Skip to main content

Full text of "Albert Niemann"

See other formats


AI  BER1  NIKAANN    ! 


mm.  s'iiM 


\m^\%Wii 


DAS  THEATER  BD.  IV 
ALBERT  NIEMANN  VON 
RICHARD   STERNFELD 


DAS   THEATER 

EINE  SAMMLUNG  VON  MONOGRAPHIEEN 
HERAUSGEGEBEN  VON  DR.  CARL  HAGEMANN 
MIT  BUCHSCHMUCK  GEZIERT  VON  E.  M.  LILIEN 


Bisher  erschienen: 

Bd.    I.  Der  grosse  Schröder    von  Prf.  B.  Litzmann 
Bd.  II.  Bayreuth  von  Prf.  W.  Golther 

Bd.  ni.  Josef  Kainz  '  vonFerd.  Gregori 

Bd.  IV.  Albert  Niemann  von  Prf.  R.  Stemf eld 

Bd.  V  Das  Burgtheater  von  Dr.  Rud.  Lothar 

Bd.  VI.Adalbert  Matkowsky  vonPhihpp  Stein 

In  Vorbereitung: 

Wilhelmine  Schröder- 

Devrient  von  Dr.  C.  Hagemann 

Goethe  alsTheaterleiter  von  Philipp  Stein 
Ludwig  Barnay  von  Dr.  Heinr.  Stümcke 

Lessing  als  Dramaturg  von  Prf.  B.  Litzmann 
Das  Cabaret  von  Dr.  Hanns  H.  Ewers 

Die  Devrients  von  Dr.  H.  H.  Houben 

Iffland  von  Dr.  E.  A.  Regener 

Laube  und  Dingelstedt  von  Dr.  C.  Hagemann 
Das  Th^atre  fran9ais  von  A.  Moeller- Brück 
Die  Meininger  von  Karl  Grube 

Sonnenthal  von  Dr.  Rud.  Lothar 

Diese  Sammlung  wird  fortgesetzt 

Es  sind  fünfzig  Bände  vorgesehen 

Jeder  Band  elegant  kartoniert  M,  1.50 
Jeder  Band  in  echt  Leder  geb.  M.  2.50 


r^i  VJJ 


Ki^2.2.th 


FÜR  BÜCHERLIEBHABER 
WURDEN  DIE  ERSTEN  ZWANZIG 
EXEMPLARE  DIESES  BUCHES 
AUF  ECHTES  BÜTIENP  APIER  GE- 
DRUCKT UND  Hi^NDSCHRIFl'- 
LICH  NUMERIERT.  DER  PREIS 
DIESER  IN  ORIGINAL -COLLIN- 
LEDER  GEBUNDENEN  LUXUS- 
AUSGABE BETRÄGT  10  MARK. 
,SiE  IST  DURCH  ALLE  BUCH- 
HANDLUNGEN     ZU     BEZIEHEN 


ALLE  RECHTE  VORBEHALTEN 


Niemann  ist  durchweg  erhaben;  er  ist  ein 

grosser    Künstler     der    allerseltensten    Art. 

Richard  Wagner 

an  Mathilde  Wesendonk 

Paris,   12.  Februar  i86i. 

Es  ist  doch  keine  zufällige  Erscheinung, 
dass  fast  alle  bedeutenden  deutschen  Bühnen- 
sänger aus  dem  Süden,  besonders  aus  den 
Alpenländern,  herstammen.  Sei  es  nun  die 
Nachbarschaft  ItaHens,  sei  es  das  Klima  der 
Bergtäler:  es  ist,  als  wenn  dort,  wo  das 
Jauchzen  der  Sennen  das  Echo  weckt,  wo 
aus  kräftiger  Menschenbrust  frohe  Lieder 
emporsteigen,  die  schönen  und  starken 
Stimmen  zu  Hause  sind,  die  von  der  Opern- 
bühne herab  uns  entzücken.  Ein  Scaria,  ein 
Nachbaur,  ein  Kjraus,  eine  Mallinger,  Materna, 
Sucher,  Kindermann,  Herzog  —  alle  kamen 
sie  vom  Saume  der  südlichen  Gebirge. 
Andre  grosse  Sänger  erwuchsen  an  den 
Küsten  der  lautaufdonnernden  Salzflut,  oder 
am  Rheine,    wo   der  heitere  Sang  in  jedem 


STERNFELD 


Herbste  jubelnd  sich  erneut.  Aber  arm  ist 
die  gfanze  norddeutsche  Ebene  an  schönen 
Stimmen;  rauh  und  unmelodisch  tönt  hier  das 
Wort  aus  der  Kehle,  nicht  unter  munteren 
Gesängen,  sondern  schweigsam  verrichtet 
der  Niedersachse  seine  Arbeit.  Dort  über- 
strömende Jugendlust,  hier  im  Flachlande 
ernste,  gehaltene  Männlichkeit. 

So  stellt  sich  uns  auch  der  einzige  grosse 
Opernsänger  dar,  den  Norddeutschland  auf- 
zuweisen hat  —  nur  einen,  aber  einen  Löwen, 
der  gar  viele  von  deif  hellen  Singvögeln 
des  Südens  aufwiegt:   Albert  Niemann. 

Wie  kommt  es,  dass  dieser  Name  sofort 
auf  die  Lippen  sich  drängt,  wenn  es  gilt, 
einen  Repräsentanten  des  lyrischen  Dramas 
den  zahlreichen  grossen  Vertretern  des  re- 
zitierenden gegenüber  und  an  die  Seite  zu 
stellen?  Weil  uns  Gefühl  und  Überlegung 
sagen,  dass  es  sich  hierbei  nicht  um  die 
Stimme  allein  —  und  wäre  es  die  schönste  — 
handeln  kann,  sondern  um  eine  Persönlich- 
keit, bei  der  das  Stimmorgan  nur  Mittel 
zum  Zwecke  ist,  also  um  einen  Sänger,  der 
vor   allem    auch  Darsteller   ist.      Ein  Albert 


ALBERT  NIEMANN 


Niemann  konnte  nur  in  einer  Kunstepoche 
aufkommen  und  an  die  erste  Stelle  rücken, 
wo  Gebärde  und  Spiel  auch  auf  der  Opern- 
bühne nicht  mehr,  wie  früher,  Nebensache 
oder  angenehme  Zugabe  war,  sondern  not- 
wendiges Erfordernis  einer  Kunstleistung. 
Nie  mann  wurde  gross  als  Zeuge  und  Helfer 
einer  gesunden  Reaktion  gegen  konventio- 
nelles und  äusserliches  Opernwesen,  das  die 
Kunstform  der  Oper  bei  ernsteren  und 
feineren  Kennern  in  Misskredit  gebracht 
hatte,  gegen  gedankenlose  Ergötzung  des 
Ohres,  gegen  Tenorismus  und  undeutsches 
Gesangs -Virtuosentum.  Ihn  konnte  die 
deutsche  Opernbühne  mit  Stolz  aufweisen, 
wenn  sie  ihre  nationale  Eigenart,  herbe  und 
starke  Männlichkeit,  dem  italienischen  Sinnen- 
kitzel, der  weibischen  Unnatur  des  fälschlich 
sogenannten  „lyrischen"  Tenors  entgegen- 
zusetzen endlich  den  Mut  fand. 

Darin  lag  freilich  auch  eine  Gefahr.  Man 
hörte  nun  wohl  die  irrtümliche  Meinung, 
dass  es  im  neuen  deutschen  Drama  Richard 
Wagners  keiner  lyrischen  Schönheit  des 
Gesanges  bedürfe,    dass   es  hier  etwa  schon 


STERNFELD 


mit  grosser  Deklamation,  mit  wuchtigem 
Rezitieren  getan  sei,  während  Wagners 
Sprachgesang  eine  ebenso  schöne  melodische 
Linie,  ein  ebenso  gleichmässiges  Legato, 
eine  ebenso  sorgsame  Athem Ökonomie  er- 
fordert, wie  jeder  andere  Kunstgesang,  nur 
hier  im  Dienste  des  Wort-Ton-Dramas,  also 
auf  ganz  anderer  Grundlage,  wie  in  der  alten 
Oper.  Es  lag  aber  in  der  Natur  der  Sache, 
dass  jene  wohltätige  Reaktion  gegen  ver- 
rottete, undeutsche  Zustände  sich  anfänglich 
von  Extremen   nicht  frei   halten  konnte. 

Man  wird  diese  grosse  Bewegung  der 
Neugestaltung  der  lyrischen  Bühne  nicht 
besser  verfolgen,  als  an  den  Erscheinungen 
der  drei  Heldendarsteller,  die  dem  Reformator 
der  deutschen  Oper  auf  seinem  Lebenswege 
beschieden  waren:  Josef  Tichatschek,  Schnorr 
von  Carolsfeld,  Albert  Niemann. 

Für  den  ersten  Sänger  des  Rienzi,  des 
Tannhäuser,  für  seinen  „Tscheckel",  hat 
Wagner  zeitlebens  die  herzlichste  Bewunde- 
rung und  dankbarste  Anhänglichkeit  gehabt. 
Er  verehrte  an  Tichatschek  den  heroischen 
Charakter    der    Stimme,    die    stählerne,    un- 


8 


ALBERT  NIEMANN 


ermüdliche  Kraft  des  Organs,  die  jugendliche 
Begeisterung,  die  sich  ihm  in  der  ersten 
Dresdener  Rienzi-Zeit  so  hingebend  enthu- 
siastisch offenbart  hatte.  Doch  konnte  er 
schon  an  Tichatscheks  Tannhäuser  die  starken 
Fehler  seiner  Begabung  nicht  übersehen. 
Abgesehen  von  den  Unebenheiten  der  Aus- 
sprache, die  in  einer  veralteten  Manier  wur- 
zelten, hatte  er  bei  allem  Glänze  der  Stimme 
doch  „nicht  einen  einzigen  wahren  Schmer- 
zensakzent"  aufzuweisen,  der  doch  gerade  im 
zweiten  Akte  des  Tannhäuser  für  den  Aus- 
druck der  Zerknirschung  unerlässlich  ist 

Dann  nach  langen  Jahren  der  Entbehrung 
Hess  den  Meister  sein  guter  Genius  den  gott- 
begnadeten Schnorr  von  Carolsfeld 
finden.  Wir  haben  die  wundervolle  kleine 
Schrift  Wagners,  in  der  er  seiner  Dankbar- 
keit und  seinem  Schmerze  nach  dem  *  er- 
schütternd plötzlichen  Tode  des  jungen 
Sängers  überschwänglichen  Ausdruck  gibt. 
Nächst  der  grossen  Wilhelmine  Schröder- 
Devrient  war  Schnorr  die  ergreifendste 
Sänger -Persönlichkeit,  die  in  das  Leben 
Wagners    getreten   ist.      Sein  Tristan   hatte 


STERNFELD 


ihm  das  Höchste  gegeben,  was  Bühnenkunst 
überhaupt  dem  Dramatiker  gewähren  kann: 
Schnorr  hatte  selbstschöpferisch  die  Inten- 
tionen Wagners  übertroffen,  hatte  ihm  die 
tiefsten  Seelenrätsel  seines  tragischen  Helden 
erschlossen.  Hier  schien  alles  vereinigt :  eine 
Stimme,  die  mühelos  auch  in  der  höchsten 
Lage  ansprach  und  zugleich  von  wunderbar- 
ster Ausdrucksfähigkeit  war,  Spiel  und  Ge- 
sang untrennbar  verbunden,  weil  zusammen 
aus  der  Seelenbewegung  des  dramatischen 
Momentes  geboren :  ein  sinnfälliger  Beweis 
für  die  Einheit  der  neuen  Kunst.  Über 
dieser  hehreij  Begabung  vergass  Wagner 
alles,  was  Anderen  wohl  bei  Schnorr  an 
Äusserlichkeiten  auffallen  konnte,  besonders 
die  körperliche  Fülle,  die  auch  ihn  anfangs  bei 
diesem  „jugendlichen  Herkules"  gestört  hatte. 
Das  einzige,  was  hier  fehlte,  hatte  die 
Natur  dem  dritten  grossen  Wagnerschen 
Heldendarsteller,  Albert  Niemann,  ver- 
schwenderisch zuerteilt:  den  Edelwuchs  der 
Gestalt,  die  Macht  einer  herrlichen,  bezwingen- 
den Erscheinung;  und  wenn  das  Auge  an 
den   Eindrücken    des  Wagnerschen  Dramas 

IG 


ALBERT  NIEMANN 


einen  gleich  grossen  Anteil  hat,  wie  das  Ohr, 
wenn  der  Meister  selbst  von  solchem  Ein- 
drucke eines  schönen  und  glänzenden  Äusse- 
ren sich  willig  gefangen  nehmen  Hess,  so 
war  Niemann  der  berufene  Künstler,  der  in 
seiner,  wie  aus  einem  Gusse  geformten  Per- 
sönlichkeit alle  die  Vorbedingungen  der 
Heldendarstellung  in  reichstem  Masse  darbot. 
Kam  zu  diesen  Vorzügen  der  Erscheinung 
noch  die  gewaltige  dramatische  Begabung, 
die  Hoheit  des  Ganges,  die  Bestimmtheit  der 
Gebärde,  die  Kraft  des  Ausdruckes  und  end- 
lich die  Fähigkeit  jenes  tragischen  „Schmer- 
zensakzentes",  so  gab  es  ein  Gesamtbild  von 
unvergesslichem  Reize,  und  es  trat  hier 
gleichsam  in  einem  Manne  die  Inkarnation 
des  Gesamt  -  Kunstwerkes  zutage.  Darum 
wird  Albert  Niemann  immer  zuerst  genannt 
werden,  wenn  ein  Name  ausgesprochen 
werden  soll,  um  kurz  und  treffend  einen 
Höhepunkt  der  deutschen  Schauspielkunst 
in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts 
zu  bezeichnen  und  zwar  auf  dem  Felde,  das 
damals  die  reichsten,  herrlichsten  Früchte 
trug:  auf  der  Opernbühne. 

1 1 


Albert  Niemann  ist  am  15.  Januar  1831 
geboren,  im  gleichen  Jahre  mit  Joseph  Joachim 
und  Karl  Hill,  die  ihm  seine  Laufbahn  sehr 
nahe  führen  sollte.  Sein  Geburtsort  Erxleben, 
westlich  von  Magdeburg  auf  der  Strasse  nach 
Braunschweig,  lag  in  der  Nähe  des  einst  viel 
besuchten  Bades  Helmstedt,  wo  im  Sommer 
regelmässig  eine  Theatertruppe  gastierte. 
Dort  sollte  auch  Niemanns  Bühnenkarriere 
beginnen.  Zunächst  Hess  ihm  sein  Vater, 
ein  wohlhabender  Besitzer,  guten  Schulunter- 
richt in  Magdeburg  und  Aschersleben  an- 
gedeihen  und  schickte  ihn  dann,  nachdem 
er  das  Zeugnis  zum  Einjährig -Freiwilligen 
erworben  hatte,  auf  eine  Maschinenfabrik. 
Es  muss  dies  gegenüber  späteren  Fabeleien 
betont  werden,  die  sich  darin  gefielen,  Nie- 
mann als  gänzlich  ungebildeten  Schlosser- 
lehrling hinzustellen. 

Wie  von  ungefähr  ist  dann  im  18.  Jahre 
der  junge,  lang  aufgeschossene  Mensch  zum 
Theater   gekommen.     Seine   ersten  Bühnen- 

12 


ALBERT  NIEMANN 


jähre  zu  verfolgfen  ist  schwer;  ein  so  krauses 
Durcheinander  von  Städten,  Rollen,  Be- 
schäftigungen wird  man  selten  finden.  Seine 
Schicksale  sind  wie  ein  Paradigma,  wie  eine 
gedrängte  Übersicht  über  alle  jene  typischen 
Erlebnisse,  Erfahrungen  und  Enttäuschungen 
des  genialen  Anfängers.  Da  fehlt  nichts: 
die  verunglückte  Anmelderolle,  die  Lebens- 
fristung  durch  Rollenausschreiben,  das  Durch- 
brennen, die  junge  Verliebtheit,  der  uner- 
wartete Glücksfall,  und  vor  allem  die  Ver- 
sicherung der  Kenner,  dass  aus  diesem  jungen 
Manne  nie  etwas  werden  würde. 

