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Full text of "Aldus Manutius und seine Zeitgenossen in Italien und Deutschland : im Anh. Die Familie des Aldus bis zu ihrem Ende"

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ALDUS MANUTIUS 



UND 



SEINE ZEITGENOSSEN 



IN ITALIEN UND DEUTSCHLAND. 



IM ANHANGE: 



DIE FAMILIE DES ALDU& BI8 ZU IHREM ENDE. 



VON 



Da. JULIUS SCHUCK. 

OBBRLBHREB AM MAODALKdkITM IH BRRfiLAU. 



BERLIN, 

FERD. DÜMMLER'S YERLAGSBUCHHANDLUNO. 

1862. 




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Vorwort. 

jjie Zeit des Humanismus oder des Wiedererwachens der Wis- 
senschaften durch das Zurückgehen auf die Alten, welche am 
Ausgange des liGttelalters zunächst in Italien sich entwidcelte, 
wirkt auf uns mit einem gewissen romantischen Beize, wie alle 
entferntere Zeiten eines glänzenden und inhaltsreichen Enthu- 
siasmus. Betrachtet man vom heutigen Standpunkte aus die 
einzelnen wissenschaftlichen Schöpfungen jener Periode, so wird 
ihre absolute Bedeutung natürlich weit unter derjenigen stehen, 
welche Erscheinungen der Gegenwart haben können, nach- 
dem durch die Arbeit so vieler Tausende Wissen und Hülfe- 
mittel im Fortschritte der Zeit gröfser geworden sind. Aber 

die Betrachtung der Vergangenheit eiifier Wissenschaft fahrt 

■ j^ 
einerseits zur Demuth des Wissens undHSiewahrt vor hochmü- 

thiger UeberschStzung des Gegenwärtigen^ indem man sieht, 
wie eine spätere Zeit immet über die firühere we^eschritten 
ist, und seinerseits dasselbe einst zu erieiden sich bescheidet. 
Andererseits aber bringt sie ab das immer bleibende Verdienst 
längst vergangener Bestrebungen hauptsächlich die Einwirkung 
auf die Zeitgenossen, die Anregung fir die Späteren, die Begei- 
sterung und thätige Verfolgung des Zieles zur EenntniTs und 
Anerkennung. Durch den Enthusiasmus und die Thätigkeit der 
Humanisten, welche um Wiedererweckung des Alterthums und 
Vertreibung der Barbarei rastlos bemüht waren, ist wesentlich 
die Entwickelung aller Wissenschaften und die ganze moderne 
Bildung herbeigeführt worden. Ihr Leben ist daher nicht blos 
für den Philologen von Interesse, sondern for Jeden, der histo- 
rischen Sinn hat. 



VI 

Der Ilumanismas wurde durch Erfindung der Buchdrucker- 
kunst mächtig gefordert, and die Drucke selbst erreichten in 
den ersten fünfzig Jahren des Bestehens der Kunst theilweise 
einen hohen Orad von typographischer Schönheit. Wohl mag 
die Begeisterung für die Alten dazu beigetragen haben, dafs man 
sie in möglichst schönem Gewände wollte erscheinen lassen. 
Unter den Druckern nun am Ende des fun&chnten und Anfange 
des sechszehnten Jahrhunderts nimmt den ersten Platz Aldtts 
Manutius ein, dessen Sohn und Enkel sein Wirken fortgesetzt 
haben. Er war aber, wie auch seine Nachfolger, nicht blos Ty- 
pograph, sondern zugleich als Humanist unter den Gelehrten 
seiner Zeit angesehen und dabei von einem Eifer beseelt, wie 
wenige Andere. Diese Richtungen zusammen machten ihn eine 
Reihe von Jahren hindurch zu einem Mittelpunkte der gelehrten 
Bestrebungen Italiens und brachten ihn auch mit Gelehrten 
Deutschlands und anderer Länder in freundschaftliche Verbindung. 

Seinen ersten Biographen fand Aldus Manutius an einem 
schlesischen Geistlichen, dessen Namen und nähere Umstände 
ich zunächst den Landsleuten wieder in Erinnerung bringen will. 
Christian Theophil Unger^ 1671 — 1719, zuletzt Pastor in Herrn- 
lauerschütz bei Glogau, ein Mann von besonderer Gelehrsamkeit 
iß den classischen, orientalischen und neueren Sprachen, hinter- 
liefs eine lateinisch geschriebene Abhandlung über das Leben 
und die Verdienste des Aldus Manutius, welche Geret mit eige- 
nen Zusätzen und Nachrichten über den Verfasser 1753 in Wit- 
tenberg herausgegeben hat. Den ihm zugänglichen Quellen fehlt 
freilich viel zur Vollständigkeit, doch hat er mit grofsem Fleifse 
immerhin Dankenswerthes zusammengestellt; Manches wurde ihm 
auch durch Apostoio Zeno ■) mitgetheilt, mit welchem er in Brief- 
wechsel stand. In dem Jahre seines Todes erschien der erste 
Band der An^afef^ typographid des Maittaire^ welcher eine Le^ 

') Die Schriften von Lazzeri und Apostoio Zeno über die Familie Ma- 
nutins beziehen 6ich vorzugsweise auf Panlns BCanutias und Aldus Bfanutius 
den Jüngeren. Dasselbe gilt von der Einleitung der „Serie delV edizioni 
Äldine'* (Firenze, liDCCClII), welche auf Apostoio Zeno beruht. Üeber den 
älteren Aldus Manutius enthält wieder mehr Tiraboschi in seiner grofsen 
Litteiratui-geschlchte. Von Morelli wird bei Gelegenheit gesprochen werden. 
Ueber einzelne Punkte haben aufserdem noch andere Italiener Aufschlufs 
gegeben. 



▼u 

bensbeschreibuDg des Aldus enthfilt, gezogen aus den Vorreden 
and Briefen desselben, soweit Maittaire sie kannte. Nicht von 
grofeem Werthe ist das Bach des Manni, ■) welches 1759 her- 
aaskam. Alle vorangegangenen Leistangen aber werden darch 
Reichhaltigkeit der Nachrichten, sowie darch übersichtliche Dar- 
stellung des Stoffes von Renouard *) übertroffen, welcher in einem 
umfangreichen Buche das Leben und den Verlag der drei Ma- 
nutius* mit einer so einsichtigen Gründlichkeit und Gewissen- 
haftigkeit beschrieben hat, dafs man glauben sollte, das Werk 
sei von einem Deutschen verfafst Einen kurzen Auszug aus 
seiner Arbeit hat neuerdings mit einigen eigenen Bemerkungen 
Firmin " Didoi *) geliefert. 

Wenn ich es nun nach diesen Voi^fingem unternehme, ein 
Bild von Aldus Manutius zu liefern, woran sich nur des Ab- 
schlosses wegen eine kurze Uebersicht über das Leben seiner 
Nachfolger anschliefsen soll, so will ich nicht davon sprechen, 
dafs auch nach Benouard eine Nachlese gehalten werden konnte, 
sondern zuerst hat mich der Umstand bewogen, dafs noch keine 
deutsche Bearbeitang des Stoffes vorhanden ist Daneben aber 
habe ich selbstständig den Plan verfolgt, die gelehrte und cultur- 
historische Seite der Zeit und des Mannes durch genaueres Ein- 
gehen auf die nöthigen Einzelnheiten mehr hervorzuheben, die 
Persönlichkeit und das Wesen der Zeitgenossen, mit denen er in 
Verkehr trat, ausführlicher zu schildern, am Anfange aber die 
geistige Bewegung der vorangegangenen Zeit und seinen Zu- 
sammenhang mit ihr in Kürze zu zeigen. So wird man in der 
folgenden Arbeit neben dankbarer Benutzung dessen, was Re- 
nouard und seine Vorgänger bieten, andere Momente der Sache 
hervortreten sehen. Bei den vorkommenden Eigennamen ist die 
lateinische Form beibehalten worden, weil sie unter dieser am 
bekanntesten sind. Das Typographische und rein Bibliographische 
konnte ich nicht in der genauen Weise beschreiben, wie Renouard, 

' ) Vita dl Aldo Pio Manuzio scritta da Dominico Maria Manni. 

In Venezia, MDCCLIX. 

*) Annales de rimprimerie des Aide. A Paris, MDCCCXXXIV. (8. Auf- 
lage.) Die erste Auflage erschien 1808. 

') Les Aide Manuce par Ambroise Firmin -Didot. Extrait de la nou* 
velle biographie g^n^rale. 



Vlll 

auch lag es nicht in meiner Absicht; aber von den meisten und 
wichtigsten der älteren Aldinen selbst habe ich Einsicht nehmen 
können. Dies verdanke ich den SchXtsen der hiesigen konig- 
liehen Universitfits-Bibliothek und der stfidtischen Rhedigerana. 

Die Bacher, welche aufser den schon genannten am häufig» 
•ten in dem Folgenden citirt werden, heifsen mit ihrem volleren 
Titel: 

Bodms^ de Qraeds illusttibos, lingaae graeeae instauratoribus. 
Londini, MDCCXLII. 

Boemer, de doctis hominibus graecis, litterarum instauratoribus. 
Lipsiae, MDCCL. 

Erhard^ G^chichte des Wiederaufblühens wissenschaftlicher 
Bildung, vornehmlich in Teutschland. Magdeburg, 1827 — 32. 

Burckhardij die Cultnr der Renaissance in Italien. Basel, 1860. 

Roseoe^ Leben des Pabstes Leo X. Aus dem Englischen über- 
setzt von Glaser, mit Anmerkungen von Henke. Wien, 1818. 

Gräfse, Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte, Bd. 2, 
AbtheUung 2, (IIL), Bd. 2, Abtheüung 3, (lY.), Bd. 3, Ab- 
theüung 1, (Y.). Dresden und Leipcig, 1842—52. 

RebiiiSy Ouillaume Bude, restaurateur des itudes Grecques en 
France. Paris, 1846. 

Saxii Onomasticon Literarium. Trajeeti ad Rhenum MDCCLXXY 
— MDCX3Cm. 

QuirinuSf de Brixiana literatura renatarum literarum aetate. 
Brixiae MDCCXXXIX. 

Breslau, den 1. August 1861. 



Inhalts - Verzeichnifs 



8«it« 

Erstes Capitel. 1449 — 1494 1-19 

Aldus in Rom, Ferrara, Mirandola, Garpi. Geleimte Za- 
stände in Italien. Erste griechische Drucke. Aldus in 
Venedig. 

Zweites CapiteL 1494—1515 20—52 

Gatalog dm Biofter Udo»' des Aflllena. 

Drittes Capitel 53—101 

I. Aldinische AoBgaten. Ooisiftchrift Privilegien. 
NachctaBk». Dmdnneiefaeii. Druckerei und Baeh- 
handel. Dedieaittotien. Piieise der Bücher. StMe 
d0v Anflagm. 5S^ 62 

IL Die Academie des AMus. ... \ ..... . 6fif— 69 

in. Die Mitglieder der Akademie 69— 84 

rV. Aldus' Lehensschicksale und Schriften. Humanismus, 

Paganismns und Ghristenthnm 85—101 

Viertes Capitel 102—137 

Briefe. 1485—1514. 

Anhang. 1515—1597. 138—151 

Andreas Asulanus. Paulus Manutins. Aldus Manutius der 
Jüngere. Die Torresani. Grato von Grafftheim. 



Berichtigung von Druckfehlern. 



Seite 5 letzte Zeile des Textes lies des statt das. 

7 ist die letzte Zeile des Textes in Anfahnm^zeichen einznschliefsen. 
7 Zeile 3 der Anmerkung lies erst statt est 

15 von unten lies demselben statt diesem. 

- donatos statt donatns. 
. oben - der Gehalte statt des Gehalts. 
. letzte statt letzten. 
. zuzogen statt zugezogen. 
. omni statt omne. 

- 119 d. Anmerk. 3 Zeile 10 lies profiteretur statt profiteretrur. 

- 122 ZeUe 17 yon oben lies se statt sae. 

Geringere Fehler wolle der geneigte Leser Terbessem. 



- 35 


. 15 


- 38 


- 14 


- 60 


- 24 


- 70 


. 7 


- 91 


- 12 


- 108 


- 21 



Erstes Capitel. 

1449 — 1494. 



Aldus in Eom, Ferrara, Mirandiila, Carpi. Gelehrte Zustände 
in Italien. Erste griechische Drncke. Aldus in Venedig. 



Aldus Manutius wurde gegen 1449 in Bassiano^ einem 
Flecken bei Velletri und den pontinischen Sümpfen geboren. 
Von seinem Geburtsorte gab er sich Anfangs den Beinamen 
Bassianas^ wofür er später den allgemeineren Namen Romanus 
annahm. Aldus ist entweder eine Abkürzung von Theo- 
baldus, oder nach Renouard's Meinung der eigentliche Name 
eines Heiligen. Nach der italienischen Sitte ^ sich gern des 
Vornamens zu bedienen, wird er gewöhnlich von seinen 
Zeitgenossen Aldus genannt, seltener Manutius, und ist unter 
diesem Namen auch den Späteren bekannter. Seit 1503, 
zuerst in seiner Ausgabe des Ammonius; nannte sich Aldus 
auch Pius nach dem Familiennamen der Fürsten von Carpi 
im Modenesischen, und zwar besonders nach Albertus Pius, 
den er, wie den jüngeren Bruder Leonellus, von Jugend auf 
unterrichtet hatte, und mit welchem ihn zeitlebens eine zärt- 
liche Zuneigung verband, die durch verschiedene Wohlthaten 
Seitens des jungen Fürsten noch verstärkt worden war. Ihm 
und sich zu Ehren und mit seiner ErlaubniTs legte sich 

1 



2 

Aldus den Namen Piua bei als Einer, der gleichsam durch 
Adoption in die Familie der Pius aufgenommen worden sei, 
oder auch als Client den Namen des Patronus führe. So 
schrieb er sich denn zuletzt vollständig Aldus Pius Manu- 
tins Romanus. Ueber den sehr verschieden geschriebenen 
Namen Manutius imd überhaupt über die Vorhältnisse der 
Familie des Aldus wissen wir nichts. Der Enkel, Aldus 
der Jüngere, behauptete am Ende des sochszehnten Jahr- 
hunderts mehrmals, z. B. in seiner Vorrede zum Leben des 
ersten Grofshcrzogs von Toscana, Cosmus von Medici, dafs 
seine Familie zu den adligen und reichen Manucci in Florenz 
gehöre. Man kann dies aber nur als Ausflufs einer gewissen 
Eitelkeit ansehen, da weder der Grofsvater, noch der Vater 
irgend etwas davon erwähnen. Auch ist das Druckerzeichen, 
dessen sich Aldus und seine Nachfolger wie einer Art von 
Wappen bedienen, von dem Wappen der florentinischen 
Manucci, welches bei Manni zu sehen ist, ganz verschieden. 
Zwar bedient sich Maximilian der Zweite in dem Diplome 
von 1571, durch welches er den Paulus Manutius in den 
Reichsadel erhöbt, folgender Worte: Considerata igitur fa- 
miliae tuae honestate atque vetustate avitam nobilitatem^ 
a majoribus tuis successionis hereditatisque jure ad te deri" 
vatamy non sotam benigne approbandam, confirmandam et 

innovandam, sed majori splendore ornandam duximus; 

indefs wird in denselben auch nicht mehr zu suchen sein, 
als herkömmliche Formel. Wir müssen annehmen, dafs das 
ganze Ansehn der Familie erst mit Aldus Manutius beginnt. 
Ueber die erste Jugend desselben hören wir nichts weiter, 
als dafs, wie er in der Vorrede zu seiner lateinischen Gram- 
matik 1501 erwähnt, sein Lehrer ihn durch das Doctrinale 
Alexandri de villa dei sehr gequält habe. Dieses lateinische 
Lehrbuch des Minoriten Alexander aus Dole in der Bretagne 
in leoninischen Hexametern, 1210 verfafst *), erhielt sich 



') Es heifst am Ende: 

Anno milleno ducentono quoque deuo 
Doctor Alexander venerabilis atque magister 
Doctrinale sunm dedit in commune legendum. 



8ehr lange im Gebrauche. Es war allmählich durch eine 
Menge von Glossen bereichert und durch unwissende Ab 
Schreiber immer mehr entstellt worden. 

Aldus kam nach einiger Zeit nach Rom und genofs dort 
den lateinischen Unterricht des Caspar von Verona^ von 
dem es eine Lebensbeschreibung des Pabstes Paul IL giebt^ 
und des Domitius Calderinus^ gest. 1478, der sich als Inter- 
pret des Silius Italiens, Juvenal, Martial und anderer Alten 
bekannt gemacht hat. Wiederum wissen wir von der 
Zwischenzeit nichts, bis wir hören, dafs er in Ferrara, wo 
das Estensische Haus seit dem vierzehnten Jahrhunderte eine 
Hochschule gegründet und ein reiches geistiges Leben her- 
vorgerufen hatte, den Baptista Guarinus aus Verona hörte, 
bei dem er das Griechische lernte. *) Diesem seinem Lehrer 
widmete er später den Theokrit und Hesiod von 1495. Er 
selbst unterrichtete in Ferrara wahrscheinlich schon den 
jungen Albertus Pius und, nach der Vorrede zu den Ge- 



Uebrigens muTs auch bei diesem Bache, wie bei so manchen 
Schöpfungen des Mittelalters, bemerkt werden, dafs es im Grunde vieles 
Richtige enthielt, was nur überwuchert war durch Auswüchse, während 
das Ganze durch seine geschmacklose Darstellung abstiefs. Die Gram- 
matiker des Mittelalters und Yorzugsweise Alexander in seinem Doctri-^ 
nale, haben die Syntax der lateinischen Sprache aufgebaut, eine Arbeit, 
welche die Alten fast rfhberührt zurückgelassen hatten. Weil aber ihr 
Scharfsinn unter scholastisch spitzfindiger und barbarischer Sprache ver- 
graben lag, so wurde das Ganze von den geschmackvolleren Humanisten 
mit Verachtung bei Seite geworfen, bis Neuere ihnen gerechter geworden 
sind. S. Haase, de medii aevi studiis philologicis, p. 38. (Breslau 1856.) 

') Die Ouarini waren eine litterarische Familie. Schon der ältere 
Guarinus, der Vater, 1370 — 1460, hatte von 1429 bis zu seinem Tode 
in Ferrara besonders Griechisch gelehrt. Er war noch ein Schüler von 
Emannel Chrysoloras und übersetzte auf Nicolaus V. Veranlassung Plu- 
tarchs Biographien und Strabo ins Lateinische. Aufserdem war er der 
Wiedererwecker des Catull; auch giebt es von ihm einen Auszug aus 
der Grammatik des Chrysoloras. Der Sohn, Baptista Guarinus, Lehrer 
des Aldus, folgte dem Vater unmittelbar in seiner Stellung. Von Deut- 
schen hörten ihn in Ferrara unter Anderen Rudolf Agricola^ Johann von 
Dalberg und Theodor Pleninger. Er schrieb nur Weniges: einige Ge- 
dichte, Reden und üebersetzmigen aus Demosthenes und Chrysostomus. 
Auch als Lehrer gewann er nicht den Ruf seines Vaters, von dem man 
mit dem oft gebrauchten Ausdrucke Cicero's über Isokrates sagte, aus 
seiner Schule seien mehr Gelehrte hervorgegangen, als Bewaffnete aus 
dem Trojanischen Pferde. — Ein Neffe oder Enkel des Baptista schrieb 
den »Pastor fido". 



dichten der Strozzi 1513, auch den begabten Hercules Strozza, 
welcher sich frühzeitig als lateinischer und italienischer 
Dichter ausgezeichnet hat, wie sein Vater Titus Vespasianus 
Strozza. Aber die Studienzeit in Ferrara wurde bald durch 
einen der Kriege unterbrochen, welche Italien damals fort- 
während verwüsteten. ^) Der Markgraf Hercules von Ferrara, 
von den Venetianern angegriffen und geschlagen, schlols sich 
in die Stadt ein, die belagert wurde. Alles floh, was noch 
fliehen konnte, und Aldus begab sich 1482 zu dem reichen 
und angesehenen Grafen Johannes Picus von Mirandula, der 
mit ihm in Ferrara studirt hatte und damals noch nicht in 
die spätere mystische Richtung verfallen war. Er war der 
Bruder des regierenden, reichsunmittelbaren Grafen von 
Mirandula und Concordia. Dieser Phönix des Jahrhunderts, 
wie ihn seine Zeitgenossen bald übertriebener Weise nann- 
'ten, — selbst bei Erasmus heifst er „rarum naturae mira- 
culum" — benutzte seine Reichthümer jederzeit aufs Edelste 
zu eigner Ausbildung und Unterstützung Bedrängter, beson- 
ders Gelehrter. Er selbst, mit gelehrten Reisen beschäftigt, 
hielt sich nur vorübergehend in Mirandula auf, wo Aldus 
ungestört seinen Studien obliegen konnte. Er fand als Haus- 
genossen den Emanuel Adramyttenus aus Greta, einen der 
Griechen, welche damals zu Hunderten in. Italien herum- 
irrten und in ihrer Muttersprache, zumal wenn sie noch 
gelehrte Bildung hatten, einen Schatz mit sich führten, der 
ihnen von Sicilien bis zu den Alpen, und Einigen noch 
darüber hinaus, ein Unterkommen sicherte als Lehrer, oder 
Correctoren, oder Abschreiber von Handschriften. Vielen 
von ihnen ging es freilich bei alledem ziemlich schlecht. 
Picus hatte den Emanuel theils aus Mitleid mit dem Hei- 
mathlosen bei sich, theils um Griechisch mit ihm zu treiben, 

*) Rudolf Agricola kam 1485 zum zweiten Male nach Ferrara und 
schrieb an seinen Bruder: Es ist unglaublich, wie die ganze Gegend um 
Ferrara verheert ist. Die Landhäuser sind niedergerissen und verbrannt, 
der Thiergarten des Fürsten ist verwüstet, die Bäume niedergehauen, 
die Mauern eingestürzt; die Kloster sind verlassen; die Strafsen sind auf- 
gerissen und mit Schutt und Koth erfüllt. Mehr als 15,000 Menschen 
sind in Ferrara theils durch Hunger, theils durch Pest, theils durch an- 
dere Unfälle des Krieges weggeraflFfc. 



wie dies vielfach in Italien geschah. Der tägliche Umgang 
mit dem griechischen, ihm bald befreundeten Manne, der 
gegen zwei Jahre dauerte, legte bei Aldus wahrscheinlich 
den hauptsächlichsten Grund zu der Gewandtheit, mit der wir 
ihn später Griechisch sprechen und schreiben sehen. Im 
Anfange des Jahres 1485 ging Adramyttenus mit Picus nach 
Pavia, wo er bald darauf starb; Aldus aber siedelte nach 
Carpi über (lateinisch Carpi, orum, und Carpum) in das 
Haus der verwittweten Fürstin Catharina von Carpi und 
Novi, einer Schwester des Picus. (s. den Brief des Aldus 
an Politian.) Dort unterrichtete Aldus die beiden Söhne der 
Fürstin, Albertus und Leonellus, welche ihm beide zeit- 
lebens zugethan blieben. Ueber seine Thätigkeit in Carpi 
haben wir durch Morelli einige Aufschlüsse erhalten, denen 
Renouard S. 540 eine poetische Zuschrift des Aldus an 
Leonellus hinzugefügt hat.*) Er trieb mit beiden Knaben 
die alten Sprachen, und besonders der ältere Bruder, Albertus, 
geboren 1475, ein frühreifer Kopf, wie sein Oheim Picus, 
berechtigte seinen Lehrer zu den schönsten Hoffnungen. Wie 
lernte man aber damals die alten Sprachen bei dem Mangel 
an brauchbaren grammatischen und lexicalischen Hülfsmit- 
teln? Lateinische Grammatiken neuerer Art, nicht mehr im 
Style das Doctrinale, gab es eigentlich zur Zeit, als Aldus 



') Aldi scripta tria longe rarissima denuo edidit' Morelli. Bassani 
1806. Die Schriften sind: Musarum Panagyris per Aldum Manuccium 
Bassianatem Latinum cum Hexasticho et Paraenesi ejusdem ad Albertum 
Pium Magnificum atque inclytum Garpi Prlncipem. Dann folgt in Ver- 
bindung hiermit ein Brief des Aldus, etwa von 1488, an die Fürstin 
Catharina Pia, hierauf eine zweite Paränese in Distichen ähnlichen In- 
haltes , wie die erste , zuletzt ein kleines Gedicht des Aldus aus un- 
bestimmter Zeit auf eine mit Cupido spielende Venus. Die Gesänge 
der neun Musen zu je vier Distichen erheben sich nicht über die Art 
gewöhnlicher Lobgedichte, die Paränesen aber sind besser. Sie fordern 
zum fleifsigen Studium auf und dienen zur poetischen Einführung der 
Schriften, welche Aldus seinem Albertus zur geistigen Förderung aus- 
gearbeitet habe und übergebe. 

