scenenwechsel. 
Ein weiter runder Platz hat die Straße verschlungen. 
Er verjüngt sich im Hintergrunde trichterförmig bis 
zu einer von dichtem Grün umdunkelten Stelle, wo 
drei moderne Prachtlandhäuser, zwei im Renaissance-, 
eines im gotischen Stil mit edlen Formen hervor- 
leuchten. — Nun östlich! Die Campagna mit dem 
Monte Gennaro, dem Haupte der Sabinerberge, taucht 
vor uns auf. Der schroffe Herr, der sich seiner hohen 
Stellung bewußt, gern gegen allen Verkehr abschließt, 
hat das bläuliche Silberkleid, das er morgens trägt, 
mit einem violettrötlichen vertauscht. Zärtlich sieht 
er auf seinen geliebten Anio herunter, der ihm bei 
Tivoli gar zu viel Sprünge macht. Ob noch lange? 
Vielleicht kommen noch mehr seltsam bebrillte Men- 
schen, die in den Händen Papierrollen und Meß- 
stangen führen, um seiner Freiheit Übermut ganz zu 
bändigen. Ein Bein haben sie ihm ja schon ge- 
fesselt, — gewaltige Drähte ziehen sich plötzlich über 
unsere Köpfe. Die Kraftleitung ist’s, die den Wasser- 
fall von Tivoli zwingt, die Römer in bunten Tram- 
wagen spazieren zu fahren und ihnen abends ein Licht 
aufzustecken. 

Halt! Eine neue Ecke. Rechts zieht sich kahl 
und öde die prosaisch glatte Mauer, die nur von Zeit 
zu Zeit durch vierschrötige Halbtürme belebt wird, 
zur Linken prangt die Wissenschaft Neuroms. Wir 
passieren das Poliklinikum, d.h. die Versammlung 
der Prachtgebäude, durch welche Italien der Welt 
zeigen wollte, daß es auch in der Medizin eine Groß- 
macht ist. Si capisce, wenn man einen Baccelli hat. 


24 FFFFFFFFFFFFSFFFSFFFFFFFFFFFFFFFFFFFF 


Leider sind die eleganten Gebäude schon seit zehn 
Jahren „fast“ fertig, und bis das „fast‘“ fortfallt, werden 
wohl wieder zehn Jahre vergehen; Zeit genug, daß 
die unbenutzten Räume sich stellenweise dem antiken 
Ruinen-Rom assimilieren können. Doch — solch 
politisch-pessimistische Gedanken halten nicht lange 
vor, wenn hinter und zwischen den klinischen Pavillons 
Tivoli so neckisch hervorlugt, daß man sich not- 
gedrungen mit der koketten Bergschönen beschäftigen 
muß. Neben ihr funkeln im goldenen Sonnenlichte 
die Marktflecken S. Angelo und Monticelli. Die Berg- 
kegel, auf denen sie thronen, sind so steilspitz, als 
seien es Kreisel, die ein Riesenkind aus Versehen 
liegen gelassen. l 

Die Bilder, die wir nun, der Mauer folgend, 
schauen, sind weniger schön. Der Militarismus löst 
die Wissenschaft ab. In rechtwinkligen Windungen 
umziehen wir ein kleines Fort und einen großen Exer- 
zierplatz. Nur rasch weiter! Endlich klettern wir 
zur Höhe des sich langsam abdachenden Mons 
Esquilinus und kommen an ein antikes Tor, die 
Porta Tiburtina. Innerhalb derselben steht der 
Bogen des Augustus, durch welchen dieser drei Wasser- 
leitungen über die Straße führte. Mehrere Inschriften, 
die zum Teil von Titus und Caracalla herrühren, be- 
stätigen die Tatsache. Vor dem Tore aber erblicken 
wir die Reste des Torbaus des Arcadius und Honorius, 
Zeugen der absterbenden Kaiserzeit. Auch Stilicho, 
„der Restaurator der Mauern Roms‘, verewigte sich 
hier. Folgen wir der Mauer, so verbrüdert sich noch 
auf einer langen Strecke das augusteische Zeitalter 
mit dem des Honorius; denn die Mauer, die in die 
Bogen der augusteischen Aquädukte hineingebaut ist, 


SIIIISIIISIHIHHIHITH THF HIT T HF TH HF HF H HF FH 25 


zeigt noch neunzehn Türme des Honorius. Doch 
wieder entreißt uns das flutende Leben der Gegenwart 
dem Sinnen über Altrom. Allzuschön bietet es sich 
hier allerdings nicht dar, kommen wir doch zu der 
Eisenbahnunterführung Arco Bibbiano, die in der nächt- 
lichen Verbrecherchronik oft verzeichnet ist, und tags- 
über den vielen Leichenzügen, die zum Camposanto 
wallen, als Durchlaß dient. Trist und leidvoll, doch 
auch sehr schmutzig, ist das „quartiere Lorenzo“, 
das hier anhebt. Armut grinst aus den zur Zeit des 
Baufiebers geborenen Mietshäusern, Armut, Elend, Ver- 
brechen und Schmutz. Die Natur aber kontrastiert 
wiederum in ihrer vornehmen Gleichgültigkeit mit der 
Not der Menschen. Blickt man die breite Zeile, die 
zum Friedhof führt, hinunter, so haftet der bewun- 
dernde Blick an der blauen sabinischen Felswand, die 
aus den Cypressen des Kirchhofs herauszuwachsen 
scheint. 

Weiter! Südlich mit einer kleinen Wendung nach 
Südosten. Zur Linken werfen wir schaudernd einen 
Blick in die Nebenadern des Lorenzo-Viertels. Die 
Wäsche, die über dem Fahrdamm hängt, unterscheidet 
sich von der von Neapel nur dadurch, daß sie in 
ihrem Schmutze besser zur Geltung kommt; denn die 
Straßen sind modern, breiter und folglich heller. Wie 
die Wäsche, so die langweiligen Schablonenhäuser. 
Trostlos grau. Ihre Toilette ist die denkbar unordent- 
lichste, kein Fenster schließt, keine Tür hängt richtig 
in den Angeln. Und zwischen ihnen krabbelt und 
kriecht, läuft, springt, tanzt, lärmt, pfeift, prügelt sich 
ein solcher Kinderreichtum im Schmutzkleid herum, 
daß man für den Fortbestand Italiens keine Sorge 
zu haben braucht. 


20 $IIHIIIIH III HF FI FF HF FF FF FIT FH HF FF FF I 


Eine scharfe Biegung. Durch tunnelartige Eisen- 
bahn-Unterführung erreichen wir Porta Maggiore, 
Roms schönstes Tor. Selten kommen die Reisenden 
hierher, und doch lohnt’s der Mühe. Im Goldton 
leuchtet das Tor mit dem stattlichen Oberbau, der 
drei Wasserleitungen als Durchlaß dient. Nicht minder 
interessant ist das originelle Grab des Bäckermeisters 


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Kann nn On en na 


Eurysaces, das unterhalb des Tors aus der Tiefe her- ' 
vorragt. Was uns jedoch ebenso fesselt, das ist das | 
malerische Volksleben, das sich hier vor der langen 


Reihe der Osterienbaracken entwickelt. Welch buntes 
Durcheinander von Vehikeln, Droschken, Reisekaleschen, 
Weinkarren, Ochsenwagen, welch bunte Gruppen von 
Hirten und Bauern im Ziegenfellkleid! Dazwischen 


leuchten im grellsten Farbenkauderwelsch die „Fassa- ' 


den“ der in den unmöglichsten Formen aufgebauten 
Kneipen. In der Ecke am Tor aber ducken sich die 
ambulanten. Wohnungen: armer Besenbinder und fahren- 
der Gaukler, dräuend bewacht vom strengen Auge 
der Zollwächter und Carabinieri. 

Noch ein Blick auf das rötlich-braungelbe Tor 
und seine verwitterten korinthischen Säulen, und wir 
folgen etwa fünfhundert Schritte lang der Häuserzeile, 
die uns die in die Wasserleitung eingebaute Stadt- 
mauer verbirgt. Die erste Öffnung rechts! Durch 
einen weitgespannten Bogen kommen wir wieder zur 
Mauerstraße in einsamste Stille. Im Halbkreis eilen 
wir jetzt von Osten nach Westen um die Ausläufer 
des Caelius und des Aventin nach dem Tiber. Links 
ziehen sich Wein- und Blumengarten von hoch- 
sprieBendem, leise flüsterndem Rohr umsäumt, rechts 
taucht plötzlich das mächtige Halbrund, das Amphi- 
theatrum castrence auf. Der durch jonische Pilaster 


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und Pseudobogen gegliederte rote Ziegelbau blickt 
träumerisch still in die südliche Campagna, in der 
Cola Rienzi sich so oft mit den Colonnas herumschlug, 
vielleicht trauert er auch um den trauten Freund, den 
Obelisken, den die Barbaren hier ausgruben und auf 
dem Pincio aufstellten. 

Zweihundert Schritte weiter. Rechts schaut der 
Turm von Santa Croce di Gerusalemme neugierig über 
die Mauer herüber, um sich das bewegte Treiben zu 
betrachten, das aus der osterienumkränzten Porta 
Giovanni hervorquillt. Langeweile kennt der Turm- 
greis nicht, ist doch das Johannestor immer recht be- 
lebt, namentlich Sonntag nach Pfingsten, wenn der 
Sommerkarneval von Divino Amore los ist, oder die 
Renntage von Capanelle kommen, oder erst die tolle 
Johannisnacht! Und wie viele berühmte Personen 
hat das Tor nicht schon im Laufe der Jahrhunderte 
herein- und herausgelassen! Spaßig muß dieser histo- 
rische Verkehr im Jahre 1848/49 gewesen sein, als 


Pius IX. hier, vor Garibaldi flüchtend, im Wagen des 


bayerischen Gesandten nach Gaeta strebte, bis dann 
die Reihe an Garibaldi kam, von der Stadt und vom 
Johannistor zu scheiden, und schließlich Pius IX. wieder 
triumphierend durch dasselbe Tor zog, das .einige 
Monate vorher seine Flucht gesehen. 

In eine Schlucht tauchen wir ein und stehen vor 
der jetzt geschlossenen alten Porta Asinaria, deren 
braune Rundtürme gar trübe dreinschauen. Recht 
haben sie. Es tut weh, vergessen zu sein. Zur Zeit 
der Gotenkriege war es doch. ein vergnüglicheres Leben, 
da galt man noch etwas, da warben Barbaren und 
Byzantiner um den Einlaß und scheuten nicht Geld, 
nicht Gut. Doch seitdem Totilas 546 durch den Verrat 


28 FIFFFFFFFFFFFSFFFIFFFFFFFFFFFFFSFISIF 


der Isaurier hier seinen Einzug hielt, kamen traurigere 
Zeiten. Noch zwei andre pensionierte Tore treffen 
wir auf der Weiterfahrt, die Porta Metrovia und 
die geschichtlich berühmte Porta Latina, den Aus- 
gangspunkt der oft genannten Via gleichen Namens. 

Ein kurzer Bogen, und die Torburg San Se- 
bastiano grüßt uns, die im Innenhof sorglich den 
alten Drususbogen hiitet. San Sebastiano! Ein Name 


von gleichem Wohllaut dem frommen Pilger, der nach . 


den Katakomben und dem Kirchlein Domine quo vadis 
strebt, allwo der Herr den fliehenden Petrus zurück- 


hielt, und dem Altertumsfreund, den das Grabmal der | 


Caecilia Metella lockt. | 

Einsam still verläuft die Weiterfahrt. Nur Zoll- 
wächter begegnen uns, ab und zu klingt aus den 
Gemüsegärten das klagende Lied eines Colonen. Wem 
es eintönig scheinen sollte, winkt als Trost die Über- 
raschung der Porta San Paolo, die Cestiuspyramide 
und der poetischste aller Ruheplätze, der ergreifend 
schöne protestantische Cypressenfriedhof. 

Wir müssen hier den Mauerweg aufgeben, weil 
der nahe Tiber keine Brücke aufweist. Um die Mauer- 
fortsetzung am andren Ufer zu finden, bleibt nichts 
übrig, als dem Saume des Aventin entlang zu fahren 
zum Platze der Bocca della Verità, wo der Ponte Emilio 
über den Tiber zum Hafen Roms, Ripa Grande, führt. 
Dem Weinfreund ist er verhaßt, dieser Hafen, denn 
hier landen die Sizilianer ihren billigen Feuerwein, 
den uns zum Schaden manch römischer Oste als 
römischen verschleiBt. Aber trotz allen Grolls, den 
mir Siziliens Weinschiffe erregen, kann ich ihnen doch 
eine gefällige Form nicht absprechen. ... 

Bei der Porta Portese, zu der wir uns durch 


. 


= en 


5 29 
ein wahres Karrenlabyrinth hindurchwinden müssen, 
beginnt wieder die Mauerfahrt. Rechts an einigen 
altmodischen Seilspinnern vorbei über die trambahn- 
belebte Straße Viale del Re gelangen wir an die 
Schleppe des Janiculus. In mühseligem Bogen sollen 
wir zur Porta Pancrazio. Doch was will die Müh- 
seligkeit besagen bei der Pracht, die wir jetzt schauen ? 
Bei jeder Windung der in einem freundlichen Akazien- 
hain herankriechenden Schlangenstraße ein neuer ent- 
zückender Blick, namentlich auf die westliche Cam- 
pagna zum Meere hin. Mit sanften Übergängen tönt 
sich das Sattgrüne der villengekrönten Hügel zum 
Silbergrün der fernen Ebene ab, bis es sich am Meeres- 
saum in blauem Nebel auflöst. Verlassen wir den 
Wagen oder das Stahlroß und steigen auf die Bastionen, 
welche die Ecken des Aufstiegs krönen, so schweift 
unser Blick über den grünen Rücken des Testaccio, 
den roten Dächern des anachronistisch sich aufdrängen- 
den modischen Schlachthauses im Südosten zum Grabe 
der Caecilia Metella, zur Porta Furba, und ihrem Ge- 
folge von Aquäduktenresten über den Hain und das 
Fort von Centocelle nach Frascati. Einem kleinen 
See vergleichbar, lugt im Süden ein Stück Tiber her- 
vor, begrenzt durch die braune Eisenbahnbrücke, 
hinter der San Paolo fuori le Mura mit seiner Gold- 
fassade leuchtet und glitzert, und dahinter dunkelt der 
Eukalyptuswald, der die Trappisten-Oase von Tre Fon- 
tane umschließt. All diese Schönheit wird aber von 
der üppig grünen Campagnawüste umblüht, aus der 
wie Rubinen die knallroten Pulverhäuser und Fort- 
bauten hervorschimmern. Auch gelegentliche Rück- und 
Seitenblicke auf die Stadt, die Konstantinsbasilika, den 
Palatin, Maria Maggiore u. s. w. sind nicht zu verachten. 


30 3I5I III TI THF FF FF FH FH FH FT H HF IH TTTF SF IH TTTT 


Wir fahren weiter an herrlichen Weingärten ent- 
lang, in welche sich lauschige Schluchtenwege ver- 
lieren. Dann beginnt die Mauerpredigt. Aus zahl- 
reichen Tafeln, Inschriften, Breschen und Löchern er- 
fahren wir, daß wir auf Roms blutgetränktestem 
Schlachtfelde weilen: dem Janiculus. Die Augen 
zu! Vor unserem geistigen Blicke tauchen seltsame 
Kriegergestalten auf: Etrusker, Vandalen, Goten, Sara- 
zenen, Langobarden, deutsche Ritter und Landsknechte, 
Garibaldiner und französische Zuaven. Unter deren 
Führern bemerken wir Porsenna, Alarich, Ludwig IlI., 
den Karolinger Arnulf, Heinrich IV., den von Canossa, 
dann die neueren Feldherrn: Berthier, Garibaldi, 
Oudinot. . . . 

Durch des Pankratius Pforte, an der jeder Stein 
von der gorreichen Revolution von 1849 erzählt, er- 
braust der Tageslärm. Die elegante Welt zieht zur 
Krone der römischen Parks, der Villa Pamphili, die 
weniger elegante, aber durstigere Quiritenschaft zur 
Osteria „zum großen Schuh“. 

Vom Tor führt die Mauer wieder hinunter zum 
Tal, das den Janiculus vom vatikanischen Hügel schei- 
det. Unten umfängt uns vor der Porta Cavalleggieri 
ein Sammelsurium von Wein- und Heuduft; denn das 
ganze Torviertel besteht nur aus Osterien und Heu- 
speichern. Dem entspricht auch der eigenartige 
Straßenverkehr. Über dem geräusch- und schmutz- 
vollen Treiben erhebt sich in goldener Klarheit der 
Petersdom, den wir hier von seiner unbekanntesten 
Seite kennen lernen. Riesengroß wölbt sich die 
Kuppel; denn einen tieferen Standpunkt zu ihrer Be- 
trachtung sucht man in Rom vergebens. Hinter ihr 
gleißt die Herrlichkeit der vatikanischen Gärten, auch 


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den Turm Leos IV., des Erbauers der Sarazenenmauer, 
erblicken wir, und daneben die Sommervilla Leos XIII. 
Wir besteigen den vatikanischen Hügel. Die Uhr 
heraus, um zu sehen, wie lang die Fahrt um das 
„Gefängnis des Papstes‘ dauert! Groß ist es, riesen- 
groß. Die Mauern nehmen den Charakter hoher, 
dräuender Bastionen an. Ein Blick nach hinten, auf 
die Stadt, den Janiculus, den pamphilischen Park. 
Plötzlich werden die Mauern durch einen hohen Turm 
mit weißem Hut — Format: umgestürzter Eierbecher 
— unterbrochen. Die päpstliche Sternwarte ist’s, an 
der einst Pater Secchi gearbeitet. Weiter! Wo sich 
die Mauer scharf nach Osten wendet, öffnen sich 
Landschaftsbilder von überraschender, malerischer Wir- 
kung. Unten das Höllental, auf dessen Rasen zahl- 
reiche Ziegeleiessen hervorsprieBen, jenseits der Monte 
Mario, der sich hier mit seinen begrünten Schroffen 
und Hängen am besten darbietet, gekrönt mit den 
pinienumrahmten Villen Mellini und Stuart. Der Weg 
senkt sich. Die Mauern steigen höher und höher, 
fünfzig, sechzig, siebzig Fuß. Pinien in bizarrster 
Fächerpracht und künstliche Laubgänge aus Taxus 
und Buchsbaum, begleitet von stattlichen Buchen, 
grüßen vom Mauerkranz hernieder. 
Jäh sind die erfreulichen Bilder verflogen. Durch 
ein elendes langes Holzgatter treten wir in das arm- 
selige Volksquartier der Prati di Castello, vor dem 
selbst die Mauern des Vatikan zurückzuschrecken 
scheinen; denn auf einmal sind sie verschwunden und 
ziehen sich südlich hinter unscheinbaren Häusern bis 
zum Petersplatze, von wo aus sie ein schmaler Mauer- 
gang mit der Engelsburg verbindet. Welche Gegen- 
sätze! Das moderne Elendsviertel, das Zola zum Vor- 


32 FFFIFFFSFFSIFFSFFFISISFFFFFFFFFIF SSS 


wand nahm, um die Schale seines Zornes über Neu- 
rom auszugieBen, diese StraBen voll zerlumpten Volks, 
diese Hauser, aus deren bretterverkleideten Fenstern 
das Gespenst des Baukrachs grinst — und die jugend- 
liche Engelsburg, die doch so alt und sagenreich 
ist. Wie viele Päpste, Dichter, Künstler, Gelehrte, 
Fürsten und Könige haben in ihren Mauern geweilt, 
oft auch als gezwungene Gäste. Gleich einem Fels 
trotzte die Burg der tosendsten Brandung, und doch 
waren der Brandungen und Belagerungen, denen sie 
zu trotzen hatte, nicht wenige... . 

Aber — neues Leben blüht ja jetzt neben den 
Ruinen. Wir kommen in eine herrliche Villen- 
kolonie, die wie durch einen Zauberschlag entstanden 
ist. und Zeugnis ablegt, daß die Tage des Baukrachs 
vorüber sind, und neues Vertrauen in die Zukunft 
Neuroms erwacht ist... .. 


Unsere Fahrt ist zu Ende. Sechsunddreißig Kilo- | 


meter sind „gemacht“. Wir eilen der Fassade des 
Pincio zu, rollen über den Ponte Margherita und er- 
reichen wieder unsern Ausgangspunkt: die Piazza del 
Popolo. 





Vor Porta del Popolo. 
(Nach Ponte Molle.) 


Ein kleiner Ausflug, den man bequem auch zu 
Fuß tun kann. Wer morgens die Stanzen des Vatikans 
besucht, und die Konstantinsschlacht bewundert hat, 
wird in dem Gang nach Ponte Molle eine Ergänzung 
seiner Morgenandacht finden. 


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Wir beginnen auf der Piazza del Popolo die Wan- 
derung. Was uns dieser Platz nicht alles erzählt! 
Vor allem der Obelisk, der die Erinnerungen an Anto- 
nius und Kleopatra weckt, ließ ihn doch Augustus im 
Jahre zehn vor Chr. zum Andenken an die Unter- 
werfung Agyptens im Circus Maximus aufrichten, wo 
er blieb, bis Sixtus V. ihn hierher verpflanzte. Dann 
zur Rechten die Kirche Maria del Popolo, die uns von 
Luther, Raffael, Chigi und Pinturicchio erzählt; während 
uns das Tor selbst an Goethes Wort erinnert: „Unter 
der Porta del Popolo war ich mir gewiß, Rom zu 
haben.“ Wie viele berühmte Männer werden gleich 
ihm Gleiches gedacht haben, als sie durch dieses Tor 
kamen, durch das vor der Zeit der Eisenbahnen der 
nordische Fremdling zuerst die Stadt betrat. Nach 
unsern Begriffen leidet das Tor zu sehr an Inschriften- 
manie. Eine sagt uns, daß Bernini seine innere 
Fassade errichtete, als 1655 Gustav Adolfs Tochter 
Christina von Schweden hier einzog, während die 
äußere 1561 unter Pius IV. von Vignola, dem Erbauer 
der Kirche S. Gesü, errichtet wurde. Früher war die 
alte Porta Flaminia einbogig, die Seitenbogen wurden 
nach 1870 zur Erinnerung an den Einzug der Italiener 
aufgeführt, wie eine pomphafte Inschrift kündet. © 

Wir treten auf die Via Flaminia, rechts erblicken 
wir den Eingang zur Villa Borghese, zu deren Linken 
eine mauerumgürtete Fahrstraße zur Villa Strohl-Fern 
führt, in der die deutschen Künstler hausen, die Rom- 
preise davon getragen. 

Weiter! Wie wir die lange Zeile vor uns über- 
blicken, werden wir dessen inne, daß wir auf einer 
der ältesten Römerstraßen stehen. Die verwöhnte 
Menschheit von heute muß schon eine lange geistige 

Zacher, Was die Campagna erzählt. 3 


34 FFFFFFFFFFSFFFFFIFFFFIFFFIFIFIFFSFSS 


Wanderung nach rückwärts machen, um sich wieder 
vorstellen zu können, welch große Tat der plebejische 
Konsul C. Flaminius, der 223 das cisalpinische Gallien 
unterwarf, durch den Bau dieser Straße leistete, die 
zwar zunächst nur aus militärischen Gründen erbaut 
wurde, und doch die Kultur nach dem Norden Italiens 
brachte. Im Geiste verfolgen wir die Straße, die im 
berühmten Furlopaß die Apenninen durchbricht, und 
so Rom mit Rimini und Piacenza verbindet. Armer 
Flaminius, wenige Jahre nach seinen großen Taten 
fiel er 217 in der Schlacht am Trasimenischen See, 
von Hannibal bezwungen. 

Ein alter Graukopf taucht jetzt vor mir auf. Der 
Maler Pio Joris ist’s, der die heutige Flaminische 
Straße so oft und so herrlich geschildert, in Sonne, 
im Staubwind, im Regen. Wie anders erscheint die 


Straße, wenn man sie mit seinen Künstleraugen sieht! | 


Überhaupt sollte eigentlich niemand die Campagna 
betreten, ehe er nicht vorher seinen Blick für deren 
Schönheiten an den besten Campagnabildern geschärft 


hat. Leider verliert die Flaminia durch das Vordringen | 


der Kultur den malerischen Reiz, den sie früher hatte, 
namentlich hier in ihrem Beginn. Bald schauen wir 
links Atelierhäuser. Nicht weit von dem Atelier von 
Pio Joris liegt links das des großen Aquarellisten 
Augusto Corelli, eines Meisters, der, wie wenige, die 


Campagna und ihre Bevölkerung kennt. Wer hätte ; 


nicht schon seine Hirten, seine Serenaden, seine Ernte- 
feste und seine Mäher bewundert! Rechts, fast gegen- 
über, schaffte Tuaillon, der große Bildhauer, dem wir 
die Amazone vor der Berliner Nationalgallerie ver- 
danken. 

Eine Osteria zieht uns ab. Sie trägt den origi- 


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nellen Titel „Zum zufriedenen Herzen“ (Al cuor con- 
tento). Doch die andre, die berühmtere, „la Villetta‘‘,*) 
die Stätte so mancher lustigen Symposien, suche ich 
vergebens. Sie hat als Osteria ausgedient. Eine 
Ciociarin (Frau aus dem Sabinergebirge) tritt mir in 
den Weg, die einen wohl zwei Zentner schweren 
Pack Leinen auf dem Kopf tragt. Diese robuste Dirn 
im malerischen Kleid, ob auch sie wohl nervösen 
Kopfschmerz kennt? Ein Bauernpaar folgt ihr. Er 
scheint schon städtisch zivilisiert zu sein; denn er, 
nicht die Gattin, trägt das Kind. Da der Frühling 
noch frisch ist, hat er auch den togagleichen Mantel 
malerisch um die Schultern geworfen. Dessen Futter 
ist aber grün, wie bei allen Mänteln der Campagnolen, 
die das Stereotype lieben. 

Jetzt erblicken wir rechts zwei malerische Brunnen, 
an denen Frauen aus dem Volke Salat und Gemüse, 
und andre auf dem Klopfbrett schmutzige Wäsche 
reinigen. Sie sind nicht heikel. Über den Brunnen 
fallen uns große Inschriften auf. Sie künden, daß 
hier das Kasino der Villa des Papstes Julius III. (del 
Monte) steht, der durch das Trienter Konzil berühmt 
wurde. Begonnen wurde der Bau auf Bestellung seines 
Onkels Fabiano del Monte von Baldassare Peruzzi, 
dem Erbauer der Villa Farnesina und des Palazzo 
Massimi. Die Zeichnungen entwarf aber Jacopo 
Sansovino, der Schöpfer der Loggetta und der Markus- 
bibliothek in Venedig. Das macht uns den düsteren 
Bau interessant; wir betrachten seine zwei Fassaden 
und die Inschriften, die uns verraten, welch edle Gäste 
hier gewohnt, Carlo Borromeo und Philippus Columna. 
Der erstere, ein Neffe des oben genannten Pius IV., 


*) S. „Römische Augenblicksbilder S. 248. 
3* 


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der Bildungsapostel und Hexenverfolger, ist den Italien- 
reisenden kein Fremder mehr, die in Arona am Lago 


Maggiore seine Kolossalstatue schauten, oder auf dem 


Corso in Rom die ihm geweihte Kirche besuchten. 
Der zweite erinnert uns an das bekannte römische 


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Patriziergeschlecht der Colonna, dem wir noch öfter . 


auf unsern Ausflügen begegnen werden. 

Ehe wir weiter gehen, werfen wir noch einen Blick 
auf das Haus gegenüber, das so seltsam schmutzige 
Loggien aufweist; es erinnert an das, was man sich 
in Deutschland unter einem echt italienischen Hause 
vorstellt. 

Nun tauchen dem belesenen Wanderer allerlei 
Erinnerungsbrocken aus Bulwers letzten Tagen von 
Pompeji, aus Fabiola, oder aus Quo Vadis und Eck- 
steins Claudiern auf; denn der Rundbau im Vorder 


grunde gleicht einem antiken Grabe, und so glaubt 


man, zweitausend Jahre zurückversetzt zu sein. Die 
Reisebücher und Chroniken belehren uns, daß wir es 
mit einem christlichen Tempel zu tun haben, der nach 
Vignolas Entwurf gebaut wurde, und zwar von dem- 
selben Papst, der auch das Casino und die Villa Giulia 
bestellte. Dieser Miniaturbau war der steinerne Dank 
für seine Errettung. Das römische Volk stiftet in 
ähnlichen Fällen der Madonna von S. Agostino oder 


dem heiligen Antonius von Ara Coeli ein gut gemeintes | 


Ölgemälde mit der Aufschrift P.G.R. (Per grazia rice- 
vuta, für empfangene Gnade); die früheren Papst- 
könige hatten hingegen die Mittel, ihren Dank kost- 
barer und dauerhafter auszudrücken. Der Dank 
Julius’ III. gilt dem heil. Andreas. Am 6. Mai 1527 
fiel Julius, der damals noch Kardinal war, bei dem 
berüchtigten „sacco di Roma‘ (Plünderung Roms) als 


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Geisel in die Hand der Barbaren, die vom Connetable 
von Bourbon und Frundsberg befehligt wurden. Bis 
zum 30. November desselben Jahres blieb der Kardinal 
in Haft, also bis zum Andreastage, und darum ward 
durch ihn der heilige Apostel um eine neue Kirche 
reicher. 

Und wieder wird eine antike Stimmung ausgelöst. 
Ein Ah des Entzückens; denn wir erblicken eine antike 
Landschaft, wie sie Boecklin so oft gemalt. Zur 
Rechten zieht sich auf den Höhen der monti Pariöli 
auf schroffem Felsabhang eine lange düstere Cy- 
pressenzeile, überspannt vom blauen Himmelsdom. 

Links läßt uns jetzt der seltsame Titel einer 
Schenke stutzen. ,,Osteria al risorgimento del Ponte 
Molle.“ Was soll das heißen? Risorgimento im poli- 
tischen Sinne heißt die Wiedererstehung der italischen 
Freiheit, also die Periode der Einheitskämpfe im neun- 
zehnten Jahrhundert. Wann ist aber je der Ponte 
Molle wieder neu entstanden? Vergebens blicke ich 
nach der Stelle, wo diese Brücke ragt, ich sehe nur, 
daß hoch über ihr ein Pinienbouquet einladend grüßt. 

Rechts folgt jetzt verwahrlostes Wiesenland, das 
von der heutigen Baupolitik in Rom zeugt. Ein großer 
Park sollte vor zwanzig Jahren hier entstehen als 
Krönung der großen Ringstraße, die auch nur zum Teil 
fertig wurde, aber es blieb, wie so manches in Neu- 
rom, beim Projekt. 

Im Vordergrunde drängt sich jetzt zum zweiten 
Male Sankt Andreas auf. In einem von Mauern um- 
hegten Viereck zur Rechten steht eine kleine Kapelle 
mit der Statue des Apostels. Den Geschichtskundigen 
versetzt der kleine Bau im Geiste in die Zeit, da die 
Türken das oströmische Reich wie eine Artischoke 


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Blatt für Blatt genommen hatten, und zwar in das 
Jahr 1462, zehn Jahre nach der Eroberung Konstan- 
tinopels. Damals zog eines Tages Pius Il. Piccolomini 
(Aeneas Sylvius) dem griechischen Kardinal Bessarion 
entgegen bis zu dieser Stätte. Der als Vorkämpfer 
für die Vereinigung der römischen und griechischen 
Kirche und als Stifter der Bibliothek in Venedig be- 
rühmte Mann brachte das Haupt des Apostels Andreas 
nach Rom, das er vor den Türken geflüchtet hatte. 
Die Kapelle bezeichnet den Ort, wo er dem Papste die 
kostbare Reliquie knieend überreichte. 

Wenige Schritte nur, und wir stehen am Pons 
Milvius (Ponte Molle), Das ist der Schauplatz der 
Schlacht, die den Sieg des Christentums entschied, 
hier flatterten zum ersten Male die römischen Fahnen 
mit der Aufschrift: 1.H.S.V. (In hoc signo vinces; 


in diesem Zeichen wirst du siegen). Hier fand Kon- ' 
stantins Gegenkaiser Maxentius im ,,blonden‘‘ Tiber , 


jähen Tod. Der Fluß wälzt seine Wogen noch grade . 


so wie damals, hastig und unaufhaltsam dem Meere 
zu. Die Sonne malt goldene Kringel auf ihn und auf 
die seltsamen Netz-Radmühlen, die sich automatisch 
drehen. Leer noch ist sein Strandgebiet; denn noch 
ist es nicht Sommer, es fehlen also die Indianer- 
wigwams oder Negerhütten ähnlichen Rohrgebilde, die 
der Römer euphemistisch Badeanstalten nennt. 

Wir wenden uns um. Vor uns rekapitulieren wir 
zunächst alles, was wir bisher geschaut. Zur Rechten 
sehen wir dann, wie auf dem neuen Reitwege, der 
dem Tiber folgt, Pferde getummelt werden, drauf steigt 
die verwitternde Villa Madama am Abhange des 
Monte Mario zu uns herüber, es folgen die Cypressen 
dieses Berges, welche die heitere Villa Mellini um- 


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kranzen, zuletzt reckt sich die von Sonnenglut um- 
zitterte Peterskuppel auf, deren Kleid aus graublauer 
Glanzseide gefertigt scheint. Links grüßen die schönen 
monti Pariöli, die mit Landhäusern besäet sind, von 
denen manche als Dachschmuck Pinien, gleich Federn 
auf einem Hute, tragen. Hinter ihnen stellen sich 
die Albanerberge voller Neugier auf die Zehen, um 
zu erkunden, was hier vorgeht. Noch weiter links 
ragt das Fort Antenne, dort, wo einst die alte Stadt 
Antemnae stand. Die blaue Wand der Sabinerberge 
dient ihm als Folie. Wir wenden uns im Kreise nach 
links und erblicken jenseits des Tibers das alte Turm- 
grab Tor die Quinto, so genannt nach dem alten 
fünften Meilenstein. 

Nun über die Brücke! Zwei Statuen amten als 
Schildwache. Die eine links, eine Marienstatue, trägt 
die Aufschrift „macula non est“. Schwarz besprenkelt 
ist sie durch des Wetters Laune, die andre stellt 
den heiligen Brückenwärter Nepomuk dar, der das 
Kreuz wie ein verliebter Vater hält, der sein Kind 
wiegt. Mitten auf der Brücke fällt mir ein, daß der 
Ponte Molle in den römischen Volksliedern eine große 
Rolle spielt, ist er doch, ebenso wie der Pincio, bei 
Selbstmördern als Ausgangsstation für die Reise ins 
Jenseits berühmt. Am Ende der Brücke steht ein 
triumphbogenartiges Tor, das einem geläuterten Ge- 
schmack wenig zusagen dürfte, dann folgen wieder 
zwei Statuen, denen der römische Volkswitz übel mit- 
zuspielen liebt. Johannes, der die Taufschale wie ein 
Bettler hält, der Geld heischt, und Christus sehen 
von weitem nämlich so aus, als ob letzterer den Vor- 
läufer hauen wolle. 

Ich bin zwar kein laudator temporis acti, der 


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grundsätzlich nur für das Alte schwärmt, aber wenn 
ich bedenke, daß ich nun die Stätte betrete, wo sich 
vor fünfzig Jahren die römischen Deutschen zu ver- 
sammeln pflegten, um ihren Freunden, die vom Norden 
kamen, den ersten Gruß aus der ewigen Stadt zu 
bringen, so kann ich nicht umhin, mit einem gewissen 
Neidgefühl unserer beiden Alten, des Bildhauers Pro- 
fessor Gerhard und des Malers Ziehlke, zu gedenken, 
die jene poesievolle Zeit noch mitgemacht. Wie viele 
Kameraden haben sie hier empfangen, wie vielen von 
Rom Scheidenden bis hierher das Geleit gegeben ? 
Kein Wunder daher, daß im Anfange des neun- 
zehnten Jahrhunderts der Ponte Molle für die deut- 
schen Künstler ein heiliger Ort wurde, und sie 
ihm zu Ehren den Orden der „Ritter vom Ponte Molle 
und vom Bajocc‘“*) gründeten. Der feuchtiröhliche 
Orden, der schon 1814 genannt wird, hatte seine 
Glanzzeit in den Jahren, als Maler Nerly, wie Gaudy 
im Cottaschen Morgenblatte von 1839 erzählt, „sich 
in napoleonischer Manier zum Diktator aufgeschwun- 
gen hatte“. Der Generalstab zählte damals u.a. auf: 
Nerly, Generalfeldmarschall, Ritter mehrerer unbekann- 
ter Orden und dreimal ausgeschlagener Kaiser. Rein- 
hardt, Schiedsrichter, Nimrod des Generals und ehr- 
licher Fuchs. D. Blumk, Vizegeneral, Vorsitzender der 
Brandwache, Einnehmer der Gelder der Provinzen in 
Capernaum, Schwanthaler, Obermundschenk, Herein- 
lotser der nordischen Völker, Standhaftigkeit des 
Obelisks. Hiermit ist die Reihe der Ämter noch nicht 
erschöpft, außer fünf andren Generalstabschargen gab 
es noch Köche, Medaliöre, Leib- und Magendoktoren, 
exotische Gesandte und — eine Hebamme. Diese 
*) Bajocc = Baiocco, päpstliche Münze im Werte eines Soldo. 


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Hebamme trat jedesmal in Dienst, wenn im Palazzo 
Fiano die Ankunft eines Neulings gefeiert wurde. 
Mit groBem Geprange versammelte sich dazu der hohe 
Orden und hieß den ,,Volkstribunen“ seines Amtes 
walten. Dieser stellte den Neuling vor, der im Reise- 
anzug und mit Gepäck erschien, und heroldete, der 
Fremde bitte um die Erlaubnis, „über den Ponte Molle 
gehen zu dürfen‘; so lautete nämlich die geheiligte 
Form der Anmeldung. Dann trat der „Hebamme“ 
auf und stellte feierlich fest, daß der Ankömmling ein 
Mann sei, sich also kein Weib sträflicherweise in den 
Orden einschleiche. Hierauf folgte in gebundener Rede 
ein peinlich Verhör, das stets damit endete, daß der 
Neue für simpel erklärt wurde. Zum Schluß mußte 
der Simple noch ein Probestück seiner Kunst an der 
schwarzen Tafel machen, ehe er als Knappe zugelassen 
wurde. Dann erhielt er zum Troste ein Glas Wein, 
damit ihm die Schuppen von den Augen fielen‘. Unter 
den Neulingen, die also geprüft wurden, befanden sich 
Männer wie Thorwaldsen, Ludwig I., Schadow, Gaudy, 
Reinick, Viktor Hehn, Ernst Curtius, Moritz Carriere, 
Overbeck, Veit.... Doch dahin sind die schönen 
Zeiten des Künstlerhumors! Heute herrscht auch in 
Rom die Prosa. 

Lautes Schreien weckt mich aus der Träumerei. 
Eine Bauernfrau trägt soeben eine Meinungsverschie- 
denheit mit ihrer halbwüchsigen Tochter derart laut, 
ja kreischend, derart lebhaft und eindringlich aus, daß 
selbst die abgebrühten Städter rings herum ob dieser 
Lungenkraft, dieser Zungenfertigkeit, die tausend Silben 
in der Sekunde hervorsprudelt, und dieser Gesten- 
freudigkeit, die trotz aller Hast doch immer anmutig 
bleibt, erstaunt sich fragen, ob sie nicht gewisse 





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schlechte Schauspieler hier in die Schule schicken 
sollten. Den Fremden aber, die Zeugen dieser Szene 
sind, dämmert vielleicht eine leise Ahnung auf, wie | 
viel ungebrochene Volkskraft, welch natürlicher Adel | 
noch heute in jenen Sabinerbergen schlummert, die | 
einst Altrom seine besten Krieger und Staatsmänner | 
gaben. 

Nach diesem Intermezzo mustere ich die Gegend | 
ringsum, der Blick fällt im Hintergrund auf eine rosa- 
rote Osteria, die mit ihren Pilasterloggien einer auf- 
recht stehenden Riesenkassette gleicht. Diese Kneipe, 
Osteria dell’ Alleanza geheißen, weckt uns die Er- 
innerung an alle vertraute Weisen, die einst hier der 
Trompeter von Säkkingen angestimmt: 


„O Ponte Molle, du treffliche Bruck, 

Bei der ich geschlurft schon manch tapfern Schluck 
Aus strohumflochtener Flaschen, 

O Ponte Molle, was ist mit mir? 

Ein langsamer Trinker sitz’ ich allhier, 

Kaum mag ich des Weines naschen. 


O Ponte Molle, du treffliche Bruck, 

Ich glaube, du lohnst mit bösem Spuck, 

Daß ich mich in Träume verloren! 

Es wirbelt ein Staub an der HeerstraB’ auf, 

Jetzt sperrt mir ein Ochsen- und Büffelhauf’ | 
Den Heimweg zu Romas Toren.‘ 


Auch vor mir wirbelt Staub auf, aber nicht Ochsen | 
und Büffel erregen ihn, sondern ein vieledler Straßen- 
kehrer, der statt eines Besens ein Bündel Dornstrauch- 
laubs benutzt. Wie verbindet er pflichteifriges Stolz- 
gefühl mit dem Phlegma des Philosophen, das einem 
Römer geziemt! Doch mit all seinem Stolze zwingt 


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er uns zum Seitensprung nach links vor die Osteria 
della Stella. Sie hat schon ihre Frühjahrstoilette an- 
gelegt. WeiBrot ist sie getüncht, und ihre Läden sind 
grün. Auch praktisch ist sie, denn die Preisliste hat 
sie auf die Stirnwand des Hauses gemalt. Jedweder 
kann also hier linguistisch-kulinarische Studien machen. 
Nun drängt sich auch die Staffage auf. Ein Zoll- 
wächter mit fliegendem Mantel geht vorüber. Auch 
er ist stolz; denn sein Mantel gleicht dem Radmantel 
des Grafen Almaviva, sein Lederhut einer mittelalter- 
lichen Sturmhaube. Sein Gesicht ist kühn geschnitten. 
Sein Auge blitzt feurig. Doch noch stolzer und 
schmucker scheinen uns die beiden prächtigen Cara- 
binieri, die sich der Ehre bewußt, einem Elitekorps 
anzugehören, ernst und würdig Ordnung halten in der 
Bauernschar, die am Straßensaum stehend Markt hält 
und unter anderem duftige Säulen aus Finocchiknollen 
ausbietet. Ein Kellner, der jetzt in den Vordergrund 
tritt, fällt auf. Er hat den Ehrgeiz, sich als groß- 
städtischen Mann zu geben, prunkt deshalb in schwar- 
zer Hose und Weste, und in schneeigen Hemdsärmeln. 
Um den schön gesteiften Kragen zu schonen, trägt 
er ein Taschentuch um den Hals. Die Neulinge unter 
den Fremden erstaunen, daß ein Römer aus dem 
Volke so viel Reinlichkeitssinn hat; denn sie wissen 
ja noch nicht, daß die Italiener durchwegs in ihrer 
Leibwäsche stets auf Reinheit sehen, wenn auch sonst, 
namentlich im Süden ihre Empfindlichkeit, was Schmutz 
anbetrifft, nicht eben groß sein mag. Die Trambahn 
kriecht heran, an der höhnisch ein Automobil vorüber- 
saust, in einer Staubwolke verschwindend. Wir gehen 
weiter und erfahren an der nächsten Kneipe links, 
wie die Römer in Worten zu schwelgen lieben. Osteria 


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al’ Eden nennt sich die blauweiß getünchte Bretter- 
bude mit dem schrägen Dach. Aber wie malerisch 
wirkt die elende Baracke in diesem Sonnengeprassel. 
Und erst das junge Mädchen im blauen Rock und 
der Purpurtaille und der weißen Schürze, wie glüht 
und sprüht es in diesem Lichtbad. Würde ein Maler 
diese leuchtenden Farben festhalten, im hohen Norden 
würde man seine ausschweifende Phantasie verspotten. 
In der nächsten Hütte waltet ein Hufschmied. Da- 
neben wackelt ein rosaroter Holzbau ohne Fenster. 
In blauer Schrift zeigt er die Aufschrift: „Fava Fresca, 
Sale e Jabacchi.‘‘ Fava Fresca, frische junge Bohnen, 
roh genossen, bilden ja den liebsten Leckerbissen 
der Römer zur Frühjahrszeit. Zwei andre Typen treten 
jetzt aus der Staffage hervor, als lebendiger Gruß 
aus der Campagna ein guardiano, der hoch zu Roß 
in blauer eng anliegender Hose, blauer Livreejacke, 
hohen Stiefeln und schwarzem schiefem Hut, und mit 
dem Speer bewaffnet, einen verwegenen Eindruck 
macht, und ihm gegenüber, vor dem Hause, das die 
Aufschrift Forno als Bäckerei bezeichnet, der Bäcker 
in weißer Unterhose, weißer Jacke und weißem Len- 
dentuch, der noch die alte Tracht festhält, die auch 
seine Kollegen vor tausend Jahren trugen. 

So wird man nicht müde; denn jeden Augenblick 
entdeckt unser suchendes Auge ein neues Bild. Wir 
treten in die Scheffelosteria ein und erwarten das 
Nahen des Abends, dann aber schlendern wir die 
herrliche Allee am rechten Tiberufer entlang, am Monte 
Mario vorbei, der Stadt zu. UnvergeBlich wird jedem 
Wanderer diese Heimkehr sein, spiegelt sich doch im 
murmelnden Strom die goldgebadete Peterskuppel — 


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359955555: 5335535 45 


Von Ponte Molle nach Aqua Traversa. 


Dieser Spaziergang ist den wenigsten Reisenden 
bekannt; und doch bietet er stimmungsvollen Gemütern 
reichen Genuß. 

Vom Ponte Molle aus zieht die Straße geradeaus. 
Man betritt die alte Via Cassia, die von einem un- 
bekannten Cassius erbaut wurde, und über Clusium 
(Chiusi) nach Florenz und Lucca führte. Im Vorder- 
grunde winkt der herrliche Baumschmuck eines Parks, 
zur Rechten erhebt sich ein schöner Eukalyptusbaum 
aus einem Cypressen- und Pinienhain. Ein Bettler 
naht sich, gebückt und krumm, theatralisch faltet er 
die Hände und führt dann unter wimmerndem Geheul 
die zum Löffel geballte Rechte hastig zum Munde. 
Auf der ersten Höhe links prunkt die Osteria alla 
Montagnola, die einen überraschend schönen Rück- 
blick auf Rom bietet. Die Vatikanburg mit der Peters- 
kuppel blinkt herüber, hoch auf den gleißenden 
Kasernenbauten der Engelsburgwiesen. Im schwär- 
zesten Schatten dräut der cypressenbediademte Monte 
Mario. In seinen bucklichten Flanken und Schluchten, 
die mit Bauernhäusern besäet sind, blitzen als Licht- 
flecke kleine smaragdgrüne Auen im ersten Frühlings- 
flaum. Weiter naht das Pinienbouquet, das dem Wan- 
derer, der die Flaminische Straße zieht, stets grüßend 
zunickt. Es ist leider in Stein gefaßt; denn es gehört 
zu der verschlossenen Villa Cabet. Schade, daß das 
Eisen in Rom so teuer ist, würde statt der rötlich 


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gleißenden Steinmauern ein Eisengitter den Park um- 
schließen, könnten auch wir uns an dessen Pracht 
ergötzen. Häßlich sind diese neidischen geizigen 
Mauern, doch, wenn die Sonne sie trifft, und sie so 
gelb rötliche Reflexe auf die Straße werfen, wirken sie 
freundlich, und der Wanderer glaubt in einer goldigen 
Luftschicht einherzuziehen. Rechts erinnert uns bald 


— SS TE = 


ein langgestrecktes bäuerisches Haus an die Inschriften- ` 


liebhaberei der Römer, rühmt doch eine pomphafte 
Marmortafel, daß Pius IX. sich einst herabließ, in 
diesem Hause einige Minuten zu rasten. Nach einer 
Wanderung von einer Viertelstunde etwa stürzt sich 
die Straße zwischen begrasten Dammwänden ins Un- 
bekannte. Rechts liegt eine vigna (Weingarten). 
Durchs offene Tor sieht man, wie er Frühjahrstoilette 
gemacht hat, und seine einzelnen Felder durch grün- 
goldig schimmerndes Rohrgestänge neu umgittert 


wurden. Links ragt jenseits der Straße eine hohe 
Pinie, deren Krone, die sich wollüstig in des Himmel _ 


Blau hineinwühlt, von der Sonne einen Heiligenschein 


erhält. Uber ihr trotzt auf grünem Hügel eine typische , 


römische tenuta (Landgut). Ein viereckiger alter 


~ 


Zinnenturm dient als Rückgrat des Baus, den zwei ' 


Riesenpinien als Ehrenposten und kleinere Cypressen 
als Dienergefolge umstehen. Diese Gruppe erinnert 
mich an die Zeichnungen des wanderlustigen Zürichers 
Ernst Schweizer. | 

Der Hohlweg nimmt uns auf. Bald weitet er 
sich. Hinter einer Wigwamosterie tauchen riesige 
Maulbeerbäume auf, deren gestutzte knorrige Kronen 
die gespenstischsten Fratzen schneiden. Ein Tal liegt 
vor uns; eine Brücke kommt, unter der sich zwei 
Bäche kreuzen. Daher der Name des Tals Aqua 


-n —— 


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Traversa. Einen runden Kessel stellt es dar, dessen 
Wände vielfarbig gebuckelte Graswände bilden. Am 
Eingange links winkt eine Osteria, in deren Schatten 
sich’s gut rastet; denn Stille und Frieden atmet das 
einsame Tal. Nach Osten ziehen sich blumenreiche 
Wiesen den Bächen entlang, von Erlen und jungen 
Buchen belebt. Die Landschaft gibt sich als ein 
Zwitterding zwischen Nord und Süd, wie man es in 
Roms Umgegend nicht zu finden hoffte. _ 

Wer von hier weiterziehen will, dürfte sich zu- 
erst enttäuscht finden. Es ist ja auch freilich besser, 
den Schönheiten der Via Cassia auf dem Umwege 
über die Via Trionfale (s. S. 63) nachzuspüren. Doch, 
wem dazu die Zeit mangelt, der scheue nicht die 
kleine Mühe, und steige die steilen Windungen der 
Straße hinauf bis zur Höhe. Das Panorama, das er 
dort namentlich bei Abendbeleuchtung genießt, kann 
sich mit manch andren in Roms Umgegend getrost 
messen. Ist der Blick auch nicht so umfassend wie 
der vom Monte Mario (s. S. 57), so kann er bei 
schönem Wetter doch derart hinreißen, daß dem Be- 
trachter die Worte fehlen, sein Entzücken zu schildern. 

Wer es liebt, auf der Heimkehr andre Pfade zu 
wandeln, als er gekommen, der schlage, an den Maul- 
beerbäumen und der Wigwamosterie angelangt, links 
die Via Cassia nuova ein, die ihn ohne jede Steigung 
in einer halben Stunde nach der Via Flaminia und 
zum Ponte Molle zurückführt. Der stille Weg bietet 
malerische Partieen und schöne Ausblicke, nament- 
lich auf Tivoli, das über einem Grashügel hervorlugt. 

Ist am Ponte Molle noch Zeit vorhanden, so wähle 
man da, wo die Steigung der alten Via Cassia be- 
ginnt, den Weg zur Linken, und schlendere ein Stück 


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Wegs in die Wiesen und Gärten der Farnesina hinein, 


um eine schöne Variation des Blicks auf Stadt und 
Peterskuppel zu genießen. 


Villa Madama. 