Die  getrübten  Vermögensverhältnisse  des 
Vaters  waren  wohl  der  äussere  Anlass,  Albert 
Niemann  auf  die  Bretter  zu  führen;  der  innere 
Antrieb  scheint  nicht  sehr  stark  gewesen  zu 
sein.  Direktor  Martini  aus  Dessau,  der 
Sommers  in  Helmstedt  spielte,  warb  ihn  für 
ein  Jahr  als  Statist  ohne  Gage  an;  in  Halber- 
stadt hat  er  im  „Pfarrherrn"  zuerst  die  Bühne 
betreten,  in  Dessau  verhaspelte  er  sich  zum 
Gaudium  des  Publikums  in  den  paar  Worten 
eines  Bedienten,  der  nach  dem  Arzte  läuft. 
Dann  entdeckte  in  Dessau  der  alte  Friedrich 


13 


STERNFELD 


Schneider,  der  Komponist  des  „Weltgerichts", 
dem  der  lange  blonde  Jüngling*  gefiel,  dass 
er  auch  eine  Stimme  habe.  Nun  sang  er 
im  Chore  mit,  trat  als  Uthobal  im  „Joseph" 
zum  ersten  Male  in  einer  kleinen  Basspartie 
auf.  In  das  zweite  Jahr  seiner  Dessauer 
Lehrzeit  fällt  dann  der  für  die  Zukunft  ent- 
scheidende Erfolg:  als  er  im  „Propheten" 
der  Fides  mit  den  Worten  des  Hauptmanns 
das  Nahen  des  „göttlichen"  Sohnes  ankün- 
digt und  einen  stürmischen  Applaus  ent- 
fesselt. Nun  trieb  es  ihn  fort;  er  kommt  nach 
Stettin,  dann  nach  Berlin  zu  Kroll,  wo  er 
den  Dickson  in  der  „weissen  Dame",  den 
Beppo  im  „Stradella"  singt;  plötzlich  ist  er 
in  Worms,  wo  er  an  einer  Schmiere  schon 
erste  Tenorpartien  —  Max,  Tonio,  Stradella  — 
vertritt,  in  Darmstadt,  wo  er  das  Wohlge- 
fallen des  Grossherzogs  erringt,  dann  in 
Halle;  aber  nirgends  hält  er  es  aus.  Da 
endlich  dringt  er  in  Berlin  bis  zum  neuen 
Intendanten  Botho  v.  Hülsen  durch,  der  an 
ihm  Gefallen  findet  und  ihn  Probe  singen 
lässt.  Gänzlicher  Misserfolg,  da  die  Kapell- 
meister erklären:  „ut  em  ward  nicks!"    Trotz- 


14 

4 


ALBERT  NIEMANN 


dem  engagiert  ihn  Hülsen,  indem  er  ihn  zwar 
nicht  auftreten,  aber  von  dem  berühmten 
Mantius  unterrichten  lässt.  Niemann  ist  von 
der  Höhe  der  Gage,  die  er  sich  gar  nicht  zu 
fordern  getraut  hat,  entzückt,  aber  nicht  so 
von  den  Gesangsstudien  bei  Mantius,  die 
seiner  IndividuaHtät  nicht  entsprechen.  Als 
er  nun  endlich  zeigen  soll,  was  er  gelernt 
hat,  will  er  als  Max  auftreten,  in  einer  Partie, 
die  von  Anfang  an  so  recht  nach  seinem 
Gusto  gewesen  war;  aber  der  Befehl  ergeht, 
dass  er  in  Bellinis  „Norma"  seine  Gesangs- 
kunst entfalten  soll.  So  musste  er  im  August 
und  September  1853  in  Berlin  dreimal  als 
Sever  auftreten  und  fiel  völUg  ab.  Die 
Berliner  Kritiker  erklärten  mit  ihrem  tradi- 
tionellen Scharfblick,  dass  der  junge  Tenor 
ebenso  steif  spiele  w^ie  singe  und  es  nie  zu 
etwas  bringen  könne.  So  musste  Hülsen  ihn 
entlassen,  was  er  nachmals  sehr  bereut  hat. 
Wieder  sah  sich  Niemann  der  Ungewiss- 
heit  preisgegeben.  Immerhin  wird  man  an- 
nehmen können,  dass  der  22jährige  Sänger 
sich  doch  bereits  zu  einer  höheren  Stufe  der 
Künstlerschaft    durchgerungen    hatte,    wenn 

15 


STERNFELD 


er  überhaupt  schon  in  Berhn  auftreten  durfte ; 
und  erwägt  man,  dass  er  ein  halbes  Jahr 
später  in  Hannover  mit  grossem  Erfolge 
debütierte,  so  muss  man  doch  über  seine 
raschen  Fortschritte  staunen.  Es  war,  als 
wenn  der  jung-e  Darsteller  plötzlich  in  sich 
eine  Kraft  entdeckte,  die  ihm  das  Selbst- 
vertrauen gab,  aus  sich  herauszugehen  und 
eigene  Wege  einzuschlagen.  Der  Strudel 
hatte  ihn  schon  kräftig  geschüttelt,  doch  „es 
ward  ihm  zum  Heü,  es  riss  ihn  nach  oben". 
Nun  trat  auch  der^,grosse  Glücksfall  ein. 
Der  Hannoversche  Intendant  Graf  Platen  war 
nach  Stettin  gekommen,  um  einen  Helden- 
tenor sich  anzuhören.  Dieser  sagt  in  letzter 
Stunde  ab  und  Niemann  tritt  statt  seiner  als 
Masaniello  auf.  Er  gefallt  dem  Grafen  und 
erhält  von  ihm  einen  Antrag  zum  Probe- 
singen. Zwar  ist  er  noch  mehrere  Jahre  in 
Stettin  gebunden,  aber  der  Direktor  macht 
Bankerott,  und  so  steht  Niemann  vom  Herbst 
1854  für  die  Hofbühne  von  Hannover  zur 
Verfügung.  Er  singt  dort  am  26.  März  1854 
den  Max  und  hat  einen  grossen  Erfolg,  so 
dass  er  zum  i.  September  auf  ein  Jahr  mit 


16 


ALBERT  MEMAXX   im   jähre  1875 


ALBERT  NIEMANN 


I200  Thaler  eng-ag'iert  wird.  Allerding-s  war 
es  nötig-,  dass  die  Intendanz  ihn  vom 
preussischen  Militärdienst  freimachte,  da  der 
Termin  für  die  Gestellung  ablief.  Dies  ge- 
schah denn  auch. 

Das  Sommerhalbjahr  1854  benutzte  Nie- 
mann, um  sich  noch  in  neuen  Rollen  einzu- 
spielen.    Er  ging  nach  Königsberg  und  von 
dort  mit   der  Theatertruppe   in    die  Provinz. 
Und  da  ereignete  sich  etwas  Ominöses.     In 
Insterburg*)  wurde  am  31.  Juli  1854  Richard. 
Wagners  „Tannhäuser"  aufgeführt,  viel  früher, 
als  die  grossen  Hofbühnen  die  Oper  gaben. 
Hofbühnenmässig    war    ja    die    Vorstellung 
auch    nicht   gerade,    denn    das  Theater   war 
in     einem     früheren     Wagenschuppen     auf- 
geschlagen, die  Bühne  bestand  aus  Brettern, 
die  auf  Fässer  gelegt  waren,   das  Orchester 
aus  einem  Klavier,  dem  sich  einige  Streich- 
imd    Blasinstrumente    volltönend     gesellten. 
LJnd    doch    war    diese    Aufführung    für    die 
3-eschichte   der  Bühnen-  und   der  Tonkunst 
licht    ganz    ohne   Bedeutung,    denn    Albert 

^)  Oder  war  es  Gumbinnen?    Vermutlich  hat  Niemann 
n  beiden  Städten  den  Tannhäuser  gesungen. 

7  2 


STERNFELD 


Niemann  sang  zum  ersten  Male  die  Titelpartie 
und  meldete  dies  der  Hannoverschen  Inten- 
danz mit  den  Worten:  „Der  Tannhäuser  ist 
wie  für  mich  geschrieben!" 

Mit  dieser  Episode  schliesst  die  Jugend- 
und  Wanderzeit  Niemanns;  es  beginnen  die 
künstlerischen  Lehrjahre. 


i8 


Am  31.  Augnst  1854  begann  Niemann 
in  der  Rolle  des  Max  seine  Laufbahn  in  der 
Residenz  an  der  Leine,  wo  er  nun  12  Jahre 
lang-  wirken  sollte.*)  Die  Königliche  Oper 
in  Hannover  w^ar  damals  eine  der  besten  in 
Deutschland;  der  blinde  König  Georg  V. 
nahm  sich  mit  opferfreudigem  Eifer  seiner 
Hofbühne  an,  Heinrich  Marschner  stand  an 
der  Spitze  des  Orchesters,  in  welchem  Joseph 
Joachim  als  Konzertmeister  fungierte.  Eine 
Anzahl  der  tüchtigsten  Opernkräfte  wusste 
man  zu  gewinnen  und  trotz  wachsender  An- 
sprüche festzuhalten.  Unter  ihnen  nahm 
Niemann  bald  die  erste  Stelle  ein.  Es  ging 
hier,  wie  überall  vorher  und  nachher:  die 
Wucht  seiner  Persönlichkeit,  die  ungewohnte 
Grösse  der  Auffassung,  die  an  den  Höhe- 
punkten mit  elementarer  Genialität  hervor- 
brach,   riss  das  Publikum    so   widerstandslos 


♦)  Mit  DaiLk  sei  hier  auf  des  treffliche  Buch  von  Dr. 
G.  Fischer  „Musik  in  Hannover"  (Hannover  1903)  ver- 
wiesen,   das    die    folgende  Darstellung   sehr  erleichtert   hat. 


19 


STERNFELD 


mit  fort,  dass  jeder  Einspruch  verstummte, 
wie  oft  auch  die  Kritik  noch  die  technische 
Ausbildung*  der  Stimme  bemängelte.  Es 
kam  hier  doch  immer  das  natürliche  Gefühl 
unverdorbener  Hörer  zum  Durchbruch,  die 
nun  endlich  einmal  einen  Raoul,  einen 
Masaniello  so  erblickten,  wie  die  Textdichter, 
sie  sich  gedacht  hatten:  als  Volkshelden, 
nicht  als  Schmelz-  und  Schmalz-Tenöre,  wozu 
die  Komponisten,  im  Hinblick  auf  die  Wünsche 
blasierter  Opern-Habitues,  in  einzelnen  Teilen 
ihrer  Rollen  sie  gestempelt  hatten.  Die 
Widersprüche  dieses  ganzen  Opemwesens 
traten  freilich  um  so  krasser  zutage,  wenn 
der  stürmische  Befreier  Masaniello  in  Nie- 
manns Reckengestalt  seine  Stimme  zu  den 
Fisteltönen  eines  süsslichen,  an  den  Haaren 
herbeigezogenen  Schlummerliedes  zwingen 
musste,  aus  dem  ein  Theodor  Wachtel 
immer  noch  einen  Ohrenschmaus  zu  be- 
reiten wusste. 

So  war  es  denn  für  Niemann  und  für  die 
deutsche  Darstellungskunst  epochemachend, 
als  am  27.  Januar  1855  der  „Tannhäuser" 
in   Hannover   in    Szene    ging   und   Niemann 

20 


ALBERT  NIEMANN 


zum  ersten  Male  in  würdiger  Umgebung  die- 
jenige Heldengestalt  verkörperte,  die  mit 
seinem  Namen  in  der  Geschichte  der  Bühne 
unauflöslich  verknüpft  bleiben  sollte. 

Sofort  verbreitete  sich  Niemanns  Ruf; 
von  drei  grossen  Bühnen  erhielt  er  ver- 
lockende Anträge,  so  dass  Hannover  sich 
beeilen  musste,  ihn  besser  zu  stellen.  Über- 
dies gew^ährte  ihm  der  König  die  Mittel,  im 
Sommer  —  wie  Roger  geraten  —  bei  Duprez 
in  Paris  zu  studieren.  Duprez,  einst  selbst 
eine  Zierde  der  Pariser  Oper  —  Richard 
Wagner  freilich  zeichnete  ihn  1840  in  seinen 
„Pariser  Amüsements"  in  wenig  respektvoller 
Weise  —  genoss  jetzt  den  Ruf  eines  vor- 
züglichen Lehrers,  der  nicht  allein  die  Stimme, 
sondern  Spiel  und  Gesten  des  Sängers  zu 
schulen  und  zu  veredeln  verstand.  Daneben 
lernte  Niemann  Deklamation  bei  Matthieu. 
Duprez,  der  sich  neben  Niemann  wie  Mime 
neben  Siegfried  ausnahm,  war  von  dem 
deutschen  Hünen  entzückt  und  erklärte,  dass 
er  nie  desgleichen  gesehen  hätte.  Er  studierte 
ihm  besonders  den  „Propheten"  ein,  und  als 
Niemann    in    dieser  Rolle    nach    den    Ferien 

21 


STERNFELD 


in  Hannover  auftrat,  war  man  nicht  nur  von 
der  kraftvollen  Auffassung  ergriffen,  sondern 
lobte  auch  die  Fortschritte  in  der  Gesangs- 
kunst. Als  dann  mit  der  ersten  Aufführung 
des  „Lohengrin'*  in  Hannover  am  i6.  De- 
zember 1855  Niemann  auch  die  zweite 
Wagnersche  Heldengestalt  schuf,  die  durchs 
ihn  im  Laufe  der  nächsten  dreissig*  Jahre  zu 
einer  typischen  Darstellung  gelangen  sollte, 
war  sein  Ruf  als  erster  deutscher  dramatischer 
Sänger  begründet.  Er  wurde  weiter  ver- 
breitet durch  ein  Gastspiel  in  Hamburg, 
während  dessen,  wie  man  behauptete,  der 
Enthusiasmus  höhere  Wogen  schlug,  als  bei 
Roger  und  Jenny  Lind. 

Dabei  aber  war  der  junge  Sänger  weit 
entfernt  davon,  sich  auf  jene  Hauptpartien, 
die  seiner  Natur  am  meisten  entsprachen, 
zu  beschränken.  Es  machte  ihm  Freude,  sich 
mit  Fleiss  und  Hingabe  in  die  heterogensten 
Aufgaben  zu  stürzen.  Damals  schuf  er  eine 
Reihe  von  Gestalten,  die  in  seiner  Ver- 
körperung ein  völlig  neues  Aussehen  ge- 
wannen, wie  Eleazar  und  Fra  Diavolo;  un- 
vergessliche  Figuren,  wie  Joseph  und  Cortez, 

22 


A 


ALBERT  NIEMANN 


durch  deren  schlicht  ergreifende  und  im- 
ponierende Darstellung*  er  die  gleichnamigen 
Werke  von  Mehul  und  Spontini  zu  neuem 
Dasein  erw^eckte  und  über  Wasser  hielt,  bis 
sie,  die  letzten  Reste  einer  ernsten  und  stil- 
vollen romanischen  Opernkunst,  ohne  seinen 
belebenden  Atem  ins  Reich  der  Vergessen- 
heit hinabstiegen.  Höchst  merkwürdig  er- 
scheint es  uns  heute,  dass  er  selbst  den 
Banditen  Barbarino  in  Flotows  „Stradella'^ 
aus  der  niedrigen  Sphäre  der  Komik  zu  einer 
interessant  drastischen  Räuberfigur  empor- 
hob. Er  studierte  eben  alle  Rollen  mit  Lust 
und  Liebe  und  legte  in  jede  etwas  von 
seinem  feurigen  Temperament  hinein;  er 
erfasste  beinahe  instinktiv  den  Geist  einer 
Partie  oder  wusste  doch  ihre  Hauptmomente 
mit  so  packender  Kraft  zu  treffen,  dass  die 
Hörer  sich  willenlos   g'efangen  gaben. 

Es  war  noch  die  gute  alte  Zeit  des  klein- 
staatlichen Deutschlands  vor  1866  mit  ihrer 
liebenswürdigen,  wenn  auch  übertriebenen 
und  unwählerischen  Theaterschwärmerei.  Da 
selbst  in  den  grösseren  Residenzen  nur  die 
eine  Hofbühne  bestand,  welche  den  ganzen 

23 


STERNFELD 


Kunstkonsum  des  Bürg-ers  zu  befriedigen 
hatte,  so  konzentrierte  sich,  viel  mehr,  als  wir 
das  heute  verstehen,  das  ausschliessliche  Inter- 
esse der  „gebildeten"  Kreise  —  vom  hohen 
Adel,  der  den  ersten  Rang  bevölkerte,  aber 
meist  zum  zweiten  Akt  erschien,  bis  zum 
Kommis  und  zur  Näherin,  die  keinen  Sonntag 
im  „ Amphi"  fehlten  —  auf  das  Theater.  Par- 
teiungen,  politisch  zum  Schweigen  gezwungen, 
bildeten  und  erhitzten  sich  vor  dem  Vorhang; 
der  Kunstkultus  wurde  zum  Künstlerkultus, 
die  Vergötterung  der  ^Lieblingsschauspieler 
flutete  ungehemmt;  ihre  Personen,  nicht  nur 
auf  der  Bühne,  sondern  auch  im  Privatleben, 
waren  Gegenstand  unablässigen  Tagesge- 
sprächs und  Nachbarinnenklatsches. 

Niemann  aber  war  der  gefundene  Bühnen- 
held, von  dessen  kraftgenialischen  Extra- 
vaganzen die  guten  Hannoveraner  sehr  bald 
mit  schaurigem  Entzücken  sich  erzählten. 
Bald  hatte  er  dem  gräflichen  Herrn  Inten- 
danten sehr  deutlich  seine  Meinung  gesagt, 
bald  einen  Königlichen  Marstallbeamten  be- 
droht, bald  einem  Kjritiker,  der  ihn  zu  tadeln 
wagte,    einen    Brief    geschrieben     mit     der 


24 


NIEMANN  als  Tannhäuser 


ALBERT  NIEMANN 


A/'amung,    seine  Leistungen  noch  einmal  zu 
Twähnen,    bald    wieder    seiner    Entrüstung 
reien  Lauf  gelassen,  als  ein  Rival  den  Raoul 
larsteilen  durfte  gerade  an  dem  Abend,  wo 
»Jiemann  sich  seinem  alten  Mütterchen,    das 
;r  dazu  hatte  kommen  lassen,  just  in  dieser 
lolle  zeigen  wollte.     Bitten    um    Entlassung 
varen    die    gewöhnliche    Folge   dieser   Rei- 
zungen,   die    der  König    meistens  mit  einer 
(jehaltserhöhung     zu     befriedigendem     Ab- 
chluss    brachte.     Nur    einmal,    als  Niemann 
ji  gereizter  Stimmung   einem  Kapellmeister 
inter    den   Kulissen   den    Hut    vom    Kopfe 
•erissen  hatte,    musste  er    seine  Aufwallung 
lit  einer  vierwöchigen  Haft  büssen,  die  sich 
llerdings    zu    einem    ziemlich    „fidelen    Ge- 
ingnis"  auswuchs.    Die  letzte  Woche  wurde 
im    durch   die  Gnade    des  Königs  erlassen» 
Man    würde    doch    irren,    wollte    man  in 
iesen  Vorfällen  nur  die  Launen  eines  über- 
lütigen,  verwöhnten  Tenors  sehen;  vielmehr 
aren    es    die    Explosionen     überschüssiger 
Iraft  einer  Naturgewalt,    die  sich   in  Kunst 
ad  Leben  austoben  musste,  allerdings  auch 
urch  die  Vergötterung  des  Publikums  ver- 


STERNFELD 


leitet  wurde,  die  Grenzen  zu  übersehen, 
welche  selbst  dem  begnadetsten  Künstler 
durch  das  leider  prosaische  Leben  gezogen 
sind. 

Es  war  ein  Glück,  dass  die  sänftigende 
Hand  einer  edlen  Frau  von  nun  an  ein  wenig 
die  Wogen  der  Leidenschaft  zu  glätten  wusste: 
am  31.  Mai  1859  vermählte  sich  Niemann 
mit  Marie  Seebach,  der  gefeiertesten  Schau- 
spielerin jener  Zeit,  die  mit  ihrem  Gretchen 
ganz  Deutschland  entzückte.  Auch  sie  ge- 
hörte seit  zwei  Jahrei:\  dem  Hannoverschen 
Hoftheater  an,  das  dem  Berliner  den  Rang 
abzulaufen  drohte. 

Am  II.  Dezember  1859  ging  der  „Rienzi" 
in  Szene.  Niemann  hatte  vorher  in  Dresden 
Tichatschek  gehört,  der  seit  17  Jahren  mit 
unverwüstlicher  Stimmkraft  diese  Partie  sang; 
er  hatte  sie  dann  „mit  einer  wahrhaft  be- 
geisterten Liebe  studiert",  wie  Marie  Seebach 
an  Liszt  schrieb.  Ein  neuer  grosser  Erfolg 
lohnte  ihm ;  seine  starke,  eindringliche  Kunst 
der  Deklamation,  die  würdevoll  überlegene, 
heldenhafte  und  dabei  gottergebene  Art,  die  er 
dem  römischen  Notar  verlieh,    gewann  dem 


26 


ALBERT  NIEMANN 


Werke  eine  Stellung-,  die  doch  g*eg*enüber 
den  späteren  Schöpfungen  Wagners  schwer 
zu  behaupten  war.  Immer  öfter  aber  w^ard 
der  Name  Niemanns  neben  dem  seines  Meisters 
g*enannt.  Im  „Hannoverschen  Kurier''  er- 
schien Anfang*  1860  an  den  noch  immer 
nicht  amnestierten  grossen  deutschen  Künstler 
ein  beg-eisterter  Gruss,  der  ihn  einlud,  in 
Hannover  seine  Werke  zu  sehen,  und  mit 
einem  Jubelhymnus  auf  seinen  Interpreten 
schloss:  „Ein  Albert  Niemann  wird  vielleicht 
alle  hundert  Jahre,  vielleicht  zum  zweiten 
Male  nie  gfeboren." 