Die Paränese an Leonellus enthält gut abgefafste Lebeusregeln, z. B. 
Amandos esse moderatores, gnatonicos vero fugiendos. 
Qui te corripiunt monitns, audito libenter. 
Pagina: castigo, quos amo, sacra refert. 

Meist dienen als Themata für die darunter stehenden lateinischen 
Umschreibungen griechische Stellen aus Hesiods Werken und Tagen. 



(> 

in Carpi war^ schon genug, von denen ich als die neuesten 
nur die Rudimenta linguae Latinae von Perotti (1475) und 
die Grammatik des Venetianers Franciscus Niger (\^enetiis 
MCCCCLXXX) anführen will. Aber wie unbeholfen und 
überladen waren auch alle diese neuen Lehrbücher noch, 
die den Anfanger zugleich mit einer Menge unnöthiger, ab- 
stracter Definitionen plagten. Vorzügliche Arbeiten, wie die 
Elegantiae des Laurentius Valla, waren für schon Gereiftere, 
nicht für lernende Knaben. Griechische Grammatiken gab 
es nur von Griechen, in ihrer Sprache geschrieben; sie wa- 
ren aufser der Grammatik des Constantinus Laskaris noch 
nicht gedruckt. Wenn lateinische Uebersetzungen dazu 
existirten, so waren sie wahrscheinlich nicht sehr verbreitet; 
gedruckt erschien die erste lateinische Uebersetzulig einer 
griechischen Grammatik in Vicenza 1489: Constantini Las- 
caris Erotemata cum interpretatione Latina. (S. den Anfang 
des Katalogs der Aldinen.) Mit lexicalischen Hülfsmitteln 
war es weit schlimmer bestellt, indem man noch immer auf 
die alten, von Fehlern wimmelnden Wörterbücher des Papias, 
Ugucio und dergl. angewiesen war. Noch war das erste 
bemerkenswerthe lateinisch - italienische Lexicon, das des 
Ambrosius Calepinus, nicht erschienen, nur das erste grie- 
chisch-lateinische Lexicon des Mönches Grasten oder Creston 
in Piacenza, der nicht lange nach 1492 gestorben zu sein 
scheint, war vielleicht schon bekannt, da es schon 1480 soll 
gedruckt worden sein, half aber schon wegen seiner Dürftig- 
keit nicht viel. (Abgedruckt wurde es auf 100 Seiten von 
Aldus 1497.) Die alten griechischen Lexica, deren man 
schon einige wieder besafs, konnten nur von denen benutzt 
werden, die schon Griechisch verstanden. Unter diesen 
Umständen war der Lernende weit mehr auf die lebendige 
Unterweisung des Lehrers angewiesen, als heut zu Tage. *) 
War die lateinische Formlehre genau gelernt, wobei auch 
die seltenen Wörter und Formen nicht weggelassen wurden. 



') Nur so geniale Naturen, wie Budäus und sein Zeitgenosse Eras- 
mns, konnten das Griechische fast ganz als Autodidacten lernen. Ueber 
orstcren s. Guillaume Bude par Rebitte, S. 143 ff. 



weil man sich eben der Sprache ganz wie einer zweiten 
Muttersprache bemächtigen wollte, so trat von der Syntax 
nur das Nothwendigste hinzu. Dann übersetzte und erklärte 
der Lehrer einen Autor nach allen Beziehungen, und zuletzt, 
auch vielleicht daneben, wendete sich der Schüler zu massen- 
hafter, eindringlicher Leetüre mit eigenen Beobachtungen. 
Hierbei hatte man zu manchen lateinischen Autoren italie- 
nische üebersetzungen aus älterer und neuerer Zeit. Man 
lernte die Sprache mehr aus ihrer eigentlichen Quelle, den 
Schriftstellern, als methodisch aus der Grammatik. Im 
Griechischen war es ähnlich; nur vertrat hier eine latei- 
nische Uebersetzung Vorgeschrittnoren oft die Stelle des 
Lehrers. Da aber Aldus sah, dal's es an leichten und über- 
sichtlich geschriebenen Anleitungen gerade für die Elemente 
fehle, für Aussprache, Accente, prosodische und metrische 
Regeln, so arbeitete er für seine Schüler^) kleine gramma- 
tische und metrische Schriften aus. Diese wurden später 
entweder besonders von ihm abgedruckt, oder gingen in 
seine lateinische und griechische Grammatik über, mit denen 
er damals schon beschäftigt war, oder sind ungedruckt ge- 
blieben. Wahrscheinlich sind zu diesen Arbeiten die weni- 
gen Seiten De litteris Graecis zu rechnen, die er der Gram- 
matik des Laskaris 1495 beigegeben hat, ferner der metri- 
sche Theil seiner lateinischen Grammatik, dann die Ueber- 
sicht über die Horatianischen Metra in seiner Ausgabe des 
Horaz. Eine hierher gehörige, ganz verschollen gewesene 
Brevissima introductio ad litteras Graecas wird im Serapeum 
von 1857, S. 8. besprochen. Wenn er in dieser Zeit der 
Catharina Pia unter Anderem schreibt, er habe wegen der 
recta pronuntiatio secundum accentus et moderatio dictionum 



*) Mit den Söhnen der Fürstin zusammen genofs auch der Jüngling 
Jacohus Berengarius aus Carpi den Unterricht des Aldus. Dieser Bereu- 
garius Carpensis, welcher est 1550 starb, hat sich als Anatom und Chi- 
rurg einen Namen gemacht. Von 1502 — 1527 lehrte er in Bologna, wo 
er 1522 seine Isagogae in auatomiam erscheinen liefs, die er dem Für- 
sten Albertus Pius dedicirte. In der Dedication gedenkt er ihres frühe- 
ren Zusammenseins: nulla oblivio delero potuit quam plurima studia et 
honestissima, quae tecum in mansuetiorum rudimentis sub felici memoria 
Aldi Manutii Romani, praeceptoris nostri, conferebam. 



8 

für ihre Söhne etwas aufgesetzt zur Vermeidung des Bar- 
barismus ^ so meint er damit vielleicht Aufzeichnungen sol- 
cher Art, wie sie seinem Statins beigegeben sind unter dem 
Titel: Orthographia et flexus dictionum Graecarum omnium 
apud Statium cum accentibus et generibus. . . . Der Anfang 
derselben ist: Abas, abantos, äbanta. 6 aßag, rov aßavTog^ 
TOP aßavva. Xvyxk(üq y^al vneQfAvrjaTQag viog' Lyncaei et 
Hypermnestrae filius. 

Von den Paränesen, mit welchen er seine kleinen Aus- 
^beitungen begleitete, möge die eine hier Platz finden: 

Wenn sich im Winter, o Fürst Albertus, früher die Römer 

Sandten nach altem Gebrauch mancherlei Gaben zur Lust: 

Hattest du wieder gegeben des neuen Jahres Calenden, 

Janus, der du des Jahrs Anfang und Ende erblickst. 

Einer sandte ein Schwein, so grofs, wie um Calydons Mauern 

Einstens der Eber erlag; Ferkelchen Jener zum Schmaus. 

Andere sendeten Ziegen und Ilaasen und flüchtige Rehe, 

Fette Euter der Sau*), lustiger Vögel Geschlecht; 

Saftigen Prachtsalat Mancher, dem leidenden Magen zu helfen, 

Und als neueste Frucht Rüben, gereift durch den Frost. 

Würste auch, schmackhaft und süfs, erschienen von Andern als Gabe. 

So war den Ahnen dereinst fröhlich des Winters Beginn. 

So auch mögen dich jetzt, o fürstlicher Knabe, begrüfsen 

Carpi und Novi und was sonst mit dem Ohm du regierst. 

Mag das Gebirge dir Pilze, gewürzhafte TrüflFeln besorgen. 

Und von der Meierei komme der Neujahrskapaun. 

Solcherlei magst du von Andern in reichlicher Fülle erhalten; 

Wir aber senden dir nichts, was nur den Gaumen ergötzt. 

Geistige Speise vielmehr empfange von uns zum Geschenke, 

Dafs dir die Seele mit Macht reife zur Bildung heran. 

Nimm somit als Geschenk ein Büchlein, weniger Seiten, 

Das ich geschrieben für dich und zum Gebrauch dir bestimmt. 

Kurz sind darin erklärt die Accente, die beiderlei Sprachen 

Brauchen mit festem Gesetz, um zu regieren das Wort. 

Wenn dieses Werk dir geföllt, so sollst du weiter empfangen, 

Was für gelegene Zeit ich dir noch berge im Schrein. 

Hast du es fleifsig gelernt, so folgen dann gröfsere Bücher, 

Welche dein Aldus noch hat, alle zu deinem Gewinn. 



') Horat. epist. 15, 41: ... nil vulva pulchrius ampla. 



9 

Es fehlen nun sichere Nachrichten über Aldus bis zu 
seinem Auftreten in Venedig 1494. Es läfst sich annehmen, 
dafs Picus von Mirandula seine Verwandten in Carpi bis- 
weilen besuchte, während Albertus Pius sich unter Aldus 
Leitung ausgezeichnet entwickelte, dafs man darüber sprach, 
wie der inmier noch herrschenden Barbarei mehr und mehr 
abgeholfen werden könne, und dafs die Unterstützungen und 
Zusagen der beiden Fürsten den dafür begeisterten Aldus 
zu dem Entschlüsse brachten, eine Druckerei zu errichten 
und die Werke der Alten in möglichst richtigen Texten über 
die harrende VTelt zu verbreiten, besonders die der Griechen, 
welche zum gröfsten Theile noch ungedruckt und nur We- 
nigen zugänglich waren. Das Gelingen der Unternehmung 
schien den Fürsten gesichert, wenn ein Mann, wie Aldus, 
als Drucker und Herausgeber zugleich auftrete, ebenso ge- 
lehrt, wie practisch, für die Sache enthusiasmirt und von 
schätzbarem Charakter. Ein solcher werde im Stande sein, 
die Arbeiten seiner nothwendigen Mithelfer in technischer, 
wie geistiger Beziehung zu leiten und die schönsten Erfolge 
zu erzielen. Damit man eine so vorausgesetzte Stimmung 
der Betheiligten natürlich finde, wollen wir uns in kurzer 
Uebersicht vergegenwärtigen, wie die gelehrten Zustände 
Europa's und vorzugsweise Italiens sich bis dahin gestaltet 
hatten. 

Unter den Kriegen und Bewegungen der Jahrhunderte, 
die dem Sturze des römischen B;eichs folgten, waren all- 
mählich Gelehrsamkeit und Künste in tiefen Verfall gerathen. 
Man las wenige lateinische Autoren: Virgil, Ovid, Lucan, 
Statins, Einiges von Cicero, Boethius, Augustinus nebst an- 
deren Kirchenvätern, sehr gern auch Macrobius, Marcianus 
Capeila und Appulejus. Die Texte waren meist durch die Feh- 
ler unwissender Abschreiber entstellt, auch vielfach lückenhaft 
Von griechischen Werken kannte man nur sehr wenige, und 
zwar aus schlechten lateinischen Uebersetzungen. Sehr viele 
übrigens schöpften ihre ganze Gelehrsamkeit aus Augustinus 
imd Isidorus Hispalensis. Dabei wurde das Latein, dessen 
man sich als Sprache für gelehrte, kirchliche, staatliche 



10 

Zwecke bediente, seioem ürbildo immer mehr entfremdet, 
am meisten durch den Gebrauch, den die Scholastiker von 
ihm machten. Wir wollen die ursprüngliche Tiefe der 
Scholastik nicht verkennen und ebensowenig vergessen, dais 
unter ihrer Herrschaft die schönen lateinischen Kirchenlieder 
entstanden sind; aber sie war im Laufe der Jahrhunderte 
ganz in sophistische Dialektik und lächerliche Spitzfindig- 
keiten ausgeartet. Mit ihrer Unwissenheit, Willkür und 
einer Sprache, die sich um Schönheit und Richtigkeit nicht 
kümmerte, beherrschte sie mehr oder minder alles geistige 
Treiben des Mittelalters und gab ihm ihre Form. Ihr An- 
sehen stützte sie hauptsächlich auf einen Aristoteles, der 
gleich anfänglich in der verderbtesten Gestalt bei den Abend- 
ländern wieder aufgetaucht war, unter den Commentaren 
der Ausleger aber dem eigentlichen Aristoteles immer 
unähnlicher wurde, zumal da alle Kenntnifs des Grie- 
chischen aufserhalb Griechenland mit der Zeit ganz er- 
losch. Sein Name und einzelne Wörter oder Sätze aus 
ihm bildeten die Grundlage für alle Willkürlichkeiten, 
(s. darüber Politian in der praefatio in Suetonium.) Gegen 
diese dürre Scholastik, die nichts aufser sich wollte gelten 
lassen, erhob sich zuerst in Italien eine Reaction, durch 
welche dieses Land gewissermafsen zum dritten Male Europa 
eroberte, nachdem in alten Zeiten die Römer, dann die 
Kirche aus ihm heraus ihre Herrschaft gegründet hatten. 
Mit der Wiedererweckung des Alterthums, die von Italien 
aus in die übrigen Länder drang, wurden durch tausend 
Vermittlungsstufen Künste und Wissenschaften, Recht und 
geistige Bewegung aller Art zu einem neuen Leben gebracht. 
Petrarca und Boccaccio haben neben ihrer Förderung der 
Nationalliteratur das Verdienst, dafs sie durch ihr unermüd- 
liches Hinweisen auf die Werke der Alten zunächst Italien 
aus der Unwissenheit und Barbarei der Zeit herausrissen. 
Sie erzeugten einen Enthusiasmus, der in gleicher Stärke 
biM in das sechszehnte Jahrhundert fortdauerte und bald 
über die Alpen drang. Nach Italien zu reisen und die be- 
rühmten Lehrer daselbst zu hören, wurde das BedürfniTs 



11 

und der glühende Wunsch aller der Deutschen^ Franzosen, 
Engländer u. s. w., die aus der Rohheit des Jahrhunderts in 
Sprache, Wissen und Denken herausstrebten. Zuerst war 
es das lateinische Alterthum, das aus Schutt und Moder 
wieder erstand, dann, noch ehe die flüchtigen Griechen nach 
Italien kamen und die Arbeit beförderten, das griechische. 
Petrarca hatte _ es noch nicht dahin bringen können, Grie- 
chisch zu lernen, ^) und Boccaccio hatte schon ungemeinen 
Ruhm gewonnen mit seinen sehr unsicheren und geringen 
Kenntnissen in dieser Sprache, die sich nur auf einen ge- 
wissen Kreis von Vocabeln beschränkten ; denn er las zwar 
den Homer, jedoch nur mit Hülfe der lateinischen üeber- 
setzung, die ihm Leontius Pilatus gemacht hatte. Aber 
bereits der Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts zeigt Män- 
ner, wie Franciscus Philelphus, der das Griechische ebenso 
fertig sprach und schrieb, wie das Lateinische, Laurentiu» 
Valla u. a. Allmählich hatten sich viele gelehrte Griechen 
in Italien eingefunden und beförderten die Kenntnifs ihrer 
Sprache, in welcher ihnen manche gelehrte Italiener eben- 
bürtig wurden, so wie wiederum unter ihnen nicht Wenige 
sich des Lateinischen merkwürdig schnell bemächtigten. 
Dabei waren Hochschulen gegründet und Bibliotheken von 
Manuscripten gesammelt worden, wie die Vaticanische, die 
schon unter Nicolaus V. bis zu 5000 Bänden anwuchs, die 
Mediceische u. a. Als in der zweiten Hälfte des fünfzehnten 
Jahrhunderts die Buchdruckerei nach Italien kam, sah man 
in kurzer Zeit die meisten lateinischen Schriftsteller gedruckt, 
während von griechischen, diegröfsere Schwierigkeiten machten, 
vor Aldus Wirksamkeit nur sehr wenige erschienen waren. 
Es drängt sich die Frage auf, was jene Zeiten, abge- 



*) Wenn Petrarca von seiner Zeit sagt, es gebe kaum zehn Men- 
schen (ihn mitgezählt) in Italien, die den Homer verständen, so meint 
er damit nicht den griechischen Homer, den er selbst nicht lesen konnte, 
sondern er will andeuten, dafs kaum zehn die nothwendigen antiquarischen 
Kenntnisse hätten, um den lateinischen Homer zu verstehen, etwa den 
Pindams ThebanuSf oder die Uebersetzung des Leontius Pilatus. Wie 
gering noch Boccaccio's Kenntnifs des Griechischen war, habe ich in 
einem frühern Aufsatze zu zeigen gesucht: Zur Charakteristik der italie- 
nischen Humanisten des 14. und 15. Jahrhunderts. Breslau 1857. 



12 

sehen von dem allgemeinen Gefühle der Unbefriedigtheit 
durch das bisherige geistige Treiben, mit diesem Enthusias- 
mus zum Alterthum hingezogen hat. Wir haben gegen das 
letztere jetzt, nachdem durch die Arbeit der vorangegange- 
nen Jahrhunderte das ganze Leben vervollkommnet ist, einen 
anderen, objectiveren Standpunkt eingenommen. Wir betrach- 
ten die Werke der Alten als Muster der Form, die Betrei- 
bung ihrer Sprache als Mittel zu formeller Bildung, welches 
durch nichts Anderes ersetzt werden könne; ihr Inhalt bil- 
det die Grundlage des historischen Wissens, dient zur Fülle 
und Bereicherung des Denkens, soll überhaupt mit seiner 
Kraft, Schönheit, Herbigkeit den modernen Geist wie mit 
einer Beize durchdringen und färben; die moderne An- 
schauung soll, so weit es angeht, von der naiven und ihrem 
allgemein menschlichen Geiste durchweht werden. Dem vier- 
zehnten und fünfzehnten Jahrhunderte waren die Alten mehr, 
und muTsten es sein. Man ging fast ganz in ihnen auf, 
nicht mit kritischem, sondern mit hingebendem Geiste. Zu- 
erst — wir denken immer zunächst an die Italiener und die 
lateinischen Schriftsteller, denen sich die griechischen natur- 
gemäfs bald anschliefsen mufsten — zog ein nationaler Stolz 
mit einem Gefühle der Pietät zu den Werken der Römer 
hin. Die Macht der Tradition, der Gedanke, von den einst 
die Welt beherrschenden Römern abzustanmien, hatte trotz 
aller politischen Veränderung die Italiener stets durchglüht 
und ihnen einen gewissen Schwung gegeben. Die Schriften 
der Vorfahren kennen zu lernen, die Grofses gethan und 
gedacht, galt als eine Art von Pflicht. In diesem Gefühle 
sagt schon Petrarca regelmäfsig nostri von den Römern im 
Gegensatze zu den Griechen, in demselben las Dante den 
Virgil und was man damals von Livius hatte; ja, von die- 
sem getrieben, wollte Rienzi sogar die staatliche Herrlich- 
keit der Vorfahren, des herrschenden Roms, wiederherstellen. 
Das nationale Gefühl fand sich auch in der Herrschaft 
der lateinischen Sprache befriedigt, die doch niemals ganz 
ausgestorben, sondern nur verderbt worden war. Jetzt, 
nachdem man die alten Vorbilder wieder kennen gelernt, 



13 

sollte auch die Sprache wieder in ihrem alten Glänze auf- 
treten, was der den Italienern besonders eigene Hang für 
Wohlredenheit, Zierlichkeit des Ausdrucks und Wohlklang 
mächtig beförderte, und neue Cicerone, neue Virgilo' sollten 
entstehen.*) Dazu mufste man Richtigkeit des Ausdrucks 
eifrig erstreben. In der Einleitung zu seinen Elegantiis 
sagt Laurentius Valla (1407 — 57 nach Zumpts Angabe): 
„Wir haben nicht durch unsere, sondern der Zeiten Schuld 
Rom verloren, wir haben die Herrschaft verloren; doch wo 
römische Sprache herrscht, ist römisches Reich. Freilich 
hat seit vielen Jahrhunderten Niemand mehr wahres Latein 
gesprochen, noch verstanden; aber die Zeit ist da, dafs es 
wieder auflebe. Ich will aus Liebe zum Vaterlande dahin 
arbeiten und als Sprachreiniger auftreten." An dem Streben, 
durch Reinheit der Sprache die alten Vorbilder zu erreichen 
und zu erneuern, nahmen bald auch die Gelehrten anderer 
Nationen wie an einem gemeinsamen Ziele Theil und such- 
ten, obschon nicht Nachkommen der Römer, mit allen Kräf- 
ten Latini homines zu werden. Dabei trat sogar vielfach 
das Bewufstsein der eignen Nationalität in den Hintergrund. 
Man sah aber zuletzt die Werke der Alten überhaupt als 
den Inbegriff alles Wissenswerthen an, abgesehen von der 
Religion. Nur dadurch sei die Welt in Barbarei gefallen, 
dafs sie dieselben vernachlässigt. Ganz nach Art der Alten 
müsse man bei eignen Schöpfungen wieder verfahren und 
nach ihren Lehren in Bezug auf Kunst und Wissenschaft 
sich richten. So dachten der Philosoph, Dichter, Mathema- 
tiker, Historiker, Redner, Jurist. Auch der Arzt und Natur- 
historiker; denn lange Zeit hielten diese es für die Haupt- 
aufgabe, einen gereinigten Galen, Hippokrates u. s. w. her- 
zustellen, und noch lange dauerte es, ehe man, auf eigene 
Beobachtung der Natur gestützt, anders heilte und die Natur 



') Auch die italienischen Gelehrten verachteten bei der vorherr- 
schenden Richtung auf die Alten hin lange Zeit den Gebrauch der 
Muttersprache, die sich trotzdem im Gefolge derselben zu einer Blüte- 
periode entwickelte. Wenn in Deutschland letztere aus mancherlei Grün- 
den erst weit später eintrat, so hat es dafür vorher die Lutherische 
Bibelübersetzung aufzuweisen. 