Nur Samstags von neun Uhr morgens bis 
Sonnenuntergang ist diese schöne Halbruine, die uns 
von den festlichen Tagen der Renaissance erzählt, 
dem Publikum zugänglich. Als gründliche Deutsche 
werden wir uns zunächst klar, was ihr Name bedeutet. 
Wer sich in Rom schon etwas umgeschaut hat, weiß, 
daß die römischen Großen des Mittelalters stets zwei 
Residenzen hatten, die Haupt- und Winterresidenz, 
den Palazzo, dem im Sommer die Villa entsprach. 
So kennt Rom auch außer einer Villa einen Palazzo 
Madama, der jetzt Sitz des Senats ist. Mit „Madama“ 
schlechthin bezeichnet die Geschichte ihrer Zeit Mar- 
garete von Parma, die Tochter Kaiser Karls V., und 
der schönen Flamländerin Johanna von Gheinst, die 
wir auch aus „Egmont“ kennen, da sie auch Statt- 
halterin der Niederlande war. In erster Ehe heiratete 
sie Alexander Medici, in zweiter Ottavio Farnese, den 
Herzog von Parma und Enkel jenes Paul Ill. (Alexan- 
der Farnese), der durch den Bannfluch gegen Hein- 
rich VIII. die englische Kirche von der römischen 
schied, und sich in Rom durch den Palazzo Farnese, 
den Sangallo schuf, ein herrliches Denkmal setzte. 
Aus dieser zweiten Ehe entsproß Margareta der be- 
rühmte Feldherr Alessandro Farnese, der mit seinem 


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Onkel, Don Juan d’Austria, der gleichfalls ein natür- 
liches Kind Karls V. war, bei Lepanto focht, und später 
die Niederlande an Spanien zurückbrachte. 

Als Margareta 1567 als Statthalterin der Nieder- 
lande von dem schrecklichen Alba abgelöst wurde, 
kehrte sie nach Italien zurück und wohnte in der nach 
ihr benannten Villa, die sie jedoch nicht erbaut hatte. 
Doch davon später. 

Den Weg zur Villa Madama findet man am 
sichersten, wenn man vom Petersplatze aus durch die 
Porta Angelica die Stadt verläßt und dann schnur- 
stracks weiterzieht. 

Doch vergnüglicher und unterhaltsamer ist’s, zur 
Frühlingszeit die Wanderung an dem Ponte Marghe- 
rita zu beginnen. Gradeaus geht es zunächst zur 
Piazza Cola di Rienzi, dann rechts in die Via Ezio 
(so genannt nach Aetius, dem Verteidiger des Abend- 
landes, der 451 n. Chr. bei Chalons Attila schlug), 
bis zur Kirche mit der Aluminiumkuppel, die noch so 
wenig von den Fremden aufgesucht wird, obschon sie 
weniger wegen ihres falschen Glanzes, als wegen ihrer 
Geschichte interessant ist. Sie ist die Kirche des 
Namenspatrons Leos XIII., des heil. Joachim. Sie sollte 
zum Andenken an eines der zahlreichen Jubiläen des 
Papstes aus den freiwilligen Beiträgen der Christen- 
heit erbaut werden, aber Leo mußte außer den 
500000 Frs., die andre aufgebracht, noch etwa zwei 
Millionen draufzahlen, um einen Skandal zu verhüten.*) 

Von der Kirche wenden wir uns durch die erste 
Seitengasse rechts, die Via Duilio (Duilius, der Admiral 
der ersten römischen Flotte, der 260 v. Chr. die Kar- 


*) Assessor Assemacher in Italien S. 509. 
Zacher, Was die Campagna erzählt. 4 


5093353535959 5 3 II HH HIFI FI 555555 II diji 


thager bei Mylae schlug) geradeaus zwischen den 
Kasernenbauten, bis wir die grüne Piazza d’armi, den 
Exerzierplatz sehen. Jenseits der immensen Rasen- 
fläche ragen die Berggipfel Etruriens, rechts die Häuser 
der Via Flaminia und die zu Schützenschwärmen aus- 


einandergezogene Kompagnie der monti Pariöli, links . 


Monte Mario. Villa Madama aber ist noch versteckt 
hinter einem Hügelbuckel. 

Was erzählt uns der weite Waffenplatz nicht alles, 
auf dem so mancher deutscher Kaiser sein Roß ge- 
tummelt, von Karl dem Großen angefangen bis zu 
Wilhelm II.! Hier mußten im Mittelalter alle deutschen 
Könige halten, welche nach Rom gekommen, um die 
Kaiserkrone zu heischen, und ihre Truppen auf diesem 
„neronischen Felde‘ lagern lassen, das so auch noch 
im Mittelalter so hieß, weil Nero dort, wo jetzt der 
Vatikan steht, einen Zirkus und die berühmten Gärten 
anlegen ließ, in denen er die nicht minder berühmten 
oder vielmehr berüchtigten Nachtfeste mit den „bren- 
nenden lebenden Fackeln‘ veranstaltete. 

Hörnergetön und Kommandorufe erschallen. In- 
dem wir links die Rückseite der stattlichen Kasernen 
hinaufziehen, sehen wir allerorts Häuflein von Rekru- 
ten, unter denen vornehmlich die werdenden Cara- 
binieri auffallen. Schöne, ausgesucht starke Burschen. 
Sauber angezogen. Um ihre steifen Bauernknochen 
geschmeidig zu machen, veranstalten die Offiziere 
Haschespiele. Die Rekruten reichen sich die Hände 
und bilden einen Kreis, zwei, ein Räuber und sein 
Verfolger bleiben draußen und jagen sich hinein in 
den Kreis, hinaus aus dem Kreis in toller Hast, und 
zum größten Vergnügen aller, da ihnen militärische 
Zucht auch spielend gelehrt wird. 


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Dort, wo die Kasernen enden, wenden wir uns 
rechts und ziehen der Längsseite des Waffenplatzes 
entlang mitten durch übende Scharen von Rekruten. 
Nach zehn Minuten ist die Barriere des Stadtzolls 
‘ erreicht, eine Brücke führt über den Festungsgraben, 
gleich darauf wird der turmartige altersbraune Haupt- 
bau der Villa sichtbar, und die mächtigen Bogen, die 
ihre Terrasse stützen. Zur Linken führt eine gras- 
bewachsene Straße zu ihr hinauf. Während des 
Steigens ergreift uns die Verlassenheit der Umgebung 
der Villa. Das schleichende Gift der Malaria hat 
sie verödet, und auch den Verfall der Villa selbst be- 
schleunigt. Sie ist unwohnlich geworden, weil die 
nicht beaufsichtigten Wässer des Monte Mario den 
Boden ringsum versumpften. Deshalb braucht der 
Tourist sich aber nicht gleich einen Heidenschrecken 
einjagen zu lassen. Die Malaria herrscht nur im Hoch- 
sommer, und ihre Erreger, die bösen Mücken (anofele), 
schwärmen erst nach Sonnenuntergang aus. 

Vor dem Betreten der Villa sei aber vor einem 
andren Schaden gewarnt. Reisende, die ihr Reisebuch 
schon in der Heimat zu lesen pflegen, machen sich 
oft im Vorgenuß eine zu hohe Vorstellung von den 
zu erwartenden Sehenswürdigkeiten, und finden sich 
dann an Ort und Stelle oftmals enttäuscht. . Besser 
ist es ja in vielen Fällen, das Reisebuch erst nachher 
zu lesen, wenn man die betreffende Sehenswürdigkeit 
schon selbst vorurteilslos genossen hat. Man lasse 
sich also durch den Namen Villa Madama nicht zu 
der Vorstellung verleiten, daß man ein wohlerhaltenes 
Landhaus betrete, nein, wir kommen, wie schon ge- 
sagt, nur in eine Halbruine, deren Reiz in erster Linie 
nur Architekten und Maler, und dann phantasiebegabte 

4* 


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Leute verführt, die Sinn für das Malerische, mit Vor- 
liebe fiir Geschichte und Kunst, verbinden. Sicherlich 
gewinnt sie aber jeden, der landschaftliche Schön- 
heit zu würdigen weiß. Vielleicht wäre die Villa 
trotz der Malaria zu retten gewesen, wenn die Sere- 
nissimi des 17. und 18. Jahrhunderts den Spruch: 
„Noblesse oblige“ mit demselben Eifer verfolgt hätten, 
wie ihre Vorfahren der Renaissancezeit. Besonders 
sündigten die Bourbonen von Neapel, die 1731 durch 
Erbschaft in den Besitz der Villa kamen. Die jetzige 
Verwaltung dieser Familie hat versucht, was zu retten 
war, aber leider war es nur noch wenig. 

Endlich oben! Man ist betroffen und bekiimmert 
zugleich. Links schiebt sich ein begraster Hügel als 
buckliger Wall vor, im Vordergrunde grüßen zwei 
verwitterte Hallenflügel, bei deren Anblick die Er- 


— = —_———— = 
en 


innerung an die Bettler auftaucht, die bei italienischen ' 


Kirchenfesten dem angewiderten Beschauer die nackten 
Armstümpfe entgegenstrecken. Bräunlich rosagrau 
sind die zerfallenden Nischen dieser Empfangshalle, 
die wohl ähnlichen Zweck haben sollte, wie die Colon- 
naden Berninis an der Peterskirche. Wehmut über- 
schleicht den Betrachter bei dem Gedanken, daß 
Raffaels letztes Bauwerk, das „als sein Meisterwerk 
in der Baukunst“ gilt, derartig verfallen konnte. Frei- 
lich wurde es auch bei der Plünderung Roms im 
Jahre 1527 (s. S. 36) hart mitgenommen. Papst 
Clemens VII. hatte als Kardinal Giulio di Medici den 
Bau der Villa begonnen, die nach ihm „Vigna dei 
Medici“ hieß. Als dieser Papst von den Kaiserlichen 
in der Engelsburg belagert wurde, ließ sein Feind 
Kardinal Pompeo Colonna, der Führer der Partei 
Karls V., die Villa durch seine Horden brandschatzen. 


SFFFIFFFFFFFFFFIFFFFFFSFFFFIFIFFIFFFSS 53 
Und dieser selbe rohe und kriegerische Kardinal war 
doch zugleich ein Dichter, der in sanften Versen, den 
sogenannten ,,De laudibus mulierum“, seine edle Ver- 
wandte Vittoria Colonna, Michel Angelos Freundin, 
besang. 

GroBen Schaden verursachte Pompeos Rachedurst, 
dem das Theater, die Rennbahn und ein Teil der 
herrlichen Sale zum Opfer fielen. 

Zuerst betritt man das leere Vestibül, wo die 
Schritte hallendes Echo wecken. Der Verwalter er- 
scheint und führt uns in die jetzt zugebaute Loggia, 
die hohe Tonnengewölbe zieren. Die Stuccatur und 
die Freskenreste lassen noch die alte Pracht erkennen. 
Während der Besichtigung beschwert sich der gute 
Hüter des Hauses über G’sell Fels, er habe diesem 
zu einer kunsthistorischen Entdeckung verholfen, und 
doch habe der böse Schriftsteller vergessen, ihn des- 
halb zu nennen. Dabei zeigt er links vom Eingang an 
den Kuppelpfeiler, wo er den Namen des Malers der 
Fresken gefunden habe: Giovanni d’ Udine mit der 
Jahreszahl 1523. 

Nun ziehen die Puttenspiele in der Kuppel den 
Blick auf sich, dann am Ende der Loggia die an die 
Berglehne gestützte Wand, welche an den Brunnen 
der Egeria (s. S. 168) erinnert. An der gegenüber- 
liegenden Wand drängt sich der leider stark ver- 
stümmelte Polyphem auf, den Raffaels Schüler Giulio 
Romano gemalt, als er nach dem Tode des Meisters 
den Bau der Villa fortsetzte, der von Sangallo, dem oben- 
genannten Erbauer des Palazzo Farnese, beendet wurde. 

Jetzt schreiten wir in der Richtung des Vestibüls 
in den Hof. Er ist verwahrlost, aber malerisch, und 
weckt die Erinnerung an Dornröschens Schloßhof 


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Gras allüberall und Moos. Links starrt die begraste 
Bergwand. Die bemooste Fontäne murmelt wie im 
traumhaften Selbstgesprach. Geradeaus trotzen zwei 
verstümmelte Steinriesen. Nun treten wir zur Mauer, 
die den Hof vom Tal abschließt. Sie wirkt wie der 
braune Rahmen eines Riesenbildes; und da wir im 
Schatten stehen, wirkt auch von hier die Campagna, 
als sei sie gemalt. Es ist, als ob man von einem 
dunklen Raum aus ein künstlich beleuchtetes Pano- 
ramabild schauten. In ihrer ganzen Herrlichkeit liegt 
die Landschaft da. Auf dem grünen Rasenbette hinter 
Ponte Molle gleißt die goldrote Reitschule als be- 
herrschender Lichtfleck. .. . 

Doch zurück ins Haus. Unter dem Polyphem 
her tritt man in zwei leere Seitengemächer mit ein- 
facher Holzdecke, die als Schmuck nur Freskenfriese 
zeigen. Dann folgt der gleichfalls leere „Salone‘“, 
der wegen seiner Malereien an die Loggien Raffaels 
im Vatikan, aber auch an die Papstgemächer in der 
Engelsburg erinnert. Manch gläubiges Gemüt wird 
wohl hier baß darüber erstaunen, daß der geistliche 
Bauherr der Villa solch heidnischen Wandschmuck 
bestellen konnte. Zuerst fällt der fast ein Meter hohe 
Puttenfries auf blauem Grunde auf, dann Apollo und 
Luna an der Decke, und der zoologische Garten an 
den Wänden: Widder, die zum Altar geschleppt 
werden, Tiger, Löwen, Straußvögel u. s. w. Eine Tür 
führt zur Terrasse, von der aus das Campagnabild 
wieder einen andren Eindruck macht, da wir jetzt 
lichtumflossen im Hellen stehen. Man hat den Blick 
auf den Tiber, auf Ponte Molle, Tivoli... . Herrlich 
ist auch der Blick auf die Stadt. Kaum vermag man 
sich loszureiBen. — 


SSSISSIFSISIITHTTITT TFT FF SF FF FF FF TFT 55 

Wie wir den alten Palast verlassen, finden wir 
den Vorplatz nicht mehr einsam. Andre Besucher 
haben sich eingefunden, darunter auch anglosächsische 
Damen, die Aquarellstudien machen. Im Hintergrunde 
aber leuchtet über Rom der goldschimmernde Quirinal. 

Anstatt auf dem gleichen Wege zurückzukehren, 
lassen wir uns vom Verwalter einen andren zeigen, 
der schnurstracks zum Tiber hinunterführt. Wir kom- 
men zunächst zu dem Unterbau der Terrasse mit 
seinen Riesenbogen vorüber, die zu Ställen umge- 
wandelt sind. Wo einst stolze Krieger und bunt- 
farbig gewandete Diener weilten, blöken jetzt Rinder. 
Durch prächtige Wein- und Obstgärten, die freund- 
liche Colonenhäuser umkränzen, und in denen es duftet, 
blüht, sproßt und keimt, gelangt man zu der traulichen 
Ulmenallee, die vom Paradefeld an dem Tiber vorbei 
zum Ponte Molle führt. Zwei Osterien locken. Die 
stadtwärts liegende heißt zur „Sora Natalina‘‘ (Ge- 
vatterin Nathalinchen). Die Hausinschrift besagt: 
„Hier wohnt Natalina. Mit auserlesenen Weinen und 
bester Küche. Eier vom Tage.‘ Stattlicher ist die 
zweite Schenke, die der Gevatterin Rosa eignet und 
„Zur Ulme“ heißt. Sie hat einen schönen, mit Li- 
gustern und Eukalyptusbäumen bestandenen Garten- 
hof, dessen Wände lauschige Lauben aus gegitter- 
tem Rohr (canna) bilden. Und sauber und rein ist 
es hier. Die Ulmenwirtin hat offenbar eine kleine 
Ahnung von dem, was sich für Fremde schickt. Ent- 
sprechend ihrem Namen, sind auch die verschiedenen 
Holzbaracken, aus denen sich ihre Wirtschaft zu- 
sammensetzt, rosafarben getüncht, was schön zu all 
dem Grün ringsum paßt. Auch sonst kommt Sora 
Rosa den Kunden zart entgegen, begrüßt sie doc} 





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alle auf einer am Zaun ragenden Tafel mit einem 
Gedicht im echtesten römischen Dialekte, das also 
lautet: . 

„Antifona. 


Tu che trapassi avanti a ’sto locale, 

Ralenta il passo e legge ’sto cantino, 

Voi fatte ’na magnata meno male 

Voi bevé er vino vero di Marino, 

De Culinaria, proprio soprafino. 

C’é pure er pesce nde la funtanella, 

Che sta aspettanno per annar in padella. 
La sora Rosa.‘‘*) 


Wie feierlich! Klingt es nicht fast wie: „Wanderer, 
kommst du nach Sparta, verkündige dorten?“... 

Der Einladung kann man nicht widerstehen. Und 
so bleibt man, bis der Abend herandämmert, und 
kehrt dann über Ponte Molle, wo die Pferdebahn 
harrt, zur Stadt zurück. Oft aber wird der Wanderer 
seinen Schritt hemmen und auf die Peterskuppel 
blicken, welche die scheidende Sonne auf Goldhinter- 
grund gemalt hat. Des Tibers gelbe Wellen aber 
singen das Abendlied. Des Abends Schatten um- 
düstern die Hängen und Halden des Monte Mario, 
die mit dem Silberglanz des Stroms verglichen, noch 
dunkler erscheinen. 


*) „Du, der du an diesem Lokal vorüberziehst, 
Verlangsame deinen Schritt und lese dieses Lied, 
Du nimmst ein Essen zu dir, wie sonst du es nicht siehst. 
Und trinkst dazu den Wein, der in Marino blüht, 
Und den zu trinken, du nimmer wohl wirst müd. 
Es harrt auch dein der Fisch im frischen Brunnen drein, 
Weil gar zu gern er springen möcht in die Pfann hinein“. 





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Monte Mario. 


Der Besuch dieses Hügels, der den Norden der 
Stadt beherrscht, erfordert zunächst den Gang zum 
Festungskommando (Commando del genio) in Via 
Quirinale schräg gegenüber dem Palazzo Rospigliosi. 
Ein Wappenschild mit Aufschrift läßt das Haus nicht 
verfehlen. Man steigt zum zweiten Stock hinauf, und 
sagt, indem man seine Visitenkarte abgibt, dem Diener 
(usciere), man wünsche einen permesso per il Monte 
Mario. Er wird gratis gegeben. 

Diese Formalität ist nötig, weil Rom befestigt 
ist, und der Berg des Marius zum Festungsbereiche 
gehört. — 

Wer es liebt, auch landschaftliche Genüsse in 
stufenmäßiger Steigerung zu genießen, wähle nicht 
den direkten Weg zum Monte Mario oder Clivus 
Cinnae, wie er im Altertum hieß, sondern beschleiche 
ihn von hinten. Deshalb beginne die Wanderung 
mit dem Ponte Molle. Während der Fahrt zu dieser 
„trefflichen Bruck“ suchen wir uns klar zu werden, 
was unser Ausflugsziel als Berg an sich und in seinem 
Verhältnis zur ewigen Stadt bedeutet. Für den Geo- 
logen ist der überall sichtbare Berg der „steilste Ufer- 
rand des römischen Tibertals‘‘ und eine Fundgrube 
von Fossilien, die von seiner vorgeschichtlichen Jugend 
zeugen, da er noch Meeresgrund war. Der Historiker 
sagt sich hingegen, daß sein Name nichts mit Sullas 
Gegner Marius zu tun hat, sondern von Fürst Mario 
Mellini herrührt, der unter Sixtus IV. (Rovere) die 
gleichnamige Villa auf seiner Kuppe erbaute. Im Mittel- 
alter hatte der Berg ja einen andren Namen. Die 


58 IIIIIFIFFFIF FH FF IF TFTH FH THF FH FF FF FH TFT HH 


Deutschen nannten ihn Mons Gaudii (Freudenberg), 
weil zu den Zeiten, wenn der Ponte Molle wieder 
einmal aus strategischen Gründen abgebrochen war, 
der Weg nach Rom über den Monte Mario führte, 
und von ihm aus also die Pilger zum ersten Male das 
christliche Mekka erblickten. Die Römer aber tauften 
ihn nach dem 28. April 998 den Monte Malo, den 
schlimmen Berg, weil an diesem Tage Kaiser Otto Ill. 
den in der Engelsburg gefangenen „Herrn“ von Rom 
Crescentius enthaupten und seine Leiche auf dem 
Berge aufhängen ließ, zur Strafe dafür, daß er die 
Treue gebrochen, und dem kaiserlichen Papste Gre- 
gor V. Johann XVI. als Gegenpapst eingesetzt hatte. 
Auch Dante bezeichnet den Berg noch als Monte Malo 
im fünfzehnten Gesang des ,,Paradieses“, wo er ihn 
mit dem zwischen Bologna und Florenz liegenden 
Berge Uccellatoio und die Aussicht, die man von dort 
auf Florenz hat, mit seiner Aussicht auf Rom ver- 
gleicht und letztere schöner findet: 


„Besiegt war Monte Malo noch von Euerem 
Uccellatoio nicht... .“ — 


Genug des historischen Kleinkrams! Wir sind 
am Ponte Molle. Ende März. Die Frühlingsregen 
der letzten Tage haben ausgetobt, nur der Tiber zeugt 
noch von ihnen; denn sein Wasser gleicht brodelnder 
Schokolade. Dem Deutschen wecken die von weißen 
Gischt umrandeten Strudel und Wirbel die Erinnerung 
an Bürgers „Lied vom braven Manne“. Fast schwin- 
delt einem beim Anblick der tobenden Wellen. Keines- 
falls gelüstet es uns, hier dem Schillerschen Taucher 
nachzuahmen, zumal wir die geheimen Tücken der 


—— 


— 


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Tiberwirbel kennen, die schon bei niedrigem Wasser- 
stande dem Schwimmer gefahrlich sind. 

Der kithle Nordwind treibt weiter, der jenseits 
der Berge her kommt, weshalb ihn die Römer auch 
„tramontana“ nennen. Er hat die Luft staubfrei ge- 
putzt, und läßt daher die satten Farben der Sabiner- 
berge tiefer leuchten. Im veilchenblauen Sammetkleide 
prangen sie heute, das oben mit dem Hermelinmantel 
besetzt ist, der ihre nackten Schultern gegen den Nord- 
hauch schützt. Was die letzten Tage in Rom Sint- 
flut, das war im Sabinerland der Frau Holle Flocken- 
tanz. Die Frühlingspracht ringsum läßt die Vermutung 
aufkommen, daß die Campagna heute ihren „Firnis- 
tag“ abhält. 

Die Wanderung geht über die Via Cassia (s. S. 94). 
Rechts rauschen Pinien und Eukalyptus. Doppelten 
Eindruck macht dieses Brausen und Sausen, weil dieser 
Teil der Campagna sich sonst großer Stille erfreut. 
Der in Rom ansässige Fremdling grüßt den heilenden 
Hauch aus dem Norden mit heller Freude, ist er doch 
stets nur ein halbtoter Mann, wenn des Sciroccos, des 
Saharawinds schwüler grauer Brodem wie eine Blei- 
kappe auf der ewigen Stadt lastet. Die Glücklichen, 
die erst kurze Zeit von der Heimat trennt, spüren 
diesen elendbringenden Druck noch nicht, weil sie 
noch „nordischen Kraftüberschuß‘ besitzen. 

- Dort, wo nach viertelstündiger Wanderung der 
Weg sich nach Aqua traversa senkt (s. S. 46), und 
die einsame Pinie ihren Schopf in den blauen Himmel 
hineinbohrt, führt der Weg links ab. Rechts ragt ein 
Gartentor, das die Inschrift trägt: ,,Colle al bivio““ 
(Hügel am Kreuzweg). Auf der Hälfte der ersten 
Neigung genießt man einen schönen Ausblick. Bei 


60 
der klaren Luft liegt Tivoli, das wir umblickend 
schauen, zum Greifen nahe. Einem Perlendiadem auf 
blauer Sammetunterlage gleicht es. Die ganze Land- 
schaft prangt in Farben, die ein Unerfahrener für un- 
möglich zu erklären versucht ist. Der Reflex der 
strahlenden Sabinerberge auf die Campagna zu ihren 
Füßen läßt diese als einen grünen Bergsee erscheinen. 
Links prangt der starre, schroffe Monte Gennaro, wie 
aus Stahl geschmiedet, vor ihm leuchten die Berg- 
städtchen Montecelli und Sant Angelo auf ihren Kegel- 
bergen, weiter links schimmert ein schneebedeckter 
Höhenzug. Rechts von diesem fernen Bilde im Vorder- 
grunde prangen zwei Riesenpinien, links äugt, wie 
ein Knabe, der eine Mauer erklommen hat, der Monte 
Sorakte in das Aqua Traversatal hinein. Heute könnte 
ihn Horaz nicht als den schneebedeckten grüßen, an 
ihm scheint der Regensturm der letzten Tage spurlos 
vorübergegangen zu sein. — 

Wie das junge Gras um uns herum tanzt, wie 
die jungen Buchen sich vor Freude schütteln, weil 
der Kapellmeister der Natur hoch oben in den Lüften 
seine Pastoralsymphonie auffihrt. Die Pinien aber 
bleiben ruhiger, ernster. Ihr Nadelpelz wogt, wie 
die Wellen eines stillen Sees bei zarter Brise. — — 

Das Gartentor, No. 28, zeigt uns Lorbeerbäume 
und riesige Kakteen. Das nächste Tor rechts läßt 
uns enorme Agaven und einen unter Lorbeerbäumen 
einsam aufragenden Eukalyptus bewundern. Halt! Wir 
blicken auf Rom und sind überrascht ob des Scenerie- 
wechsels; denn jetzt tauchen die Albanerberge auf, 
und darunter die weißgoldig schimmernden Paläste 
des Ludovisiviertels. Das tiefer liegende Altrom ist 
durch die Coulissen der monti Pariöli verdeckt, nur 


FFFFFSFSFFSFFSFFFFIFFFFIFFIIFIIFFIFS99 61 


der sogenannte Turm des Nero und der Uhrturm des 
Quirinalschlosses ragen hervor. Ganz rechts erhebt 
sich der Janiculus, und zwischen ihm und den Albaner- 
bergen öffnet sich ein dreieckiger Ausschnitt, der uns 
die südwestliche Campagna als ein violettes Meer 
zeigt. In der Nähe vor uns flimmert es aber wie ein 
Gestöber aus Rosenschnee: Pfirsich- und Mandelbaum- 
blüten sind’s. Drei Winzerhäuser beleben das Bild, 
und eines davon trutzt wie eine kleine Trecentoburg. 
Weiter! Podere (Landgut), Borgetto, No. 21, neuer 
Sceneriewechsel. Im Vordergrunde gähnt eine halb- 
kreisförmige Mulde, die zur Linken mit der Treppen- 
linie des Albanergebirges und rechts durch die weißen 
Flecke des Ludovisiquartiers abschließt. Hoch oben 
rechts prunkt eine Miniaturausgabe des Egeriahains. 
Unter ihr läuft eine schöngekämmte und gescheitelte 
Wiesenhalde, von Hunderten kleiner schwarzer Gräben 
durchzogen — ein grünes Linienblatt. Blickt man 
weiter nach links, so bemerkt man im Sattel zwischen 
den Albaner- und Sabinerbergen eine wagerechte, 
blaue, duftige Linie. Die blaue Campagna ver- 
schwimmt, aufgelöst im Azur der Luft, es ist, als 
ob sie die Sehnsucht nach dem wecke, was hinter 
dieser geheimnisvollen lichten Grenze winkt, die das 
Einfallstor zu den glücklichen Gefilden Campaniens 
darstellt. — 
Lautenschläger könnte mit seiner Drehbühne keine 
schnelleren Wechseleffekte erzielen, als wir hier er- 
leben; denn gegenüber dem Tor, No. 12, kommt wieder 
ein andres Bild. Der trunkene Blick taucht in einen 
grünen Taltrichter, den krauses Laub ähnlich schmückt, 
wie das Wollhaar den Kopf eines Negers. Vorne 
schimmern die Rohrstangen der Weingärten, die eben- 


62 FSFFFIFSSFFSFFFFFSFFFFFFFFFFFFFFFFS 


so gekreuzt sind, wie die Gewehrpyramiden im Lager. 
Und darüber erscheint jetzt der Sorakte als halbe blaue 
Kreissäge, ähnlich wie der Felsen der Republik San 
Marino von Rimini aus sich darbietet. 

Weiter! Vor uns hoch oben wird plötzlich ein 
Kirchlein sichtbar, bei dessen Anblick ein deutscher 
Männersänger sicherlich das hohe Lied anstimmen 
wird: „Ein Kirchlein steht im blauen, im blauen Him- 
melszelt‘‘ — so durch und durch deutsch sieht es aus. 
Die Kirche des Dorfes S. Onofrio ist’s, des einzigen 
Dorfes, das die nächste Umgebung Roms kennt. Links 
öffnet sich bald eine neue Mulde, die mit drei kleinen 
Hügeln ausgefüllt ist, deren frisches Rasenkleid die 
Tinten des fernen Albanerberges dunkler erscheinen 
läßt. Die Stadt Rom ist in der Versenkung ver- 
schwunden, nur der minaretgleiche Turm des neuen 
Policlinicums blitzt uns entgegen. — Nun ist die Höhe 
erreicht. Im Halbkreis aufsteigend, sind wir auf dem 
Rücken des Monte Mario angekommen. Der Weg 
biegt scharf links ab, und zieht durch Hecken, die Obst- 
gärten einschließen, so daß die Ausblicke seltener 
werden. Nur ab und zu sieht man links die Spitze 
des Monte Gennaro, und rechts die Campagnaebene, 
die in sehnsuchtweckender Ferne zum Meer hinüber- 
schlummert, wo sich ihr blauer Duft mit dem des 
Himmels vermählt. l 

Nach zehn Minuten lugt rechts ein altes verwitter- 
tes Kirchlein aus dem Grün. Es ist rotgelb getüncht, 
und die Aufschrift M. B. C. kündet uns, daß es der 
Madonna del Bon Consiglio (vom guten Rat) gewidmet 
ist. Die Stufen vor der Türe laden zur Rast. Wie 
man vor sich hinausschaut, möchte man überrascht 
sein Entzücken ausjauchzen; denn man ist in der 


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Achse des Tibers, der Blick trifft den Ponte Molle 
mitten in die breite Brust, über ihm schimmern die 
Schneeberge, und gleißt das Geschmeide von Tivoli. 
Die grüne Nachbarschaft wirft ihre Reflexe auf den 
Strom. Wer dies köstliche Panorama mit größerem 
Behagen genießen will, ziehe einige Schritte weiter 
links zur primitiven Bauernwirtschaft ,,Antica osteria 
di Nino“, wo er freundliche Leute, guten Wein und 
auch frugale Atzung findet. | 

Weiter! Nach kurzer Wanderung mündet unser 
Weg in die Chaussee, die Via Trionfale, die sich 
hier senkt. Links erscheint die Cypressenpracht der 
Villa Stuart, die an einen der letzten aus dieser un- 
glücklichen Königsfamilie erinnert, an Kardinal Hein- 
rich Benedikt, der 1807 in Frascati starb und sein 
von Canova geschmücktes Grab in der Peterskirche 
fand. — 

Am Hause No. 60 links. Halt! Neue Über- 
raschung! Rechts vor uns prunkt die hochragende 
Fassade der Kirche Maria del Rosario (Maria vom 
Rosenkranz), links taucht die rötliche Trommel und 
die blaue Kuppel der Peterskirche riesengroß vor uns 
auf. Deren goldene Laterne erinnert an die Krönlein, 
die auf den Bildern zu Grimms Märchen die Königinnen 
tragen. 

Jetzt treten wir links in das Gittertor des Forts 
Monte Mario ein, geben den Permeß ab und steigen 
bergan. Bald nimmt uns der Schatten einer dunklen 
Steineichenallee auf, in deren Lücken Pinien erscheinen, 
deren Krone sich baldachingleich spannt. Dazwischen 
steht bescheiden die sinnige Melancholie düsterer Cy- 
pressen, deren Trauerkleid den tiefblauen Himmel nur 
noch lachender erscheinen läßt. Hier kann sich auch 


45 
der Zweifler, dem die Farbenglut auf den Bildern 
Boecklins, oder den Campagnalandschaften eines Fili- 
berto Petiti, eines Enrique Serra oder Max Roeder 
bisher unglaublich schien, selbst davon überzeugen, 
was Wahrheit und Dichtung ist. 

Auf der Kuppe vor dem rotgelb schimmernden 
Schlosse der Villa Mellini versinkt der Wanderer in 
andächtiges Schweigen; denn wer vermöchte die Pracht 
zu schildern, in welcher hier die Peterskuppel und 
Roms Farbenmeer uns entgegentritt. Diese Aussicht 
ist einzig, unvergeßBlich. Auch wer Rom schon zu 
kennen glaubt, muß staunen; denn von hier aus sieht 
er die ewige Stadt zum ersten Male ohne abschließen- 
den Hintergrund. Diese Leere hinter ihr, dieses lichte 
Geheimnis paßt zum Charakter der feierlichen, einzigen, 
ewigen Roma. 

Doch wir müssen weiter, ehe die Sonne ihre 
Purpurfackel im Meere auslöscht, und unser Genuß 
wäre nicht vollständig, wenn wir nicht zur Rampe 
und zum höchsten Absatze der Freitreppe der Rosen- 
kranzkirche stiegen. 

Die breite Rampe ist von grünem, wolligem, mit 
MaBliebchen durchwirktem Teppich bedeckt, in den 
sich der Fuß wollüstig eingräbt. Die schimmernden 
braunen Mauern rechts scheinen zu träumen. — Ein- 
samkeitschauer, Frieden, Dornröschenstimmung rings- 
um! Die Natur liegt mit den Kunstbauten im Kriege, 
überall beißt und nagt sie am Gemäuer. Auch die 
Kirche liegt im Zauberschlaf. Eine riesige Inschriften- 
tafel blinzelt wehmütig aus halb erloschenen Augen 
und flüstert vor sich hin: — „Es war einmal.“ Wie 
wir weitersteigen, ist’s, als ob auch die Peterskuppel 
für immer versanke. An Chidher, den ewig jungen, 


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denke ich, und an Macaulay, der im Geiste schon den 
einsamen Wanderer über die Stätte schreiten sah, 
wo einst London gestanden. Wird auch die Peters- 
kuppel einst zur Ruine werden, wird ein neuer Homer 
vielleicht singen: „Einst wird kommen der Tag, wo 
die heilige Roma hinsinkt, und der Pontifex auch, und 
das Volk der trotzigen Römer?“ 

Doch oben fällt der Bann des Zweifels. Noch 
ragt stolz und gebietend Michel Angelos Dom. Bei 
seinem Anblick ergreift uns um so mehr die Stille 
des Todes, in der die Rosenkranzkirche und das zu 
ihr gehörende Kloster gefangen liegt, das einst Liszt 
als Abbate bewohnt. 

Nun sucht man die Engelsburgwiesen, die Prati 
del Castello. Auch sie sind nicht mehr. Wo früher 
Lauben und Weingärten zu Hunderten standen, wächst 
Neurom, dem die Klerikalen so oft den Untergang 
vorhergesagt, erobernd heran. Neben den Klöstern 
der Soldaten und Mönche erhebt sich die Pracht der 
stattlichen Villen. | 

Der Blick schweift in die Ferne, wo, wie Gerok 
sagt: „nieden die Flur, droben der blaue Azur glänzet 
im Frühlingsgeschmeide‘ auf das Sabinergebirge. Die 
Sonne hat schon stärkeres, tiefes Rot von ihrer Palette 
genommen, schminkt jetzt die Villa Mellini, und wirft 
auch rötlichen Schein auf Roms Häusermeer. Zur 
Abwechslung setzt sie auch Goldlichter auf, und so 
glänzt stellenweise die Landschaft, wie ein Christ- 
baum, der mit Goldstaub gepudert. Erstaunt haftet 
dann das Auge am Albanergebirge. So haben wir 
es noch nie erschaut. Wie ein Felseneiland erhebt 
es sich, groß, starr, einsam aus der grünblauen Cam- 
pagnasteppe, über welche jetzt ab und zu violette 

Zacher, Was die Campagna erzählt, 5 


66 3355353533 II II I IF FF FT FH HIT II FH II FF 35 


Schatten huschen. Es gleicht dem Circegebirge in 
den pontinischen Sümpfen. Wie leer erscheint die 
Lücke zwischen Albaner- und Sabinergebirge, wie leer 
die größere dort, wo sich die letzten Ausläufer des 
ersteren in die pontinische Ebene hineinwühlen. Das 
Gefühl der Neugier und Sehnsucht nach dem fernen 
Süden überschleicht uns. Manchem Wanderer wird 
wohl hier auch die Frage nach dem Unbekannten 
auftauchen, was jenseits der Grenzen seines Lebens- 
horizontes liegt. Darin beruht ja der Sehnsuchts- 
zauber, den die UnermefBlichkeit der nassen und der 
trockenen Meere erzeugt, mögen letztere nun Wüste, 
Steppe, Heide oder römische Campagna heißen. Was 
mag wohl der letzte Hohenstaufe Konradin empfunden 
haben, als er im Jahre 1268 im Julimond auf dem 
Monte Mario stand, und nach Süden schauend, von 
der Wiederaufrichtung seines italischen Reiches träumte. 
Ob ihn wohl eine Ahnung überschlich, daß dort an 
der pontinischen Küste der Verrat auf ihn lauere? — 

Immer feurigere Purpurstrahlen sendet die Sonne. 
Gelb, rot, feurigbraun, rotgold flammt Roms riesiges 
Häusermeer. 

Wir brechen auf und ziehen den Berg: hinunter, 
bis wir zu den verlassenen Osterien-Chalets kommen, 
die einst so reiches Leben gesehen. Der moderne 
Verkehr hat diese Gegend getötet. Seitdem die elek- 
trischen Wagen die Römer von Rom bequemer nach 
Sant Agnese und S. Paolo fuori le Mura bringen, 
ziehen sie nicht mehr, wie einst, in hellen Scharen 
zum Fuße des Marioberges. 

Im Elendviertel der Baukrachruinen staunen wir; 
denn auch die halbfertigen Paläste werden zu neuem 
Leben erweckt, der Ruhm der nahen Villenkolonie ließ 


— a Ne I Nr tego 
Nur re er ET ea) ee ee rere ee 


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ihre Herren nicht schlafen. Eine neue Zeit scheint 
angebrochen. Freilich ist dieser Teil Neuroms noch 
immer kein Westend. Noch tummelt sich viel schmutzi- 
ges Volk in den zu Märkten gewandelten Straßen 
und in den greulich verwahrlosten Kneipen, noch läuft 
uns viel zerlumptes Jungvolk zwischen den Beinen 
herum. Und doch, wer einen Augenblick stehen bleibt, 
und diese schmutzigen Kinder bei ihren Spielen be- 
obachtet, ist überrascht, wenn er die Intelligenz be- 
merkt, die aus ihren Kohlenaugen hervorleuchtet. — 





Viale Paridli. 
(Von Porta Pia nach Porta del Popolo.) 


Dieser schöne Spaziergang ist den Durchreisenden 
fast unbekannt. o 

Ausgangspunkt: Porta Pia. Zehn Minuten vor 
dem Tor, wo hinter einem Garten mit schönen Pinien 
sich die überraschend schöne Aussicht auf die Albaner- 
berge öffnet, und im Vordergrunde der Minaretschorn- 
stein des Policlinicums sichtbar wird, der zum Wahr- 
zeichen des östlichen Roms geworden ist, beginni 
links gegenüber der Viale della Regina eine Pla- 
tanenallee, die den Anfang der projektierten großen 
Ringstraße bildet. Man schlendert nur langsam, wird 
uns doch hier Gelegenheit geboten, Roms krasseste 
Gegensätze zu studieren. Das Viertel, das man be- 
tritt, war als Prachtquartier gedacht und wurde Elends- 
viertel. Zunächst kommt man auf einen Platz, dessen 
Wände großartige Mietspaläste verunzieren; weil sie 

5* 


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verwahrlost wurden. Trotzdem scheinen sie nicht häß- 
lich, weil die römische Frühlingssonne auch sie ver- 
schönt. Die römische Sonne mildert aber auch das 
lebende Elend, da das Volk auf der Straße, die warm 
und lichterfüllt ist, lebt, wohnt, arbeitet, ruht, scherzt 
und plaudert, oder sich wohlig im Sonnenschein badet 
und sich in werktätiger Sorge für die Nachbarschaft 
vergnügt; denn in Rom gibt es noch Nachbarnfreund- 
lichkeit.*) Zum Teil bildet es auch nur Publikum 
und ergötzt sich an dem stets wechselnden Schauspiel 
der Straße. Nur die Schusterphilosophen sind blind 
für das Treiben der andern; denn ihre emsige Arbeit 
erlaubt keine Zerstreutheit. Diese ihre fleiBige Seß- 
haftigkeit wird wohl der Grund sein, weshalb in 
Rom des Crispinus Söhne auch so gern zum hohen 
Portiersamte erkürt werden. Die Wände ringsum 
zeigen malerische Wäscheausstellungen. Hier scheinen 
die Spitzhüte (pizzi cardoni, Name für die römischen 
Stadtpolizisten) nicht so protokolleifrig zu sein, wie 
im Innern der Stadt, wo sie sofort einschreiten, wenn 
auch jemand nur ein Taschentuch vors Fenster hängt. 
Und doch! Wo sollen die armen römischen Haus- 
frauen mit ihrer Wäsche hin, da die ewige Stadt keine 
Speicher und Bleichen kennt? Wie das Volk aber 
die Wäsche vor dem Hängen behandelt, sehen wir 
auch; denn neben dem Schuster steht eine ärmlich 
gekleidete Frau vor einem Bottich und klopft auf einem 
Brette ihre Lumpen mit steinbeschwerter Hand. Neben 
ihr aber sieht man eine Freilichtküche. Lautes Rufen 
lenkt ab, ein Mann trottet heran, der einen ganzen 
Laden von Haushaltartikeln, malerisch geordnet, trägt, 
Stubenbesen, Flederwische, Spinngewebefänger mit 


*) Römische Augenblicksbilder S. 101. 


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riesigen Rohrstangen, vor allem aber den Herdfächer 
aus Truthahnfedern (sventola), der das Holzkohlen- 
feuer zu größerem Eifer anspornt. 

Im Weiterschreiten erblickt man wieder. Baukrach- 
ruinen, aus deren öden Fenstern das Grauen .grinst. 
Rechts öffnet sich ein Blick auf die Campagna. : Selt- 
sam! Wie eine landschaftliche Rumpelkammer er- 
scheint sie hier. Weiße arabische Würfelhäuser, rot- 
gelbe Landhäuser, rosarote Osterien, Rohrhütten, kleine 
Gebüsche und grüne Wiesenflecken sind durch- und 
aufeinander geschachtelt, und darüber ragt der spitz- 
haubige Monte Gennaro, der in all diesem Misch- 
masch kleiner, als sonst, erscheint. Aber IA ETISCH 
ist dieser tolle Farbenrummel. 

Rechts erscheint wieder ein Baukrachdokument; 
dieses Palazzobruchstück ist dreifarbig, der Unterbau 
— der Gesamtbau gleicht einem Palazzo in Unter- 
hosen — ist ziegelrot, die Weste blauweiB beworfen, 
das Oberkleid gelbgrau. Schaut man eine alte. Hexe 
mit zahnlosem . Munde, erhält man einen ähnlichen 
Eindruck. Und doch regt sich Leben in dieser Ruine, 
drei Fenster im ersten Stock sind rot verhangen. Die 
Neugier, die Phantasie werden angeregt. Wer mag 
dort hausen? 

Weiter! Links ragt ein Pinien- und Cypressen- 
hain. Ein rotgelber Palast lugt darüber hervor, dessen 
flachen Dachrand Statuen krönen. Wir stehen an der 
Rückseite der leider so schwer zugänglichen Villa 
Albani. (S. S. 101.) 

Rechts folgt ein unschöner Kasernenbau, der als 
Motto die Worte zeigt: „Educandatorio, Villa Maria 
delle Orsoline‘“ (Erziehungsheim der Ursulinerinnen). 
Aha. Wir sind im klerikalen Neurom. Da fällt unser 


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Blick gegenüber auf ein graues Kastell im Trecento- 
stil, das sich durch die Aufschrift als ein Erziehungs- 
haus der Methodisten kennzeichnet. Diese feindliche 
Nachbarschaft spricht Bände. Schier unglaublich ist, 
wie in Rom, wo doch alle Klöster gesetzlich aufge- 
hoben sind, täglich neue wie Pilze aus der Erde 
schießen, so daß die ewige Stadt dank der subtilsten 
juristischen Strohmännerkniffe mehr Klöster zählt, als 
zur päpstlichen Zeit. Diese rege Propaganda reizte 
natürlich den Eifer des kampffrohen Protestantismus, 
für den nach 1870 auch hier die Bahn frei ist, und so 
mühen sich Anglikaner, Methodisten, Lutheraner, Hoch- 
und Niederkirchler um die Wette, dem Vatikan aus 
nächster Nähe beizukommen.*) 

Beim Weiterschreiten bemerkt man, wie die klugen 
Römer auch die Vegetation als Trockenboden benutzen. 
Ganz ungeniert zogen sie hier an langen Leinen ihre 
Wäsche von Baum zu Baum. Auch neues, wenn auch 
kein arbeitsames Volksleben sieht man. Der Nach- 
mittag ist so schön, der Himmel so blau, die Luft 
so lind, weshalb soll man da nicht auf der Landstraße 
Boccia spielen oder das mit lautem Geschrei begleitete 
Fingerspiel (morra), das in der Osteria verboten ist? 

Wir kreuzen die Via Salaria. Die Allee nimmt 
jetzt einen vornehmeren Charakter an. Man begegnet 
vielen Reitern in Civil und Uniform, auch vielen ele- 
ganten Radfahrern beiderlei Geschlechts. Dazwischen 
reitet eine Patrouille Carabinieri, deren roter Mantel 
auf dem Pferderücken als beherrschender Lichtfleck 
in dem Straßenbilde wirkt. Rechts entzückt uns über 
grauer Mauer ein Pinienwald, der, eine rotgelbe Zinnen- 
burg umschattet. Wie das leuchtet, und wie die rot- 


*) Assessor Assemacher in Italien S. 490, 632, 633. 


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braunen Fensterladen vom Goldton der Fassade ab- 
stechen! Nun rollen vornehme Equipagen heran und 
zeugen wieder von dem Luxus, den die vornehmen 
Romer mit Pferden und Wagen zu treiben lieben. 
Links schauen wir jetzt der Baumpracht der Villa 
Borghese in den Rücken, erblicken dann eine typische 
Campagnafarm, ein graues massiges Haus, aus dem 
zwei viereckige Tiirme hervorstehen, und die Cypressen 
des Monte Mario. 

Im Vordergrunde schimmert es weiß. Wir sind 
nach Spanien versetzt und sehen ein maurisches SchloB, 
das Prunkheim, das Villegas sich vor vielen Jahren 
vertrauensselig erbaute, als er glaubte, die neue Ring- 
straBe wiirde sich bald mit Villen beleben. Aber er 
blieb allein, bis er Rom verließ, und als Direktor des 
Pradomuseums nach Madrid zog. In diesem Märchen- 
schloß schuf er unter anderem „die Dogaressa“, den 
„Tod des Toreador“, „das Redentorefest in Venedig“. 
Es lohnt sich schon der Mühe, hier zu halten und 
durch das verschlossene Gittertor in den mit zierlichen 
Säulen und Arabeskenwerk geschmückten Hof und 
in den Garten zu schauen, wo prächtige Agaven und 
Palmen blühen, und eine hohe Aloestaude ragt, deren 
kahle Zweige in Pilgermuscheln zu endigen scheinen. 

Der Weg senkt sich in schönen Windungen zum 
Tibertal. Die Ausblicke ändern sich. Links sehen wir 
wieder ein herrschaftliches Landhaus, grauer Turmbau 
von Pinien flankiert, rechts ein schönes Wiesental mit 
einem Pinienhain, vor uns ein Stück Tiber, das einem 
See gleicht, dann weiter rechts die langgestreckte gelb- 
rote Reitschule von Tor di Quinto und dahinter die 
spitzen Linien der duftumflossenen etrurischen Berge. 

Man steigt hinunter bis zu dem Punkte, wo sich 


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in spitzem Winkel die Straße nach Aqua Cetosa ab- 
zweigt. Brevierbetenden Mönchen und Geistlichen, 
jungen Seminaristen begegnen wir, welche die Kirche 
schon im frühesten Alter in den schwarzen Talar 
zwängt. 


Aqua Cetosa. 


Beim Heruntersteigen glauben wir im Geiste den 

gellenden Ruf ,,A—a—qua ceto—o—o—sa‘‘ wieder zu 
hören, der uns so oft morgens im besten Schlafe stört. 
Auch Goethes gedenken wir, der allmorgentlich von 
Porta del Popolo her zum „essigsauren‘‘ pranses 
pilgerte. . 
Unten an der Tiberbucht empfängt uns lautes 
Geschrei. Männer und Kinder balgen sich. Pferde 
wiehern, und schöne Esel, die faul im Grase liegen, 
schreien melodisch darein. Man bemerkt viele Karren, 
die mit großen Körben beladen sind, aus denen un- 
zählige kleine Fiaschetti hervorlugen. Rechts steht 
eine große offene Rohrlaube, an der Schlingpflanzen 
sich üppig emporranken, vor uns ein „städtisches“ 
Amtshäuslein, das gar nicht in diese poetische Um- 
gebung paßt. 

Wir sind am Brunnen angekommen, zu dem viele 
mit Schlamm und Wasserlachen bedeckte Stufen hinab- 
führen. Über den drei Brunnenöffnungen ragt ein 
tempelartiger Rundbau, der mit zahlreichen marmornen 
Inschrifttafeln prunkt. Eine kündet, daß Papst Alexan- 
der VII. (Chigi), der Mann, der als Nuntius den 
Friedensverhandlungen nach dem dreißigjährigen Kriege 
beiwohnte und später die Kolonnaden der Peterskirche 
erbauen ließ, „den Brunnen errichtete“. Den Archi- 
tekten nennt aber die Inschrift nicht. Bernini war’s, 


SISSIIIIIIISIIICHHITTTHHIITHHITTHTF FT 73 
der Meister der Kolonnaden. Andre Tafeln künden, 
daß Paul V. (Borghese) und Clemens XI. (Albani) den 
Brunnenbau restaurierten. 

Das Treiben ringsum ist malerisch. Die Aqua 
cetosa genießt ja in Rom geradezu abergläubische Ver- 
ehrung, da sie gegen alle Krankheiten feien soll. 
Ärmere Leute kommen daher selbst, oder schicken 
ihre Kinder, um das köstliche Heilwasser zu schöpfen. 
Andre Leute aus dem Volke haben den Transport des 
Wassers zur Industrie erhoben, sie füllen Hunderte 
von kleinen strohumflochtenen Flaschen, die sie in 
der Stadt für einen Soldo verkaufen —. ohne Glas 
natürlich, das am andren Tage wieder abgeholt wird. 

Ein Mann, der schon bessere Manieren hat, löst 
sich jetzt aus der Gruppe der Freunde los; denn er 
hat die forestieri erspäht. Diensteifrig reinigt er einige 
Gläser, füllt sie am Brunnen, und reicht sie den Be- 
suchern, die auf die Frage, wie sie seine Mühe lohnen 
sollen, die stereotype Antwort erhalten: „A vostra 
buona grazia.“ i 

Nachdem wir getrunken, schauen wir uns um und 
betrachten die Bäume und Bänke ringsum, die, wie 
eine neue Inschrift kündet, Ludwig I. von Bayern im 
Jahre 1821 setzen ließ. Dann gehen wir an des Tibers 
Rand, dessen gegenüberliegendes Ufer eine Landzunge 
bildet, welche die Form einer sabinischen conca (bron- 
zenes Wassergefäß) hat. Auf dem linken Ufer ziehen 
grüne Hügel bis dicht an den Strom, noch weiter links 
taucht der Turmstumpf Tor di Quinto auf, vor uns in 
weiter Ferne ragt Castel Giubileo (s. S. 83), das von 
hier einem grünen Bonapartehut ähnelt. Rechts gleicht 
das Tiberufer einem ausgetrockneten See, zu dessen 
Grün die braunroten Bauten des Militärschießplatzes 


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seltsam kontrastieren. Ein Gang auf diese Wiese lohnt 
sich. Es lohnt sich aber auch, im Garten der Fischer- 
osterie „Osteria del Pescatore“ zu sitzen. 

Wer jedoch noch schönere Aussicht genießen will, 
breche auf und ziehe zur 


Villa Glori. 