Das  Jahr  1860  sollte  dem  also  Gefeierten 
noch  weitere  Triumphe  bringen.  Als  er  in 
Wiesbaden  gastierte,  kam  Meyerbeer,  trotz 
seiner  Krankheit,  von  Schlangenbad  herüber; 
er  bedauerte,  den  Sänger  nicht  in  früheren 
Jahren  gehört  zu  haben,  um  für  ihn  eigens 
eine  Rolle  zu  schreiben.  Bald  darauf  wurde 
Niemann  nach  Baden-Baden  entboten,  wo 
die  deutschen  Fürsten  sich  zu  einer  Entrevue 
mit  Napoleon  III.  versammelt  hatten.  In 
einer  Soiree  am  16.  Juni  sang  Niemann  vier 
Lieder,  darunter  von  Schumann    „Frühlings- 


27 


STERNFELD 

nacht"  und  „Ich  grolle  nicht",  und  machte 
auf  die  erlauchten  Hörer  den  tiefsten  Ein- 
druck. Napoleon  redete  ihn  in  deutscher 
Sprache  an  und  äusserte  den  Wunsch,  ihn  in 
Paris  zu  begrüssen,  worauf  Niemann  melden 
konnte,  dass  er  bereits  von  Richard  Wagner 
dorthin  eing-eladen  sei.  In  der  Tat  begab 
er  sich  unmittelber  darauf  zu  den  Tannhäuser- 
Proben  in  die  französische  Hauptstadt. 

Früher,  als  sie  erwartet  hatten,  konnten 
sich  die  Hannoveraner  wieder  ihres  ver- 
götterten Heldentenors  erfreuen,  da  die 
Pariser  Tannhäuser-Aufführungen  nach  der 
dritten  Vorstellung  durch  den  Willen  Wagners 
ein  Ende  gefunden  hatten.  Niemann  schien 
noch  im  Banne  des  Venusberges  der  Pariser 
Oper  zu  weilen.  Er  trat  in  den  „Hugenotten" 
zuerst  wieder  in  Hannover  auf  und  nannte 
seinen  tags  darauf  geborenen  ersten  Sohn 
„Raoul".  Im  selben  Jahre  1861  hatte  er 
noch  Gelegenheit,  aus  dem  Faust  der  Herren 
Barbier  und  Carre,  den  Gounod  in  Musik  ge- 
setzt hatte,  eine  Gestalt  zu  machen,  die  des 
Goetheschen  Geistes  wenigstens  einen  Hauch 

2S 


ALBERT  NIEMANN 


verspürt  hatte.  War  der  „Tannhäuser"  in 
Frankreich  durchgefallen,  so  übte  Deutschland 
edle  Rache,  indem  es  Gounods  „Marg*uerite" 
zur  Lieblingsoper  des  nächsten  Jahrzehntes 
erkor. 

Mit  Anerkennung  wurde  in  Hannover  be- 
merkt, dass  Niemanns  Stimme  durch  fleissige 
Studien  geschmeidiger  und  beweglicher  ge- 
worden war.  Hatte  er  noch  in  Paris  bei 
Delsarte  Unterricht  gehabt,  so  im  Sommer 
1863  bei  der  Viardot-Garcia  in  Baden-Baden. 
Als  Hüon  entfaltete  er  ansprechendere  Höhe 
und  leichtere  Koloratur,  und  eine  eigene 
Genugtuung  war  es  ihm  wohl,  dass  sein 
Sever,  mit  dem  er  vor  zehn  Jahren  in  Berlin 
„versungen  und  vertan",  nun  in  sonniger 
Pracht  des  Gesanges  erstrahlte. 

Das  Jahr  1864  begann  mit  einem  jener 
durch  den  Impuls  des  AugenbHcks  geborenen 
Zwischenfälle,  die  Niemanns  Popularität  in 
Deutschland  mächtig  zu  erhöhen  geeignet 
waren.  Als  die  Deutschen  damals  endÜch 
gegen  die  Vergewaltigung  Schleswig -Hol- 
steins durch  das  kleine  Dänemark  aufstanden, 
erhob  England  in  einer  drohenden  Note  Pro- 


STERNFELD 


test  bei  den  deutschen  Reg-ierungen.  Niemann 
hatte  am  Abend  in  Marschners  „Templer'^ 
zu  singen  und  improvisierte  kühn:  „Du  stolzes 
England,  schäme  dich!"  Obwohl  er  dann  so 
tat,  als  wenn  er  sich  versprochen,  jubelte  ihn 
das  Publikum  hervor,  und  gegen  das  Theater- 
gesetz folgte  er  dem  Vorruf.  Nun  gingen 
dem  wackeren  deutschen  Sänger  so  manche 
Dankschreiben  zu;  der  gütige  König  aber 
Hess  es  bei  einer  Abmahnung  bewenden.  Im 
Frühjahr  ernannte  er  Niemann  zum  Kammer- 
sänger mit  lebenslänghchem  Kontrakt  und 
einer  Gage  von  6000  Talern.  Damit  gelang 
es,  den  gefeierten  Sänger  für  Hannover  zu 
erhalten,  der  sonst  durch  die  glänzenden  An- 
erbietungen der  eifersüchtigen  Berliner  Oper 
schon  damals  entführt  worden  wäre. 

Im  Februar  1864  gastierte  er  in  München, 
und  die  „Niemann-Epidemie"  —  wie  ein  Witz- 
blatt sagte  —  ergriff  auch  die  biederen 
Münchener;  jetzt  erst  wurden  sie  für  Tann- 
häuser und  Lohengrin,  die  bisher  in  der  Isar- 
stadt  ein  stilles  Dasein  geführt  hatten,  ge- 
wonnen. Als  Niemann  bei  König  Max  zur 
Audienz  befohlen  war,   erschien  an  der  Tür 

30 


ALBERT  NIEMANN 


ein  schöner  dunkler  Jüngling,  dessen  bleiches 
Antlitz  bei  Niemanns  Anblick  von  dunkler 
Röte  Übergossen  wurde:  der  Kronprinz! 
Durch  den  Photographen  Albert  wurde 
Niemann  dann  unbemerkt  zu  ihm  ge- 
führt; Ludwig  gab  ihm  mit  schüchternem 
Danke  seine  Begeisterung  für  seine  Dar- 
stellungen zu  erkennen  und  Hess  ihm  bald 
darauf  sein  Porträt  übersenden:  das  Bildnis 
des  Königs  —  w^ar  doch  wenige  Wochen 
nach  Niemanns  Gastspiel  König  Max  ge- 
storben und  Ludwig  IL  auf  Bayerns  Thron 
berufen  w^orden.  Durch  Niemanns  Lohengrin 
schwärmerisch  entzückt,  schickte  er  sofort 
nach  dem  Schöpfer  des  Werkes,  der  im  Mai 
1864  zum  ersten  Male  vor  dem  jungen  Schirm- 
herrn seiner  Kunst  stand. 

Im  selben  Monat  vollzog  sich  auch  für 
Niemann  ein  wichtiges  Ereignis:  am  17.  Mai 
1864  trat  er  zum  ersten  Male  in  Berlin  als 
Tannhäuser  auf,  an  der  Stätte,  wo  er  vor 
zehn  Jahren  so  völlig  durchgefallen,  in  der 
Rolle,  die  er  dort  nun  ein  Vierteljahrhundert 
glorreich  verkörpern  sollte.  Der  Beifallssturm 
war    unerhört,    aber    nicht  weniger   tief  der 


31 


STERNFELD 


Eindruck,  den  dann  sein  „Josef  in  Ägypten'^ 
hervorrief;  für  das  nächste  Jahr  wurden  so- 
fort 20  Gastrollen  verabredet,  bei  einer  Gagfe 
von   1000  Friedrichsdor. 

In  das  letzte  Jahr  Niemanns  an  der  Bühne 
zu  Hannover  fällt  nur  noch  eine  bedeuten- 
dere neue  Rolle:  der  Vasco  da  Gama  in 
Meyerbeers  lang*  erwarteter  „Afrikanerin''. 
Auch  hier  gelang-  es  Niemann,  durch  die 
Ritterlichkeit  des  Auftretens  und  den  Schwung 
der  Deklamation  dem  Helden  der  Oper,  der 
doch  ein  haltloser  Schwächling  ist,  einen  Zug 
von  historischer  Grösse  zu  geben. 

Als  am  27.  Mai  1866  die  „Afrikanerin" 
zum  zehnten  Male  gegeben  wurde,  ahnte  wohl 
kein  Besucher,  dass  drei  Wochen  später  König 
Georg  V.,  der  eifrige  Mäcen  seines  Hoftheaters, 
die  Residenz  für  immer  verlassen  würde. 

Damit  endete  auch  für  Niemann  die  Peri- 
ode seiner  Lehrzeit.  Die  1 2  Jahre  in  Hannover 
waren  für  ihn  von  unschätzbarem  Werte. 
Dass  er  an  einer  rührig  und  ehrgeizig'  ar- 
beitenden Hofbühne,  in  einem  rasch  wech- 
selnden Repertoire  tätig  sein  durfte,  nicht 
nur    in    einer  Anzahl   von  grossen,    ihm  ge- 


32 


6 

t 

?A 


^ 


STERNFELD 


Eindruck,  den  dann  sein  „Josef  in  Ägfypten" 
hervorrief;  für  das  nächste  Jahr  wurden  so- 
fort 20  Gastrollen  verabredet,  bei  einer  Gagfe 
von  1000  Friedrichsdor. 

In  das  letzte  Jahr  Niemanns  an  der  Bühne 
zu  Hannover  fällt  nur  noch  eine  bedeuten- 
dere neue  Rolle:  der  Vasco  da  Gama  in 
Meyerbeers  lang*  erwarteter  „Afrikanerin". 
Auch  hier  gelang-  es  Niemann,  durch  die 
Ritterlichkeit  des  Auftretens  und  den  Schwung* 
der  Deklamation  dem  Helden  der  Oper,  der 
doch  ein  haltloser  Schwächling*  ist,  einen  Zug* 
von  historischer  Grösse  zu  geben. 

Als  am  27,,  Mai  1866  die  „Afrikanerin" 
zum  zehnten  Male  gegeben  wurde,  ahnte  wohl 
kein  Besucher,  dass  drei  Wochen  später  König 
Georg  V.,  der  eifrige  Mäcen  seines  Hoftheaters, 
die  Residenz  für  immer  verlassen  würde. 

Damit  endete  auch  für  Niemann  die  Peri- 
ode seiner  Lehrzeit.  Die  1 2  Jahre  in  Hannover 
waren  für  ihn  von  unschätzbarem  Werte. 
Dass  er  an  einer  rührig  und  ehrgeizig'  ar- 
beitenden Hofbühne,  in  einem  rasch  v/ech- 
selnden  Repertoire  tätig  sein  durfte,  nicht 
nur   in    einer  Anzahl   von  grossen,    ihm  ge- 


32 


C^ 


^ 


"^  -^    Ai^c^i^c^  (Lp^yCA.jL^ 


cr?2y. 


^  .^yy  -MZs^u^-L-i puZJ 


^ 


Brief  RICHARD  WAGNERS  an  Niemann 


ALBERT  NIEMANN 


mässen  Rollen,  sondern  in  der  Mehrzahl  der 
Tenorpartien,  gab  ihm  eine  seltene  Gewandt- 
heit und  Sicherheit.  In  klassischen  und  italie- 
nischen Opern  ernster  und  heiterer  Art  übte 
er  die  Kehlfertigkeit,  bis  ihm  selbst  Kolora- 
turen gelangen;  seine  grossen  dramatischen 
Helden  vertiefte  er  mehr  und  mehr.  Hatte 
das  langmütige  Publikum  seinem  Liebling' 
auch  mancherlei  nachzusehen  —  dass  er 
zuweilen,  w^enn  nicht  in  Stimmung,  wenig 
oder  gar  nicht  spielte  — ,  hielt  er  es  auch 
nicht  allzu  genau  mit  der  Pflicht,  Proben  mit- 
zumachen, wenn  ihm  etwa  eine  Hof  jagd  winkte, 
so  lag  es  ihm  fern,  nun  schon  auf  seinen 
Lorbeeren  auszuruhen;  es  machte  ihm  Freude, 
oft  aufzutreten  und  neue  Rollen  zu  studieren; 
unermüdlich  arbeitete  er  an  seiner  Vervoll- 
kommnung. 

1865  war  er  wieder  zum  Gastspiel  in  Berlin 
gewesen;  1866  siedelte  er  ganz  in  die  Haupt- 
stadt des  siegreichen  Preussens  über. 


33 


I.  Der  Pariser  Tannhäuser. 

Richard  Wagner  befand  sich  zur  Zeit,  als 
der  Stern  Niemanns  aufging,  im  Exil  in  Zürich. 
Von  j  edem  persönlichenEin wirken  auf  deutsche 
Opernzustände  abgeschnitten,  unterhess  er  es 
doch  nicht,  aufmerksam  zu  spähen,  wo  sich 
für  seine  Kunst  etwas  Erfreuliches  zeige. 
Gute  Sänger  mit  darstellerischer  Begabung 
waren  für  ihn  von  unschätzbarem  Werte,  weil 
sie  dem  PubUkum  überhaupt  erst  einen  Be- 
griff von  seinem  Wollen  und  Streben  geben 
konnten,  damit  es,  unbeirrt  von  einer  rück- 
ständigen, selbst  nur  zu  sehr  der  Belehrung 
bedürftigen  Kunstkritik,  sich  erst  einmal  ein 
Urteil  zu  bilden  imstande  wäre.  Nun  hing 
aber  das  Verständnis  sowohl  des  „Tann- 
häuser" wie  des  „Lohengrin"  fast  ausschUess- 
Uch  von  den  Vertretern  der  Titelpartien  ab. 
Wie  Wagner  von  diesen  dachte,  zeigt  eine 
Brief  stelle  vom  30.  Juli  1855:  „Wer  einen 
von  den  heutigen  Tenorsängern  einmal  wieder 

34 


ALBERT  NIEMANN 


zu  Gehör  und  Gesicht  bekommt,  kann  nicht 
begreifen,  wie  Aufgaben,  wie  die  meinigen, 
auch  nur  ahnungsweise  von  diesen  Eunuchen 
gelöst  werden  sollten."  Und  nun  ein  Jahr 
später  am  21.  Juni  1856:  „Namentlich  ist  mir 
Herr  Niemann  als  sehr  vorzügUch  bezeichnet 
worden,  was  zu  erfahren  mir  von  grossem 
Werte  ist,  da  ich  auf  Tenoristen,  wie  ich 
sie  brauche,  so  sehr  selten  rechnen  kann." 
Gewiss  hatte  sich  Wagner  vorher  schon 
an  Niemann  gewandt,  oder  dieser  fühlte  von 
selbst  den  Drang,  den  verehrten  Meister  auf- 
zusuchen. Aber  er  traf  ihn  in  Zürich  nicht 
an,  denn  Wagner  weilte  damals  im  Sommer 
1856  zur  Kur  in  Mornex  bei  Genf.  Im  näch- 
sten Sommer  1857  wieder  wartete  der  Meister 
vergeblich  auf  den  Besuch  Niemanns.  Aber 
schon  spielte  der  junge  Sänger  in  seinen 
Plänen  eine  wichtige  Rolle.  In  einem  Briefe 
an  ihn  vom  25.  Januar  1857  hatte  er  ihm  die 
Darstellung  seines  Siegfried  zugedacht,  an 
dessen  i.  Akte  er  gerade  arbeitete.  Der 
kühne  Knabe,  der  den  Bären  gezäumt  hat 
und  den  Amboss  entzweischlägt,  verkörperte 
sich  ihm  in  der  Erscheinung  Niemanns,  wie 

35  3* 


STERNFELD 


sie  ihm  geschildert  worden.  Dann  wieder  nahm 
er  Niemann  in  Aussicht  für  eine  in  Strass- 
burg-  demnächst  zu  veranstaltende  erste  Auf- 
führung* von  „Tristan  und  Isolde",  die  nie 
zustande  kam.  Endlich  am  lo.  Juli  1858  er- 
schien Niemann  mit  seiner  Braut  Marie  See- 
bach in  Zürich.  Zum  ersten  Male  stand  er 
vor  dem  Meister  und  fand  —  wie  Hans  v.  Bülow 
schreibt  —  Gnade  vor  seinen  Augen.  Er  traf 
bei  ihm  seinen  älteren  Kollegen  Tichatschek, 
und  es  machte  Wagner  Freude,  die  kürzUch 
vollendete  Dichtung  des  „Tristan"  seinen 
beiden  Heldentenören  vorzulesen. 

Von  einer  leichten  Verstimmung  zwischen 
Wagner  und  Niemann  erfahren  wir  aus  einem 
Briefe  des  Meisters  Anfang  1859  an  Direktor 
Rottmaier  in  Hannover,  aber  sie  war  doch 
bald  gehoben;  und  als  sich  für  Wagner,  der 
seit  Oktober  1859  wieder  in  Paris  weilte, 
plötzUch  im  Frühjahr  1860  die  Aussicht  er- 
öffnete, seinen  „Tannhäuser"  ganz  nach  seinen 
Wünschen  in  der  grossen  Oper  aufzuführen, 
stand  es  ihm  fest,  dass  nur  Niemann  die  Titel- 
partie vertreten  könne,  der  übrigens  auch 
durch   seine   früheren  Studien  in  Paris  und 


36 


ALBERT  NIEMANN 


seine  gfute  französische  Aussprache  sich  em- 
pfahl. Aufs  sorgfältigste  wurde  sein  Engage- 
ment eingeleitet,  und  als  er  im  Juli  1860 
mit  frohem  Tannhäusersang  in  die  Pariser 
Wohnung  Wagners  trat,  konnte  dieser  ihm 
mitteilen,  dass  er  ihn  auf  ein  Jahr  mit  der 
ungeheuren  Gage  von  72000  Franken  für  die 
Grosse  Oper  verpflichtet  habe.  In  Hannover 
erhielt  Niemann  Urlaub  und  begab  sich  nun 
zu  den  Tannhäuserproben  nach  Paris.  „Vor 
allem  verlasse  ich  mich  auf  meinen  Recken 
Niemann.  Der  Mensch  hat  unerschöpf- 
liche Fähigkeiten.  Noch  ist  er  fast  roh, 
und  alles  in  ihm  tat  bisher  nur  der  Instinkt. 
Jetzt  hat  er  monatelang  nichts  anderes  zu 
tun,  als  sich  von  mir  leiten  zu  lassen.  Alles 
wird  bis  auf  den  letzten  Punkt  studiert"  So 
schrieb  Wagner  am  30.  September  1860 
aus  Paris  an  Mathilde  Wesendonk,  und  am 
20.  Oktober  an  ihren  Gatten:  „Mein  deutscher 
Sänger  reisst  die  Augen  auf  und  gesteht, 
nun  erst  seine  Partien  kennen  zu  lernen." 
So  wurde  Niemann  in  diesen  Proben  zum 
ersten  Male  das  unschätzbare  Glück  zuteil, 
in    ein   Meisterwerk    eingeführt    zu   werden. 