14 

anders betrachtete, als nach den Vorschriften des Aristoteles, 
Theophrast, Dioskorides, Galen. 

So suchte man nun mit allen Mitteln sich Manuscripte 
der Alten zu verschaffen, oder selbst abzuschreiben; denn 
die vorhandenen waren selten und theuer. ') Auch sehr 
fehlerhafte zu haben, war doch immer besser, als gar keine, 
da sie mit der Zeit durch Vergleichung mit denen Anderer 
verbessert werden konnten. Wie Jagdhunde, sagt Fabroni 
im Leben des Lorenz von Medici, spürten und suchten die 
Gelehrten überall nach Handschriften. Hauptsächlich die 
Klosterbibliotheken wurden nach den Codices durchforscht, 
welche die Barbarei der Zeiten Würmern und Motten zur 
Zerstörung überlassen habe, während sie, ans Licht gezogen, 
den Durst nach Kenntnissen stillen und Sprache und Den- 
ken bilden könnten. Ja Einige äufserten ein förmliches Mit- 
leid mit ihnen, wie mit empfindenden Wesen, dafs sie in 
finsteren Kerkern vergraben lägen, aller Ungunst preisgege- 
ben. PoggiuSy 1380 — 1459, schildert in einem Briefe an 
Guarinus Veronensis beweglich, wie es in der Bibliothek 
von Sanct-Gallen ausgesehen habe, von wo er den vollstän- 
digen Quintilian und den Asconius Pedianus mitgebracht 
hat. Die Bücher hätten unter Schutt und Staub in einem 
dunklen Thurmzimmer wüst herumgelegen, das man keinem 
verurtheilten Verbrecher zum Aufenthalte anweisen würde. 
(Die Verbrennung des ketzerischen Hieronymus von Prag 
beschreibt derselbe weit kaltblütiger.) Wegen der Einsper- 
rung und schlechten Behandlung der Bücher nennt er, wie 
auch Spätere, die Klosterbibliotheken bisweilen ergastula. 

Obgleich nun aber die gelehrte Bildung in Italien schon 
einen hohen Grad erreicht hatte, als das übrige Europa noch 

*) Es mag wohl bei der Angabe der Preise manches üebertriebene 
sein. So scheint es z. B. wenig glaublich, dafs noch in der letzten Zeit 
des Abschreibens von Handschriften Bohuslaus von Lohkowitz und Has- 
senstein, geb. 1462, t 1510, für einen schön geschriebenen Plato 2000 
Mailänder Goldgulden gezahlt habe. (s. Prochaska, de saecularibus libe- 
ralium artium in Bohemia et Moravia fatis, S. 236.) Ein längeres Ver- 
zeichnifs von Preisen meist lateinischer Ilandschriften aus dem 13. bis 
14. Jahrhundert giebt Kirchhoflf: Die Handschriftenhändler des Mittel- 
alters, S. 145 ff. 



15 

schlummerte, war es dennoch auch dort nur verhältnifsmäfsig 
Wenigen möglich, an ihr theilzunehmen. Nicht Alle konn- 
ten Hochschulen besuchen, Reisen für gelehrte Zwecke un- 
ternehmen oder sich Bücher anschaffen. Noch 1502 nennt 
Aldus in der Vorrede zum Ovid 500 Bände, von denen die 
meisten gewifs schon Drucke waren, bei einem reichen ve- 
netianischen Patricier eine prächtige Bibliothek.') Als die 
deutschen Drucker nach Italien gekommen waren, stellte sich 
der Preis der gedruckten Bücher etwa fünfmal geringer, als 
der frühere der Handschriften. Aber der Preis war noch 
immer zu hoch für Viele, wie die Klagen der Buchdrucker 
über geringen Absatz beweisen.*) Zwar wurde dies alles 
in wenigen Jahren besser; aber der Text der Bücher liefs, 
wo sich nicht namhafte Gelehrte mit Unterstützung hochste- 
hender Personen der Revision unterzogen hatten, viel zu wün- 
schen übrig, und Druckfehler waren dabei sehr gewöhnlich. 
Dies galt hauptsächlich vom Lateinischen, denn von griechi- 
schen Büchern wurden vor Aldus Auftreten und bis zum 
Ablaufe des ersten Jahres seiner Wirksamkeit von Anderen 
wohl nur folgende gedruckt: die Grammatik des Constantinus 
Laskaris^ Mailand 1476, 1480, Vicenza 1489 ; das griechisch- 
lateinische Lexicon des Grasten, Mailand 1480 und öfter; 



') In Deutschland mufsten sich noch 1524 Melanchthons (oder nach 
seiner eigenen Schreibweise Melanthons) Znhörer das Exemplar ihres 
Lehrers abschreiben, als er über Demosthenes Reden las. s. Ruhkopfs 
Greschichte des Schulwesens in Deutschland, S. 252. 

^) Die Deutschen Sweinheim und Pannartz, erste Drucker in Italien, 
hatten sich 1464 zu Subiaco bei Rom niedergelassen, später in Rom 
selbst. In ihrem Namen schreibt 1468 Andreas, Bischof von Aleria, der 
ihre Ausgaben wesentlich leitete, an Pabst Paul IL: „An parva tuae 
Sanctitatis gloria, ut, quae volumina vix centum aureis emi poterant aliis 
temporibus, viginti hodie ac minoris bene exarata et non mendosissime 
scripta redimantur; quae vix viginti aureis lectores mercabantur, guatuor 
et vilius nunc etiam emantur?" Sie druckten noch kein griechisches 
Buch, aber doch schon mit Hülfe von Theodorus Gaza griechische Stel- 
len und Worter im Lactantius, Gellius und anderen. In ihrem Briefe von 
1472 an Sixtus IV. klagen sie ihre Noth und den Mangel an Absatz. 
Unser ziemlich grofses Haus, sagen sie, ist leer vom Nothwendigen, aber 
voll von unverkauften Druckbogen. Ihre Auflagen waren nicht stark, 
meist zu 275, höchstens zu 300 Exemplaren, s. Serapeum XIII. Die 
erste Ausgabe der historia naturalis von Plinius, welche Johann von 
Speier zu Venedig 1469 druckte, bestand nur aus 100 Exemplaren. 



16 

Aesop^ Mailand 1480; das Psalterium Graecum, Mailand 1481, 
Venedig 1486; Homeri Batrachomyomachia, Venedig 1486; 
der vollständige Homer in zwei Foliobänden mit den vUis 
Homeri, ein typographisches Prachtstück, besorgt von De- 
metrius Chalkondyles, Florenz 1488; Isokrates mit Einigem 
von Theokrit und Hesiod, von demselben besorgt, Mailand 
1493; die Anthologie des Planudes, herausgegeben von Janus 
Laskaris, Florenz 1494.*) Soviel sei vom Entstehen des 
Humanismus und dem ersten Zeitalter der naiven Repro- 
duction gesagt. 

Wenn nun ein für Gelehrsamkeit und Bildung der 
Menschheit begeisterter Mann sah, wie mangelhaft noch die 
gedruckten Texte der Alton waren durch Unkenntnifs der 
Drucker oder Herausgeber (s. die Vorrede zu Perotti's Cor- 
nucopiae), wie schwer dabei manche zu lesen waren wegen 
der vielen Abkürzungen, wie griechische Bücher noch so 
wenig vorhanden waren, weil für deren Herausgabe noch 
Wenigere die Fähigkeit hatten, abgesehen von den äufseren 
Schwierigkeiten, so mufste es ihm als ein zwar mühevoUer, 
aber heiliger Beruf erscheinen, eine Druckerei zu errichten^ 
um durch seine Kenntnisse und seinen Eifer den Studiren- 
den aller Länder möglichst billig gute Bücher zu verschaffen 
und die ganze Kenntnifs des Alterthums zu erschliefsen. *) 



^) In Deutschland wendete man griechische Typen zum ersten Male 
in dem Priscian an, der 1501 in Erftirt durch Lupambulus Ganymedes 
(Wolfgang Schenk) gedruckt wurde. S. Panzers typogr. Annalen. VI. 
493. Hier sind die griechischen Stellen hineingedruckt, während solche 
bei früheren Drucken hineingeschrieben oder ganz ausgelassen wurden. 
Das erste ganz griechische Buch ist das neue Testament, Basel 1516, 
welches Erasmus besorgte. 

Das erste griechische Buch, das in Frankreich erschien, wurde 1507 
in Paris von Güles Gourmont gedruckt. Es war der Gnomagyricus des 
Tissard, ein kurzer Auszug aus den Gnomikern. s. Rebitte, S. 7 fF. 

") Manche Italiener erklärten es noch zu Aldus Zeit für unklug, 
die Kenntnifs der griechischen Autoren durch den Druck allgemeiner zu 
machen; denn die Barbaren konnten sich dann zu Hause unterrichten 
und würden weniger genöthigt sein, nach Italien, an die Quelle der Bil- 
dung, zu kommen. So erzählt Beatus Khenanus in der Einleitung zu 
den Werken des Erasmus: „Quidam Venetiis olim Aldo Manutio commen- 
tarios Graecos in Euripidem et Sophoclem edere paranti dixit: Cave, 
cave hoc facias, ne barbari istis adjuti domi maneant et pauciores in 
Italiam ventitent." 



17 

So dachte Aldus. Wie wenig ihn Begierde nach Gewinn 
erfüllte, sondern nur reiner Eifer und Enthusiasmus für die 
Sache, der er sich widmete, werden wir später genauer 
sehen. Kurz, er siedelte von Carpi gegen 1490 nach Ve- 
nedig über, um dort nach den nöthigen Vorbereitungen als 
Drucker aufzutreten. Daraus, dafs Aldus in seiner Vorrede 
zum Thesaurus, vom August 1499, sagt: postquam suscepi hanc 
duram provinciam, (annus enim agitur jam septimus) .... 
schliefst Renouard, dafs er 1488 oder 1489 nach Venedig 
gegangen sei. Ich möchte lieber Mitte 1490 setzen, damit 
die Zwischenzeit bis zum Erscheinen des ersten aldinischen 
Buches weniger lang ist. Auch pafst ja noch auf diese Zahl 
der Ausdruck: ^ annus agitur jam septimus^, der im Nothfalle 
gerade so in seinem Sinne etwas zu verengern ist, wie das 
Wort septennium in ^Aldi monitum in Lugdunenses typo- 
graphos'' (s. den Catalog der Aldinen bei 1503) erweitert 
gedacht werden mufs. Warum Aldus gerade nach Venedig 
ging, wissen wir nicht; doch liefsen sich wohl einige Ver- 
muthungen äufsern. Venedig, die reiche und mächtige See- 
und Handelsstadt, welche schon 1422 eine Bevölkerung von 
190,000 Seelen hatte, zählte mehr Buchdruckereien, als ir- 
gend eine Stadt Italiens (um das Jahr 1500 gegen 200)^ 
ein Beweis^ dafs der Absatz dort gut von Statten ging. 
Dazu kam» dafs Venedig der sicherste Ort der Halbinsel war 
und unter seiner oligarchischen Regierung auch im Innern 
nicht durch die Partei -Unruhen zerrüttet wurde, die der 
Krebsschaden anderer Republiken waren. Für Aldus als 
(pikikXfjVy wie er sich Anfangs nannte, z. B. in der Vorrede 
zum Musäus, konnte die Stadt noch einen andern Anzie* 
hungspunkt haben: erstens nämlich war dort der gröfste 
Zusammenflufs von Griechen; dann war seit dem Tode des 
Cardinais Bessarion, welcher der Republik seine Bücher voe- 
macht hatte, die Marcusbibliothek in Vtoedig gegründet 
worden, deren Grundlage die Bücher des Cardinals und die 
schon hundert Jahre früher von Petrarca geschenkten waren. 
Letzterer hatte auch einige griechische Manuscripte besessen: 

Homer und mehrere Schriften Plato^s, die er zu seinem 

2 



18 

Bedauern nicht hatte lesen können; die Bibliothek Bessarioos 
aber soll aus 900 Bänden bestanden haben, worunter g^en 
600 griechische waren, die ihn, wie man berechnete, 30,000 
Ooldscudi gekostet hatten (s. Boemer, de Graecis hominibus 
doctis, S. 66 ff. ; Voigt, erstes Jahrhundert des Humanismus, 
S. 337, 338). Diese Bibliothek konnte Aldus reizen. Er« 
weislich hat er später bei manichen seiner Ausgaben, z. B. 
der des Plutarch und Plato, Handschriften benutzt, die 
Bessarions Eigenthum gewesen waren. 

Nach Apostolo Zeno hielt Aldus in der ersten Zeit in 
Venedig Vorlesungen über alte Autoren, hauptsächlich aber 
lernte er das Drucken und traf dann Anstalten, selbst eine 
Druckerei zu errichten. Gundling in seiner ^Historie der 
Gelahrtheit^ meint, dais Aldus bei dem berähmten Jenson 
oder Jansen gelernt habe. Dies ist zwar nicht wahrschein- 
lich, da Jenson um diese Zeit wohl überhaupt nicht mehr 
lebte; wenigstens Drucke unter seinem Namen erschienen 
nur bis 1482. Wenn aber Renouard mit seiner Angabe 
8. 389. Recht hat, dafs Andreas von Asola, später Aldus' 
Schwiegervater, die Druckerei des Jenson 1479 gekauft habe, 
so bliebe von Gundlings Nachricht doch etwas übrig, wenn 
man annähme, dafs Aldus bei Andreas in der ehemals Jen- 
sonschen Druckerei gelernt und durch seine Lehrzeit bei 
diesem den Grund zu ihrer späteren Verbindung gelegt habe. 
Doch sind dies nur Vermuthungen. Den Ort, wo Aldus 
seine Druckerei einrichtete, giebt die Adresse eines Briefes 
aus Carpi an,^) den Marcus Musurus an den Corrector Jo- 
hannes Gregoropylus richtet: In Casa di M. Aldo apresso 
Sancto Augustino doue se stampe. Renouard, 8. 520. 

Um die fernere Erzählung von Aldus' Thätigkeit, nicht 
durch die Erwähnung der erscheinenden Bücher fortwährend 
zu unterbrechen, werde ich jetzt den Catalog der Aldinen 
geben, wobei hin und wieder der Erzählung vorgegriffen, 
Anderes erst wieder durch diese erläutert werden wird. Aus 



*) Der Brief wurde durch einen Diener des Fürsten Albertus über- 
bracht und mufs vor 1505 geschrieben sein, ehe Musurus nach Padua 
berufen wurde. '^ 



19 

den Vorreden werde ich einzelne charakteristische Stellen 
ausziehen^ bei der Aufzählung der Bücher selbst aber mich 
meist auf Renouard als den sichersten Führer stützen, 
auf den ich auch für die vollständigen Titel verweise, die 
ich ihrer Länge wegen nicht immer ausgeschrieben habe, 
oder mehr erklärend beschreibe. Bei einzelnen Büchern 
ergeben sich gelegentliche Bemerkungen. Die beigeschrie- 
benen Preise sind aus den Catalogen des Aldus selbst ent- 
nommen, »und zwar ist der Ducaten zu 6 librae (lire) = 
12 marcelli =124 solidi gerechnet. 



Zweites Capitel. 



Catalog der Bücher Aldns' des Aelteren. 

1494 — 1515. 



1. Constantini Lascaris Erotemata cum interpretatione 
Latina. De litteris Graecis ac diphthongis et quemadmodum 
ad nos veniant. Abbreviationes quibus frequentissime Graeci 
utuntur. Oratio Dominica et duplex salutatio Beatae Vir- 
ginis. Symbolum Apostolorum. Evangelium Diei Joannis 
Evangelistae. Carmina Aurea Pythagorae. Phocilidis viri 
8apientissimi moralia. Omnia suprascripta habent e regione 
interpretationem Latinam de verbo ad verbum. Venduntur 
marcellis quatuor. 

Die Erotemata haben am Ende die Jahreszahl 1494, und zwar 
Februar 1494, was nach damaliger Rechnung bei den Venetianern der 
letzte Monat des Jahres 1493 war; hinter De litteris Graecis .... aber 
steht März 1495. Man findet das Ganze jetzt immer zusammengebunden. 
Die Grammatik des Lascaris, beruhend auf Herodian, dem Etymologicum 
magnum, Tryphon und Neueren, blieb mit denen des Theodorus Gaza und 
Chrysoloras lange Zeit die Grundlage aller griechischen Grammatiken. 
Am längsten hat sich aus ihr und Theodorus Gaza rvnra} als Paradigma 
erhalten. Das erstgenannte Buch war schon mehrmals vorher gedruckt 
erschienen, aber jetzt vergriflFen. Aldus gab es correcter und vollstän- 
diger heraus. Es brachten ihm nämlich zwei vornehme venetiamsche 



21 

Jünglinge, Petras BembuB, der nachmalige Cardinal, und Angelas Ctabriel, 
aaf den Wunsch des alten Gonstantinus Laskaris, den sie in Messina 
gehört hatten, die Grammatik desselben zum Drucke, welche jener selbst 
an mehr als 150 Stellen verbessert hatte. Die lateinische Uebersetzung 
war die des Johannes, monachus Placentinus (Graston von Piacenza), 
welche der Vicentiner Ausgabe von 1489 beigegeben war, nur gereinigt 
von den gröbsten Fehlem und unlateinischen Wendungen. In dieser 
ging nämlich das Bestreben, wörtlich zu übersetzen, so weit, dafs z. B. 
yta^ ßactXei übersetzt wurde : juxta regi. Hier setzt Aldus : juxta regem, 
wodurch aber ein Anfönger. wieder in die Gefahr kommen konnte, ßaatXet 
für den Accusativ gleich regem zu halten; denn diese Art von lieber- 
Setzungen war nur für Anfönger berechnet, welche aus ihnen nicht nur 
den Sinn des griechischen Textes verstehen, sondern auch die einzelnen 
Wörter desselben als Vocabeln und Formen kennen lernen sollten. Der 
Hauptfehler ist eben der, dafs die des Beispiels wegen angeführten grie- 
chischen Wörter überhaupt lateinisch übersetzt sind. Hier fügt sich auch 
Aldus dem Bedürfnisse und der Sitte der Zeit, wenn er es auch nicht 
über sich gewinnen konnte, juxta regt stehen zu lassen, und hat, wie 
Graston, z. B. folgende Sätze : Ita ante m% attenuatur, ut dies, — Indigeo 

suhscrihitur ab ionico egeo, et celehro a celehro Davon lautet der 

griechische Text: ro 17 TtQO rov /i y;tXovrat, olov ^fia^. (17 vor fi hat 
den Spiritus lenis, wie in rj^iaq). XQÜ^ v^toy^ayerai ano rov tcoyixov 
X^t^of, xl^^ca ano rov xXrjft^to, . . . Of^S«», vom ionischen x^"^"^» hat 

ein iota subscriptum, ebenso «^jj?«?, von xXrjtZco ) üebrigens findet 

sich dieselbe Art der Uebersetzung auch noch in der Basler Ausgabe des 
Theodorus Gaza von 1541. Wie künstlerische Uebersetzungen aber auch 
Aldus* Zeit hervorbringen konnte, wenn man nicht für Anfönger sorgen 
wollte, zeigt Politians Herodian. 

In dem Appendix: De litteris graecis ac diphthongis, lehrt Aldus nach 
damaliger Sitte die neugriechische Aussprache, wie sie Reuchlin aus Italien 
nach Deutschland gebracht hat. Er Sagt ausdrücklich: „Hfacit i longum, 
ut tPHNH phini, at facit ae, ') ut aiyle, aegis. ei facit i longum, ut eU 
is, x^^> c^' ^*" ^'^ci^ i longum, ut oifiol imi. 17 i longum, r^ fiovcri 
ii müsi**, u. s. w. Man sieht den Itacismus. — In der Vorrede zur Gram- 
matik schreibt Aldus: „Interpretationem Latinam e regione addidimus .... 
nam rudibus et ignaris penitus litterarum graecarum La^caris institutiones 
grammaticas imprimendas curavimus. Mox eruditis et doctis optimi grae- 
corum libri favente Ghristo Jesu imprimentur." In der Vorrede zum Ap- 
pendix: Omnem vitam decrevimus ad hominum utilitatem consumere. 
Dens est mihi testis nihil me magis desiderare, quam prodesse hominibus. 
quod et anteacta vita nostra ostendit, ubicunque viximus, et ostensuram 



'} In der ersten Ausgabe steht e statt oe; die zwei folgenden aber 
haben oe. 



22 

Bperamns (quando id volamus) indies magis qnamdiu TiTitnns in hac 
lachrymarum valle et plena miseriae. Dabo eqoidem operam, ut, qaaii- 
tnm in me est, semper prosim .... haec tarn mnltis verbis dixi amore 
incredibili erga omnes homines incitatus meo. 



1495. 

1. Theodori Gazae Introductivae Grammatices libri 
quatuor. Ejusdem de mensibus opusculum. ApoHonii gram- 
matici de constructione libri quatuor. Herodianus de na- 
meris. 1 duc. 

Hierbei ein Privilegium des Senats gegen Nachdruck. In der Vor- 
rede an den Leser wird von der Menge der alten Grammatiker gesprochen 
und der Verlust derselben beklagt .... ut aliis plurimis in quavis scientia 
pretiosissimis libris, vel hominum incuria vel infelicitate temporum his 
quoque caremus. Yix extant Apollonii quatuor libri de constructione, 
qui quales sint, ipse studendo cognosces. 111 ud uon te fugiat exemplaria 
habuisse me quam plurima curasseque, ut quam emendatissime imprime- 
rentur, neque quidquam ausum aut addere aut diminuere. Sperabam enim 
cum ceteros Apollonii libros, tum hos quoque de constructione habituros 
nos aliquando correctiores, et quotcunque etiam scripsit Herodianus filius, 
si quo in carcere indigne et miserabiliter detenti latent squalidi fuligi- 
nosique et corrosi blattis. Interim .... 

2. Theocriti eclogae triginta. Catonis Romani sententiae. 
Sententiae Septem sapientum, Theognidis Megarensis Siculi 
sententiae elegiacae. SentenLiae monostichi per capita ex 
variis poetis. Aurea carmina Pythagoroß. Phocylidae poema 
admonitorium. Garmina Sibyllae Efifthraeae de Christo Jesu 
domino nostro. Differentia vocis. Hesiodi Theogonia. Ejus- 
dem scutum Herculis. Ejusdem georgicon libri duo. 8 marc. 

Es giebt eine Ausgabe ohne Datum von achtzehn Idyllen des Theo- 
krit zusammen mit Hesiods Werken und Tagen, der mau das Jahr 1493 
giebt. Aldus' Ausgabe wäre also die zweite. Die dritte ist von Zacharias 
Kalliergus, Rom 1516, welche auch die Schollen zu achtzehn Idyllen 
enthält. 