Wir kehren zur Hauptstraße zurück, und gehen 
auf dieser stadtwärts in der Richtung zur Via Flaminia 
geradeaus, bis rechts ein schnurgerader Weg eine 
sanft geneigte Hügelhalde hinaufführt. Man begegnet 
Schafherden, in denen die kleinen Schäflein lustige 
Sprünge tun. Beim Steigen grüßt links ein Ölhain, 
dessen Silberlaub dem Auge wohltut, während seine 
zerrissenen Baumstämme die Phantasie reizen, da sie 
die groteskesten Gestalten annehmen. Oben erblicken 
wir zur Rechten eine rote Säule. Wir klettern den 
Grabenrain hinauf, und befinden uns vor einem um- 
zäunten Blumen- und Laubgarten. Eine Inschrift an 
der Säulenbasis belehrt uns, daß dieser heilige Hain 
historisch ist; denn hier kämpften am 23. Oktober 1867 
die Gebrüder Cairoli, deren Denkmal jeder Besucher 
des Pincio kennt. : 

1867! Wie weit scheint diese Zeit des patriotischen 
Heroismus hinter uns zu liegen. Garibaldi hatte seinen 
Kreuzzug gegen das päpstliche Rom angetreten, der 
nur gelingen konnte, wenn in Rom selbst die Revo- 
lution ausbrach. Aber die Römer, die damals nicht 
gerade sehr wagemutig waren, wiesen auf den Mangel 
an Waffen hin. Die beiden Brüder Enrico und Gio- 
vanni Cairoli wagten daher mit siebzig Genossen das 
tollkühne Unternehmen, einen großen Kahn voller 
Waffen in Rom einzuschmuggeln. Aber am Ponte 


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Molle wurden sie festgehalten, und es blieb ihnen 
nichts andres übrig, als sich auf diesen Hügel zu 
flüchten, wo sie von dreifacher Übermacht angegriffen 
und halb niedergemacht, halb gefangen wurden. Enrico 
fiel zuerst. Während er im Todeskampfe lag, erhielt 
sein Bruder von den französischen Zuaven zehn 
Bajonettstiche. „Feige Franzosen!“ rief Enrico und 
verschied. Giovanni aber starb erst nach einem Jahre. 
Außer den beiden starben noch zwei andre Brüder 
Cairoli in den Einheitskämpfen, der fünfte, dem der 
Opfertod der andren zugute kam, wurde Minister- 
präsident. 

Wir blicken rund und schauen viel Stullenpapier, 
das uns daran erinnert, daß den Sonntag nach dem 
dreiundzwanzigsten Oktober Tausende von Römern 
hierher zu wallen pflegen, um das Andenken der 
„Märtyrer‘‘ zu feiern. 

Wir sind aber nicht bloß ihretwegen gekommen, 
sondern auch der Aussicht wegen, drum steigen wir 
zur höchsten Graskuppe des Hügels. Dort winkt ein 
Rundpanorama, wie es selbst Rom, das doch so 
reich ist an herrlichen Aussichten, kaum mehr zum 
zweiten Male bietet. Besonders schön ist der Blick 
nach Norden. Das Tibertal scheint wie von den Armen 
einer Riesenzange, links von den Hügeln der Flami- 
nischen, rechts von denen der Salarischen Straße zu- 
sammengedrickt zu sein, auch gleicht es einem See, 
dessen Wasser durch das natürliche Tor abgeflossen 
sind, das die bei Castel Giubileo sich nähernden Hügel 
gebildet. Blaue Berge schimmern durch dieses ge- 
öffnete Tor herein, rechts grüßt der gezackte Monte 
Sorakte. Phantastisch wechselt das Licht- und Schatten- 
spiel auf den Hügeldämmen rechts und links. Rechts 


ERGBLTERSSESOTERTHEN 


fast greifbar nahe tauchen die grünen Buckel des Forts 
Antenne auf, dann erblickt man den Monte Gennaro, 
Tivoli, die Albanerberge und die Türme der Villa 
Medici. Von dem tieferliegenden Rom ist nichts zu 
sehen, nur die Häuser der Via Nomentana und die 
Turmesse des Policlinico werden sichtbar. Weiter 
rechts! Welche Überraschung! In feierlicher Majestät 
ragt die Peterskuppel hinter den monti Pariöli auf, 
befremdend groß, weil auch ein gutes Stück des röt- 
lichen Tambours sichtbar wird. Weiter im Kreise uns 
drehend, entdecken wir die Cypressenpracht von Monte 
Mario, den Ponte Molle, der von hier aus gesehen, 
besonders malerisch scheint, die etrurischen Hügel, 
das rotgelbe Band der Reitschule, bis wir wieder zum 
Felsen von Castel Giubileo zurückkehren, der einem 
sich duckenden gekrönten Löwen gleicht. 

Aber!... Wir sind allein mit all dieser Pracht. 
Noch machte kein Reisebuch auf sie aufmerksam. In 
der schweigenden Einsamkeit wird aber Genuß und 
Eindruck gesteigert. Doch das Leben von draußen 
macht sich trotz der Ferne öfters bemerkbar, munteres 
Lachen trägt der Wind aus der Ebene herauf, da- 
zwischen trillern Lerchen, blöken. Schafe, und von Zeit 
zu Zeit tönt Trompetenschall herüber. 

Feierlich gestimmt treten wir den Rückweg an 
über den 


Arco Scuro. 


Der Villa Glori gegenüber biegt links ein Fahr- 
weg von der Hauptstraße ab. Nach wenigen Schritten 
schon genießt man einen herrlichen Rückblick auf das 
Ponte Molle-Gebiet, das rechts von der Villa Glori 

' links von den düstern Flanken des Monte Mario 


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eingezwängt ist. Während wir weiter gehen, scheint 
sich unser Weg zur Sackgasse auszubilden. Vor uns 
liegen wellige Hügel, die mit zahlreichen Winzer- 
häusern prunken. Nach zehn Minuten betritt man- 
einen schmalen, gepflasterten Mauerengpaß, der berg- 
an führt, bis auf der höchsten Höhe mit einem Schlage 
die Scene sich ändert. Die Straße weitet sich, rechts 
und links starren höhere, graugrüne und laubgekrönte 
Parkmauern, im Vordergrunde aber leuchtet plötzlich 
über einem dunklen Tunnel (arco scuro) die in Gold 
getauchte Peterskuppel, die auf einem Pinienpolster 
ruht. Das ist ein erlebtes Bild, das gegen Abend 
seine Wirkung nie verfehlt, und daher auch immer 
von neuem die Maler lockt. Besonders schön fest- 
gehalten sah ich diesen poetischen Punkt einst in 
einem Bilde des römischen Holländers Romolo Koel- 
man. Wie feierlich still es hier ist. Bis hierher dringt 
der Tageslärm nicht, nur vereinzelt klingen Abend- 
glockentöne herauf. 

Der Weg schießt jäh hinunter; nach dem Tunnel 
erblicken wir hoch vor uns die Baumsymphonie der 
Villa Strohl-Fern, und links die Villa Papa Giulio, 
deren ernste Fassade so stimmungsvoll im stillen 
Winkel liegt. Ihr gegenüber führt die Straße zur Via 
Flaminia und Porta del Popolo. 

Wer die monti Pariöli besuchen will, und 
Freund italienischer Landschaftspoesie ist, schlage kurz 
vor dem arco scuro rechts den Fahrweg ein, der 
zur Höhe führt und einen Rundgang auf dem Plateau 
gestattet. Die Gegend ist sehr einsam, bietet aber im 
Frühling herrliche Ausblicke auf die zahlreichen Gärten 
der Land- und Winzerhäuser, die hier oben, trotz der 
Nähe der Stadt, doch ihrem lärmehden Treiben ent- 


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rückt sind, und daher selten von Fremden bestaunt, 
ja selbst von den Römern kaum jemals besucht werden. 





Nach dem Poussintal und Prima Porta. 
(Vor Porta del Popolo.) 


Der Ausflug nach dem Poussintal kann bequem 
zu Fuß gemacht werden, nach Prima Porta bedarf 
es aber schon eines Wagens oder Rades, wenn man nur 
einen Nachmittag aufwenden will. | 

Vorerst wieder eine Warnung als Vorbemerkung. 
Man lasse sich durch den Namen ,,Poussintal‘ nicht 
a priori zu der Annahme verführen, daß man die !eben- 
den Originale der schönen Landschaften Gaspards 
Poussin sehen würde, die man in der Gallerie Colonna 
oder dem Museum Doria bewundert hat. — 

Ausgangspunkt der Wanderung ist die Scheffel- 
osteria am Ponte Molle, die „Osteria dell’ Alleanza“. 
Wir wenden uns rechts. Einige Schritte weiter erblickt 
man zur Linken die hochgelegene, von Rosen und 
Akazien umblihte „Osteria all’ antico Melafumo“, 
auch Pincetto (kleiner Pincio) genannt, die uns in die 
päpstliche Zeit zurückversetzt. Hier passierte nämlich 
ein Pendant zur Geschichte der Waschfrau in Paris, 
der es zu viel war, den Bottich zu verlassen, um den 
Einzug Napoleons I. anzusehen. Eines Tages hatte 
Pius IX. mit dem üblichen Pompe eine Ausfahrt vor 
den Ponte Molle gemacht. Dragoner und Nobel- 
gardisten sprengten voraus, um dem Volke das Nahen 
des Papstes zu melden. Alles sinkt in die Knie, nur 


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ein Winzer bleibt ruhig sitzen. „Was tust du?“ 
herrscht ihn ein Nobelgardist an. „Me la fumo“ (Ich 
rauche mir eine), versetzte der respektlose Phlegmatiker 
und zeigte auf seine Pfeife. Das Wort machte Glück, 
und seit der Zeit hieß der Mann nur noch Melafumo, 
und seine Schenke ward berühmt. 

Es ist Ende März. Ringsum blüht, sprießt, treibt 
es, leuchtet es grün am Saum der Landstraße, oben 
auf dem Hügelrand, wo mitten im Sumpfrohrgebüsch 
ein gelbes Landhaus winkt. Die Via Flaminia steigt 
langsam. Wo diese auf halber Höhe sich nach links 
schlängelt, genießt man einen herrlichen Rückblick 
auf die Peterskuppel. Nun spendet eine Ulmenallee 
Schatten. Auf der Höhe rechts leuchtet mit rosaroter 
Fassade als Parodie auf einen antiken Tempel die 
Osteria di Tor di Quinto. Man steige neben ihr 
auf den Chausseerand zum Zaun, und wird überrascht 
sein von dem schönen und weiten Landschaftsbilde. 
Vor uns wühlt sich eine Schlucht ins grüne Tal, wo 
grüne Sammetwellen wogen. Rechts erblickt man das 
Obergeschoß der Albanerberge, das Fort Antemnae 
und den Tiber, dann die Aniobrücke an der Via Salaria 
mit dem charakteristischen Römergrab. Links leuchtet 
das lang hingestreckte goldrote Gebäude der Reit- 
schule von Tor di Quinto, die als Stirnschmuck einen 
grünen Busch trägt. Plötzlich belebt sich das grüne 
Wellenmeer im Tal; denn wir sind in der Rennsaison, 
wo die Prüfungen der Reitschüler stattfinden. Blitzende 
Fahrzeuge durchschneiden die grüne Flut, eine Equi- 
page folgt der andern. 

Weiter! Links an einer stattlichen Villa vorbei, 
rechts an der Reitschule. Dann stürzt sich die Land- 
straße in die Tiefe. Wie doch die Gegensätze nahe 


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beieinander wohnen! Eben erblickten wir noch Ka- 
rossenpracht, und jetzt schauen wir ein Bild aw 
Afrika. Auf dem gerippten grünen Tuffsteinhiigel 
rechts sehen wir ein malerisches Dorf aus Rohrhütten, 
die elenden Wohnungen halb vertierter Campagna- 
hirten. Aber bald wird man abgezogen; denn wie 
in einem Wandelpanorama ist schon ein andres Bild 
vor unser entzücktes Auge gezaubert, links und rechts 
starren grüne kahle Felshügel in den bizarrsten Formen, 
gleicht doch einer einer ruhenden Riesenkuh. Und 
wieder wird man abgelenkt. Im Automobil rast der 
Vater der Stadt, Fürst Colonna, heran, ihm folgen 
berittene Carabinieri in Gala, Schutzleute tauchen auf. 
Wo die Straße die Ebene erreicht, und der Weg nach 
den Tor di Quinto-Wiesen abgeht, halten wir. Aus 
dem Tal im Norden glitzert es in allen Farben. Wohl 
achtzig Offiziere reiten aus dem Grün hervor. Wie 
das Braun und Schwarz der glatten Pferde gegen das 
Campagnagrün absticht! Jetzt kommen die Reitschüler 
heran. Graue helle Hosen mit gelben, weißen, grünen 
und weinroten Generalsstreifen sehen wir, und schwarze 
verschiedenfarbig passepoilierte kurze Jackets. Schnei- 
dige, schmucke Reitergestalten! Sie verschwinden bald. 
Im grünen Talgrund funkeln jetzt goldene Helmspitzen. 
Des Königs Leibkürassiere nahen, die mehrere Hof- 
wagen eskortieren. Rasselnd ziehen sie vorbei. Die 
Königin-Witwe Margherita grüßt mit ihrem bekannten 
Zauberlächeln, Königin Elena grüßt auch freundlich, 
aber ernster. Und schon ist der Wagenzug ver- 
schwunden. Neue Reiter kommen; französische, mon- 
tenegrinische Uniformen erblickt man in dem Trupp. 
Ihm voran reitet der König, ernst, doch freundlich 
nach allen Seiten hin grüßend. Als Reiter „macht 


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er gute Figur“. Ein neuer Wagenzug folgt. Die 
Menge der Neugierigen verläuft sich stadtwärts oder — 
fallt in die nachste Osteria ein. 

Wir sind wieder allein mit der Campagna. Lang- 
sam ziehen wir weiter. Rechts tauchen wieder Wig- 
wams aus Rohr und Reisig auf, es folgt eine Brücke, 
unter der sich zwei Bächlein vereinen, rechts winkt 
im tiefen Schatten die von mächtigen Eukalyptus- 
bäumen umrahmte gelbrote ,,Osteria del Ponte‘, die 
zur traulichen Rast einladet. 

Gegenüber führt durch ein Gattertor ein Weg 
geradeaus zum 


Poussintal, 


das Gaspard Poussins Lieblingsspaziergang war. Einige 
Minuten lang kommt man durch Wiesen, dann zeigen 
sich links und rechts Hügelzüge. Der letztere ist 
kahl, während den andren wolliges Unterholz bedeckt. 
Weiter schlendern wir am laut murmelnden Bache 
vorbei, an dessen Ufern Tausende der buntesten 
Wiesenblumen sprieBen. Poussins Bilder steigen in 
uns auf. Doch leider, seit des Meisters Tode sind 
Jahrhunderte vergangen, und mit ihnen hat sich leider 
auch das Tal geändert. Es ist zum Teil der Land- 
wirtschaft nutzbar gemacht. Links und rechts heben 
die Kornhalme schüchtern ihre Spitzen aus der er- 
wachten Frühlingserde. Wo sind Poussins herrliche 
Baumgruppen? Nur am Bachesrand stehen noch 
einige; vereinzelte Bäume erblickt man auch auf den 
Hügeln, sie gleichen schwarzen Perrücken auf dem 
Haubenstock. Der Spaziergang ist also eine Ent- 
täuschung für den, der sich Wunderdinge erwartete, 
ein Hochgenuß aber für jeden, der elegische Matthison- 
Zacher, Was die Campagna erzählt. 6 


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stimmungen liebt; denn uns umfangt, langsam und 
zagend sich nahernd, wie es die Freundschaft liebt, 
die Friedenseinsamkeit, die nur durch das Murmeln 
des Baches und das Trillern der Lerche belebt wird. 
Nach viertelstündiger Wanderung wird unser Aus- 
harren belohnt. Ecco! Da ist sie, die Poussinsche 
Landschaft, eine entzückende Gruppe von deutschen 
Eichen, von Steineichen und efeuumstrickten Ulmen. 
Rechts auf der Höhe überrascht ein „Gehöft‘“, wie die 
Reisebücher es nennen, ein Schloß, wie wir es taufen 
möchten. Es ruht schweigend, wie es die Würde 
seines graubraunen Alters verlangt. Seine mit rotem 
Tuch verhangenen Fenster gleichen funkelnden Augen, 
gleich als ob es den Fremdlingen zürne, die gekommen, 
seine Ruhe zu stören. Glücklicherweise haben wir 
diesen ehrwürdigen Zeugen der Vergangenheit noch 
auf keiner Photographie, auf keiner Ansichtspostkarte 
gesehen, der Genuß der Überraschung ist uns also 
gesichert!*) Dieses Schloß allein lohnt den Gang 
zum Poussintal. 

Hier endet unsere Wanderung. — — — 

Plötzlich hören wir melancholisches Singen. Hinter 
dem Ufergebüsch des Baches entdecken wir etwa 
zwanzig junge Ciociarinnen aus dem Sabinergebirge 
mit dem malerischen weiten Rock, dem bunten Mieder 
und weißem Kopftuch. Gebückt stehen sie und jäten 
mühsam Unkraut aus. Der „Sklavenaufseher‘‘ — Ver- 
zeihung, der „guardiano‘‘ leitet in eigener Person die 
Arbeit. Und stramm sieht er aus in seiner blauen, 
eng anliegenden Amtstracht. — Melancholisch zieht 
der Gesang an unserem Ohr vorüber, und einen be- 


°) Wer nicht weiter nach Norden will, kann von hier aus dem 
Bache folgend, nach Aqua Traversa (s S. 45) ziehen, 


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kannten Vers fangen wir auf, den W. Kaden seiner 
Zeit also verdeutschte: 


„Mein Schatz ist tot, das hat mich nicht gequält, 
Ich meinte, daB der Schmerz viel arger wire. 
Es stirbt ein Papst — ein andrer wird erwählt.“ 


Eine andre Stimme aber unterbricht: 


„Man sagte mir, ein andrer freie dich, 
Ich will ihn töten, ja beim Blute Christi! 
Du wirst zur Witwe, zum Banditen ich.“ 


So geleitet, treten wir den Rückweg zur Osteria 
del Ponte an. 


Gleich jenseits dieser Schenke, wenn wir die Via 
Flaminia weiter ziehen, erfaßt uns neues Staunen. 
Eine Miniaturloreley, aber ohne Rhein, starrt uns 
trutzig entgegen. Zerklüftet sind ihre Flanken, ihre 
Stirne ist schroff. Dort aber, wo ein grüner Kamm 
sie mit den Hügeln hinter ihr verbinden, läuft eine 
aus Pinien gebildete Raupe. 

Weiter! Rechts in der Ferne schiebt sich eine 
grüne Coulisse vor, einem riesigen geduckten Märchen- 
löwen gleich, der ein silbernes Krönlein trägt. Das 
ist Castel Giubileo, das uns in die Zeiten zurück- 
versetzt, da wir auf der Schulbank Titus Livius studier- 
ten, denn auf diesem Löwen stand einst die alte Stadt 
Fidenae. Der Name dieses Ortes erinnert uns an 
die Kämpfe, die das junge Rom einerseits gegen Alba 
Longa und andrerseits gegen die etruskischen Städte, 
namentlich Veji und Fidenae, führen mußte. Veji 
hatte sich mit letzterem verbunden, um den Römern 

6* 


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die Ausbreitung im oberen Tibertale zu erschweren, 
zugleich aber wollten beide abwarten, bis Römer und 
Albaner sich in langem Streite gegenseitig geschwächt 
hätten, um dann über beide herzufallen. Mettus 
Fuffetius, der Albanerfürst, welcher, wie es scheint, 
sich schon damals auf Weltpolitik verstand, durch- 
schaute den schönen Plan, und wurde so genötigt, 
mit den Römern in Unterhandlungen zu treten, die 
zu dem Kampfe der drei Horatier und Kuriatier 
führten.*) Das Jahr darauf zogen Römer und Albaner 
geeint gegen Fidenae. Während der Schlacht nahm 
Mettus Fuffetius als echt italienischer Schlaukopf 
(furbo) eine abwartende Haltung an, da er sich auf 
die Seite des Siegers zu schlagen hoffte. Der Römer- 
könig Tullus Hostilius schrie den Seinen zu, daß die 
Albaner in seinem Auftrage die Feinde zu umgehen 
strebten; das ermutigte die Römer, sie stürmten von 
neuem an und siegten, worauf Mettus Fuffetius die 
fliehenden Feinde mit ostentativem Eifer verfolgte. 
Am folgenden Tage ließ Tullus Hostilius, der die 
Politik des „a corsaire corsaire et demi‘‘ verfolgte, 
beide Heere zur Tagung antreten. Während die 
Albaner unbewaffnet waren, trugen die Römer die 
Waffen unter den Kleidern versteckt. Sie umzingelten 
die wehrlosen Verbündeten und nahmen ihren König 
gefangen, der darauf zur Strafe durch vier Pferde 
gevierteilt, während seine Hauptstadt Alba Longa zer- 
stört wurde. Fidenae setzte trotzdem den Widerstand 
fort. Ancus Marcius, der Nachfolger des Tullus 
Hostilius, eroberte es zwar vorübergehend, aber erst 
426 v. Chr. wurde es durch den Diktator Quinctius 
Pennus vollständig unterworfen. Es bestand noch bis 


*) Siehe die darauf bezüglichen Fresken auf dem Kapitol. 


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zum siebenten Jahrhundert nach Christus. Genannt 
wird die Stadt nur noch einmal in dieser langen Zeit, 
nämlich unter Tiberius, als eines Tages ein hölzernes 
Amphitheater einstürzte und 50000 Menschen be- 
grub. — — — 

Doch es drängt uns weiter. Das dem Castel 
Giubileo gegenüberliegende Hügelkap, das mit dem 
ersteren die Pfeiler eines offenen Tors bildet, durch 
welches die blauen Berge Etruriens hindurchschimmern, 
zieht uns jetzt an. Rechts taucht der Kopf des Fürsten 
des Sabinerlandes, des Monte Gennaro, auf. Die Hügel 
zur Linken nähern sich der Straße. Sie sind bewaldet. 
Ab und zu zeigen sich kleine Spitzkegel mit Turm- 
ruinen. Dann, etwa acht Kilometer von Ponte Molle 
entfernt, erblicken wir die neue Tiberbrücke. 

Das Flußufer wird malerischer. Wie der Rhein 
unterhalb Boppards im Kreise fließt, und so auf dem 
gegenüberliegenden Ufer ein hufeisenförmiges Stück 
Land abzirkelt, so macht es hier auch der Tiber. In- 
mitten dieses grünen Hufeisens trotzt das Burggehöft 
Castel Giubileo, doch vergebens spähen wir nach 
den Ruinen von Fidenae, das spurlos verschwunden ist. 
Das Schloßgehöft erinnert uns an — hm? — ja an 
das Jubeljahr von 1900, als es viel genannt wurde. 
Im ersten Jubel- oder heiligen Jahre (anno santo) 
von 1300 waren so reiche Pilgerspenden eingegangen, 
daß Papst Bonifaz VIII. (Gaetani), der von Dante ver- 
fluchte Feind der Colonna, sehr viele Ländereien, und 
mit ihnen auch dieses Castellgebiet kaufen konnte, das 
daher den Namen Jubelkastell erhielt.*) 

Wie gesagt, das Tiberufer ist schön, von hohen, 


*) Siehe, Aus Vatikan und Quirinal. (Bilder aus dem Neben- 
einanderleben beider Höfe.) S. 169. 


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langästigen Bäumen besetzt. Wir passieren nun einige 
Steinhäuser, die halb in den Fels gebaut sind, und 
kommen zum Bach Valchetta. — Wiederum klopft 
Titus Livius an das Tor, das den Schatz unserer Schul- 
erinnerungen verschließt; denn der alte Name dieses 
Baches Cremera erinnert uns an Veji und an die 
Kämpfe zwischen der Plebs und den Patriziern im 
alten Rom. 476 v. Chr. hatte der sozialistische Ab- 
geordnete (Volkstribun) Spurius Cassius den Antrag 
eingebracht, daß die Plebs Anteil an den Staats- 
domänen haben sollte. Die Aristokraten antworteten 
auf Drängen ihres mächtigsten Clans, dem der Fabier, 
die jahrelang stets einen Konsulposten für sich reser- 
viert hatten, indem sie den Tribun als einen ehr- 
geizigen Streber verdächtigten, der nach der Königs- 
würde strebte. Und so wurde er von Rechts wegen 
durch Hinrichtung an weiterer Nörgelei gehindert. 
Bald nachher bereuten die düpierten Plebejer ihre 
Dummheit und protestierten durch einen Waffenstreik 
mitten in einem Treffen gegen die Vejenter, als diese 
von der patrizischen Reiterei Roms schon halb besiegt 
waren. Um den Schaden gut zu machen, beschlossen 
die Fabier 479, nach dem bewährten Grundsatz, wo- 
nach man innere Fehden am besten durch eine Aktion 
anch außen paralysiert, den Krieg gegen Veji zu einem 
chronischen zu gestalten. Sie selbst aber gingen mit 
gutem Beispiel voran, und lagerten sich, dreihundert- 
undsechs Mann stark, vor Veji. Zwei Jahre hielten 
sie sich, aber 477 wurden sie am Bache Cremera in 
einen Hinterhalt gelockt und alle niedergemacht. Der 
Tag dieser Niederlage wurde als Unglückstag (dies 
ater) proklamiert, und das karmentalische Tor, durch 
welches die Fabier in der Nähe des Kapitols die Stadt 


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verlassen hatten, zum Zeichen der Trauer geschlossen. 
Nur ein noch nicht waffenfähiger Jüngling, der in der 
Stadt zurückgeblieben war, rettete das Geschlecht 
der Fabier vor dem Untergange, das später durch 
Fabius Maximus Cunctator, den Besieger Hannibals, 
nochmals berühmt wurde. Auf diesen berühmten 
Fabier leitet der jetzige Principe Massimo, dem wir 
auf dem Pincio begegneten, seinen Ursprung zurück4 — 

Einige Schritte nach dem Fluß Cremera kommt 
man zu einer malerischen Osteria la Celsa, die an 
einen grauen 6lbaumbesetzten Tuffsteinklotz angelehnt 
ist. Sie stellt einen turmähnlichen Bau dar, dessen 
Seiten x-beinig auseinanderlaufen. Ihre Farbe ist grau, 
doch zieht sich in ihrer Mitte ein weißes Band von 
oben nach unten. Rechts von der Türe steht eine 
Rohrlaube, darinnen ein alter Altaropfertisch antike 
Stimmung hervorruft. Links von der Türe befindet 
sich ein Brunnen, und hinter dem Hause erblickt man 
in den Fels geschnittene Kellergrotten. 

Wir treten ein. Es lohnt sich schon, diese alte 
charakteristische Campagnakneipe zu sehen. Mehrere 
Stufen führen in den viereckigen, steinkastenförmigen 
Hauptraum, den ein verräuchertes Tonnengewölbe 
deckt. Rechts vom Eingang glimmt ein knorriger 
Riesenholzblock im hohen Kamin. Die freundliche 
Wirtin kommt und fragt nach unserem Begehr. 
Während sie Wein holt, mustern wir das „ambiente“ 
(Milieu), das an holländische Interieurs à la Teniers 
erinnert. Zwei ungeschlachte Landarbeiter spielen mit 
schmutzigen Karten, der Puffton aneinanderschlagender 
Kugeln verrät, daß sich ihre Genossen draußen mit 
dem Bocciaspiel vergnügen. Möbel zeigt die Schenke 
wenig, auch Schmuck nicht, nur prangt an der Wand 


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ein buckliger Zwerg (der Buckel gilt den Römern als 
glückbringend) im blauen Frack und roter Hose, und 
daneben steht in blauer Schrift: „Quando il gobbo 
canterà, allor credenza si farä.‘‘ (Singt der Bucklige, 
dann wird Credit gegeben.) Noch einen andren 
Schmuck erblicken wir, ein Bündel trockener Farren- 
kräuter, das von dem quer durchs Zimmer laufenden 
Balken herabhängt. Die Wirtin bemerkt unsern fragen- 
den Blick. „Das ist die Fliegenfalle,“ erklärt sie, 
„wir tun etwas Süßes hinein, und wenn sich genug 
krabbelndes Fliegenzeug angesammelt hat, stülpen wir 
von unten einen Sack drüber und fangen die ganze 
Gesellschaft.‘ — 

Wein, Brot und Eierkuchen sind vorzüglich. Frisch 
gestärkt ziehen wir weiter. 

Es . folgt ein neuer Bach. Die Gegend hat fast 
ganz deutsches Aussehen. Geradeaus bildet die wieder 
ansteigende Straße einen Hohlweg, links von ihr ist 
eine Baumgruppe, rechts steht auf grünem Kegel ein 
brauner viereckiger Turmstumpf. Geradeaus grüßt 
eine moderne Zinnenburg in toskanischem Trecentostil. 
Wir sind am Ziel. Links liegt der Gutshof: 


Prima Porta. 


Der Name kommt von zwei zertrümmerten Tor- 
pfeilern her, die einst hier standen, wo nach G’sell 
Fels schon zu Ciceros Zeiten eine Osteria sich befand. 
Wir nehmen den Führer und steigen mit ihm rechts 
auf den Tuffsteinhügel, wo wir einen halb offenen 
Schuppenbau erblicken, dessen Dach die Reste der 
Villa Livia ad gallinas albas schützt. 

Diese Villa, auch Villa Vejentina, oder Villa der 


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Casaren genannt, wurde von des Kaisers Augustus 
Gemahlin Livia erbaut, deren Stadthaus auf dem Palatin 
ebenfalls heute noch zu sehen ist. Den Namen ad 
gallinas albas (zu den weiBen Hennen) hat die Villa 
von einem Wunder, das Suetonius erzählt. Das Haus 
der Julier hatte ja die Wunderfabrikation zur Er- 
höhung seines Prestiges zum System erhoben, wie 
es sich auch durch die ,,Aeneis des Virgil göttlichen 
Ursprung andichten ließ. Livia fing eines Tages einen 
Adler, der eine weiße Henne in seinen Fängen trug. 
Die gerettete Henne wuchs und mehrte sich, des- 
gleichen ein Lorbeerzweig, den sie in ihrem Schnabel 
getragen; er wurde eingepflanzt, und aus ihm entstand 
ein Wald, der den späteren Kaisern die Lorbeerkränze 
zu ihren Triumphzügen lieferte. Jetzt ist der Lorbeer- 
wald verschwunden, ebenso wie seine Herren, die 
Cäsaren. An deren Stelle traten die Päpste und die 
römische Kirche, und wie diese an jene Stelle traten, 
das erfährt man von dem Führer. Fragt man ihn 
nach den Besitzern des weiten Gebiets rings herum, 
so glaubt man, wie im Märchen vom gestiefelten 
Kater, die Antwort zu hören: „Alles Land gehört dem 
Grafen von Carabas.“ Alles Land, das im Nord und 
Süd das Tibertal füllt, gehört dem Domkapitel von 
Sankt Peter oder andren großen Kirchen. 

Doch der Führer steigt jetzt eine Treppe hinab, 
und wir betreten zwei Zimmer, die das Erdgeschoß 
der ehemaligen Villa bildeten. Das größere zeigt 
an den Wänden einen gemalten Garten, der merk- 
würdig gut erhalten ist. Die ganze südliche Vege- 
tation marschiert in ihm zur Parade auf. Schade, daß 
nicht mehr von der alten Pracht vorhanden ist. Die 
berühmte Augustusstatue, die einst hier prunkte, 


00 $3399999999999959935 35; 
schaffte man nach ihrer Auffindung im Jahre 1863 in 
das vatikanische Museum... . 

Nun steigen wir aus dem Garten der Vergangen- 
heit wieder zu dem sonnendurchglihten Garten der 
Campagna von heute hinauf, und genieBen in einem 
großartigen Gesamtüberblick als ein Ganzes alle die 
schönen landschaftlichen Einzelheiten, die wir auf 
unserer Wanderung nacheinander kennen lernten. 

Mitten im Genusse muß ich aber immer an das 
Domkapitel von St. Peter denken, dessen Canonici so 
reiche Einkünfte von der Arbeit der Campagnasklaven 
beziehen, — und an den Fluch der Latifundienwirt- 
schaft. — 

Während wir vom Hügel heruntersteigen, erinnert 
uns der Führer daran, daß einige Schritte jenseits der 
Osteria eine rote Felswand aufragt, welche alle Touristen 
bestaunen. Folglich tun auch wir unsere Pflicht; denn 
diese rote Wand (Saxa rubra) ist eng verknüpft mit der 
Geschichte des Ponte Molle, da sich hier die Ouvertüre 
zur Konstantinsschlacht abspielte. Maxentius, der wider 
Willen aus Rom ausgezogen war, traf hier im Vor- 
postengefecht zum ersten Male auf den Feind, der 
ihn zur milvischen Brücke zurückwarf. 


Auf der Rückkehr nehmen wir, am Eingang zum 
Poussintal und an der Osteria del Ponte angelangt, 
den Weg zur Linken, durch die Wiesen von Tor di 
Quinto, um eine Abwechslung zu haben. Wir passieren 
rechts die Schießschule, links den Rennplatz, genießen 
den herrlichen Blick auf St. Peter und ziehen an der 
Tor’ di Quinto vorbei, der gegenüber jetzt ein Stein- 


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bruch in Angriff genommen wurde, und kommen durch 
eine schöne Allee zum Ponte Molle zurück. 





Über Monte Mario nach der Storta und Veji. 


Auch dieser Ausflug ist fiir Rad- und Wagen- 
fahrer in einem Nachmittag bequem ausführbar, voraus- 
gesetzt, daß man darauf verzichtet, die ganze Stätte 
des alten Veji archäologisch gründlich und gewissen- 
haft zu erforschen. Da aber die wenigsten Rom- 
reisenden amtlich zu wissenschaftlichen Studien ver- 
pflichtet sind, so genügt denen, welche hauptsächlich 
nur römische Landschaft genießen wollen, ein 
Nachmittag vollauf. Vorbedingung ist freilich früher 
Aufbruch. 

Am lohnendsten ist der Ausflug Mitte April und 
im Mai. 

Historisch empfindende Reisende tun gut daran, 
nach Veji erst zu wandern, wenn sie schon den 
Albanersee und Prima Porta besucht haben, weil dies 
die drei bemerkenswertesten Stätten sind, die mit der 
Geschichte der letzten Vejenterkriege verknüpft sind. 

An einem schönen Maientage besuchte ich Veji. 
Es ging ein frischer Wind, der Himmel war wolken- 
los und festlich, als feiere auch er ein Jubiläum. 
Diese klare blaue Himmelsheiterkeit wirkt auf den 
Besucher zurück, seine sonnigen Augen betrachten 
unwillkürlich die Schönheit ringsum nur mit Feier- 
tagsbrille. - | 

Die Reise beginnt an Ponte Margherita (s. S. 49). 
Dort, wo wir die Stadt verlassen, an dem elenden 


92 IIIIITT HIT TH TI TH TFT HT TTTTTTTTFTTTHE 


Holztor unter der Vatikanburg schaut heute selbst die 
zum Markte gewandelte Straße trotz ihres Schmutzes 
malerisch aus. Auf niedrigen, viereckigen Kistenkarren 
werden Kirschen, frische Bohnen und der von Goethe 
gelobte saftige Lattich ausgeboten, der wie die fava 
fresca roh gegessen wird. Dazwischen sehen wir die 
mit Mauleseln bespannten roten Karren der Nettezza 
Urbana (N. U. = städtische Reinlichkeit). Wir retten 
uns aus dem lebhaft wimmelnden Volkstreiben und 
ziehen rechts längs der Holzwand, welche die hier 
fehlende Stadtmauer ersetzt, um den Stadtschmuggel 
zu hindern, und gehen dann geradeaus. Haben wir 
die Häuserreihe mit ihren Baukrachruinen hinter uns, 
so erblicken wir links ein mit vielen großen Essen 
und Ziegeleien besetztes Tal, das „Höllental‘‘ (valle 
dell’ Inferno), als nächsten Nachbarn des Vatikans. 
Diese Hölle ist aber segenbringend; denn ihre Ton- 
erde ist so vorzüglich, wie die beste etrurische, welche 
die bekannten antiken Vasen lieferte. Weiter schrei- 
tend, erblickt man links den hohen malerischen Viadukt 
der Eisenbahn, die nach Viterbo führt. Rechts und 
links folgen jetzt Osterien, die den süßen Rotwein 
Aleatico anpreisen. Besonders aber sticht uns eine 
ins Auge, die Osteria del Falcone, ein mächtiger alter 
Bau. Ein Gruß vom Lande nähert sich uns, ein von 
weißen Ochsen gezogener, hochräderiger, roter Karren. 
Auf beiden Seiten der Straße zeigen sich aber Be- 
weise römischer Gemütlichkeit: Gruppen von Schlä- 
fern, die den Straßengrabenrain zum Divan der Siesta 
erwählt. Niemand stört sie; denn der Schlaf ist den 
Römern heilig. Noch gemütlicher gibt sich ein Ar- 
beiter, der ungeniert in Gottes freier Natur sein Hemd 
wechselt. 


SISIIIITTTTTITITTIHTITTCHTHTHHHT HIHI IHHSHH 93 

Dort, wo die Straße ansteigt und sich zur Allee 
wandelt, zeigen sich neue Osterien mit schönen 
Holunderlauben. Wie wohltuend der Schatten der 
Bäume links und rechts! Die Erinnerung an die 
Alleen von Homburg, Wiesbaden, Baden-Baden wird 
wach. — Je mehr sich die Straßenschlange empor- 
windet, desto häufiger werden die schönen Ausblicke 
auf den Pincio, S. Peter, die Engelsburg, die Vatikan- 
gärten mit dem Rieseneierbecher der Sternwarte. Auch 
den Janiculus erblickt man, der freilich von hier aus 
stark zusammengequetscht erscheint. Er erinnert uns 
daran, daß auf ihm die Etrusker mit ihrem Könige 
Porsenna sich zuerst der Stadt Rom näherten, und 
die Sagen von Horatius Cocles, Mucius Scaevola und 
Cloelia, der tapferen Schwimmerin, ruft er uns ins 
Gedächtnis zurück. Doch bald zieht die mächtige 
Klosterburg der Benediktiner auf dem Aventin heraus- 
fordernd unsere Aufmerksamkeit auf sich. 

Weiter! Wie das Grün der Pinien auf dem Monte 
Mario vor uns leuchtet und funkelt. Bald passieren 
wir die Kirche Maria del Rosario (s. S. 63) und 
beim dritten Kilometerstein eine Villa, der gegenüber 
die Straße sich gabelt. Rechts führt der uns be- 
kannte Weg nach Aqua Traversa, links zieht die Via 
Trionfale. Im Vordergrunde taucht der spitze Gipfel 
der Rocca Romana vom Braccianosee auf und die 
Kirche des Dorfes San Onofrio. Dann stürzt sich 
die Straße ins Tal. Hinab, hinauf, und wir sind im 
Dorfe, wo wir rechts eine Reihe aneinandergeklebter 
feuerrosenrot-gelblicher Kastenhäuser sehen, zu denen 
senkrecht zur Straße eingemauerte Freitreppen hinauf- 
führen, die gerippten Kufen gleichen. Natürlich stellen 
sich auch wieder Osterien in Rosakleidern ein, links 


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sieht man einen rohen Bau, der einem primitiven 
Tempel mit plumpen Pfeilern gleicht: das Wasch- 
haus. 

Hinter dem Dorfe folgt rechts das Fort Trionfale. 
Der Wind setzt stärker ein und frischer. Wir haben 
die Höhe des Hügelrückens erklettert, die wir jetzt 
auch nicht mehr verlassen. Links ragt aus frischem 
Grün eine weißlich gelbgraue Zinnenschloßvilla her- 
vor. Hinter ihr genießen wir nach Südwesten einen 
köstlichen Blick auf die in blauem Duft verschwim- 
mende Campagna, die sich nahe dem Meer im Nichts 
verliert. 

Beim fünften Kilometer umgibt uns auf allen Seiten 
Weideland. Kuhglocken ertönen, wie auf der Alm, 
Herden, von Hirten im zottigen Lammfellkleid be- 
hütet, zeigen sich ringsum. Am Wegrand sitzt ‘ein 
alter Hirtengreis und schneidet sich soeben aus einem 
alten Lammfell eine Hose zurecht. Wenige Schritte 
weiter, gegenüber dem Zwölfkilometerhäuschen der 
Eisenbahn, die uns jetzt begleitet, eröffnet sich senk- 
recht zur Straße eine tiefe bewaldete Schlucht, die 
in einem köstlichen Blick auf den Monte Gennaro 
endet. Ähnliche Schluchten kommen jetzt links und 
rechts, die schöne Ausblicke, aber stets wechselnd 
zeigen, bis wir etwa nach dem zehnten Kilometer in 
die gepflasterte Via Cassia antica einmünden, die von 
Ponte Molle kommt. Rechts sehen wir einige halb 
verschlafene Bauernhäuser, links winkt, ein Rest aus 
alter Zeit, ein schmaler, viereckiger, brauner Ruinen- 
turm, über welchem ein Raubvogel majestätisch seine 
Kreise zieht. Wie der Bursche zur einsamen Cam- 
pagna paßt! Rechts drängen sich jetzt die Hügel 
von Ronciglione und Formello auf, die sich auf den 


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ersten Blick als eine verkleinerte Ausgabe der Albaner- 


berge darstellen. — 
Nach einer Viertelstunde erreichen wir: 


die Storta, 


die letzte Poststation zu alter Zeit. Der Ort besteht 
nur aus wenigen Häusern. In der ,,Osteria della 
Stazione“ halten wir Rast. Freundlich ist sie, aber 
auch schmutzig malerisch, sie hat eine Pfeilerhalle 
vorgebaut, die einem verpfuschten Triumphbogen aus 
Travertin gleicht. Die Seitenbogen sind ausgefüllt 
mit einladendem, schattenspendendem Schlinggrün. 
Viel bietet sie nicht, die gute Schenke, aber Wein, 
Gazosa, Eier, Schinken und Brot liefert sie schon. — 

Verschiedene Reisebücher melden, daß der Weg 
nach Veji schwer zu finden sei, wahrscheinlich, weil 
ihre Verfasser von der Eisenbahnstation (s. unten) 
herkamen. Von unserer Osteria aus aber ist der Weg 
nicht zu verfehlen. 

Geht man von ihr in der Richtung nach Norden 
weiter, so findet man draußen vor dem Ort, daß die 
Straße sich gabelt. Man halte sich rechts und 
folge dann nach wenigen Minuten dem ersten Fahr- 
weg, der ebenfalls zur Rechten abbiegt. In bewaldetem 
Talkessel geht es langsam — und unterhaltsam hinab; 
denn zu unserer Überraschung zeigen sich plötzlich 
die edlen Linien des Sabinergebirges mit dem hellen 
weißen Streifen von Tivoli. Herrlich wirkt der Kon- 
trast ihres leuchtenden Blaus mit dem gleißenden Grün 
ringsum. Bei der nächsten Wendung naht uns wieder 
eine freundliche Überraschung: auf isoliertem Kegel 
erhebt sich eine mittelalterliche Veste, trutzig, vier- 
schrötig, aber trotz ihrer Schwere doch gefällig. Sie 


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bildet mit den Häusern, die sich Schutz suchend um 
sie geduckt haben, den Ort 


Isola Farnese. 


Im Mittelalter, als sich die römischen Barone unter- 
einander und mit dem Papst und Roms Bürgern 
herumschlugen, bildete Isola Farnese den Stützpunkt 
der Rospigliosi, dann kam sie in den Besitz der Far- 
nese, deren Nachfolger die Könige von Neapel wurden, 
und jetzt gehört sie dem Marchese Ferraiuoli, der 
auch einer der größten Besitzer in den pontinischen 
Sümpfen ist. Wir gehen zunächst noch weiter hinab, 
dann wieder steil hinauf, und um die Burg herum 
und durch den Ort in den Schloßhof, der durch seine 
stille Schönheit und durch seltsame Kasten vor Tür 
und Fenstern überrascht, die größeren Drahtgeflecht- 
schränken ähneln, wie man sie braucht, um Speisen 
vor den Fliegen zu schützen. Sie schützen gegen die 
Fiebermücken; denn hier herrscht im Sommer die 
Malaria, die jedoch seit Grassis Entdeckung von ihrem 
Schrecken viel verloren hat. Schauen wir vom Portal 
der Burg in die Landschaft, so entzückt uns das 
herrliche Tal im Vordergrunde mit seinem sprühenden 
Wald von Edelkastanien. Bald erscheint auch der 
Kustode und prüft mit schnellem Blick, ob wir Ge- 
lehrte, Antiquitätensammler, oder nur simple Touristen 
scheinen; denn im ersteren Falle müßte er mehrere 
Stunden laufen, und das tut kein Römer gern, im 
zweiten würde er uns seinen Schuppen zeigen, wo 
er durchaus, zweifellos und wirklich echte Schätze 
aus vejentischen Gräbern feilhalt. Da wir aber nur 
landschaftfreudige Wanderer sind, so begnügt er sich 
damit, uns den Gang zur Mühle zu empfehlen, den 


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er auch durch einen seiner Angehörigen weisen lassen 
kann; „denn,‘“ so sagt er, „in Veji selbst ist nichts 
zu sehen, man hat ja nur das Bewußtsein, daß man 
jetzt dort spazieren geht, wo einst die Stadt stand. 
Wenn Sie aber wollen, zeige ich Ihnen alles, aber es 
ist sehr weit und lohnt nicht.‘‘*) Nun, wir glauben 
ihm; denn er hat im Grunde recht. Nur wer sehr 
viel Zeit hat, und viel Verständnis für schweigende 
Landschaftspracht, möge die ganze Stadtfläche um- 
wandern, dann genügt ihm aber ein Nachmittag nicht. 
Übrigens lohnt der Gang zur Mühle allein schon die 
Fahrt. 

Wir kehren ein Stück des Weges, den wir ge- 
kommen, zurück, und biegen unterhalb der Burg rechts 
in einen Waldweg ein, der einem Laubtunnel gleicht. 
Köstliche Frische umfängt uns in dieser von mächtigen 
Haselnußstauden umstandenen Tuffsteinschlucht, die 
uns fast deutsch anheimelt. Silberweiß gesprenkelte 
Stämme von Edelkastanien tauchen bald aus einem 
Meer von Farren auf. Plötzlich rauscht es zur Rechten. 
Wir treten neugierig lauschend an die Wegbrüstung 
und erblicken tief unter uns ein zerrissenes Flußbett, 
das die Erinnerung an das Ilsetal im Harz wachruft. 
Allmählich wird dieses Schluchtenbett romantischer, 
wilder, italienischer, und ähnelt mehr dem Aniotal 
bei Tivoli. Immer tiefer steigend, kommen wir an 
die kleine weiße Mühle. Und stärker rauscht es. 
Der Führer zeigt nach rechts, und nun merken wir erst, 
daß wir zu Häupten eines ganz respektablen Wasser- 
falls stehen, der namentlich durch seine Umrahmung 
von Steineichen das Entzücken eines jeden Landschafts- 


*) Die Etruskergräber von Cervetri im Westen von Rom oder 
die von Orvieto, Chiusi und Perugia sind viel lohnender. 
Zacher, Was die Campagna erzählt. 7 


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malers bildet. Der Bach Formello ist es, der hier 
so tolle Sprünge macht. 

Jetzt blicken wir in die Höhe. Trotzig wie ein 
Wall ragen Tuffwände auf, es sind die natürlichen 
Fundamente, auf denen die Mauern des alten Veji 
standen. Versunken und vergessen! Nichts zeugt 
mehr von der alten Pracht des „römischen Troja“, 
um das die alten Römer ihre Ilias zu dichten ver- 
suchten, um ihren Erfolg zu erhöhen. Hier also kämpf- 
ten die Römer von 405—396 v. Chr., zehn Jahre lang, 
wie die Griechen vor Ilion, bis sie erst durch die List 
des Camillus siegten, der einen Stollen unter der 
Stadt her bis in deren Haupttempel trieb, weil die 
Prophezeiung ging, nur der würde gewinnen, der da- 
selbst ein bestimmtes Opfer darbrächte. 

Ist noch Zeit vorhanden, so lasse man sich vom 
Führer noch zum Ponte Sodo führen, wer aber 
vorzieht, auf dem Rückwege auf der Via Cassia das 
Panorama von Rom bei Sonnenuntergang zu genießen, 
breche lieber auf, nachdem er im Orte selbst noch 
einen Blick auf die Kirche und die äußere Ringmauer 
getan, oder in der gegenüberliegenden Schenke zur 
Ulme gerastet hat. — 


Via Cassia. 


Man kehrt zur Storta zurück und ziehe von dort 
aus immer geradeaus. Gleich nach der Stelle, wo 
die Via Trionfale rechts abbiegt, zeigt sich ein herr- 
licher Blick auf Sant Onofrio, Fort Trionfale und die 
diesem benachbarten Landhäuser. Bald darauf wird 
die Gegend zu einem freien Podium, von dem man 
abwechselnd zu beiden Seiten in malerische Wald- 
schluchten hinabblickt, oder in der Ferne das Sabiner- 


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gebirge schaut. Später taucht auch das Albanergebirge 
auf, auf welchem Frascati in der Pracht der rot- 
schimmernden Abendtoilette mit dem neidisch er- 
blassenden Tivoli zur Linken wetteifert. Die Schön- 
heit des Panoramas steigert sich von Minute zu Minute; 
man kann das Staunen der früheren Rompilger nach- 
fühlen, denn jetzt liegt sie vor uns, die ewige Roma, 
soweit sie auf den Hügeln thront. Wie das glitzert, 
flimmert, brennt und glüht in der Abendbeleuchtung! 
Den Schluß der sich steigernden schönen Blickserie 
bildet aber die Höhe über dem Tal Aqua Traversa, 
wo sich die Straße in steilstem Schraubengange in 
das Tal hineinbohrt; denn nun taucht plötzlich die 
Peterskuppel auf.*) Ihr stahlblaues Seidenkleid flammt 
und funkelt, als sei es von Tausenden von Diamanten 
und Rubinen bedeckt. Kaum vermag man sich los- 
zureißen. 

Bald kommt man in den Kessel des Tals, und hat 
das Gefühl, als ob man bei einem Feste im Hause 
eines Großen, dem Lichterglanz des Ballsaales ent- 
flohen, Ruhe und Kühle im Schatten des Wintergartens 
finde. Traulich umschweben uns die Fittiche der 
stillen Dämmerung. Weiche Düfte entsenden Wiesen 
und Bäume, leise murmelt der Bach längs der Zeile 
der üppig grünen Maulbeerbäume Wir biegen in 
die Via Cassia nuova ein (s. S. 47), kommen zur Via 
Flaminia, und kurz vor Ponte Molle grüßt uns wieder, 
aber diesmal ernster, feierlicher, die Kuppel von Michel 
Angelos Dom. 


*) Siehe Gaudy’s ,,Venezianische Novellen“, wo er die Ge- 
schichte der reisenden Engländerin erzählt. 


7*+ 


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NB. Man kann den Ausflug nach Veji auch mit der 
Eisenbahn Rom-Viterbo machen, doch ist der Aus- 
flug mit Wagen für zeitarme Reisende vorzuziehen, 
da die Verwaltungen der römischen Eisenbahnen noch 
so vorsintflutlich sind, daß sie noch nicht zu wissen 
scheinen, daß zur Fremdenindustrie auch Erleichterung 
des Verkehrs durch Vermehrung und Verbilligung der 
Fahrgelegenheit gehört. 


Via Salaria. 


Dieser Ausflug ist ebenso interessant fiir den 
Freund der vorchristlichen Geschichte Roms, als für 
den christlichen Archäologen. Für den Landschafts- 
pilger jedoch dürfte sich nur der erste Teil bis zur 
Aniobrücke lohnen, da er die gleiche Gegend auf der 
Fahrt nach Prima Porta in reicherer Abwechslung 
genießt. 

Der Besuch der Via Salaria beginnt an dem gleich- 
namigen Tor, zu dem man am besten von der Via 
Settembre gelangt. Die alte Salaria (Salzstraße) führte 
und führt noch heute über Rieti durch das Sabiner- 
land in das Land der Picener und zu deren schöner 
Hauptstadt Ascoli Piceno, und von dort zum adria- 
tischen Meer. Sie erschloß dem Verkehr landschaftlich 
reizvolle Gegenden. Wer jemals ihren letzten Ab- 
schnitt sah, dort, wo sie jenseits des Monte Vettore 
aus den Apenninen heraustritt, und das vom Tronto- 
fluB bespülte Ascoli Piceno berührt, wird die schöne 
Straße nie vergessen. — 


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Vor dem salarischen Tor schauen wir die Reste 
eines alten Römergrabes, auch erinnern wir uns, daß 
hier zahlreiche Kämpfe zwischen den Ostgoten und 
den Byzantinern unter Belisar stattfanden. 