37 


STERNFELD 


von    dem   Genius   selbst,    der   es   geschaffen 
hatte. 

Leider  zogen  sich  die  Vorbereitungen  sehr 
in  die  Länge,  da  Wagner  im  November  schwer 
erkrankte.  Für  Niemann  ergaben  sich  dar- 
aus manche  Gefahren  für  seine  Stellung. 
Von  Anfang  an  war  er  in  den  üblen  Dunst- 
kreis der  Intrigen  und  Cliquen  hineingezogen 
worden,  in  welchen  auch  wohl  ein  Welt- 
klügerer zu  Schaden  gekommen  wäre,  als 
es  der  kaum  30  jährige  Sänger  war.  Kaum 
war  er  in  Paris  angelangt,  als  schon  die 
Zeitungen  über  ihn  höhnten:  er  sei  ein  Bauern- 
junge und  noch  kurz  zuvor  Fleischerbursche 
gewesen,  worauf  Niemann  in  einer  humo- 
ristischen Berichtigung  erwiderte,  dass  er 
noch  nie  ein  Stück  Vieh  umgebracht  hätte. 
Die  Anhänger  Mey erbeers  hätten  Niemanns 
Kunst  gern  für  den  „Robert"  und  den  „Pro- 
pheten" ausgenutzt,  die  Direktion  der  Grossen 
Oper  vermied  es  aber  sehr  richtig,  ihn  auf- 
treten zu  lassen  und  vielleicht  einem  Miss- 
erfolg auszusetzen,  der  dann  dem  „Tannhäuser '^ 
geschadet  hätte.  Nun  drehten  die  Blätter  die 
Sache  so,  dass  Niemanns  Stimme  zu  roh  und 


38 


ALBERT  NIEMANN 


ungfeschlacht  sei,  um  anderswo  zu  wirken, 
als  in  Wagners  Opern,  die  dergleichen  er- 
forderten. Auf  der  einen  Seite  arbeiteten 
gegen  ihn  die  französischen  Kollegen,  neidisch 
auf  den  fremden  Sänger  mit  der  riesigen 
Gage,  auf  der  anderen  die  Feinde  Wagners, 
die  nicht  verfehlten,  ihm  Angst  zu  machen. 
Schlimm  war,  dass  Niemann  schliesslich 
zu  Wagner  selbst  in  einen  Gegensatz  geriet, 
der  eine  unselige  Entfremdung  der  beiden 
Männer  zur  Folge  hatte.  Es  ist  schwer,  heute 
schon  über  Vorgänge  ein  Urteil  zu  fällen, 
die  noch  zu  wenig  aufgeklärt  sind,  zumal 
die  wichtigsten  Zeugnisse  —  ausführliche 
Briefe  Wagners  an  Niemann  —  nicht  publi- 
ziert werden  dürfen.  Was  Wagner  selbst 
über  die  drei  berüchtigten  Tannhäuser-Auf- 
führungen in  Paris  am  13.,  18.,  24.  März  1861 
wenige  Tage  darauf  öffentHch  mitgeteilt  hat, 
geht  in  vornehmer  Zurückhaltung  über  den 
Konflikt  mit  Niemann  kurz  hinweg;  was  in 
Briefen  Hans  v.  Bülows  neuerdings  darüber 
zutage  getreten  ist,  wird  nicht  von  Übertrei- 
bungen frei  sein,  wie  sie  aus  den  Aufregun- 
gen des  Augenblicks  leicht  zu  erklären  sind. 


39 


STERNFELD 


Noch  zehn  Tage  vor  der  ursprünglich 
auf  den  22.  Februar  festgesetzten  ersten  Auf- 
führung schrieb  Wagner  an  Frau  Wesendonk: 
„Niemann  ist  durchweg  erhaben;  er  ist  ein 
grosser  Künstler  der  allerseltensten  Art", 
woraus  doch  hervorgeht,  dass  der  Meister 
noch  in  diesen  Bühnenproben,  wo  er  nun  zum 
ersten  Male  seinen  Sänger  auf  der  Szene  sah, 
ausserordentlich  befriedigt  gewesen  sein  muss. 
Die  Differenzen  werden  also  doch  erst  in  den 
folgenden  Wochen,  nachdem  die  Aufführung 
in  den  März  verschoben  war,  gekommen 
sein.  Sie  waren  zunächst  künstlerischer  Art. 
Wagner  verlangte  einen  jungen,  unver- 
dorbenen, unroutinierten  Sänger,  der  in  seinen 
Händen  weiches  Wachs  sein  sollte.  Niemann 
aber  war  doch  nicht  so  primitiv,  wie  der 
Meister  gedacht  hatte,  er  stand  ihm  als  ein 
bereits  gef  esteter,  selbständiger  Künstler 
gegenüber,  der  seine  Rollen  durchdacht  und 
seiner  Individualität  angepasst  hatte,  über- 
dies seiner  Naturanlage  nach  nur  schwer  sich 
unter  den  Willen  eines  Anderen  beugen 
mochte. 

Niemann  hatte  den  Tannhäuser  natürlich 


40 


ALBERT  NIEMANN 


stets  mit  Strichen  gesungen ;  auf  solche  Kon- 
zessionen Hess  sich  Wagner  aber  nicht  ein, 
am  wenigstens  jetzt,  wo  er  sein  Werk  so 
darbieten  wollte,  wie  er  es  sich  gedacht  hatte. 
Stellen,  auf  die  er  den  höchsten  Wert  legte , 
die  aber  niemals  bisher  zu  seiner  Zufrieden- 
heit ausgeführt  worden,  sollten  nun  einmal 
nach  seinen  Intentionen  zur  Geltung  kommen. 
Da  war  jener  Ausbruch  der  Zerknirschung 
im  2.  Akte  „Zum  Heil  den  Sündigen  zu 
führen",  der  nach  der  Ansicht  des  Meisters 
den  Kern  der  ganzen  Charakter-Entwicklung 
enthält  und  daher  mit  der  höchsten  Energie 
gesungen  werden  sollte,  als  wenn  „nachher 
gar  nichts  mehr  käme".*)  Da  war  vor  allem 
eine  Hauptaufgabe  der  Darstellung,  die 
Wagner  für  unerlässlich  hielt:  nach  dem 
Rufe  „Mein  Heil  ruht  in  Maria**  und  dem 
Verschwinden  des  Venusbergs  sollte  Tann- 
häuser    in    erhabenster    Extase    regungslos 


*)  Aus  einer  diese  Stelle  betreffenden  Weisung  an 
Tichatschek  in  Dresden  nach  den  letzten  Proben  am 
21.  Februar  i86i;  von  demselben  Tage  datiert  ein  i6  eng- 
beschriebene Seiten  langer,  unveröflfentlichter  Brief  Wagners 
an  Niemann. 


41 


STERNFELD 


auf  derselben  Stelle  verharren,  bis  er  mit 
den  Worten  „AUmächtig-er,  Dir  sei  Preis" 
in  die  Kniee  stürzt.  Es  ist  keine  Frag-e,  dass 
Niemann  diese  Szene  ergreifend  darzustellen 
befähigt  gewesen  wäre;  er  hatte  aber  wohl 
eine  andere  Auffassung*  des  inneren  Vor- 
gang*es  und  der  äusseren  Wirkung:  er  wies 
die  Anforderung  Wagners  zurück. 

Es  standen  sich  hier  eben  zwei  Epochen 
der  Bühnenkunst  gegenüber.  Früher  waren 
der  Librettist  und  der  Komponist  abhängig 
gewesen  von  der  Selbstherrlichkeit  des 
Sängers,  dem  sie  die  «Rollen  „auf  den  Leib 
schrieben";  jetzt  sollte  sich  jeder  Mitwirkende 
dem  Willen  des  Meisters  unterwerfen,  der 
Dichter  und  Musiker,  Regisseur  und  Kapell- 
meister in  einer  Person  war,  und  in  seiner 
Phantasie  schon  seit  der  Konzeption  des 
Dramas  auch  das  Spiel  der  handelnden  Per- 
sonen vor  sich  gesehen,  wie  es  nun,  als  einzig 
der  Idee  angemessen,  in  die  M^irklichkeit 
umzusetzen  war.  Niemann  hatte  bisher  auf 
den  Opembühnen  überall  die  herrschende 
Konvention  in  Gesten  und  Bewegungen  ge- 
funden,    seine     Gestaltungen    Wagnerscher 


42 


ALBERT  NIEMANN 


Helden  hielten  sich  ebenfalls  immer  noch  in 
der  Sphäre  der  Tradition,  wenn  auch  durch 
seine  natürliche  Kraft  grandios  gesteigert; 
nun  wurde  ihm  etwas  Neues  und  Unerhörtes 
auferlegt,  wogegen  sein  Eigenwille,  seine 
Theater -Erfahrung  und  sein  virtuoser  In- 
stinkt sich  heftig  sträubten.  Er  wähnte  wohl 
besser  Bescheid  zu  wissen  in  den  Realitäten 
der  Bühne,  als  der  Musiker,  der  sich  ihrer  Praxis 
lange  entfremdet  hatte.  Noch  war  die  Zeit 
nicht  gekommen,  wo  der  grosse  Meister  und 
der  geniale  Darsteller  auf  der  Bühne  der 
Zukunft  in  Einigkeit  sich  finden  sollten. 

SchUmmer  aber  waren  doch  in  den  heissen 
Tagen  der  Aufführung  die  unliebsamen  äusse- 
ren Erfahrungen.  Wagner  sagt  darüber  kurz: 
„Das  Bedenklichste  war  jedenfalls,  dass  der 
Sänger  der  schwierigen  Hauptrolle,  je  mehr 
wir  uns  der  Aufführung  näherten,  infolge 
seines  nötig  erachteten  Verkehrs  mit  den 
Rezensenten,  welche  ihm  den  unerlässlichen 
Durchfall  meiner  Oper  voraussagten,  in  wach- 
sende Entmutigung  verfiel."  Was  im  einzelnen 
den  Meister  zu  dieser  Bemerkung  berechtigte, 
ist   heute   noch    nicht  zu  erkennen;    aber  es 


43 


STERNFELD 


scheint  doch,  als  wenn  die  Luft  der  Pariser 
Salons  und  der  Einfluss  der  massgebenden, 
im  Meyerbeerschen  Lager  stehenden  Be- 
herrscher der  öfientlichen  Meinung  dem  deut- 
schen Künstler  nicht  vorteilhaft  gewesen  ist. 
Niemann  war  schliesslich  durch  alle  Auf- 
regungen so  mürbe  geworden,  dass  er  in 
der  Generalprobe  am  lo.  März  unwohl  wurde 
und  nach  dem  i.  Akte  das  Theater  verlassen 
musste.  In  den  verhängnisvollen  Aufführungen 
gab  es  dann  Momente,  wo  der  Darsteller  der 
Hauptpartie  von  dem  angefeindeten  Musiker 
abzurücken  schien  und  d^n  Insassen  der  kaiser- 
lichen Loge  wie  der  tobenden  Menge  durch 
Gebärden  kundzugeben  suchte,  dass  er  nicht 
verantwortlich  sei  für  das  Werk,  in  dem  er 
mitwirke.  Als  ihm,  gerade  vor  dem  besten 
Teile  seiner  Darbietung*)  im  3.  Akte,  höhnende 
Rufe:  „encore  un  pelerin"  ins  Wort  fielen, 
soll  er  wütend  seinen  Pilgerhut  ins  Proscenium 
geschleudert  haben.    Während  der  sonst  so 


*)  Auch  Wagner  sagt  in  seinem  Berichte,  dass  die 
Erzählung  der  Pilgerfahrt  der  beste  Teil  der  Leistung 
Niemanns  gewesen  sei,  „welche  dem  Künstler  stets  die  leb- 
hafteste Anerkennung  gewann". 

44 


ALBERT  NTEMANN 


leidenschaftliche  Meister  vöüige  Kaltblütig*- 
keit  bewahrte,  war  sein  Held  nervös  g*e- 
worden. 

Nach  der  3.  Aufführung  am  24.  März  zog* 
Wag-ner  seine  Partitur  von  der  Grossen  Oper 
zurück. 

n.    Der   Bayreuther   Sieg-mund. 

Das  Tafeltuch  zwischen  Wag-ner  und  Nie- 
mann war  zerschnitten  und  blieb  es  volle 
zehn  Jahre  hindurch.  Wie  grosse  Verdienste 
sich  auch  der  Sänger  inzwischen  um  die  Ver- 
breitung der  Wagnerschen  Werke  erwarb  — 
machte  er  es  doch  z.  B.  in  Berlin  zur  Be- 
dingung, dass  neben  Tannhäuser  und  Lohen- 
grin  auch  der  Rienzi  zu  seinem  Gastspiel  wieder 
einstudiert  würde  — :  der  Groll  des  Meisters 
Hess  sich  nicht  dämpfen.  Und  zumal,  als  die 
Kunst  Schnorrs  v.  Carolsf eld  wie  eine  Erfüllung 
in  sein  Leben  trat,  schien  Niemann  vergessen. 
Zwar  König  Ludwig  LE.  zeigte  1866  in  einem 
Briefe  voll  rührender  Begeisterung  an  den 
Sänger,  der  ihm  vor  zwei  Jahren  das  Herz 
bezwungen  hatte,  wie  er  sein  Wiedererscheinen 
in  München  ersehne,  und  1867  war  für  eine 

45 


STERNFELD 

Musteraufführung  des  „Lohengrin"  Niemann 
in  Aussicht  genommen:  aber  er  erklärte,  einer 
Durchführung  dieser  Partie  ohne  Striche  nicht 
gewachsen  zu  sein,  und  in  diesem  Punkte 
gab  es  weder  für  Wagner  noch  für  den  Diri- 
genten Hans  V.  Bülow  ein  Paktieren.  Über 
eine  Lohengrin- Vorstellung,  die  nach  langer 
Pause  am  6.  April  1869  in  Berlin  herauskam, 
erhielt  Wagner  durch  Tausig  die  besten 
Nachrichten;  dennoch  äusserte  er  sich  im 
März  1870,  als  endlich  die  Meistersinger- Auf- 
führung dort  bevorstand,  brieflich  sehr  be- 
sorgt über  Niemanns  Können  und  Wollen, 
und  in  derselben  Zeit  schrieb  er  an  Herbeck 
nach  Wien,  dass  es  nach  Schnorrs  Tode  in 
Deutschland  keinen  guten  Tannhäuser  mehr 
gebe. 

Schon  aber  stand  eine  Wendung  zum 
Besseren  bevor.  Es  war  Niemanns  grosser 
Berliner  Kollege  Franz  Betz  —  der  erste 
Hans  Sachs  in  der  Münchener  von  Wagner 
einstudierten  Uraufführung  von  1868  — ,  dem 
es  gelang,  eine  Aussöhnung  der  Grollenden 
anzubahnen.  Zwar  findet  sich  Niemann  noch 
nicht   unter   den  Mitwirkenden,   als  Wagner 

46 


ALBERT  NIEMANN 


im  Mai  1871  im  Berliner  Opernhause  sein 
berühmtes  Konzert  g"ab,  aber  1872,  zur  Feier 
der  Begründung*  des  Bayreuther  Theaterbaues, 
war  Niemann  bereits  eingeladen,  um  die  Tenor- 
partie der  Neunten  Symphonie  auszuführen. 
Inzwischen  also  war  die  freundschaftliche  Ver- 
bindung wieder  angeknüpft  worden,  und  nie- 
mals ist  Wagner  auch  nur  mit  einem  Worte 
auf  jene  unseligen  Vorgänge  zurückgekommen, 
die  jetzt  als  dunkle  Schatten  hinter  ihm  lagen, 
wie  der  ganze  Spuk  des  französischen  „Tann- 
häuser" in  der  Hauptstadt  des  soeben  be- 
siegten Kaisers  Napoleon. 

Am  Festtage  des  22.  Mai  1872  gehörte 
Niemanns  Reckengestalt  zu  den  unvergess- 
lichen  Eindrücken  der  begeisterten  Anwesen- 
den: am  Vormittag  bei  der  Grundsteinlegung, 
„als  er  plötzlich  vordrang  und,  anzuschauen 
wie  die  lebendige  Verkörperungeines  Wagn er- 
sehen Helden,  mit  dem  Hammer  zu  gewalti- 
gem Schlage  ausholte,"  und  am  Nachmittag, 
als  er  von  der  hohen  Trompeterloge  des 
alten  markgräflichen  Opernhauses  dieFreuden- 
worte  Schillers  in  Beethovens  Tönen  wie  eine 
frohe  Verkündigung    einer   schönen  Zukunft 

47 


STERNFELD 


in   den    Kreis    der  Hörer   hinabrief  „freudig* 
wie  ein  Held  zum  Siegen  1"*) 

Der  Bann  war  g-ebrochen,  schöne  Zeiten 
edelsten  künstlerischen  Zusammenwirkens 
folgten.  Als  Wagner  im  Februar  1873  in 
Berlin  ein  grosses  Konzert  zum  Besten  seines 
Festspiels  gab,  sang  Niemann  Siegmunds 
Lenzlied  und  Siegfrieds  Schmiedelieder, 
ebenso  im  April  1875  wiederum  unter 
Wagners  Direktion  den  Schlussgesang  Sieg- 
frieds aus  „Götterdämmerung".  Im  selben 
Sommer  begab  er  sich  zu  den  Nibelungen- 
Proben  nach  Bayreuth*  War  Niemann  nicht 
mehr  in  den  Jahren,  um  den  Knaben  Siegfried, 
der  doch  wie  für  ihn  geschaffen  gewesen,  zu 
verkörpern,  so  fiel  ihm  nun  wie  von  selbst 
die  tief  tragische  Wälsungen-Gestalt  des  Sieg- 
mund zu.      Später,   als  der  junge  Darsteller 


*)  In  einer  Probe  rief  Niemann  beim  Beginn  des  Solo- 
quartetts: „Meister,  wenn  Sie  mir  hier  keinen  Takt  schlagen, 
kann  ich  nicht  singen!",  worauf  Wagner :  „Ich  schlage  nicht 
Takt,  dadurch  würde  der  Vortrag  steif;  Sie  müssen  diesen 
Satz  ganz  frei  vortragen.  Ich  male  es  Ihnen  in  die  Luft. 
Sie  sind  ein  so  vorzüglicher  Künstler  und  können  es:  darum 
habe  ich  Sie  erwählt." 