Die Vorrede ist an Baptista Guarinus gerichtet : Aldus Man. -Roman. 
Baptistae Guarino, praeceptori suo. En tibi, magister doctissime, Theo- 
gonia Hesiodi, quam petis a uobis interpretaturus publice discipulis tuis. 
Addidiinus ejusdem poetae Scutum ac Georgicorum libros, nee non Theo- 
criti Idyllia. Item Si qua tarnen leges incastigata tarn hie quam 

in ceteris libris, quos ego ad communem studiosorum omnium utilitatem 



23 

curo imprimendos (nam esse aliqua non eo inficias), doo mihi impates, 
sed exemplaribas. Non enim recipio me emendatumm libros; nam in 
qoibusdam Oedipo conjectore opus esset (ita enim mutilati quidam sunt 
et iüversi, ut ne ille quidem, qui composuit, si revivisceret, emendare 
posset); sed curaturom summo studio, ut yel ipso exemplari imprimantnr 
correctiores. Sic in Apollonio granmiatico fecimus. Sic in hoc libro in 
üs, qoas addidimus, eclogis, rati satius esse aliquid habere, quam nihil. 
Quod incorrectnm est, si lateat, raro vel potius nunquam emendatur. Si 
yero prodit in publicum, erunt multi qui castigent, saltem longa die. Sie 
in Fabio Quiutiliano, sie in C. Plinio Nepote, sie in nonnuUis aliis fac- 
tum videmus, qui quotidie emendantur, qüotidie pristinae elegantiae et 
candori propius accedunt. Sed periniqui sunt et ingrati, si qui sunt, 
qui me accnsent. Eis ego nihil imprecarer, niäi ut, quemadmodum ego, 
ita et ipsi curarent aliquando imprimendos graecos libros. Sentirent certe 

longo aliter Hunc librum tibi dicamus tum mea in Veronenses 

benevolentia (debeo enim plurimum Veronensibus; nam a Gaspare Vero- 
nensi, peregregio grammatico, didici Romae latinas litteras, a te vero 
Ferrariae et latinas et graecas), tum quia totus fere hie liber est de 
moribus. Quid enim convenientius, quam de moribus scribere ad eum, 
qui Sit moribus omnium ornatissimus? Es tu quidem aetate nostra alter 
Socrates. 

3. Petri Bembi de Aetna ad Angelum Chabrielem liber. 

4. Organen ÄHstotelis^ hoc est logici ac dialectici libri. 
1\ duc. 

Hinter der Vorrede des Aldus folgen griechische Vorreden des Bon- 
dinus und Carteromachus. 

Um diesen Band machten sich besonders verdient der venetianische 
Arzt Alexander Bondinus, genannt Agathemeros, und Scipio Cartero- 
machus. Er ist, wie der ganze Aristoteles und viele der späteren Bü- 
cher, dem Fürsten von Carpi gewidmet: Hos libros. Alberte Princeps, 
tibi dicamus, tum quia es doctorum aetatis nostrae alter .Maecenas; nam 
ipse tibi, quod Flaccus Maecenati, merito dixerim: o et praesidium et 
dulce decus meum; in mea enim hac dura provincia tua ope*) defensus 
sum maxime et adjutus, ita ut, si mihi debent, tibi aeque debeant necesse 
est Studiosi litterarum graecarum : tum etiam quia novi te librorum grae- 
corum percupidum, quos ut tibi pares, nulli parcis impensae, imitatuß 
Picum Mirandnlanum, avunculum tuum, hominem ingenio admirabili et 
summa doctrina, quem nobis mors invida nuper surripuit, comitem Her- 



'} In einem der späteren Bände des Aristoteles sagt Aldus von 
demselben Albertus: non modo assidue adjuvas provinciam nostram opi- 
bus tuis, sed agros quoque fertilissimos amplissimosque te mihi dona- 
tnmm palam dicis. Immo oppidum amoenum ex tuis ita meum futurum 
poUioeris, ut in eo aeque ac tu jubere possim. 



24 

molao Barbaro et Angelo Politiano, viris aetatis nostrae dootissimis, qni 
tres tamqaam trinmyiri poterant cum antiquitate certare. Homm ta 
aemulus, docte adolescens, non dubito quin brevi sis plarimnm profe 
cturus. Nihil enim tibi deest: non ingenium, quo yalde abundms; non 
eloqnentia, qua tu es praeditus ; non libri, nee latinae nee graecae neque 
hebraicae disciplinae, quos tibi summo studio cnraqne perquiris; non 
doctissimi praeceptores , quos tu conductos habes mnlta pecunia. In- 
combe igitur (ut facis) bonis artibus. Ego qnidem tibi, si quid possum, 
nunquam deero. Habes nunc a me libros Aristotelis logicae disciplinae. 
Habebis Deo fayente et philosophicarum tum morales tum physicos, et 
quoscunque ille divinus magister legendos posteritati reliquit, modo extent 
Erunt deindo a me tibi et ceteris studiosis commentatores Aristotelis, 
Ammonius, Simplicius, Porphyrius, Alexander, Philoponns et Themistias 
paraphrastes. Imprimentur etiam grammatici, poetae, oratores, historid 
et quicunque profuturi videbuntur studiosis consulturique peritorae doc- 
trinae et bonis litteris. 



1496. . 

1. Thesaurus. Comucopiae et Horti Ädonidis. 1^ duc. 

Eine GoUection griechischer Grammatiker. 

Ecce habetis opus oppido quam utile et uecessarium, quod xe^ae 
uifiaX&elas, quod ocrJTtove uiBcoviBos, quod jure Thesaurum appellayerim. 
In eo enim fere omnia reposita sunt, quae desiderare quis possit ad 
p^ectam absolutamque cognitionem litterarum graecarum, et eorom 
praecipue, quae leguntur apud poetas, qui verba variis figuris ac Unguis 
ita saepe immutant, ut facilius sit Nili caput, quam alicujus temporis 
thema aut principium invenire. Sed hoc libro quam facillima facta sunt 
omnia. Primus labor in eo fuit Guarini Camertis et Caroli Antenorei 
Florentini, hominum multi studii ac in graecarum litterarum lectione 
frequentium. Hi simul ex Eustathio, Etymologico et aliis dignis gram- 
maticis accepere haec canonismata digessereque per ordinem litterarum, 
nee sine adjumento et consilio Angeli Politiani, viri summo ingenio ac 
impense docti. Secundus vero labor mens fuit, qui ea omnia recognovi, 
non parvo labore cum iis conferens voluminibus, unde excerpta fuerant 
Multa enim addidi, plurima immutavi, adjuvante interdum Urbano, divi 
Prancisci Fratre optimo, a quo brevi habebitis, quas summa cura ac 
doctissime composuit in graecam linguam introductiones. 

Firmin-Didot glaubt dieses Buch 1497 statt 1496 ansetzen zu müs- 
sen, indem er bemerkt: Renouard indique ä cet ouvrage la date^de 1496, 
quoique sur Toriginal la dato soit ainsi imprim^e: M. III. D; et cepen- 
dant M* Renouard ränge sous la date de 1497 les autres ouvrageß d'Älde 
qui portent cette meme indication: M. III, D. (Les Aide Ms^nuce par 



25 

Ambroise Finniii-Didot, S. 291). Er hat nicht das Original selbst an- 
gesehen. Dies hat als Jahreszahl M IUI. D., was Renouard wohl wuTste, 
nur dafs bei ihm durch einen Druckfehler M. III. D. steht 



1497. 

1. Äristotelis operum yolumen secundum. Arisiotelis 
vita ex Laerüo. Ejusdem vita per Joannem Philoponum. 
Theophrasti vita ex Laertio, Galeni de philosopho historia. 
Äristotelis de physico auditu libri VIII. De coelo libri IV. 
De generatione et comiptione 11. Meteorologicorum IV. De 
mundo ad Alexandrum unus. Philonis Judaei de mundo 
über unus. Theophrasti de igne lib. I. Ejusdem de ventis 
lib. I. De signis aquarum et ventorum incerti auctoris.' 
Theophrasti de lapidibus lib. I. 2 duc. 

Qualescunque (Äristotelis scilicet et Theophrasti libros; 

habere potui, imprimendos curavi, sperans, sicubi latent meliores, in 
lucem aliquando exituros, a studiosis, qui mendosos hos legerint, quae- 
sitos perdiligenter. Äristotelis yero et quae nunc legenda damns, et 
quae mox Deo favente datnri sumus, mnltum certe elaboravi, ut tum 
^qnaerendis optimis et antiqnis libris atqne eadem in re mnltiplicibus, 
tum conferendis castigandisque exemplaribns , quae dilaceranda impres- 
soribus traderentur perirentque ut pariens yipera, in manus homiuum 
yenirent quam emendatissima. 

^ 2. Volumen tertium. De historia animalium libri IX. 
De partibus libri IV. De incessu lib. I. De motu lib. L 
De generatione animalium libri V. De anima libri III. 
Parva naturalia etc. 2^ duc. 

Quodsi hos de animalibus libros cum üs conferes, ') quos 

miro successu Theodorus Gaza, licet Graecus homo, tarnen et latine et 
graece eruditorum omnium aetatis suae facile princeps, fecitlatinos, breyi 
quantum profeceris non poenitebit. Ibi enim utriusque linguae proprie- 
tatem licet cognoscere. Quod et nobis et Graecis est apprime necessa- 
rium. Nullus est (mihi crede) graecus liber, in quo facilius disci graeca 



') Möglichst wortliche lateinische Uebersetzungen griechischer Auto- 
ren waren ein Hauptmittel, um Griechisch zu lernen. Darum sagt Mu- 
tianus Rufus wenige Jahre später zu Henricus Urbanus: Cum latinam 
linguam ad amussim tenes, graecam nullo negotio percipies. Habebis 
adjumenta maxima; nam Aldus ubique graecis latina copulat. Tentzel, 
S. 84. 



26 

liagüA possit ab hominibns nostris propter Theodomm. Sic g^aeee didi- 
cit Hermolaas Barbaras, sie Picus Miraodala, avuaculas taas, sie Uiero- 

nymus Donatas, sie Angelas Politianus sie deoiqae qaicanqoe 

graeeas litteras eallet temporibus nostris. Idem et tibi, mi Alberte, 
censes faeiendum, ut, cum et tu non medioeri sis ingenio, iis, qaos 
praedixi, et eloqnio par fias et scientia reram. 

3. Yolumen quartum. TheophrasH de historia planta- 
nun libri X. Ejusdem de causis plantarum lib. VI. Äri- 
stotelis problematum sectiones duodequadraginta. Älexandri 
Aphrodisiensis problematum libri duo. Aristotelis mecliaiii- 
comm lib. I. Ejusdem metaphysicorum lib. XIV. Theih 
phrasH metaphysicorum lib. I. 3 duc. 

4. Institutiones graecae grammatices (auctore fratre 
ürbano Bohanio ordiuis minorum). jt marc. 

Dieses oft wiederholte Baeh ist darch die Vorträge des Constantinns 
Lascaris hervorgerufen, welehen ürbanus in Messina gehört hatte. Es 
ist die erste selbständige lateiniseh geschriebene Grammatik der grie- 
chischen Sprache bei den Neueren, keine lateinische Uebersetzong der 
Grammatik des Lascaris. 

5. JambKchus de Mysteriis Aegyptiorum^ Chaldaeorum, 
Assyriorum. Proclus in Platonicum Alcibiadem de auima^ 

atque de daemone. Proclus de sacrificio et magia 

Mcursilii Fidni liber de voluptate (haec omnia latine). 3 libr. 

Eine Sammlung philosophischer, besonders neuplatonischer Schriften. 

6. Dictionarium graecum copiosissimum secundum or- 
dinem alphabeti cum interpretat^one latina. CyrilK opu»- 
culum de dictionibus .... Ämtnanius de differentia dictio- 
num .... Index oppido quam copiosus dooens latinas di- 
ctiones fere omneis graece dicere et multas etiam multis 
modis. 1 duc. 

Das griechisch -lateinische Lexicon, welches die ersten 50 Blätter 
einnimmt, ist ein Wiederabdruck des Lexicons von Creston pder Graston 
aus Piacenza; dagegen ist der am Ende befindliche lateinisch-griechische 
Theil von Aldus. 

8 — 11. Philosophische und medicinische Schriften des 
Laurentius Mcgolus und Averroes, 2 libr. 

12. Libellus de Epidemia^ quam vulgo morbum Galli- 
cum vocant (a Nicoiao Leoniceno Vincentino). 

13. Horae beatissitnae Virginis .... Graece. 2 marc. 



27 



1498. 

1. Äriitotelis quintom et lütimum volumen. 2 duc, 
später 4 dnc. 

Ethicorum ad Nicomachum libri X. Politicorum libri 
Vm. Oeconomicomm libri IL Magnorum moralium libri 
n. Moralium ad Eudemum libri Vm. 2 duc. 

Atqne utinam id omne , quod est a Leonardo Aretino in lati- 

num traductum, dare potuissem, qnod ut haberemus Romam, Florentiam, 
Mediolanum, in Graeciam, ad ipsos quoque divisos toto orbe Britannos 
et quo non? misimus nee, nisi quod etiam Venetiis habebatur, accepimus. 

Die Poetik und Rhetorik des Aristoteles erschienen erst 1508 im 
ersten Bande der Rhetores graeci, - Den Preis für die fünf Bände des 
Aristoteles und Theophrast (von letzterem fehlen die ;^a^«>«r^^eff) erhöhte 
Aldus später von elf auf dreizehn Ducaten. Sie haben zusammen 3648 
Folioseiten. Eine Abschrift derselben würde nach der später erwähnten 
Rechnung (s. drittes Qapitel, I.) wenigstens sechzig Ducaten gekostet 
haben. 

2. Äristophanis comoediae novem cum scboliis graecis 
Marci Musuri. 2\ duc. 

Es fehlen Lysistrate und die Thesmophoriazusen, welche erst 1515 
in der Florentiner Ausgabe erscheinen. Musurus, der eigentliche Her- 
ausgeber, ist bei der Zusammenstellung der Schollen nicht ohne Aus- 
wahl verfahren. Die lateinische Vorrede des Aldus ist an Daniel Clarius 
aus Parma gerichtet, mit welchem Ersterer in vielfacher Verbindung ge- 
standen zu haben scheint. Es heifst in ihr: Errant meo judicio multum, 
qui se bonos philosophos medicosque evasuros hoc tempore existimant, 

si expertes fuerint litterarum graecarum Accipe igitur novem 

Äristophanis fabulas; nam decimam, Lysistraten, ideo praetermisimus, 
quia vix dimidiata haberi a nobis potuit. 

3. Omnia opera Angeli PolitianL 1 duc. 

Gewidmet dem venetianischen Patrider und Geschichtsschreiber 
Marinus Sanutus. Die Sammlung der einzelnen Schriften des Politian 
ist durch Alexander Sartius und Petrus Crinitus (Ricci) besorgt. Die 
ewjuratio PacHana fehlt in dem schönen Drucke, wahrscheinlich absicht- 
lich von Aldus weggelassen. 

4. Ad Alexandrum Sextum Pontificem Maximum pro 
Philippo Bavariae duce Palatino Rheni Sacri Romani Im- 
perii Electore Joannis Reuchlin phorcensis Legum doctoris 
Oratio. 

Vgl. später Brief XI, Anmerk. 1. 



28 

5. Erster Catalog der bis dahin gedruckten Bficher 

des Aldus. 

Dies ist der erste bedeutendere Gatalogf, den ein Buchhändler von 
seinen Yerlagsartikeln erscheinen liefs. Als das erste dieser Art mob 
man allerdings die kurzen Angaben yon Sweinheim und Paonart« nebst 
einigen Späteren betrachten. Dabei Angabe der Preise. 



U99. 

1. Epistolarum graecarum collecHo, 1 duc. 

Zwei Abtheilungen in einem Bande, besorgt von Musurus, gewidmet 
dem Antonius Godrus Urceus in Bologna. 

Etiam illud onmes scire cupiam summae quidem nobis curae 

fuisse, ut hoc opus correctissimum esset; si vero quid alicubi effugit, id 
aut perversam litteram esse aut tale quippiam, quod nee üs, qui summo 
quod ajunt digito graecum gustarunt sermonem, impedimento eAe possit 
ad intelligendum textum, in Alciphroneis tamen alicubi sententiam esse 
depravatam, nihil nobis extra exemplaria, quae insanabiliter erant cor- 
rupta, noYare ausis 

2. Nicolai Perotti comucopiae. 3 libr. 

Nicolaus Perotti, gestorben 1480 als Erzbischof von Siponto oder 
Manfredonia, hinterliefs unter obigem Titel einen stark angeschwollenen 
Gommentar zu wenigen Epigrammen Martials. Er hatte ihn nicht drucken 
lassen wollen, weil er immer befürchtete, man könnte ihm als Kirchen- 
fürsten diese Art von Studien yerubeln. Nach seinem Tode wurde das Werk 
Yon seinem Neffen Pyrrhus Perotti zum Drucke gegeben und seitdem 
mehrmals aufgelegt. Aldus gab eine yerbesserte und gereinigte Aus- 
gabe und beklagt in der Vorrede, wie leichtsinnig und ungeschickt und 
mit welcher Unwissenheit von 'Anderen Bücher gedruckt würden. Diese 
Klage wird in jenen Zeiten häufiger laut und läfst das Verdienst yon Män- 
nern der Art, wie Aldus war, doppelt schätzen. Hermolaus Barbarus 
sagt 1492 in der Vorrede zu seinen Ccuttgationes Plinianae: „Nunc libri 
passim imprimuntur, sed impressi scatent erroribus. In hac autem edi- 
tione nostra partim instando, partim muneribus et gratia consecuti sumus, 
ut opifices haberemus et diligentes et doctos.'^ Weitläufiger läfst sich 
über diesen Punkt später Erasmus aus: Bäcker und Schuhmacher, sagt 
er, darf Keiner sein, der nicht yom Gewerke für tüchtig erklärt worden 
ist; aber die fehlerhaftesten Bücher zu drucken, wie sie fortwährend er- 
scheinen, steht Jedem frei, ohne dafs er gezwungen würde, einen tüch- 
tigen Gelehrten bei seinen Drucken zur Seite zu haben, der für seine 
Mühe natürlich belohnt werden müTste. Solche Drucker sollten sich an 
Aldus und jetzt in Deutschland an Proben ein Beispiel nehmen. {Adagia 
in der Ausgabe von 1526 unter: festina Jente.) 



29 

3. JuKi Firmid Astronomicorum libri octo integri et 
emendati^ ex Scythicis bris ad nos nuper allati. Manilii 
astronomicorum libri V. Ärati phaenomena Germanico inter- 
prete cum commentariis et imaginibus. Ärati öragmentum 
Cicerone interprete. Ärati ejusdem phaenomena Avieno pa- 
raphraste. Ärati phaenomena graece. Theonis commentaria 
in Arati phaenomena. Prodi Diadoohi Sphaera graece. 
Prodi ejusdem Sphaera^ Thoma Linacro Britanno interprete. 
1 duc. 

Der Engländer Thomas Linacer war erst kurz vorher aas Italien in 
sein Vaterland zurückgekehrt, wo er im Vereine mit Wilhelm Grocyn, 
der ebenfalls in Florenz den Politian und Chalkondyles gehört hatte, ei- 
ner der Hauptbeförderer der klassischen Studien wurde. Beide preist 
Aldus in dem Briefe an Albertus Pius, der yor dem lateinischen Proclus 
steht: dabit Linacrus et alios libros, ut ex eadem Britannia, unde olim 
barbarae et indoctae litterae ad nos profectae ') Italiam occuparunt et 
adhuc arces tenent, latine et docte loquentes bonas artes accipiamus ac 
Britannis adjutoribus fiigata barbarie arces nostras recipiamus, ut eadem 
hasta sanetur, a qua illatum est, yulnus. Horum ego latinitatem et elo- 
quentiam admiratus, Guilielmi Grocini, quam ad me doctam et elegantem 
dedit epistolam, subjungere placuit, ut pudeat philosophos nostros barbare 
et inepte scribere, aemulatique Britannos, non dico grandaevi, ye^ovriov 
ycLQ xplrraxos a/isXet cxvraXrjv '), sed ceteri omnes latine et docte phi- 
losophentur. 

Die Holzschnitte zum Aratus sind sehr sauber. 

4. Dioscorides und Nicander, letzterer mit Scholien. 
1 duc. 

In der Vorrede an Hieronymus Donatus heifst es : Nescio, quid sit, 
quod ex eo tempore, quo non parvo meo incommodo et labore renascen- 
tibus in Italia bonis litteris, quocunque potui modo, coepi operam afferre, 



*) Aldus meint die Scholastik mit der durch sie herbeigeführten 
Verderbnifs der Studien und Sprache, obschon dieselbe ebenso in Frank- 
reich, Deutschland und Italien selbst zu Hause gewesen und nicht gerade 
von England nach Italien gekommen war. Zur Bezeichnung barbarischer 
Zustande gebrauchten nun einmal die Italiener die Namen nordischer 
Völker. So nennt Politian mit Anderen die scholastischen Lehrer Teu- 
tones und ihr barbarisches Latein (auch Pariser Sprache oder Sprache 
der Sorbonne genannt) sermo Teutonicus, wenn er auch gar nicht Deut- 
sche meint. 

'} Senex pittacus negligit ferulam: ein alter Papagei lernt auch 
durch Züchtigungen nicht mehr sprechen. Woher die griechischen Worte 
entnommen sind, weifs ich nicht; die Sache aber wird von Appulejus 
besprochen. Appul. Florida II. §. 44. 



80 

omnia mihi adversa, nunc hominam perfidia, nono tempoma infeücitate 

contigerint. Nisi id Graecorum infortunio adscribendam est, quod ae- 
nimnosi fütori sint, quicunque ex nostris graecitati opitalantnr: quod etd 
qaidam joco solent dicere, multis tarnen id ita esse probari exemplis po- 
test. Quod yero majore in dies animo perstiterim in proposito et nun« 
maxime perstem, illnd saepe commemorans: Ta ne cede malis, sed contra 
andentior ito, mecom ipse demiror atqae eo magis, com excmcior ae 
paene opprimar laboribns et juYet opprimi, juyet esse oüsemm. Video 
meliora proboque, deteriora sequor. Nam tempos, rem quam carissimam, 
perdens mihi obsum, ut aliis prosim. Sed feram aeqno animo mea damna, 
dum prosim 

5. Hypnerotomachia PöUphili, ubi humana omnia non- 
nisi somnium esse docet. 

Mit schonen Holzschnitten und einigen hebräischen Wörtern, Die- 
ser philosopldsche Roman ist nicht lateinisch geschrieben, wie der Titel 
yermuthen läfst, sondern italienisch mit verschiedenem Sprachgemenge. 
(GräTse's allgemeine Literärgeschichte, Bd. 2, Abtheil. 2, 8. 708.) £r ist 
noch lange gelesen worden. Cardanus benutzte ihn zum EinschlafBn, 
wie Lessing in seinen Gollectaneen unter, dem Worte Cardamu bemei^ 
Das Buch ist auf Kosten des Leonardus Crassus yon Verona gedruckt 



1500. 

1. Lucretii Cari libri sex nuper emendati. 1 libr. 
Diese vierte Ausgabe des Lucrez, besorgt von Hieronymus Avancins 

aus Verona, gilt weniger, als die spätere Aldinische von 1515, der sich 
Andreas Naugerius unterzogen hatte. 

2. Epistole devotissime de Saneta Catharina da Siena. 
1 duc. 



1501. 