Wir überschreiten die Ringstraße und betreten ein 
schmutziges Vorstadtviertel, das fast ganz ländlichen 
Charakter hat. Rechts erblicken wir über den Mauern 
Lärchen und Pinien, links drängt sich Osterie an 
Osterie, geschmückt mit laubhüttenähnlichen Vorbauten. 
Die erste Querstraße links führt zu dem riesigen 
Velodrom, das freilich selten genug Gäste sieht. 
Rechts gegenüber drängt sich ein hohes eisernes Gitter- 
tor auf, durch das wir zunächst nur eine Reihe von 
kunstvoll gestutzten Buchsbaumcoulissen sehen, dann 
aber tauchen Fächerpalmen, Bambusstauden, und zu 
ihren Füßen viele antike Marmorsarkophage auf, und 
weiter im Hintergrunde eine Gruppe von Riesenpinien, 
die gewissermaßen eine offene Kuppelhalle bilden. 
Hinter ihnen links schimmert ein gelbroter Palazzo 
hervor; denn wir stehen am Eingang der leider ver- 
schlossenen Villa Albani, die nur den Bevorzugten 
offen steht, die direkte Empfehlungen an ihren Be- 
sitzer, den Principe Torlonia, haben. Juristische Gründe 
waren es, die diesen Patrizier zur Schließung der Villa 
zwangen, da zu befürchten stand, daß durch zu liberale 
Freigebung von Park und Museum sein Besitzrecht 
gefährdet werde. Mit einem Gefühl des Bedauerns 
betrachten wir das verbotene Paradies, und entdecken 
jetzt erst, daß über seiner wundervollen Gartenpracht 
der Monte Gennaro hervorlugt. 

Auf unserer weiteren Wanderung passieren wir 
wieder neue jämmerliche Zeugen des Baukrachs der 
achtziger Jahre. Zum Glück winkt links der große 


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freundliche Osteriengarten der Villa Ciampi mit seinen 
Riesenlauben. Die Straße wird enger. Grell bemalte 
Häuser kommen zudringlich heran, und bald erhält 
die Salaria wieder den echt italienischen Charakter, 
den wir, da unser Auge durch so viele Italienbilder 
verwöhnt ist, in Rom sonst so oft vermissen. Wir 
treffen schloßähnliche Villen und viele echte Osterien, 
wie die „Osteria antica‘‘, die „Osteria dei tre pupazzi“ 
(der drei Puppen), später erschauen wir den Lorbeer- 
hain der Villa Horiz, dem gegeniiber eine malerische 
Gruppe von Pinien und Cypressen als Pendant dient. 
Weiter links folgt die Villa Ada, die einen Urwald 
von Prachtbaumen zeigt, rechts bei No. 152 die Villa 
Svizzera, in deren Garten ein Panorama sich er- 
öffnet, wie es jetzt noch kein Gemälde, keine Handels- 
Photographie festgehalten hat, so daß es auch blasier- 
ten Romkennern wieder etwas Neues bietet. Wie 
hier die Albanerberge von einem dunklen Bande von 
Pinien und Cypressen unterstrichen sind, als habe hier 
ein Künstler als dekorativer Landschaftskorrektor ge- 
wirkt! 

Drei Kilometer vor dem Tore geht die Straße tief 
bergab. Jedem Landschaftsfreunde sei aber geraten, 
zunächst rechts auf der Höhe zu bleiben und etwa 
zweihundert Schritte weiter zu gehen, da die Aussicht, 
die sich ihm bietet, diesen Seitensprung mehr wie 
lohnt. Gebietend macht sich links ein Fort auf grünem 
Rasenhügel geltend, das auf der Stelle der alten Stadt 
Antemnae steht, links von ihm wogt ein Meer von 
Pinienkronen, rechts schweift unser Blick zu den 
Hügeln hinüber, die sich längs der Via Flaminia hin- 
ziehen, bis wir uns im Kreise drehend die etrurischen 
Berge und rechts den Sorakte sehen. — 


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„In weit geschweiftem Bogen er sich hebt, 

Gleich einer Well’, die, eh’ sie brandend bricht, 
Noch zögernd in getürmter Höhe schwebt 

Und harrend ruht in schwankem Gleichgewicht.‘ *) 


Wir kehren zur Landstraße zurück und sehen jetzt 
zur Linken, gerade dort, wo sie abschüssig zu werden 
beginnt, ein Tor mit der Überschrift „Priscillae Coeme- 
terium“. Der Romkenner denkt bei diesen Worten 
an die Kirche Santa Pudenziana in der Via Urbana, 
an die von Santa Prassede bei S. Maria Maggiore und 
an Santa Prisca auf dem Aventin neben dem Castello 
Costantino (s. S. 10); denn diese Kirchen sind drei 
heiligen Frauen geweiht, die nach der Tradition mit 
jener Priscilla verwandt waren, bei welcher Petrus 
(siehe die Römerbriefe) abstieg, als er nach Rom kam. 
Das Coemeterium ist sehenswert auch für den, der 
nicht speziell christliche Archäologie betreibt. 


Nun heißt’s, die steile Straße hinunterziehn bis 
zum AniofluB. Bei dem Anblick der Brücke erschauen 
wir im Geiste Manlius Torquatus. Zwar halten es in 
unserer Zeit viele Gebildete mit Byron, der in seinem 
„Childe Harold“ klagt, als ihm der Anblick des Sorakte 
das Horazische Wort: „Vides ut alta stet nive candidus 
Soracte‘‘ wachruft: 


„Nicht denken mag ich meiner Schulzeit Plagen, 
Und hat die Zeit mich auch versteh’n gelehrt, 
Was sinnlos plappernd einst ich mußte sagen: 
Der Abscheu, den die Schul’ in mir genährt, 
Wird nicht wie Spreu aus meinem Geist gekehrt. 


*) Byron: „Childe Harold‘. 


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Mir ging des Fühlens Frische lang verloren, 

Eh’ ich genoß, was des Genießens wert: 

Was tot schon war, wird nicht mehr neu geboren, 
Ich hasse heute noch, was einstens ich verschworen.“ 


Wer diesen Worten Byrons folgt, der sieht natür- 
lich in der Brücke vor sich nur eine Brücke, wie er 
schon so viel gesehen; wer aber an die Hymnen 
denkt, mit denen derselbe Byron die Geister der Ver- 
gangenheit beschwörend die Schönheiten der Cam- 
pagna besingt, dem wirkt der Anblick der Brücke wie 
eine momentane Rückkehr in die selige Jugendzeit, 
da man noch für David schwärmte, der den Goliath 
schlug, für Klein Roland, der den Ardennenriesen be- 
siegte, und also auch für Titus Manlius, der zwar kein 
Kind mehr war, aber doch gegen einen Riesen sieg- 
reich kämpfte, und zwar an dieser Stelle. Es war im 
Jahre 360 v. Chr. zur Zeit des zweiten gallischen 
Krieges; und der Stolz der Gallier war ein unbesiegter 
und für unbesieglich gehaltener Riese. Doch mußte 
er dem Titus Manlius nicht nur sein Leben, sondern 
auch die schöne goldene Kette ,,torques“ lassen, worauf 
dieser als „Herr von der Kette“ (Torquatus) in den 
Adelstand erhoben wurde. 

Hinter der Brücke taucht ein zur Osteria ver- 
wandeltes Römergrab auf. Auch eröffnet sich die 
schöne Aussicht auf das Tibertal. 

Hier endet für jeden, den nicht Pietät für die 
Geschichte weitertreibt, die Wanderung. Wer aber 
bei schönem Wetter sich aus zehn oder zwölf Kilo- 
meter mehr oder weniger nichts macht, ziehe weiter 
an der Villa Spada, in deren Gebiet zwischen der 
Salaria und Nomentana Kaiser Nero seinen Tod ge- 





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funden haben soll, und unter dem Kegel von Castel 
Giubileo (s. S. 85) vorüber nach dem nahen Häuser- 
komplex „Casali Sette Bagni“, denn hier liegt 
der Fluß Marcigliana, der im Altertum Allia hieß. 
An diesem Wässerlein begann am 18. Juli 390 v. Chr. 
Roms gallisches Unglück. Brennus schlug hier die 
drei Fabier und rückte vor das verlassene Rom. Die 
Erinnerung an die achtzig Senatoren, die allein auf 
dem Forum blieben, an die Errettung des Kapitols 
durch die Gänse taucht auf, auch sehen wir, wie 
Brennus, als die Besatzung des Kapitols später 
dennoch kapitulieren muß, unter dem Rufe „Vae victis“‘ 
sein Schwert in die Wagschale wirft. Prosaische Real- 
praktiker mögen noch so sehr über den spotten, der 
solchem „Sentimentalitätsdusel‘‘ nachhange, sie werden 
dafür es aber auch nie empfinden, wie solche „Lieb- 
haberei‘“ dem Betrachter historische oder sagenbe- 
rühmte Stätten wunderbar verschönt. 


NB. Wem, wie gesagt, der Weg bis zur Allia zu 
weit ist, der gehe, falls er nicht die gleiche Straße, 
die er gekommen, zurückkehren will, von der Anio- 
brücke links am linken Ufer des Anio quer durch die 
Wiesen bis nach Aqua Acetosa (s. S. 72) oder rechts, 
ebenfalls durch Wiesen, dem Anio entlang zum Ponte 
Nomentano. (S. folgendes Kapitel.) Beide Wege 
sind sehr schön und stimmungsvoll — aber nicht 
fahrbar. 


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Vor Porta Pia. 


(Via Nomentana — S. Agnese — Ponte Nomentano 
— Der heilige Berg.) 


Die meisten Reisenden klagen darüber, daß sie 
in Rom nie Volksleben studieren können. Nun! 
Ist eines schönen Sonntags nachmittags im Frühling, 
Frühsommer oder im Oktober warmes Wetter, und 
droht kein Regen, so daß das Volk der „Römer von 
Rom“ sich ohne Scheu ins Freie wagen kann, so 
wähle jeder, den die Sehnsucht nach römischem Volks- 
leben erfüllt, die Via Nomentana. Er wird dann 
sicherlich auf seine Kosten kommen. 

Damit soll nicht gesagt sein, daß die Via Nomentana 
nicht auch an schönen Werktagen eines Besuches 
wert sei, im Gegenteil; bietet sie doch hinter Sant 
Agnese eines der herrlichsten Campagnapanora- 
men, die Roms Umgegend kennt. 

Im folgenden, wie noch vorausgeschickt sein soll, 
werden die monumentalen Sehenswürdigkeiten nur auf- 
gezählt, da jedes Reisebuch ausführlich über sie be- 
richtet. — Wem es nur um die Kirche Sant. Agnese 
zu tun ist, findet bis dahin Fahrgelegenheit mit der 
elektrischen Tram. Das Volksleben betrachtet man 
aber am besten in einer Fußwanderung oder in lang- 
samer Wagenfahrt. 

Vor dem Tor, das Pius IV. (Medici) erbaute, der- 
selbe, der auch die äußere Fassade der Porta del 
Popolo errichtete, treten wir in ein Volksquartier, das 
erst in der neueren Zeit entstand. Als die Italiener 
am 20. September 1870 hier erschienen, erstreckten sich 


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hier, wie auch eine lange Strecke innerhalb der Mauern, 
wo jetzt die Via Venti Settembre steht, nur unabseh- 
bare Weingärten. Auch die Straße vor uns war vor 
1870 noch so eng, wie die Via Salaria heute noch ist, 
und folglich malerischer. Freilich, der Verkehr hat 
auch seine Rechte, aber es ist schade drum, daß man 
jetzt auf zwei Kilometer Länge die ganze Via Nomen- 
tana zum weiten Boulevard verbreitern will. 

Während wir rechts den weißen Bau auf grünem 
Hügel betrachten, die Villa Patrizi, die auch für den 
christlichen Archäologen Bedeutung hat, da unter ihr 
Katakomben liegen, lenkt uns eine krächzende Stimme 
ab. Links vom Tor hat sich an der Mauer ein trag- 
bares Pulcinellatheater aufgestellt — ein viereckiges 
mit rotem Tuch bekleidetes Brettergestell, in welchem 
ein Mann Platz hat. Mörderlich schlägt die Puppe 
des weißen Pulcinella, die schwarze Halbmaske mit 
Hakennase trägt, auf den hölzernen Priester, und gleich 
darauf auf den hölzernen Carabiniere los, und mit 
verhaltenem Atem lauschen die Kinder auf die stark 
saftigen Redensarten, welche die Schlägerei begleiten 
und schlecht geeignet sind, ihren Autoritätssinn und 
die Achtung vor Polizei und Geistlichkeit zu fördern. 

Im Weiterschreiten bewundern wir den fahrbaren 
StraBenhandel, wir sehen kistenförmige Handkarren 
mit Apfelsinen und Zitronen gefüllt, oder mit ge- 
schälten Kastanien. Dazwischen schlendern Hausierer 
herum, die Körbe mit Blumen auf dem Kopfe tragen, 
oder vor der Brust Brettergestelle hängen haben, auf 
denen gelbe Bohnen oder Düten, mit Kürbiskernen 
gefüllt, aufgeschichtet sind. Dann folgen Buden, in 
denen fieberhaft tätige Öfen aufgestellt sind, die 
Waffeln oder Anisküchlein liefern. 


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Nach fünf Minuten zieht links die Pinienpracht der 
Schenke zum heiligen Patrickbrunnen (pozzo di San 
Patrizio) unsere Aufmerksamkeit auf sich; sie ist die 
erste der unzähligen Osterien, die sich jetzt auf drei 
Kilometer Entfernung folgen und die durstigen Kehlen 
der Römer anlocken. Auch rechts winken Pinien- 
gruppen, die leider durch die immer mehr sich vor- 
drängenden Villenanlagen stark gelichtet werden. 
Gegenüber dem Viale della Regina hat man den ersten 
Blick auf das Albanergebirge. Es folgen als Paläste 
gedachte und zu elenden Mietskasernen gewordene 
Bauten, dann blickt man links durch ein weites Tor 
in den weiten Hof der Osteria di Mezzo miglio 
(Schenke zur halben Meile), ein Lieblingsziel bankett- 
froher Romer. 

Nun wird die StraBe wieder eng, italienisch und 
malerisch. Sie ist besonders schön abends bei Mond- 
licht, da rechts die Baumpracht der Villa Torlonia 
aus den Mauern heraussprießt. Schade, daß kein 
Eisengitter die neidischen altersschwachen Mauern er- 
setzt, so müssen wir uns schon damit begnügen, durch 
das Tor einen Blick zu tun auf das weißschimmernde 
Palastlandhaus mit der griechischen Tempelfassade, 
vor der ein Obelisk Schildwache steht — aber mit 
Vorsicht; denn die Römer sind Freunde des Wagen- 
rennens. Unbekümmert um die Fußgänger, auf die 
sie verachtungsvoll herabsehen, jagen sie in tollstem 
Eifer daher, als wollten sie selbst die roten elek- 
trischen Wagen in den Grund bohren. Hinter der 
Villa führt ein verwahrloster Feldweg zur Kneipe „Zum 
guten Wetter“. Nehmen wir diesen Titel als gutes 
Zeichen. Der Klang einer Harmonika schreckt uns 
auf. Ein Trupp Bäuerinnen zieht vorbei, die Alten 





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zeigen ausgemergelte, gelbe, fieberdurchfurchte Ge- 
sichter und tief liegende Augen, die jungen Mädchen 
aber sind fesch und drall und prunken in Landes- 
tracht: roter Rock, rosa Schürze, niedriges rotes Mieder, 
aus dem die blaue Bluse hervorquillt, dickes, weißes, 
viereckiges Kopftuch. Auf dem Kopfe tragen sie: Körbe. 
Mit gellender, schneidender Stimme singen sie ein- 
förmige Melodien, und ein junger Bursche, der in 
Sandalen steckt und einen kecken Spitzhut trägt, spielt 
die Harmonika dazu. Es ist ein herrliches Bild, zu- 
mal in dieser Umgebung. — 

Jetzt folgen links und rechts moderne Villenhäuser, 
würfelförmige, turmbekrönte, und dazwischen weiße, 
braune und rote Cottages. Dort, wo jetzt die Straße 
steigt, schauen wir rechts wieder zahllose dunkle Pinien 
von seltenster Größe und bizarrster Form. Sie bilden 
den Hauptschmuck einer Parkvilla, die jetzt zu einem 
Waisenhause gewandelt ist. | 

Eine kurze Strecke wird die Straße jetzt Allee. 
Links auf der Höhe führt links ein kleines Tor zu 
S. Costanza, dem architektonisch so merkwürdigen 
Mausoleum der Töchter Konstantins, Konstantia und 
Helena. Einige Schritte weiter erblicken wir wieder 
links ein Torgebäude, hinter welchem, einem ver- 
sunkenen alten Festungsturm gleich, ein malerischer 
Glockenturm aufsteigt — die berühmte Kirche Sant 
Agnese fuori le mura. Wer sie besucht, vergesse 
ja nicht, im Vorhofe rechts durch das Glasfenster zu 
sehen, um sich an dem Gemälde zu erbauen, welches 
das Wunder darstellt, das im April 1855 Pius IX. hier 
vom Tode errettete. 

Kirchen und Kneipen haben sich von jeher gut 
miteinander vertragen, und da S. Agnese ein viel be- 


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suchter Wallfahrtsort ist, nimmt es nicht Wunder, wenn 
gegenüber der Kirche ein mehr oder weniger aussicht- 
berühmter Osteriagarten dem andern folgt, zumal hier 
auch die elektrische Straßenbahn endet. 

Weiter! Links schaut man eine stattliche Villa, 
auf deren Stirnwand eine große Marmorinschrift kün- 
det, daß hier im Jahre 1875 Italiens Nationalheros 
gewohnt habe. Wie doch in Rom die Jahrhunderte 
ineinander spielen! Auf einem Raum von hundert 
Meter Länge treffen wir Konstantin und seine Töchter, 
die heilige Agnes, Pius IX., Garibaldi — und haben wir 
erst die „Osteria di Cettinje‘ links passiert, welche 
an die Hochzeit des italienischen Königspaares erinnert, 
und kommen zur Villa des Baron Leopardi, so machen 
wir gar die Bekanntschaft des heiligen Petrus. Wer 
Sienkiewiczs Roman. „Quo vadis‘ gelesen hat, wird 
wohl nicht verfehlen, falls die Zeit es gestattet, in 
diese Villa einzutreten und sich das Coemeterium 
Ostrianum zeigen zu lassen, wo die herrliche Scene 
spielt, in welcher Vicinius mit dem Gladiator Kroto 
die Versammlung der Christen beschleicht, denen Sankt 
Petrus predigt. 

Das Leben der Gegenwart ruft uns aus alten 
Zeiten zurück. Aus der Osteria ,,Antica Monticelli“, 
deren hochgelegener Terrassengarten sich links weithin 
langs der StraBe zieht, klingt Mandolinenklang. Es 
muß sich wohl gut in ihr sitzen; denn sie ist stark 
besucht. Freilich bietet sie auch einen unterhaltsamen 
Ausblick auf die stets belebte Straße und den gegen- 
überliegenden großen Park des Barons Blanc, der unter 
Crispi Minister des Auswärtigen war. Seine ameri- 
kanische Gattin verbindet Reichtum mit Geschmack, 
davon spricht die wohlgepflegte Gartenpracht, die statt- 


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liche Piniengruppen zeigt. Auf der Mauer fällt uns 
eine architektonische Spielerei auf, die einer Miniatur- 
ausgabe des Caecilia Metallagrabes gleicht. Blanc hat 
nämlich viele antike Fragmente, die bei dem Bau 
seiner Villa gefunden wurden, in Turmform zusammen- 
setzen lassen. 

Eine riesige Inschrift im Vordergrunde schreit uns 
jetzt laut „Mangani“ entgegen, und ladet so zum 
Besuche einer der beliebtesten Osterien ein, die wegen 
ihrer weiten Aussicht auf das Albanergebirge be- 
rühmt ist. 

Uns aber erwarten noch schönere Ausblicke. 
Rechts im Vordergrunde lockt ein knallrotes Gebäude, 
das zur Batteria Nomentana, einem kleinen 
Brückenkopffort, gehört. Wir passieren die Zoll- 
barriere und stehen nun auf der Brücke über der 
Eisenbahnschlucht. 

Schön, feierlich, erhaben zeigt sich hier die Cam- 
pagna. 

Auf dem grünen Teppich der Hügelwüste, die sich 
bis zum Monte Gennaro hinzieht, wogt und wallt, 
huscht, zittert, wabert und zuckt ein toller Farben- 
und Lichtertanz, der alle Schattierungen von Grün, 
Blau, Schwarz und Gold zeigt. Wir drehen uns, um 
das Landschaftsschauspiel methodisch zu genießen. 
Rechts erblicken wir zuerst das Cypressendiadem des 
Monte Mario, dann entziehen uns bizarre Hügel den 
Ausblick nach Norden, bis braune Schluchten klaffen, 
und der Sorakte sichtbar wird. Im Osten vor uns 
schimmern die veilchenblauen Sabinerberge mit dem 
goldig funkelnden, behaglich zur Ruhe ausgestreckten 
Tivoli, drauf erscheinen rechts über dem vom Anio 
durchzogenen und durch Dutzende von alten Wart- 





112 III III IF TFT TFT TFT TFT TFT TFT TFTHITTNT 


türmen interpunktierten Steppenmeer die dunkelblauen 
Albanerberge. 

Links und rechts in nächster Nähe bauen sich 
jetzt Wagenburgen auf; denn die Osterien auf den 
Hügelkuppen erfreuen sich guten Zuspruchs. Der 
Drehklaviere Gejammer scheucht uns weiter. Wir eilen 
den Berg hinunter, obschon uns noch manche Osteria 
zum Bleiben lockt, unter andrem die „Wirtschaft zum 
Hügel der Hebe‘‘, die sogar frische Forellen aus dem 
Anio verheiBt. Bald kommen wir zum . Pro 


Ponte Nomentano, 


der alten Torburgbrücke, die sich über dem von den 
Frühlingswassern geschwellten braunen Anio zieht. Ist | 
das malerisch! Kein Wunder, daß fast kein Land- 
schaftsmaler Rom verläßt, ohne sein Können an der 
Wiedergabe dieses idyllischen Bildes erprobt zu haben. 
Wenn dieser alte düstere Bau erzählen könnte, was 
und wen er schon alles gesehen, wie oft um ihn hed 
gestritten, wie oft er auch abgebrochen und wieder 
erneuert wurde! Römische, gallische, gotische, 
griechische, sarazenische, deutsche, spanische, franzö- | 
sische Ritter und Reisige zogen im Laufe der Jahr- | 
hunderte über ihn, in Gesellschaft von Kaisern, | 
Königen, Päpsten und Fürsten. Einstmals kamen je- 
doch auch zur Abwechslung Plebejer; haben wir näm- 
lich die Brücke überschritten, so hält uns zur Rechten 
die „Osteria Panorama“ an, die auch den Nebentitér 
führt: „Trionfo di Roma per vedere il Monte Sacro.“ 
Wir sind am 
heiligen Berge. 


Unsere Jugendzeit dämmert wieder herauf au a 
Zeiten Schoß. Auf der Schulbank sitzend, laus 










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wir auf den Lehrer, der uns von dem Auszug der 
Plebs im Jahre 494 v. Chr. erzählt. Das ist also der 
Berg, auf welchem die von den Patriziern so oft 
betrogene Plebs eine eigene Stadt gründen wollte! 
Neben der Osterie führt ein primitiver Treppenweg 
zum grünen kahlen Hügel hinan, der nach modernen 
Begriffen als Bauplatz für eine Stadt etwas klein er- 
scheint. Hier also war die Stätte, wo der schlaue 
„krasse Bourgeois‘‘ Menenius Agrippa die streikenden 
Proletarier durch die Fabel von der Rebellion der 
Glieder gegen den Magen zur Besinnung brachte. 
Heute würde wohl etwas mehr dazu gehören, um 
eine Episode des ewigen Klassenkampfes zu beenden. 
Aber — Schönheitssinn läßt sich den Plebejern von 
dazumal nicht absprechen; denn die Aussicht von 
diesem isolierten grünen Tuffsteinklotz ist einzig. Da 
Sonntag ist, ist sie zudem eine Aussicht mit Dreh- 
klavierbegleitung, in welche hie und da auch Guitarre 
und Mandoline hineinzirpen. Im Norden grüßt der 
ciminische Wald, die Rocca Romana und die Berge 
von Bazzano. Auch die Straße unter uns ist schön, 
namentlich an der Stelle, wo zwei Grabruinen trotzig 
Wache halten vor der weißen ,,Osteria alla Mon- 
tagnola‘‘, die, weil sie auch mit Wagen erreicht werden 
kann, reicher besucht ist, als die Wigwamkneipe auf 
unserem Hügel. Wir erblicken jetzt weiter, gen Osten, 
das malerische, turmgekrönte „Casale dei Pazzi“ (Land- 
haus der Familie Pazzi) mit seinem Gefolge von Pracht- 
pinien, aus denen die Pyramide des Januariusberges 
(Gennaro) herauszuwachsen scheint. Die grüne Hügel- 
steppe rings umher ist mit weißen und braunen Schafen 
gesprenkelt, zwischen denen muntere Esel grasen. 
Hellere Töne bringen in das Grün die rotblauen Helm- 
Zacher, Was die Campagna erzählt. 8 


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büsche der Carabinieri, und die leuchtenden Kleider 
blumensuchender Mädchen, die in den von Gänse- 
blümchen beschneiten Wiesen lustwandeln. Und wieder 
schweift unser Blick zu den Stadtburgen der Albaner- 
berge. 

Fürwahr ein schöner Platz und zu allen Jahres- 
zeiten schön, auch im Winter, wenn die tollen Fuchs- 
jagden durch die Campagna rasen.*) — 

Hier und da fällt ein Schuß aus der Flinte eines 
Sonntagsjägers, der aus Mangel an andrem Wild auf 
Singvögel pürscht. Die Luft ist lind und weich. Da 
wir wissen, daß die Farben der Landschaft, je näher 
der Abend kommt, desto satter und leuchtkräftiger 
werden, so nehmen wir vor dem Wigwam an einem 
Tische Platz, um Aussicht mit Wein zu genießen. 
Plötzlich erinnert uns Gläser- und Tellerklappern daran, 
daß wir in der österlichen Zeit sind, wo der 
Römer seine Bankette in der Campagna abzuhalten 
beginnt, die er fortsetzt, bis ihm Pfingsten Vorwand 
zu neuen gibt, und die er erst recht wieder aufnimmt, 
wenn der zweite Frühling des Oktobers kommt. Schon 
nahen sich auch die Hausierer, die Kürbiskerne, ge- 
brannte Haselnüsse und Biskuits feil bieten. Selbst 
der Austernhändler, der „ostricaro‘“, kommt, dessen 
Ware jedoch nur mit Vorsicht zu genießen ist. Jetzt 
singt auch das tapfer bechernde Volk ringsum, ja einige 
Männer tanzen miteinander und zeigen dabei in ihren 
Mienen den traditionell vorgeschriebenen Ernst. Wir 
schauen auf die reich besetzten Tische: Schinken, 
Eier, Salat, Lammfleisch, frische grüne Bohnen werden 
in ganz unglaublichen Mengen vertilgt. Ein schäbig- 
gentiler Herr in schwarzem, fettigem Jacket, kragen- 


*) „Aus Vatikan und Quirinal‘“ S. 78. 


EIIIIIIIIIITIITITIITIOITIUIUTI TI IT 115 


losem Wollhemd und schwarzem steifen Hut nähert 
sich uns. Er setzt sich vor uns ins Gras, und da er 
uns als Deutsche erkannt hat, klimpert er auf der 
Guitarre — o wie romantisch! — Santa Lucia. Dann 
zieht er seinen Hut und — zeigt, daß er ein vor- 
sichtiger Mann ist; denn seinen kahlen Schopf schützte 
er durch eine eng anliegende schwarze Pelzhaube. 
Nachdem er seinen Obolus empfangen, setzt er sich 
nieder, klemmt ein Stück Papier zwischen seinen Mund 
und die an diesen angepreßte Guitarre und spielt sich 
als Mundharmonikakünstler auf. Nach ihm kommt 
der übliche „arme Blinde“ in mehreren nicht ganz 
einwandfreien Exemplaren. 

Unterdessen wird das Landschaftsbild immer 
schöner. Einige auf das Sonnenlicht neidische Wolken 
sorgen für Variation; die von ihnen beschatteten Stellen 
heben sich ganz phantastisch ab von dem in hellster 
Lichtflut prangenden Rest der Campagna. 

Kurz vor Sonnenuntergang, wenn der westliche 
Himmel purpurn zu erglühen beginnt, machen wir uns 
auf die Rückkehr; denn nun wird die Landstraße noch 
malerischer, als vorher, weil das feinere Bürgertum in 
Karosse und Droschke nach Hause zurückkehrt, und 
dazwischen Gevatter Schneider und Handschuhmacher 
mit Weib und Kind zu Fuße traben, während von der 
Stadt her das Landvolk, das seine Wocheneinkäufe 
gemacht, zu seinen Campagnahütten strebt. Schaut 
doch nur vor der nomentanischen Brücke das junge 
Bauernweib, das seinen Esel im Herrensitz reitet! Alles 
bleibt bewundernd stehen ob seiner Schönheit. Es 
ist dekolletiert, so daß sein herrlicher echt römischer 
Hals und die feinen Linien des Nackenansatzes sicht- 
bar sind, ein buntes Seidentuch deckt Busen und 

g* 


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Rücken, das viereckige weiße Tuch den Kopf. Weiter 
folgt ein Bauernpatriarch, der zu Fuße geht und eine 
ganze Herde von Eseln, auf denen Frauen sitzen, vor 
sich her treibt. Zum Zeitvertreib haut er ab und zu 
mit langem Stab den säumigen Grautieren auf das 
viel erprobte Hinterteil. Und zwischen den Landleuten 
sieht man die hochbusigen, aber hutlosen Römerinnen 
aus dem Volke, die im reichsten Juwelenschmuck 
prangen. — 

Die vielen Osterien der Via Nomentana aber, die 
im Bereiche der ,,tramways“ liegen, sind noch voll 
besetzt; denn, wer sich’s leisten kann, hält seine ,,cena“ 
(Abendessen) lieber im luftigen Kneipgarten, als im 
dumpfigen Heim. Nur eines fällt uns als Hauptsache 
auf. Nirgends, weder auf der Straße, noch in der 
Kneipe, geht es wüst zu; denn der „Römer von Rom“ 
hält in der Öffentlichkeit auf Würde. 





Vor Porta San Lorenzo. 


Um mit dieser Tour einen Nachmittag zu füllen, 
verbinde man mit ihr die Besichtigung des römischen 
Juxplatzes auf der Piazza Guglielmo Pepe,*) der 
Kirche San Lorenzo und des Kirchhofs. Bleibt dann 
noch Zeit, und ist sehr schönes Wetter, so schließe 
man mit der im folgenden Kapitel beschriebenen 
Wagentour. 

Die Ausreise beginnt unter der Eisenbahnunter- 
führung am Arco Bibbiano. Zuerst kommt man auf 


*) Römische Augenblicksbilder S. 6. 


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einen weiten Platz, der in die Via Tiburtina (StraBe 
nach Tibur-Tivoli) ausläuft, die im Hintergrunde die 
Cypressen des Kirchhofs zeigt. Wir sind im Elends- 
quartier von S. Lorenzo, das man nächtlicherweise gern 
vermeidet.*) Schauen wir rechts die Stadtmauer ent- 
lang, so entdecken wir vielgestaltiges Volksleben, aus- 
staffiert mit viel Kindervolk in schmutzigster, malerisch- 
ster Abwechslung. Die Mauernischen sind zu Läden 
gewandelt, Fleischer, Schuster, Barbiere, Fruchthändler 
hantieren dort unter freiem Himmel. Hausierer um- 
schwärmen uns, einer trägt auf einem -Gerüst einen 
ganzen Wald von künstlichen Blumen und Papier- 
fähnchen. Eine Gruppe großer Schulknaben zieht zu 
einem Dauermarsch aus. Sie sehen schmuck, ja fast 
elegant aus in ihrer grüngrauen Leinwanduniform. 
Einige Samariter, die rotbekreuzte weiße Binde am 
rechten Arme, fahren auf dem Zweirad hinter ihnen 
drein. 

Weiter! Geradeaus gehend drängen sich statt- 
liche, aber verwahrloste Großstadthäuser auf. Zwei 
elegante Vorstadtstutzer, den Hut herausfordernd im 
Nacken und mit frechem Blick, kommen uns entgegen. 
Zweifelhafte Gestalten sind’s, denen das Messer viel- 
leicht recht locker in der Tasche sitzt. Zur Linken 
pfeift die Dampfbahn, die nach Tivoli fährt. Rechts 
aber erscheinen jetzt Ladengewölbe, wo der Handel 
des Lebens mit dem des Todes abwechselt: Osterien, 
Metzgerladen, Kranzläden und Steinmetzgewölbe mit 
unzähligen Kreuzen — Osterien, Marmorgeschäfte, 
Spezereiliden — Osterien, Blumenladen in bunter 
Folge, bis wir zum Vorplatz des Kirchhofs kommen. 


*) S. Niceforo „La mala vita a Roma‘. 


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Wir folgen der Straße links. Eine auffallend mäch- 
tige Pinie hoch über uns läßt uns aufschauen, und 
wir bemerken eine Inschrift an der Wand: „Nuova 
osteria del Pino‘‘ (Neue Pinienschenke). Da sie noch 
neu ist, müssen wir sie entdecken. Folglich steigen 
wir hinan. Haben wir das alte malerische Tor durch- 
schritten, so empfängt es uns wie Friedhofsgeruch. 
Boecklinsche Stimmung ergreift uns. Rechts und links 
starren dunkle Mauern aus Buchsbaum und Cypresse. 
Wie das feierlich ist! Zu einem antiken Tempelhain 
scheinen wir. zu schreiten, und jeden Augenblick er- 
warten wir aus dem Gebüsche die Priesterinnen von 
Boecklins Toteninsel hervorschreiten zu sehen. So 
kommen wir zum Vorplatz, der einem kleinen antiken 
Amphitheater gleicht, dessen Stufen halb freigelegt 
sind. Schön und ruhig ist es hier, doch lange leidet 
es uns nicht; denn wir suchen Aussicht. 

Zum Tor kehren wir zurück unter den Pinien- 
baldachin. Eine Nische, deren Rückwand überwuchert 
ist vom ersten Maiengrün, bietet guten Sitz. Der 
Fuß wühlt in einem Teppich, der aus MaBliebchen, 
Klette, Borax, Wegerich und hunderterlei Gräsern ge- 
wirkt ist. Vor uns liegt das Obergeschoß der Fassade 
von San Lorenzo, greifbar nahe, so daß wir dessen 
Freskenschmuck eingehend betrachten können. Das 
Bild ist links und rechts von Cypressen umrahmt. 
Auch das weiß und rote Friedhofstor winkt herüber. 
Wie kontrastiert die üppige Vegetation ringsum mit 
dem Bilde des Todes, das der Friedhof bietet! 

Unbemerkt kommt man hier ins Träumen: 


„Wir sind aus solchem Stoff geformt, wie Träume, 
Und unser kleines Leben umgibt ein Schlaf.“ 


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Wie viele Tausende zogen schon durch jenes Tor, 
um nimmer wiederzukehren! 

Der Vorplatz ist still, Hier zog im Sommer 1268 
ein deutscher Träumer, Konradin geheißen, vorüber, 
der Niederlage von Tagliacozzo entgegen. Hier tobte 
am 20. November 1347 die Schlacht der Colonna gegen 
den Volkstribunen, der jetzt auf der Kapitolstreppe 
verewigt ist, Cola Rienzi, als er von der Belagerung 
Marinos zurückkehrte. Drei Colonnas fielen in dem 
blutigen Kampfe, und mit ihnen achtzig Edle. Zwei 
Menschenalter später sehen wir wieder einen Colonna 
auf diesem Platze, 1424; er bringt die Leiche des 
größten Condottiere seiner Zeit, Braccio di Montone, 
genannt Fortebraccio (Starkarm), der des Papstes 
Martin V., des Chefs seines Hauses, heftigster Wider- 
sacher gewesen. Martin übte noch an dem Toten 
Rache, indem er ihn vor der Lorenzokirche verscharren 
und auf seinem Grabe eine Schmähschrift anbringen 
ließ. Freilich hatte Starkarm es toll getrieben. In 
Viterbo hatte er Mönche lebend in die heißen Quellen 
gestoßen, und sich nebenbei hundertmal verschworen, 
er werde den Papst noch so weit bringen, daß er 
hundert Messen für einen Pfennig lise. — 

Genug der alten Historien. Ziehen wir lieber in 
die freie Campagna! Zuerst müssen wir um den 
großen Kirchhof herum. Zur Rechten schickt dieser 
einen vestengleich hoch aufragenden Arm vor, der 
San Lorenzo umklammert. Die Mauer ist oben durch 
offene Bogenfenster durchbrochen, aus denen weiße 
Grabdenkmäler hervorlugen. Eines zieht uns beson- 
ders wegen seiner Lieblichkeit an. Es ist das Marmor- 
bild eines zarten Kindes, das unser Herz mit Weh- 
mut füllt. Und wie die Cypressen, diese Trauer- 


120 3IIIIIIT IF HF ICH THF TFT TH TTF TFT FF TFT T 
prediger, über der Mauer winken, und uns in die 
Stimmung versetzen, als sähen wir Klingers oder 
Greiners ernste Radierungen, die den Triumphzug des 
Todes behandeln. Das ist die richtige Stimmung für 
den, der die Campagna als „das Totenfeld der Ge- 
schichte‘‘ betrachten will. 

Die Straße wird schlecht, links sehen wir Äcker 
und Weingärten, rechts, begleiten uns längs der braunen 
Friedhofsmauer von Blüten gepuderte Lärchen, über 
denen wieder die „schwarzen Gesellen“, die Cypressen 
dräuen. Unwillkürlich atmen wir darum auf, wenn 
wir den Eisenbahnübergang erreicht haben. Hier öffnet 
sich der freie Ausblick auf die grüne Wiesensteppe 
Ist das Panorama auch nicht so imponierend, wie das, 
welches die Zollbarriere hinter Sant Agnese bietet, 
so ist es doch ein Stück der Campagna, wie es Aristide 
Sartorios Künstlerauge liebt. Das ist die Campagna, 
wie sie einstmals Sartorios Interpret Ernst Steinmann 
in einem Feuilleton schilderte: „Der eigenartige Zauber 
der römischen Landschaft tut sich dem Naturfreund 
keineswegs auf einmal kund. Erst wenn wir lange 
in intimem Verkehr mit ihr gelebt, wenn wir mit 
offenen Augen und empfänglichem Gemüt nach allen 
Richtungen ihre unendlichen Weiten durchmaßen, wenn . 
wir sie ernst und dringend um die Geheimnisse ihrer 
Schönheit fragten, beginnt sie zu reden. . . . Schweigen 
und Einsamkeit begleiten den Wandrer, und er fühlt 
sich allein mit sich selbst und einer ungeheuren schick- 
salsschweren Vergangenheit. Dem Meeresspiegel ver- 
` gleichbar, breitet sich vor ihm in ruhigen Wellenlinien 
die unermeßliche Ebene aus. Hier und dort ragt eine 
Pinie empor; ein grauer Turm, die Reste einer antiken 
Villa, die Strohhütte eines Campagnolen, der in der 


FFFFFTSTISTITIFSIFSSFFFIFIFSSISISSSS 121 


Nähe seine Schafe weiden läßt, das sind die wenigen 
Zeugen menschlicher Gegenwart in diesen Gefilden 
einst und jetzt... . Die Schatten der Vergangenheit 
ruhen über diesen Feldern, und keine Menschenhand 
vermochte je die träumende Natur aus tausendjährigem 
Schlummer zu wecken. Ja, die Campagna Roms würde 
wie ein aufgeschlagenes Schicksalsbuch dem Wandrer 
nur von dem großen Verhängnis zu erzählen wissen, 
dem Mensch und Menschheit unterworfen sind, breitete 
nicht der blaue Himmel all seinen Glanz über diesem 
erinnerungsvollen Boden aus, begrenzten nicht die 
klassisch ruhigen Bergeslinien den fernen Horizont, 
schmückte nicht ein unbeschreiblicher Reichtum von 
Form und Licht und Farbe die Landschaft mit immer 
neuen unerschöpften Reizen. So verklärt hier die 
Schönheit das Erhabene, und Vergängliches und Ewiges 
reichen sich versöhnt die Hände.“ — 

Schritte ertönen. Bürgersleute kommen, die im 
nahen Anio dem Fischsport gehuldigt. Wir gehen 
weiter, und an der mit rotem Eisenblech bekleideten 
„Osteria dei Cacciatori‘‘ (Jägerschenke) vorüber. Die 
Straße gräbt sich in die grünen Hügelwogen ein und 
führt zum Ponte Mammolo, wo wir Halt machen. 
Hier wird man bei längerem Verweilen gewahr, worin 
der eigentliche Zauber, der geheimnisvolle Reiz der 
Campagna liegt. Stehen wir am Travertingeländer 
der Brücke und schauen links auf den braunen Anio, 
der von Pappeln besäumt ist und ein Bild stellt, wie 
es Poussin gemalt haben könnte; da werden wir auch 
wieder inne, daß unser Auge erst durch die Bilder, 
Zeichnungen und Stiche der Campagnamaler, mögen 
sie nun Filiberto Petiti, Aristide Sartorio, Franz Aerni, 
Coleman, Romolo Koelman, Max Roeder oder sonst 


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wie heißen, gewissermaßen geschult sein muß, wenn 
wir die Campagna recht genießen wollen. Sieht man, 
wie sich hier ringsum die kapriziöse grüne Wüste in 
Hügelpurzelbäumen, in Beulen und Buckeln gefällt, 
und so eine wahre Orgie von Licht- und Schatten- 
spielen aufführt, verfolgt man die ruhigen edlen Linien 
der Landschaft, erblickt die braunen Rißwunden im 
grünen Fleisch der Hügel, die Grotten gleichen, und 
klettert dann mit entzücktem Auge die Rampe der 
Albanerberge bis zur höchsten Spitze hinauf — dann 
überschleicht den Wanderer bald die Ahnung dessen, 
was römische Campagna bedeutet. 

Und nun erst die Vegetation am Ufer des Anio! 
Wie das grünt und blüht in Baum und Strauch! 
Patzig flammen die Mohnblumen dazwischen. Und 
Finken zwitschern voll Freude über den Frühlings- 
schmuck in der Runde, Lerchen trillern. Doch auch 
unangenehmere Geräusche hört man in der sonst so 
feierlichen Stille. Frösche quaken, und Räder knarren. 
Auf hohen Karren fährt ernstes, still vor sich hin- 
brütendes Bauernvolk dem Gebirge zu. — Wir kehren 
zurück. Links schielen uns die Marmorgruppen vom 
Lateransdom zu, rechts grüßen die Cypressen vom 
Monte Mario. Vor der roten Osteriehiitte mit dem 
roten Eisenblechpanzer machen wir Rast unter Ahorn- 
bäumen. Es sitzt sich gut hier in der Einsamkeit, 
und des Wirtes Töchterlein ist ein liebliches, wenn 
auch ernstes Mädchen, das seinen Pflichten als Hebe 
sehr würdevoll nachkommt. Jetzt bemerken wir auch, 
daß der Wirt ein unparteiischer Mann ist; denn er 
nennt seine Hütte nicht nur „Kneipe für Jäger‘‘, son- 
dern auch „für Fischer“ und dann „für alle“, er hat 
außerdem noch ein übriges getan, und zu seiner 


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Inschrift der besseren Erläuterung wegen — gibt es 
doch in der Campagna noch viele Analphabeten — 
Jäger und Fischer hübsch malen lassen. — 
Während der Rast erquickt außer dem goldenen 
Wein die Aussicht auf den von goldnen und silbernen 
Blumen durchwirkten: Wiesenteppich. Der Wind fächelt 
lau und lind. Fast wäre man versucht, in der Manier 
der alten Schäferpoesie ein Lied auf den Zephyr zu 
dichten, der Amaryllis und Chloe schäkernd umkost. — 





Verbindungsweg von Via Tiburtina nach 
Via Appia Nuova. 


Vorbemerkung: Dieser Weg eignet sich auch als 
Repetirkursus für diejenigen, die schon Porta Furba, 
Via Appia nuova und Via Appia antica (siehe unten) 
kennen. 

Von der Osteria dei Cacciatori hinter dem 
Eisenbahnübergang auf Via Tiburtina (siehe vorige 
Seite) führt rechts ein fahrbarer Weg ab zum Tal der 
Maranella. Geradeaus in der Ferne erblicken wir das 
weite Tor des Aquädukts der Aqua Felice, das einen 
schönen Durchblick auf die Gegend der Via Appia 
nuova bietet. Links erscheint über den Hügeln die 
Kuppe des mons Albanus, rechts die Cypressen des 
Kirchhofs. Ringsum umgibt uns Hügelland. Links 
ragt ein burgähnliches Haus. 

Der Weg wimmelt von Eidechsen. Arme Tiere, 
die so oft verurteilt werden, im Dienst der Kunst und 
Fremdenindustrie unter der Hand des Broncegießers 
zu sterben, der sie lebend in Gips begräbt. 


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Neben dem burgähnlichen Hause erblickt man 
einen offenen Schuppen, ein Dach auf schweren 
Pilastern ruhend. Es ist der Typus der römischen 
Scheune. In diesem milden Klima braucht des Bodens 
Frucht nicht ängstlich vor Wind und Wetter geschützt 
zu werden. Bald sieht man auch einen langgestreckten 
Brunnen. Wir Schulkinder konnten daheim nie be- 
greifen, warum Abraham und Loth in der Bibel soviel 
Wesens aus einem Brunnen machten, hätte man uns 
aber in die Campagna geführt, und gezeigt, wie die 
Herden oft stundenweit zur nächsten Tränke ziehen 
müssen, unser Verständnis wäre schnell gekommen. 
Jetzt tauchen Rinderherden auf; wie das Sonnenlicht 
auf dem braunen und grauen Fell der wiirdevollen 
Ochsen herumtanzt, und wie schön deren lange Hörner 
wirken! Auch freiheitliebende Pferde traben herum. 
Die Frühlingsluft scheint sie zu kitzeln. Ein stolzer 
Pferdejüngling scheint besonders empfänglich zu sein 
für den Reiz des Frühlings, kosend naht er sich einer 
zagen Pferdemaid, die darob entsetzt in ihrer herben 
Sprödigkeit über das Gatter auf die Straße springt. 
Und er ihr nach! Hei, gibt das ein Jagen. Endlich 
hat er sie erreicht und küßt ihr schäkernd Wange und 
Mähne. Doch wieder reißt sie sich los, und schreiend 
und keuchend laufen die Buben des Hirten den Flücht- 
lingen nach, bis die fliehende Stute, durch einen ent- 
gegenkommenden Karren erschreckt, sich umwendet 
und über das nächste Gatter zum Weideplatz zurück- 
kehrt, gefolgt vom Genossen. Dessen Geberdespiel 
ist köstlich, bald naht er schüchtern, bald gebieterisch 
drohend. Plötzlich schlägt er voller Wut mit den 
Hinterbeinen aus, sie tut dasselbe, worauf er fast 
brüllend seine Enttäuschung klagt. Doch die Hirten- 


FFFFSFFFIFIFFFIFFIFIFIFIFIFISS9IS9S 125 


buben kommen und führen beide zur Pflicht zurück. 
Der eben noch so übermütige Geselle senkt den Kopf; 
ein Bild des Jammers. 

Einem blutroten Signal vergleichbar, leuchtet jetzt 
mitten aus dem lächelnden sanften Grün das Gemäuer 
eines Pulverhauses. 

Bald überschreiten wir die von der Porta Maggiore 
kommende Via Praenestina, und nach einigen Mi- 
nuten kommen wir zur Via Labicana. 

Am Kreuzweg steht die Osteria Maranella, 
die als Vorbau eine lauschige Rohrlaube zeigt. Halten 
wir einen Augenblick; denn diese Kneipe, an der alle 
Fuhrleute rasten, um ihre Pferde an dem ewig plät- 
schernden Brunnen zu tränken, bietet einen guten 
Beobachtungsposten für das Treiben der Campagnolen. 
Deren Gespräch untereinander und mit den Kneip- 
gästen beweist, daß Amtsstolz und Standeseitelkeit 
auch unter ihnen zu finden ist. Ein Kutscher, der 
sich fast städtisch herausgeputzt hat, lobt jetzt gerade 
seine Geschicklichkeit in der Kunst, den Zollwächtern 
am Tor ein Schnippchen zu schlagen. Bald erscheinen 
auch liebliche halbflügge Mädchen und pralle schwarz- 
haarige Frauen in schreiend buntem Gewand, um 
ihre gelb glasierten Töpfe am Brunnen zu füllen. 
Aus der Wirtsstube aber dringt Geschrei; denn einige 
Fuhrleute spielen ,,tre sette‘‘ oder „briscola“ (ein 
unserem Sechsundsechzig ähnliches Spiel) mit ver- 
schmutzten Fettkarten, die dem Ausländer unverständ- 
lich sind. Neues Geschrei beginnen jetzt ihre draußen 
stehenden Kollegen, die zur Abwechslung das ver- 
botene Morraspiel beginnen. Zuerst bemerken wir 
nur, wie sich die beiden Gegner wütend eine Hand- 
voll Finger entgegenschleudern. Es bedarf längerer 


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Beobachtung, um hinter den Reiz des Spiels zu kom- 
men, das viel Intelligenz erfordert. Jetzt greift die 
Spiellust auch auf die Kinder über, ‘sie suchen sich 
flache Steine und spielen mit ihnen Boccia. Das 
erinnert mich an die Schilderung, die der römische 
Maler de Sanctis von den deutschen Kollegen um die 
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, den Schülern 
von Cornelius- und Overbeck, den sogenannten „Naza- 
renern“ entwirft. „Diese Alemannen trugen lange 
Haare und langen gespaltenen Bart. In der Kleidung 
waren sie nachlässig, sie hatten großes Schuhzeug, 
weshalb man sie auch als „scarponi“ (Großstiefel) 
verspottete. Sie bildeten eine Art von Sekte, die als 
einzigen Lebenszweck das Studium der Kunst be- 
zeichnete, und jede fröhliche Gemeinschaft mit andren 
und jeden Ort floh, wo es lustig zuging. Ihre einzige 
Erholung bildeten Ausflüge zu FuB,*) wobei sie den 
Marsch mit Wurfspielen würzten, wie sie von den 
Römerzeiten her noch bei den Leuten des Volks 
üblich sind.“ — 

Und wiederum erhebt sich lautes Geschrei. 
Städtische Ausflügler sind in Gigs und leichten Korb- 
wägelchen vorbei- und gegeneinandergefahren, da sie 
die Lust am Wettfahren erfaßte, die den Römern im 
Blute liegt. Nun kann man erleben, wie meisterlich 
die „Römer von Rom“ das Fluchen verstehen. 

Wir ziehen weiter. In der Richtung, in der wir 
gekommen. Vor uns erhebt sich aus blühendem 
Erbsenfeld die mächtige braune efeuumsponnene 
Ruinenwand der Reste der alten Wasserleitung des 
Claudius, und nun schauen wir überrascht nach links. 
Eine Lücke zwischen den Hügeln zeigt den Eukalyptus- 


*) Das ist natürlich einem Römer unbegreiflich. A. d. V. 


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gürtel des Forts Centocelle, und darüber erhebt sich 
leuchtend das grell gleißende Frascati. 