48 


NIEMANN  als  Lohengrin 


1 


i 


ALBERT  NIEMANN 


des  Sieg-fried  den  Hoffnungen  Wagners  nicht 
entsprach,  erbot  sich  Niemann,  wenigstens 
den  Siegfried  in  der  ,,  Götterdämmerung"  zu 
übernehmen.  Musste  der  Meister  dies  ab- 
lehnen, weil  er  streng  an  dem  Prinzip  fest- 
hielt, dass  dieselbe  Gestalt  in  den  verschie- 
denen Teilen  des  „Ring"  auch  von  demselben 
Darsteller  zu  geben  sei,  so  hatte  er,  wie  er 
später  zugestand,  diese  Konsequenz  in  Hin- 
sicht auf  das  Gelingen  des  letzten  Nibelungen- 
teiles zu  bedauern.  Was  hätte  Niemann  nicht 
gemacht  aus  Siegfrieds  Ankunft  in  der  Gi- 
bichungenhalle,  aus  dem  Kampfe  mit  Brünn- 
hilde,  aus  der  Todesszene! 

In  der  unvergesslichen  Probenzeit  von 
1S75  gehörte  Niemann  zum  intimsten  Kreise 
des  Meisters,  der  in  eifriger  Diskussion  sich  an 
dem  natürlichen  Urteil  des  Künstlers  erfreute. 

Das  Jahr  1876  brachte  in  Berlin  endlich 
den  Tristan,  zu  dessen  Einstudierung  und 
erster  Aufführung  am  20.  März  Wagner 
wieder  selbst  gekommen  war.  Dann  be- 
gannen in  Bayreuth  die  Bühnenproben.  Bald 
zeigte  es  sich,  dass  Niemanns  geniale  Dar- 
stellungsgabe   unter    den   Kollegen  —  etwa 

49  ^ 


STERNFELD 


mit  Ausnahme  Karl  Hills  —  kaum  ihres- 
gleichen hatte:  hier  lag  der  seltene  Glücks- 
fall vor,  dass  die  Gestalt  des  Dramas  sich 
mit  ihrem  Vertreter  völlig  deckte.  Darum 
hatte  Wagner  an  der  Auffassung  des  Sieg- 
mund durch  Niemann  wenig  zu  tadeln,  soviel 
er  bei  Anderen  auch  verbesserte  und  mit 
seiner  unvergleichlichen  mimischen  Begabung 
selbst  zeigte,  wie  es  zu  machen  wäre.  Nur 
selten  noch  gab  es  Meinungsverschieden- 
heiten;*) an  Stellen,  wie  „Mich  drängt'  es  zu 
Männern  und  —  Frauen",  befahl  er,  die  Art, 
wie  Niemann  dies  sang,  als  mustergültig  für 
alle  Zeiten  schriftUch  zu  fixieren.  Was  einst 
Niemann  als  Zwang  empfunden  hatte,  ver- 
stand sich  hier  von  selbst;  zwischen  dem 
Willen  des  Meisters  und  den  Intentionen 
des  Darstellers  konnte  es  keinen  Gegensatz 

*)  So  bei  den  Proben  1875,  ^^^  Wagner  eine  Szene 
im  zweiten  Akte  plastisch  vorspielte  und  Niemann  rief: 
„Ja,  lieber  Meister,  das  passt  sehr  gut  für  Ihre  Figur, 
aber  nicht  für  mich.  Ich  muss  bei  meiner  Grösse  doch 
Bewegungen  machen,  die  mir  gemäss  sindl"  worauf  Wagner 
ihm  dies  sofort  zugab  und  sagte  •,  „Ich  sehe,  Sie  haben 
mich  richtig  verstanden,  darum  allein  handelt  es  sich ; 
spielen  Sie  jetzt  nur,  wie  es  Ihnen  recht  dünkt." 


50 


ALBERT  NIEMANN 


geben,  wo  beides  in  einer  höheren  Einheit, 
in  dem  Stile  des  Kunstwerkes,  zusammenfiel. 
So  kamen  nun  die  denkwürdigen  Auf- 
führungen der  Tetralogie  im  August  1876, 
in  denen  der  Siegmund  Niemanns  als  eine 
unvergleichliche  Leistung  hervorleuchtete. 
Was  Wagner  dem  grossen  Künstler  ver- 
dankte, hat  er  selbst  in  seinem  „Rückblick 
auf  die  Festspiele  von  1876"  mit  Worten 
ausgesprochen,  die  als  ein  unvergängliches 
Denkmal  für  den  Künstler  und  den  Menschen 
Niemann  bestehen  bleiben,  wird  doch  in 
ihnen  nicht  nur  die  künstlerische,  sondern 
auch  die  moralische  Bedeutung  seiner  Per- 
sönlichkeit gekennzeichnet:  „Gewiss  hat  nie 
einer  künstlerischen  Genossenschaft  ein  so 
wahrhaft  nur  für  die  Gesamtaufgabe  ein- 
genommener und  ihrer  Lösung  mit  vollendeter 
Hingabe  zugewendeter  Geist  innegewohnt, 
als  er  hier  sich  kundgab  .  .  .  Beseelten  diese 
Gefühle  uns  alle,  so  will  ich  doch,  und  wenn 
auch  nur  zur  Freude  seiner  Genossen,  Albert 
Niemann  in  diesem  Sinne  als  das  eigent- 
liche Enthusiasmus  treibende  Element 
unseres  Vereines  mit  Namen  nennen.     Alle 


51 


4* 


STERNFELD 


würden  eine  Lähmung  empfunden  haben, 
wenn  seine  Mitwirkung  in  Zweifel  hätte  ge- 
zogen werden  sollen." 

Im  folgenden  Jahre  sollte  das  Festspiel 
wiederholt  werden.  Indes  wurde  Wcigner 
bedenklich,  im  Hinblick  auf  den  finanziellen 
Misserfolg  und  auf  den  Mangel  an  wirk- 
licher Teilnahme  des  deutschen  Volkes.  Von 
der  Zustimmung  Niemanns  und  Betzens 
machte  er  seinen  Entschluss  abhängig.  Aus 
Rom  schrieb  er  am  30.  November  an  Nie- 
mann: „Welche  tiefe  Unbefriedigung  musste 
ich  Ihnen  stets  ansehen";  ich  widerstand  Ihren 
Ausdrücken,  weil  ich  Ihnen  nicht  zugestehen 
konnte,  dass  diese  oder  jene  andere  Besetzung 
an  der  Sache  etwas  geändert  haben  würde. 
Sie  vergassen,  dass  nur  Sie,  aber  einzig 
Sie  —  das  Genie  der  Darstellung  waren, 
wogegen  das  übrige  nur  durch  Fleiss  und 
edlen  Willen  sich  beteiligen  konnte  . . .  Sagen 
Sie  nun  bald  Ja  oder  Nein !  Bleiben  Sie  aber 
immerversichert,  dass  die  schönen  Augenblicke  ] 
des  Ausbruches  eines  ungehemmten  Zusam- 
mengehörigkeits-Gefühls zwischen  uns  beiden 
zu  meinen  lohnendstenErinnerungen  gehören." 

52 


ALBERT  NIEMANN 


Es  kam  zu  keiner  Wiederholung*.  Fünf 
Jahre  blieb  das  Festspielhaus  in  Bayreuth 
verschlossen,  während  deren  der  Meister  in 
rüstiger  Kraft  von  dem  Wunsche  beseelt 
war,  nicht  nur  Neues  zu  schaffen,  sondern 
auch  früher  Geschaffenes  mustergültig  auf- 
zuführen! Vergeblich.  Seine  trübe  Stimmung 
kommt  in  einem  Briefchen  an  Niemann  aus 
Ems  vom  i8.  Juni  1877  zum  Ausdruck:  „Gern 
möchte  ich  in  diesem  für  mich  so  öden  Jahre 
einen  Tag  oder  einige  Stunden  mit  Ihnen 
feiern.  Denn  sind  wir  beide,  Sie  und  ich, 
zusammen,  so  ist  doch  eigentlich  der  Geist 
des  Nibelungenwerkes  bei  sich  und  spricht 
zu  sich.  Es  ist  mir  ein  Bedürfnis,  gerade  in 
diesem  Jahre  mit  Ihnen  zu  verkehren,  sonst 
habe  ich  gar  nichts  vor." 

Damals  lernte  Niemann  die  eben  vollen- 
dete Parsifal-Dichtung  kennen.  Ob  Wagner 
noch  für  die  Darstellung  des  reinen  Toren 
an  Niemann  gedacht  hat?*)  Es  kursierte 
darüber  einst  ein  Geschichtchen,  wonach  der 
Künstler,    auf    das   Hindernis    seines   Bartes 

*)  Vielleicht  darf  man  das  doch  aus  den  Worten  eines 
Briefes  an  Niemann  vom   16.  Dezember  1881    aus  Palermo 


53 


STERNFELD 


hingewiesen,  geantwortet  hätte;  „Für  den 
Meister  lasse  ich  mir  nicht  nur  den  Bart, 
sondern  auch  die  Nase  abschneiden."  Indes 
war  es  doch  kaum  mögUch,  dass  Niemann, 
der  1881  das  fünfzigste  Jahr  überschritten 
hatte,  im  folgenden  noch  den  Knaben  Parsifal 
darstellen  konnte.  Mit  den  beiden  ersten 
Vertretern  der  Rolle  war  er  wenig  zufrieden, 
erst  an  dem  Parsifal  Van  Dycks  hat  er 
später  Gefallen  gefunden.  Ihm  selbst  sollte 
es  nicht  beschieden  sein,  zum  zweiten  Male 
an  der  Bayreuther  Kunststätte  aufzutreten. 
Als  dort  1886  nach  de,m  Tode  des  Meisters 
der  „Tristan"  mit  Rosa  Sucher  als  Isolde  in 
einzig  schöner,  wahrhaft  verklärter  Auf  führung 
in  Szene  ging,  dachten  wohl  Viele  an  den 
grössten  lebenden  Vertreter  des  Helden 
Tristan;  aber  er  kam  nicht,  sei  es  nun,  dass 
er  sich  einer  Wiedergabe  ohne  Strich  nicht  ge- 
wachsen fühlte,  sei  es,  dass  sein  Organ  ihm 
nicht  mehr  erlaubte,  den  Nachtgesang  des  zwei- 
ten Aktes  ohne  Anstrengung  durchzuführen. 


schliessen:  „Sehen  Sie  sich  den  Mosjeh  an  [d.  h.  den 
Klavierauszug  des  Parsifal]  und  sagen  Sie,  wie  Sie  sich  zu 
ihm  verhalten  wollen." 


54 


ALBERT  NIEMANN 


Fünf  Jahre  vorher  war  die  Darstellung 
des  in  Berlin  endUch  wieder  aufgenommenen 
„Tristan"  eine  letzte  grosse  Freude  gewesen, 
die  Niemann  dem  Meister  gemacht  hatte. 
Aus  Palermo  schreibt  er  darüber  an  seinen 
Künstler  am  i6.  Dezember  1881 :  „Ihr  Tristan 
ist  und  bleibt  eine  fabelhafte  Tat.  Wer  an 
Sie  nicht  glauben  will,  kann  es  nicht  weit 
bringen.  Genügend,  und  nur  durchaus  wohl- 
wollend war  ich  über  Ihre  immer  w^ieder 
aufgenommenen  Bemühungen  für  jenes  aus- 
schw^eifendste  meiner  Werke  unterrichtet 
worden;  fast  konnte  ich  nur  teilnehmend 
darüber  lächeln,  dass  hier  einmal  durchaus 
gegen  den  Strom  geschwommen  werden 
sollte!  Nun  lache  ich  hellelaut  über  solches 
Gelingen:  es  ist  wider  Sternenlauf.  Aber  — 
Ihnen  steht  das  alles  ganz  recht  und  gut:  — 
so  muss  es  sein!  .  .  .  Bleiben  Sie  mir  gut  und 
glauben  Sie  an  meine  Bewunderung!" 

So  schön,  freundlich  und  von  gegen- 
seitiger Dankbarkeit  verklärt  hatte  sich  die 
Freundschaft  der  beiden  Männer  gestaltet. 
Und  als  dann  am  18.  Februar  1883  die  sterb- 
lichen Reste   des  grossen  Meisters  bestattet 

55 


STERNFELD 


wurden,  war  es  sein  grosser  Sänger,  der  mit 
wenigen  auserwählten  Getreuen  ihm  das 
letzte  Geleit  gab  und  mit  ihnen  das  Gelöbnis 
ewiger  Treue  ablegte. 


I 


56 


.  Die  Fragte,  ob  Niemann  nach  dem  Kriege 
von  1866  für  die  preussische  Hauptstadt  zu 
gewinnen  sei,  wurde  in  den  Theaterkreisen 
fast  mit  derselben  Wichtigkeit  behandelt, 
wie  in  den  politischen  die  Annexion  Hanno- 
vers. Jedoch  wurde  es  dem  Intendanten 
V.  Hülsen  nicht  allzu  schwer,  Niemann  zu 
fesseln.  Hülsen  hat  es  immer  als  den  einzigen 
Fehler  seines  Bühnenregiments  bezeichnet, 
dass  er  sich  zehn  Jahre  vorher  hatte  Nie- 
mann entgehen  lassen.  Doch  hat  er  wohl 
andere,  schwerere  begangen. 

Die  Ära  Hülsen  erscheint  dem  Rück- 
schauenden als  die  glänzendste  Epoche  der 
Berliner  Opernbühne.  In  der  Tat  hat  diese 
nie  eine  solche  Vereinigung  der  stolzesten 
Namen  besessen.  Als  Niemann  erschien, 
glänzte  als  hellster  Stern  Pauline  Lucca, 
neben  ihr  die  edle  Harriers- Wippern;  später 
kam  Marianne  Brandt,  Mathilde  Mallinger, 
Vilma  V.  Voggenhuber,  Lilli  Lehmann  hinzu; 
unter  den  Sängern  bildeten  Betz  und  Fricke 

57 


STERNFELD 


mit  Niemann  ein  auch  äusserlich  hervor- 
ragendes TrifoUum,  dazu  kam  Theodor 
Wachtel,  Niemanns  lyrischer  Antipode.  Wie 
König-  Wilhehn  L  seiner  Hofbühne  das 
freundUchste  Interesse  zuwandte,  so  waren 
alle  Berliner  stolz  auf  ihre  Oper  und  be- 
schäftigten sich  lebhaft  mit  ihren  Lieblings- 
sängern. Die  Übermütigkeiten  der  kleinen 
Pauline  Lucca,  die  sich  mit  Bismarck  hatte 
auf  einem  Bilde  photographieren  lassen,  ein 
derber  Witz,  den  Niemann  am  runden  Tisch 
bei  Siechen  oder  Betz  bei  Trarbach  gemacht 
hatte:  alles  wurde  fleissig  kolportiert  und  be- 
lacht. Im  Theater  bekämpften  sich  die  Par- 
teien, denn  schon  begann  Wagner  dem  grossen 
Repertoire-Beherrscher  Meyerbeer  Konkur- 
renz zu  machen;  in  der  Presse  orakelten  die 
Gewaltigen,  Engel,  Gumbert,  Wüerst,  Gum- 
precht,  deren  klassisches  Gemüt  sich  zwar  mit 
Meyerbeer  abgefunden,  dem  Melodienmörder 
Wagner  aber  den  Tod  geschworen  hatte. 

Nicht  alles  war  Gold,  was  damals  die 
Oper  so  glänzend  erscheinen  liess.  Es  war 
doch  viel  Starsystem  dabei,  das  Ensemble 
nicht     gleichwertig,     neben     den     grössten 


58 


ALBERT  NIEMANN 


Kräften  auch  minderwertig-e  in  wichtig*en 
Rollen  beschäftigt.  Chor  und  Regie  bewegten 
sich  im  Geleise  des  Mittelmässigen;  Proben 
waren  nicht  beliebt;  das  Repertoire  zeigte 
ein  ewiges  Einerlei ;  keine  Spur  von  Initiative, 
weder  in  der  entschlossenen  Erwerbung  des 
grossen  Neuen,  noch  in  feinsinniger,  sorg- 
fältiger Belebung  des  Altbewährten;  dazu 
das  abendfüllende,  geisttötende  Ballett. 

Niemann  war  in  diesem  Regime  immer 
noch  der  Hecht  im  Karpfenteich.  Ohne  ihn 
würde  das  Repertoire  noch  viel  einförmiger 
gewesen  sein,  da  Spontini,  Mehul,  zum  Teil 
auch  Gluck  durch  seine  Leistungen  vor  dem 
Verschwinden  bewahrt  blieben.  Meyerbeer 
hielt  sich,  nach  dem  Abgange  der  Lucca, 
durch  ihn  auf  der  Höhe  der  jährlichen  Auf- 
führungszahl, Wagner  begann  durch  Nie- 
manns Tannhäuser  undLohengrin  der  gleichen 
Ziffer  sich  zu  nähern.  Niemann  wirkte,  wenig- 
stens im  ersten  Jahrzehnt,  mit  demselben 
Feuereifer  wie  in  Hannover;  er  trat  bis  zu 
70  Malen  im  Jahre  auf,  das  heisst  —  mit 
Berücksichtigung  der  Ferien  und  des  Ur- 
laubs —  jeden  dritten  Tag. 


59 


STERNFELD 

Am  3.  Oktober  1866  erschien  Niemann 
zum  ersten  Male  als  festes  Mitglied  der  Berliner 
Hofoper  als  Tannhäuser,  am  8.  folgte  der 
Josef,  am  11.  der  Fra  Diavolo.  Die  Be- 
geisterung des  Publikums  war  die  gleiche 
wie  früher  und  Hess  sich  auch  nicht  durch 
die  nörgelnde  Kritik,  die  immer  an  Niemanns 
Gesang  auszustellen  hatte,  beirren.  Dieselbe 
Kritik  musste  dann  doch  wieder  bekennen, 
dass  er  die  einfachsten  Melodien,  wie  in 
Mehuls  Oper,  mit  rührender  Schönheit,  oder 
auch  selbst  die  Koloraturen  im  „Robert" 
mit  vollendeter  Akkuratesse  gesungen  habe. 

Erst  das  Jahr  1868  brachte  Niemann  eine 
neue  grössere  Aufgabe.  Damals  kam  im 
Dezember  der  „Fliegende  Holländer"  nach 
25  Jahren  Pause  in  Berlin  wieder  zur  Auf- 
führung: Betz  gab  den  Holländer,  Niemann 
den  Erik.  „Vollendet  im  Ausdruck,  echt  in 
der  Darstellung",  so  wird  seine  Leistung 
gerühmt.  Er  hat  den  Erik  später  nicht  oft 
mehr  gesungen,  und  doch  war  gerade  seine 
energische  Auffassung  sehr  geeignet,  dieser 
Gestalt  das  Brackenburghafte,  das  ihr  in 
geringerer   Besetzung    anklebt,    zu   nehmen. 