1. Poetae christiani yeteres. Tom. I. 3 libr. 

Ein zweiter Band erschien 1502 zu demselben Preise. In den bei- 
den Bänden befinden sich: Prudentius, Sedulius, Juvencus, Arator, Probae 
Falconiae cento ex Vergilio de novo et veteri testamento, Homerocentra, 
hoc est centones ex Homero graece cum interpretatione latina, Lactan- 
tius Firmianus etc. Der zweite Band, mit Sedulius beginnend, hat zum 
ersten Male das Druckerzeichen , dessen sich Aldus und seine Nachfolger 
späterhin bedienen: den Anker mit dem Delphin. 

In der Vorrede an Daniel Clarius von Parma heifst es: Sanctissimos 
libros, qui circiter mille annos latuere, publicavimus , ut amentur legan- 



31 

turque in scholis* fiatqne, non ut antehac, com fkbalae, qnibus tenera 
pueroram aetas imbuitur, pro historia habebantar, qnae est potissima ut 
puto caussa, quod quamplarimi e doctis et yitiosi sunt et infideles .... 
Man kann nicht annehmen, dafs Aldus hiermit sagen wollte, die heid- 
nischen Dichter dürften von der Jugend nicht gelesen werden, da dieser 
Annahme seine ganze sonstige Thätigkeit und Denkweise widerspricht 
Er will nur, dafs auch die christlichen Dichter (später giebt er die grie- 
chischen heraus, Nonnus und Gregorius Nazianzenus) gelesen werden 
sollen, als Correctiv und Gegengift gegen 4ie paganisirende Richtung der 
Zeit, damit die Jugend nicht in die Gefahr komme, sich ihre Ansichten 
über Gott und die Welt aus Lucrez, Ovid und ähnlichen zu bilden, wie 
bei so manchen Gelehrten der Fall sei. 

2. Philostrati de vita ApoUonii Tyanei libri ooto. 
Eusebius contra Hieroclem. 4 libr. 

Mit lateinischer Uebersetzung zweier florentinischer Gelehrten. 

3. Virgilius. 3 marc. 

Die erste Aldina in 8*^ mit der neuen Gursivschrift. An den Stem- 
pelschneider heifst es: In Grammatoglyptae laudem: 

Qui Grajis dedit Aldus, en Latinis 
Dat nunc grammata scalpta daedaleis 
Francisci manibus Bononiensis. 

Die Ausgabe ist sehr selten geworden, hat aber weniger Bedeutung, 
als die spätere von 1514 , besorgt yon Nayagerus. 

4. Le cose volgari di Messer Francesco Petrarcha. 

3 marc. 

Von Gerson Soncino erschien 1503 eine Ausgabe in demselben klei- 
nen Formate und mit den Typen des Francia. 

5. Horatius. 3 marc. 

Priyilegium des Senats auf zehn Jahre: Niemand, als Aldus, solle 
Bücher mit den neuen Charakteren drucken oder yerkaufen. Die Geld- 
strafe des Zuwiderhandelnden solle' zwischen dem Denuncianten, dem Ma- 
gistrat und dem Waisenhause getheilt werden. 

Auf der hiesigen Rhedigerschen Stadtbibliothek befindet sich ein 
Exemplar dieses seltenen Horaz yom Mai 1501, zusammengebunden mit 
dem Juyenal und Persins yom August desselben Jahres. Als kritisch be- 
deutender gilt übrigens der Horaz, welchen kurz yorher, 1498, Locker 
oder Philomusus in Strafsburg erscheinen liefs. Auf diesen ging Bentley 
noch zurück. 

6. Jueenalis. Persius. 3 marc. 

Gewidmet dem Scipio Carteromachus. 



32 

J. Javenalis et A. Persii Satyras, ut commodius teoeri manibas et 
edisci, nedum legi ab omnibus qaeant, minima forma ezcusas pablicamos 
atque eo tempore, quo omne vitiam magis stat in praecipiti, quam stabat 
cum conderentor. Non enim dubito, ne non cognoscat mores Tita legat- 
que suos. Eas ad te mittimns, Scipio snavissime, nt tibi itemm fami- 
liäres sua breyitate fiant, ut olim fuerant, cum Romae adolescens conti- 
nebas, qnando eas non minus tenebas memoria, quam digitos ungnesque 
tuos. Vale. 

7. Martialis. 3 marc. 

8. Georgii Vallae Piacentini de expetendis et fugiendis 
rebus opus. 2 duc. 3 libr. 

In zwei Foliobänden eine Menge Tractate über Arithmetik, Musik, 
Physik, Geometrie, Quadratur des Kreises, Medicin (ubi de simplicium 
natura), Grammatik, Philosphie . . . 

9. Aldi Manutii Rotnani Rudiment a grammatices lin- 

guae latinae Introductio perbrevis ad hebraicam ') 

linguam. 1 libr. 10 sol. 

An die Grammatik schliefst sich derselbe Appendix au, den die Gram- 
matik des Lascaris hat. 

Aldus Pius Manutius Romanus litterarii ludi magistris S. P. D. Rn- 
dimenta Grammatices Latinae linguae, a nobis olim composita, Optimum 
factu existimayi ad vos, juventutis moderatores et morum magistros, le- 
genda committere, non quia putarem indigere yos lucubratiunculis nostris, 
(quamquam dicere solebat Plinius, nullum esse librum tam malum, qui 
non aliqua parte prodesset) sed potius ut, si quid erratum fuerit (homi- 
nes enim sumus) castigaretis meque de erratis omnibus amice admone- 
retis, tum ut, quod fieri a vobis velim erudiendis instituendisque pueris 
(quando quidem id illis valde profuturum arbitrabar), vos rogarem: pri- 
mura ut memineritis oportere vos eorum, quos accepistis instituendos, 
satagere, ut simul et docti fiant et sanctis imbuantur moribus, quia. Quo 
semel est imbuta recens servabit odorem Testa diu. Atque adeo a te- 
neris assuescere multum est. Nee solum rectores magistrosque vos esse 
adolescentium, sed et parentes putetis, Scitis enim illud, Qui praecep- 
torem sancti voluere parentis esse loco. Equidem bonos malosve esse 
tantum referre existimo, ut ausim dicere bonorum malorumque omnium, 

quae ubique terrarum fiunt, vos esse potissimam caussam -Itaque 

enitendum pro viribus, ut et sanctos mores et bonas litteras simul edo- 
ceantur adolescentuli, quando alterum sine altero facere nullo modo licet. 



*) Diese Introduction umfafst nur vier Blätter, wird aber von einem 
Kenner der allererste wirksame Versuch der Einfuhrung des Hebräischen 
mit seiner Schrift bei den Christen genannt. Steinschneider, Hebräische 
Bibliographie, 1858, No. 6. 



33 

At si in altero peccandum foret, potior mihi ratio vivendi honeste, quam 
vel optime discendi videretur. Malo enim eos nullas scire litteras Orna- 
tes rooribas, quam omnia scire male moratos malisque simillimos esse 
daemonibus, qni, etsi malta sciunt (nam id ideo illis inditum est a Grae^ 
eis nomen), ') sunt tarnen quam pessimi. Alterum quod vos meminisse 
velim, est, ne quid, nisi doctissimorum auctorlim, ediscere cogatis ado- 
lescentulos. Immo ne Grammaticas quidem regulas , nisi compendia quae- 
dam brevissima, quae teneri facile memoria queant, laudo eos ediscere, 
sed tantum ut illas assidue accurateque legant nominaque et verba de- 
clinare optime sciant. Nam dum lucubrationes nostras vel carmine, vel 
prosa oratione, etiam de arte, commendare memoriae eos cogimus, erra- 
mus (ut mihi quidem videtur) multis modis. Primum quod, quae summo 
labore edidicerunt, dediscunt paucis diebus, quod ego et puer olim et 
juvenis, compositis etiam a me regulis, sum saepe expertus. Nam quum 
generum regulas praeteritorumve summa cura memoriae mandassem, per- 
brevi obliviscebar. Idem ceteris quoque evenire existimo. Praeterea 
difficultate tum materiae, tum styli, eo desperationis veniunt, ut et scho- 
las et litteras fugiant et studia, quae amare nondum possunt, maxime 
oderint. Tum eo ipso tempore, quo nostra ediscunt, facilius meliusque 
vel Ciceronis aliquid, vel Virgilii aliorumve illustrium possent ediscere, 
olim et decori et commodo illis non mediocri futurum. Equidem puero 
mihi, cum Alexandri Carmen ineptum de arte Grammatica praeceptore 
eogente memoriae mandabam, non ita contigisse plurimum doleo. Addite, 
qaod, cum incultos et barbaros discimus, tales ac potius incultiores et 
ipsi evadiinus. Solemus enim iis, quos imitamur, plerumque esse dete- 
riores. Quapropter optimos et statim et semper legendos putat Quincti- 
lianus atque eorum candidissimum quemque et maxime expolitum. Tum 
de Cicerone sie inquit: „Cicero, ut mihi quidem videtur, et jucundus in- 
cipientibus quoque et apertus est satis, nee prodesse tantum, sed etiam 
amari potest, tum (quemadmodum Plinius praecipit) ut quisque erit Ci- 
ceroni simillimus." *) Sed de genere hoc longa haberi posset oratio. Haöc 
vero attigimus nostro erga studiosos summo amore, quare tos etiam at- 
que etiam rogo, ut boni, quidquid diximus, consulatis^ Yalete. 

Am Ende des vierten Buches heifst es: Sed jam receptui canamus» 
si prius illud monuerimus, multa in his lucubrationibus nostris, quae in 
Terentiano et aliis quibusdam adeo mendosa erant, ut vix eorrigi posse 
viderentur, nos non sine summa difficultate emendasse. Yestrum autem 
est, Studiosi, ut ea cura haec nostra legatis, qua nos eomposuimus 



Plat. Cratyl. 398. b. 

*) Quintil. Inst. Orator. U. 5. 20, wo Livius gelesen wird statt Pli- 
nius. Vergl. X. 1. 89: apud Ztvittin in epistola ad filium scripta, legen- 
dos Demosthenem atque Ciceronem, timi ita, ut quisque esset Demostheni 
et Ciceroni simillimas. 

3 



34 

Vidcbor oniin mihi qaam maximnm luornm fccisso, si iutellexero faisce 
lucubrationibns nostris vos profecisso; nara nnlla alia re yenimos ad 
scrihondum, quam ut prodessemus. Quod si quid forte vitii in his libris 
inter plurima nee protrita yulgo, nee iudigua cognitu inyeneritis, suc- 
currat yobis Horatianum illud: 

Verum ubi mnlta nitent in carmiue, non ego paucis 

Offendar maculis, quas aut incuria fiidit, 

Aut humanä parum cayit natura. Valete. 

10. Hieronymi Donati Consumatiss. Venetorum Ora- 
toris ad christianiss. ac invictiss. Galloruin Regem (Ludo- 
yicum XII.) Oratio. 

11. Joarmis Francisci Pici liber de imaginatione. 



1502. 

1. Julii Polluds Vocabularium. 1 duc. 

Gewidmet dem Helias Capreolus in Brescia, einem Freunde des 

Taberius : cum superioribus diebus Jo. Taberio nostro Stephannm 

de urbibus dicarimus, quem cum Pollnce a compluribns nna coiligatom 
in ob eam, quae est inter ipsos conyenientiam, certe scio, yolui Vos et 
hoc in libro esse conjunctos, ut animo estis. Adde etiam, qnia quoties 
enm ipsum librum in bibliotheca yidebis, nominis nostri meminmSy nam 
fiaciei non poteris, cum nos de facie non cognorimus. Quod tamen ip- 
sum aliquando futurum et cupimus «t speramus. 

2. Ciceronis epistolae familiäres. 3 marc. 

Vorrede an den Erzbischof von Grofswardein , Sigismund Thurzo, 
welcher als Gesandter in Venedig war. 

3. Lucanus. 3 marc. 

Gewidmet dem yornehmen Veuetianer Antonius Maurocenus, der eine 
alte Handschrift für diese Ausgabe bereitwillig gegeben hatte. 

4. Thucydides. 1 duc. 

Dabei ßiot OovxvBiBov, Gewidmet dem venetianischen Patricier 
Rinieri: Si quisquam est, Daniel Rainere, qui ex hac nostra proyincia 
publicandi vel potius e duris ac tetris carceribus liberandi bonos libros 
maximam yoluptatem capiat, in his te esse sum ipse optimus testis. 
Nam non solum in via, quoties tibi fio obviam, hortaris me, ut nee du- 
ris hisce temporibus cedens nee laboribus uUis succumbens constanter 
et fortiter, ut coepi, pergam, sed etiam confers te saepe in aedes nostras, 
quidnam vel latine vel graece vel etiam hebraice (in tribus enim his 
unguis edoctus es) excudatur, visurus. Taceo, quanto mihi adjumento 



35 

sis tuos et graecos et latinos commodando libros admonendoquO) ut id 
raaxime imprimendum eurem, quod studiosis summae utilitati futurum 
putes. Nee quivi unquam in te vel minimum invidiae deprehendere, 
quod mea opera et labere bonae litterae publicantur: ut quosdam pusil- 

lanimes et bibliotaphos notavi sed de bis hactenus. Non enim 

dubito, quin brevi rumpantur invidia, quandoquidem, Tiyam moda, quid- 
quid est lectn dignum, Christo Jesu &Yente exibit in publicum 

5. Le Terze Rime di Dante. 3 marc. 

6. Sophoclis tragoediae Septem cum commentariis« 
3 libr. 

Die angezeigten Scholien fehlen. Sie sind erst 1518 in Rom dureh 
Janus Lasearis herausgegeben worden. Der Sophocles des Aldus (das 
erste Buch, welches die Unterschrift: hat: „In Aldi^Romani Academia^^ 
wurde noch von Brunck sehr hoch gehalten. Er ist dem Janus Lasearis 
gewidmet: Sedentibus nobis his brumae frigoribns in hemicyclo ad ignem 
cum Neacademicis nostris forteqne esset una M. Musurus noster, post 
multa yariaque vicissim (ut seiet) dicta inter nos in tui incidinius men- 
tioneuL Tum Marcus, ut est studiosissimus tui ac perquam gratus dis- 
cipulus (nam quantum bonis litteris moribnsque^profecit, profecit autem 
^urimum, id omne tibi acceptum refert) cum longo sermone de te ho- 
norifice multa narrasset, te proximis Julio et Auguste mensibus et Me- 
diolani et Ticini vidisse addidit deque renascentibus Graecis litteris plu- 
rimum tibi secum fiiisse sermonem 

7. Sjtatius. 3 marc. 

Gewidmet dem Johannes Pontanüs in Neapel. 

Dabei Orthographia et flexus dictionum omnium graecarum apud Sta- 
tium cum accentibus et generibus ex variis utriusque linguae auctorihus. 
Dieser lexicalische Anhang ist von Marcus Musurus, weshalb Aldus 
diesem eine Vorrede widmet, in der es heifst: „Utinam plurimos id genus 
haberemus reipublicae litterariae benefactores. Qnamquam plurimos spe« 
ramus fnturos non in Italia solnm, sed et in Germania et Gallia atque 
apud toto orbe divisos Britannos.'' Musurus war kurz vorher aus Carpi 
zurückgekehrt: „cum forte in Academia nostra esses, profectus ab Al- 
berto nostro, Garporum principe quem graecas litteras accurate 

docebas.** 

8. Herodoti libri novem. 1 duc. 

Yorrede an Oalpurnius von Brescia: Has novem Musas Herodoti... 
eo gratiores tibi fore existimamus, quoniam multLs exemplaribus casti- 
gatae emittuntur ex Academia nostra in manus studiosorum. Nam Clio 
abundat a ceteris, quibuscum contulimus exemplar nostrum, decem prope 
chartis, quae et in ea desunt, quae a Laurentio Valla tralata habetur. 

Noch Wesseltng spricht sich über die Aldinische Ausgabe sehr 
günstig aus. 

3* 



36 

9. La vita et sito de Zichi: chiamati ciarcassi: histo- 
ria notabilo {di Georgia Interiano Getioeese), 

Eine kurze Geschichte der circassischen Volker, gewidmet dem 
Dichter Jacob Sannazar in Neapel. 

10. Valerius Maximus. 3 marc. 

Das Buch ist erst 1503 ausgegeben worden, denn es hat eine i weite 
Vorrede aus diesem Jahre. Die erste, yon 1502, ist an den Bischof von 
Posen, Johannes Ludbrancius (Lubranski) gerichtet, der sich einige Zeit 
in Venedig aufgehalteti und Aldus Hoffnung gemacht hatte, er werde ihm 

alte Manuscrlpte aus dem Osten Europa's besorgen pollicitos es 

tua quamvis magna impensa ad Dacas usqne mittere inyeniendi libromm 
gratia, quum ibi antiquorum libromm plena turris esse dicatnr. Amplius 

addidisti te ipsum eo, si opus fiierit, profecturum In Bezug auf 

den Ausdruck plena turris meint Volpi, Aldus Manutius nehme an dem 
Glauben des Volkes Theil, dafs sich in einzelnen Thürmen in Dacien 
alte und kostbare Bücher befanden, welche von den Gothen, nachdem 
sie Italien geplündert, dahin gebracht worden seien. Manm, 8. 35. 

Die zweite Vorrede, von 1503, geht an den kaiserlichen Rath Jo- 
hannes Cuspinianus ') (Spiefshammer) in Wien. Dieser hatte aus einem 
Wiener Codex 24 neue Beispiele zu Valerius Maximus an Aldus ge- 
schickt, von welchen er mit diesem glaubte, sie seien bis jetzt unbe- 
kannt gewesen. Indefs waren sie schon durch Jemanden in die Leipzi- 
ger Ausgabe von 1501 gekommen. 

11. Eine Rede des Baptista Egnatius zu Ehren sei- 
nes Lehrers Benedictus Prunulus, 

11. 12. 13. Ovidii opera. Jeder Band 3 marc. 

Dabei Orthographia dictionum graecarum per ordinem litterarumy 
wie zum Statins, und eine kurze Biographie Ovids, aus seinen Werken 
gezogen, beides von Aldus selbst. Die Ausgabe wird von Henricua 
Stephanus den anderen seiner Zeit vorgezogen. Sie wurde 1516 von 
Andreas Naugerius überarbeitet und verbessert. Der ganze Ovid ist 

dem Marinus Sanutus gewidmet colloces in magnifica illa tua 

bibliotheca, ubi supra guingenta electorum librorum habes Volumina. .... 

15. Stephanus de urbibus. 3 libr. 
Gewidmet dem Johannes Taberius, einem namhaften Professor des 
Griechischen und Lateinischen in Brescia. Ueber diesen s. Quirini litte- 
ratura Brixiana I. 116 ff. IL 70. In der Vorrede wundert und freut 



') Bei Renouard wird er mehrmals (Robert) Cuspiniani genannt, als 
ob er ein Italiener wäre. Von demselben werden auch S. 395. die Na- 
men Mutianus Rufus und Georgius Spalatinus verdorben in: Minutianus 
Ruffus und Gregorius Spalatinus, 



37 

sich Aldus, dafs trotz der fortwährenden Kriege das Studium der Wis- 
senschaften nach einem Schlummer von Jahrhunderten so eifrig betrieben 
werde, und zwar nicht nur in Italien, sondern auch in Germanien, Gal- 
lien, Pannonien, Britannien, Hispanien. • Selbst Greise lernten mit gröfs- 
tem Eifer Griechisch. 

16. Caiulbis. Tibullus. Propertius. 3 marc. 

Hauptherausgeber war Hieronymus Ayaneius, welcher auch nach 
1517 Verbesserungen zu GatuU herausgab. (Dabei sagt er: «magno pig- 
nore contenderim hodie non inYeniri ullnm Gatullianum codicem scriptum 
ante octuaginta annos, hoc est ante Guarini aetatem. Is enim ad patriam 
rediens Catullum diu multumque desideratum Italiae restituit, sed depra- 
vatum.^ Renonard, S. 496.) Das Buch ist dem Mannus Sanutus ge- 
widmet: .... longo alius, quam qui erat CatuUus, videbitur ob multas 
emendationes et versus tum additos tum in pristinum locum restitutos, 

in qua re adjutus sum maxime ab Hieronymo Avancio Yeronensi 

Quae tamen asterisco videbis notata, ea in fine operis aliter atque aliter 
legi excudenda curavimus, ut possit Studiosus quisque, qnod multis visum 
fuerit, eligere pro arbitrio. Idem et in Tibullo et Propertio fecimus, 
quos ad tria millia voluminum et plus eo hac minima forma excusos in 
manus tuas et ceterorum commode assidueque una cum Catullo et ire et 
redire ^peramus. 

Die letzten Worte hat man wahrscheinlich so zu verstehen, dafs 
von jedem der drei Dichter 1000 Exemplare gedruckt worden sind. 

17. Poetao christiani veteres. Tom. II. 3 libr. 



1503. 
1. Aldi moüitum in Lugdunenses Typographos. 

Die Nachdrucke der Aldinen in Octav wurden wahrscheinlich in 
Venedig selbst gemacht, und zwar von den Junta's, welche Druckereien 
in Florenz, Venedig, Lyon hatten. 

Aldus Manutius Ro» LectoH S. 

Cum primum coepi suppeditare studiosis bonos libros, id solum 
negocii fore mihi existimabam, ut optimi quique libri et latini et graeci 
exirent ex Neacademia nostra quam emendatissime omnesque ad bonas 
litteras bonasque artes cura et ope nostra excitarentur. Verum longo. 
aliter evenit. Nam praeter bella, quae nescio quo infortunio eodem 
tempore coeperunt, quo ego hanc duram suscepi provinciam, atque in 
hunc usqne diem perseverant, ita ut litterae jam septennium cum armis 
quodammodo strenue pugnare videantur: quater jam in aedibus nostris 
ab operis et stipendiariis in me conspiratum est, duce malorum omnium 
matre avaritia. Quos Deo adjuvante sie fregi, ut valdo omnes poeniteat 
suae perfidiae. Restabat, ut in urbe Lugduno libros nostros et mendose 



38 

excnderent et snb meo nomine pnblioarent, in qoibns nee artifids nomen, 
nee locmn, nbinom impressi füerint, esse yolnernnt, qao incantos lecto- 
res fidlerent, ut et charactenim similitndine et enchiridii forma deeepÜ 

nostra cnra Venetüs excasos pntarent Venetiis XYI. Martä. 

M. D. m. 

Der Ansdruek sq^iennwm ist in einem etwas weiteren Sinne ao&n- 
fiissen; denn die kriegerischen Unruhen auf der Halbinsel harten schon 
seit 1494 nicht auf, wo Carl VUI. in Italien eingebrochen war, um 
Neapel zu erobern. Die Yenetianer nahmen zwar an dem Kriege gegen 
Carl erst Anthei], als er wieder zurückziehen mnfste; aber dies geschah 
auch schon in der ersten Hälfte des Jahres 1495. 

2. Zweiter Catalog der bis dahin von Aldus gedruck- 
ten oder unter der Presse sich befindenden Bücher mit An- 
gabc der Preise. 

3. Luciani opera. Icones Philostrati. Ejusdem He- 
roica. Ejusdem vitae dophistarum. Icones junioris PMlo- 
stratL Descriptiones Callistrati. 2 duc. 

Diese Ausgabe des Lucian gilt für schlechter, als die Editio princeps, 
Florenz 1496. 