Durch die Aquädukte und unter zwei Eisenbahn- 
linien her kommen wir zur Via di Frascati und 
sehen links die Porta Furba (s. S. 138), über der 
der Mons Albanus mit der Kapelle der Madonna del 
Tufo erscheint, die wie ein weißes Signallicht brennt. 
Und weiter ziehen wir der Via Appia nuova zu. 
Bald genießen wir wieder einen unvergleichlich schönen 
Ausblick auf das Albanergebirge, das links von den 
Aquädukten und rechts von einer üppig grünenden 
Wiesenhalde umrahmt ist. Dann erblicken wir die 
viereckigen roten und gelben Blöcke der Latinergräber 
(s. S. 145), und erreichen an der Via Appia Nuova 
die „Osteria dei velocipedisti“, eine elende Bretter- 
hütte, von der eine Militärstraße zu den rot flammenden 
Pulverhäusern und zur Via Appia antica führt. Das 
Panorama ist entziickend. Links schauen wir die 
Piniengruppe der Aqua santa, im Vordergrunde das 
Grabmal der Caecilia Metella und rechts den Busch 
der Egeria. 





Vor Porta Maggiore. 
(Via Praenestina — Via Collatina — Cervaragrotten.) 


Die Via Praenestina wird unverdienterweise von 
dem Gros der Touristen fast nie besucht. Die egoisti- 
schen Campagnakenner freuen sich dessen, ebenso 
des Umstandes, daß hier die schönsten Punkte 
noch nicht photographiert sind, und also noch nicht 


128 I5IIIII III FF F TS IH IF F HH FF HH FT IH HF FF FF HH 


schwarz und weiß aus dem Laden mitgenommen wer- 
den können. Ganz große Egoisten bemerken sogar, 
gerade darin liege der Hauptreiz der Straße, daß sie ` 
sich durch das Fernbleiben der reisenden Kultur- 
menschheit ihre keusche Ursprünglichkeit und den 
Charakter der einsamen Größe bewahrt habe. Jeden- 
falls ist das eine wahr, noch findet man auf der Straße 
nach Palestrina das moderne Plakatungeziefer nicht, 
das leider schon die Via Appia heimsucht. 

Die Tour ist immer schön, am schönsten freilich 
im Frühsommer oder im Oktober. Im letzteren Monat 
hat man auch Gelegenheit, das Volkstreiben zu be- 
wundern, das sich zur Zeit der Weinernte vor Porta 
Maggiore laut macht. | 

Porta Maggiore, so genannt, weil sie ein 
Doppeltor ist, darf man wohl das schönste Tor Roms 
nennen. Während das Johannestor, das Pauls- und 
Sebastianstor mehr Torburgen gleichen, stehen wir 
hier vor einem Triumphbogen, der auch schon durch 
den goldigen Ton seines Gesteins (Travertin, Kalkstein 
aus Tivoli) schön wirkt. Die großen Inschriften im 
Oberbau belehren uns, daß Kaiser Claudius die beiden 
Wasserleitungen Claudia und Anio Novus (s. S. 137) 
durch das Tor leitete, und daß Titus und Vespasian 
diese ausbesserten. Erinnert uns so der herrliche Bau 
an die ersten Zeiten des Kaiserreichs, denen Rom 
seine prächtigsten Monumente, wie das Kolosseum 
und den Titusbogen verdankt, so mahnt uns das kuriose 
Denkmal, das vor dem Tor halb aus der Erde hervor- 
ragt, an die Epoche des Pompejus und Lucullus, als 
sich in Rom, wie wir heute sagen würden, der Imperia- 
lismus breit machte, und der Weltverkehr und der 
gesteigerte Geldumlauf riesige Reichtümer in Rom auf- 





<I: 


FIFFFFIFIFIFFFIFIFFFIFFIFIFSISFSISS 129 


hauften. Eurysaces, ein simpler Freigelassener, der 
5 aber seine Zeit verstand, wurde damals vom einfachen 
~ Bäcker der Getreidekönig Italiens und der erste Trai- 
4 teur Roms, der nach und nach fast den gesamten 
Ñ Lebensmittelhandel monopolisierte. Ein Zeichen seines 
#Reichtums ist dies Grab. Während vom Mausoleum 
Ades Augustus nicht viel mehr übrig ist, überdauerte 
las bizarre Denkmal des reichen Spekulanten die Jahr- 
qunderte. — Besonders interessant an dem ofen- 
irmigen Bau sind die Reliefs am oberen Rande, 
{elche Darstellungen aus einem Engros- Bäckerei- 
eet triebe bringen. 
rt Wir wenden uns links, dem Pferdebahngeleise 
gend. Zuerst ziehen wir zwischen langweiligen 
Y öjusern und Mauern, bis wir auf der Höhe bei einer 
"la, deren Wahrzeichen ein riesiger Eukalyptusbaum 
i den ersten Blick auf die freie Campagna tun. Die 
pa senkt sich wieder, wird enger und malerischer. 
Hin den Mauern fallen kaskadengleich Efeufluten her- 
us ie vermischt mit wildem Wein, dazwischen prangt 
iver dem braunen Gemäuer Holunder, Rosen- und 
günstiger Blumenschmuck. Vor dem Bach Maranella 
-;ehe voriges Kapitel) bei der „Osteria dei cacciatori“ 
<iren die Häuser auf. Von der Brücke aus, neben 
rer ein geschwätziger Brunnen unermüdlich seinen 
oo entsendet, sieht man zunächst nur grünes Ge- 
‘nigel, über das sich die Kuppen der Sabiner- und 
éalbanerberge erheben. 
a Viereinhalb Kilometer vor dem Tore erblickt man 
rechts und links Ruinen und Trümmer. Wir treten 
‚5 rechts durch ein Gatter auf einen Weg, der zu Gruben 






are 


feat! 


"von Pozzolanerde (Mörtelerde) führt, und stehen vor 
: dem viereckigen Ziegelrestenstumpf eines antiken Baus. 


Zacher, Was die Campagna erzählt. 9 


13093995533 I III I I TI THF FI S FF HH HT FT FF FH 


Anziehender als dieser Stumpf ist der Platz, auf dem 
er herausragt. Hier fühlt man sich „auf dem Lande“, 
hier fühlt man sich wie ein Großstädter, der den ersten 
Ferientag in der Sommerfrische Natur kneipt. So weit 
man blickt, sieht man nichts als Gras und wieder Gras, 
Ochsen, Pferde und blöde Hirten, die für Ordnung, 
Zucht und — Trennung der Geschlechter durch Draht- 
zaunhürden gesorgt haben, da die männliche Vieh- 
jugend frühlingsübermütig wird. Die ganze Archäo- 
logie kann einem gestohlen werden, wenn man hier 
das geheimnisvolle Wirken des Frühlings in Flora und 
Fauna beobachtet, man möchte gar nicht mehr fort 
von hier, so schön ist’s. Schauen Sie doch nur, wir 
sehen sogar Pyramus und Thisbe durch Pferde dar- 
gestellt. Sie möchten hinüberkommen, der Zaun ach 
war ihnen zu hoch. Drob empört sich Pyramus, und 
in wilden Einherjagen sucht er seiner Gefühle Sturm 
zu meistern, wobei er seinen Grimm durch elegisches 
Gewieher klagt. Donnerwetter! Wie schön der Kerl 
ist in seinem wilden Zorn! 

Doch weiter! Von des Lebens Grün kehren wir 
zum Ruinenbraun der Archäologie zurück; denn zur 
Linken der Landstraße ragen überaus malerische 
Ruinen, Tor de’ Schiavi (Sklaventurm) genannt. Das 
Volk hat sie, wie viele andre Ruinen gleicher Art, 
auch Roma Vecchia getauft. Die Reisebücher erzählen, 
daß es sich hier um Reste der Villa des Gordianus III. 
handelt, und sagen damit zunächst ihren Lesern — 
nichts; denn, Hand aufs Herz — wie viele von uns 
verbinden mit dem Namen Gordianus irgendwelche 
Vorstellung, wenn das Konversationslexikon nicht zur 
Hand ist? Greifen wir also zu diesem oder einem 
andren nützlichen Buche! Dann tauchen uns Namen 








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wie Caracalla, Heliogabal, Alexander Severus auf. Wir 
sind ins Jahr 235 zuriickversetzt. Nachdem Alexander 
Severus bei Mainz ermordet worden, beginnt Maxi- 
minus die Reihe der Soldatenkaiser barbarischer Ab- 
kunft. Er war aber ein böser Mann, der die Tempel, 
welche dazumal die Rolle unserer Depotbanken ver- 
traten, nicht respektierte. Das gab böses Blut, und 
so empörte sich die Provinz Afrika und rief ihren 
achtzigjährigen Oberpräsidenten Gordianus zum Kaiser 
aus. Dieser wurde aber bald darauf zugleich mit 
seinem Sohne Gordianus Il., den er zum Mitregenten 
angenommen hatte, von dem Chef der Nachbarprovinz 
Mauretanien besiegt und ermordet. Das Parlament 
ernannte darauf gleich zwei Kaiser, Balbinus und 
Maximus. Das Heer aber rief, um seine Macht zu 
zeigen, 239 den Enkel des ersten Gordianus, den da- 
mals dreizehnjährigen Gordianus III. zum, Kaiser aus. 
Der Kommandant des Gardekorps Misitheus vermählte 
den kaiserlichen Jüngling mit seiner Tochter, indem 
er ihm zugleich die Bürde der Regierung abnahm, dann 
zog er nach Persien, wo er 244 starb. Sein Nach- 
folger im Kommando, Philippus Arabs, war nicht 
Heuchler genug, um sich mit dem Bewußtsein der 
Macht zu begnügen und einem andren deren holden 
Schein zu lassen, darum ermordete er den mittlerweile 
einundzwanzig Jahre alt gewordenen Gordianus III. 
Merkwürdig! Solche Wirren und Greuel ver- 
knüpfen sich mit diesen malerischen Ruinen. Leider 
können diese wenigen Reste: links das verstüm- 
melte Achteck mit seinem spitzen Splitter, dann da- 
neben der runde flachkupplige Bau, dem ein Stück 
aus Brust und Leib herausgerissen ist, so daß wir in 
sein Inneres blicken, uns unmöglich einen Begriff von 
g* 


132 I$I33I35I II III IH HF FF TH FH FF HF HF FF FF FH 


der Pracht der Kaiservilla geben, die einst hier stand. 
G’sell-Fels zitiert in seinem vorzüglichen Spezialwerk 
über Rom den Geschichtsschreiber Capitolinus, der 
die Villa also beschreibt: „Sie hat eine nach einem 
großen Viereck angelegte Gallerie mit zweihundert 
Säulen; es befinden sich dabei drei Basiliken, jede von 
hundert Säulen gestützt; die übrigen Abteilungen ent- 
sprechen der Pracht des Ganzen, und die Thermen 
sind von der Art, daß man nirgends in der Welt, außer 
in Rom, solche sah.“ Wie uns der Vergleich von einst 
und jetzt ergreift. Was Menschenhand hier schuf, 
zerfiel, während, was Natur hervorbrachte, die herr- 
liche Landschaft rings umher, heute noch ebenso 
schön und strahlend prangt, wie vor siebzehnhundert 
Jahren! Zwar sähe ein Philister hier nur eine Wiese, 
eine hügelige Wiese, platterdings nichts anderes, aber 
wie erscheint diese dem Campagnafreunde, der nicht 
müde wird, nach dem fernen Sorakte zu schauen, oder 
im Osten nach den beiden Kegelvorposten des Sabiner- 
gebirges mit ihren Stadtkronen S. Angelo und Monte- 
celli! 

Wir gehen weiter. Links geht unsere Straße die 
Via Collatina ab (so genannt nach dem alten 
Collatium, das durch die Sage von Lucretia berühmt 
ist), wie ein viereckiger Pfeilerstumpf mit der üblichen 
Aufschrift S. P. Q. R. (Senatus Populus Que Romanus) 
bezeugt. Anfangs sagt uns diese Straße nichts. Wir 
überschreiten zweimal die Eisenbahn nach Tivoli und 
sehen von Zeit zu Zeit aus dem Wiesengrunde kleine 
weiße Pyramidenstümpfe aufragen. Es sind die Köpfe 
der Träger der Aqua Virgo (Aqua Vergine, auch Aqua 
Trevi genannt), die nicht nur die Fontana Trevi, son- 
dern auch die Brunnen auf Piazza Spagna, Navona 


SIIISISIIITIHIHHI THF TFT IT THF TFT TFT TFT 133 


und Farnese speist. Hundertundfünfzig Kubikmeter 
liefert sie in vierundzwanzig Stunden. Es baute sie 
aber M. Agrippa, der auch das Pantheon aufführte. 

Hinter dem siebenten Kilometer erreichen wir die 
Höhe, der „Turm der Weisheit‘, tor di Sapienza 
kommt in Sicht. Weiß ist sein Zinnen-Unterbau, braun 
sein ebenfalls zinnengekrönter Turmteil. Von unserer 
Straße her bis zu ihm zieht sich senkrecht eine Reihe 
giebelförmiger Rohrhütten, die Wohnungen der Guts- 
arbeiter. Wie ein Negerdorf sieht’s aus. 

Wir steigen auf das Gatter zur Linken. Von dem 
luftigen Sitze genießt man einen prächtigen Rundblick, 
der Rom, Monte Mario und die beiden Gebirgsgruppen 
im Osten erfaßt. Dann gehen wir durch das Gatter 
links nach Norden, passieren zur Linken das mittel- 
alterliche Burggehöft (Casale), Cervaretti und kommen 
dann zu andren ländlichen Häuslein und zu den: 


Cervaragrotten, 


bei deren Schilderung G’sell-Fels irrtümlich schreibt: 
„Die Künstler feiern hier zeitweise in großen maleri- 
schen Aufzügen das Maifest.“‘ Leider ist das nicht 
mehr wahr. Auch von den Cervarafesten heißt es, wie 
so oft in der Campagna: Es war einmal. 

Bei dem Ponte Molle haben wir schon das lustige 
Treiben der alten deutschen Künstler und ihres „Ordens 
von Bajocco“ kennen gelernt. Aber die Bajoccoritter 
gaben sich mit ihren periodischen Stadtfesten nicht 
zufrieden, sondern machten auch zur Lenzeszeit ge- 
meinschaftliche Ausflüge. 1814 fand der erste statt. 
Das Fest gefiel so gut, daß man beschloß, es all- 
jährlich als Maifest zu wiederholen. In den ersten 
Jahren wechselte man noch des öftern den Schauplatz, 


134 SIIIIIFFITFFFF FF FH FFC H THF FIT IF FF SF FFIH 


man zog von dem Metellagrab zum Egeriahain, dann 
zur Tor’ di Quinto, oder ins Poussintal, bis der alte 
Reinhardt die berühmten Tuffsteingrotten von Cervara 
entdeckte. Von diesem Tage an entwickelte sich das 
Fest zu dem großen Künstlerspuk, den die Römer von 
damals den „Carneval der Deutschen“ nannten. Mor- 
gens früh versammelte sich das Künstlervolk, das durch 
die „Ordner“ in „Kohorten‘ eingeteilt war, in drei 
Abteilungen gesondert, je nachdem es auf Eseln, Pfer- 
den oder Füßen spazierte, vor der Porta Maggiore. 
Hier beeilte sich männiglich in ein buntes Masken- 
kostüm zu schlüpfen, der hohen Geistlichkeit zum 
Trotz, die innerhalb der Stadt die Faschingstracht nicht 
duldete. Hatte man sich vermummt, und je nach den 
verschiedenen Abteilungen die rote, blaue oder grüne 
Feder aufgesteckt, die als Erkennungszeichen diente, 
so die Wissenden vom profanen Volgus schied, dann 
setzte sich der Heerhaufen in Bewegung, gefolgt von 
der Artollerei und dem Troß, dessen Hauptobjekt der 
große Küchenwagen bildete. Geschäftige Gendarmen 
aber sorgten für Wahrung von Ruhe, Sitte und Ord- 
nung. Nach kurzem Marsche zeigte sich gewöhnlich 
in der Nähe des Sklaventums die Notwendigkeit, dem 
Küchenwagen unter die Achsen zu greifen. Man lagerte 
sich, aß und trank, und der also geleichterte Wagen 
rollte noch einmal so fröhlich über die Campagna. 
Der Generalfeldmarschall, der von einem Ochsenwagen 
aus den Zug leitete, ließ nach dem Frühstück seine 
bunten Scharen allerlei Felddienstübungen machen, um 
sie frisch und munter zu halten für die olympischen 
Spiele, die angesichts der Berge von Tivoli an den 
heiligen Grotten abgehalten wurden. Diese Spiele 
bestanden aus Ringen, Sacklaufen, Lanzenstechen auf 





SSSISSSFSFIISSFSSFSSFISISISSI FH 33333333_ 135 
Vogelscheuchen oder Pappköpfe, die den Namen „Kri- 
tiker‘‘ führten, sowie in Wettlauf, Pferderennen und 
Eselssteeplechase. War der lustige Trupp in die 
Grotten eingezogen, so begab sich der „Präses“ an 
den Altar und opferte der Sibylla von Cervara, worauf 
in einer Art von gereimtem Festspiel diese selbst 
auftrat und auf die Fragen des Präses das Orakel 
kündete. 

Selbstverständlich wechselten im Laufe der Jahre 
die Programmnummern, obschon der äußerliche Rahmen 
stets der gleiche blieb, so wurde zum Beispiel im 
Jahre 1846, als der erste Präsident des „Deutschen 
Künstlervereins‘“ in güldenem Harnisch vom Ochsen- 
wagen aus wohl dreitausend Untertanen regierte, statt 
des Orakelspiels ein gereimtes Hexenspiel aufgeführt. 
Die Revolutionszeit unterbrach die Cervarafeste, erst 
1852 feierte man wieder ein Frühlingsfest, international 
zivilisiert, aber an andrer Stelle, und zwar in Castel 
Giubileo (s. S. 85). 1853 hieß das Fest schon Fidenae- 
Cervarafest, als Sieger im Stangenwerfen wird in 
diesem Jahre Reinhold Begas genannt. 1857 wurde 
mit ungeheurem Glanze, der nachher zu einem Defizit 
abdunkelte, unter der Führung des Hanauer Otto Lud- 
wig die „Zerstörung von Troja‘ gespielt. Von jetzt 
ab traten größere Pausen ein. 1870 feierte man wieder 
mit allem Zeremoniell, mit Artillerie und Ochsenwagen. 
Als Festidee galt der Kampf des Frühlings mit dem 
Winter. Unter den Mitwirkenden zeichnete sich be- 
sonders H. Corrodi, der bekannte römische Land- 
schaftsmaler, aus — als Hofnarr. Die beiden letzten 
Feste 1883 und 1890 waren mehr internationaler Natur. 
Das beweist schon der Umstand, daß die Programme 
französisch und italienisch abgefaßt waren. 


136 SIIIIIIIHTIFT FT H FF FT H THF TCHT IT TFT HIT 


Wann und ob wieder einmal ein Cervarafest ge- 
feiert werden wird? Sicherlich dann aber nicht 
mehr in den Grotten, nicht nur, weil die Eisenbahn 
nach Tivoli deren idyllische Ruhe gestört hat, sondern 
weil ihr jetziger Besitzer Pinelli, der bekannte Freund 
Crispis, zu praktisch ist, um sentimentaler Freund von 
Landschaftspoesie zu sein. Die schönen Grotten wur- 
den wie der Pegasus des Schillerschen Gedichtes in 
den Dienst der Landwirtschaft gestellt; als Scheunen 
dienen sie und Ställe. Betritt man sie jetzt, so kann 
man sich der Wehmut nicht enthalten. Trotz allem 
wirkt der alte Grottenzauber doch noch hier und da, 
nur kann man hier nicht mehr träumen, wie ehedem, 
der Lärm des Viehs und seiner Hüter ist zu groß. 





Vor Porta San Giovanni. 
' Via Frascati. Porta Furba. 


Wir ziehen die Porta San Giovanni hinaus, bis 
einige Minuten vor dem Tore bei der Osteria del 
Quintale (früher Baldinotti) die Straße nach Frascati 
links abgeht. Die genannte Osteria sei allen denen 
empfohlen, die.nach der Rückkehr aus der Campagna 
an irgend einem Sonn- oder Festtage noch Zeit und 
Lust haben sollten, das hier besonders lebhafte Straßen- 
treiben bei gutem Wein und Vesperimbiß zu studieren, 
da sie eine geschützte Terrasse hat. Der Wirt emp- 
fiehit besonders den etwas süßen und. feurigen Rot- 
wein „Cesanese dalla grotta Castro“. _ 


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FFFFSFFIFTISIFIFFIIFFSSIFFSISSISSSSS 137 

Anfangs zieht die StraBe zwischen Mauern, dann 
kommt man an einem Landhause vorüber, dessen 
rotbraune Wandfarbe und graublauen Fensterläden leb- 
haft gegen den grünen Laubrahmen abstechen. Dann 
wechseln Steinmauern mit Baum- und Strauchhecken 
ab, die namentlich im Monat Mai im schönsten Früh- 
sommerschmuck prangen, Kastanien, Platanen, Holun- 
der, Weißdorn, Rosen erscheinen. Als eine Idylle 
wirkt links die kleine gelbe tiefgelegene und rings 
umgrünte Osterie. Gileichfalls zur Linken folgt die 
Villa Diana, die vom Tor zum Hause einen schönen 
Laubtunnel zeigt. Wir ziehen dann unter der Eisen- 
bahn, die nach Civitavecchia und Pisa-Genua führt, 
hindurch, sehen bald links ein weißes Kirchlein, das 
von gelben Häusern flankiert ist, dann die leider ge- 
schlossene Villa Flavia mit undurchsichtigem Tor, und 
kommen nun dort, wo rechts die Via delle Cave ab- 
geht, unvermutet ins Freie. Das ist eine Überraschung! 
Wiederum liegt sie vor uns, die geheimnisvolle Rätsel- 
landschaft mit ihrem Auf und Ab von Wiesenwellen, 
die besprenkelt sind mit Mohnblumen, braunen und 
roten Karden, Rittersporn, Schafen und Hirten in 
Faunsgestalt. Rechts ganz in der Ferne ragt noch ein 
Zipfel des Hains der Egeria hervor, daneben prunkt 
wie ein riesiger „timballo di maccheroni‘‘ (Maccaroni 
in Trommelform gebacken) das Turmgrab der Caecilia 
Metella, weiter folgen die Gräber der Via Latina und 
links die malerischen Fragmente der alten Claudischen 
Wasserleitung. Sie begleiten uns, bis wir die Bahn 
nach Albano überschreiten, und unser Blick von dem 
offenen Tor gefangen wird, das ihre lange Zeile durch- 
bricht. Doch ehe wir an dieses gelangen, sehen wir 
ein größeres allein stehendes Anwesen, das einst als 


138 IIIIII III TI FH FH FF IH FH FH FH HH F FF FH TFH 


„Osteria del Pino“ in allen Reisebüchern verzeich- 
net war. Aber ach, die Pinie verschwand und auch 
die Osteria, da deren Besitzer zur Ackerwirtschaft 
überging. Schade drum. Es becherte sich so schön 
in ihrem grünen schattigen Hof. Auch Kaiser Wilhelm 
kehrte einst hier ein, als er seinen Ritt in die Albaner- 
berge machte. 
Bald stehen wir vor der berühmten: 


Porta Furba. 


Ehe wir das Panorama betrachten, das sie bietet, 
schauen wir uns rastend um; denn das Gewirr der 
Aquädukte hier verdient schon einige Augenblicke der 
Betrachtung, um so mehr, als die kleineren Öffnungen 
der noch tätigen Leitung der aqua Felice ebensoviele 
Landschaftsbilder stellen. Wir schreiten zum Brunnen, 
um uns in der für das Romstudium so wichtigen In- 
schriftenkunde zu vervollkommnen, und dabei be- 
merken wir links den „Nabel der Campagna“, die 
Peterskuppel. Die Brunneninschrift belehrt uns, daß 
Clemens XII. aus dem Hause Albani die aqua Felice 
restauriert habe. Nun blicken wir durch die kleinen 
Offnungen dieser Leitung und schauen in der ersten 
das lachende Tivoli, in der zweiten das Fort Cento- 
celle, das sich in drei und vier wiederholt, in Nummer 
fünf eine abgestumpfte Graspyramide und in der 
sechsten den Anfang der Albanerberge. Nun kommt 
die große Inschrift über dem Tor an die Reihe. Sie 
verkündet, daß Sixtus V. (Peretti) die nach seinem 
Vornamen Felice benannte Leitung im Jahre 1581 von 
dem fünf Stunden entfernten Colonna nach Rom zog. 
Dort speist sie den seltsamen Mosesbrunnen an der 
Via Venti Settembre und den Tritonbrunnen auf der 


SIIIIHTCHTTH HT TI TT TFT TFT TFT TFT 139 


Piazza Barberini. Rechts vom Tor treten wir in einen 
Gang, der links vom Felixaquädukt und rechts von 
den Trümmern der Aqua Claudia gebildet wird. Letz- 
tere wurde im Jahre 33 n. Chr. von Kaiser Claudius 
als die größte aller römischen Wasserleitungen ge- 
baut, die bis zu dreißig Meter hohe Bogen und eine 
Gesamtlänge von achtundsechzig Kilometer hatte. Sie 
lieferte täglich 290200 Kubikmeter Wasser. 

Schön sind die Ausblicke hier durch die Aqua 
Felice, besonders auf den Monte Gennaro, aber die 
Perle aller Aussichten zeigt doch das Tor selbst, zu 
dem wir jetzt zurückkehren. In seinem Rahmen prä- 
sentiert sich Frascati und rechts davon Grottaferrata in 
seltenem Glanze. 

Wir überschreiten die Geleise, die drei Linien 
angehören, die nach Frascati, der Neapler und 
der von Terracina, und sehen bald links den schon 
genannten Pyramidenstumpf, den die Reisebücher als 
Torre del Grano bezeichnen. Leider wurde der 
schöne mittelalterliche Turm, der hier stand, im Jahre 
1901 abgebrochen. Den Archäologen ist dieser Stumpf 
sehr interessant, weil in ihm der berühmte Sarkophag 
im Kapitol (früher als der von Alexander Severus be- 
zeichnet) gefunden wurde. Ihm gegenüber liegt eine 
kaffeebraungefärbte Osteria, hinter welcher ein herrlicher 
Blick auf Frascati winkt. Kurz vor dem gelben Haus, 
das jetzt rechts folgt, — der Amtswohnung des Straßen- 
wärters (cantoniere) — bietet sich ein andrer aber um- 
fassenderer Blick, dessen Mittelpunkt die alten Aquä- 
dukte rechts bilden, auf denen als Wahrzeichen der 
„Torre del Fiscale‘ genannte hohe Wartturm aus dem 
dreizehnten Jahrhundert aufragt. Weiter links von 
ihm kriechen einige vereinzelte Bruchstücke der Aqua 


140 FEFTSFSSISISSSSISSISISSISSSISIIFTS 


Claudia wie Riesenraupen über die noch aktiven Bogen 
der Aqua Felice hinweg. Geradeaus erblicken wir 
Frascati mit seinem Villenkranz, links davon Monte 
Porzio und, halb detachiert, weiter links auf einsamem 
Hügel Colonna, noch weiter aber am Rande der 
Sabinerberge Palestrina. Nach Nordosten ragt ein 
alter Turm, umgeben von roten Bauernhäusern, und 
daneben die Eukalyptusoase des Forts Centocelle, links 
davon der unten halb von einer Hügelwelle verdeckte 
Monte Gennaro. 

Neue Augenweide erhalten wir am siebenten Kilo- 
meterstein. Wir bemerken eine Ruine, die im ersten 
Augenblick als eine braun gefärbte Neuauflage des 
Chors von Kloster Heisterbach erscheint. Hier kann 
man nicht mit Schiller reden; denn in diesen öden 
Fensterhöhlen wohnt kein Grauen, da der blaueste 
aller nur möglichen Blauhimmel durch sie hindurch 
äugt. Später bemerken wir rings herum ein Gerümpel 
von Pfeilerstümpfen, Riesensockeln und Kellerlöchern, 
die blöde aus dem grünen Boden hervorgrinsen. Es 
sind die Ruinen einer altrömischen Villa aus der Kaiser- 
zeit, Fundus Bassi (Settebassi) oder vom Volke auch, 
wie so oft bei Campagnaruinen, Roma vecchia ge- 
nannt. 

Zehn Minuten weiter kommen wir zu der einst 
berühmten „Osteria del Curato“, einem größeren 
Anwesen, das Kirche und Wirtschaftsgebäude enthält. 
Aber als Osteria war es auch einmal. Der dreieckige 
Vorplatz, auf dem schon so mancher Deutsche kneipend 
gesessen, ist mit Gras bewachsen — und der Wirt 
ist einen halben Kilometer straBaufwarts ausgewandert, 
bis dahin, wo die Straße sich spaltet und rechts nach 
Grottaferrata führt. Dort bezog er die alte, halb rosa, 


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halb grau gefärbte Torre di mezzo (Turm des halben 
Weges) auch „Osteria antica del quadrato“: genannt. 
Wir ziehen ihm nach und halten bei ihm Rast; denn 
malerisch sowohl ist die Kneipe außen und innen, 
malerisch der Ausblick aufs Gebirge. Wir lassen uns 
auf wackliger Bank vor der Türtreppe nieder, schauen 
links die Holunderlaube mit ihren tellergroßen weißen 
Blüten, welche die Campagnolen so gerne in Eier- 
kuchen hineinbacken, einige wenige Pappeln, einige 
Strohhütten und zahlreiche Herden von Ochsen und 
Pferden. Die rotgesichtige Wirtin und ihr feineres 
und blasseres Töchterlein kichern aber mit den vielen 
Fuhrleuten, die hier pflichtgemäß anzuhalten pflegen, 
über die fremden Besucher. Diese staunen hingegen 
über die modernen Fortschritte, welche die Campagna 
gemacht hat; prangt doch an der Wand des vier- 
schrötigen Turmbaus ein Plakat, das Polvere Cuprica 
und andre Mittel zum Schutze der Reben anpreist. 
Mancher Künstler und Campagnafreund klagt bei dem 
Anblick des Plakates: „Was soll aus der Campagna 
noch werden!“ denn im Geiste sieht er schon, daß 
der Fortschritt noch größer werden und die poetische 
Graswiiste in ein rationell bewirtschaftetes Ackergebiet 
verwandelt sein wird. Das wäre ja nationalökonomisch 
ein Gewinn, aber die Landschaftspoesie wäre stellen- 
weise wohl dahin. Zum Unglück für die Bevölkerung, 
zum Glück für Künstler und Campagnaschwärmer hat 
es aber bei den verzwickten Besitzverhältnissen in der 
Campagna noch gute Weile, bis daß die Wüste ver- 
schwindet, haben doch die weltlichen und geistlichen 
Großgrundbesitzer kein Interesse daran, mit großen 
Geldopfern das Weideland in Acker umzuwandeln. 
Der jetzige Betrieb mit den „Sklaven‘ kostet ja wenig 


142 35355535553 III III II IT IH III FF FF FF F5 


und gibt doch noch gute Rente, trotzdem der Gewinn 
durch viele Hände geht, ehe er zum: Eigentümer kommt. 
Doch über die Sklavenwirtschaft, die jedem mitfühlen- 
den Menschen die Campagna schier verleiden könnte, 
ein andermal. 





Via Appia nuova. 
(Latinergräber — Aqua Santa — Oktoberfeste.) 


Die neue Via Appia ist eine der unterhaltsamsten 
der Campagna, besonders für Romneulinge. Ange- 
sehene Fremde, oder durch wiederholte längere Be- 
suche zu Romkennern gewordene Reisende ziehen hin- 
gegen weniger laute und einsamere Straßen vor, die 
den intimen Reiz des Campagnazaubers besser und 
schneller genießen lassen; erfaßt den Wanderer auf 
der Appia nuova doch erst zehn Kilometer vor dem 
Tor der rechte Feiertagsfrieden der großen klassischen 
Landschaft. 

Doch die Via Appia nuova hat vor andren Straßen 
das eine voraus, daß sie „große Tage hat, und im 
Oktober sogar deren einunddreiBig. Das Warum 
leuchtet sofort ein, wenn man bedenkt, daß es in 
Rom das nicht gibt, was wir in Deutschland Herbst 
und Winter nennen. Weder färbt sich hier im Herbst 
das Laub der Bäume braun, noch starren deren Äste 
im Winter kahl und bloß — von wenigen Ausnahmen 
abgesehen; denn es herrschen ja im römischen Gebiet 
die immergrünen Bäume vor: Cypressen, Pinien, Stein- 
eichen, Oliven. Andrerseits kann auch der Frühling 
auf die Römer nicht den poetischen Eindruck machen, 


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wie auf uns; denn, da das Leichentuch des Schnees 
fehlt, verbindet der Römer mit dem Winter nicht 
die Vorstellung vom allgemeinen Absterben, mit dem 
Lenz nicht die Vorstellung der Auferstehung. Wohl 
freut er sich, wenn die Blumenpracht in sinnberauschen- 
der Farbenglut und betäubender Duftfülle erscheint, 
aber was will seine Maifreude besagen gegen die 
Oktoberlust! In Rom haben die Jahreszeiten die 
Rollen vertauscht. Was belebt, ist die Kälte, was 
tötet, die Hitze. Im Juli, August und anfangs Sep- 
tember verbrennt die von keiner Wolke gestörte Sonne 
Gras, Kraut und Strauch so gründlich, daß die Cam- 
pagna bald einer gelbbraunen Steppe gleicht, die um 
so trostloser wirkt, als auch die sie sonst belebende 
Staffage, die zahllosen Rinder- und Schafherden auf 
den Matten der Sabinerberge oder den Almen der 
Abruzzen sommerfrischeln. Wohin man blickt, starrt 
die endlose Hügelwüste im Gdesten Braun, das nur 
abends unter der Sonne Kuß sich in Purpur wandelt. 
Haben aber die Septemberregen und der fürchterliche 
Septemberscirocco sich ausgetobt, dann sprieBt im 
Oktober mit schier unglaublicher Schnelle das frische 
Grün, und schon nach wenig Tagen hat die Campagna 
ein neues Kleid, als hätte sie sich gleich einer Schlange 
gehäutet. Nun ist der „Römer von Rom“ nicht mehr 
zu halten, nun macht er seine „ottobrate‘“, seine 
Oktoberausflüge, die zwar infolge der wirtschaftlichen 
Krisis der achtziger Jahre nicht mehr an die tolle 
Ausgelassenheit vor 1870 heranreichen, aber doch nicht 
selten noch zu großen Freudenfesten werden, weil der 
Römer der konservativste Mensch der Welt ist, und 
sich die Tradition stärker erweist, als das Elend, das 
sich ja auch bei linder Luft und blauestem Sonnen- 


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himmel so leicht vergißt. Übrigens haben sich ja auch 
die wirtschaftlichen Verhältnisse in Rom seit einigen 
Jahren gebessert, und so hat sich die Lust an den 
„ottobrate‘‘ auch wieder gesteigert. 

Mit obigem soll nicht gesagt sein, daß die Via 
Appia Nuova nicht auch zu andren Zeiten schön sei, 
namentlich in den Monaten April, Mai und Juni. Wer 
aber mit ihrem Besuch das Studium harmlos lustigen 
Volkslebens studieren will, suche sie eines Donnerstags 
oder Sonntags im Oktober auf.*) 


* * 
* 


Die neue appische StraBe weckt zwar weniger 
historische Erinnerungen als die alte, aber an ihrem 
Ausgangspunkte bietet sie dem historisch Gebildeten 
immer noch genug, passiert man doch auf der Fahrt 
zum Johannestor den Lateran, erinnert dieses Tor 
selbst doch an das Sturmjahr 1849 und das benach- 
barte Tor, die Porta Asinaria, an die Gotenkriege. 

DrauBen vor der Mauer halten wir an. Es ist 
ein Oktoberdonnerstag. Viel Landvolk hat sich rechts 
und links am StraBenrand gesammelt, und halt in 
Karren und Bottichen, die müde Esel herbeigeschleppt 
haben, Trauben zu vier Soldi das Kilo feil. Besonders 
vor der Osteria zur Rechten drängt sich die Menge 
der Händler und Hausierer, Männer und Frauen, die 
Kastanien, Zwieback, Kuchen aus Kastanienmehl, 
Bretzeln und Kürbiskerne feilbieten. Der ,,barbiere 
degli operai“ (Arbeiterbartputz) waltet im Freien seines 


*) Andre „große Tage“ sind die Renntage der Osterwoche, 
Pfingstmontag und Sonntag nach Pfingsten, wenn das Fest des Divino 
Amore stattfindet und am 23. Juni, am Vorabend des Johannistages, 
wenn das berühmte Lichterfest spukt. 


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Amtes. Dazwischen jammern Drehklaviere. In großen 
Omnibussen, in Landauern und Droschken ziehen die 
Städter zum Oktobertrunk hinaus, während Dutzende 
von malerischen Weinkarren, welche den Wein aus 
den Grotten des Gebirges zur Stadt gebracht, unter 
dem Schellengeklingel der kokett aufgeputzten Gäule 
heimwärts trollen. 

Schaut man geradeaus, so sieht man zwischen der 
langen Reihe hoher gelber Mietskasernen links und 
rechts viele rosafarbene Osterien, vor allem rechts 
die große Gartenwirtschaft „Faccia fresca“ (,,Frisches 
Gesicht“ mit der Nebenbedeutung ,,unverschamtes“ 
Gesicht), die namentlich in der Johannisnacht von 
schmausendem, zechendem, tanzendem Volke wimmelt. 
Links, wo die StraBe nach Frascati abgeht, lockt die 
„Osteria del Quintale‘ (Schenke zum Zentner). Ab- 
wechselnd folgen jetzt Gärten, über deren Mauern 
Rohr, Ligustern, Feigenbäume hervorschauen, und 
Osterien, wie die „zur schönen Niccolina“ oder „zum 
römischen Reiche‘‘, bis etwa anderthalb Kilometer vor 
dem Tor sich die Straße in das Campagnagrün ein- 
taucht. Bald erscheinen links die Ungetüme des Clau- 
dischen Aquädukts, die sich zur Porta Furba hinziehen, 
und wieder ein Kilometer weiter biegt links ein Weg 
ab, der, wie ein Schild besagt, zu den Latiner- 
gräbern führt. Über deren archäologischen Wert 
gibt jedes Reisebuch Aufschluß. Ihr Besuch lohnt 
sich, auch wenn man nur Landschaftsschwärmer ist; 
denn, läßt man, nachdem man die Gräber, die an ein 
teils vernichtetes, halb von den Römern aufgesogenes 
Volk erinnern, betrachtet hat, den Blick rundschweifen, 
so findet man auch, daß die Campagna sich hier in 
seltener Anmut repräsentiert. Rechts grüßt der Hain 

Zacher, Was die Campagne erzählt, 10 


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der Egeria und sein Nachbar, der zur Urbanskirche 
gewandelte antike Tempel, links das riesige Aquä- 
duktengerümpel, das von der Porta Furba unter der 
Tor Fiscale her, dem hohen mittelalterlichen Wart- 
turm, über den Wiesenteppich kriecht, bis es in diesem 
verschwindet. Wie feierlich heben sich diese Trümmer, 
die uns von der Glanzzeit des römischen Kaiserreichs 
erzählen, vom funkelnden frischen Grün der Steppe 
und vom blau violetten Hintergrund der Albanerberge 
ab. Der stille Frieden um uns her, der Vergangenheits- 
zauber, der die Gräber umwittert, die frische Brise, 
die Lichtflut, die uns schier blendet, alles das ergreift, 
faßt, packt und erhebt uns in halb wehmütigem, halb 
begeisterndem Wonneschauer, so daß man sich nur 
mit Bedauern trennt. 

Wir kehren zur appischen Straße zurück und sehen 
nun rechts vor uns eine Oase von Pinien und Euka- 
lyptusbaumen. Die Straße steigt zu ihr hinan. Stim- 
mungsvoll wirkt der Eingang zu dieser Baumpracht- 
insel des Aqua Santa genannten Brunnenetablisse- 
ments, das für Landschaftsmaler reiche Ausbeute liefert. 
Als Badeetablissement macht das Anwesen aber 
weniger Geschäfte; denn den Römern fehlt es ge- 
meiniglich an Initiative, und dem „heiligen Wasser“ 
mangelt es nicht an Konkurrenten. Das römische 
Publikum trinkt lieber Aqua Cetosa, oder die in der 
Nähe der Braccianosees entspringende Aqua Claudia, 
und wenn es heilkräftige Bäder nehmen will, zieht 
es lieber nach dem Schwefelbad der Aquae Albulae 
bei Tivoli, oder nach Anzio, Fiumicino, Ladispoli ins 
Seebad. So ist denn das alte Schwimmbad der Aqua 
Santa halb zerfallen, aber trotzdem bildet dessen 
rauschende, schattige Umgebung ein schönes Bild, 


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und die ganze Stätte wegen des herrlichen Panoramas 
ringsum eine schöne, augenerfreuende Rast. 

Gehen wir weiter, so erreichen wir dort, wo die 
Aquäduktenzeile, die näher an die Straße rückt, unter- 
brochen ist und als in Einzelgruppen aufgelöstes 
Staccato auftritt, ein Tal, in das die Appia Nuova sich 
hinunterwindet. Dieser Punkt ist aus zahllosen Ge- 
mälden, Photographien und Ansichtspostkarten be- 
kannt; denn auf dem hohen Bord der Landstraße 
strecken mehrere Riesenpinien ihre funkelnden Wipfel 
in die reine Himmelsbläue empor. Kommt man zur 
Höhe, so rücken uns zur Rechten auch die Trümmer 
des fünf Stunden lang hinausgestreckten Kirchhofs 
der Via Appia Antica näher mit ihrem geheimnisvollen 
Wehmutschauer. Nun führt unsere Straße in glatter 
Ebene auf Castel Gandolfo zu, das noch halb im 
Schatten geborgen, greifbar nahe scheint, da uns die 
unglaublich klare Luft über die Entfernung täuscht. 
| Daß wir im Oktober sind, werden wir bald wieder 

gewahr, wenn wir zur Osteria del Tavolato kom- 

men; denn sie ist von zahlreichen Gästen besucht. 
Wir haben Zeit und mischen uns daher in die frohe 
Gesellschaft, doch fürsichtig und langsam; denn der 
Römer ist Fremden gegenüber mißtrauisch und liebt 
es nicht, wenn man sich ihm zu schnell vertraulich 
nähert, zumal, wenn die forestieri seine Sprache nicht 
kennen. 

Die Zeiten sind freilich vorüber, wo es in Rom 
noch hieß: 

„A la Reale! 
„L’ottobre e fatto com’ er Carnevale.“ 
(Der Oktober gleicht dem Karneval), voriiber auch 
die Zeiten, da die Leute vom niedern Volke das ganze 
10* 


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Jahr hindurch ihre Tombola- und Lottogewinne, und 
auch Sparbeiträge für Divino Amore und die Oktober- 
feste sammelten, und dann an einem Tage alles ver- 
jubelten. In großen Wagen fuhren sie hinaus, Männer 
und Frauen getrennt. Muß das malerisch gewesen 
sein! Das jetzige Divino Amorefest gibt ja nur einen 
schwachen Schimmer wieder. Frauen und Mädchen 
prangten in neuen Festkleidern, die meist rot, veilchen- 
blau, grün und orangefarben leuchteten. Im dichten 
Haar, das ein schwarzer oder weißer Männerfilzhut 
schmückte, steckte der hohe durchbrochene Kamm, 
wenn die üppige Fülle nicht durch grünes Seidennetz 
gebändigt war; von den Ohren hingen die glocken- 
oder traubenförmigen goldenen „scioccaglie‘‘ herab. 
Die ganze Frauengesellschaft glich aber einer Schar 
von Bacchantinnen, sie schwang das Tamburin und 
sang Ritornelle zum Preise der Liebe dazu, wie zum 
Beispiel: 


„Fior di granato! 
La vigna non po star senza canneto, 
Come la donna senza innamorato.“ 


(Granatenbliite! Die Rebe kann sich nicht halten 
ohne Rohr, Und ohne Geliebten nicht die Maid.) Und 
die Manner kargten nicht mit Antwortritornellen, die 
oft improvisiert wurden. Auch sie trugen noch die 
traditionelle Festuniform, anstatt des niichternen Fabrik- 
gewandes von heute: Schwarzsammetjacke, die mit 
einer dichten Reihe blinkender Knöpfe besetzt war, 
Scharlachweste, bunter Seidengürtel mit Fransen, kurze 
Kniehosen, himmelblaue Strümpfe, durchbrochene 
Schuhe und links aufgekrempelter Spitzhut mit der 
Kapaunenfeder — aber was sehen wir? Da erscheint 


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ja ein Mann in dieser alten Tracht! Ein Volksredner 
und Cantastorie (Bänkelsänger) ist’s, der aus der 
Wiederauffrischung des alten Zeitkostiims ein Geschäft 
macht. Jubelnd wird er als „poveta‘“ (Poet) begrüßt, 
und nun singt er eine ,,canzone“ nach der andren 
und oft auch recht eindeutige prickelnde dazwischen, 
nach dem Gelächter zu schließen, das er erregt. 
Wir ziehen weiter, einer andren Lieblingsosteria 
der Römer entgegen. Bald sehen wir links aus lang- 
gestrecktem hohen Busch einen kleinen Kirchturm 
auftauchen, er zeigt uns die Nähe der Wiesen von 
Capanelle an, die an den Renntagen die Römer nach 
Zehntausenden anlocken. Am neunten Kilometer kom- 
men wir zur „Osteria di Mezza via‘‘, die zwischen der 
Via Appia nuova und der hier rückwärts nach der 
Kirche San Sebastiano führenden Via Pignatelli wie 
zwischen den Schenkeln eines Nußknackers einge- 
klemmt ist. Auch sie ist stark besetzt, freilich nicht 
so stark, wie am Pfingstmontag, wenn sich um sie 
Tausende und Abertausende Divino Amore-Pilger in 
die Wiesen lagern. Wir kehren ein und steigen auf 
das flache Dach, um Aussicht zu genieBen; denn rings- 
um hat die Natur die schönsten Schaugerichte auf- 
getischt. Wenden wir uns nach Südosten, so befinden 
wir uns Frascati gegenüber, das einer Sonne gleicht, 
die von ihren Planeten umkreist wird; denn die Pracht- 
bauten der Villen funkeln auf dem schwarzen Laub 
ringsum, wie Sterne auf dunklem Nachthimmel. Fras- 
cati selbst aber gleicht einer Goldstickerei auf grün- 
blauem Sammet, während rechts davon in der Höhe 
das spitzwinklige Dreieck von Rocca di Papa mehr 
silbern gleißt. Auf der andren Seite kämpfen braune 
engbogige Wasserleitungsruinen mit den bizarren 


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Türmen, Pfeilern, Nadeln, Riesenkreiseln und Trom- 
meln der Via Appia Antica um den Vorrang. 

Die Sonne neigt sich dem Meere zu, und nun 
erleben wir wieder das einzige Schauspiel des römi- 
schen Sonnenuntergangs. Ist dieses schon überwäl- 
tigend, wenn wir es vom Castello di Costantino auf 
dem Aventin oder vom Tor San Pancrazio aus be- 
trachten, so versagt einem hier die Sprache, um die 
Pracht zu schildern; denn bei der Nähe des Gebirges 
sind die Tinten leuchtender, kräftiger, aufdringlicher. 
Je tiefer das Tagesgestirn sinkt, desto grüner, goldig- 
grüner wird das neue Gras, als ob die Campagna sich 
kokett ihres neuen Kleides freute, und sich gefall- 
süchtig wiegend dessen Glanz vor den alten bär- 
beißigen Klötzen der Wasserleitungen spiegeln lassen 
wollte, die selbst noch in der gleichen braunen Kahl- 
heit starren, wie die Campagna selbst noch vor wenig 
Wochen. Und darob scheint die alten Gesellen Scham 
zu erfassen; denn mehr und mehr erröten sie. Der 
Berghintergrund wird jetzt violett, und nun errötet 
auch Frascati; die keusche Bergstadt zittert vor dem 
allzuglühenden Kusse des Helios, der sich anschickt, 
bei der Circeinsel ins Meer zu tauchen. Grottaferrata 
ist weniger zimperlich, es gleicht dem rosigen Antlitz 
eines weinfrohen Zechers, während die Fenster von 
Rocca die Papa spöttische Blitze senden. Die weiße 
Wand der Madonna del Tufo glüht und loht, gleichwie 
das berühmte Loch im Theatervorhang in den dunklen 
Zuschauerraum hineinleuchtet, fast scheint’s, als ob 
durch ein Loch im Monte Cavo dessen vulkanisches 
Feuer herausstrahle, das die Geologen schon erloschen 
glaubten. 

Jetzt treibt es uns, ehe es völlig Nacht geworden, 


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zur Osteria del Tavolato zurück, da wir sehen wollen, 
wie die heutige ottobrata verlaufen ist. Während der 
Fahrt umgaukeln uns rechts gespenstisch gleiBende 
Wasserleitungsbogen, links die geheimnisvollen Graber- 
reste, die in Purpur getaucht scheinen. In der Osteria 
geht es toll zu, Mandolinenklang und lustiger Sang 
erschallt. Der gute Schmaus und der noch bessere 
Trunk haben schon gewirkt; die Kinder jeglichen 
Alters, des süßen Weines voll, den römische Mütter 
aus dem Volk selbst schon den Säuglingen reichen, 
sind schläfrig, die heiratsfähigen Mädchen erglühen, 
die Jünglinge strahlen, und die Eltern lauschen ver- 
ständnisinnig der zirpenden, kreischenden, schrillenden, 
brummenden Musik, die drei Männer höchst ver- 
wegenen Aussehens mit Baßgeige, Violine, Guitarre 
und eine schreiend bunt kostümierte Jungfer mit einer 
Mandoline verüben. Unser „poveta‘ ist aber ver- 
schwunden. Doch wie wir auf der Weiterfahrt der 
Stadt uns nähern, und der Puppentanz auf dem Dach 
der Lateranbasilika sichtbar wird, treffen wir auch ihn 
wieder, da er gewissenhaft alle Osterien abklappert, 
wo sich „ottobranti‘ finden. In einer Osteria nahe 
der Eisenbahn, wo er für seiner Lieder süßen Reiz 
Beifall und Geld eingeheimst hat, verabschiedet er 
sich soeben mit dem Spruch: 
„E Palbero fiorisce e fa la pera, 
A tutti ve la damo la buona sera. 
E Valbero fiorisce e fa i frutti, 
La buona sera ve do a tutti.‘ 
(„Es blüht der Baum und bringt die Birn’ hervor, 
Drum sag’ ich guten Abend euch allen hier im Chor. 
Es bringen Frucht die blühenden Bäume, 
Und allen wünsch’ ich schöne Träume.‘) 


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Kaum ist er gegangen, so erscheint der Koch der 
Osteria in blendend weißem Amtskleid, um sich zu 
erkunden, wie es den Herrschaften geschmeckt hat, 
und ihre Lobeshymne einzuernten. Wir aber brechen 
auf. Zu lange würde es dauern, wollten wir den Auf- 
bruch der Römer abwarten; denn diese müssen sich 
erst noch stärken, um kräftig genug zu sein, im ersten 
großen Kaffeehause der Stadt den Schluck zum Ab- 
gewöhnen zu tun, da eine „ottobrata‘ doch voll und 
ganz genossen sein will. 


Via Appia antica. 


Für diesen Ausflug seien einige längere Vorbe- 
merkungen gestattet, da ihn wohl jeder Rompilger 
unternimmt. Um es aber gleich herauszusagen, viele 
kommen zur Via Appia, aber die wenigsten nur ge- 
nießen sie in ihrer wahren Pracht und Feierlichkeit. 
Die Durchschnittsreisenden wollen oder müssen zu 
viel auf einmal und mit möglichst wenig Zeitverlust 
sehen. Dabei vermögen sich auch manche nicht von 
ihrer Hausordnung daheim loszumachen, indem sie, 
aus Furcht, zu spät zum Abendessen zu kommen, die 
Via Appia gerade dann verlassen, wenn sie sich am 
schönsten zeigt, nämlich gegen Sonnenuntergang. Solche 
Sklaven der Ordnung werden niemals hinter die Ge- 
heimnisse der Campagna kommen. Sie ist eine spröde 
Schöne, die nur denen all ihre Reize erschließt, die 
noch ganz unmodern für den Bummel nach Handwerks- 


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burschenart schwärmen und, unbekümmert um das 
Hotelgesetz, das namentlich in den kurzen Frühlings- 
tagen die Table d’hote viel zu frühe ansetzt, eines 
schönen Panoramas wegen auch einmal mit den fru- 
galen Genüssen einer Landschenke vorlieb nehmen 
können. 