60 


ALBERT  NIEMANN 


Im  selben  Jahre  1868  hat  Niemann  zum 
ersten  Male  in  Wien  gastiert:  für  den  Nord- 
deutschen ein  heisser  Boden,  wo  die  Er- 
innerung an  Ander  noch  lebendig  war.  Aber 
Niemann  kam  und  siegte.  Zwar  verhielt  sich 
das  Publikum  anfangs  kühl,  aber  die  aus- 
verkauften Häuser  zeigten,  dass  auch  die 
Wiener  sich  dem  Zauber  des  grossen  Dar- 
stellers nicht  entziehen  konnten.  Rienzi, 
Tannhäuser,  Lohengrin,  Josef,  Prophet,  Faust 
und  der  Achilles  in  Glucks  „Iphigenie  in 
Aulis"  waren  die  Partien,  in  denen  er  1868 
und  dann  wieder  1872  in  Wien  auftrat. 

Und  wie  in  Wien,  so  ging  es  überall  auf 
den  Gastspielreisen  Niemanns.  Lange  vorher 
ist  kein  Platz  mehr  zu  haben,  in  festlicher 
Stimmung,  mit  fieberhafter  Spannung  sieht 
das  Publikum  dem  Auftreten  des  Gefeierten 
entgegen.  Dann  erscheint  der  Held,  vom 
Schwane  gezogen,  oder  hoch  zu  Rosse,  oder 
wankend  am  Pilgerstab,  oder  in  der  roten 
Fischermütze  das  Volk  zur  Freiheit  rufend 
—  da  ist  alles  im  Banne  seiner  Grösse,  nur 
für  ihn  hat  man  noch  Augen,  atemlos  sieht 
und  lauscht  die  Menge  —  dann  bricht  toben- 

61 


STERNFELD 


der  Beifall  aus  und  besonders  der  Enthu- 
siasmus der  Jugend  kennt  keine  Grenzen.  — 

Mit  dem  Jahre  1869  schienen  sich  für  die 
BerUner  Opernkunst  bessere  Aussichten  zu 
eröffnen:  Karl  Eckert,  mit  Niemann  bald 
innig  befreundet,  hatte  die  alten  Kapell- 
meister Taubert  und  Dorn  ersetzt  und  führte 
sich  mit  einer  guten  Einstudierung  des  Lohen- 
grin  ein.  Dann  folgten  im  April  1870  die 
„Meistersinger  von  Nürnberg".  Niemann 
als  Walther  war  eigentlich  der  einzige,  der 
in  dieser  tumultuarischen  Aufführung  Gnade 
vor  den  Augen  des  Publikums  fand,  während 
die  herrlichen  Leistungen  des  Betz  und  der 
Mallinger,  die  Wagner  1868  in  München 
selbst  angeleitet  hatte,  noch  nicht  gewürdigt 
wurden,  wie  denn  den  Berhner  Weisen 
zweifellos  feststand,  dass  dieses  Werk  nicht 
lebensfähig  sei.  Es  wurde  denn  auch  recht 
selten  gegeben. 

Dagegen  trat  nun  Verdi  stärker  hervor. 
Niemann  sang  den  Maurice,  1874  den  neu- 
studierten Ernani  und  im  selben  Jahre  den 
Radames  in  der  neuen  Oper  ,,Aida". 

Das  Jahr  1876    brachte    dann    endlich  in 

Ö2 


ALBERT  NIEMANN 


Berlin  „Tristan  und  Isolde"  mit  Niemann  und 
der  stimmgewaltigen  Vilma  v.  Voggenhuber. 
Der  Meister  selbst  hatte  die  Proben  geleitet, 
am  20.  März  wohnte  er  der  Aufführung  bei, 
die  noch  einmal  alle  Feindsehgkeiten  wütender 
Opposition  hervorrief.  Sechs  Vorstellungen 
fanden  im  März  und  April  statt;  über  Niemianns 
Verkörperung  des  Helden  Tristan  gab  es 
auch  bei  den  Gegnern  nur  eine  Stimme. 
Im  Sommer  sang  er  in  Bayreuth  den 
Siegmund.  Das  Jahr  1876  war  somit  doch 
der  Höhepunkt  seines  ganzen  künstlerischen 
Schaffens;  zwei  der  tiefsten  tragischen  Ge- 
stalten gaben  ihm  Gelegenheit,  die  ganze 
Grösse  seiner  hinreissenden  Begabung  zu 
entfalten. 

Von  da  an  begann  seine  Tätigkeit  zu 
ebben.  Nicht  durch  seine  Schuld.  Beide 
grossen  Partien  durfte  er  viele  Jahre  lang 
nicht  mehr  zur  Darstellung  bringen.  Das 
Ba^Teuther  Festspiel  erneuerte  sich  nicht, 
der  Berliner  Tristan  blieb,  nachdem  er  im 
"Winter  1876  noch  zweimal  gegeben  war, 
volle  fünf  Jahre  unaufgeführt.  Was  half  es, 
dass  der  Cortez   1877  ^^^  einstudiert  wurde, 


63 


STERNFELD 


dass  Niemann  auch  in  der  „Olympia''  als 
Cassander  auftrat?  Die  Zeit  Spontinis  war  vor- 
bei. Niemanns  Rollenkreis  zog  sich  immer 
eng-er ;  ihm  selbst  machte  es  auch  nicht  stets 
Vergnügen,  dieselben  Partien  wieder  und 
wieder  bis  zum  Überdrusse  zu  singen;  so  gab 
es  Abende  genug,  wo  man  merkte,  dass  der 
grosse  Darsteller  nicht  bei  Stimme,  nicht  in 
Stimmung  sei.  Dem  Bayreuther  Künstler 
konnte  die  Unnatur  eines  Robert,  eines  Vasco 
nicht  verborgen  bleiben;  auch  beim  Publikum 
begann  Meyerbeer  zu  versagen.  Anderer- 
seits geschah  auch  nichts  Ernsteres  für  die 
Belebung  des  Wagnerschen  Stils,  besonders 
nachdem  1879  Karl  Eckert  plötzlich  ge- 
storben war.  Die  neuen  Aufgaben,  die  sich 
dem  Sänger  boten,  waren  spärUch  und  un- 
dankbar ;  was  sollte  Niemann  mit  dem  blassen 
„Feramors"  Rubinsteins  oder  gar  mit  des- 
selben Komponisten  missratenem  „Nero"  an- 
fangen? Es  war  ein  schöner  Beweis  künst- 
lerischer Pietät,  dass  Niemann  für  Gluck 
eintrat;  so  hat  er  1882  in  der  „Alceste**  ge- 
zeigt, wie  ergreifend  die  Abschiedsszene  des 
Admet  im  2.  Akte  wirken  kann,  und  in  der 

64 


NIEMAXX    als   Tristan 


ALBERT  NIEMANN 


„Iphig-enia  auf  Tauris"  hat  er  1889  die  Bariton- 
partie des  Orest  übernommen. 

Es  wird  immer  ein  schwerer  Vorwurf  für 
die  Ära  Hülsen  bleiben,  dass  man  in  Berlin 
sich  nicht  zu  dem  Entschlüsse  aufraffen  konnte, 
Wag-ners  „Ring"  zu  geben.  Als  im  Februar 
1880  der  Wagner- Verein  in  Anwesenheit 
Kaiser  Wilhelms  den  i.  Akt  der  Walküre 
konzertmässig  zur  Aufführung  brachte  und 
Niemann  —  zum  ersten  Male  neben  einer 
ebenbürtigen  Sieglinde,  Rosa  Sucher  —  die 
Hörer  zur  hellen  Begeisterung  fortriss,  konnte 
man  wohl  hoffen,  dass  auch  die  Hofbühne 
an  den  „Ring"  gehen  würde.  Aber  Herr 
V.  Hülsen  hielt  es  noch  immer  für  angemessen, 
dem  Meister  zuzumuten,  ihm  die  „Walküre" 
allein  zu  überlassen.  So  mussten  Kräfte,  wie 
Niemann  und  Betz,  denen  Wagner  selbst  die 
Hauptpartien  einstudirt  hatte,  brachliegen, 
während  die  Tetralogie  1881  im  Viktoria- 
theater von  fremden  Kräften  aufgeführt 
wurde. 

Im  selben  Jahre  hatte  Niemann  w^enig- 
stens  durch  die  Wiederaufnahme  des  „Tristan" 
im  November  Gelegenheit,  seine  alte  Meister- 


STERNFELD 


Schaft  zu  bewähren.  Wie  hatten  sich  doch 
schon  die  Zeiten  geändert!  Welch  eine 
Weihestimmung  in  dem  dichtbesetzten  Hause 
und  welch  ein  Sturm  des  Enthusiasmus  am 
Schlüsse  1 

Dennoch  musste  der  Meister  erst  gestorben 
sein,  damit  in  Berlin  der  „Ring"  mit  der 
„Walküre"  begonnen  werden  durfte.  Am 
7.  April  1884  konnte  Niemann  den  Berlinern 
endlich  seinen  Siegmund  zeigen,  und  weit 
überragte  er  alle  andern  Mitwirkenden  bei 
einer  Aufführung,  die  von  dem  Bayreuther 
Stil  wenig  an  sich  hatte.  Die  Ära  Hülsen 
neigte  sich  ihrem  Ende  zu.  Niemann,  der 
dem  Intendanten  persönlich  stets  treue  Dank- 
barkeit bewahrt  hatte,  war  doch  mit  dem 
künstlerischen  Geiste  dieser  letzten  Jahre  nicht 
zufrieden;  es  verlautete,  dass  er  sich  einmal 
geweigert  hätte,  den  Florestan  zu  singen, 
weil  nach  dem  „Fidelio"  zur  Füllung  des 
Abends  noch  das  Ballett  „Thea  die  Blumen- 
fee"  gegeben  wurde.  Noch  weniger  aber 
konnte  er  sich  mit  dem  neuen  Geiste  be- 
freunden, der  nach  Hülsens  Tode  September 
1886    in    das     Berliner    Opernhaus     einzog. 


66 


ALBERT  NIEMANN 


Niemann  sah  alles  um  sich  her  verändert, 
die  Mallinger,  die  Brandt,  die  Vogg-enhuber 
hatten  sich  von  der  Bühne  zurückgezogen, 
nur  Betz  stand  noch  neben  ihm.  Es  geschah 
nur  selten,  dass  eine  bedeutende  Aufgabe 
oder  das  Spiel  mit  einer  ebenbürtigen  Partnerin 
den  alternden  Helden  in  der  früheren  Grösse 
zeigte,  so,  als  er  im  Juni  1887  mit  Rosa 
Sucher  das  „wildverzweifelte  Zwillingspaar" 
verkörperte.  Schon  am  Ende  dieses  Jahres 
gingen  Gerüchte,  dass  Niemann  der  Berliner 
Oper  stillschweigend  Valet  gesagt.  Dann 
schien  es,  als  wenn  das  nächste  Jahr,  wo 
durch  den  Eintritt  des  Sucherschen  Ehe- 
paares eine  bessere  Zeit  sich  ankündigte, 
auch  den  grossen  Darsteller  noch  einmal  zu 
neuen  Taten  anregte.  „Rheingold"  und 
„Götterdämmerung"  schlössen  nun  endlich 
den  etwas  länglich  gezogenen  Berliner  „Ring". 
Man  trug  sich  mit  der  schönen  Hoffnung, 
Niemann  als  Siegfried  im  Schlussdrama  der 
Tetralogie  eine  letzte  grosse  Kunstleistung 
vollbringen  zu  sehen ;  aber  kurz  vor  der  Auf- 
führung sagte  er  ab.  So  muss  man  denn 
die,  wenige  Wochen  vorher,  am  8.  September 

67  5* 


STERNFELD 


1888  stattgehabte  Vorstellung  von  „Tristan 
und  Isolde"  als  den  eigentlichen  Abschied 
Niemanns  bezeichnen;  es  war  zugleich  die  An- 
trittsrolle der  Rosa  Sucher.  Noch  einmal  zeigte 
der  alte  Löwe,  was  er  konnte,  wenn  er  Blut 
geleckt;  noch  einmal  sah  man  Niemanns  ernste 
Gestalt  am  Steuer  stehen,  sah  ihn  in  Isoldes 
Schiffszelt  treten,  sah  ihn  mit  blutender  Wunde 
vom  Lager  sich  raffen  und  in  Isoldes  Armen 
zusammenstürzen  —  und  man  wusste,  dass 
alle  Nachfolger  dagegen  Pygmäen  sein 
würden. 

Wann  Niemann  m  der  Tat  zum  letzten 
Male  in  Berlin  aufgetreten  ist?  Man  weiss 
es  nicht.  Eines  Abends  nach  der  Vorstellung 
soll  er  wie  beiläufig  geäussert  haben,  heute 
hätte  er  Schluss  gemacht.  Vornehmer  ist 
nie  ein  gefeierter,  vergötterter  Künstler 
abgegangen  —  denn  welch  Ungeheuren 
Ovationen  entzog  er  sich,  die  man  ihm  bei 
einer  angekündigten  Abschiedsvorstellung 
dargebracht  hätte!  —  vornehmer  nie,  und 
nie  gleichgültiger.  Ruhm,  Ehren  und  klingen- 
den Lohn  hatte  er  genug  gehabt,  noch  zu- 
letzt auf   einem  Gastspiele  in  Amerika;    der 

68 


ALBERT  NIEMANN 


Kunst  hatte  er  an  40  Jahre  seines  Lebens 
geweiht,  nun  wollte  er  im  traulichen  Familien- 
kreise*) ausruhen  und  seinen  Passionen,  vor 
allem  dem  edlen  Waidwerke  leben.  Aus  Lob 
und  Tadel  hatte  er  sich  niemals  viel  gemacht, 
nie  dem  Publikum  oder  der  Kritik  ge- 
schmeichelt, aber  ihn  graute  vor  der  Rolle 
der  geborstenen  Säule,  der  mitleidsvoll  mit 
Achselzucken  gerühmten  grossen  Ruine;  er 
zog  es  vor,  im  Vollbesitze  —  nicht  seiner 
Stimmittel,  denn  die  hatten  natürlich  schon 
der  Zeit  den  Tribut  gezahlt  —  aber  seiner 
künstlerischen  Kraft  von  der  Bühne  abzu- 
treten: „sein  Tag  war  da  getan". 

Übrigens  kam  es  noch  zu  einem  Ab- 
schiede Niemanns  von  seinen  Berlinern, 
deren  populärster  Sänger  er  doch  war  und 
bUeb.  In  einem  Konzerte  der  Berliner  Wagner- 
vereine am  15.  Februar  1892  hat  der  Ein- 
undsechzigjährige  zum  letzten  Male  gesungen: 
den    Siegmund    im    ersten    Walküren  -  Akte 


*)  Nachdem  Niemann  sich  1867  von  seiner  ersten 
Gattin  getrennt  hatte,  heiratete  er  1870  Hedwig  Raabe,  die 
unübertroffene  , Naive",  die  ihm  zwei  Söhne  schenkte;  ein 
talentvoller  Sohn  aus  erster  Ehe  ist  jung  gestorben. 

69 


STERNFELD 


neben  Rosa  Sucher-Sieglinde.  Ein  unver- 
gesslicher  Abend.  Hochragend  wie  immer 
auf  dem  Podium  die  Gestalt  des  „kühnen 
Säng-ers",  gewaltig  noch  seine  Stimme,  er- 
greifend sein  Ausdruck.  Da  gab  es  denn 
freilich  zum  Schluss  einen  Ausbruch  der  Ver- 
ehrung und  Huldigung,  würdig  eines  Er- 
lebnisses, bei  dem  ein  jeder  sich  trauernd 
sagte:  „Wir  werden  nimmer  seinesgleichen 
schauen." 


70 


Die  Aufgabe,  mimische  Gestaltungen 
durch  das  Wort  festzuhalten  und  zu  schildern, 
ist  gegenüber  einer  Erscheinung,  wie  die 
Albert  Niemanns  war,  besonders  schwierig. 
Wer  ihn  gesehen  und  gehört  hat,  vergisst 
ihn  nie;  wem  das  nicht  vergönnt  war,  der 
wird  aus  einer  Beschreibung  nichts  Anschau- 
liches entnehmen.  Gerade  bei  Niemann  wird 
man  gut  tun,  statt  einzelne  Züge  zu  berichten, 
seine  Persönlichkeit  zu  erfassen.  Das  klingt 
wie  von  selbst  verständlich;  und  doch  lege 
man  sich  einmal  die  Frage  vor,  bei  wie  vielen 
unserer  Schauspieler  man  von  einer  Persön- 
lichkeit sprechen  kann.  Auf  der  einen  Seite 
das  ewige  Einerlei  der  Konvention,  auf  der 
andern  das  studierte  Bemühen  um  Originalität; 
dort  die  deutliche  Kopie  eines  berühmten 
Kollegen,  hier  die  Sucht  zu  zeigen,  dass  man 
„auch  einer"  sei;  dort  der  Routinist  mit  den 
wirksamen  Mittelchen  und  Mätzchen,  hier 
der  „denkende"  Mime  mit  der  verstimmenden 
Absicht       Aber     selbst     ein     interessantes 

71 


STERNFELD 


Original  ist  noch  lange  keine  Persönlichkeit: 
diese  muss  den  ganzen  Menschen  ergreifen, 
Verstand  und  Sinne,  Geist  und  Gemüt 
Daher  der  Zauber,  der  von  ihr  ausstrahlt  und 
jeden  gefangen  nimmt,  soviel  man  sich  auch 
sträubt  und  Mängel  entdeckt,  die  doch  nur 
die  Kehrseite  der  grossen  Vorzüge  sind. 

Eine  solche  alles  bezwingende  Persönlich- 
keit war  Niemann.  Seine  Erscheinung  hat 
etwas  Altgermanisches:  als  wenn  sich  aus 
grauer  Vorzeit  durch  Geheimnis  des  Blutes 
ein  Spross  in  eine  kleine  Gegenwart  verirrt 
hätte,  die  ihn  furchtsahi  bewundert,  so  steht 
er  da  mit  dieser  unverwüstlichen  Körperkraft, 
diesem  unbezähmbaren  Hang  zur  Jagd  und 
Fischerei,*)  zum  Spielen  und  Zechen,  zum 
Durchsetzen  seines  Willens  und,  wenn  nötig, 
zum  Dreinschlagen. 

Auf    der    Bühne    ist    solch    eine    Gestalt 


*)  Während  er  bei  der  Viardot  in  Baden-Baden  Gesang- 
stunden hatte,  stand  er  nebenbei  auch  mit  Kanonenstiefeln 
im  Wasser  und  fischte  Forellen.  Eine  Pflege  oder  Schonung 
der  Stimme  kannte  Niemann  kaum ;  am  Tage  der  Vorstellung 
blieb  er  wohl  zu  Hause  und  sprach  nicht  viel,  sonst  überwand 
seine  Riesennatur  alles.  (Fischer,  Musik  in  Hannover  205.) 