4. Ammonü Hermei commentaria in librum peri 
Hermenias. Magentim Mitylenensis in «undem enarratio. 
1 duc. 

Gewidmet dem Fürsten Albertus Plus, dessen Namen Pitts sich Al- 
dus hier zuerst beilegt. In dem Buche befinden sich noch, obschon auf 
dem Titel nicht angezeigt: Michaelis Pselli paraphrasis in librum peri 

Hermenias. Ammonitis Hermeus in decem categorias nos abhinc 

triennium non parvis donatus a te opibus familiaeque tuae gentUitio 
nomine perornatos hisce ad te litteris publice fateamur, quo sciant om- 
nes, qui haec legerint, quantum tibi debemus. Tum ne mirentur, si me 
cognomento Pium posthac appellatum legerint vel audierint. Id vero a 
nobis antea propterea non est factum, ne, quod honori datum est, levi- 
tati noYO assumpto cognomine adscriberetur. Exspectabam igitur, ut 
aliquem sub tue nomine ex aedibus nostris emitterem librum. 

5. Bessarionis opera. 3 libr. 

6. Ulpiani commentarioli in Olynthiacas Philippicasque 
Demosthenis orationes^ Enarrationcs sanequam necessariac 
in tredecim orationes Demosthenis, (Harpocrationis lexicon 
decem Rhetorum). 

7. Xenophontis omissa^ quae et graeca gesta appel- 
lantur. 1 duc. 



39 

Das Bach bat eine griechiseiie Vorrede yon Aldus au Guido, Hör- 
zog von Urbino. 

Angefögt ist der Ausaug des Gemisthus Pletho aus Diodor und 
Plutarch über die Begebenheiten nach der Schlacht bei Mantiuea; ferner 
Ilerodian (ohne die Uebersetzung des Politian, welche auf dem Titel mit 
angekündigt ist,) und Schölten zu Thuc^dides. Denselben Appendix nebst 
der Uebersetzung des Politian gab Andreas Ajsulanus 1525 seiner Aus- 
gabe des Yollständigen Xenophon bei. 

8. Florilegium diversoram epigrammatum in Septem 
libros. Graece. 4 libr. 

Beigegeben ist das Gedicht des Paulus Silentiarius ete ra iv Uv- 
diois &e^fm. Das Florilegium ist nicht sehr verschieden von der An- 
thologie des Planude«, wie sie Janns Lascaris 1494 in Florenz heraus- 
gegeben hatte. 

9. Origenis Homiliae divo Hieronymo interprete. 5 libr. 

Die Vorrede des Aldus ist an Aegidius Viterbensis gerichtet; eine 
andere, ad lectorem, von einem Ungenannten, ergeht sich im Lobe des 
Andreas Asulanus und seines Genossen Aldus Mänutius. Durch die Un- 
kosten des Ersteren und durch die Gelehrsamkeit und Muhe des Zweiten 

sei obiges Werk so glänzend hergerichtet „Quippe qui Manutius 

non verba solum atque sententias, verum singulas quoque syllabas ita 
discutit, purgat, elucidat, ut nullum vereantur censorem." Für einzelne 
Werke fand also schon bisweilen zwischen Aldus und Andreas Asulanus 
eine Geschäftsverbindung Statt; ihre beständige Verbindung aber datirt 
erst von 1508. 

10. Euripidis tragoediae septendecim, ex quibus quae- 
dam habent commentaria. 1 duc. 3 libr. 

Zwei Bände in 8^. Der Titel mit Angabe der einzelnen Stücke 
war wahrscheinlich schon gedruckt, als am Ende des zweiten Bandes 
noch Hercules furens beigegeben wurde, so dafs in Wahrheit achtzehn 
Stücke sind. In der Vorrede an Demetrius Chalkondyles, dem das Buch 
gewidmet ist, sagt Aldus: „mille et amplius boni alicujus autoris volumina 
singulo quoque mense emittimus ex Academia nostra.^ Es ist aber nicht 
wahrscheinlich, dafs er von jedem Autor eine Auflage von tausend Exem- 
plaren gemacht hat, sondern nur von denen in kleinem Formate. 

1504. 

1, Joannis Grammatici in Posteriora rosolutoria Äri- 
stotelis Commentaria. 1 duc. 

2. Theodori Gaza interprete: Aristoteiis de natura 
auimalium libri IX. Ejusdem de partibus animalium libri III. 



40 

Ejusdem de generatione animaUum libri V. Tkeophrasii de 
historia plantarum libri K. Et decimi principium duntaxat 
Ejusdem de causis plantamm libri VI. Aristotelis proble- 
mata in 4uasdequadraginta sectiones etc. Äkxandri Aphro- 
disiensis problemata duobus libris non unquam ante im- 
pressa. 1 duc. 3 libr. 

Das Bach ist dem kaiserlichen Geheimsekretär Matth&os Longins 
gewidmet, der aach 1505 in der Vorrede zn Pontans Weisen erwähnt 
wird. Jedenfalls ist dies der Vertraute Maximilians Matthäus Lang, spä- 
ter Bischof Yon Gurk, gestorben 1540 als Erzbischof von Salzburg. 

3. Scipionis Carteromachi Pistoriensis Oratio de lau- 
dibus litterarum graecarum Venetiis habita. 

Quare beatum judico eum , quem cuivis studio incumbentem 

degere in Yeneta civitate contigerit, sed beatissimum, quem litterariae 
facultates exceperint, cum tot praesertim tantaqne undique suppetant af- 
fluantque ad eam rem commoda, nt fingi fortasse plura possint, haberi 
certe non possint. Ibi enim, ut alia omittam, tanta librorum copia, quanta 
post Gothicam ruinam nunquam fuit nee yeteribus vero Romanis aut 
Graecis florentibns in bis, quae ezstent, fiiisse credi par est, cum 
noYO hoc invento carerent imprimendorum librorum, qui et pulcherrimi 
j^un atque emendatissimi prodire ineipiunt, Aldi potissimum nostri opera, 
de quo illud habeo dicere, quod de Porphyrio inquit Simplicius: Omnium 
bonorum nobis auctor Aldus. Yobis yero illud mihi yideor accommodatorus, 
quod Demosthenes, quem interpretaturi sumus, Atheniensibns protulit . . . 

Die vollständig eingerichtete Universität des venetianischen Staates 
war Padua, doch wurden in Venedig selbst, wie in allen bedeutenden 
Städten Italiens zu jener Zeit, Vorträge über alte Schriftsteller und Lit- 
teratur von Freiwilligen und eigens dazu angestellten Professoren ge- 
halten. Carteromachus gehorte zu den letzteren. 

4. Gregorii Nazanzeni carmina, cum versione latina. 
3 libr. 

Da Aldus die meisten beigegebenen lateinischen Uebersetzungen so 
eingerichtet hat, dafs sie in einzelnen Bogen von dem griechischen Texte 
getrennt und für sich gebunden werden konnten, so ist es häufig schwer, 
zu einer gewissen griechischen Seite die passende lateinische zu finden, 
obschon er Kennzeichen angiebt. Bisweilen entstanden bei diesem Ver- 
fahren leere Seiten, die mit etwas Anderem ausgefüllt wurden. Hier 
beim Gregorius druckte Aldus auf zwei Seiten, die sonst leer geblieben 
sein würden, die sechs ersten Capitel des Evangeliums Johannis ab, wel- 
ches er vollständig, wie er in der Vorrede sagt, mit der lateinischen 
üebersotzung der Paraphrase des Nonuus geben wollte, deren griechi- 
scher Text schon seit drei Jahren gedruckt, aber noch nicht ausgege- 



41 

ben sei. Nonnas erschien zuletzt, wahrscheinlich auch noch 1504, ohne 
die beabsichtigte lateinische Uebersetzung, und das Eyangelinm Johan- 
nis erst 1518 bei Andreas Asulanns in der griechischen Bibel, welche 
Aldus wohl auch mitvorbereitet hatte. Von den christlichen Dichtem und 
der griechischen Bibel, die yon Aldus und seinen Nachfolgern herausge- 
geben wurde, handelt weitläufig der Cardinal Quirini in seinem lateini- 
schen Briefe an Feuerlein in Göttingen, Brescia 1748. 

5. Cimbriad poetae encomiastica ad divos Gaess. 
Foedericum Imperatorem et McuHmilianum Regem Rom. 

Ueber den Dichter Aemilianus Cimbriacus, der am Ende des fünf- 
zehnten Jahrhunderts gestorben zu sein scheint, s. Jagemann, die Ge- 
schichte der Künste und Wissenschaften in Italien (ein Auszug aus Ti- 
raboschi) , Bd. 3, Theil 3, 8. 603. Gräfse, IV, 854, 888. 

6. HotneH opera omnia com vita ejus ex Herodoto, 

Dione et Plutarcho. 1 duc. 3 libr. 

Zwei Bände in 8. Die Ausgabe scheint nur ein Abdruck der Flo- 
rentiner Yon 1488 zu sein. Sie ist von Aldus dem (späteren Cardinal) 
Hieronymus Aleander gewidmet, welcher einige Zeit im Hause des An- 
dreas Asulanus als Mithelfer des Aldus gelebt hatte. In der Dedication 
wird erwähnt, dafs er zur Zeit in Padua sei als Begleiter eines Yomeh- 
men venetianischen Jünglings, Mapheus Leo. 

Tu enim nondum quartum et yigesimum annum agens, es humanio- 
rum studiorum utriusque linguae doctissimus. Nee minus hebraicum cal- 
les nuncque et Ghaldaeae et Arabicae tanto incumbis studio, ut quinque 
te habentem corda brevi sint homines admiraturi; nam tria, ut olim 
grandis de se Ennius dixit, tu hac ratione yoI nunc habes. Tanta prae- 
terea linguae Yolubilitate yerba graeca pronuntias tantaque aptitudine et 
facilitate inspiras Hebraica, ac si mediis Athenis mediaque Israelitarum 
urbe quo stabant tempore natus et educatus esses 

7. Demosthenis orationes duae et sexaginta. Libanii 
eophistae in eas ipsas orationes argumenta. Vita Demo- 
sthenis per Libanium et Plutarchum. 3 duc. 

Hauptsächlich von Scipio Carteromachus nach drei Handschriften be- 
sorgt, deren kritische Beurtheilung sich bei Voemelj dem neuesten (1857) 
Herausgeber des Demosthenes, findet. Es waren ursprünglich nur sehr 
wenige Exemplare gedruckt, erst später kam eine stärkere und dabei 
correctere Auflage. 

1505. 

1. Gli Asolani dt Messer Pietro Bembo, Dialogi de 
Amore. 3 marc. 



42 

Gewidmet der Lucrezia Borgia, Herzogin von Ferrara. 

2. Äurelii Äugurelli carmina. 3 marc. 

Ueber den Dichter Angorelli, 1441—1524, s. Gräfse lY, 851. Bm- 
coe n, 41. UI, 79 ff. 

3. Hor<ie in laudem beatissimae Virgini$. . • . Graeoe. 
In 32\ 

4. Pontani opera. 3 marc. 

(Der zweite Band erschien 1518 bei Andreas Asnlanos.) . Die eine 
der zwei Vorreden ist an den kaiserlichen Geheimsekret&r Johannes Col- 

laarius ') in Wien gerichtet: Quoniam tu plnrimnm fovisti nobis 

apud Maximiliannm Caesarem pro Acaderaia constituenda, cnm Jo. Fra- 
ticenus, eruditus juvenis, istic meo nomine accnrate rem litterariam pro- 

ßoraret Nam etsi nihil est adhuc factnm, tarnen, quod et tn et 

Matthaeus Longius, viri doctissimi ac integerrimi Gaesaris a secretis, ad 
me scripsistia, tum vero Caesar ipso benignissimis litteris significavit, 
futumm tua opera, tuo studio facile 8pero> praesertimque quam rex, na- 
tus ad commune bonum, id maxime cupiat, nt, quemadmodum est armo- 
rum, ita et bonarum litterarum sit decus et gloria. Quare Joviani Pon- 
tani poemata, quae et meo et doctorum omnium judicio com antiquis 
certant, sub tuo nomine publicamus tibique muneri mittimus. 

5. Adriani Cardinalis S, Chrysogoni ad Ascaniom 
Cardinalem Venatio. 

6. Vita et Fabellae Aesopi cum interpretatione latina. 

Gabriae fabellae cum interpretatione latina. Phumutus 

seu, ut alii^ Cumutus de natura deorum. Palaephatus de 
non credendis historiis. Heracüdes Ponticus de allegoriis 
apud Homerum. Ort Apollinis Niliaci hieroglyphica. Col- 
lectio proverbiorum Tarrhaei et Didymi^ item eorum, quae 
apüd Suidam aliosque habentür per ordinem litteraruni. . . . 
1 duc. 

Die lateinische üebersetzung des Aesop, welche nicht schlecht ist, 

hat Aldus selbst besorgt quibus traducendis multum certe elabo- 

ravimus; nam quae ante tralata habebantur, infida admodom erant, quod 
facillimum erit conferenti cognoscere. 

7. Vergilius. 



*) Ich kann über diesen Mann nichts finden. Eine Zusammenkunft 
von Franciscus Picus, Fürst von Mirandola, Conrad Peutinger und Col- 
laurius (wahrscheinlich demselben) wird erwähnt in den Briefen des üdal- 
ricus Zasius (Ulm 1774), S. 3t)l. 



48 

Hierbei der dem Virgil noch zugeschriebene Anhang: Culex, Ciris 
etc., der in der Ausgabe von 15Ö1 fehlt. Aufserdem ein dreizehntes 
Buch der Aendis von Mapheus Vegius^ welches Vielen damals sehr ge- 

feiUen haben mufs, so stoffarm es ist Addidimus etiam opuscula 

tarn quae in juventute poeta composuit, quam quae illis inserta habentur. 
Et quamquam obscoena non censebamus digna enchiridio, tarnen mültis 
assiduo convitio efflagitantibns addendä ea lege jussimus/ ut pro unius- 
Cnjusque arbitrio separari possent . . . . Vegfi praeterea libellum divinis 
Aeneidos libris inviti adjnnximus; sed obsequendum fuit quibusdam. 



1507. 

1. Hecuba et Iphigenia in Aulide in latinum tralatac 
Erasmo Roterodamo interprete. 



1508. 

1. Aldi MamiHi Romani Institutionnm Grammaticamm 
libri qnatuor. 

Dabei ist derselbe Appendix, wie bei der Ausgabe von 1501. 

2. Erasmi Roterodami Adagiomm Chiliades tres ac 
centuriae fere totidem. ... 

Die erste Ausgabe von Erasmus' Sprichwörtern erschien 1500 in Pa- 
ris und seitdem noch einige Male; die ddinische Ausgabe aber ist als 
ein ganz neues Werk zu betrachten und bildet die Grundlage der vielen 
späteren. 

3. Plinii Secundi Novocomensis epistolarum libri X. 

in quibus multae habentur epistolae non ante impressae. 

Ejusdem Panegyricus Ejusdem de viris illustribus in 

re militari et in administranda Bepubl. Stietonü Tranquilli 

de claris Grammaticis et Rhetoribus. Julii Obsequentis 

Prodigiorum Über. In 8®. 

Dies ist das erste Buch, welches die Unterschrift hat: in aedibus 
Aldi et Andreae AsulanL Dabei ist eine kleine Abhandlung, in welcher 
'Aldus mit vielen sachlichen Gründen beweist, dafs auch das zehnte Buch 
der Briefe, welches hier zuerst vollständig erscheint, dem Plinius zuge- 
schrieben werden müsse. Der sehr alte Codex, welchen der Patricier 
Aloisius Mocenicus als Grundlage für diese Ausgabe der Briefe des Pli- 
nius aus Frankreich mitgebracht hatte, liefs Aldus die Hoffnung äufsem, 
dafs auch vielleicht der vollständige Livius, die Geschichtsbücher des 



44 

Trogns und andere Werke der Alten irgendwo die Zeit überdauert ha- 
ben und noch gefunden weiden könnten: ... Ex quo tu e Gallia 

hag Plinii epistolas in Italiam reportasti in membrana soriptas atque adeo 
diversis e nostris characteribus, ut, nisi quia diu assneyerit, non queat 
legere, eoepi sperare mirum in modum fore aetate nostra, ut plnrimi ex 
bonis autoribus, quos non extare credimns, inyeniantur. Est enim yolu- 
men ipsum non solnm correctissimum, sed etiam ita antiqunm, ut pn- 

tem scriptum Plinii temporibus Sed qnoniam epistolas decimi li- 

bri, qaae scribuntur ad Trajanum imperatorem, sunt qui non esse Plinii 
putant, tum qoia stylo et elegantia diyersae ab aliis yideantur, tum 
etiam quia praeter doctorum consuetudinem Domine dicat Plinins ad Tra- 
jannm scribens, operae pretium fnerit et illas a Secundo scriptas liusse 
ostendere. 

Die Handschrift des Julius Obseqnens hatte Aldus yon Jncundus 
erbalten. 

4. Rhetores grareci. 

Gewidmet dem Janus Lascaris. Den Text besorgten hauptsächlich 
Demetrius Ducas und Husums. Im ersten Bande dieser Sammlung rhe- 
torischer Schriften (der zweite erschien 1509) befindet sich auch die Rhe- 
torik und Poetik des Aristoteles, welche in der Ausgabe desselben yon 
1495 — 1498 fehlen. — Die griechischen Rhetoren sind nach der ersten 
Gollection durch AJdus am besten und y ollständigsten in unserm Jahr- 
hunderte durch Walz und Spengel gesammelt worden. 

1509. 
1. Plutarchi opuscula. 

Die sogenannten Moralia, gewidmet dem Jacobus Antiquarius*) aus 

Perugia Libuit hie subjungere Hendecasyllabos, quos, cum yeni ad 

te Mediolanum, lusisti extempore prae summo gaudio adyentus nostri, 
ut faciant et hi fidem mutui amoris nostri; 

Aldus yenit en, Aldus ecce yenit, 

Nostrum sinciput occiputque nostrum, 

Mel, sal, lac quoque corculumque solus, 

Grajos altera et altera Latinos 

Qui apprendendo manu reduxit omneis 

In yemm modo limitem, superbos 

Victores superans Olympiorum. 

Nunc, nunc juyenes ubique in urbe 

Flores spargite. Vere namque primo 

Aldus venit en, Aldus ecce yenit. 

' ) Antiquarius war sein Familienname. Er diente als Staatssecretair 
den letzten drei Herzögen yon Mailand bis auf die Eroberung dieser Stadt 
durch die Franzosen und starb 1512 daselbst. Gräi'se IV. 969. V. 700. 



45 

Da Demetrins Dncas, der Haaptherausgeber, sich der willkürlichen 
Yerbessenmgen enthalten nnd die Lesart der Godites unverändert ge- 
lassen hat, so lobt Wyttenbach diese Ausgabe als instar seripti codieis. 
Die angewendeten Handschriften befinden sich noch auf der Marcus- 
bibliotheL 

2. Horaüi Flacci poemata Undeviginti metronun 

genera. . . . Adnotationes nonnullae in toto opere^ in quibus 

vel aliqnid mntandum ostenditur, vel cur mutatum sit, ratio 

redditur. 

Gewidmet dem Carolus Jaffredus, königlichem Statthalter in Mailand, 
der drei Jahre yorher Aldus einen besonderen Dienst erwiesen hatte, wie 
dieser in der Dedication erzählt. Als er nämlich 1506 Yon Cremona 
nach Asula reiste, wurde er you Mantuanischen Soldaten ausgeplündert 
und in ein Geföngnifs geworfen. Jaffi*edus, damals franzosischer Ge- 
sandter bei dem Fürsten yon Mantua, befreite ihn und verschafiPte ihm 
das Geraubte wieder. 

3. Crispi Sallustii de conjuratione Catilinae. Ejusdem 
de bello Jugurthino. Ejusdem oratio contra Ciceronem. 
Ciceronis oratio contra Sallustium. Ejusdem orationes qua- 
taor contra L. Catilinam. Porcii Latronis declamatio contra 
Catilinam. Orationes quaedam ex libris historiarum. 

Gewidmet dem Bartholomäus Livianus:*) Sallustii de conjuratione 
Catilinae et de bello Jugurthino duo antiquissima exemplaria e Lutetia 
Parisiorum Joannes Lascaris, qui superioribus annis egit apud Venetos 
legatum regium, et Jocundus Veronensis, viri bonarum litterarum studio- 
sissimi, in Italiam attulerunt mihique, quae utriusque est liberalitas, ex- 
cudenda dederunt. . . . Tibi dedicamus, quod legis facta et facis legenda. 

Saepius a me petiisti, ut libros de praeclaris rebus gestis hac 

forma portatili excudendos curarem, quo belli eos commodius tecum ha- 
bere posses. 



1512. 

1. Constantini Lascaris Byzantini de octo partibus 
orationis lib. I. Ejusdem de cpnstructione liber secundus. 



*) Bartholomäus d'Alviano (Liyianus) war ein berühmter yenetia- 
nischer General, welcher die Mufsestunden seines rastlosen Soldaten- 
lebens auf das Studium der alten und neuen Litteratur yerwendete. Als 
er 1515 gestorben war, hielt ihm Andreas Naugerius die Leichenrede. 
Roscoe, Leben Leo des Zehnten. Bd. IL S. 261. (Menckenü commen- 
tatio de yita et scriptis Hieron. Fracastorii, p. 47.) 



4G 

Ejusdem do nomine ot vcrbo liber tortius. Ejnadem de 

pronomine opusculum De idiomatibus lingoamm tres 

tractatns Joannis grammatici, Eusthatii Corinthii cum inter- 
pretatione latina. Introductio perbrevis ad hebraicam lin- 
guam. 

2. Erotemata Chrysolorae. Do anomalis verbis. De 
formatione temporom ex libro Chalcondylae. Quartus Ga»ae 
de constructione. De Encliticis. Sententiae monostichi ex 
variis poetis. Gräece. 

.... Ea (radimenta Chrysolorae) hortatu Marci Musuri» qni nunc pu- 
blice profitetar Venetiis freqaenti semper ac gravi auditorio litteras grae- 
cas, imprimenda corayimaB. Tum alia qnaedam addidimos non inntilia 

iis, qui graece discere concnpiscant muneriqne ad te (Oaesarem 

Aragonium) mitterem, ut ipsis legendis ediscendisque proficias plorinmm 
graecis litteris, quaram es studiosissimas, quando sie jam latinis profecisti, 
nondnm annos natns duodecim, ut et carmiue et prosa oratione, quod le- 
gis, intelligas 

Die Ausgaben von 1517 und 1549 haben noch dazu die Erotemata 
(Tfiartnt, welche ein Auszug aus Chrysoloras sind. 

3. M. T. C. Epistolae familiäres accoratius recognitae. 

Scheint ein etwas verbesserter Abdruck der Ausgabe von 1502 tu 
sein und hat mit demselben auch die Vorrede an Sigismund Thurzo 
gemein. 

1513. 

1. Commentariorum de bello Gallico libri Vm. De 
belle civili Pompejano libri IIII. De bello Alexandrino 
liber I. De bello Africano liber L De bello Hispaniensi 
liber I 

Dabei einige Abbildungen und eine Karte von Gallien, aufserdem 
ein lateinisch-französischer Index der Orts- und Volkernamen, das Ganze 
besorgt von Jucundus, der als Baumeister sich längere Zeit in Frank- 
reich aufgehalten hatte. 