Meines Erachtens sollte man auch in Rom den 
Mut haben, multum, non multa zu sehen, wenig also, 
dies aber gründlich. Das heißt, auf die Via Appia 
antica angewandt, man soll, selbst wenn der Rom- 
aufenthalt ganz kurz bemessen ist, sich zwei Nach- 
mittage für ihren Besuch nehmen, am ersten nur die 
antiken Monumente von den Caracallathermen bis zu 
den Katakomben besuchen, und am zweiten von dem 
Grabmal der Caecilia Metella bis zur Casa Rotonda 
fahren und von dort über die Via Appia Nuova zur 
Stadt zurückkehren. 

Geübtere Reisende, die Zeit haben, tun freilich 
noch besser daran, wenn sie für die Via Appia einen 
ganzen Tag nehmen, sich in einem Wagen bis zur 
Caecilia Metella fahren lassen und zu Fuß bis an 
das Gebirge gehen (zur Vorsicht können sie den 
Wagen, der den Proviant mitführt, auf dem holprigen 
antiken Pflaster nachfahren lassen). Ganz raffiniert 
aber ist an schönen Tagen der umgekehrte Weg. 
Morgens mit der Eisenbahn nach Castel Gandolfo 
(Blick auf den Albanersee) und zu Fuß nach Albano 
und von dort die Via Appia hinunter, und zwar so, 
daß man eine Stunde vor Sonnenuntergang an der 
Caecilia Metella anlangt, um den Prachtblick zu be- 
wundern, der jedem unvergeßlich sein wird. 


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Verlassen wir das Tor S. Sebastiano, dessen Türen 
und Fenster durch „Malariadrahtkästen‘‘ geschützt sind, 
so entdecken wir, daß der erste Teil der Straße noch 
gar nicht antik, sondern im Gegenteil den Lebenden 
gewidmet ist, wie die vielen Osterien und Garten- 
wirtschaften beweisen. Gleich links vor dem Tor 
finden wir in großer Schrift die Einladung: „Kommt 
alle zum kleinen Hans, dem Winzer, bei ihm werdet 
ihr den reinsten Wein von Genzano finden.“ Weiter 
schreitend, passiert man lange Mauern, über denen 
Holunder, Ahorn, Akazien blühen. Bald hinter dem 
Viadukt der Eisenbahn nach Pisa, Genua erscheint 
ein träg fließender brauner Bach, bei den Alten Almo, 
jetzt Caffarella oder Aquatoccio genannt. Besonders 
schön, jedenfalls nicht so schön, wie an der Grotte 
der Egeria (s. S. 170), wirkt er an dieser Stelle nicht; 
aber die Archäologen belehren uns, daß hier Ende 
März ein religiöses Fest gefeiert wurde, das der Kybele, 
der „großen Mutter“, und ihrem Liebling Attis ge- 
widmet war. 204 v. Chr. war dieser halb mystische, 
halb karnevalistische Kultus aus Pessinus in Galatien 
nach Rom gebracht worden. Drei Tage dauerte das 
Fest. Am letzten verwundeten sich die „Galli‘‘ ge- 
nannten Priester der Cybele wehklagend Brust und 
Arme, und wuschen dann der Göttin hölzernes Bild, 
das der Sage nach vom Himmel gefallen sein sollte, 
in: diesem Flusse. Dann trug das Volk eine mit 
Veilchen geschmückte Fichte, die das Festsymbol dar- 
stellte, jubelnd herum und umtanzte sie unter allerlei 
Mummenschanz. — 

Links folgt nun gegenüber einem goldgelben Hause 
das erste Trümmergrab der alten Gräberstraße. Es 
ist ein alter abgestumpfter Kegel, der jetzt nur als 


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Untersatz eines kleinen Häuschens dient, darin der 
Kneipwirt wohnt, der in der blauen Baracke zu Füßen 
der Ruine sein Gewerbe treibt. Rechts kommt die 
belebte „Osteria der Karrner“ und die ein malerisches 
Bild stellende „Osteria del vero Genzano“, die einen 
offenen Pfeilervorbau zeigt, den namentlich Sonntags 
schöne ländliche Staffage füllt. Neben ihr hantiert 
ein Stellmacher und flickt zerbrochene Räder, während 
die Führer der Wagenkrüppel in den Laden ziehen, 
der als die letzte Station, wo Brot und Salz und Tabak 
zu haben ist, einen wichtigen Stapelplatz darstellt, 
da sich die Campagnahirten hier für die Woche ver- 
sorgen; ihre Steppe liefert ihnen ja nichts andres als 
Salat und Cichorie. 

Schräg gegenüber ist das sagenberühmte Kirchlein 
„Quo vadis“, wo dem fliehenden Petrus der Herr 
begegnete: 


„Und der Jünger sinkt zur Erde — doch das Herz 
läßt ihm nicht Ruh, 

Und er ruft, mein Herr und Heiland, rede, wohin 
gehest du? 

Und der Heiland spricht, das Auge unverwandt auf 
ihn gerichtet, 

Mit dem Blick, der an der Tage letztem Falsch und 

Wahrheit sichtet: 

Meine Kirche steht verödet, meine Treuen sind ver- 
irrt, 

Zu der Stadt ist meine Straße, wo man neu mich 
kreuz’gen wird.‘ 

Kinkel.*) 


a n 


Siehe Sienkiewicz „Quo vadis“. 


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Wir ziehen geradeaus zur Höhe und wenden uns 
um. Vor sich erblickt man wie zwei Schildwachen 
Turmgrabreste, und weit dahinter die braune malerische 
Stadtmauer mit der Torburg S. Sebastiano, die düster 
absticht von der lachenden Gartenlandschaft. Wie 
muß dieses Bild im Mittelalter ausgesehen haben, als 
der ganze Mauerkreis noch dreihundert Türme zählte 
und in der Stadt ebensoviele turmbewehrte Trutz- 
burgen des kampffrohen Adels aufragten, die ihrer- 
seits wieder mit den vielen Kirchtürmen wetteiferten. 

Die Sehenswürdigkeiten, die zum Verweilen 
locken, mehren sich. Da wir jedoch keine Archäo- 
logen von Beruf sind, lassen wir einige, wie links 
das Columbarium der Freigelassenen des Augustus 
unbeachtet, und schauen lieber ab und zu durch die 
offenen Tore der vigne (Weingärten), die herrliche 
Ausblicke auf die hier noch reich angebaute Cam- 
pagna bieten, und auf die Aquädukte. Auch an No. 33, 
dem Eingang zu den Callistuskatakomben, und 
an der Vigna San Sebastiano, an der links die Via 
Appia Pignatelli abgeht, die nach der Osteria di mezza 
via (s. S. 149) führt, schreiten wir vorüber; obschon 
die Judenkatakomben, die hier liegen, recht interessant 
sind; denn das Hauptziel der Wanderung ist die 
Gräberstraße. Bald erreicht man, immer zwischen 
Mauern wandelnd, die Stelle, wo die Straße sich senkt, 
um Kraft zum Sprung auf die Höhe des Caecilia 
Metella-Grabes zu sammeln, dessen Trommel leuchtend 
lockt, zugleich mit der hohen Pinie, die ihm zur Rechten 
Gesellschaft leistet. 

Wer des Kardinal Wiseman schönes Buch „Fa- 
biola“ kennt, wird jetzt an den pfeildurchbohrten 
heiligen Sebastian denken, stehen wir doch vor 


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seiner uralten Kirche, die zu den sieben Hauptkirchen 
Roms gehört, die jeder fromme katholische Rompilger 
ex officio besuchen muß. Zur Linken der Straße ragt 
baumumrahmt neben einem Brunnen eine Säule, die 
in ihrer untätigen Einsamkeit stolz auf die grauen 
und braunen Schwestern blickt, welche den Vorbau 
der Kirche ‚tragen müssen. 

Links ragt ein malerisches altes Tor, in welchem 
ein emsiger Schuster arbeitet. Es führt zu dem gut 
erhaltenen Circus des Maxentius, des Gegen- 
kaisers von Constantin. Man könnte ihn ganz 
gut zum Velodrom restaurieren und so wieder das 
laute Volksleben erstehen lassen, das er bei seiner 
Eröffnung im Jahre 309 n. Chr. zeigte, als zwanzig- 
tausend Personen sich hier an den Wagenrennen er- 
götzten. Ostern 1876 versuchten die Neurömer hier 
die alten Spiele wieder zu beleben, aber das schöne 
Fest ward leider nicht wiederholt.*) 

Nur wenige Schritte noch, und man erreicht die 
Stelle, wo eines der schönsten Wahrzeichen der Cam- 
pagna, und abends eines der glühendsten Glanzlichter 
des Landschaftsbildes, das Turmgrabmal der Caecilia 
Metella aufragt. Gerade wie beim Denkmal des 
Großbäckers Eurysaces an der Porta Maggiore (s.S.128) 
fragt man sich auch hier, warum das Schicksal so 
ungerecht war, die Denkmäler der Heroen vergehen 
zu lassen, und dagegen die andrer zu erhalten, die 
nur den Vorzug des Reichtums hatten. Denn wer 
und was war Caecilia Metella? Diese Frage stellt 
auch Byron in seinem „Childe Harold“ (4. Ges., 
Stanze 99): 


*) Siehe Justus Ebhardt „Aus dem heutigen Rom“ S. 171. 


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„Dort steht ein runder Turm aus alter Zeit, 

Gleich einer Burg, die in dem Wall von Stein 

Noch kräftig Schutz vorm Sturm des Feindes leiht, 

Ständ’ sie auch halb so stark nur da allein. 

Wohl zwei Jahrtausend schaut er so darein, 

Mit einem Netz von Efeu übersponnen, 

Das die Verwüstung hüllt mit grünem Schein — 

Zu welchem Zweck ward wohl der Bau ersonnen ? 

Es schläft darin ein Weib, das dieser Welt entronnen. 

Wer war sie denn, die man so hoch geehrt, 

Daß man zum Grab ihr gab ein solches Schloß ? 

Doch wohin will sich die Vermutung wagen? 

Metella war’s — nur das weiß unsere Zeit — 

Des reichsten Römers Weib, der ihr dies Mal ge- 
weiht,“‘ 


Zwar bemerkt man nichts mehr von dem ,,griinen 
Schein“ um den Turm; denn viele Jahre später, nach- 
dem Byron hier stand, ließ Pius IX. die alte Gräber- 
straße ausgraben und als Straße wieder herstellen, 
wobei auch der Wissenschaft zu Liebe und den Malern 
zum Leid alle Gräber gesäubert wurden. Die Maler 
führen ja ebenso bewegliche Klage darüber, daß man 
auch auf dem Palatin jeden alten Gebäudeknochen 
kahl und bloß gelegt hat, während früher Mutter Natur 
den schimmerndsten Blumenmantel über die starren 
Reste breitete. 


Efeumantel und Efeuschulterkragen zeigen hier nur 
noch die Reste der Mittelalterlichen Burg, welche die 
Caetani auf Geheiß des Chefs ihres Hauses Bonifaz VIII. 
im Bürgerkriege gegen die mächtigen Colonna er- 


SISIIIIISIHIHTTHT IT TI T HT TFT THF THF FF FF FF 159 


richteten. Auch eine Kirche gehört zu der stattlichen 
Veste, doch auch sie ist nur Ruine. 

Wiederum treibt es jetzt den Wanderer, einen 
Rückblick auf die ewige Stadt zu tun. Zunächst be- 
merkt man die Sebastianskirche und einen Teil der 
Peterskirche, dann den Monte Mario, die etru- 
rischen Berge und die gelbrote Reitschule von Tor 
di Quinto (s. S. 79). Doch Rom selbst ist im tiefen 
Talkessel versunken, als hätte die Erde sich gespalten 
und es verschlungen. 

Jetzt schaut man wieder nach Süden, wie einst 
Joseph Viktor Scheffel hier auf die Gräberstraße 

blickte: 


„Nun schreit’ ich aus dem Tore 
Ins weite, öde Feld, 

Dort ist der große Kirchhof 
Der alten Römerwelt. 


Die ruht von Lieb und Hasse, 
Von Lust und Kampf und Strauß 
Dort an der appischen Straße 

Im Marmorgrabe aus. 


Mich grüßt der Turm, vergüldet 
Vom Abendsonnenstrahl, 
Caecilia Metella, 

Dein trutzig Totenmal.“ | | 
(Trompeter.) 


Einige Schritte weiter, nachdem wir die Burg der 
Caetani verlassen, geht links eine Militärstraße zu den 
roten Pulverhäusern und zur Via Appia Nuova ab. 
Ihr gegenüber steht eine einfache Landkneipe ohne 


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Namen, die als Aufschrift nur „Paste e generi diversi“ 
(Teig- und Spezereiwaren) trägt. Hier soll man Hütten 
bauen; denn die Aussicht, die man hier namentlich vor 
Sonnenuntergang genießt, verdient nicht nur sechs 
Sterne im Baedeker, sondern auch, daß man nach dem 
Besuch der Gräberstraße nur ihretwegen nochmals 
hierher zurückkehrt. 

Den Hauptreiz des hier gebotenen Panoramas 
bilden die Reste der Claudischen Wasserleitung mit 
ihrem Zentralbau der Porta Furba (s. S. 138) und die 
von Warttürmen und Trümmern übersäete grüne Wüste, 
welche als Schleppe des Königsmantels dient, der die 
Albanerberge bedeckt, und auf dem die „römischen 
Schlösser‘‘ (Castelli Romani) Frascati, Rocca di Papa, 
Marino als Goldrosablumen aufgestickt sind. Wahrhaft 
zauberisch erglänzen aber sowohl Schleppe als Mantel, 
wenn sie an schönen Oktoberabenden im Purpur flam- 
men. Stundenlang könnte man hier verweilen; denn 
jeder Sonnenstrahl erzeugt neue Beleuchtungseffekte, 
jede vorüberhuschende Wolke zaubert die bizarrste 
Jagd einander haschender Schattengespenster hervor, 
die wie von der Laterna Magica entsandt über das 
paradiesische Feld hingleiten. 

In den ersten zehn Minuten zeigen sich noch 
wenige Gräberruinen, und diese wenigen sind meist 
im Verein mit angebauten Schuppen in den Dienst 
der Landwirtschaft gestellt, dafür genießt man aber 
links und rechts immer malerischere Ausblicke auf 
die Aquädukte. Dort, wo links ein durch eine Kette 
abgesperrter Weg abgeht, winkt eine neue über- 
raschende Aussicht: auf den Hain der Egeria, auf 
Rom, die Latinergräber, die Aqua Santa (s. S. 146) und 
die Sabiner- und Albanerberge, die sich „wie schim- 


FFFFIFIFFFFFFFFFFFFFTFFFFIFITIIF9S 161 


mernde Wolkenziige vom frühlingsgrünen Grunde der 
weiten Steppe aufbäumen‘. (VoB.) 

Nun erblickt man geradeaus, wie die lange Zeile 
der alten Appia schnurgerade zum Gebirge zieht und 
dieses bei dem hinter einer Bergwelle verborgenen 
Albano iibersteigt. Diese gerade starre Linie hat etwas 
Imponierendes, sie kennzeichnet das ZielbewuBtsein 
der alten Römer, und namentlich ihres Erbauers, eines 
der typischsten Staatsmänner des alten Roms. Der 
aus Etrurien stammende Censor Appius Claudius, der 
312 v. Chr. diese Straße bis nach Capua hin als die 
erste ihrer Art — aber für die Ewigkeit baute, schuf 
mit ihr das Muster für das bewundernswerte Netz der 
Militärstraßen, durch die Rom seine Weltherrschaft 
sicherte. Später wurde sie über Capua und Benevent 
bis nach Brindisi verlängert, wie wir unter andrem aus 
den Satiren des Horaz wissen, in denen er seine Reise 
nach Apulien so launig beschreibt. 

Bald betritt man auch das alte Lavapflaster der 
Straße. 

Rechts erscheint jetzt das von einem Eukalyptus- 
ring umgebene Fort Via Appia Antica, dessen knall- 
rote Häuser grell sich abheben von dem Grün der 
Schnitzelblätter der „Fieberbäume‘ und den Porphyr- 
säulen ähnelnden Stämmen der Pinien und dem 
Schwarzgrün ihrer Kronen. Hier beginnt — etwa 
fünf Kilometer von dem Sebastianstor entfernt — der 
schönste Teil der Gräberstraße, der sich etwa 
eine Stunde fortsetzt. 

Bei einem mit Efeu bewachsenen Turmgrab, das 
nun sichtbar wird, taucht dem Scheffelfreund die Scene 
auf, in der dem Papste die Conduitenliste des Trom- 
peters vorgelegt wird: 

Zacher, Was die Campagna erzählt. 11 


162 35IIII III I II I IF THF THF FFF FH FF FH IH FF FF 


„S hat ein römischer Patron einst 
Seiner jüd’schen Freigelassenen, 

Die er als Andenken an den 
Tempelbrand Jerusalems 

Mitnahm, dort ein Grab errichtet. 
Glaub, sie hieß Zetcha Achyba. 
Dorten saß er, und die Späher 
Sagten, ’s war ein schön Effektstück: 
Die Campagna nächtlich düster, 

Er, den Mantel umgeschlagen, 
Mondschein auf dem Marmordenkmal. 
Klagend blies er die Trompete . . .“ 


Nach dem Empfinden vieler Leute waren die alten 
Römer doch kuriöse Leute, weil sie ihre Gräber an 
die besuchteste Heerstraße aufstellten! Schreckte sie 
nicht der Tod, oder wollten sie durch reichen Prunk 
ihr Familienprestige erhöhen? Fehlen auch dem Nicht- 
archäologen die Kenntnisse, um die alte Gräberpracht 
im Geiste streng historisch wieder aufzubauen, so wird 
es doch auch manchem empfindungsreichen und phan- 
tasiebegabten Manne gelingen, hier, „wo dem denken- 
den Manne die Geistesflügel wachsen“, die nackten 
Knochengerüste und Skelettreste wieder mit dem Mus- 
kelfleisch des Marmors zu bekleiden, den die Römer 
des Mittelalters raubten, um entweder ihr eigenes Heim 
zu schmücken, oder aus schnöder Gewinnsucht Kalk 
daraus zu brennen. Schade, daß die nun so öden 
Trümmer nicht reden können. Sonst erzählten sie uns 
von den Triumphzügen siegreicher Feldherrn, die hier 
vorüber nach dem Mons Albanus zogen, oder von den 
Transporten wilder Tiere, die für die blutigen Schau- 
spiele des Kolosseums bestimmt waren. Wie mußte 


EIUITIIIIIIIIIIILIIIIIIIIIIIIUIII 163 
sich ferner der Glanz des kaiserlichen Pompes in dieser 
gleißenden Marmorallee heben, wenn zum Beispiel 
Nero hindurchzog auf dem Wege zu seinen Meer- 
palästen von Antium. Aber auch groteske Bilder sah 
die alte Appia. So im Jahre 49 v. Chr., als Cäsar den 
Rubicon überschritten hatte, und die Pompejaner mit 
dem ganzen Senat Hals über Kopf in panischem 
Schrecken nach dem Süden flohen. 

Schade! Die Grabmäler, die wir nun schauen, ge- 
hören meist Leuten an, die uns so unbekannt sind, 
wie irgend ein Schulze und Müller der heutigen Zeit. 
So zeigt links ein Inschriftenbruchstück auf einer vier- 
eckigen Mauer, daß hier ein gewisser M. Servilius 
Quartus die letzte Ruhe fand. Das folgende Grab- 
fragment, auf dem ein Relief den Tod des Attis, des 
Lieblings der Kybele, darstellt (s. S. 154), erregt schon 
höheres Interesse; denn die Archäologen behaupten, 
daß es das Grab des Philosophen Seneca sei, den 
Nero zum Selbstmord trieb. Es folgt ein runder Denk- 
malstumpf. Hier halte man und steige links auf die 
roh gefügte Einfassungsmauer; denn hier erblickt man 
die sich kilometerweit von der Porta Furba bis zu den 
Capanelle hinziehende Linie der Aqua Claudia. Auch 
das Bergpanorama und die Campagnaebene erscheinen 
hier wie neu in dieser linden Luft, in dieser gleißen- 
den Lichtfülle, in diesem Blumenflor ringsum, auf dem 
die erhabene Ruhe poetischster Einsamkeit lagert. 
Keinen Laut vernimmt man, nur hier und da ein Jubi- 
lieren und Trillern aus Lerchenkehlen. Hier atmet man 
auf, wie auf Bergeshöhen, hier schwelgt man nach 
Herzenslust in Landschaftspracht. 

Doch neue Schönheiten locken uns. Links er- 
blicken wir auf neu aufgerichteter Mauer eine Stein- 

11* 


164 33553335333 I II III IF FF FF FF FH FH HF FF STH 


tafel, in der in lateinischen Versen das Lob des Frei- 
gelassenen, Justus Pompeius, gesungen wird. Gegen- 
über ragt auf der Mauer ein modernes Gittertor mit 
der Aufschrift: „Proprietà Lugari“, und links von ihm 
neben einer Miniaturtreppe ein Schild: „Ingresso 
Scavi“. (Eintritt zu den Ausgrabungen.) Man trete 
ein und lasse sich von dem Wächter in dieser von den 
Reisebüchern noch nicht erwähnten Sehenswürdigkeit 
herumführen, die uns die Anlage einer altrömischen 
Villa mit Kalt- und Warmbad u. s. w. kennen 
lehrt. 

Im Weitergehen macht sich auch das Tierleben 
der Campagna bemerkbar. Schmetterlinge umgaukeln 
uns, Eidechsen huschen verschüchtert umher, Heu- 
schrecken springen, und früh aufgestandene Zikaden 
schrillen dazwischen, so dem Reisenden einen Vor- 
geschmack davon gebend, wie ihr Massenkonzert im 
Sommer wirkt — unerträglich, ohrenzerreißend. 

Die rohen Umfassungsmauern der Wiesen zur 
Linken werden niedriger, also der Blick auf die wie mit 
Edelsteinen besäten Fluren freier, auf denen nach 
G’sell-Fels siebentausend Ostgoten lagerten, als Belisar 
im Jahre 536 Rom besetzt hatte. Bald naht rechts ein 
Grabmal, das eine Sarkophagwand mit fünf Relief- 
köpfen zeigt, etwas weiter kommt das Grab des Steuer- 
einnehmers Secundus, der nach der Inschrift ein großer 
Pantoffelheld gewesen sein muß. Links liegt mitten 
im Grün der Straße der Torso einer Gewandstatue, die 
wie mit Goldplatten gespickt erscheint, so sehr ist sie 
von einer gelben Moosflechte besprenkelt. Nun zeigen 
sich mehrere noch fast ganz erhaltene Grabmäler von 
namentlich aufgeführten, aber trotzdem unbekannten 
Leuten, die uns auch weniger interessieren, als die 


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Blütendichtung, die ihre Ruhestätten umspinnt: blaue, 
rote Wicken, blutroter Mohn, Schierling u. s. w. Um 
ein Grabmal, das Altarform hat, ziehen sich rote und 
blaue Winden, und wuchern mannshoch purpurne und 
ultraminblaue Disteln. Und in dieser duftenden Pracht 
wecken die Denksteine der fremden Toten den Schauer 
der Ehrfurcht, ebenso wie die alten Wasserleitungs- 
trümmer, die sich jetzt nähern. Durch ihre Bogen 
ebenso wie durch die Risse und Löcher der Grabreste 
lugt aber des reinsten Himmels Blau. 

Links bemerkt man jetzt auch die Staffage der 
Campagnawüste: Dachzelte und Kegelhütten aus Rohr 
und Stroh, die Wohnungen ärmlicher Hirten, Pferde 
und Ochsen, und große zottige weiße Campagnahunde, 
die mit wütendem Gebell heranspringen, aber von 
einem strengen Pfiff ihrer Herren zurückgerufen wer- 
den. Knurrend gehorchen die Bestien, die zur Nacht- 
zeit wohl unbefugten Eindringlingen gefährlich sein 
mögen. ! 

Die Grabtrümmer nehmen jetzt immer bizarrere 
Formen an, man sieht umgestülpte Riesenhämmer, 
versteinerte Baßgeigen und Violinschlüssel oder vier- 
beinige Riesenschemel. Rechts fällt ein grüngrauer 
fast noch ganz erhaltener Grabbau aus Peperin auf, 
auf welchem kleine Putten Biumeniestons halten, über 
der Brüstung aber liegen zwei steinerne Schlummer- 
rollen, deren Enden Gorgonenhäupter zeigen. Daneben 
folgen wieder vier Büsten mit bartlosen mürrischen 
Gesichtern. Die Torsos von Gewandstatuen, die am 
Boden liegen, mehren sich. Libellen umschweben uns. 
Plötzlich. erscheint ein Grab, das wie der Kopf einer 
vergrabenen Sphinx aussieht. Pinien und Cypressen 
beleben jetzt auch die steinerne Allee und laden zur 


166 I3IIIIIIIITIFTF TFT TH FF FF FF FF FF FH FF FF 


Rast ein. Einen besseren Picknickplatz könnte man 
lange suchen; denn jeder Bissen, den man nimmt, 
wird durch unvergeßliche Rückblicke auf die bis jetzt 
durchmessene Strecke gewürzt. 

Weiter links taucht ein größeres Bauernhaus auf, 
das an einen alten Kirchenbau angeklebt ist. Die 
schönen Pinien und Eukalyptusbäume, die nahe bei 
ihm stehen, erhöhen die Schönheit des Blicks auf 
Frascati, das greifbar nahe gekommen ist. Nun er- 
blicken wir dahinter im Felde einen Komplex von 
Ruinen, viereckige durchlöcherte Kasten und Funda- 
mentkellerreste, deren runde schwarze Öffnungen wie 
ebensoviel offene Mäuler aus dem Wiesengrün hervor- 
grinsen. Die Archäologen nehmen an, es seien dies 
die Reste der Villa Quintiliana, die ihr Besitzer 
Kaiser Commodus berüchtigt gemacht, des Philosophen 
Mark Aurels unwürdiger Sohn. 189 n. Chr. war’s, als 
sich das römische Volk gegen des Kaisers Günstling 
und ehemaligen Kammerdiener Cleander empörte, der 
für diesen herrschte, während Commodus selbst hier 
in der Quintiliana ein schnödes Sünderleben führte. 
Das Volk machte vor der Villa eine Straßendemon- 
stration, und der Kaiser gab seinen Günstling preis, 
um sich selbst zu retten. 

Weiter links folgt ein riesiges Grabmal, das einem 
tausendfach vergrößerten Pinienapfel gleicht, dann 
rechts zwei ganz mit Rasen bewachsene Pyramiden- 
tumuli, die mit prächtigen Cypressen und Pinien um- 
rahmt sind, links gegenüber humpelt ein geborstener 
halber Turm. Dann wird die Straße auf eine längere 
Strecke ganz kahl, wodurch der Blick auf die Berge 
freier wird, die einen Coulissenwechsel vorgenommen 
haben, da der Hügel von Colonna jetzt vor Palestrina 


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liegt und so die Grenzgraben-Lichtung zwischen den 
Sabiner- und Albanerbergen verdeckt. Die Triimmer 
im Grase mehren sich, man sieht steinerne Polster, 
geschuppte Säulen, kopflose Gewandstatuen, Fries- und 
Pfeilerfragmente, von VergiBmeinnicht und Alpen- 
veilchen umkost. Dann kommt ein gleichsam zum 
bloBen Tor zusammengeschrumpftes Denkmal, dessen 
Inneres Peperinfutter zeigt, dann ein versteinertes 
Korsett oder Stundenglas, und schlieBlich die Haupt- 
und SchluBnummer unseres Programms: die Casa 
Rotonda, eine runde ,,indigesta moles“, fast doppelt 
so groß wie die Caecilia Metella, nur ohne den Über- 
rock wie diese; denn nur zum Teil ist hier die Peperin- 
panzerung noch erhalten. Auf den Schultern trägt 
der Koloß ein ganz respektables Bauernhaus, das schier 
in einem silberig schimmernden Ölhain erstickt. Vor 
uns ragt links die größte senkrechte Mauer-Vetrine, die 
wir bis jetzt gesehen; sie zeigt als Auslage all den 
interessanten Inschriften- und Figurenschmuck, der 
unter Pius IX. noch von dem alten Grabe gerettet 
werden konnte. Aus ihm ersehen wir, daß die Casa 
Rotonda als Grabstätte einem Herrn, namens Cotta, 
errichtet war. Zugleich erblitken wir eine Reihe von 
Köpfen, mystisch, stächelgekrönt, die Christusköpfen 
gleichen, sowie ebenso exotische Frauenköpfe, sowie 
Kandelaber, Festons — kurzum, eine herrliche Aus- 
beute für Archäologen. Wir steigen nun zu dem 
Bauernhaus hinauf, und wiederholen aus der Vogel- 
schau die Prüfung aller SEHERSVALDIERENEN, die wir 
bisher gesehen. 

Die Fahrt ist zu Ende. 

Wer nicht desselbigen Weges zurückkehren will, 
sondern Abwechslung liebt, mag gleich hinter der Casa 


168 III IF FF HT TH HH TI THTTTTTTTT TFT TFT TH 


Rotonda den Fahrweg links einschlagen, der zur Via 
Appia Nuova führt, und von hier den Heimweg an- 
treten. 


Der Hain der Egeria. 


Es unterliegt keinem Zweifel. Der heilige Hain 
ist wohl der stimmungsvollste Fleck, den die Cam- 
pagna nahe bei der Stadt aufzuweisen hat, und nicht 
umsonst haben sich ihn die besten Campagnamaler 
immer und immer wieder zum Vorwurf genommen. 
Doch, um von vorn herein vor einer Enttäuschung zu 
bewahren, man erwarte nicht, einen großen Wald zu 
finden; denn der bosco sacro ist nur klein. Worin 
aber sein Zauber liegt? Chi lo sa? Zum Teil ist viel- 
leicht unsere Jugendzeit daran schuld, in der wir so 
viel von dem märchenhaft reizvollen Beginn der ewigen 
Stadt und von König Numa hörten, der oft zur Nymphe 
Egeria ging, um sich von ihr politisch belehren zu 
lassen. Zwar haben die Archäologen mit heißem Be- 
mühen herausgefunden, daß der wahre Hain der Egeria 
noch innerhalb der Stadtmauern lag, aber für alle 
übrigen Leute wird unser Hain immer mit der Er- 
innerung an Egeria verknüpft bleiben. 

Wann man den „bosco sacro“ besuchen soll? Bei 
schönem Wetter zu allen Jahreszeiten, freilich sind die 
Monate Mai und Oktober am schönsten für seinen 
Besuch geeignet. Wer Freund düsterer charakteristi- 
scher Stimmung ist, mag ihn auch aufsuchen, wenn der 
Scirocco sein graues Wolkenheer heranwälzt, weil dann 
seine Umgebung eine solch eindrucksvolle klassische 


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Schwermut atmet, wie sie zur Campagna, als dem 
Totenfeld der Geschichte, paBt.*) 

Im folgenden sei eine Pilgerfahrt zu dem einsamen 
Hügel geschildert, die in der Stimmung dem Eindruck 
des deutschen Touristen entsprechen dürfte, welchen 
die Frühlingssehnsucht dem nordischen Winter ent- 
fliehen hieß. Mit einer gewissen Schadenfreude 
schwelgt solch ein Glücklicher in Lenzesjubel zu einer 
Zeit, wo im Norden noch Schnee und Eis die Fluren 
bedecken. 

Unendlicher Regen hatte uns Römer vierzehn Tage 
lang ans Haus gefesselt. Der erste Frühlingstag blaute, 
und die Sonne brannte derart, daß es geraten war, 
schattigen Ort zu suchen; denn römische Frühlings- 
sonne ist gefährlich, sie berauscht wie Alkohol, wie 
schon so manche Unbelehrte, die sich ihr zu lange 
ausgesetzt hatten, am eigenen Leibe erfuhren, wenn 
sie sich dessen Taumelgang nicht erklären konnten, 
da sie doch kein Tröpflein Wein getrunken. 

Also hinaus zur Via Appia Antica bis zum Kirch- 
lein Domine Quo vadis (s. S. 155). Hier begegnen 
wir vielen Touristen, die in der Droschke die Pflicht- 
fahrt zu den Callistuskatakomben machen. Links geht 
hinter dem sagenberühmten Kirchlein ein Weg ab, 
der sich zwischen knospenden Hecken hinzieht. Er 
heißt nach dem Flusse Via Caffarella (antik: Almo), 
weil er in dessen Tal führt. Nach wenigen Schritten 
ist man im Freien. Links erblickt man eine Mühle 
und nebenan ein seltsames Haus, das sich bei näherer 
Prüfung als ein antiker kleiner Tempel entpuppt. Es 
ist in der Tat ein altes Grabmal, dem die späteren 
Römer den Namen „Tempel des Deus Rediculus‘‘ (des 


*) S. Assessor Assemacher in Italien S. 416ff. 


170395 I I I IH IH FH IH FH FF FH FF HH THF THF FFF FT 


die Rückkehr erzwingenden Gottes) gaben, weil der 
Sage nach hier der Hannibalsschrecken (‚Hannibal 
ante portas‘‘) sein Ende gefunden haben soll. 211 v.Chr. 
war's. Hannibal war aus Apulien hergezogen, um 
durch einen Angriff auf Rom das römische Heer, das 
Capua belagerte, zum Rückmarsch zu zwingen. Doch 
die Römer taten ihm den Gefallen nicht, ihm nach- 
zuziehen, und so mußte er selbst den Rückzug an- 
treten; denn er hatte nur für zehn Tage Lebensmittel 
mit, und besaß kein Belagerungsgerät, außerdem ließen 
sich die in Rom weilenden Soldaten nicht hervorlocken. 
Damals zeigte sich Roms Energie und Trutz im hellsten 
Lichte, erzählt doch die Sage, daß, als ein Stück Land, 
auf dem die Karthager lagerten, während der Anwesen- 
heit Hannibals auf dem Forum versteigert wurde, es 
durchaus nicht im Preise sank. Das faßte Hannibal 
als Prahlerei auf, und als Antwort darauf ließ er die 
Tische der Wechsler auf dem Forum, also nach heutiger 
Auffassung die Firmen der größten römischen Bankiers 
von damals öffentlich in seinem Lager ausbieten. Die 
Sage will freilich nichts von der prosaischen Begrün- 
dung des Abzugs Hannibals wissen, sie erzählt viel- 
mehr, daß dort, wo jetzt der Tempel steht, dem puni- 
schen Feldherrn Geister erschienen seien, die ihn so 
erschreckten, daß er schleunigst abzog. 

Zur Linken fließt der in Stein gefaßte Caffa- 
rella, unser Blick fällt auf dessen Wiesental und die 
jenseitigen mit Landhäusern und Herden bedeckten 
Hügel, bis nach zehn Minuten rechts eine gemauerte 
Höhlengrotte zu unsern Füßen gähnt, die sich tief in 
des Hügels Inneres hineinzieht. Das ist die malerische 
Grotte des Flußgottes Almo, oder die Grotte der 
Egeria, die schon so viele Maler begeistert hat; 


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denn das Licht- und Farbenspiel, das die Grotte bietet, 
ist an hellen Sonnentagen einzig schön. Noch sieht man 
Reste der früheren Marmor- und Stuckbekleidung ; 
die Gewölbe und Wände dieses Nymphaeums schmückte 
auch noch ein Fragment der Statue des Flußgottes. 
Moos und Wasserpflanzen bedecken den feuchten 
Boden und bringen so neue Farbentöne in das Gesamt- 
bild. Byron singt in seinem Childe Harold: 


„Noch liegen auf dem Moos an deinem Quell 
Die Nektartropfen, köstlich klar, verstreut! 

Noch strahlt dein Frühling, ewig jung und hell, 
Zurück den Genius, dem der Ort geweiht! 
Doch stürzte hier die rauhe Hand der Zeit, 

Was einst die Kunst an diesem Ort erbaut: 
Kein Marmorbau mehr Schutz und Schatten leiht; 
Es quillt die Flut mit leisem Flüsterlaut 

Aus deines Standbilds Riß hin über Blum’ und Kraut. 
An diesem Ort du wohntest weltverloren, 

O Göttin, und dein Herz erharrte ihn, 

Der doch nur war von dieser Erd’ geboren. 

Es hat die Mitternacht euch hold gelieh’n 

Als schützend Dach ihr Sternenbaldachin! 
Fürwahr! Die Grotte wohl geeignet schien 

Für eine Göttin, die nach Lieb’ begehrt.“ — 


Wir ziehen weiter, und bald erscheint der kleine 
wollige Busch, der wie ein Bouquet am Busen einer 
schönen Frau an diesem grünen Hügel prangt. Schade! 
Man hat den heiligen Hain im Laufe der Zeit stark 
gelichtet. 

Wir steigen den Grasteppich hinauf und treten in 
den Hain, der ein Kuppeldom mit Baumkronenge- 
wölben scheint. Froh aufatmend legen wir uns ins 


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Gras und schauen durch die Dachlücken die blauen 
Himmelsfetzen, die durch den Kontrast des üppigen 
Steineichengrüns doppelt blau, ja fast violett erscheinen. 
Mit Scheffel denkt man: „Nicht neid’ ich der Welt 
alle Wonnen!‘ Drinnen in der ewigen Stadt kämpfen 
die Schwarzen mit den Weißen und Roten, betrügt der 
Minister die Kammer, der Advokat den Richter, der 
Wucherer den kleinen Beamten, stundenlang sitzen 
dort die Politiker in dumpfer Apotheke oder schwälen- 
dem Kaffeehause, Hunderte von Dichtern schwitzen 
Verse, und in Deutschland in Schnee und Eis schlagen 
sich Junker und Schlotbarone herum — hier jedoch 
herrscht Ruhe, Stille, Frieden. Nur der Wind macht 
sich mausig und zerrt den würdigen Steineichen mut- 
willig im krausen Haar. Doch sie wissen ihren Adel 
zu schätzen, stammen sie doch aus Numas Zeit, drum 
kümmern sie sich nicht darum, was außer ihnen vor- 
geht, auch der Besuch gewöhnlicher Menschen läßt sie 
kalt, haben sie doch schon so viel erlauchte Geistes- 
riesen gesehen, wie Goethe, Seume, Gaudy, Byron, 
Shelley, Heyse, Gregorovius, Scheffel, Allmers, 
Boecklin, der andren alle zu schweigen, die hier am 
Busen der Campagna römische Landschaftswonne und 
Sonnenpracht genossen. 

Boten des Frühlings kommen, KohlweiBlinge, 
Mücken, verschüchterte Eidechsen, und naseweise 
Lerchen trillern schon ihre Lenzhymne. Ein junger 
Esel stört die stille Betrachtung. Philosophisch peri- 
patetisiert er, trinkt Frühlingsodem und speist duftiges 
Gras dazu. Ein schöner Kerl, nicht so steif, grau, 
würdevoll, wie seine philiströsen nordischen Brüder. 
Er ist auch zutraulicher als diese und fürchtet sich 
nicht vor dem zweibeinigen Nachbarn, der neben ihm 


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im Grase liegt und Naturfreund ist, wie er. Seine 
noch von keinem Zahnarzt entweihten Zähne sicheln 
das Gras, daß man es auf hundert Meter Entfernung 
hört. Seine Furchtlosigkeit macht auch andren braunen 
Gesellen Mut, und so kommen auch einige Maultiere 
heran, um sich den Besucher zu beäugen, der ganz 
versunken ist in den Anblick der Sonnenflecke, die 
durch den Laubfilter auf den grünen Rasen durch- 
gesickert sind, wo sie ein zierliches Menuett tanzen, 
das die Kunst eines Siemieradski oder eines Paul 
Höcker reizen könnte. Bald fallen dem Betrachter auch 
die Stämme der Eichen ringsum auf, da jeder von ihnen 
bemüht ist, sich als Individuum zu geben. 

Nun beginnt die Bergpredigt der Campagna. Zu- 
erst knüpft diese an das nahe Grab der Caecilia 
Metella an, das von hier einer am oberen Rand zer- 
fetzten Riesentrommel gleicht, dann springt sie links 
zur neuen Epoche des Militarismus über, indem sie 
auf das eukalyptusumkränzte Fort verweist, drauf be- 
schäftigt sie sich mit der Landwirtschaft, denn im 
Norden krabbeln wollige, weiße und graue Punkte 
auf den grünen Wiesen herum. Nun kommt auch 
der Monte Gennaro, der heute wie aus bläulichem 
Silber getrieben erscheint. Armer Kerl! Er sieht 
etwas grämlich aus, geht es ihm doch wie Klopstock, 
viel gelobt wird er nur. Nun, er hat ja auch genug 
getan, wenn er der Campagna als Folie dient. Jetzt 
drängen sich auch die roten und gelben Latinergräber 
auf und die bizarren Linien der antiken Wasserleitungs- 
bogen, die bei Porta Furba einen wahren Rattenkönig 
der malerischsten Ruinen bilden. Auf der Wiese im 
Vordergrunde rückt drauf plötzlich ein Wartturm 
Irohend heran. Auch er ist ein armer Kerl. Er ist 


174 555533 IH III IF FT FI FF FF TFH FIT HF FHFF 


doch längst pensioniert und bildet sich wohl im Traume 
ein, er sei noch jung und tue noch mit in den Kämpfen 
der römischen Barone, oder bringe mit seinen Feuer- 
zeichen den Tempelritter-Bankherren die neuesten 
Kurse aus Rhodus! Auch die Sabinerberge sind heute 
eigentümlich. Sie tragen Kopfbinden, wie die antiken 
Priester, Schneetücher sind’s, die der Regen der letzten 
Tage gewebt. Doch die herrlichen Piniengruppen der 
Aqua Santa an der neuen appischen Straße ziehen uns 
ab, dahinter leuchtet die Citadelle von Frascati, das 
hoch gelegene Monte Porzio, und jetzt gleißt Frascati 
selbst auf seinem bläulich braun--violetten Berges- 
polster, umgrünt von den Parks, in denen die Burg- 
schlösser der römischen Großen ragen, die jetzt die 
Geistlichkeit besitzt. In einer dieser Villen steht jetzt 
vielleicht der größte Schilderer der Campagna, Richard 
Voß, auf hohem Balkone und weidet seine nie ge- 
sättigten Augen an dem ewig neuen Landschaftszauber. 
Rechts in der Höhe bemerkt man jetzt auch Rocca di 
Papa, hingehaucht wie schmelzender Schnee; denn 
noch liegt es im Schatten, der Abendsonne gewärtig, 
die ihm die Wangen röten soll. Dann verfolgt man 
die edlen Linien des Albanergebirges, die in sanftem 
Adagio aufsteigen bis zum Monte Cavo, der seinen 
Schopf vor Zorn sträubt, weil ihm ein weißes Wölklein 
zu nahe gekommen. In ergreifendem Andante fällt 
die Bergeslinie meerwärts ab, bis sie im Steppenmeer 
erstirbt, über welchem in stolzer Selbstgenügsamkeit 
ein Raubvogel kreist. 

Die Sonne beginnt zu sinken. Vier Uhr ist 
vorüber. Wir erheben uns und machen einen Rund- 
gang um den äußern Baumring. Auch hier beschleicht 
uns wieder das Gefühl des Friedens. Der große Geist 


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der unendlichen Campagnaruhe erfaßt uns. Der 
Caecilia Metella-Turm ist erwacht, er schimmert rötlich, 
auch in die Schafe ist neues Leben gekommen; ihr 
Mantel scheint auf dem Rückensaum mit goldschim- 
merndem Hermelinstreifen besetzt, den Frau Sonne 
angestickt. Im Norden drängt sich die reiche Ver- 
gangenheit der braunen Stadtmauern auf, überragt von 
Roms Wahrzeichen, der blauen Peterskuppel. Ein 
Hirt mit Faunsfüßen schleicht neugierig näher, er 
möchte wohl gerne wissen, warum ich jetzt so entzückt 
auf den Hügel starre, auf dem das Tempelkirchlein 
S. Urban thront, oder warum ich mich plötzlich um- 
wende und erstaunt die Augen weite. Wie soll er 
auch verstehen, daß ich ergründen will, weshalb die 
besten Maler jedesmal in Verzweiflung geraten, wenn 
sie sehen, wie die Sonne den römischen Farben eine 
Leuchtkraft gibt, die jeder Wiedergabe spottet. Schaut 
doch nur hin, wie das Landhaus jenseits des Baches 
Caffarella in blendendem Oker leuchtet! ... 

Langsam nur und ungern verlasse ich jetzt den 
seligen Hain, der so viel Freuden spendet, und schreite 
zu dem westlichen Hügel, auf dem 


St. Urban 


liegt. Zwar ist es noch frühe in der Jahreszeit; denn 
den größten Zauber entfaltet das zur christlichen Kirche 
umgewandelte antike Tempelgrab, wenn der Frühling 
auf die Berge stieg, und die Wiesen ringsumher in 
märchenhafter Blumenfülle prangen, wenn Rittersporn, 
Skabiosa, Steinklee, Hasenfuß, Löwenzahn, Mohn- 
blumen zu Millionen um- und nebeneinander wimmeln 
und den Fuß des Wanderers hemmen, und Bodenstedts 
Gedicht uns in den Sinn kommt: 


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„Das Gras wird zertreten, 
Das saftig die Herd’ nährt, 
Und niemand beachtet 

Die heilenden Kräuter, 

Die wundertät’gen, 

Verborgen im Grase — 
Derweilen der Efeu 

Sich stolz um den Baum rankt, 
Und die Blumen prangen 

In lieblichem Dufte 

Und blendendem Farbenspiel.“ 


Hundegebell ertönt, wir treten durch die Hecke 
auf des Hügels Plateau, das von Fliederbäumen, Cy- 
pressen, Steineichen, Ulmen, Obstbäumen und Euka- 
lyptusriesen umrahmt ist. Stellenweise finden sich 
auch lauschige Lauben, in denen antike Altarreste als 
Tische, und geborstene Säulen als Stühle dienen, 
Lauben, die in weihevoller Einsamkeit zum Träumen 
und längerem Verweilen einladen. Die feierliche Stim- 
mung steigert sich, wenn wir nun die Fassade des 
antiken Baus betrachten, der noch in voller Stilreinheit 
glänzt, wenn man auch die Säulen seines großen 
Portikus durch Ziegelwände verbunden hat. Ein Tem- 
pel des Bacchus soll er gewesen sein, ehe man ihn 
zur christlichen Kirche bekehrte. Als solche scheint 
er aber jetzt pensioniert zu sein; denn tritt man in 
sein hohes, kahles Innere, so sieht man, daß der Altar 
abgerüstet hat, und die Kirche selbst zum Haushaltungs- 
dienst des nebenan wohnenden Pächters herangezogen 
wurde. 

Es lohnt sich auch ein Gang um Kirche und 
Haus herum durch den Gemüsegarten. .. . 





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„Und junge Blüten spenden süßen Duft. 

Die muntere Eidechs’ schlüpft durchs Gras behende 

Und Vogelstimmen klingen durch die Luft. 

Ein Blumengarten uns zum Weilen ruft, 

Der mannigfach an Farben und Gestalt _ 

Sich zeigt auf Hügel und auf Bergeskluft: 

In sanftem Blau des Veilchens Auge strahlt, 

Als hätt’ des Himmels Kuß ihm seinen Kelch gemalt.“ 
(Byron, „Childe Harold.) 


Da der Pachter auf gute Worte hin auch neben- 
amtlich den Wirt spielt und guten Wein hergibt, so 
empfiehlt es sich für jeden Besucher, der Zeit hat, in 
einer der feierlich stillen Lauben dem nahen Sonnen- 
untergang vespernd entgegenzuharren. Dann ist der 
Augenblick gekommen, über den heiligen Hain nach 
den südlich gelegenen roten Pulverhäusern zu gehen, 
wo links die Militärstraße nach der Via Appia Nuova 
führt. 

Übrigens ist der Ausflug nach dem heiligen Hain 
auch mit Wagen möglich, da der Weg von Domine 
Quo Vadis bis zur Militärstraße fahrbar ist. 





Vor Porta San Paolo. 
(S. Paolo — Tre Fontane — Via Sette Chiese.) 


Auch dieser Ausflug wird zum Teil wenigstens fast 
von allen Romreisenden gemacht, da wohl niemand 
Rom verläßt, ohne die elegante Basilica S. Paolo fuori 
le mura gesehen zu haben, die seit dem Brande von 


Zacher, Was die Campagna erzählt. 12 


178 III III IH FF IT TFT HF HH HIFI CH SHIT IT IF IF IFFT 


1823 ganz neu aufgeführt wurde, bis auf die Fassade, 
an der noch gebaut wird. 

Wie die alte Kirche, so ist auch, aber schon Jahr- 
hunderte vorher, der alte Portikus geschwunden, der 
das Tor San Paolo mit der berühmten Wallfahrtskirche 
verband, damit die Pilger, gegen Sonne und Regen 
geschützt, leichtere Wanderung fänden. Heutzutage 
erleichtert der elektrische Wagen die Pilgerfahrt noch 
mehr. 

Die viel belebte Straße bildet eben wegen des 
starken Lebens und Verkehrs wenig Interessantes für 
den, der Campagnaschönheiten studieren will; doch 
kann der Stimmungen liebende Rompilger diesen 
Mangel ersetzen, wenn er den elektrischen Tram ver- 
schmäht und in langsamer Wagenfahrt hinauszieht und 
seine Augen fleißig spazieren gehen heißt. Sehr emp- 
fehlenswert ist auch ein Besuch des protestanti- 
schen Friedhofs, der am Paulstor liegt, gehört er 
doch wegen seiner malerischen Lage und Landschafts- 
pracht zu den stimmungsvollsten, welche die Welt 
kennt. 

Das Paulstor selbst verdient auch eine längere 
Betrachtung, da es durch die zwei großen Rundtürme 
links und rechts burgähnlichen Charakter erhält, und 
rechts von ihm die schwarze Cestiuspyramide ragt. 
Schön ist der Blick an der Flucht der betürmten Stadt- 
mauer entlang bis zum Tiber, weil über ihr die Cy- 
pressen und Pinien des Friedhofs doppelt eindrucks- 
voll wirken. Weiterziehend bemerkt man nur viele 
Osterien, zur Linken auch eine kleine Kapelle, die 
„Cappella della Separazione‘‘, die an der Stelle steht, 
wo Petrus und Paulus der Sage nach voneinander Ab- 
schied nahmen, als sie zur Hinrichtung gingen. Bald 





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tritt man in eine Akazienallee ein, an deren Ende der 
bekrönte weiße Turm der Paulsbasilika winkt. Bei der 
ersten Lichtung rechts bietet sich ein schöner Rück- 
blick auf den Testaccio, bald darauf erblickt man links 
über einem Baumkronenmeer den oberen Saum der 
Albanerberge, und noch weiter kurz vor der Basilika 
links einen malerischen, schön bewachsenen Tuffstein- 
klotz. — | 

Haben wir die Basilika bewundert, so schreiten 
wir dem Tiber zu, um die noch in Gerüsten starrende 
Hauptfassade des Doms zu sehen. Sie strotzt von 
Gold und farbenreicher Mosaik, welche in moderni- 
sierter Form das alte Motiv vom Gotteslamm be- 
handelt, das auf dem Berge thront, dem die vier 
mystischen Ströme entspringen. Schäflein, welche die 
frommen Gläubigen symbolisieren, ziehen zu ihm, zwei 
Palmen ragen, und die heiligen Städte Bethlehem und 
Jerusalem erscheinen. 

Vergebens sucht man nach einem Ausblick auf den 
Tiber, dessen Nähe bei Überschwemmungen der Kirche 
sehr gefährlich ist; denn zwischen Strom und Dom 
ließ die Spekulation des heiligen Jahres die Osteria 
„Porta Santa‘ entstehen, die außen und im Hofe 
schöne Lauben zeigt. 