7^ 


ALBERT  NIEMANN 


etwas  ganz  Seltenes.  Niemann  brauchte  nicht 
erst  den  Kothurn  zu  besteigen,  er  war  der 
geborene  Held.  Sein  herrlicher  Wuchs,  seine 
hohe  Gestalt  lenkten  sofort  auf  ihn  die  Blicke; 
um  Haupteslänge  überragte  er  alles  Bühnen- 
volk und  trat  damit  von  selbst  in  den  Mittel- 
punkt, ohne  es  darauf  anzulegen.  Unnach- 
ahmlich schön  war  sein  Gang,  hoheitsvoll 
und  elastisch  zugleich;  seine  Schritte  waren 
um  so  bedeutender,  je  sparsamer  sie  waren, 
denn  Niemann  besass  die  schwere  Gabe  des 
ruhig  Stehens  in  hohem  Masse. 

Seine  Gebärde  war  gross  und  eindrucks- 
voll; aber  nichts  von  konventionellen  Gesten, 
sondern  alles  natürlich,  wie  vom  Augenblick 
eingegeben,  so  durchdacht  es  auch  sein 
mochte.  Überhaupt:  wer  Niemann  etwa  einen 
grossen  Naturalisten  nennen  wollte,  in  dem 
Sinne,  dass  ihn  sein  Genie  der  künstlerischen 
Arbeit  überhoben  hätte,  der  würde  fehlgehen. 
Im  Gegenteil,  er  selbst  hat  betont,  wie  sehr 
er  sich  von  den  Naturalisten  unterschied: 
„Wer  von  den  heutigen  Darstellern  lernt  noch, 
wie  man  einen  Dolch  oder  ein  Schwert  heraus- 
zieht?   ich  habe   es  bei  Duprez   methodisch 

73 


STERNFELD 


gelernt."  Hier  also  hatte  „Natur  mit  Kunst 
gehandelt".  Nie  kam  eine  Bewegung  wie 
einstudiert  heraus,  sondern  immer  wie  aus 
dem  dramatischen  Motiv  des  Momentes  ent- 
standen, eigentümlich  und  charakteristisch, 
durch  Kürze  und  Prägnanz  überraschend 
oder  durch  Grösse  und  männliche  Kraft 
berückend.  Wenn  Niemann  meistens  eine 
andere  Gebärde  machte,  als  man  es  von 
seinen  Kollegen  an  dieser  Stelle  gewohnt 
war,  so  wirkte  das  nicht  nur  interessant, 
sondern  auch  überzeugend.  Er  lehrte  so 
recht  das  Unnatürliche  des  althergebrachten 
Spiels,  der  stereotypen  Operngesten  erkennen 
und  belächeln.  Er  wandte  sich  nie  zum 
Publikum,  das  für  ihn  nicht  vorhanden  war, 
drängte  sich  nie  vor;  keine  Spur  von  gefall- 
süchtigen Schönheitsposen,  aber  auch  nichts 
von  Kraftmeierei  und  heldischem  Getue. 
Er  spielte  nicht  in  dem  Sinne  Wagnerisch, 
dass  jede  Gebärde  genau  einem  Motiv  oder 
einer  orchestralen  Figur  entsprechen  müsse ; 
mit  kleinen  Dingen  gab  er  sich  nicht  ab, 
sondern  wirkte  durch  grosse  Züge,  er  bot 
meist  nur  das  Notwendigste,  aber  mit  einer 


74, 


ALBERT  NIEMANN 


Plastik,  die  alles  hinriss  und  in  seinem  Banne 
festhielt. 

Dazu  kam  etwas  ganz  Seltenes :  der  Blick. 
Dieses  Requisit  findet  sich  g*ewöhnlich  nicht 
in  der  Garderobe  unserer  Schauspieler; 
andererseits  wird  keinem  Kenner  des  Wagner- 
schen  Kunstwerkes  entgehen,  welche  Mit- 
wirkung dem  Blicke  darin  zukommt.  Man 
denke  nur  an  den  ersten  Akt  der  Walküre 
oder  des  Tristan,  wo  in  der  Tat  der  Augen- 
Blick  dem  Augenblicke  seine  dauernde 
dramatische  Bedeutung  verleiht.  Hier  muss 
das  Auge  mit  den  Instrumenten  im  Sprechen 
wetteifern.  Mit  dem  guten  Willen  aber  ist 
es  dabei  nicht  getan;  die  Natur  muss  vor- 
gesorgt haben,  damit  die  richtigen  Inten- 
tionen auch  in  den  grossen  Räumen  der 
Opernhäuser  wahrgenommen  werden.  In 
dieser  Hinsicht  war  nun  Niemann  wunderbar 
begabt;  aus  grossen,  runden,  etwas  hervor- 
tretenden Augen  strahlte  ein  mächtiger, 
ernster,  tragischer  Blick,  der  sich  tief  in  die 
Augen  des  Gegenspielers  zu  versenken  schien 
und  dem  stummen  Spiel  erst  die  rechte 
Beredtheit  gab. 


75 


STERNFELD 


Am  schwierigsten  ist  Niemanns  Stimme 
zu  charakterisieren,  schon  deshalb,  weil  sie 
so  sehr  verschieden  sich  vernehmen  Hess. 
Der  Sänger  war  oft  indisponiert;  der  Kampf 
mit  dem  Objekt  wurde  ihm  schwerer  gemacht, 
als  so  vielen  weniger  bedeutenden  Kollegen. 
Von  einer  gleichmässigen  Schönheit  konnte 
dann  kaum  die  Rede  sein;  die  Kantilene 
war  oft  zerhackt  und  kurzatmig;  die  Vokali- 
sation  nicht  immer  edel;  die  Töne  drangen 
nicht  frei,  sondern  nasal  gehemmt  hervor. 
Dies  machte  sich  aber  doch  erst  in  späteren 
Jahren  geltend,  wo  dann  auch  die  Höhe 
nicht  mühelos  ansprach.  In  seinen  besten 
Jahren  war  das  Organ  ein  prachtvoller 
Heldentenor  mit  baritonaler  Färbung.  Nie- 
mann war  kein  Ritter  vom  hohen  C,  dafür 
aber  besass  er  eine  kräftige  Mittellage;  er 
prunkte  nicht  mit  süsslichen  Falsettönen, 
wusste  aber  sehr  geschickt  die  Register  zu 
verbinden.  Dazu  die  gewaltige  Stärke  und 
die  Deutlichkeit  der  Aussprache,  damals  noch 
eine  Seltenheit. 

Doch  alle  diese  Dinge,  die  bei  den  Tenören 
sonst  die  Hauptsache  sind,  waren  bei  diesem 


76 


ALBERT  NIEMANN 


Sänger  wirklich  nur  Nebensächliches.  Denn 
die  unerhörte  Kraft  des  Ausdrucks  Hess  die 
Frage,  ob  diese  oder  jene  Stelle  mehr  oder 
weniger  schön  gesungen  worden,  gar  nicht 
aufkommen.  Wer  Niemann  nicht  gehört  hat, 
kann  sich  eigentlich  nicht  vorstellen,  wie 
weit  die  Fähigkeit  zu  gehen  vermag,  durch 
die  Modulation  des  Sprach  -  Gesanges  jeden 
möglichen  Affekt  hervorzubringen.  Ihm 
standen  alle  Färbungen  zu  Gebote,  nicht 
nur  für  Liebe  und  Hass,  Trauer  und  Jubel, 
Schmerz  und  Freude,  sondern  auch  für  Zorn, 
Verzweiflung,  Hohn,  Spott,  Verachtung. 
Wem  klängen  da  nicht  unnachahmliche 
Wendungen  im  Ohre,  wie  die  Gering- 
schätzung Biterolf s :  „Was  hast  Du,  Ärmster, 
denn  genossen?"  oder  die  Ironie:  „Wolfram 
bist  Du,  der  wohlgeübte  Sänger!"  oder  der 
dräuende  Zorn:  „Zurück  von  ihr,  Verfluchte!" 
oder  die  chevalereske  Herablassung  gegen- 
über den  NobiH,  oder  die  herzzerreissende 
Bitte  des  gefangenen  Florestan,  oder  der 
Freiheitsschrei  des  umnachtet en  Masaniello: 
„Gebt  mir  Waffen!"  Niemann  hatte  eine 
Anzahl  ihm  ganz  eigentümUcher  Mittel,    die 


77 


STERNFELD 

Drastik  des  Ausdrucks  zu  steigern  und  die 
Leidenschaften  ganz  zu  entfesseln,  wobei  er 
bis  an  die  Grenzen  des  Schönen  ging.  Er 
gab  z.  B.  dem  stark  ausgehaltenen  Vokal  a 
eine  gewisse  sinnliche  Vibration^  die  eine 
unfehlbare  Wirkung  hervorbrachte,  auch  bei 
den  Liedern,  die  er  so  sehr  bevorzugte,  wie 
die  „FrühUngsnacht"  und  „Ich  grolle  nicht" 
von  Schumann.  Man  konnte  hier  wohl 
ästhetische  Zweifel  an  der  Berechtigung 
solcher  Akzente  im  Konzertsaal*)  hegen: 
ein  anderer  durfte  es  eben  nicht,  „ihm  brächt' 
es  Spott  und  Schmach"  —  aber  Niemann 
war  das  so  natürlich,  dass  jeder  Widerspruch 
verstummte.  Seine  Wucht,  sein  Temperament 
warfen  alles  nieder;  es  war  oft  eine  Manier 
al  fresco:  er  Hess  wohl  zehn  Takte,  die  ihm 
nicht  lagen,  unter  den  Tisch  fallen  und  hob 
den    elften    zu    einem   so    grandiosen   Effekt 


*)  Doch  soll  hier  nicht  vergessen  werden,  dass  Nie- 
mann auch  ein  ganz  ausgezeichneter  Oratoriensänger  war. 
Wie  oft  hat  er  nicht  den  „Judas  Maccabäus"  von  Händel 
gesungen  und  wer  hätte  eine  solche  Partie  jemals  wieder 
so  gehört?  Er  war  eben  „der  Held,  mit  Preis  gekrönt" 
auch  im  Konzertsaal. 

78 


ALBERT  NIEMANN 


empor,  dass  sich  doch  der  Hörer  willenlos 
diesem  angeborenen  Genie,  dieser  vulka- 
nischen Gewalt  beugfte. 

Schon  früh  in  Hannover  hat  man  den 
stark  sinnlichen  Zug*  seines  Spiels  und  Ge- 
sanges hervorgehoben.  Es  lässt  sich  gar  nicht 
leugnen,  dass  ein  gutes  Teil  seines  Anreizes 
und  seiner  Erfolge  hieraus  resultierten.  Das 
war  ja  auch  ganz  erklärlich  und  berechtigt. 
Was  jene  girrenden  italienischen  Tenöre  und 
ihre  deutschen  Nachtreter  erstrebten,  ohne 
doch  anders  als  lächerlich  zu  wirken,  das 
brach  aus  diesem  blonden  Germanen  ganz 
unbeabsichtigt,  mit  natürlicher  Leidenschaft 
hervor.  Er  beherrschte  die  ganze  Skala  der 
Äusserungen  des  Eros:  von  der  seraphischen 
Liebe  des  Gralsritters  zu  der  verklagten  Jung- 
frau bis  zur  unheimlichen  Lüsternheit  des 
verdammten  Sängers,  den  sein  Dämon  wieder 
nach  dem  Venusberg  zieht.  Er  wusste  himm- 
lische und  irdische  Liebe,  Brunst  und  Inbrunst 
mit  romantischer  Glut  zu  verschmelzen;  auf 
ihn  passte  das  Faustische:  ^Du  sinnHch  über- 
sinnlicher Freier".  Er  hätte  überhaupt  das 
Zeug   gehabt,    den    Goetheschen  Faust,    den 


79 


STERNFELD 


wir  auf  unseren  Bühnen  vergeblich  suchen, 
zu  verkörpern,  und  ebenso  den  Don  Juan  — 
nicht  den  Mozartschen,  sondern  den  des 
Grabbe  oder  den  Lenauschen. 

FreiUch  darf  nicht  verschwiegen  werden, 
dass  durch  das  starke  Hervortreten  des  ero- 
tischen Momentes  zuweilen  in  Dichtung  und 
Musik  ein  Zug  hineinkam,  der  in  dem  Kunst- 
werk selbst  nicht  begründet  war.  Aber  Nie- 
mann konnte  nicht  anders,  als  sich  eine  Partie 
nach  seiner  Weise  zurechtlegen,  eine  Gestalt 
in  seine  Natur  übersetzen.  Trotz  aller  Wand- 
lungsfähigkeit war  er»  immer  Niemann,  kein 
Darsteller  hätte  sich  so  schwer  in  eine  andere 
Auffassung  zwingen  lassen  wie  er.  Und  er 
zwang  nun  wieder  dem  Publikum  seine  Auf- 
fassung auf,  mit  solcher  Gewalt,  dass  es  sich 
eine  andere  überhaupt  nicht  denken  konnte 
und  wollte.  Er  hat  dadurch  das  Verständnis 
Wagnerscher  Werke  jahrzehntelang  in  einer 
bestimmten  Richtung  beeinflusst.  Aus  dem 
Tannhäuser  und  Lohengrin  schuf  er  Typen, 
die  sich  unauslöschlich  einprägten  und  fest- 
setzten. Niemanns  Tannhäuser  war  der  Tann- 
häuser;  und    man   wird   sich   noch    des    Er- 


80 


hl 

K.^ 

^^^.-^^^.. 

^ 

b.^ 

^M^^H, 

1^  -      ^ 

1  .^!^ 

_ffi'  - 

'  ^1 

L 

*      1 

p 

c^' 

w^ 

m^m 

J^^^^P 

^1^ 

■■■■^ 

^^W 

MW«r- 

^'^''    ■  iWI 

NIEMANN  als  Siegmund 


ALBERT  NIEMANN 


Staunens  erinnern,  das  Knilles  bekanntes  Bild 
hervorrief,  weil  es  einen  jungen,  brünetten, 
unbärtigfen  Venusritter  darstellte,  der  den 
Berlinern  ganz  fremd  war.  Ebenso  war  Nie- 
mans  Lohengrin  traditionell  geworden,  ob- 
schon  man  sich  wohl  den  Gralsritter  eher  so 
vorstellen  möchte,  wie  etwa  RafFaels  Sankt 
Georg,  der  den  Drachen  erschlägt.  Aber 
Niemanns  Vollbart  war  etwas  Heiliges,  woran 
kein  Schermesser  sich  wagen  durfte,  ohne 
den  Zorn  des  Sängers,  den  Schmerz  seiner 
Enthusiastinnen  hervorzurufen. 

Man  kann  Niemanns  Bedeutung  doch 
nicht  recht  würdigen,  ohne  wenigstens  einiger 
der  von  ihm  geschaffenen  Gestalten  zu  ge- 
denken. Da  fällt  zuerst  sein  „Josef  in  Ägypten" 
ins  Auge,  mit  dem  er  oft  die  Menge  bis  zu 
Thränen  gerührt  hat.  Man  hat  sich  immer 
gewundert,  dass  er  eine  so  einfache  Partie 
so  schlicht  und  doch  so  hinreissend  geben 
konnte,  er,  der  sich  sonst  nur  als  Held  wohl 
fühlte.  Die  Antwort  ist  einfach:  nicht  in  der 
klirrenden  Rüstung  suchte  er  das  Heldentum, 
sondern  in  den  Seelenkonflikten  und  im  Leiden. 

8i  6 


STERNFELD 


Wo  Niemann  den  tragischen  Helden  dar- 
stellen konnte,  gleich  ob  Josef  oder  Tristan, 
da  war  er  in  seinem  Elemente,  rührend  und 
gross.  Weil  dieser  M^hulsche  Held  so  ein- 
fach und  echt,  so  voll  Herzensgüte  und  Ver- 
gebung ist,  deshalb  konnte  ihn  Niemann  so 
hoch  heben,  so  innig  wiedergeben,  ganz  gleich, , 
ob  die  Rolle  schwer  oder  leicht  war.  Ahn- 
lich ist  es  mit  seinem  Max.  Er  hat  Webers 
biederen  Jägerburschen  noch  bis  in  die  letzten 
Jahre  ganz  herrlich  gespielt;  er  gab  ihm  die 
Treue  und  Schwärmerei  des  deutschen  Jüng- 
lings, daneben  auch  das  tiefe  Leiden  eines 
edlen  Gemüts,  das  sich  unentrinnbar  von 
bösen  Mächten  umgarnt  sieht.  Als  dritte  Ge- 
stalt käme  dann  sein  unerreichter  Flor  est  an. 
Auch  im  Kerker  dieses  Freiheitshelden  fasste 
den  Hörer  der  Menschheit  ganzer  Jammer 
an;  Niemann  führte  die  Herzen  mit  dem 
grossen  Meister  Beethoven  an  die  Grenzen 
der  marternden  Verzweiflung,  er  entrückte  | 
sie  in  überirdische  Visionen,  er  riss  sie  zu| 
schrankenlosem  Jubel  dahin.  Hier  kam  ihm  | 
die  seltene  Gabe  zustatten,  dass  er  die  Stimme 
weinen    lassen    konnte,    weinen   in   Schmerz 

S2 


ALBERT  NIEMANN 


und    Freude.      Wer    macht    ihm    das    heute 
nach? 

Bei  Meyerbeer  lag  die  Sache  anders.  Da 
musste  Niemann  von  dem  Seinig-en  viel  hin- 
zutun, um  den  tragischen  Helden  überhaupt 
erst  erstehen  zu  lassen.  An  seinem  Robert 
rühmte  man  besonders  die  interessante  Auf- 
fassung der  Spielszene  im  i.  Akte.  Hier, 
wie  als  Raoul,  hat  er,  seiner  Natur  gemäss, 
den  edlen  und  frommen  Ritter  dargestellt, 
der  unverdorben  in  eine  seichte,  elegante  und 
spöttische  Welt  hineintritt,  dieser  aber  doch 
durch  seine  Reinheit  und  Kraft  imponiert; 
zugleich  umschwebte  ihn  der  Hauch  roman- 
tischer Liebeswerbung.  Weit  überragt  diese 
Leistungen  sein  Prophet.  Aus  dieser  von 
Scribe  mit  allen  möglichen  Lappen  zusammen- 
geflickten Gestalt  schuf  Niemann  ein  Ganzes 
von  wunderbarer  Grösse.  Wie  er  in  den 
Gounodschen  Faust  den  Goetheschen  hin- 
eintrug, so  in  den  Propheten  etwas  von  der 
historischen  Erscheinung  des  „Königs  von 
Sion**.  Gab  ihm  der  Scribesche  Held  mensch- 
lich nur  ein  Zerrbild,  so  konnte  Niemann  ihm 
wenigstens  religionsgeschichtliche  Grösse  ver- 

83  6. 