2. Rhetornm graecorum orationes. 

Gewidmet dem Grofskanzler des venetianischen Senates, Franciscus 
Faseolus, durch welchen Venedig jetzt ein zweites Athen genannt wer- 
den könne; denn er habe den gelehrtesten Mann dieser Zeit, Marcus Mu- 
surus, zu dem die Liebhaber griechischer Litteratur von allen Seiten 
strömten, mit öffentlicher Besoldung anstellen lassen, üeber die Hand- 
schriften heifst es: Latebant in Atho, Thraciae monte. Eas Lascaris is, 



47 

qui abhinc quinquennium pro Christianissimo rege Venetiis summa cum 
laude legatum agebat, doctissimus et ad unguem factus homo, in Italiam 
reportayit. Miserat enim ipsum Laurentius ille Medices in Graeciam ad 
inquirendos, simul et quantovis emendos pretio bonos libros. Unde Flo- 
rentiam ') et cum iis ipsis orationibus et cum aliis tum raris, tum pre- 
tiosis Yoluminibus rediit. Debemus quidem Lascari, qui summo studio 
conquisitos tot bonos libros ad nos e Graecia advexerit, sed longo ma- 
gis Medici, cujus jussu opibusque et liberalitate regia id factum est. . . . 

3. Ciceronis epistolartun ad Atticnm^ ad Brntinn, ad 
Quintum fratrem libri XX. 

4. Omnia Piatonis opera. 

Gewidmet Pabst Leo dem Zehnten Amici me monuerunt, nt 

nulli magis divini hominis lucubrationes , quam tibi, summo rerum ^vi- 
narum antistiti, nuncuparentur, sperantes eam rem Academiae, quam tot 
annos parturimus, mirum in modum profuturum, ut scilicet nos foveas 
proyinciamque haue nostram, maximi cujusquam principis favore ac auxi- 
lio dignissimam, amplectaris ac potius eam ipsam Academiam, sempiter- 
num bonum hominibus , tu Pontifex Max. in urbe Roma eures instituen- 
dam. Quorum unus et praecipuus est Musurus Cretensis^ magno vir ju- 
dicio, magna doctrina, qui hos Piatonis libros. accurate recognovit cum 
antiquissimis conferens exemplaribus, ut una mecum, quod semper facit, 
multum adjumenti afferret et Graecis et nostris hominibus. Quapropter 
non minus, quam nos, pacem desiderat, aeque ac nos et ipse, ut tuo 
snmptn, tuis opibus fiat Academia, rogat, id quod ex ejus docta et ele- 
ganti ac gravi elegia ') Graece composita, quae sequitur, facile est co- 

gnoscere Etsi opere in magno fias est obrepere somnum (non 

enim unius diei hie labor est noster, sed multorum annomm, atque inte- 
rim nee mora nee requies) sie tarnen doleo, ut, si possem, mutarem sin- 

gula errata nummo aureo 

^Everifiaiv ixvTttod^ Tta^a rote ns^i tov yiXSav italaiöie tmt« xai 
a^iOTtiaroK xsx^ft^^ov avToyQafpots 

5. AlexandH Aphrodisiei in Topica Aristotelis Gom- 
mentarii. 

Gewidmet dem Albertus Plus : Musurus noster eos commenta- 

rios cum antiquis conferens exemplaribus accuratissime recognovit 

Dabuntur et alia suo tempore, nam etsi 

Yicinae mptis inter se legibus urbes 
Anna ferunt, saevit toto Mars impius orbe. 



') Als Lascaris mit den Büchern nach Florenz zurückkam, war Lo- 
renzo schon todt. 

') Das griechische Gedicht des Musurus auf Plato und Leo ist ab- 
gedruckt in den Beilagen zu Roscoe's Geschieht« Leo des Zehnten. 



48 

tarnen qtiieturi nunquam snmus, nisi pollicita pracstiterimns saxmnqne 
illnd gravissimnTn, qnod tot annos assidne Yolvimtis, in montis apicem per- 
dnxerimus. 

Das Buch war 1513 schon gedruckt, erschien aber erst 1514, wor- 
über die Vorrede zu lesen ist. 

6. Nicolai Perotti Sypontini Comucopiae. . . . Varronis 
de lingua latina libri tres: quartus, quintus, sextua. Ejus- 
dem de analogia libri tres. Sexti Pompfffi Festi undeviginti 
librorum fragmenta. JVontt Marcelli Compendia, in quibus 
tertia fere pars addita est^ non ante impressa^ idque labore 
et diligentia Jucundi nostri Yeronensis^ qui in Gallia Nonium 
cum antiquis contulit exemplaribus. 

7. Pontani opera. 

Die Gedichte Pontans, die 1505 schon erschienen waren. 

8. Dritter Catalog der Bücher des Äldus. Ohne An- 
gabe der Preise. 

9. Pindari Olympia, Pythia, Nemea, Isthmia. Catti- 
machi hymni, qui inveniuntur. Dionysius de situ orbis. 
Lycophronis Alexandra, obscurum poema. 

Editio princeps aufser Callimachus , welcher durch Janus Lascaris 
schon in Florenz zwischen 1494 bis 1498 erschienen war. Boekh stellt 
in seinem Pindar diese Ausgabe höher, als die zweite, Rom 1515, 
welche die Scholien mitenthält. Die römische Ausgabe des Pindar Ton 
Zacharias Calliergus ist übrigens das erste griechische Buch, welches in 
Rom gedruckt worden ist. (Roscoe's Leo X, Bd. II, S. 138.) 

.... Sunt jam quatuor anni, Naugeri carissime, cum statoi doram 
hanc provinciam nostram intermittere , quod viderem totam fere Italiam 
ardere crudelissimo hello, tum quia cogebar abesse Yeuetiis, ut agros et 
pretiosa praedia nostra, quae amisimus non nostra quidem culpa, sed 

herum infelicium temponim, recuperaremus Verum quum nihil pro- 

ficeremus . . . revertimus Yenetias . . . mutavi sententiam atqne ad labo- 
res redii. 

10. Strozii poetae pater et filius. 

Dabei ein Gedicht des Aldus auf Herkules Strozza 
Der Sohn, Hercules Strozza, war Aldus' Schüler in Ferrara gewesen. 
Dort wurde er 1508 ermordet, 37 Jahre alt. üeber ihn vergl. Manni, 
S. 59 ff. Die Gedichte sind der Lucrezia Borgia gewidmet, welche seit 

1502 Herzogiu von Ferrara war Quoniam in utriusque poematis ü 

lustrissimi principes &miliae Estensium tolluntur in coelum landibus, Her- 
cules etiam tui mentionem quam saepissime, non sine tua summa laude, 



49 

facit, quin Gigantomachia, quam extremis temporibus suis inchoavit, tan- 
tum tibi dedicata est: sub tuo nomine exire hos libros voluimus in ma 
nus hominum. Adde etiam, quod pro summis, quibus praedita es virtu- 
tibus, dignissima es, quam laudent, honorent, yenerentur omnes atque 
ipse imprimis, cum propter alia, tum quia Academiam, cui constitaendae 
jam multos annos studeo, tuis opibus, tuo solius sumtu factoram te, 
sinant tempora, ultro mihi receperis. Ais enim nihil te magis cupere, 
quam et placere semper Deo immortali et jnvare mortales tam qui nunc 
sunt, quam nascituros omnibus s'aeculis, relinquereque aliquid, cum e 
vita excesseris, quo non sine summa laude vixisse te testeris *). 

11. Theodore Gaza interprete: Aristotelis de natura 
animalium libri DL 

Ein Abdruck der Ausgabe von 1504. 



1514. 

1. Rhetorica Ciceronis. 

2. Libri de re rustica Catorns, Varronis, Columellae^ 
Palladii. Georgii Alexandrini enarrationes priscarum di- 
ctionum^ quue in his libris CatoniSj Varroni», CölumelUie. 

Vor dem Palladius befindet sich ein kleines Werk des Aldus: de 
duobus dierum generibus. 

3. Hesychii Dictionarium. 

Das Buch ist dem Mantuaner Bardellonus gewidmet, von welchem 
Aldus die Handschrift dieses Wörterbuches bekommen hatte, zu welcher 
sich keine zweite gefunden hat. Sie befindet dich auf der Marcusbiblio- 
thek. Musurus, der sich wenigstens schon seit 1512 wieder in Venedig 
aufhielt, besorgte die Ausgabe, vermehrte abet durch eigene Interpola^ 
tionen die ohnedies schon vorhandenen. 

Musurus, compater utrirlsque nostrufli, qtiantum per dccupfatio- 

nes licuit, diügenter recognovit fecitque, licet cursiin, nar^ds ct^eüo. 
Quam plurima enim in eo loca emendata sunt. 



') Der Ton dieser Vorrede eines Mannes von Aldiis' Charakter scheint 
Roscoe einer der Beweise dafür zu sein, dafs der Verruf des Naiüens 
der Lucretia Borgia ungerechtfertigt und nur durch Verläumdungen der 
Neapolitanischen Dichter Sannazar, Pontan u: a. hervorgebracht worden 
sei (s. Roscoe's Leben Leo des Zehnten Bd. I , S. 364 ff. und Henke's 
Gegenbemerkung). So viel steht fest, dafs Lucretia seit ihrem Aufent- 
halte in Ferrara von 1502 ab als Gönnerin der Künste und Wissenschaf- 
ten gefeiert wurde, und einen nach damaligen Begriffen unsträflichen Le- 
benswandel führte. Anders lautende Gerüchte über ihr früheres Leben 
wird Aldus nicht geglaubt oder wahrscheinlicher gar nicht gehört haben. 

4 



50 

4. Aikenaeus. 

Nuch vielen, aber schlechten Codices von Mnsunis besorgt. Die 
\ oiTiHle lies Aldus ist an einen vornehmen Unprar, Janns ürthesis, Zuhörer 
ik^ MuMurus, gerichtet: .... Quantum gratuler tibi, Jane, quantum Hun- 
^tu'iiA luiSi quantum ipsi Hungariae, non focilo dixerim, quod tantum jam 
urofeoeiis graecis litteris, nondum annom audiens Musurum Cretensem, 
ivlque Venetiis 

5. Quintilianus. 

Besorgt von Navagerus, Baptista Egnatius und Rhamusius, an wel- 
olien letzteren die Vorrede gerichtet ist. 

6. II Petrarcha. 

7. Arcadia del Sannazaro, 

8. Virgilius, 

Es giebt zwei Ausgaben mit derselben Jahreszahl 1514. Die be- 
deutendere, von Navagerus besorgt und dem Petrus Bembus gewidmet, 
ist wahrscheinlich erst einige Jahre später wirklich ausgegeben worden. 

9. Valerius Maximm, 

10. Aldi Pii Mamaii Institutionum Grammaticarum 
libri IV. 

11. Suidas. 

Es ist dies die zweite Ausgabe des Suidas, der zuerst in Mailand 
1499 erschienen war. 

1515. 

Lucretius, Venetiis mense Januario. 

Aldus Pius Manutius Albertum Pium Carporum Principem ac Cae- 
sareum oratorem apud Pont. Max. salver e jubet. 

Jampridem Alberte, Decus Principum, Decus hujus aetatis erudito- 
rum, constitui omnes de philosophia libros, quotquot ex aedibus nostris 
exirent in manus studiosorum, tibi dedicare tum mea erga te singolari 
benevolentia, tum etiam quia id genus libris praeter ceteros delectaris. 
Dens perdat perniciosa haec bella, quae te perturbant, quae te tamdiu 
avertunt a sacris studiis litterarum nee sinunt, ut quiete et, quod sem- 
per cupivisti atque optavisti, fruaris otio ad eas artes, quibus a puero 
deditus fiiisti, celebrandas. Jam aliquem fructum dedisses studiorum tuo- 
rum, utilem sane et nobis et posteris. Qua re privari te ita moleste 
fers, ut nullam aliam ob caussam credendum sit nuper te Romae tarn 
gravi morbo laborasse, ut de salute tua et timerent boni omnes et an- 
gerentur. 

Di probibete minas, Di talem avertite casum 
Et placidi servate Pios. 



51 

Kn igitnr tibi Lncretins, et poeta et philosophns quidem raaximus 
vel antiquonim jiidicio, sed pleniis raendaciorum. Nam multo aliter sen- 
tit de üeo, de creatione rerum, quam Plato, quam ceteri Academici, 
quippe qui Epicuream sectam secutus est. Quam ob rem sunt, qni n6 
legendum quidem illum censeant Christianis hominibus, qui verum Deum 
adorant, colunt, venerantur. Sed quoniam veritas, quanto magis inquiri- 
tur, tanto apparet illustrier, qualis est fides catholica, quam Jesus Chri- 
stus Deus Opt. Max. dum in humanis ageret, praedicavit: Lucretius et 
qui Lucretio sunt simillimi, legendi mihi yidentur, sed ut falsi et men- 
daces, ut certe sunt. 

Haec autem attigimus, ut, si quis haec nostra legens nesciat deli- 
ramenta Lucretii, id discat e nobis, licet ad te uaum scribere videamur. 
Id enim est harum epistolarum genus, ut, cum ad unum scribuntur, ad 

omnes, in quorum manus pervenerint, tamquam argumenta scribantur 

Quodsi per adversam yaletudinem mihi licuisset, qua menses jam aliquot 

acerbiore conflictatns sum , addita essent infra non pauca Cetera 

ita praestita esse a nobis opinor Naugerii nostri industria, quam non con- 
temnendam adhibuit, ut Lucretius legi atque intelligi tandem possit. Vale. 

Den achten Februar 1515 starb Aldus. Seine nach- 
gelassene griechische Grammatik wurde im November dieses 
Jahres von Musurus mit einem Nachrufe an Aldus heraus* 
gegeben. 



Ausgaben ohne Datum. 

1. Musaei opusculimi de Berane et Leandrö, qtiod et 
in latinam linguam ad verbum tralatum est. 1 marc. 

Das Buch hat eine griechische Vorrede von Aldus und enthält zwei 
Holzschnitte, Hero und Leander vorstellend. Die lateinische Uebersetznng 
ist von Musurus. Man hat die seltene Ausgabe (ein Exemplar befindet 
sich auf der hiesigen Universitätsbibliothek) lange als das erste Buch 
des Aldus angesehen, indefs scheint sie doch nach der Grammatik des 
Lasoaris erschienen zu sein. Ein schönes Exemplar des kleinen Buches 
würde nach Renouard's Meinung Bibliophilen wenigstens 660 Francs 
werth erscheinen. 

2. Galeomyomachia, Theodori Prodromi poema« 
Herausgeber ist Aristobulus Apostolius, am bekanntesten als Kalli- 
graph. Borner, S. 156. 

3. Psalterium graecum cura Justini Decadyi. 4 marc. 
Spätestens 1498 anzusetzen, da es im Gataloge von diesem Jahre 

angezeigt ist. 

4* 



4. Nonni Panopohtae Paraphrasis Evangelü secundum 
Joannem. 3 libr. 

Wahrscheinlich 1504 erschienen (s. die Bcmerkunfi^on znm Gregorius 
Nazianzenus von 1504). 

5. Quinti Calabri Derelictorum ab Homere libri qua- 

tuordecim. 3 libr. 

Von Renouard mit guten Qründen 1505 angesetzt. Hinter dem 
Quintus Smyrnäus (Calaber genannt, weil er von Bessarion in Oalabrieu 
aufgefunden worden ist,) stehen noch: Coluthm de raptu Helenae, Try- 
phiodorus de Trojae excidio. 

6. Die Grammatik des Constantinus Lascaris mit dem- 
selbenr Anhange, welchen die Ausgabe von 1512 hat, auch 
mit der „Introductio ad hebraicam linguam". 

Das Buch ist zwischen 1501 und 1503 zu setzen. 



Mannt imd die Serie delV edMoni Aldine (Firenze 1803) 
führen noch manche Ausgaben an, welche der gewissenhaft 
nachforschende Renouard entweder als unächt gestrichen oder 
als blofse Theile eines gröfseren Aldinischen Buches erkannt 
hat. Die Bibliotheca Menckeniana (Leipzig 1727) erwähnt 
S. 172. unter den Aldinen : „Horatius et Juvenalis, cum notis 
et commentariis variorum. Venetiis 1492." Es existirt eine 
Venetianische Ausgabe aus dem angegebenen Jahre, aber sie 
ist nicht von Aldus, dessen Wirksamkeit erst 1494 mit der 
Grammatik des Lascaris beginnt. Allerdings heifst es am 
Anfange des fünften Cataloges der Officin, welcher die Bü- 
cher bis 1563 umfafst: „Index librorum, qui in Aldina offi- 
cina ab ipso primum Aldo ab anno MCDXCII ad annum 

MDXIV Venetiis impressi sunt** ; aber auch hier ist 

die erste Zahl irrthümlich gesetzt für MCDXCIV, und auch 
die zweite müfste genau genommen in MDXV verändert 
werden. 

Die meisten der griechischen Bücher, welche Aldus 
gedruckt hat, sind editiones principes. 



Drittes Capitel. 



I. Aldinische Ausgaben. Corsivschrift. Privilegien. Nach- 
drucke. Druckerzeichen. Druckerei und BuchhandeL Dedi- 
cationen. Preise der Bücher. Starke der Auflagen. 



Im Anschlüsse an die eben gegebene üebersicht mögen 
zuerst die Ausgaben des Aldus und dasjenige^ was zunächst 
damit zusammenhängt^ betrachtet werden. Eine philologisch 
genaue Würdigung des Textes und der handschriftlichen 
Grundlage aller Aldinen kann nicht von einem Einzelnen 
selbständig geliefert werden, und man mufs für das Ge- 
nauere die neuesten kritischen Ausgaben der betreffenden 
Autoren zu Rathe ziehen, welche bis auf die Aldina zurück- 
gehen. Einiges hierher Gehörige habe ich im zweiten Ca- 
pitel bei Gelegenheit berührt. Einem Theile der Aldinen 
mufs von der Kritik noch immer Beachtung geschenkt wer- 
den; andere sind natürlich ganz veraltet und haben nur 
noch litterarhistorische Bedeutung. Wenn sie besser waren, 
als die früheren Erscheinungen, oder Späteren Anregung 
gaben, so haben sie ihren Zweck erfüllt. Insgesammt aber 
machen sie durch äulsere Vorzüge Epoche in der Geschichte 
der Buchdruckerei. Schönheit und Correctheit des Druckes, 
gutes Papier, verschiedene Erleichterungen für den Leser 
zeichneten sie aus und verschafften ihrem Urheber den Ruf 



54 

de» vorzüglichsten Druckers seiner Zeit. Bisweilen zog er 
einige Exemplare besonders ab auf Pergament oder auf feineres, 
auch auf blaues Papier. Was den Text betrifft, so gelten 
|m Allgemeinen die lateinischen Ausgaben für besser, als 
die griechischen. Für jene war früher schon Manches ge- 
schehen, der gröfste Theil von diesen aber wurde von Aldus 
zum ersten Male ans Licht gestellt, unter Zugrundelegung 
der wenigen,') häufig schlechten Manuscripte, die ihm erreich- 
bar gewesen waren. Um nach ihnen doch ein möglichst 
lesbares Ganze zu liefern, machte man nach bestem Wissen 
willkürliche Veränderungen, was spätere Editoren verwirrte 
und ihre Arbeit erschwerte. Es existirte eben noch nicht 
die philologische Akribie, welche sich mit Erweiterung des 
Wissens und der Uebersicht über den Apparat entwickelt 
hat. Die Zeit war noch nicht so gesättigt, daTs sie warten 
konnte, sondern rief ungeduldig nach dem Erscheinen neuer 
geistiger Speise. Die Nothwendigkeit von Revisionen gab 
man gern im Voraus zu, und Aldus spricht oft den Wunsch 
aus, dafs es späteren Herausgebern gelingen möge, ausrei- 
chendere Hülfsmittel zu finden und Richtigeres herzustellen. 
Vorläufig aber beschlofs er mit seinen Freunden, aus den 
erlangten Handschriften eine Ausgabe zu veranstalten und 
ein Stück Alterthum zu sichern, was ohne den Druck viel- 
leicht ganz verloren gehen könnte durch die fortwährenden 
Kriege mit ihrem Gefolge von Brand und muthwilliger Zer- 
störung, üebrigens that «r zur Herbeischaffung und Ver- 
gleichung von Codices, was er konnte, und setzte Alle, mit 
denen er in Berührung kam, dafür in Bewegung, nicht blos 
in Italien, sondern auch in Deutschland und anderen Län- 
dern. Durch seinen Eifer, die Bildung zu verbreiten, steckte 
er auch Andere an, das Ihrige dazu beizutragen. Als sein 
Ruf gestiegen war, borgten, schenkten oder verkauften ihm 



*) l)e!i Ifesychius liefs er 1514 nach der einen Handschrift, die 
auch vorhuudeu iht, duich Musuius besorgen. Es ist keine zweite dazu 
f^efundon worden; da aber die ganze Philologie nach Mnsurus einen weit 
höheren Standpunkt erreicht hat, so verschwindet natürlich seine Arbeit 
Kohr gegen (üo späteren und die neueste Ausgabe des Hesychias. 



55 

manche invidi und ^ißXiotctqoi^ wie er sie nennt, die Ma- 
nascripte, welche sie bis dahin versteckt gehalten hatten, 
„um allein weise zu sein." (Vgl. zu den letzten Worten 
S. 16. am Ende.) 