Zur Heerstraße, die, weil sie nach Roms Hafen- 
stadt Ostia führte, einst Via Ostiensis hieß, zurück- 
gekehrt, ziehen wir südwestlich an dem alten Pauls- 
Kloster vorbei, das jetzt auch von Carabinieren be- 
wohnt ist, einige Minuten weiter, bis die Straße sich 
gabelt. Man halte sich links, auf der Via Laurentina, 
oder auch Ardeatina genannt, von ihrem Endpunkte 
dem alten Ardea, das nahe dem Meere in todähnlichem 
Schlafe liegt. Man steigt bis rechts die hochgelegene 

12* 


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Osteria Montagnola ragt, die selbst im heißesten 
Sommer ein angenehmes Ausflugsziel ist, da sie stets 
von kühlem Seewind bestrichen wird und zahlreiche 
schattige Lauben bietet. Die Aussicht von dem Garten 
ist überraschend schön; man hat einen Prachtblick auf 
Monte Gennaro, im Südwesten dräut über dem sich 
schlängelnden Tiber das Fort Ostia, man sieht die 
malerische neue Tiberbrücke und auf dem andern Ufer 
die letzten Ausläufer der Monte Verde-Hügel. Dem 
Meere zu verliert sich der Blick in das Gebiet der 
alten Hafenstädte Portus und Ostia. Im Südosten 
tauchen die Albanerberge mit den „Castelli Romani“ 
auf. Auch die Nordseite des mit Kaktus und Wein 
umsäumten Gartens ist aussichtsreich. Über dem Turm 
des Paulsdoms, dessen Krone einem luftigen Säulen- 
tempel gleicht, wird S. Maria Maggiore, der Laterans- 
dom und der Sorakte sichtbar. — 

Nachdem wir rechts die rosarote Osteria dei 
Cacciatori passiert haben, gelangen wir in ein- 
sames, kahles Hügelland, auf dessen welliger Höhe 
ein schöner Rundblick sich bietet, in welchem auch 
Rom vertreten ist. Und noch einsamer, stiller, wüsten- 
ähnlicher wird das Hügelgebuckel, bis vor uns im 
Tale eingebettet eine Waldoase sichtbar wird, deren 
hohe Bäume sich schützend wie eine Boa um eine 
größere Häusergruppe legen. Der Eindruck, den diese 
Baumprachtinsel im grünen Steppenmeer macht, ist un- 
beschreiblich. Auf Meilen hinaus findet man ja keinen 
Wald, keinen Hain, kein Gebüsch mehr. Und der 
Eindruck erhöht sich, wenn man weiß, daß Menschen- 
hand in rastlosem Schaffen diese üppige Vegetation 
der Ode abgerungen, um den Umwohnern ein Beispicl 
zu geben, wie Fleiß und Beharrlichkeit selbst der 





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Malaria, die jahrhundertlang das seewärts gelegene 
Gebiet der Provinz Rom verheerte, Trotz bieten könn- 
ten. Als Hauptmittel in diesem Kampfe benutzten die 
Mönche, welche hier sich so tapfer angesiedelt, den 
Eukalyptusbaum, der wegen seines schnellen Wachs- 
tums den Boden austrocknet und mit seinem reichen 
Blätterschmuck die Luft reinigen sollte. Das war ja 
auch der Grund, weshalb später alle Eisenbahnstationen 
und Forts in der Campagna mit diesen Bäumen um- 
rahmt wurden. Aber der Erfolg blieb doch aus, es 
gelang zwar, das: vor uns liegende Eukalyptusgebiet 
fruchtbar zu machen, aber da es vereinzelt blieb, konnte 
es die Malaria nicht ganz bannen, da, wie man jetzt 
weiß, dieses Fieber nicht durch die schlechte Luft, 
sondern durch die Malariazanzaren erzeugt wird. Sind 
wir jetzt auch besser belehrt, so nimmt darum unsere 
Achtung vor den Mönchen nicht ab, auch nicht, wenn 
sie noch immer fortfahren, das Öl ihrer Eukalyptus- 
bäume zum sogenannten Eukalyptusliqueur zu ver- 
arbeiten, und als unfehlbares Mittel gegen das Fieber 
zu verkaufen, gebührt ihnen doch der Dank aller 
Landschaftsfreunde, weil sie diese idyllische Oase, diese 
weihevolle und poetische Stätte des Friedens ge- 
schaifen, die niemand ohne Rührung betritt. 

Tre Fontane heißt die Ansiedlung, weil nach 
der Sage hier das Haupt des Paulus niederfiel, und 
drei Quellen entspringen ließ, die schon im frühesten 
Mittelalter heilige Verehrung genossen. 

Durch eine Allee von Eukalyptusbäumen, unter die 
auch vereinzelt Cypressen und Akazien gemischt sind, 
kommt man zu einem alten Torbau und durch ihn in 
einen wundervoll gepflegten Garten, in dem hie und 
da einige fromme Trappisten umherwandeln. Die sel- 


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tensten Blumen, Blattpflanzen und Zierbäume sind 
hier zu schauen, und Kaktusschlangen von erstaunlicher 
Höhe und Dicke. Schade, daß die Pracht ringsum 
durch moderne Heiligenstatuen, Fabrikware scheuß- 
lichster Art, verschimpft ist. Geradeaus kommt man 
zur größten der drei Kirchen, welche zur Abtei ge- 
hören, San Vincenzo ed Anastasio geheißen, die eine 
der ältesten Formen der christlichen Kirchen, die der 
Pfeilerbasiliken, darstellt. Sie ist ganz kahl, weiß ge- 
tüncht und leer. Ein einfaches Holzdach deckt sie. 
Sie macht in dieser großen, stillen Leere einen feier- 
lichen Eindruck, zumal der lichte Altar geheimnisvoll, 
mystisch aus der dunklen Apsis hervorleuchtet. Rechts 
von dieser Kirche geht ein schnurgerader Gartenweg 
zur zweiten, zur Quellenkirche „San Paolo alle tre 
Fontane‘, die eigentlich mehr eine ausgereckte Quer- 
kapelle ist, eine Art Brunnenhalle, welche die drei 
nebeneinanderliegenden Quellen bedeckt. Im Eingange 
blitzen am Fußboden herrliche Mosaiken, die aus Ostia 
stammen. Nun kehren wir zum Vorgarten zurück und 
links in die dritte Kirche „Santa Maria Scala Coeli 
(Kirche der Himmelsleiter), so genannt, weil Sankt 
Bernhard, als er einst hier für das Seelenheil eines 
Verstorbenen betete, diesen auf einer Leiter zum Him- 
mel steigen sah. Die Kirche ist ein kleiner Rundbau 
mit abscheulich blau gemalter Kuppel, deren Anblick 
man schleunigst draußen durch einen Blick zum Him- 
melsdom zu vergessen sucht. l 

Anstatt gleich zurückzukehren, ziehen wir nun 
neben Tre Fontane weiter auf der Via Laurentina, 
um, langsam steigend, die Waldpracht des hier aus 
achtzig verschiedenen Arten zusammengesetzten Euka- 
lyptushains zu genießen, welche den meisten Reisenden 


—r 


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entgeht. Namentlich im Spätfrühling klingt es hier 
wie im Schubertschen Liede „Aufenthalt‘, wenn 
auch hier „hoch in den Kronen wogend sich’s regt“, 
und dazu der Sang der Lerchen, Finken und Meisen 
sich mit dem leisen Ton des Klosterglöckchens mischt. 
Die Luft ist rein und köstlich, und gegen die Gold- 
glut des Ginsters erscheint der Himmel noch einmal so 
blau. Unglaublich, ja schwindelnd hoch, wachsen hier 
die Riesenbäume zum Himmel auf. Gespenstisch 
gleißen ihre oft rindenlosen Stämme, rubinengleich 
funkeln im Laubgrün die verwelkenden roten Blätter. 
Auch Riesenfarrenkraut belebt den Wald. Bei dem 
Wegwärterhaus gegenüber der Osteria tre Fontane 
senkt sich der Weg durch eine Tuffsteinschlucht. Bald 
hört der Wald auf, und wir sind wieder in einem Gras- 
hügelmeer, das um so stiller erscheint, je lauter das 
Leben des rauschenden Waldes war. Diesen ein- 
samen Teil der Campagna kennen nur Fuhrleute, Jäger 
und Fuchsjagdreiter. Eben deshalb sollte man es 
nicht versäumen, nach dem Besuche der Abtei hier 
wenigstens bis zur nahen Brücke über den Fluß Cecchi- 
gnola vorzudringen; denn so bequem wird dem eiligen 
Reisenden nirgendwo ein Einblick in den Einsamkeits- 
zauber der Campagna geboten wie hier. Der Brücke 
gegenüber öffnet sich nach links ein breites Tal, in 
welchem man auf Feldwegen zu dem etwa fünf Kilo- 
meter entfernten Schloßgut Cecchignola, das herrliche 
Wasseranlagen besitzt, und weiter zur einsamen Straße 
des Divino Amore gelangt, die von der Via Appia 
Antica in der Nähe von Domine quo vadis abgeht. 
Doch empfiehlt sich dieser Spaziergang nur für karten- 
kundige Campagnapraktiker, die längere Zeit in Rom 
verweilen. Die andren lassen sich am besten mit dem 


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herrlichen Blick genügen, den man von der Brück: 
auf das Albanergebirge genießt, und kehren dann durch 
den Wald zur Abtei zurück. Wer die Steigung ver- 
meiden will, nehme nun links die Straße, die zum 
Tiber führt und kehre auf diesem kleinen Umwege 
nach S. Paolo fuori le mura zurück. 

Hat man, dort angekommen, noch Zeit, so schlage 
man rechts vom Turm die Straße „Sette Chiese‘“ (die 
von den sieben Hauptkirchen Roms [s. S. 157] so ge- 
nannt ist) ein. Zunächst steigt man um den begrünten 
Tuffsteinklotz herum, der namentlich im Mai und Früh- 
sommer ein wahrhaft homerisches Landschaftsbild stellt, 
das um so schöner wirkt, wenn im Goldginster die 
Nachtigallen schlagen. Links wird der Monte Testaccio 
und das Benediktinerkloster auf dem Aventin sichtbar. 
Dann verschwindet der sinkende Weg wieder zwischen 
Baumhecken. Wo er wieder steigt, starren neue 
ginstergekrönte Tuffsteinfelsen, gegen die sich des 
Himmels Blau leuchtend abhebt. Bald nimmt uns eine 
Tuffsteinschlucht auf, auf deren Bord Efeu und deutsche 
Eichen prangen. Nach ihr folgt eine Lichtung, die zur 
Rechten den Blick auf die öde Campagna und das 
Gehölz von Tre Fontane gewährt. Bald taucht auch 
das Albanergebirge auf. Nun passieren wir viele um- 
mauerte oder hochumzäunte Villengärten. Nur ab und 
zu können wir rechts durch einige Lücken im Fluge 
einen Blick auf die Stadt und den Laterandom er- 
haschen. Rechts taucht ein noch in frischen Farben 
gleißender Schuppenbau auf, er bedeckt die Kata- 
komben und die Basilika von Domitilla und Petronilla, 
fünf Minuten später schauen wir dort, wo der Weg 
sich senkt, den hinteren Eingang der Callistuskata- 
komben und die von Pinien überragten Kuppeltürme 


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der S. Sebastianskirche, über der in der Ferne der 
Mons Algidus auftaucht. Kurze Zeit darauf kommen 
wir auf die Via Appia Antica, und vielleicht noch gerade 
recht, um von dem Grabmal der Caecilia Metella aus 
den S. 160 geschilderten Blick vor Sonnenuntergang 
zu genießen. 





Santa Sabba und Monte Testaccio. 


Die Kirche Santa Sabba ist nur Donnerstags ge- 
öffnet. 

Man erreicht sie am besten von der Via Appia 
Antica aus, dort, wo hinter dem Palatin die S. 10 ge- 
nannte Verbindungsstraße nach dem TorS. Paolo 
führt. In der Mitte dieses Wegs, der Via S. Prisca 
gegenüber, die den Aventin hinansteigt, zieht der Feld- 
weg zur Kirche hinan, deren Loggienvorbau weithin 
sichtbar den Hügel krönt, sich scharf abhebend gegen 
den blauen Himmel. Der Weg ist malerisch, rings- 
um prangen Eukalyptusbäume und Obstbäume, links 
schauen wir eine malerische Torruine, welche dichter 
Efeu wie ein Hut bedeckt. Bald stehen wir vor dem 
tiefen Nischentor, an dessen Wänden die merkwürdige 
Inschrift prangt: „Ecclesia S. Sabae et Andreae apud 
cellam novam ubi olim domus et deinde oratorium 
Matris S. Gregorii P. P. ex qua domo Pia mater 
mittebat ad Clivum Scauri Filio scutellam leguminum.“ 
[Kirche des heiligen Sabas (Abt Sabas aus Kappa- 
dokien 588 +) und des heil. Andreas bei der neuen 
Zelle gelegen, wo einst das Haus und das Oratorium 
der Mutter (Silvia) des heiligen Papstes Gregor stand, 
und aus diesem Hause schickte die fromme Mutter 


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dem Sohne zum skaurischen Hügel (am Abhang des 
Caelius, wo jetzt die S. Gregoriokirche steht) täglich 
eine Schüssel Gemüse.] Im Vorgarten trifft man im 
Mai duftende Rosenpracht. Rechts geht es zum 
Klosterhof, dem dunkeln, traulich anheimelnden. Er 
ist dicht mit schattigen Ulmen besetzt, durch deren 
dunkles Laub die Sonne zitternde Kringel auf den 
Boden tropfen läßt. An den Wänden prangen blü- 
hende Apfelsinenbäume und schöne Ochsenaugen, und 
ringsum liegen antike Trümmer, Friese, Altarstücke, 
Säulenstücke und Kapitäle aus Serpentin. 

Hat man diesen kühlen, schattigen Hof, der wegen 
seiner friedlichen Stille von Beschaulichkeit liebenden 
Damen aufgesucht wird, und die Kirche, die von dem 
Collegium Germanicum, ihrem Besitzer, mit großen 
Geldopfern völlig und streng in den alten Formen 
restauriert wurde, bewundert, so wirkt der Auf- 
stieg zur lichten Loggia doppelt schön; denn die 
Aussicht, die sich hier bietet, ist von entzückendstem 
Reiz. Links erblickt man den Testaccio und das neue 
Stadtviertel, das sich um ihn herumgebaut hat, dann 
den Aventin mit dem Benediktinerkloster, die Spitze 
der Peterskirche, und den Monte Mario. Dann im 
Vordergrunde Santa Prisca, das Kapitol und den Palatin 
und die hohe Innenwand des Kolosseums, die man 
von keinem entfernteren Punkte der Umgebung je in 
ähnlicher Schönheit schaut. Rechts aber endet der 
Blick mit dem grünen Hügel nördlich der Caracalla- 
thermen, auf dem die alte Kirche S. Balbina ragt. 

Um zum 

Monte Testaccio 
zu gelangen, schreite man, wieder auf dem Viale di 
Porta S. Paolo angekommen, tiberwärts, halte sich 


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aber dort, wo der große Rest der alten Servianischen 
Mauer aufragt, zur Rechten und gehe immer geradeaus 
über die Trambahngeleise der Via delle Marmorate 
in die Via Galvani hinein. (Werden Monte Testaccio 
allein besuchen will, erreicht ihn am leichtesten, wenn 
er auf der Piazza Venezia die elektrische Bahn nach 
S. Paolo nimmt und an der Via Galvani aussteigt.) 

Am Ende dieser StraBe bringt uns ein FuBweg den 
Wiesenhügel hinauf. Dessen höchste Spitze schmiickt 
ein Holzkreuz, das an schönen Tagen lebende Figuren 
zu tragen pflegt. Straßenjungen sind’s, die der übri- 
gens abwesenden Polizei zum Trotz hinaufgeklettert 
sind, um mit der an langer Rute und Schnur befestigten 
Angel die die Höhe umkreisenden Schwalben zu 
fangen. Uns steigt bei diesem Anblick der Unmut 
auf, aber wir dürfen ihn nicht äußern; denn erstens 
würden diese echten Söhne Roms unser Mitleid für 
die Vögel nicht verstehen und zweitens unsere Pro- 
teste um so übler aufnehmen, als sie unsern störenden 
Bergausflug schon nur ingrimmig dulden. 

Das Steigen auf dem leuchtenden Grün ist ein 
Genuß; denn, da der alte Testacciohügel, über dessen 
Ursprung verschiedene Gelehrte noch nicht ganz klar 
sind, frei liegt, so haben wir die Illusion, als befänden 
wir uns vom blauesten Äther umflossen, auf der Spitze 
eines hohen Berges. Von Zeit zu Zeit fällt unser 
bewundernder Blick zur Linken auf die Cypressen- 
und Pinienpracht des protestantischen Kirchhofs, aus 
dem die malerische romantische Kapelle unseres Lands- 
manns Holzinger mit ihrem lieblichen Rot und Weiß 
hervorlugt, und weiter auf die Innennischen der alt- 
ehrwürdigen Stadtmauer. Andere junge Römer sehen 
wir, die in der Frihlingsbrise — und hier oben 


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geht die Luft wirklich frisch und rein — Drachen 
steigen lassen. Fremde aber sehen wir nicht, das Gros 
der Touristen fährt ja ahnungslos mit dem elektrischen 
Tram an der Testacciopracht vorbei nach S. Paolo fuori 
le. Mura. Nun sind wir oben, in Licht gebadet, ge- 
blendet von dieser goldenen Flut. Nach Augenblicken 
erst begreifen wir, wo wir sind, und welch köstliche 
Augenweide dieser Platz uns gewährt. Vor uns im 
Westen winken die Ausläufer des Janiculus, die unter 
dem Namen Monteverde bekannt sind. Auf ihrem 
grünen Kleid huschen die Schatten, die ihre Buckel 
und Furchen schaffen. Unter uns sehen wir die rot- 
gelben Bauten der riesigen Schlachthausanlage mit den 
reinlich gehürdeten Höfen, wo Hunderte von Rindern, 
ihres Schicksals vielleicht bewußt, über die Philosophie 
des Daseins grübeln. Nun folgt der Bahnhof Traste- 
vere, und über ihm die Villa Savorelli, die wie mit 
Goldplatten belegt scheint, die um so mehr leuchten, 
als ihre Lorbeerbasis dunkel dräut. Von der nahen 
spanischen Akademie aus auf Pietro in Montorio über- 
fliegen wir den Janiculus bis zur Peterskuppel, die nur 
halb hervorragt, steigen dann auf den Monte Mario, 
den Vorposten der etrurischen Berge, deren Gros sich 
aus duftiger Ferne bläulich bemerkbar macht, und 
erreichen drauf, im Kreise uns drehend, das grüne, 
krause Gewoge der Villa Borghese und den Pincio 
mit der doppelt getürmten Villa Medici, neben denen 
der Sorakte sein Struwelpeterhaupt erhebt. Nun drängt 
sich uns fast protzig vom nahen Aventin das Sankt 
Anselmokloster der Benediktiner auf. Dieser funkel- 
nagelneue martialische Bau, so schön er auch ist, will 
uns heute nicht gefallen. Er paßt nicht zum stillen 
Frieden des Benediktinerordens, dem die Menschheit 


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so viel verdankt. Maria Laach, Subiaco, Montecassino, 
das sind die Klöster, die für die Söhne des heiligen 
Benedikt passen, nicht aber dieses hier, der einer 
pschiitten Burg eines Parvenus oder der trotzigen Ver- 
körperung des angriffslustigen Katholizismus gleicht. 
Rechts daneben glüht das gelbe flammende Landhaus 
der Villa Mattei, der malerischsten und stimmungs- 
vollsten Roms. Auch die Cypressen, welche die Villa 
Mill auf dem Palatin umrahmen, wollen beachtet sein, 
ebenso wie der Spitzturm von S. Maria Maggiore und 
das Statuenmeeting auf der Attika des Laterandoms. 
Im Vordergrunde meldet sich jetzt das idyllisch auf 
niedrigem Hügelgrün eingebettete Kloster San Sabba. 
Und hinter all diesen Schönheiten ragt die blaue Wand 
des Sabinergebirges mit ihrer trotzigen Hauptpyramide, 
dem Monte Gennaro, auf. Bei ganz klarer Luft schaut 
ihm auch der fast im Duft verschwimmende Monte 
Velino, der im Abruzzenland Wache hält, über die 
spitzen Schultern. Wir gleiten nun suchend über die 
Linien der sabinischen Berge bis zur Lücke, die bei 
Palestrina beginnt. Wie nur angedeutete, leise auf- 
getupfte graue Farbenflecke lugen die Volskerberge 
in diese Lücke hinein, dann folgt, einem Felseneiland 
vergleichbar, das Albanergebirge, an dessen Ufer das 
Meer der grünen Campagnaebene funkelt und brandet. 
Und hinter der Pyramide des Cestius, die von der 
Stadtmauer umklammert ist, ragt in der Ferne als röt- 
liche Klippe in blaugrünem Wiesensee das Grab der 
Caecilia Metella. Rechts gleißt der Tiber, spannt sich 
die rotbraune Eisenbahnbrücke und funkelt im gol- 
denen Mosaikschuppenpanzer die Fassade von San 
Paolo fuori le Mura. Am Rande des geheimnisvoll 
blinkenden Horizontes duckt sich das friedliche Trap- 


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pistenkloster Tre Fontane in sein Eukalyptusbett. Dann 
hört es auf. Das Landschaftsbild ist wie abgeschnitten, 
als begänne gleich hinter dem Eukalyptuswald das 
Meer, während sich doch die Campagnaniederung noch 
viele Miglien weit träumerisch bis zu den Dünen hin- 
schleppt. 

Nun schreiten wir über den Rücken des Hügels, 
wobei unser wißbegieriger Fuß jeden Augenblick gelb- 
rötliche Tonscherben, meist konkave Bruchstücke von 
Amphoren, aufstöbert. Der Berg Testaccio ist ja nur 
eine Stätte, auf der die Alten Schutt abluden, einen 
Schutt, über welchen, wie schon gesagt, verschiedene 
Gelehrte noch streiten. Nach der neuesten Annahme 
lieferten die zerbrochenen Tonfässer, die Öl und Wein 
nach dem nahen Tiberhafen gebracht hatten, das 
Material, aus dem die Zeit den Testaccio allmählich 
aufgetürmt. 

Wieder fällt unser Blick auf die klagenden Ochsen, 
die sich aus ihrem luftigen Gefängnis nach der Frei- 
heit der Campagnawiese zurücksehnen; denn sie fühlen 
nicht den Beruf in sich, als „zoologisches Gartenvieh“ 
zu wirken. 

Langsam kehren wir zurück. Die Landschaft im 
Osten und Westen erscheint uns wieder als eine 
Überraschung. Darin liegt ja Roms geheimste An- 
ziehungskraft, daß es auch dem, der sein ganzes Leben 
dort zubrachte, täglich immer wieder neu erscheint. 
Und wieder versenken wir uns in dieses einzige Pano- 
rama. 

Dem muß ein Stein statt des Herzens im Busen 
liegen, der hier nicht weihevolle Andacht empfindet 
und mit jedem Atemzuge, ja mit allen Poren Schön- 
heit, ewige und ewig lebensvolle Schönheit einsaugt, 


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. die ihn auch im nordischen Nebel in der Erinnerung 
„ noch erquickt und erhebt über die Kleinlichkeit des 
_ täglichen Lebens. Und nun kommt Staffage in diese 
. Wonnepoesie. Schlanke junge Mädchen in funkelndem 
blauen und roten Gewande, mit Blumen bekränzt, sie, 
die sich selbst in der Schönheit ihres rotbraunen 
_ Antlitzes wie wandelnde Blumen abheben gegen 
. das flimmernde Wiesengrün — ziehen tänzelnd, schä- 
. kernd und singend den Berg hinauf. Wie die Purpur- 
- rosen leuchten in ihrem rabenschwarzen Haar! Ist denn 
_ kein Maler da, um diesen Sylphidentanz festzuhalten ? 
l Jetzt erst entdecke ich auch die impertinent weiß, 
. gold und rot schimmernden flachbedeckten Häuser des 
_ Volksquartiers zu Füßen des Berges. Wie ihr Glanz 
_ trägt! Welcher Kontrast zwischen dem von der Sonne 
. verschönten Äußern und dem Elend, das im Innern 
grinst! Und der Zeiten gedenken wir, als auch hier 
_ im Anfange alles wüst und leer war, und sich zwischen 
. Aventin, der Cestiuspyramide und dem Scherbenberge 
~ eine öde Wiese hinzog, die nur einmal im Jahre fest- 
. liches Leben zeigte — zur Karnevalszeit. Vom 
frihen Mittelalter bis zur Renaissance war diese Wiese 
. der Haupttummelplatz des römischen Karnevalstreibens, 
— die letzte Stätte, wo sich noch das mühsam unter- 
drückte Heidentum regen konnte. Am ersten Karne- 
valssonntage zog Roms Volk und Senat unter den 
dumpfen Festklängen der Glocke des Kapitols in feier- 
licher, prunk- und pompreicher Prozession hierher, oft 
auch begleitet vom Papste, der hoch zu Roß erschien. 
Eine ganze Wagenburg sammelte sich, die Honora- 
tioren gingen in die für sie errichteten Tribünen,’ 
während auf dem Scherbenberge wütende Stiere an 
den Fesseln zerrten, die sie festhielten. 


192 I5IIIIIII II FIT FT FH FF IH FH IF TFF FF FF TFT 


Das Kampfspiel*) beginnt. Die hundertundvier 
Wettkämpfer, welche Roms Stadtteile (die „rioni‘‘) als 
die besten einzeln ausgewählt, schreiten in die Arena. 
Vom Berge rollt ein mit rotem Tuch bekleideter Karren, 
darinnen ein wohl frisiertes Schwein grunzt. Die 
„giocatori“ stürzen sich auf das verzweifelte Borsten- 
vieh, da aber erscheint ein Stier, der toll vor Wut den 
Berg heruntergerast ist, und stürzt sich auf Schwein 
und Karren, die Fechter ihm entgegen und töten ihn. 
Und wohl sechs- bis zehnmal erneuert sich das blutige 
Schauspiel. Dann wird die Arena gesäubert und zum 
Rennplatz gewandelt. Sind auch die Pferderennen 
vorüber, und die Preise verteilt, so kommt die Nummer, 
welche das Maskenvolk am höchsten schätzt: der Wett- 
lauf der nackten Juden. Aber oft genug genügte auch 
diese Nummer dem rasenden Mob nicht, oft auch 
wurde der altersschwächste Hebräer (il pit: decrepito) 
aus dem Ghetto geholt, nackt in ein mit Nägeln ge- 
spicktes Faß gesteckt und den Berg hinuntergerollt, 
an dessen Füßen ihn die klagenden Glaubensgenossen 
erwarteten, — um ihn zu bestatten. Und doch mußten 
die Juden, die man so abscheulich mißhandelte, die 
Gelder für das „Fest‘“ aufbringen. Elfhundert Gold- 
gulden betrug der Tribut, den sie jährlich zahlen 
mußten. Robert I. von Neapel erhöhte ihn 1334 noch 
um dreißig Goldgulden — in Erinnerung an die dreißig 
Silberlinge des Judas, wie er spöttisch sagte. 

Doch hinweg mit diesen Bildern aus einer häß- 
lichen Vergangenheit. Werfen wir noch einen Blick 
auf die sonnige Frühlingspracht ringsumher und steigen 
wir dann hinunter zu den Grotten des Testaccio, um 
dort „Sonne aus zweiter Hand“, in Rebenblut ge- 


*) S. Filippo Clementi, „Il Carnevale Romano“. 


SIIIIIHITIHIHIHTICHHTTT IT T TH I TTH TFT TH IT 193 


wandelte Sonne zu schlürfen, allen Antialkoholisten 
und Kostverächtern zum Trutz; denn was Goethe in 
seinen „Römischen Elegien‘ von der Liebe sagt: 


„Eine Welt zwar bist du, o Rom, doch ohne die Liebe 
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom 
auch nicht Rom“ — 


das gilt auch vom römischen Wein, den man 
freilich in den Hotels nicht kennen lernt. 

Auch die Osterien haben ihre Schicksale. Die 
Grotten des Testaccio, in denen der Wein sich so 
frisch und duftig erhält, werden nicht mehr so intensiv 
besucht wie ehedem, weil der Tram die durstige Be- 
völkerung bequemer vor die Tore bringt. Und dem 
ist gut so; denn so stellen die Kneipen am Scherben- 
berge noch stille Oasen dar, wo sinnige Gemüter in 
poetischer Umgebung meditieren und geruhsam poku- 
lieren können. 

Nach dem Abstieg ziehen wir rechts an den Fassa- 
den der lang gestreckten Keller vorüber, die sich tief 
in den Bauch des Berges hineingraben. Ihnen ist eine 
Terrasse vorgebaut, auf der allerlei Zierpflanzen, auch 
Palmen in rot bemalten Amphoren blühen. Dann 
kommen wir zu einer rosafarbenen Schenke ,,Osteria 
del Cocchio‘‘ geheiBen, die eine schattige Laube eignet. 
Wir aber durchschreiten sie, da wir den Ausblick auf 
den poetischen Friedhof nicht missen wollen und: lassen 
uns einen Tisch auf den Vorplatz stellen, wo eine 
Gruppe von Platanen und Akazien grünt. Wie die 
Stille hier wohltut! Stimmungsvoll wirkt auch die 
Osteria, ihre Hallen und Terrassen. Und im Geiste 
gedenken wir der vielen, vielen Landsleute, die vor 
uns schon an dieser Stätte geträumt und geschwärmt — 

Zacher, Was die Campagna erzählt. 13 


194 III III FH FF TH FF HH FIT TI SH IH THF HFC TH TFT TH 


„Ich weiß nicht, was da noch werden soll ? 
Schon dämmert’s im feuchten Grunde, 

Die Fledermaus macht ahnungsvoll 

Um den alten Stadtwall die Runde. 

Am Scherbenberg wird’s öd und still, 

Ich glaub’, die alte Wirtin will _ 

Bereits die Schenke verschließen. 


Ein Käuzlein hör’ ich drüben schrein, 

Wo die Grabcypressen traueren, 

Campagnanebel ziehn herein, 

Verhüllt stehn Tor und Maueren, 

Es wogt und wallt, wie ein Geisterchor 

Von Cestius’ Pyramide her, 

Was mögen die Geister wollen?“ — 
(Scheffel, „Trompeter‘‘.) 


Wir brechen auf. Der Wirtin freundlicher Sohn 
reicht uns Rosen zum Abschied. 





Vor Bahnhof Trastevere. 
(Die Osterien der Monteverde-Hügel.) 


Dieser Ausflug eignet sich besonders an Sonntags- 
nachmittagen zum Studium des Volkslebens. Die be- 
quemste Art, um diese kleine, aber landschaftlich höchst 
lohnende Tour zu machen, ist die Fahrt mit der 
elektrischen Tram von Piazza Venezia bis Bahnhof 
Trastevere. 

Wer die Hügel von Monteverde und den Ausblick, 
den sie bieten, zum Finale einer sich von Genuß zu 
Genuß steigernden Wanderung machen will, die zu- 


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dem auch den Vorzug hat, den meisten Romtouristen 
unbekannt zu sein, wähle die im folgenden be- 
schriebene Zickzackroute, die noch niemand bereute, 
der sie auf die Empfehlung des Verfassers hin zog. 

Man beginnt an dem Palazzo Venezia. Hier 
ersucht man den Pförtner um Einlaß in den malerischen 
Hof und gehe dann zur Piazza Gesü. Von dort links 
die Via Aracoeli dem Kapitol zu bis zur ersten Quer- 
straße rechts der Via delle botteghe scure (die 
Straße der dunklen Ladengewölbe). Man folge dieser, 
bis links die Via Funari (die Straße der Seiler) abgeht. 
Die ganze Straßenfront zur Rechten ist von zwei 
Palästen eingenommen, die zusammengewachsen schei- 
nen, zuerst kommt der Palazzo des großen Fürsten- 
geschlechts Caetani, dessen Haupt jetzt Herzog von 
Sermoneta heißt, und dann der Palazzo Mattei. Die 
große, ernste Masse der Palastwände ist ab und zu 
von schönen, blumenumrahmten Fenstern belebt. Wir 
halten, ehe wir rechts um die Ecke des Palazzo biegen, 
einen Augenblick inne; denn das Straßenbild, das wir 
nun schauen, hat sich seit Jahrhunderten nicht ge- 
ändert: so war Rom im Mittelalter. Dann gehen 
wir durch das Portal des Palazzos, melden uns beim 
Pförtner und treten in den Hof, in welchem, wenn 
das zu sagen erlaubt ist, uns eine ähnliche Stimmung 
umfängt, wie in den romantischen Höfen alter Ritter- 
burgen. Hier stehen wir vielleicht im schönsten 
Schloßhof, den Rom aufzuweisen hat. Der Blick auf 
die büstenverzierte Loggia des ersten Stocks, auf die 
Palastwände, die mit unzähligen antiken Sarkophag- 
reliefs tapeziert sind, die düstere Stille des Orts, die 
graubraune Altersfarbe der Wände haben einen der- 
artig imponierenden Ausdruck des feierlichsten: „Es 


13* 


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war einmal“-Märchenzaubers, daß auch Verstandes- 
menschen sich ergriffen fühlen. Und steigt man erst 
die mit den herrlichsten antiken Skulpturen und in den 
Gewölben mit den heitersten Stuckreliefs geschmückte 
Treppe hinauf bis zur Loggia, so mischt sich in das 
stets sich steigernde Entzücken die Bewunderung ob 
des Kunstsinns der römischen Großen, die solch einen 
Fürstensitz geschaffen. — 

Weiter! Vom Palazzo aus rechts. Auch die Höfe 
der beiden folgenden Häuser sind sehenswert mit ihren 
Säulenhallen, Loggien und Freitreppen, die jeden Maler 
in Ekstase versetzen. 

Auf dem Platze selbst erschauen wir den berühm- 
ten Schildkrötenbrunnen (Fontana delle tarta- 
rughe), der an Leichtigkeit der Komposition und des 
Aufbaus in Rom keinen Rivalen hat. Rechts in der 
Ecke ragt der berühmte Palazzo Costajuti, der wegen 
seiner Fresken sehenswert ist. Dann kommen wir 
dem Brunnen gegenüber durch ein schmales Gäßlein, 
das fast nur von Juden bewohnt ist, auf einen verwahr- 
losten, weiten und leeren Platz: die Stätte des alten 
Ghetto. Vor uns haben wir das bunteste, aber auch 
wenig reinliche Marktgewimmel, unter Riesenschirmen 
von vier bis fünf Meter Umfang sitzen Höker und 
Hökerinnen, die das seltsamste Mischmasch von Früch- 
ten und Leckerbissen feilbieten. Ein Blick auf die 
Rückwand des Platzes zeigt uns manches antike Tem- 
pelfragment mit Inschriften bedeckt, das in die Wände 
der schmierigen Häuser eingeflickt ist. In der Ecke, 
dem Kapitol zu, sehen wir den Rest des Portikus der 
Octavia. Wir durchqueren den Platz in der Richtung, 
in der wir gekommen, hüten uns aber, der laut betteln- 
den Kinderschar einen Soldo zu geben; denn sonst 


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werden wir die Geister, die wir riefen, nicht los, und 
zu Dutzenden umheult uns die schmutzige Schwefel- 
bande. Im Vordergrunde erblickt man die alte Syna- 
goge und rechts davon, etwas versteckt, den berühmten 
Palazzo Cenci, der uns an das Bild in der Galleria 
Barberini erinnert, das die ungliickliche Beatrice 
Cenci verewigt. Auf dem kleinen diistern Burgplatz 
liegt auch die berühmte Artischocken-Osteria des „Vater 
Abraham“, in welcher im Frühjahr allabendlich der 
Artischocken-Karneval (die sogenannte carciofo- 
lata) stattfindet. 

Wir kehren zurück und schreiten an der neuen 
Synagoge vorbei zur Brücke quattro Capi, so genannt 
nach den vierköpfigen Hermen, die an ihrem Eingang 
stehen, und über sie zur Insel des Äskulap, zur 
„Tiberinsel‘“, deren Name lange Zeit nur eine 
Ironie war. Jetzt ragt hier an Stelle des Äskulap- 
tempels ein Tempel des Apostels Bartholomäus, 
der hier und merkwürdigerweise auch in Benevent 
begraben ist. Am andren Ufer angekommen, wen- 
den wir uns links und genießen auf dem schönen 
Quai die prächtigsten Ausblicke auf das Kapitol, auf 
die deutsche Botschaft, das deutsche archäologische 
Institut und auf den Aventin, dessen steile hochragende 
Kuppe mit Cypressen, Pinien, Kirchen, Palästen ge- 
schmückt ist. Bald kommen wir, rechts an der un- 
ermeßlichen Flucht des S. Michaelhospizes vorbei zum 
Hafen Ripa Grande, wo die Seeschiffe halten, die den 
Wein aus Sizilien bringen, und die wenigen Dampfer 
ankern, welche den Verkehr zur Tibermündung auf- 
recht erhalten. 

Es folgt die Porta Portese, die verkehrreiche. 
Vor ihr betritt man rechts neben der malerischen 


198 H5III III IH FF FF FF FH FFH THF FF HF HF FFHT 


Osteria die Via dei Cordari, so genannt nach den vielen 
Seilern, die wir hier inmitten ihrer „rückschrittlichen“ 
Arbeit bewundern können. Man folgt der Stadtmauer. 
Der Weg bietet schöne Ausblicke auf den Janiculus. 
Bald gelangt man zum breiten Viale del Re, und zur 
Linken, stets den Geleisen folgend, zum 


Bahnhof Trastevere. 


Im Hintergrunde auf der Höhe winkt eine Fahne. 
Sie weist das nächste Ziel. Man geht immer gerade- 
aus, an der Mauer des Bahnhofs vorbei, bis ein von 
zwei Stangen getragenes Schild sichtbar wird, das 
als Tor zu einem Fußpfad dient und die Aufschrift 
zeigt „Osteria del gran Panorama. Montagnola dei 
due pini“ (Hügel zu den zwei Fichten). Es steht 
zwar nur noch eine. Man steigt mit der Illusion hinan, 
mitten im einsamsten Gebirge zu sein, meilenweit von 
Rom entfernt, bis wir zu der Fahne und zu der von 
ihr geschmückten Brüstung kommen, die den ersten 
Ausblick bietet. Dann schreiten wir auf dem Rasen- 
plateau weiter bis zur Osteria, die einst ein Winzer- 
haus war. Zahlreiche Tische auf dem Vorplatz zeugen 


von Massenbesuch, sie sind zwar ebenso wie die Bänke 


ländlich schändlich — aber der Wein, den man hier 
findet, geht an — und für die Aussicht kann man 
auch ein bißchen unbequeme Sitzgelegenheit mit in 
den Kauf nehmen. 

Der Platz stellt eine nach Osten und Süden zu- 
gleich geöffnete Kuppe dar, dabei ist der Blick auf 
die südliche Campagna weiter, als ihn irgend ein andrer 
Aussichtspunkt des Janiculus bietet. Malerisch be- 
lebt ist das Panorama auch dadurch, daß wir dem von 
der Eisenbahnbrücke überspannten Tiber näher sind, 


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der bei der goldstrotzenden Fassade von S. Paolo fuori 
einen See bildet. Von hier aus gesehen wirkt auch 
die Eukalyptusoase der Abtei Tre Fontane malerisch, 
malerisch auch die endlose Campagnaebene, die sich 
rechts von ihr hinzieht. Dieses Stück Campagna, 
dieses reich bewegte Hügelmeer im Vordergrunde, in 
welchem Turmschiffen gleich gleiBende Landhäuser 
schwimmen, wird auch dem gefallen, der auf der Reise 
nach Rom die Campagna zwischen Civitavecchia und 
Galera nur als sumpfige öde Steppe kennen gelernt hat. 
Und nun der Blick nach Osten und Nordosten: die 
Schlachthausanlage, der langgestreckte grüne Rücken 
des Monte Testaccio, dahinter Santa Sabba, das Al- 
baner-, das Sabinergebirge, das gelbe Häusermeer der 
Stadt! Doch wozu beschreiben! Man sehe selbst, 
man bewundere selbst! 

Nachdem der populus von Trastevere seinen Nach- 
mittagsschlaf beendet hat, zieht er in hellen Scharen 
zu unserer Osteria herauf, bald kommt auch die Zunft 
der Bänkelsänger und Mandolinen-, Flöten- und Geigen- 
spieler, selbst der Baßgeigenkünstler fehlt nicht, der 
in den Pausen, den Kindern zu Liebe, auch als Tier- 
stimmenimitator fungiert. Und nun hebt ein fröhliches 
Schmausen an; denn das ist dem Römer bei jedem 
Ausfluge die Hauptsache, über der er freilich, wenn 
er erst die solide Grundlage geschaffen hat, das biedere 
Zechen nicht vergißt. 


Wer Abwechslung — auch in der Landschaft liebt 
— ziehe, nachdem er einige Zeit hier oben verweilt 
hat, wieder zur Ebene zurück, und pilgere eine Viertel- 
stunde weiter zur 


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Osteria del Monteverde. 


Hier versammelt sich das feinere oder feiner sein 
wollende Bürgertum; denn diese Schenke ist auch 
Wagen zugänglich, und der Römer, der sich’s eben 
leisten kann, geht nicht gern zu Fuß. Der Weg geht 
an der Bahnhofsmauer, etwas holperig zwar, entlang, 
bis zu der Stelle, wo links der Fahrweg die Eisenbahn 
überbrückt. Rechts gegenüber steht ein größeres An- 
wesen, dessen Tor die Nummern, 5 und 6 zeigt. Wir 
sind am Ziel und treten ein. Gleich rechts hinter dem 
Tor bemerkt man einen tennenartigen Sandplatz, der 
für das Bocciaspiel reserviert ist, dann kommen wir auf 
einen großen Hof, der mit Laub- und Rohrhütten ein- 
gefaßt ist, und links hinauf zur Terrassenbrüstung. 
Es sitzt sich gut hier, hoch über der Straßenschlucht, 
und die Aussicht, die uns hier grüßt, verdient zwei 
Baedekersterne. Es ist die gleiche, die auch die vorige 
bot, aber doch wie verschieden, da das ganze Pano- 
rama, das uns intimer näher gerückt erscheint, unter 
einem andren Gesichtswinkel gesehen wird. Links 
prunkt trotzig das Kastellkloster der Benediktiner auf 
dem Aventin, die Villa Mattei auf dem Caelius ent- 
sendet goldenen Schein, der Monte Gennaro zeigt seine 
blaue Zipfelmütze, und geradeaus tanzen die ,,Puppen‘ 
auf dem Laterandom. Weiterhin bemerkt man die 
Lücke, die zwischen Palestrina am Rande der Sabiner- 
berge und Colonna am Rande der Albanerberge klafft, 
der Hain der Egeria blinzelt uns einladend an, und 
über der Baumpracht von Aqua Santa an der appischen 
Straße und dem Eukalyptusregiment vom Fort Cento- 
celle, das in Parade aufgestellt ist, kokettiert Frascati 
in Rosatoilette, um den Preis der Farbenpracht wett- 


SIIIITIHTHI IT TH H IT TT TH TI TTTH TH THF A 


eifernd mit den andren „Schlössern‘‘ (Castelli) des 
Albanergebirges: Marino, Rocca di Papa, Grottaferrata, 
die unter dem baumbekrönten Haupte des mons 
Albanus liegen. 


Wer dieselbe Landschaft noch von andrem Winkel 
und in andrer Gruppierung schauen will, gehe rechts 
vom Tor den links und rechts vom üppigsten Blumen- 
flor umsäumten Hohlweg einige Minuten weiter, bis 
er an der Vigna Pellegrini eine Osteria findet, die im 
Garten ein zum Regenschirm gewandelter Baum ziert. 
Wer von hier aus das Panorama betrachtet, wird mit 
den in Rom Ansässigen bekennen müssen, daß bei der 
unglaublich klaren Luft Roms, die es seiner günstigen 
Lage zwischen Gebirge und Meer verdankt, und bei 
dem Spiel des intensiven Lichts, das beständig wech- 
selnde Beleuchtungseffekte erzielt, auch das dutzendmal 
schon Gesehene immer neu und reizvoll wirkt. Und 
wenn nun erst im Frühling der Himmel von leichten 
Cirruswölkchen bedeckt ist, und der blutrote Horizont 
im Westen seine Reflexe gen Himmel wirft, und so 
die rosig erglühenden Wölklein von violetten und 
purpurnen Strahlen getroffen werden, dann hebt ein 
Farbenspuk an, den zu malen in Rom nur wenigen, 
wie Pio Joris, Franz Aerni und dem „Farbenseher“‘ 
Julius von Hofmann u.s.w., gelingen dürfte. 


202 IIIIIIIITITSIH TFT THF H HH HH TFT IH TFT TFT TE 


Von Porta Cavelleggieri nach Porta San 
Pancrazio. 
(Im Rücken des Janiculus.) 

Dieser Ausflug, so lohnend er, namentlich nach 
der malerischen Seite ist, ist in weiteren Touristen- 
kreisen, und selbst bei vielen in Rom Ansässigen 
gänzlich unbekannt, während viele Campagnamaler, wie 
Aristide Sartorio und Max Roeder, sich gerade in 
diesem Teil der Campagna die schönsten, Motive holten. 

Ausgangspunkte für die Wagenfahrt; denn nur 
ganz rüstige Fußgänger können die ganze Tour 
machen, ist der Petersplatz, die Route folgende: Links 
durch die Kolonnaden in die Via Carretta und zur 
Porta Cavalleggieri, die ihren Namen von der Kaserne 
der „leichten Reiter‘‘ hat, die vor der Einführung der 
guardia nobile des Papstes Leibwache bildeten. 

Wer bisher in Rom vergebens Volksleben, echt 
italienisches Volksleben gesucht hat, weil er nie aus 
den Hauptverkehrsadern herauskam, kommt jetzt auf 
seine Kosten. Vor dem Tor, etwa nur zweihundert 
Schritt vom Petersdom, glauben wir mitten auf dem 
Lande zu sein; wir sehen große Ausspannungen, 
Osterien mit Riesenhöfen, in denen es von Karren 
und Stellwagen wimmelt. Man glaubt sich in die eisen- 
bahnlose Zeit unserer Großväter versetzt. Und schöne 
Namen zeigen diese Osterien: „Osterie des Blonden“, 
„Osteria des Ministers‘, „Osteria der Froschhändlerin“ 
(osteria della Ranocchiera), die als Spezialität frisch 
präparierte Froschschenkel, ein Lieblingsgericht der 
römischen Leckermäuler, feilbietet. 

Eine berittene Carabinieripatrouille zeigt uns durch 
ihre bloße Gegenwart an, daß wir uns ohne jede 


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Brigantenfurcht ruhig in das unbekannte Hinterland 
wagen können. Rechts ragt die Breitseite der durch 
die Stadtmauern halb verdeckten Peterskirche in des 
Himmels strahlende Bläue hinauf mit der großen und 
einer kleinen Kuppel. Weiter rechts erscheint der luf- 
tige, gelbrote Turmpavillon, der die elektrische Kraft- 
station enthält, die mehr Licht in den Vatikan bringt. 
Noch weiter lugt das halbe Ei aus dem Eierbecher- 
turm der vatikanischen Sternwarte hervor. 

Wir steigen langsam hinan, sehen bei jedem 
Schritte reizende Bilder, Frauen, die ungeniert ihre 
Kinder säugen oder waidgerecht frisieren, Bettlerfamilien 
im behaglichsten dolce far niente, Landpfarrer, behäbig 
und würdig, in ländlicher Kalesche, Milchwagen mit 
kupfernen Kesseln, die aus den Campagnagütern kom- 
men. Bald überschreiten wir die Eisenbahn nach 
Viterbo. Nach einigen Schritten senkt sich die Land- 
straße zu einer romantischen Mühlenosteria links, die 
an die Wasserleitung Paola angebaut ist, aus der die 
Springbrunnen auf dem Petersplatze gespeist werden. 
Mit Holzkohlen beladene Wagen halten hier und er- 
zählen uns von der Poesie der glimmenden Meiler in 
den „macchie“ (Urwäldern der Küste). Am Garten- 
zaun beschneiden Gutsknechte die allzu üppig wuchern- 
den Hecken. Sonderbare Gesellen; denn sie haben 
nicht nur die Oberschenkel, sondern auch die Arme 
und Schultern mit Schafpelz bedeckt, sonderbar sind 
auch ihre yatagangleichen Faschinenmesser, die sie 
ohne Scheide hinten am Rücken baumeln lassen. Ein 
trübselig Eselein trabt heran, das einen Hirten trägt. 
Seine schlechte Laune ist begreiflich; denn allzu schwer 
ist das hölzerne Tonnengewölbe, das man den römi- 
schen Grau- und Brauntieren überstülpt. 


24 FFFFIFFIFIFIFSFFIFFIFIFIFIFFFFFFIFSS 


Nun geht es wieder zu der Hohe bis zu der rosa- 
rot gestrichenen Bretterbaracke „Osteria alla Cuccagna“ 
(Schlaraffenland). Beim Umwenden schaut man ent- 
zückt auf die Albanerberge, die von hier aus betrachtet, 
majestätischer, höher und kraftvoller erscheinen. Ihr 
tiefes Blau ist gehoben durch die dunkle Pinienpracht 
der Villa Doria Panfili. Geradeaus tritt ein Segment 
der Sabinerberge hervor, und unter uns taucht aus der 
im Kessel versunkenen Stadt die gelbrote Wucht des 
Quirinalpalastes auf. 

Hundert Schritte weiter, bis hart an die Stelle, wo 
sich die Straße teilt. Hier trete man rechts. Unter 
uns sehen wir das herrliche Höllental (s. S. 92) mit 
seinen vielen Essen und dem spielend leicht sich über 
das Tal schwingenden Eisenbahnviadukt, rechts zeigen 
sich Teile der vatikanischen Gärten mit dem Turm 
Leos IV., an welchen sich der jetzige Leo sein Land- 
haus drum- und angebaut hat. Auch die vielfarbigen 
Winzerhäuser der monti Pariöli sehen wir, und in 
weiter Ferne dahinter die mit ihren funkelnden Berg- 
nestern gekrönten Spitzkegel von Monte Sant Angelo 
und Monte Celli, beide fast erdrückt von der Größe 
des Monte Gennaro. — 

Der Weg vor uns links, die Via Aurelia, führt 
nach Civita Vecchia, der Weg rechts, die Via Boccea, 
zu dem Fort gleichen Namens. Diesen nehme man, 
und auf der Weiterfahrt lasse man sich nicht von dem 
malerischen Weg rechts abziehen, die ,,Lausgasse“ 
(Via Pidocchio) geheißen. Oben, auf gleicher Höhe 
mit dem Fort, sind wir auf einem gebietenden Plateau, 
das fast den ganzen Horizont beherrscht. Wer Sinn 
für Heidepoesie hat, wie sie Th. Storm beschreibt, 
wird sich schwerlich von hier trennen können. Kein 


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Laut stört uns, höchstens hier und da das Rascheln 
einer verschüchterten Eidechse. Man sieht nicht Baum 
noch Strauch, sondern nur grüne Wüste, einem Meer 
von Wogen vergleichbar, die in dem Augenblick er- 
starrt zu sein scheinen, als ein heftiger Sturm sie in 
die Flanken peitschte und so tiefe Querfurchen pflügte. 
Nur nach dem Monte Mario zieht sich eine kleine 
Pinienallee. Nach Norden zu bilden die im Halbkreis 
liegenden etrurischen Berge die Felsküste, an der sich 
das wellige Wüstenmeer bricht. Merkwürdig! Dieses 
feierliche Schweigen rings umher, es beklemmt, be- 
lastet, bedrängt nicht. Unwillkürlich überkommt den 
Betrachter die Stimmung des Liedes: „Das ist der 
Tag des Herrn.‘ Und doch liegt andrerseits ein furcht- 
barer Ernst in dieser verhaltenen Ruhe. Vergessen wir 
doch nicht, daß wir auf vulkanischem Boden stehen. 
Handelt es sich um Ruhe vor dem Sturm? Werden 
die erloschen geglaubten Vulkane rings umher eines 
Tages wieder ihren Lava- und Schwefelspuk erneuern? 
Oder trauert die Landschaft in finsterem Grimm dar- 
über, daß sie im Mittelalter durch die Gier der Barone 
und die Nachlässigkeit päpstlicher Nepoten zur ein- 
samen Untätigkeit verurteilt wurde? Gedenkt sie der 
Tage des Glanzes zur römischen Kaiserzeit? 

Die Straße stürzt sich steil hinunter, wir erblicken 
endlose grüne Hügel, und auf deren erstem eine 
Ansiedlung von zeltartigen, giebeldachförmigen Rohr- 
hütten, elender Sklavenarbeiter elende Behausung. 