STERNFELD 


leihen  und  durch  majestätische  Gestalt,  freie 
Auffassung*,  Herausheben  kleiner  wichtiger 
Zügfe,  Eindringlichkeit  der  Harangfue,  die  Ge- 
walt erklären,  die  dieser  betrog*ene  Betrüg-er 
über  die  Schwarmgfeister  ausübte.  Seit 
Niemanns  Abgang-e  ist  der  Prophet  tot,  wie 
„Der  Königsleutnant"  oder  der  alte  Klings- 
berg ohne  Friedrich  Haase,  wie  so  manche 
Stücke,  die  einzig  vom  Genie  der  Darsteller 
lebten. 

Der  kämpfende,  siegende,  verratene,  lei- 
dende, triumphierende  oder  untergehende 
geschichthche  Freihöitsheld  —  diese  Reihe 
grosser,  von  Niemann  verkörperter  Männer 
—  Judas  Maccabäus,  Florestan,  Cortez,  Masa- 
niello,  Johann  von  Leyden,  Vasco  —  führt 
uns  zur  ältesten  Wagnerschen  Heldengestalt, 
zu  Cola  Rienzi.  Wagner  hat  hier  der 
Opernbühne  den  ersten  wirklich  historischen 
Helden  gegeben:  aus  dem  vielen  Opernhaften, 
das  dieser  Partitur  noch  anklebt,  hebt  sich 
der  Charakter  des  Tribunen  glaubhaft  und 
gross  heraus.  Zugleich  war  dieser  Rienzi 
aber  auch  der  letzte  geschichtliche  Held 
Wagners,  indem  sich  der  für  ihn  notwendige 


84 


ALBERT  NIEMANN 


Übergang*  von  der  Konvention  zum  Rein- 
menschlichen hier  schon  vollzieht.  Niemann 
hat  dies  gefühlt  So  mächtig  er  den  Nobili  ent- 
gegentrat, so  prächtig  er  sich  ausnahm,  wenn 
er  das  Streitross  mit  sicherer  Hand  regierte, 
—  das  Beste  gab  er  doch  im  4.  Akte,  wenn 
er  nach  dem  Bannfluche  des  Priesters,  vom 
Volke  verlassen,  das  er  frei  gemacht  hatte, 
aus  der  Betäubung  erwacht,  die  Schwester 
an  seiner  Brust  fühlt  und  mit  tränenerstickter 
Stimme  fragt:  „Irene,  Du?*',  dann  hoch  sich 
aufrichtet:  „Noch  gibfs  ein  Rom!" 

Damit  sind  wir  zu  den  Wagnerschen  Ge- 
stalten gekommen,  deren  Verkörperungen 
und  Vergeistigungen  ein  unvergänglicher 
Ruhmestitel  des  grossen  Sängers  bleiben 
werden.  Von  ihnen  möchte  man  die  einzige 
nichttragische,  Walther  von  Stolzing, 
zuerst  ausscheiden.  Hier  gab  Niemann  das 
Beste  in  den  Szenen  mit  den  Meistern:  hoch- 
erhaben auf  dem  Singestuhle  war  er  „ein 
wahrer  Dichter-Reck''*;  es  fehlte  nicht  an 
Zügen,  auf  die  der  Durchschnitts-Tenor  nicht 
kommt,  so,  wenn  er  auf  Kothners  Frage: 
„Ist   er  frei  und  edel  geboren?"  wie  unwill- 

05 


STERNFELD 


kürlich  auffahrend  an  die  Seite  griff,  als 
wollte  er  den  frechen  Handwerker  nieder- 
schlagen, oder  wenn  er  am  Anfang  der  grossen 
Szene  mit  Sachs  sich  noch  abweisend  gegen 
den  Schuster  verhielt,  der  so  eigenmächtig 
in  sein  Wollen  eingegriffen  hatte.  Aber  im 
ganzen  zu  viel  Ritter,  zu  wenig  Dichter- 
Jüngling;  es  fehlte  das  Freudige,  Sanges- 
frohe. Nicht  die  heiteren,  unerfahrenen 
Helden  waren  seine  Stärke,  sondern  die  Ge- 
prüften, im  Leide  Gehärteten  oder  die  Ge- 
zeichneten, zum  Leiden  Bestimmten. 

AJs  ein  wahrhaft  «, Gottgesandter"  stellte 
sich  sein  Lohengrin  dar.  Die  beiden  Klip- 
pen, an  denen  hier  die  Tenöre  so  oft  scheitern 
—  das  Süss-Schmachtende  und  das  schön- 
heitsmässig  Posierende  —  vermied  dieser 
ernste  Künstler  ganz  von  selbst;  er  war  der 
Gralsritter,  bei  dessen  Blick  das  Gemeine 
versinkt,  das  Schuldvolle  erbebt,  das  Reine 
und  Gute  Trost  und  Hoffnung  schöpft  In 
der  Szene  mit  Elsa  aber  —  welch  eine  Fülle 
wechselnder  Stimmungen,  reichsten  Gefühles! 
Wie  zart  und  glühend  zugleich  umfasste  er 
die  bräutliche  Jungfrau !    Und  dann  nach  allen 


86 


ALBERT  NIEMANN 


Schauem  der  unsäglich  rührende  Schluss: 
„Weh,  nun  ist  all  unser  Glück  dahin  I"  Was 
Niemann  mit  vibrierendem  Hauch  in  solche 
Worte  zu  legen  wusste,  kann  der  jüngeren 
Generation  nicht  klar  gemacht  werden;  wer 
es  aber  von  ihm  öfters  gehört  hat,  dem  klingt 
es  im  Ohr,  als  wenn  es  gestern  gewesen 
wäre. 

Und  nun  zu  den  drei  tragischen  Helden, 
deren  Darstellung  die  Krone  des  Niemann- 
schen  Schaffens  bleibt,  zu  den  Leidenden  aus 
Liebesnot:    Tannhäuser,   Tristan,    Siegmund. 

Von  Niemanns  Tannhäuser  zu  sprechen, 
ist  überflüssig.  „Aus  Freuden  sehn'  ich  mich 
nach  Schmerzen"  war  das  Motto  seiner  Auf- 
fassung; man  wusste,  dass  dieser  von  den 
furchtbarsten  Kontrasten  der  Leidenschaft 
Hin-  und  Hergeworfene  nur  im  Tode  Er- 
lösung finden  kann.  Niemann  war  —  ganz 
nach  des  Meisters  Vorschrift  —  ,,nie  und 
nirgends  etwas  nur  ein  wenig,  sondern  alles 
voll  und  ganz".  Dass  hier  nun  wieder  die 
Erzählung  von  der  Pilgerfahrt  im  letzten 
Akte  das  Ausserordentliche  war,  ist  bekannt. 
Schon    die   Erscheinung,    die    abgemagerten 


87 


STERNFELD 


Arme,  das  gramdurchfurchte  Antlitz,  das 
Wanken  am  Pilgerstabe  bot  nie  Gesehenes. 
Dann  die  Deklamation  mit  Akzenten  von 
wuchtendem  Weh  und  schneidender  Schärfe; 
Inbrunst  und  Hoffnung-,  Enttäuschung*  und 
Verzweiflung-,  dazwischen  die  Worte  des 
Papstes  wie  eine  schroffe  Felswand.  Wie 
viel  hundert  Male  hat  wohl  Niemann  dies 
einer  atemlos  lauschenden,  schauerlich  er- 
griffenen Menge  vorg-eführt!  Mochte  er  auch 
in  den  ersten  beiden  Akten  manches  neben- 
sächlich behandeln:  hier  zum  Schluss  war 
er  immer  selbst  im  Innersten  gepackt,  über 
sich  selbst  gehoben. 

Über  Niemanns  Tristan  wird  man  sich 
kurz  fassen  müssen,  wenn  der  Raum  fehlt, 
eine  eingehende  psychologische  Würdigung 
dieser  gewaltigen  Gestalt  zu  geben.  Nirgends 
trat  die  ernste  Grösse,  die  gehaltene  Männ- 
lichkeit des  tragischen  Helden  so  hervor, 
wie  im  i.  Akte.  Dieser  Tristan  war  „ein 
Herr  der  Welt",  aber  auch  „des  Schweigens 
Herr".  Auch  hier  gab  es  einen  Höhepunkt 
des  Ausdrucks,  der  nie  vergessen  werden 
kann:   wenn  Niemann,    bebend    und    gefasst 


88 


ALBERT  NIEMANN 


zugleich,  auf  Isoldens  leidenschaftlichen  Aus- 
bruch starr  und  bleich  erwidert: 

War  Morold  dir  so  wert, 
Dann  wieder  nimm  das  Schwert 
Und  führ'  es  sicher  und  fest, 
Dass  du  nicht  dir''s  entfallen  lässt. 

Auch  nach  dem  Rausche  des  Liebes- 
trankes, dem  fessellosen  Dahinstürmen  der 
verhaltenen  Glut  hatte  man  bei  Niemann 
immer  das  Gefühl,  dass  dieses  Glück  doch 
„trug-geweiht'',  diese  „Wonne  voller  Tücke'*, 
dass  Haupt  und  Herz  dieses  Helden  dem 
Tode  geweiht  sei.  Und  nun  der  3.  Akt: 
dieses  Lechzen  und  Schmachten,  Raserei 
ungestillter  Sehnsucht,  Wonnen  geträumten 
Wiedersehens,  Aufbäumen  und  Verzweifeln, 
Todestrotz,  welthellsichtiges  Ahnen  —  alles 
bot  uns  Niemann  mit  völliger  Hingabe  des 
ganzen  Menschen  an  die  Ausführung  des 
Ungeheuersten,  noch  nie  vorher  Geforderten. 
Und  man  muss  es  ihm  nachsagen:  er  — 
sonst  geneigt,  vor  keinem  Extrem  zurück- 
zuschrecken —  bewahrte  hier  künstlerische 
Mässigung,  Hess  sich  auch  im  äussersten 
Paroxysmus  fieberhafter  Extase  nicht  zu  un- 

89 


STERNFELD 


schönen  Übertreibungen,    wie    man    sie    von 
Kleineren  sehen  kann,  hinreissen. 

Nehmen  wir  nun  Abschied  von  dem 
grossen  Künstler,  von  unvergesslichen  Er- 
innerungen der  Jugendzeit  —  wie  könnte  es 
besser  und  inniger  geschehen,  als  mit  der 
Hinweisung  auf  seinen  Siegmund?  Das  war 
die  Partie,  die  Niemann  schlechthin  voll- 
kommen darstellte;  hier  war  auch  die  Stimm- 
lage so  für  ihn  geschaffen,  dass  nichts  die 
vollendete  Ausführung  störte.  Man  müsste 
hier  jede  Szene,  jedes  Wort  und  jeden  Schritt 
einzeln  beschreiben  — ^„und  doch  vergebens  — , 
wollte  man  dem  nachgeborenen  Geschlecht 
einen  Begriff  dieser  künstlerischen  Grosstat 
eines  genialen  Darstellers  geben.  Von  dem 
Augenblick,  wo  der  Wälsung  gehetzt  und 
gebrochen  in  Hundings  Hütte  wankt,  bis  zu 
seinem  Todesseufzer,  war  jede  Bewegung, 
jedes  Wort,  das  Niemann  bot,  gross  und 
herrlich,  ergreifend  und  erschütternd.  Wie 
klein  erscheint  dagegen  fast  alles,  was  im  re- 
zitierenden, tonlosen  Drama  die  vielgefeierten 
Schauspieler  seitdem  geboten  haben,  wie 
wenig    noch    von    berufenen    Kennern    der 


90 


ALBERT  NIEMANN 


Bühne  eine  solche  einzige  Leistung*  des 
deutschen  musikaUschen  Dramas  beachtet 
und  geachtet!  So  sei  es  denn  hier  —  um 
nur  einen  Höhepunkt  herauszuheben  —  nach- 
drückhch  ausgesprochen,  das&in  dem  Moment, 
wo  auf  der  Bayreuth  er  Bühne  1876  dieser 
Siegmund  „mit  einem  BUcke  voll  schmerz- 
lichen Feuers  auf  Sieglinde"  die  Worte 
sprach:  „Nun  weisst  du  fragende  Frau,  warum 
ich  Friedmund  nicht  heisse!'^  und,  zu  dem 
Ertönen  des  erhabenen  C-moU-Themas  der 
Wälsungen,  mit  der  tragischen  Gebärde  des 
Todgeweihten  dem  Herde  zuschritt  —  dass 
damals  deutsche  Bühnenkunst,  schaffend  und 
nachschaffend,  einen  Gipfel  erstiegen  hatte, 
der  unermesslich  hoch  über  den  Niederun- 
gen gewohnter  und  gepriesener  Theatralik 
emporragt 


Verlag  von  Schuster  &  Loeffler,  Berlin  und  Leipzig 

DIE  MUSIK 

Die  grosse,   von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

herausgegebene      Kunstzeitschrift     brachte    bisher 

vier  Hefte,  die  ausschliesslich 

RICHARD  WAGNER 

gewidmet  sind: 

Das  I.  Wag*ner-Heft 
enthält  u.  a.  Beiträge  von  Richard  Wagner,  Saint- 
Saens,  Chamberlain,  Wolzogen,  Münzer,  Mey,  Kühl. 

Das  n.  Wagner-  (Bayreuth-)  Heft 
erschien  in  doppeltem  Umfange  und  bringt  neben 
Beiträgen  von  Peter  Cornelius,  Chamberlain,  Muncker, 
Golther,  Münzer,  Tappert,  Istel,  Wolzogen,  Stemfeld, 
Lubosch,  Egidi,  Kloss,  Schoenaich,  Hausegger,  Klatte 

den  vollständigen 
ersten  Entwurf  der  Meistersinger  von   1845. 

Das  m.  Wagner-Heft 

bringt   umfassende   Aufsätze   von   Thode,    Golther, 

Petsch,  Mey,  Altmann  u.  a. 

Das  IV.  Wagner-Heft 

enthält  Beiträge  von  Golther,  Wolzogen,  Istel,  Petsch, 

Mey,  Breithaupt  u.  a. 

Die  vier  Hefte  enthalten  gegen  500  Seiten  Text  mit 
etwa  60  Kunstbeilagen  und  kosten  zusammen  5  Mark 


DIE  DICHTUNG 

EINE  SAMMLUNG  VON  M0N06RAPHIEEN 
HERAUSGEGEBEN  VON  PAUL  REMER 
BUCHSCHMUCK  VON  HEINRICH  VOGELER 


Bisher  sind  erschienen 


Band  I. 
Band  n. 
Band  IH. 
Band  IV. 
Band  V. 
Band  VI. 
BandVn. 
Band  Vni. 
Band  IX. 


Henrik  Ibsen  von 

Anzengruber  von 

Victor  Hugo  von 

Lihencron  von 

Leo  Tolstoj  von 

Hölderlin  von 

Boccaccio  von 

Cervantes  von 
Gottfried  Keller  von 


Paul  Ernst 
J.  J.  David 
H.v.Hofmannsthal 
Paul  Remer 
Julius  Hart 
Hans  Bethge 
Hermann  Hesse 
Paul  Scheerbart 
Ricarda  Huch 


In  Vorbereitung; 


Ebner-Eschenbach 
Klaus  Groth 
Kleist 

Oscar  Wilde 
Eduard  Mörike 
Paul  Verlaine 
Theodor  Fontane 
Lenau 
Hebbel 

Richard  Dehmel 
Theodor  Storni 
Wilhelm  Raabe 


von  Gabriele  Reuter 
von  Timm  Kroger 
von  Wilhelm  Hegeler 
von  Hedwig  Lachmann 
von  Gustav  Kühl 
von  Stefan  Zweig 
von  Franz  Servaes 
von  Leo  Greiner 
von  Wilhelm  von  Scholz 
von  Gustav  Kühl 
von  Paul  Remer 
von  Hans  Hoffmann 


Jeder  Band  elegant  kartoniert  M.  i.^O 
Jeder  Band  in  echt  Leder  geb.  M.  2.^0 


DIR  DICHTUNG 

EINE    SAMMLUNG 

VON   M0N06RAPHIEEN 

HERAUSGEGEBEN  VON  PAUL  REMER 

BUCHSCHMUCK  VON  HEINRICH  VOGELER 

In  Vorbereitung: 

Goethe 

von  Otto  Erich  Hartleben 

Shakespeare 

von  Franz  Servaes 

Heine 

von  Wilhelm  Holzamer 

Grillparzer 

von  Wilhelm  Hegeler 

Maeterlinck 

von  Anselma  Heine 

Schiller 

von  Fritz  Lienhard 

Richard  Wagner 

von  Hans  von  Wolzogen 

Jens  Peter  Jacobsen 

von  Hans  Bethge 

Ricarda  Huch 

von  Hedwig  Bleuler-Waser 

Swinburne 

von  John  Henry  Mackay 

Eichendorff 

von  Gustav  Falke 

Turgenjeff 

von  Carl  Hauptmann 

Alfred  de  Musset 

von  Rudolph  Lothar 

E.  T.  A.  Hoffmann 

von  Richard  Schaukai 

Franz  von  Assisi 

von  Hermann  Hesse 

Gerh.  Hauptmann 

von  Hermann  Stehr 

Conr.  Ferd.  Meyer 

von  Wilhelm  Holzamer 

Novalis 

von  Willy  Pastor 

Wilhelm  Busch 

von  Richard  Schaukai 

Euripides 

von  Hermann  Bahr 

d'Annunzio 

von  Alberta  v.  Puttkamer 

Walt  Whitman 

von  Johannes  Schlaf 

Jeder  Band  elegant  kartoniert  M.  I.ßO                    | 

Jeder  Band  in 

echt  Leder  geb.  M.  2.^0                    1 

Verlag  von  Schuster  &  Loeffler,  Berlin  und  Leipzig 

WAGNERIANA 

in  drei  Bänden  von 

ARTHUR  SEIDL 

Band  1:  Richafd  Wagner-Credo 

Band  II :  Voü  Palestrioa  zu  Wagner 

Bändln:  Die  Wagner-Nachfolgc  im 
Musikdrama 

JederBand  enthält  mehr  als  500  Seiten  in  Gross- 
oktav und  kostet  elegant  geheftet  je  5  Mark 
vornehm  gebunden  je  6  Mark 

Jeder   Band    ist   in    sich    abgeschlossen    und 
einzeln  käuflich 

Ermässigter  Preis  des  Gesamtwerkes: 
geheftet  12  Mark,  gebunden   15  Mark 

Zu  beziehen  durch  jede  Buchhandlung 

Herrose  &  Ziemsen,  Wittenberg. 


m. 


J^ 


00 


TU 


H    <D 
^  -P 

O    0) 
ö     CO 

S  Q 
CD 

CO 

tu 


•P 

-P  ^^ 


Universityof  Toronto 
Library 


DO  NOT 

REMOVE 

THE 

CARD 

FROM 

THIS 

POCKET 


Acme  Library  Card  Pocket 
LOWE-MARTIN  CO.  umited