Rund um Villa Doria Panfili. 
Um zur Porta San Pancrazio zu gelangen, 
kehre man zur Straßengabelung zurück und nehme die 
Via Aurelia, folge dieser, bis links eine hohe Park- 


200 3IIIIIIIIHIIFH I IT IH FH IF FF H FF FH IF FH HIH 


mauer sichtbar wird. Man wähle die Straße links, die 
der Mauer folgt, auf der eine viergliedrige Reihe von 
Pinien thront. Dort, wo die Mauer einen rechten 
Winkel bildet, ragt über einem verschlossenen Tor 
eine Cypressengruppe, die an Boecklinsche Bilder er- 
innert. Bald kommen wir zu einer „vigna“ (Wein- 
berg), deren offenes Tor einen Blick auf Südwesten 
bietet und in der Ferne einen langen Hügelrücken 
sehen läßt, der mit rot leuchtenden Turmlandhäusern 
besetzt ist, über dem sich die Campagna im blauen 
Duft der See zu langsam verliert. Ebenso schön ist 
das Panorama von der Villa Elvira aus. Hier kann 
man sich überzeugen, wie festlich römische Nutzgärten 
zur Frühlingszeit prangen. Wir sehen das sprossende 
Grün an Rebe und Strauch, Artischoken, keimende 
Bohnen und Erbsen, Finocchi, dazwischen rot flim- 
mernde Pfirsich- und Mandelbäume, sowie Heumieten, 
die schon halb abgesäbelten riesigen „Baumkuchen“ 
gleichen, dann auch viele Hügel von einsamen Pinien 
gekrönt. Der Blumenflor aber in den Hecken und am 
Straßenrain ist unbeschreiblich schön. An dieser Stelle, 
welche die jagenden Vogelmörder selten betreten, gibt 
es auch noch Frühlingskonzert in den Lüften. 

Bald verlassen wir den Rücken der Villa Doria 
Panfili und kommen links in einen steil abfallenden, 
kühl schattigen Hohlweg, der Via Nocetta heißt. Im 
Tale führt rechts die breite Straße zu einer Reihe von 
Landgütern und Ziegeleien. Wir aber ziehen gerade- 
aus, rechts an einer Gerberei vorbei, und steigen hinan 
zu einer neuen Höhe, auf der rechts die Via della 
Casaletto abgeht. Der Ausblick vor uns in die Tiefe, 
die nun folgt, ist so überraschend, daß es uns wundert, 
ihn noch nicht im Bilde festgehalten getroffen zu haben. 


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Links begrenzen Tannen, rechts Hauser den Ausschnitt, 
vor uns liegt das von zwei Ziegeleiessen umrahmte 
Frascati, das auf einer funkelnden Wiese aufsitzt. 
Rechts und links von ihm grüßt die Campagna, die von 
einem duftigen blauen Gazeschleier bedeckt ist. 

Die StraBe wird jetzt belebter, man begegnet In- 
fanteristen, die schwer bepackt zu den Außenforts 
ziehen, dann und wann auch einsamen Männern und 
Frauen, die Suppenkraut oder Salatsurrogate und 
Cichorie suchen. Ab und zu öffnet sich auch links ein 
Blick auf das Tannengrün und die Wiesen der schönen 
Villa. Links taucht bald die Kirche San Pancrazio 
auf, die für jeden erhöhtes Interesse hat, der Wisemans 
„Fabiola“ kennt. Rechts folgt ein gutgepflegter Wein- 
und Obstgarten dem andern. Dann kommen wir zum 
„großen Stiefel’ (Osteria dello Scarpone), der bei 
dem römischen Volke der unteren Schichten mit der 
Vorstellung des Pankrazischen Tors zusammenfällt, 
während die Gebildeteren bei diesem Tor stets an 
Garibaldi denken. 

Kommen wir nämlich auf den Vorplatz, wo sich 
der Eingang zur Villa Doria Panfili befindet, so er- 
blicken wir links an der Straßenmauer vor uns viele 
Inschriften und Nischen mit Büsten. Das ist die Mauer 
des historischen Landhauses Vascello, das von den 
heldischen Kämpfen erzählt, die Garibaldi im Jahre 1849 
gegen General Oudinot bestand. Wer diese Epopöe 
kennt, kann nicht ungerührt an dieser Stätte verweilen. 
Am 9. Februar 1849 war die römische Republik erklärt 
worden; daraufhin sandten die Franzosen am 26. April 
ein Corps von 10000 Mann, das bei Civitavecchia landete 
und natürlich über die Vignen und Villen vor Porta 
Pancrazio rücken mußte, um sich von dort aus des 


208 FFFFFFFSFFFFFFFIFFFFFFFFFFSFSFFFFF5 


Rom beherrschenden Janiculus zu bemächtigen. Am 
28. April erhielt Garibaldi, der außer seiner 1200 Mann i! 
starken Legion noch 1500 andre Mannschaften hatte, 
den ehrenvollen Auftrag, die ganze westliche Mauer- 
zone der Stadt von Porta Portese bis Porta Cavalleggieri 
zu schützen. Am 30. April besetzten die Franzosen 
einen Teil der Villa Panfili, wurden aber zurück- 
geworfen. Den Tag nachher unterhandelte Oudinot über 
einen Waffenstillstand. Garibaldi war dagegen, aber 
Mazzini, der immer „den General spielen‘‘ wollte, über- 
stimmte ihn. Der Waffenstillstand sollte einen Monat 
dauern. Während Oudinot die Zeit ausnutzte, um Ver- 
stärkungen heranzuziehen, unterließen es die Römer, 
wie Garibaldi geraten hatte, die Positionen auf dem 
Janiculus zu befestigen; denn ihre Kommandanten 
wiezten sich in dem sicheren Glauben, daß die Pariser 
Republikaner nichts gegen ihre Brüder in der ewigen 
Stadt unternehmen würden. Zum Unglück war auch 
Garibaldi während des Waffenstillstandes nach dem 
Siiden geschickt worden, um gegen die Neapolitaner 
zu fechten. Dazu kam, daB Oudinot die Romer hatte 
wissen lassen, er werde erst einige Tage nach Ablauf 
der Waffenruhe, und zwar am 4. Juni, angreifen. Statt 
dessen griff er aber in der Nacht vom zweiten auf den 
dritten heimlich an, da die feindliche Stellung vor Porta 
Pancrazio kaum gesichert war. Die Kunde von dem 
unvermuteten Angriff zeitigte in Rom groBe Ver- 
wirrung, die Verteidigungstruppen waren in der Stadt 
zerstreut. Garibaldi selber litt an den Folgen eines 
Sturzes, den er in dem Treffen von Velletri getan, 
zudem verbreitete sich die Unglücksnachricht nur lang- 
sam.*) Um fünf Uhr morgens war Garibaldi aber 


*) Ermanno Loevinson, „Giuseppe Garibaldi e la sua legione 
nello Stato Romano 1848—49. 


SFSFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFSFFFSSS 209 


schon auf dem Janiculus, wenn auch nur mit einer 
Kohorte. Schon waren die Franzosen in der Villa 
Corsini eingebrochen, und nur das Vascello war 
noch in den Händen der Römer. Den ganzen Tag 
dauerte der Kampf, die Italiener gewannen mehrere 
Male das verlorene Terrain, sie machten im ganzen 
zehn Bajonettangriffe, aber die Übermacht war zu 
groß. Am Abend war die Situation dieselbe wie am 
Morgen. So blieben die Dinge bis zum 21. Juni, wo 
die Franzosen die ersten Breschen schossen. Am 
30. Juni begannen sie zu stürmen. Garibaldi, dessen 
Tätigkeit durch Streit im eigenen Hauptquartier ge- 
lähmt war, geriet in Verzweiflung, und suchte im 
Kampfe vergebens den Tod. Es blieb ihm nichts 
andres übrig, als abzuziehen, da er nicht kapitulieren 
wollte. Am 2. Juli versammelte er seine Truppen auf 
dem Petersplatze, erklärte ihnen in einer feurigen Rede 
die Notwendigkeit des Abzugs und führte sie dann 
über das Forum zum Johannestor. Von dort begann 
sein epischer Rückzug bis zur Republik San Marino.... 
Der Traum der römischen Republik war ausgeträumt. 

Wir ziehen weiter, vorbei an vielen Osterien, die 
„Cucina assortita‘“ (wohlassortierte Küche) und „Tages- 
eier“ anpreisen, und — genießen eine der schönsten 
Überraschungen; denn die Porta Pancrazio dient 
als Rahmen für das köstlichste Gemälde der Albaner- 
berge. Wir gehen durch das Tor, halten uns rechts 
und steigen durch die Wiesen bis zur höchsten Stelle 
der Mauer, an welche angelehnt die 


Osteria del Gran Panorama 
steht. Sie bietet einen der lohnendsten Aussichts- 
punkte Roms, zumal von ihrem flachen Dache aus; 
Zacher, Was die Campagna erzählt, 14 


210 5455553 I III III IF III I III III IF FFH 


denn das Panorama ist nach Südwesten hin umfassen- 
der, als das, was man vom Garibaldidenkmal aus oder 
von Pietro in Montorio genießt. Schildern will ich 
diesen Genuß aller Genüsse nicht, sehen wir doch 
nach dem Urteil der meisten Maler die „klassischste 
Landschaft der Welt‘. Wer hier, unbekümmert 
darum, ob ihn die Pflicht zur Table d’hote des Hotels 
ruft, bei gutem Wein und Vesperimbiß die letzten 
Stunden des Tages bis zum langsamen Versterben des 
Sonnenlichts und der rosigen Farbenpracht verträumt, 
wird einen ganz andren Eindruck erhalten, als den 
Zola in seinem Roman „Paris“ vom Pariser Sonnen- 
untergang empfing. Während er schildert, daß in 
Paris die sinkende Sonne die Flamme der Leiden- 
schaften entzündet, bringt der römische Sonnenunter- 
gang dem sinnigen Betrachter nur Frieden und Ruhe. 
Ein Gefühl lieblicher, weicher Geistesbehaglichkeit um- 
fängt ihn, und aus Stadt und Campagna dringen Ein- 
drücke auf ihn ein, wie er sie nie empfunden, sprechen 
geheimnisvolle Stimmen zu ihm, wie er sie nie gehört. 

Das Landschaftsbild ist um so schöner, als links 
der stattliche langgestreckte Palast der Villa Savorelli 
auf einem Kissen von Steineichen, Agaven und Lor- 
beerbäumen goldig glühend aufragt, und gelbrote 
Reflexe auf den Vordergrund wirft, also wetteifernd 
mit der ebenfalls goldig strahlenden Villa Mattei, die 
im Osten vor uns liegt. Auch zur Rechten in der röt- 
lich, grüngoldig flimmernden Luftschicht über der süd- 
östlichen Campagna funkelt ein neues Glanzlicht, die 
Trommel des Caecilia Metellagrabes. Was aber das 
Wandelpanorama der Farbensymphonie auf den Al- 
banerbergen anbetrifft, die jede Minute ihre Toilette 
wechseln, so ist es nur mit dem köstlichsten aller 


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Farbenschauspiele zu vergleichen, das man gegen 
Abend auf der Terrassenosteria am Castel dell’ Ovo 
in Neapel genießt, wo man dem Vesuv gegenübersitzt, 
der als Verwandlungskünstler zunächst in grünem, 
dann blauem, und purpurrotem Sammetmantel prunkt, 
bis er aus Trauer um den Abschied der Sonne violette 
Halbtrauer anlegt, die zuletzt in die tiefe Trauer des 
nächtlichen Schwarz übergeht. ... 





Passeggiata Margherita. 
(Abschied von Rom.) 


An andrer Stelle*) habe ich darauf hingewiesen, 
daß die meisten Venedigpilger den Fehler machen, 
die Fahrt durch den Canal Grande zu tun, ehe sie die 
andren Sehenswürdigkeiten der Lagunenstadt gesehen. 
Ähnlich verhält es sich mit den Rompilgern, die so- 
fort zu den Höhen des Janiculus ziehen, ehe sie sich 
in Rom und seiner Umgebung noch ordentlich um- 
geschaut haben; denn den echtesten Genuß gewährt 
der Besuch des Janiculus erst, wenn uns die Haupt- 
. schönheiten Roms und der Campagna vertraut ge- 
worden, dann schafft uns der Spaziergang die ge- 
drängte Übersicht alles dessen, was wir bewundernd 
betrachtet, und was uns lieb geworden ist. So eignet 
er sich also zum Abschiedsbesuch von Rom. 

Da die Reisebücher die einzelnen Schönheiten des 
Janiculus ausführlich behandeln, so könnte man sich 
mit den obigen Bemerkungen begnügen; doch kein 


*) Siehe „Venedig als Kunststätte‘‘ Verlag von Jul. Bard, Berlin 
14* 


212 535353533333 II III I IF IH III III III 54H 


Reisebuch macht die Fremden darauf aufmerksam, 
daß der Genuß bei der Wanderung über den 
Janiculus erst dann vollkommen wird, wenn man 
sie nicht, wie gebräuchlich im Süden, also mit S. Pietro 
in Montorio, sondern im Norden, vom Petersplatze 
aus, beginnt. 

Haben wir auf diesem Platze von dem Vatikan- 
palast, den Kolonnaden Berninis und dem Petersdom 
Abschied genommen, so gehen wir rückwärts durch 
Borgo San Michele bis Borgo San Spirito, wo rechts 
die Via Penitenzieri abgeht, die zu der unfertig ge- 
bliebenen Porta San Spirito führt, deren enthauptete 
Säulen trostlos aussehen. Zu unserer Linken liegt 
das Irrenhaus, rechts ragt eine hohe Bastion, welche 
die Gärten der Villa Barberini trägt und umschließt. 
Vor uns zieht sich die lange Straße Via Lungara dem 
Tiber entlang. 

Nach einigen Schritten zieht rechts eine Allee, und 
links von ihr, neben dem alten Hause, das die In- 
schrift trägt „Stabilimento Ind. di Calzoni“ (Schuh- 
fabrik), die Salita San Onofrio die Höhe hinauf. 
Letztere wählen wir, mag sie auch häßlich und ärm- 
lich scheinen. Die ganze Straßenfront rechts ist von 
Wohltatigkeitsanstalten eingenommen (Hospitälern, 
Altersasylen u. s. w.), die zum Teil Stiftungen des 
fürstlichen Hauses Torlonia sind. Links folgen ver- 
wahrloste Häuser, deren Bewohner aber bei schönem 
Wetter Gelegenheit zum Studium des Volkslebens 
bieten. 

Auf der Höhe ist die Salita (Steige) durch eine 
von einem Gittertor durchbrochene Mauer abge- 
schlossen. Wir treten durch und sehen uns vor einer 
Treppe, die zu einer Kirche mit Säulenhalle führt, die 


SIISISITIHITHIH HIHI TH TH I TH TH TFT TTH THF FH 213 


aber nur halb erscheint, da der linke Winkel fehlt. Ehe 
wir diese dem heiligen Onofrio geweihte Kirche be- 
treten, wenden wir uns um und sehen gerade in der 
Achse der Treppe die Kirche S. Gioacchino*) mit ihrer 
Aluminiumkuppel, zur Linken den Petersdom und zur 
Rechten im Vordergrunde hinter Cypressen die Engels- 
burg, und sich nach rechts im Halbkreis drehend, be- 
merkt man den weiß schimmernden Justizpalast, dann 
die Villa Medici, der die Baumpracht der borghesischen 
Gärten Relief gibt, den Monte Gennaro, dann einen Teil 
des römischen Häusermeers, den goldgelben Quirinals- 
palast und Frascati mit den Albanerbergen. Geht 
man nun links von dem Kirchenportal an die Brüstung, 
so verschiebt und erweitert sich das Landschaftsbild, 
namentlich tritt die zweigetürmte Villa Medici mehr 
hervor, einem Felseneiland in grüner Meeriflut ver- 
gleichbar, nach rechts, also im Süden, schweift das 
bewundernde Auge aber dem Janiculus entlang bis zur 
dreifachen Fontäne der Aqua Paola und dem stattlichen 
an den Ecken zweigiebligen Palast der spanischen 
Akademie. 

Nun treten wir in die Vorhalle. Über dem Portal 
befinden sich einige Fresken, die vom heil. Hieronymus 
handeln. Rechts von ihm steckt in der Mauer eine 
marmorne Grabplatte mit dem Reliefbild von Forca 
Palena aus Sulmona, der die Gelder sammelte zum 
Bau dieser Kirche. Im rechten Teil des halben Säulen- 
vierecks schauen wir in dem oberen Halbrund der 
Nischen neue Fresken, die von Domenichino, dem 
bekannten bolognesischen Maler, herrühren, der auch 
die Niluskirche in Grottaferrata schmückte. Sie schil- 
dern das Leben des heil. Hieronymus, der ebenfalls 


*) S. S. 49. 


214 FIHIII III II IF FF FF FF FF FF FH FF FF FF FF IF FF FT 


hier verehrt wurde, da das Kloster zuerst den Hierony- 
miten, deren Orden jetzt erloschen ist, gehörte. Wir 
sehen die Taufe des Heiligen, die Scene, wo er in 
einer Vision vom Herrn des Himmels getadelt wird, 
weil er mehr Ciceronianer als Christ sei, und seine 
Versuchung in der Wüste. Der Säulengang endet mit 
einer kleinen Kapelle, über dem ein Fresko Rätsel 
aufgibt. 

In der Kirche selbst zieht uns zunächst die Kapelle 
links an, weil Pius IX. sie zu einem Ruhmestempel 
für den von Goethe verherrlichten Tasso umgewandelt 
hat, gleichsam, als ob Tasso ein Heiliger gewesen. 
Die Hälfte der linken Wand der Kapelle nimmt eine 
Rieseninschrift ein, welche Pius’ Tat verherrlicht, über 
ihr zeigt eine Freskenlunette Tasso auf dem Kranken- 
bette. Auf der gegenüberliegenden Seite steht sein 
marmornes Standbild. Der ganze Raum ist reich 
polychrom ornamentiert. Nun ruft uns die Chornische 
der Kirche, sie schmückte der Erbauer der Villa Far- 
nesina, Baldassare Peruzzi, mit schönen biblischen Fres- 
ken. Ein sonderbares Gefühl tiberschleicht den Be- 
sucher, wenn er zum Hauptaltar schreitet; denn er 
wandelt auf einem Pflaster von Grabsteinen, und sein 
Fuß hilft die Inschriften zerstören, welche das Lob 
der dort Begrabenen für die Ewigkeit singen sollten. 

Nach dem Besuche der Kirche folgt der des 
Klosters, um Tassos Zelle zu schauen, die jetzt zu 
einem Tassomuseum umgewandelt ist. Wer Freund 
frühchristlicher Legenden ist, weil es ihn reizt, den 
Geist des frühen Mittelalters mit dem heutigen zu 
vergleichen, versäume es nachher nicht, auch den 
kleinen Klosterhof zu besuchen, auch schon aus 
dem Grunde, weil er so erfährt, wer S. Onofrio war, 


SIIISIIITIHITIHHITIHIHH IF HH IF HH FH FF FF FF TFT 215 


dessen Name schon auf dem Monte Mario genannt 
wurde. Man gehe rechts von der Hoftüre, und von 
dort links im Viereck herum. Gleich rechts kündet 
eine Inschrift: „In diesen Bildern ist das Leben, der 
Tod, die Wunder des heiligen Honufrius, des Sohnes 
des Perserkönigs, geschildert, der sechsundsechzig 
Jahre lang, der Welt verborgen, in der großen ägyp- 
tischen Wüste lebte.“ — „Im Jubeljahr 1600. Restau- 
riert 1682.‘ — Der Bildercyklus beginnt ganz wie in 
einem Märchen von Grimm mit dem Vater des Helden, 
der um die Geburt eines Sohnes — und zwar in einer 
christlichen Kirche betet. Im zweiten Bilde rät ein 
Dämon, während der Wunsch des Königs erfüllt wird, 
— das deutet links die naive Kindbettscene an — 
den Neugeborenen zu verbrennen. Der König läßt 
sich auch vom Bösen umgarnen, aber es geschieht 
ein Wunder, das Kind fängt nicht Feuer, weshalb sein 
Vater in sich geht und es taufen läßt. Der Knabe 
kommt nun zu Klosterbrüdern in die Pflege, und erhält 
als Amme eine Hirschkuh. Als Honufrius herange- 
wachsen ist, wird das Kind Jesu sein Spielkamerad, 
und beide beschenken sich gegenseitig mit Brot, woraus 
der Abt des Klosters ersieht, daß Honufrius ein Wun- 
derkind sei. Er will ihn deshalb zum Superior machen, 
doch dieses Amt verträgt sich nicht mit seiner Jugend. 
Indes reift der Heilige zum Manne und wird Eremit. 
Er zieht zur Wüste, wo ihm zuerst eine flammende 
Säule, und dann der Eremit Hermeus begegnet, der 
ihn in seiner Liebe zur Wüste bestärkt. Honufrius, 
der ganz nackt ist, aber ein Kleid von Haaren er- 
hält, lebt dreißig Jahre von dem täglichen Brote, das 
ihm ein Engel bringt, dann weitere dreißig Jahre lang 
von einer Palme, die ihm zur Nahrmutter heranwuchs, 


216 HIHI III III II IF FF FF FH FH FF FF IH FF FF FT 


Außerdem reicht ihm ein Engel jeden Sonntag die 
heilige Kommunion. In dem folgenden Bilde taucht 
ein andrer Eremit, Paenutius, auf, der sich zuerst vor 
Honufrius erschreckt, weil er ihn für ein ,,mostro“ 
(Ungeheuer) oder ,,fiera‘‘ (wildes Tier) hält, dann 
aber mit ihm bis zu seinem Tode zusammen lebt. 
Der Tod und die Bestattung durch Löwen, die das 
Grab höhlen, ist ausführlich geschildert. Nachher ver- 
dorrt die Palme, und die Quelle versiegt, so daß 
Paenutius fortziehen muß. Honufrius wird aber in 
Gestalt einer Taube gen Himmel getragen. 

Nach diesem Untertauchen in die frühmittelalter- 
liche Sagenwelt wirkt die Rückkehr ins Freie fast 
erfrischend. Die Sonne scheint fast noch einmal so 
hell, der Himmel noch einmal so blau. Wir gehen 
um das Kloster herum und treten an die Holzbrüstung, 
die den Fahrweg vom Abhang trennt. Entzückt haftet 
unser Blick unten in dem Garten des Palazzo Salviati 
(Kardinal, der 1574 den Bau für Heinrich III. von 
Frankreich errichtete), auf einer Riesenpinie von sel- 
tener Pracht und Formenschönheit. Jetzt bemerken 
wir auch unter den Palmen des Ziergartens Jünglinge 
in militärischer Uniform, die uns sagen, daß in dem 
einst für einen König bestimmten Heim jetzt Kadetten 
unterrichtet werden. Links von dem Gipfel der Pinie 
schauen wir nun den Turm des Kapitols und den 
sogenannten Turm des Nero, rechts aber Frascati, 
dessen rosiger Schimmer durch den Kontrast mit dem 
satten Grün noch schöner wirkt. Im Südwesten aber 
winkt der Palatin, und das Kloster Sant Anselmo, die 
Citadelle der aventinischen Klösterfestung. Weiter! 
Bei der nächsten Biegung, wo die Fahrstraße nach 
rechts sich windet, halt! Man schaut in neuem Glanze 


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die majestätische Peterskuppel, zu der eine Laubbrücke, 
aus jungen Pinien gebildet, vom Janiculus aus hinan- 
zieht. Zur Linken ragt eine Art künstliche Grotten- 
anlage, deren Stirnseite als Hauptschmuck einen weißen 
marmornen Sarkophag zeigt, der zur Blumenvase ge- 
wandelt wurde. Eine kleine Treppe führt zu einem 
erhöhten Plätzchen, auf dem hinter einer gesundheit- 
strotzenden, mächtigen deutschen Eiche ein Eichen- 
krüppel sichtbar wird, der Binden und Bandagen aus 
Stein und Teer trägt. Eine Inschrift meldet: 


„S. P. Q. R. 

„All ombra di questa quercia 
„Vicino ai sospirati allori e alla morte 
Ripensava silenzioso Tasso 
Le miserie sue tutte. 

E Filippo Neri 
Tra liete grida si faceva 
Coi fanciulli fanciullo 
Sapientemente.“‘‘*) — 


„Diese Lieblingsstelle Tassos erobert noch jetzt 
durch den herrlichsten Niederblick auf die ewige Stadt 
jedes Herz für das neue Jerusalem.“ So sagt G’sell- 
Fels in seinem trefflichen Rombuch mit Recht. Und 
der Wanderer, der hier an der vom Blitz zerschmetter- 
ten Eiche weilt, gedenkt des geisteskranken Dichters 
des „Befreiten Jerusalems‘‘, der kurz vor seinem Tode 
(1595) und vor der Dichterkrönung auf dem Kapitol 
Zuflucht fand bei den Mönchen von S. Onofrio, und 


*) Im Schatten dieser Eiche überdachte Tasso, der dem längst 
erseufzten Lorbeer, aber auch dem Tode nahe war, schweigend all 
sein Elend. Und hier wandelte sich auch Philippus Neri in Oesell- 
schaft von Kindern weise zum Kinde unter ihrem fröhlichen Lärm. 


218 355II3I II III IF FF TFT FH FF IH FF FF FF 35TH 


abends oft an diesen Platz ging, um träumerisch auf 
die ewige Stadt herunterzublicken. Wer aber die 
schöne Villa Mattei kennt, wird durch die gleichzeitige 
Erwähnung des Namens Filippo Neri an jene Laube 
erinnert, die den Blick auf die Thermen des Caracalla 
bietet, und die so oft den „humoristischen Heiligen“ 
im Kreise seiner erwachsenen Schüler sah. Den be- 
lesenen Deutschen jedoch erinnert die Verknüpfung 
der Namen Tasso und Neri wieder an Goethe, der 
in seiner „Italienischen Reise‘ von beiden spricht. 
Wir gehen um die Eichen herum zu einem kleinen 
bastiongleichen Vorsprung, dessen Rückwand durch 
eine breite Ziegelsteintreppe ausgefüllt wird. Wiederum 
erscheint uns das Panorama von Rom hier neu. Wie 
Berninis Kolonnaden den Petersplatz, so umfangen hier 
der Janiculus und die Albanerberge das südliche Rom, 
wie liebende Arme im Halbkreis. Und wie kontrastiert 
mit dieser Pracht das gelbrote Zentralgebäude mit 
den vielen Flügeln unter uns, das Strafgefängnis 
„Regina Coeli“ (Himmelskönigin)! Erquickender wirkt 
dagegen der Palazzo Farnese, der jetzt imposant aus 
dem Häusermeer vor uns auftaucht! Wir steigen 
die einem Abschnitt aus einem alten Amphitheater 
gleichende Treppe hinauf, deren oberste Stufen durch 
eine Wand von Cypressen beschirmt sind, die malerisch 
sich abheben gegen des Himmels Blau. Stehen wir 
oben und kehren uns um, so erblicken wir einen recht- 
eckigen Ausschnitt des mittleren Rom, das von vier 
Gebäuden beherrscht wird, dem stattlichen Quirinal- 
palast, der Kirche von Aracoeli, deren Fassade sich 
breit und braun in die Brust wirft, dem Kapitolsturm 
und dem Lateran. Links aber gleißt die Peterskuppel, 
dahinter der Monte Mario, und etwas rechts davon 


FFFFSFFFSFSFSFSSFSSSFSSSSFSSFSSSSSS 219 


steckt der Sorakte sein zackiges Haupt aus der griin- 
blauen Ebene hervor. 

Nun grüßt uns wohlgepflegte Gartenpracht. 
Pinien, Palmen, Agaven, Platanen umgeben uns. 
Links bietet sich eine schöne Überraschung. Wir 
schauen den Tiber und vier seiner berühmtesten 
Brücken, Ponte Sisto, Garibaldi, Quattro Capi und 
Ponte Rotto. Dahinter drängt sich die goldgelbbräun- 
liche Villa Mattei auf, und in weiterer Ferne die 
„römischen Schlösser“ der Albanerberge. 

Wir lassen die wohlgepflegten Straßen und folgen 
stets der Brüstung, da hier, wie in einem Wandel- 
panorama, ein schöner Blick den andren ablöst. Die 
Aussicht nach Norden weitet sich, aber unser Auge 
wird bald vom Häuserwirrwarr im Kessel unter uns 
angezogen. Vergeblich suchen wir das Rätsel zu lösen, 
warum bei dieser klaren Luft jede Raumvorstellung 
aufgehoben erscheint. Die mächtigsten Paläste, Kirchen, 
Türme, ob deren Größe wir unten so oft gestaunt, 
scheinen ihres Körpers beraubt und zu bloßen Cou- 
 lissen hingeschwunden zu sein, so sehr sind sie ver- 
und in- und umeinander geschoben, als sei Rom zu 
einer Rumpelkammer eines Riesentheaters gewandelt. 
Selbst der Kundige kennt die einzelnen Gebäude kaum 
mehr aus der zusammengeschachtelten Masse heraus, 
und vergebens sucht er sich klar zu machen, warum 
der Turm der Universität nach waghalsigem Sprunge 
nun als Kokarde an der Sturmhaube des Pantheons 
prangt. Dort, wo die Brüstung einen rechten Winkel 
bildet, hat man ferner einen neuen Blick auf den 
Janiculus, der hier eine halbkreisförmige baumbe- 
wachsene Muschel scheint, aus deren Grün im Tal 
das weiße Kloster der Damen von Sacré Coeur her- 


220 II IIIIFIT IF FH FH FH FF FF FH FF HH FT FH FF 


vorschimmert, und oben sich nur die Villa Lante, 
das Garibaldidenkmal, die Aqua Paola und vor uns 
am entgegengesetzten Ende die spanische Akademie 
hervorheben. 

Und immer weiter folgen wir der Brüstung, bis 
an einer neuen Ecke halbrechts das Haus der Villa 
Lante über uns erscheint, das Raffaels Schüler Giulio 
Romano erbaute. Es ist heute das vielbeneidete Heim 
eines Deutschen, des bekannten Antiquars Professor 
Helbig. Von unserer Ecke aus überblicken wir den 
schönen Klostergarten, der von der Villa bis zur Ebene 
reicht, dahinter winken die Palmen des Gartens des 
Palazzo Corsini, dann dieser selbst, und ihm gegen- 
über die Farnesina, wo wir Raffaels Fresken bewun- 
derten. Das Rundbild reicht aber, von hier aus ge- 
sehen, vom Monte Sorakte bis zu Castel Gandolfo, dem 
ehemaligen Versailles der Päpste. Vergebens suchen 
wir den Tiber, dafür entdecken wir nur die grüne 
Schlange der Alleen, die seine neuen Quais zieren. 

Wir steigen nun hinauf vor das Haus der Villa 
Lante, vor welchem alte Eukalyptusbäume Wache hal- 
ten. Seltsame Greise, die erst im November und 
Dezember jung werden und silbergrüne Blüten treiben! 
Neue Gartenpracht umfängt uns, aus Pinien, Agaven, 
Steineichen, Palmen jeglicher Art zusammengesetzt. 
Zur Abwechslung schlendern wir nun an die Geländer- 
mauer der Rückseite des langgestreckten Hügels, um 
einen Blick nach Westen zu tun. Zuerst erblicken 
wir die Baumsymphonie der Villa Panfili, aus der 
das statuengeschmückte Kasino hervortaucht, dann 
grünes Gehügel, rechts davon im Tal zahlreiche Essen, 
drauf einen Teil der vatikanischen Gärten mit der 
Sternwarte, die Peterskuppel und dahinter die Berge 


FIH5I5II5IIFITIH IH TI FH FH IF FF II FI III 221 


Etruriens. Wie diese Reihe von Landschaftsbildern, 
von der römischen Sonne umbrannt, leuchten und 
funkeln! 

Durch einen Alleetorso von Steineichen gelangen 
wir nun auf einen riesig großen leeren Sandplatz, die 
höchste Erhöhung des Janiculus, auf dem fast prahle- 
risch und doch imponierend das stattliche Garibaldi- 
denkmal aufragt, als Sinnbild des „dritten Roms“. Die 
Leute des Vatikans empfinden es zwar als eine Be- 
leidigung, daß dies eherne Reiterstandbild gerade auf 
der Kuppe steht, die von den Fenstern der Papst- 
gemächer aus sichtbar ist; aber, wenn es den Italienern 
mit ihrer Einheit ernst ist, und sie also dem Heros, 
der ihnen diese Einheit verkörpert, ein Monument er- 
richten wollten, das nicht bloß leere Phrase sein sollte, 
so konnten sie den kühnen General, den letzten der 
Condottieri, nur an dieser Stätte verewigen, die seinen 
Verzweiflungskampf von 1849 gesehen. Und so scheint 
aus dem ehernen Antlitz des Nationalheros auch der 
Triumph herauszuleuchten, daß der Traum seines 
Lebens Wahrheit geworden. Wir folgen der Richtung, 
die sein Blick weist, und treten an den östlichen Rand 
des Hügels, doch entdecken wir, daß der Ausblick auf 
Stadt und Campagna nicht so frei ist, wie wir wünschen 
möchten, da einzelne Laubcoulissen sich zwischen uns 
und das Landschaftsbild drängen. Doch in der rechten 
Ecke des Platzes bietet sich uns das südliche Rom, 
und diesmal um eine neue Nuance reicher, da auch 
das Kolosseum sichtbar wird. Die spanische Akademie 
aber, halb verborgen durch Wald und Busch, liegt 
jetzt tiefer als wir. 

Die Straße senkt sich nun, rechts schiebt sich eine 
zum Garten gewandelte Hügelwelle vor, links begleitet 


222 3IIIIIIHFIHFTHFIFFF HF FH FH IH HIT TH HF FFF TFT 


uns die duftige Kühle eines urwaldgleichen Gewirres 
von Eichen, Buchsbaum, Lorbeer und Ilex. Die mäch- 
tige Platanenallee aber, durch die wir ziehen, erinnert 
uns an den Pincio, da ihre rechte Seite mit Büsten 
berühmter Patrioten, Soldaten und Denker *gesäumt 
ist, die in den italienischen Freiheitskämpfen hervor- 
ragten. 

Vor dem Tor angekommen, treten wir links. Ein 
schluchtenartiger Weg gähnt unter uns, der längs des 
parrhasischen Hains (bosco Parrasio) nach dem Tal 
führt. Jetzt ist dieser steile Weg verwahrlost, während 
er einst bessere Tage sah, als in dem Haine noch 
die Akademie der Arkadier blühte, und ihm gegenüber 
die vielen Mühlen klapperten, die einst Belisar hier 
anlegte. Das einzige Leben, das man noch gewahrt, 
zeigt der große Waschbrunnen, um welchen fleißiges 
Frauenvolk malerisch hantiert. Ein Blick nach links, 
und in neuem Aufbau präsentieren sich die Schroffen 
und Halden des Monte Mario, auch der Sorakte stellt 
sich wieder ein; vor uns, leuchtender, als je, auch 
die blaue Wand der Sabinerberge mit dem schimmern- 
den Tivoli. 

Lautes Rauschen lockt uns zum Weitergehen. Bald 
stehen wir vor der dreifachen Wasserfall-Fontäne der 
Paulinischen Wasserleitung (aqua Paola) die PaulV. 
(Borghese) vom Braccianosee nach Rom führfe. Dann 
wenden wir uns links und gehen rechts an einer 
großen gärtnerischen Anlage vorbei, welche die schön- 
sten Zierpflanzen zeigt, zum Vorplatz der Kirche 
Pietro in Montorio, welcher die bekannteste Aus- 
sichtsterrasse Roms darstellt. Wir sind auf spanischem 
Boden; denn die Kirche wurde von Isabella, der Katho- 
lischen, gebaut, die Terrasse selbst von Philipp III. von 


FFFIFFFSIFSTESFFFFFFFFFFFFFFFFFSFFISS 223 


Spanien, und der an die Kirche angebaute Palast, 
dessen kleiner Hof über der Stelle, wo Petrus den 
Martertod erlitten haben soll, den berühmten Tempel 
Bramantes enthält, ist heute Sitz der spanischen Aka- 
demie. 

Den besten Rundblick gewährt die Nordecke der 
großen Terrasse. Wir wiederholen im Gesamtblick 
alles, was wir auf unserer Wanderung im einzelnen 
geschaut, und finden, daß der herrliche Palazzo Far- 
nese, von hier aus gesehen, am stattlichsten erscheint; 
stattlich präsentiert sich auch wieder der Palatin und 
der mit seinen Kirchenvesten prunkende Aventin. Auch 
Neues schauen wir, im Süden. Der Testacciobuckel 
im grasgrünen Rock, die goldschimmernde Fassade 
der Basilika S. Paolo fuori le Mura werden sichtbar, 
und vor allem die rosafarbene Trommel des Caecilia 
Metellagrabes, die unsere an Erhebung und Erbauung 
reiche Wanderung über die Via Appia antica ins 
Gedächtnis zurückruft. 

Auch jetzt vermögen wir uns noch nicht zu trennen; 
treibt es uns doch, zum Abschied noch einmal an 
das Pankratiustor zu pilgern, um auf dem flachen 
Dache der „Osteria del Gran Panorama“ Roms 
schönstes Farbenschauspiel, den römischen Sonnen- 
untergang,*) zu genießen. 


*) S. S. 209. 


FFFFIFIFFIFFFFSSFFSFFSFFSIFSFIFSFSFIS 225 


Anhang: 


Zum Besuch der HauptstraBen vor dem Tor sind 
besonders folgende Tage zu empfehlen: 


21. Januar. Via Nomentana. (Lammerweihe in S. Agnese.) 
25. Januar. Via Ostiense. (Fest in S. Paolo fuori le Mura.) 
25. Marz. Via Frascati. (Fest in Grottaferrata.) 
Ostersonntag. Via Nomentana. 
Osterdonnerstag. Via Appia nuova. (Königs-Rennen.) 
Pfingstmontag. Via Appia Nuova. (Fest 
Erster Sonntag nach Pfingsten.J des Divino Amore.) 
23. Juni. Vor Porta S. Giovanni. (Johannisnacht.) 
Sonntag nach dem 23. Oktober. Villa Glori. 
22. November. Via Appia Antica. (Fest in den Callistus- 
katakomben.) 


Uber die Fuchsjagden, die von Dezember bis 
Marz jeden Montag und Donnerstag in der Campagna 
geritten werden, und iiber die Wettrennen in Tor 
di Quinto Ende März siehe das Nähere in den römi- 
schen Tageszeitungen. 


Zacher, Was die Campagna erzählt. 15 


220 FFFFSHSSFFSFSSFFSFSFFFFFFFFFFFFFSF 


Alphabetisches Register. 


A. D. 
Agrippa, Menenius 113 Dante 58 
Albani, Villa 69, 101 Doria Panfili, Villa 20 5f. 
Allia, Schlacht 105 R. 
Antemnae 39, 102 a 
Aqua Cetosa 72, 105 Egeriahain 168 
Aqua Claudia 128, 139, 140 Engelsburg 32 
Aqua Felice 139 Eurysaces Grab 129, 157 
Aqua Santa 146 F 
Aqua Traversa 47, 59, 99 . g 
Arco Scuro 76 Fabier, die 87 
Aerni, Franz 121 Fabius (Maximus) 7, 87 
Artischokenkarneval 197 A on 15 
Augustus 24, 33, 89, 156 enae 
Aventin 10 ff. a; Flaminius, Konsul 34 
B. Fortebraccio 119 


Belisar 5, 15, 21, 101, 164, 222 Furba, porta 138 


Boecklin 17, 37, 64, 118 G. 

Bonifaz VIII. 85, 158 Galilei 3 

Borghese, Villa 8, 20, 71 Garibaldi 27, 30, 110, 207 ff., 221 
Bresche an Porta Pia 22 Geiserich 15 


Byron 18, 103 ff., 157, 171, 177 Giovanni, porta 27, 136 
Glori, Villa 74, 76 


C. Goethe 33, 72, 92 
Cairoli, Gebrüder 74 Guardiano di campagna 44, 82 
Cassia Via 45, 94, 98 
Castel Giubileo 73, 85 H. 
Cavalleggieri, Porta 30, 202 Hannibal 34, 87, 170 
Celsa, la, Osteria 87 Höllenthal 31, 92 
Cervarafeste der Künstler 133 Honorius 24 
Collegium Germanicum 6, 186 Horatier und Curiatier 84 
Colonna, Familie 36, 52, 119, 158 
Commodus, Kaiser 166 L 
Corelli, A. 34 Ianiculus 30, 93, 198, 218 
Cremera, Bach 86 Innocenz XIII. 2 


Crescentius 58 Isola Farnese 96 


FIFFFSTTFFFFIFFFFFFFFFIFFFSFIFFIFFFFF 227 


J. 


Judenkirchhof 11 
Judenviertel 196 
Judenwettlauf 192 
Julius III. 35, 36 


K. 


Karneval 191 

Konradin 66, 119 

Konstantin, Kaiser 15 ff, 38, 90, 
109 


L. 


Latinergräber 145 

Leo XIII. 31, 49, 204 

Liszt 65 

Livia, Villa 88 

Lucullus 5, 128 

Ludwig I. von Bayern 8, 41, 73 
Luther 33 


M. 


Madama, Villa 38, 48 
Maggiore, porta 26, 127 
Malteservilla 13 

Margarethe von Parma 48 
Mario, monte, 45, 57 

Martin V. 119 

Massimi, principe 7, 87 
Mattei, palazzo 195 
Maxentius, Kaiser 38, 90, 157 
Mazzini 5, 208 

Medici, Villa, 3, 20 
Melafumo, Osteria 79 
‘Mellini, Villa 31, 38, 57, 64 
Messalina 5 

Modelle 2 

Molle, ponte 38, 57 
Montanara, piazza 11 

Museo, del Castello Costantino 14 


N. 


Napoleon I. 5, 15, 78 
Nazarener 126 

Nero 50, 104, 163 
Nomentano, ponte 105, 112 


O. 


Oktoberfeste 114, 143 
Oudinot 30, 208 


P. 
Palatin 17 
Pancrazio, porta 29, 209, 223 
Parıöli, monti 37, 39, 77 
Peterskirche 1, 64 
Petiti 64, 121 
Petrus, Skt. 103, 110, 178 
Pietro in Montorio 222 
Pio Joris 34 
Pius IX. 27, 46, 78, 110, 158 
Plebejer, 12, 112 
Policlinico 23, 67 
Popolo, piazza 33 
Porsenna 30 
Portese, porta 28 
Poussin 78, 81, 121 
Prati di Castello 31, 65 
Prima Porta 88 
Protestantischer Friedhof 28, 178 
Pulcinellatheater 107 


Q. 
Quo vadis, Kirche 28, 155, 169 
Quo vadis, Roman 36, 110, 155 


R. 
Raffael, 33, 52, 53 
Rienzi 11, 27, 119 
Ritter vom Ponte Molle 40, 133 
Roeder, Max, 64, 121 


S. 

Salaria, porta 21 

Salaria, via 70, 100 

Sartorio, Aristide 121 

Scheffel, Joseph Viktor 42, 159, 
161, 194 

Schlüsselloch (Tor der Malteser- 
villa) 12 

Sixtus V. 33, 138 

Sorakte 75, 102 


15* 


228 3II5I5 III III FH IH FH FH IH FIT HH FH TH IH THF TFT F 


Sternwarte, Vatikanische 31 Tre Fontane 181 
Storta, la 95 Trionfale, Via 63, 94 
Strohl-Fern, Villa 33, 77 U. 
Stuart, Villa 31, 63 Urban, S. 175 

T. V. 
Testaccio, monte 186 Vascello 207 
Tieck 8 ai, has an 
Tor di Quinto, Osteria 79 ejas 
Totilas 15, 27 194, 202 
Tullus Hostilius 84 Z. 


Trastevere, Bahnhof 198 Zola 31, 210. ' 


Neuer Frankfurter Verlag G. m. b. H. Frankfurt a. M. 





Aus Vatikan und Quirinal. 


Bilder 
vom Nebeneinanderleben der beiden Höfe. 


Von Albert Zacher. 


Umschlagzeichnung von Albert Genick (Rom). 
Preis broschiert M.4.—. Elegant gebunden M. 5.—. 


Leipziger Neueste Maohriohten (141, 24. Mai 1902): ... ist ein"Buch aus 
der Feder eines praktischen Journalisten, der sich seit Jahren in 
Rom aufhält und mit dem römischen Leben und Treiben genau ver. 
traut ist. Das kleine Werk behandelt die jüngste Geschichte der 
beiden feindlichen Mächte innerhalb der ewigen Stadt, des Vatikans 
und des italienischen Königtums. Es enthält Charakterbilder Papst 
Leos, König Umbertos und seines Nachfolgers von grosser psycho- 
logischer Feinheit und voll scharfer Beobachtungen ihrer Tätigkeit 
Hervorgehoben sei noch ein interessanter Rückblick auf die letzten 
Jahrzehnte italienischer Geschichte. Wer überhaupt das römische 
Leben und Treiben, wer das königliche und päpstliche Rom und 
wer die markantesten Persönlichkeiten aus beiden Lagern kennen 
lernen will, dem sei das Zachersche Buch bestens empfohlen, es ist 
der Niederschlag der Tagesereignisse der letzten Jahre, gesammelt 
von einem scharfen und fleissigen Beobachter. 


Von demselben Verfasser erschien: 


Assessor Assemacher in Italien. 


Freuden und Leiden 
eines rheinischen Jubiläumspilgers. 


Umschlagzeichnung von Albert Genick (Rom). 


Ein starker Band von 672 Seiten. 
Preis M. 6.—. Elegant gebunden M. 7.50. 


Riohard Voss schrieb dem Verfasser: Hochgeehrter Herr! In Be- 
gleitung ihres famosen Assessor Assemacher reiste ich dieser 
Tage durch Italien. Es war cine ungemein interessante und amü- 
sante Pilgerfahrt, für welche ich Ihnen mit meinem Komplimente 
zugleich meinen Dank ausspreche. Ich prophezele Ihrem Rheinländer 
einen Triumphzug duroh das deutsche Vaterland.‘ 


Neuer Frankfurter Verlag G. m. b. H. Frankfurt a. M. 





Diplomatenleben 
Bunte Bilder aus meiner Tätigkeit in vier Weltteilen. 
Von Sir Edward Malet 


früheren Botschafter am Berliner Hof. 
Einzig autorisierte deutsche Bearbeitung von Heinrich Conrad. 
Umschlagzeichnung von Peter Behrens. 


Preis brosch. M. 6.—. In eleg. Leinwandeinband M. 7.50. 

Berliner Neueste Nachriohten. Sir Edward Malet, der sich seiner 
hervorragenden Charaktereigenschaften halber der größten Beliebt- 
heit in Berlin erfreute, bringt nun in seinem Werke „Diplomaten- 
leben“ eine Fülle interessanter Erinnerungen, die um so höher zu 
werten sind, als sie durchweg auf persönlichen Erlebnissen beruhen. 
Eine besondere Beachtung verdienen Malets Beziehungen zum Für- 
sten Bismarck, mit dem er 1871 zu Meaux, von Paris aus zu ihm 
gesandt, zusammentraf. 


Mit dem Tornister. 
Feldzugs-Erinnerungen 
eines Infanteristen aus dem Jahre 1870. 
Von C. Rückert. 


Preis broschiert M. 3.—. Elegant gebunden M. 4.—. 

Berliner Zeitung, Berlin, 8. Februar 1903. ...so fing ich zu lesen 
an und las und las, bis ich die letzten Worte gelesen und zu der 
Erkenntnis kam, daß hier ein Buch der Öffentlichkeit übergeben 
wurde, das zu den wenigen Büchern gehört, nach deren Lektüre 
man von dem Bedauern erfüllt ist, daß wir kein anderes Mittel 
haben, Taten des Geistes mitzuteilen, als in dem sargartigen Rahmen 
eines Buches, den doch nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von 
Menschen den Mut hat, zu erbrechen. 

loh wünsohte, es würden diesem Buche Apostel erstehen, die es, von 
Stadt zu Stadt ziehend, laut verklinden und preisen würden, die die Mensch- 
heit in Massen veranlassen würden, es zu lesen und immer wieder zu lesen. 


Eine Frühlingsreise in Griechenland 
von Å. Déring 


o. 8. Professor an der Universität Berlin. 
Mit acht ganzseitigen Illustrationen. — In vornehmer Aus- 
stattung. Broschiert M. 3.—, gebunden M. 4.—. 





Aus dem Italien - Verlage der Schulze’schen 
Hofbuchhandlung (A. Schwartz) in Oldenburg. 


Dr. Albert Zacher. 
Römische Augenblicksbilder. 


M. 3.—, in Orig.-Einband M. 4.—. 


Wirklich Neues und Interessantes wird hier geboten aus der 
Feder des bekannten Publizisten und langjährigen Vertreters der 
Frankfurter Zeitung in Rom. An der sicheren Hand dieses bewährten 
Führers lernen wir das heutige Rom kennen, das tägliche Leben 
der Gegenwart, und schauen alles, was uns in dem lebendigen Gross- 
und Kleingetriebe der „ewigen Stadt“ entgegentritt, treu und natur- 
wahr als gelungene, scharfe Momentaufnahmen. 


Dr. Hans Barth. 
Est! Est! Est! 


-Italienischer Schenkenführer. 


Mit Titelbild: Jugendlicher Bachus. Originalzeichnung v.C. W. Allers 
5. Tausend. In Touristen-Einband M. 1.—. 

Aus der berufenen Feder des bekannten, seit etwa ı5 Jahren in 
Italien und besonders in Rom lebenden Journalisten wurde das über- 
all willkommen geheissene Büchlein gleich nach seinem ersten Er- 
scheinen als notwendige Ergänzung jedes Reisehandbuches für 
Italien begrüsst. Als önosophischer Baedeker ist Barths Schenken- 
führer ein unentbehrlicher Ratgeber durch die Osterien Italiens 
geworden. 

Allmers, H., Römische Schlendertage. Illustr. mit 20 Voll- 

bildern. 10. Auf. M.6.—, in Orig.-Einband M. 7.—. 
von Dalwigk, Briefe aus Rom und Athen. 2. Aufl. M. 2.—, 

in Orig.-Einband M. 3.—. 

Kaden, Woldemar, Italienische Gipsfiguren. 3. Aufl. M.4.—, 

in Orig.-Einband M. 5.—. 

Proelss, Joh., Deutsch-Capri in Kunst, Dichtung, Leben. 

Reich illustr. m Orig.-Einband M. 3.—. 

Roland, Emil (Emmi Lewald), Italienische Landschaftsbilder. 

M. 3.—, in Orig.-Einband M. 4.—. 

Salomon, Ludwig, Spaziergange in Siiditalien. Reich illustr. 

M. 3.—, in Orig..-Einband M. 4.—. 

Stahr, Adolf, Ein Jahr in Italien. 5 Teile in 3 Banden. 

4. Aufl. M. ı5.—, in Orig.-Einband M. 18.—. 

Stahr, Adolf, Herbstmonate in Oberitalien. 2. Teile. 3. Aufl. 

M. 6.—, in Orig.-Einband M. 7.50. 

Wettering, A., Aus der Kunstwelt des Altertums. Dichtungen 

Mit 8 Lichtdrucken. M. 2.—, in Orig.-Einband M. 3.—. 





Im unterzeichneten Verlage erscheint: 


DIE KUNST 


SAMMLUNG ILLUSTRIERTER MONOGRAPHIEN 


HERAUSGEGEBEN VON 


RICHARD MUTHER 


Professor der Kunstgeschichte an der Universitat Breslau. 
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RICHARD MUTHER. DER ANTIKE von 
ll: DIE LUTHERSTADT RICHARD MUTHER. 
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II: BURNE. j JONES | von v.RICHARD MUTHER. 
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JUL.MEIER-GRAEFE. von JARNO JESSEN. 


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dem weiten Titel: „Die Kunst“ und mit: Richard Muther 
als Herausgeber einführt . 

. Die Ausstattung der kleinen Büchlein von fünf Bogen 
Taschenformat ist eine gefällige und solide; Papier und Satz 
sind gut und klar, die Abbildungen sind durchweg gelungen: 
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teilhafter Weise von dem Gros der „Künstlermonographien“ , . 
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JULIUS BARD VERLAG, BERLIN W. 57. 


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RICHARD MUTHER 


Professor der Kunstgeschichte an der Universität Breslau. 


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sind gut und klar, die Abbildungen sind durchweg gelungen: 
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Julius Bard herausgegebenen Bundchen. 


Jeder Band in künstlerischer Ausstattung, mit Photogravüren und 
mehreren Vollbildern in Tondlsung, elegant kartoniert a M.I.35, 
ganz in Leder gebunden mit Goldschnitt 2 M. 2.50. 


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