Man war vor Aldus gewohnt, grofse Foliobände mit 
grofsen Buchstaben zu drucken. Zum Lesen dieser Bücher 
mufste ein Pult aufgestellt werden, und das Versenden der- 
selben, wozu man doch häufig nur Boten hatte, war er- 
schwert. Auf Reisen einige Bücher mit sich zu führen, 
war keine beqtieme Sache. Auch Aldus druckte Foliobände, 
denen er trotz des theurcn Papiers mit Absicht breite Rän- 
der liefs, damit die Gelehrten sich ihre Bemerkungen dar- 
auf schreiben könnten; indefs verkleinerte er dafür in ver- 
schiedener Weise die Buchstaben. Die gelesensten Autoren, 
besonders lateinische, brachte er in Octa.vformat mit der 
schiefstehenden Antiqua oder Cursiv (characteres cursiti seu 
cancellarii^ bei den Franzosen Italiqne genannt), welche un- 
seren geschriebenen Schriftzügen ähnlich ist. Sie soll eine 
Nachahmung der Schrift Petrarca's sein, fand schnell über- 
allhin Eingang und blieb lange in Auinahme. Auch grie- 
chische Bücher erschienen bald in dem kleinen Formate; 
die Buchstaben derselben aber sind unserem verwöhnten 
Auge zu verschlungen und weniger leicht zu lesen, als die 
lateinischen. Aldus sah sich nun in den Stand gesetzt, 
wohlfeilere Bücher zu liefern, indem er die gröfste Menge 
von Buchstaben in den kleinsten Raum brachte; von dem da-* 
maligen Publikum aber wurden sie mit gröfserem Vergnü- 
gen aufgenommen, als etwa in unseren Zeiten die Stereotyp- 
ausgaben von Didot und Tauchnitz. Das erste Buch in Oc- 
tav mit der Cursivschrift war der Virgil von 1501. Dort 
nennt Aldus als den Künstler, der ihm die neuen Typen 
auf seine Veranlassung besorgt habe, den Franciscus Bono- 
niensis. Es ist dies Francesco Raiboliniy genannt Francia^ 
gest. 1517, als Maler, Goldschmied und Stempelschneider 
bekannt. ') Aldus sann fortwährend auf Verbesserung sei- 



') lieber Francesco da ßologoa, seiu VerhältDii's zu Aldus und 



5() 

nor lateinischen^ italienischen und griechischen Typen (von 
hebräischen machte er nur einen sehr geringen Gebrauch)^ 
und besal's sie zuletzt in grofser Mannichfaltigkeit. Privi- 
legien gegen Nachdruck seiner Bücher überhaupt^ sowie 
gegen Nachahmung der von ihm erfundenen Charaktere^ er- 
hielt er zuerst von der Republik Venedig. Dem Ovid von 
1502 ist ein solches vollständig beigedruckt. Die folgenden, 
abgedruckt 1513 in der Ausgabe des Perotti, erhielt er im 
Decembcr 1502 von Pabst Alexander VI., im Januar 1513 
von Pabst Julius IL, im November 1513 von Leo X. Im 
letzteren wird die Hoffnung ausgesprochen, dafs er seine 
Bücher billig verkaufen werde. Die genannten lauteten auf 
zehn und fünfzehn Jahre, verhinderten aber gar nicht den 
Ii[achdruck. Einmal trat Aldus gegen denselben auf in seinem 
monitum in Lugdunenses Typographos 1503. Er zeigte hier 
unter Anderem, welche Fehler in dem nachgedruckten Ju- 
venal seien, was die Nachdrucker alsbald benutzten und 
einen neuen Juvenal mit Verbesserung des Gerügten er- 
scheinen liefsen. Wie sehr nun aber die Aldinen, beson- 
ders die billigeren in kleinem Formate, in portatili forma^ 
auch in Deutschland gesucht wurden, wohin sie aufserhalb 
Italiens am meisten gegangen zu sein scheinen, ze^en die 
Briefe der Gelehrten, welche zum Kreise des ReucMiny 
Udalricus ZasiuSy MtUianus Rufus u. a. gehörten. Freilich 
verhinderten die Kriegsunruhen, die erst nach Aldus' Tode 
'aufhörten, oft den Absatz über die Alpen. Am Ende des 
Jahres 1516, als Alles anfing sich zum Frieden zu neigen, 
schreibt Heinrich Loriti oder Glareanus aus Basel an Ztoingli: 
„Wolfgang Lachner hat Leute nach Venedig geschickt, welche 
4ie besten Autoren in Aldinischen Ausgaben herbringen sollen. 

Gersotj, oder Girolamo Soncino (zu welchem er 1503 ging), dem Haupte 
der jüdischen Druckerfamilie in Soncino, Fauo und andeien Städten, ist 
neuerdings (1858) eine Schrift von Panizzi, Oberbibliothekar am British 
Museum, erschienen, besprochen im Magazin für die Literatur des Aus- 
landes 1858, No. 150, sowie in Verbindung mit eigenen Untersuchungen 
ia der Hebräischen Bibliographie von Steinschneider , 1858, No. 6. Es 
ist jedenfalls dem Satze iu den genaimten Schriften zu widersprechen, 
dafs Aldus reich geworden sei durch die Typen, welche ihm t7 Francia 
goschuitton. 



57 

Willst du solche haben, so schreibe an Lachner und schicke 
mir das Geld; denn es sind immer dreifsig da, die nach den 
Büchern langen, ohne nach dem Preise zu fragen. Manche 
verstehen sie gar nicht, wollen sie aber doch haben.*' Fünf 
Tage später schreibt er ähnlich und spricht die Hoffnung 
aus, dafs die Bücher nach zwei Monaten aus Venedig an- 
kommen würden. 

Als älteste Sammler von Aldinen, wozu schon ein ge- 
wisser Wohlstand gehörte, werden wohl Pirkheimer^) und 
Reuchlin in Deutschland, Jean Grolier in Frankreich gelten 
können. 

Von 1502 an, zuerst im Dante und im zweiten Theile der 
christlichen Dichter, bediente sich Aldus für seine Bücher 
eines eigenen Druckerzeichens, welches die Nachdrucker 
gleichfalls brauchten. Es war ein Anker, umschlungen von 
einem Delphine, in der Mitte der getheilte Name AL-DUS, 
in den Annalen der Buchdruckerei der Aldinische Anker ge- 
nannt. Auf dieses Symbol seiner Thätigkeit, welche mit 
schnellem, rastlosem Schaffen doch auch das Zögernde, Zu- 
rückhaltende, reiflich üeberlegende verbinde, deutete Aldus 
schon 1499 in der Vorrede zu den astronomischen Schriflr 
stellem: „sum mihi optimus testis me semper habere comi- 
tes, ut oportere ajunt, delphinum et ancoram. Nam et de- 
dimus multa cunctando et damus assidue.'^ Es ist aber un- 
gewifs, wodurch er auf das Symbol gekommen ist: ob durch 
einen Holzschnitt dieser Art in äer Hypnerotomachia Poli- 
phili^ oder, wie Erasmus sagt, durch einen von Petrus Bom- 
bus ihm geschenkten Denar des Titus Vespasianus, auf dem 
sich ein von einem Delphin umschlungener Anker befand. 
Auf der Münze waren Zeichen, welche Erasmus mit vorge- 
fafster Meinung deutete: JEtibvöb ßgaöeatg, indem er hinzu- 



') Biuershusius, der Biograph Pirkheimers , sagt: Erant enim tuac 
temporis talia opera (editiones italicae veterum auctorum) admodum cara, 
sicut hodieque si haberi possint, pro thesauris merito asservaiitur, et 
imprimis ea, qiiae impressit Aldus Manntias Romanns, quem jnre decus 
et ornamentum totins artis impressoriae appellare possumus. Ejusmodi 
igitur pulcherrimos libros magno numero ac pretio Bilibaldus sibi coe- 
mebat. 



58 

setzt 9 man sehe aus der Münze, dais der genannte Wahl- 
spruch dem Titus ebenso gefallen habe, wie es nach Sueton 
bei Augustus der Fall gewesen sei. (s. Geret, Anmerkung 58. 
zu Ungers Aldus Manutius.) 

Das Druckerzeichen des Aldus erfuhr mit der Zeit 
einige Veränderungen. Ffir Paulus Manutius wurde es, als 
er 1571 in den Reichsadel erhoben worden war, das Wap- 
pen und erhielt oben den kaiserlichen Adler. Es bedienten 
sich desselben später auch andere Buchdrucker, und mit 
vollstem Rechte nahm zuletzt Renouard, der Geschichts- 
schreiber der Manutius, den Anker und Delphin als Zeichen 
an, oben mit dem gallischen Hahne. 

Seine Druckerei und wahrscheinlich auch Wohnung hatte 
Aldus, wie schon erwähnt, zu^st in der Nahe der Kirche 
des heiligen Augustinus, zur Zeit seines Todes jedoch wohnte 
er in der Stral'se Patriniano. Die rasche Aufeinanderfolge 
seiner Drucke zu einer Zeit, wo man noch keine Schnell- 
pressen hatte, erregt Verwunderung und läl'st vermuthen, 
dals er seine Drucker zu rastloser Thätigkeit antrieb und 
ihre Arbeitszeit länger machte, als gewöhnlich war. Daher 
wollten sie mehrmals nicht weiter arbeiten, wenn sie nicht 
höhere Bezahlung erhielten. In seinem Monitum gegen die 
Lyonoser Nachdrucker lesen wir: ^Viermal haben sich meine 
Arbeiter gegen mich verschworen, indem Habsucht, die 
Mutter aller Uebel, sie leitete. Aber ich habe mit Gottes 
Hülfe ihre Empörung so gebrochen , dafs sie alle ihre Treu- 
losigkeit bereuen.^ Bei Besiegung dieser Empörung mögen 
ihn die gelehrten venetianischen Nobili mit ihrem Ansehen 
unterstützt haben, deren viele an seinem Wirken regen An* 
theil nahmen und ihn besuchten. Den Namen solcher Män- 
ner, wie Rinieri^ Mocenigo u. a. begegnen wir in seinen 
Dedicationsvorreden. Er dedicirte nämlich alle seine Bücher 
theils gelehrten Helfern und Freunden, die ihn irgendwie 
unterstützt hatten, damit die Welt wisse, dafs sie nicht blos 
ihm, sondern auch jenen Dank schuldig sei, ') theils italie- 



') Nou üüt moris uostri traudare queiuquam sua laude; imrno de- 



59 

nischen Fürsten, angesehenen Ausländem und Gesandten 
fremder Staaten, um sie für seine Zwecke zu gewinnen. 
Für diejenigen, die ihm eine Ausgabe besorgt hatten, war 
die Ehre, in einer Dedication genannt zu werden oder selbst 
eine solche zu erhalten, zugleich die Belohnung für ihre 
Mühe ; denn Honorar von einem Buchhändler zu bekommen, 
war noch nicht üblich. Die Bücher sind Italienern, kaiser- 
serlichen Räthen, Franzosen, Polen und Ungarn gewidmet. 
Unter den letzteren befindet sich auch 1513 ein Gyulay 
(eigentlich aus Siebenbürgen: Philippo Cyualano^ Morae Pan^ 
nonio), dessen Tapferkeit gegen die Türken gepriesen wird. 

Auch das Binden der Bücher wurde in dem Hause 
besorgt. Firmin -Didot S. 291. macht wahrscheinlich, dafs 
es theilweise durch Griechen geschah. Gelehrtere Griechen 
beschäftigte Aldus als Correctoren bei griechischen Werken. 
Ein TheU derer, die für ihn arbeiteten, mochte bei ihm 
selbst wohnen; andere brachte er bei Andreas Asulanus 
unter. *) 

Noch war da das bibliopolium oder der Buchladen, in 
welchem Aldus aulser den von ihm gedruckten Büchern 
einige griechische Drucke Anderer verkaufte. Als solche 
sind im zweiten Cataloge erwähnt: Etymologicum magnum^ 
2j duc. SimpHcius in praedicamenta Aristotelis, 1^ duc. 
Ammonius in praedicabilia Porphyrii, | duc. Apollonius de 
Argonautis cum commentariis, 1 duc. Suidas, 3] duc. Ho- 
tneri libri 48, Florentiae 1488, ohne Preisangabe. Er war 
also nicht nur Drucker, sondern auch Verlags- und Sorti- 
mentsbuchhändler. Dafs anderen Händlern Bücher zum 
Weiterverkaufe auf Zeit und mit einem angemessenen Ra- 



crevimas omnes, quicunque mihi vel opera, vel invenieadis novis libris^ 
vel commodandis raris et emendatis codicibus, vel quocunque modo ad- 
jumeato fuerint, notos facere studiosis, ut et Ulis debeant, si mihi debeut. 
(Vorrede zum Statius 1502. au Musurus.) 

') Typographia Jubilans von Lesser, Leipzig 1741: »Der berühm- 
teste unter den ersten Buchdruckern in Nürnberg ist wohl Anthon Co- 
berger. Er hatte täglich mit 24 Pressen zu drucken ; dazu hielt er über 
die 100 Gesellen, die waren meistentheils Setzer, Comportisten, Buch- 
binder, Correctores, Drucker, Posselirer, lUumiuisten. Diese alle ver- 
kostete er au anderen Orten.'' 



60 

bull uUMrlattöon wurden^ geht aus seinem Briefe an Reuchlin 
Uui'vur (8. Brief XII am Ende). Was die Kosten der Her- 
itUllung der Bächer betrifFt, so mag Aldus dieselben Anfangs 
UUM eigenem Vermögen getragen haben in Verbindung mit 
ileu Unterstätzungen des Ffirsten von Carpi. Spater aber 
Mohou wir^ dal's er sich mit verschiedenen Personen für die 
Kosten und den Gewinn verband (s. Brief X^ Anmerk. 2. 
Xll, Anmerk. 3). Von 1508 ab fährte er das Geschäft in 
Compagnie mit seinem Schwiegervater Andreas Asulanus. 

In den ersten zwei Catalogen sind die Preise der Bu- 
cher angegeben, und zwar nach venetianischen Duoaten 
(Zecchinen) und deren Unterabtheilungen. Ein Ducaten ist 
s= 6 librae (lire) = 12| marcelli = 124 solidi. Nun be- 
ginnt aber die Verlegenheit, zu bestimmen, welchen ViTerth 
dieses Geld für jene Zeiten hatte. Man mälste zum Ver- 
gleichen den Preis des Getreides und der mannichfachsten 
Lebensbedürfnisse kennen, wozu mir ausreichende Data feh- 
len. Renouard berechnet den Ducaten nach dem Feinge- 
halte auf etwas über zwei Thaler unseres Geldes; Burck- 
hardt (S. 81) meint, der Ducaten, die Zecchine, der Gold- 
floren und der Goldscudo hätten annäherungsweise denselben 
Werth: elf bis zwölf Schweizerfranken; nach der deutschen 
Reichswährung wurde die Zecchine dem ungarischen Duca- 
ten gleichgesetzt. — Die Höhe des Gehalts giebt keinen 
rechten Anhaltspunkt, weil sie zu verschieden ist und zu 
viel Nebenumstände dabei zu berücksichtigen, sind. Als der 
berühmte Musurus gestorben war, welcher mit öffentlicher 
Besoldung Vorlesungen über griechische Autoren in Venedig 
gehalten hatte, schrieb der Senat 1518 eine Bewerbung aus, 
wobei die Bewerber Probevorlesungeo halten sollten, und 
bestimmte hundert Ducaten als Gehalt für die Stelle (vgl. 
Hodius, S. 306). Vielleicht wäre mehr ausgesetzt worden, 
wenn nicht die Republik damals nach dem erschöpfenden 
Kriege alle Besoldungen hätte ermälsigen müssen, und dann 
bezog der Professor doch wahrscheinlich noch Collegien- 
honorarc von den Zuhörern. Beide Umstände galten auch 
für die Juristen in Padua, aber wir finden hier wpit höhere 



Gl 

Gehalte. Gegen 1525 oder 1526 schreibt Degenhard Haefs 
aus Antwerpen^ der in Padua studirte, an Udalricus Zasius 
in Freiburg: ^Paulus Petrus Parisius, der älteste der Pro- 
fessoren des Rechts hier, bekommt 800 Ducaten, Marianus 
Socinus 600, ebensoviel Franciscus Borlei, dann kommt 
Achilles mit 400.*' Hierbei mufs man daran denken, dafs 
die Juristen als Verfasser staatsrechtlicher Gutachten immer 
die höchsten Besoldungen hatten. — Im Jahre 1459 war 
Georg von Trapezunt durch einen jährlichen Gehalt von 
150 Ducaten, wozu noch Collegiengelder*) kamen, bewogen 
worden, in Venedig Vorlesungen zu halten.*) — Bevor der 
Krieg der Liga von Cambray ausbrach ^ bezog Petrus Pom- 
ponatius, Professor der Philosophie in Padua, meinen Gehalt 
von 370 Ducaten (s. Roscoe, III. 260). 

Die Octavausgaben von Virgil, Horaz, Statins u. s. w., 
jeder Band zu 3 marcelli, waren gewifs für jene Zeit billig; 
wegen einiger anderer hören wir eine Klage des Codrus 
Urceus in Bologna. Dieser hatte 1498 an Aldus für den 
Band des Aristoteles de animalibus und ein griechisches 
Lexicon, welches nur das des Grasten gewesen sein kann, etwas 
über fünf Ducaten (er spricht von 30 librae und mehr) 
zahlen müssen.^) Dies ist für ihn sehr viel Geld, und er 
beklagt sich in einem Briefe an Baptista Palmarius über 
die hohen Bücherpreise des Aldus, die noch dazu durch die 
unnöthigen breiten Ränder mitherbeigeführt würden. „Zehn 



') Ein Zeitgenosse, Johannes Calderia, sagt von ihm: „et a senatu 
publicam et a privatis civibas privatam mercedem promeroit/ (Hodius, 
8. 104.) 

*) Die Staatseinnahme von Venedig wurde im Jahre 1423 auf 
1,100000 Ducaten geschätzt; durch die Handelsstorungen in Folge der 
Kriege war sie um die Mitte des Jahrhunderts auf 800000 Ducaten ge- 
sunken. In dem genannten Jahre gab es 1000 Adelige von 70 bis 4000 
Ducaten Einkommen. (Burckhardt, S. 72.) Im Jahre 1490 betrug die 
Staatseinnahme 1,200000 Ducaten. Nach dem Kriege der Liga Ton 
Gambray war sie auf die Hälfte herabgesunken, weshalb der Staat unter 
Anderem die Gehälter der Beamten verringerte. PhiUppi^ Geschichte 
Venedigs. 

*) Bei diesem Preise mufste noch Anderes miteingerechnet sein; 
denn nach dem Cataloge kostet der dritte Band des Aristoteles (de 
animalibus) 2^ Ducaten, das griechische Lexicon 1 Ducaten. 



02 

grofBe und gute lateiniBcho CodiceB/' «'iursert er, „hätte ich 
mir für jenes Geld kaufen können.** Lateinische Bucher 
und Handschriften mochten wohl im Preise schon sehr ber- 
abgegangen sein; aber zwei griechische Handschriften von 
der Starke, abgesehen von der Güte, jener zwei Aldiniscben 
Drucke hätte er nicht für fünf Ducaten bekommen, sondern 
vielleicht das Fünffache zahlen müssen.^) 

Ueber die Stärke der Auflagen läfst sich nicbt viel 
Bestimmtes sagen. Die Ausgaben in kleinem Formate schei- 
nen zu 1000 Exemplaren erschienen zu sein (s. die Vor- 
reden zu CatuU und Euripides). Für die gröfseren und 
theureren Bücher konnte wohl nur auf geringeren Absatz 
gerechnet werden > wenn auch das litterarische Bedfirfiiifs 
seit den Klagen von Sweinheim und Pannartz aufserordent- 
lich gewachsen war.^) 

n. Die Aeademie des Aldus. 

Seit der Eifer für die klassischen Studien in Italien 
allgemeiner geworden war, erwachte in den Gelehrten und 
denjenigen, die an ihren Bestrebungen Antheil nahmen. 



'} Ich schliefse dies aus folgender Berechnung. Als Politian 1491 
far seinen Gönner Lorenzo reiste, um gute griechische Manuscripte zu 
sammeln, stiefs er auf einige solche in Padua. Er ]iefs sie abschreiben 
und hatte mit dem griechischen Scrittore das Abkommen getroffen, ihm 
einen Ducaten zu zahlen a tre quintemi di foglio^ d. h. für drei Quin- 
ternionen in Folio (Heeren übersetzt unrichtig: „für drei Bogen". Ge- 
schichte der klassischen Studien. II. S. 56). Drei Quinternionen sind 
15 Bogen, deren je fünf zur Erleichterung des Einbindens in einander 
gelegt waren. Also 60 Folioseiten der Abschrift kosteten einen Ducaten. 
Die beiden Drucke des Aldus von 1497 haben zusammen 1400 Folio- 
seiten. Da der Druck grofs und weitläufig ist, so wollen wir den gün- 
stigsten Fall annehmen, dafs jener Schreiber ihren Inhalt auf ebensoviel 
Seiten geschrieben hätte: die Handschrift würde dann 23 j Ducaten ge- 
kostet haben. Archetypen desselben ümfangs waren wahrscheinlich 
theurer. Dreifsig Jahre früher hatten Sweinheim und Pannartz (s. erstes 
Capitel, S. 15.) bemerklich gemacht, dafs ihre lateinischen Drucke fünf- 
mal billiger seien, als man bisher handschriftliche Bücher bezahlt habe. 
Zwischen griechischen Drucken und Handschriften wird am Ende des 
Jahrhunderts ungefähr dasselbe Verhältnifs stattgefunden haben. 

^) Oporinus in Basel druckte 1518 das lexicon graeco-latinum des 
Craston, durch die berühmtesten Gelehrten bedeutend verbessert und 
vermehrt, in 1000 Exemplaren. (Rebitte, S. 25.) 



63 

der natürliche Trieb sich zum Austausche der Gedanken und 
gegenseitiger Förderung näher an einander anzuschlielsen. 
Dies geschah durch freie Vereinigungen unter einem Haupte, 
welche sich im Hinblicke auf Plato und Cicero den Namen 
Academieen beilegten. Bald entstanden diese Vereinigungen 
zum Zwecke des avpKpiXokoyelv xal avpsx&ovaid^eiv auch in 
Deutschland unter dem minder tönenden Namen sodetates, 
sodalitates^ sodalitia. Besonderen Ruf erhielten hier die 
Rheinische und Danubische Gelehrtengesellschaft, gestiftet 
durch Conrad Celtes, die Strafsburgische unter Wimpheling 
und die Bairische unter Aventinus. Die Gelehrtenrepublik 
hatte an ihnen gewisse Sammelpunkte zunächst für diejeni- 
gen , die an demselben Orte wohnten , dann fär Auswärtige 
und deren zeitweilige Betheiligung. Die Namen der Mit- 
glieder wurden bei ihrem Eintritt in die Gesellschaft oft in 
sinnreicher oder auch nur spielender Weise latinisirt und 
gräcisirt. Unter den vielen Vereinigungen dieser Art, die in 
Italien entstanden, ist zuerst der Kreis hervorzuheben, der 
sich in Rom um den Cardinal Bessarion Sammelte, später 
die Römische Academie des Pomponius Latus ^ welche sich 
vorzugsweise mit lateinischen Schriftstellern, Inschriften, Al- 
terthümem beschäftigte. Ponianus und Sannazar waren die 
berühmtesten Häupter der neapolitanischeil Academie, wo 
Geschichte, Dichtkunst und eclectische Popularphilosophie 
gefordert wurden. Ein besonderer Glanz aber verbreitete 
sich um die Platonische Academie, deren Mitglieder . an 
Cosmus und Lorenzo von Medici nicht nur fürstliche Gön- 
ner, sondern auch begeisterte Theilnehmer ihrer philosophi- 
schen und zum Theil schwärmerischen Unterhaltungen hatten. 
Sie fanden sich häufig in Carreggi zusammen, einem Land- 
sitze der Mediceer bei Florenz. Marsilius FidnuSy Picus 
von Mitandulay PolitianuSy Bapiista Alberti, Christophorus 
Landinus sind hier die hauptsächlichsten Namen neben 
Cosmus und Lorenzo, 

Auch um Aldus sammelte sich in Venedig bald ein 
Kreis wissenschaftlicher Männer. Wie aber in Venedig 
Alles nüchterner, straifer, practischer war, als in anderen 



G4 

Theilen Italiens (wird doch auch der grofsen venetianischen 
Kunstschule ein „weltkluger, geistreicher Realismus^* zuge- 
schrieben), so ist auch der Charakter der Aldinischen Aca- 
demie ein strengerer, mehr auf bestimmte philologische 
Zwecke gerichtet. Die alten Schriftsteller ihrem Inhalte 
nach genau kennen zu lernen, für die Sprache sichere gram- 
matische Regeln aufzustellen, kritische Hand an die Texte 
zu legen und möglichst viele derselben den Studirenden zu 
verschaffen, war die Absicht dieser Academiker. Auch an 
geschäftlichen Beziehungen ihres Vorstehers scheinen sie 
bisweilen mitbetheiligt gewesen zu sein. Die Zusammen- 
künfte, waren im Hause des Aldus und umfafsten gelehrte 
Männer aller Berufsarten, darunter die angesehensten des 
Staates. Es spricht sicher für seine Tüchtigkeit in wissen- 
schaftlicher und sittlicher Hinsicht, dais er der Mittelpunkt 
einer solchen Vereinigung wurde und blieb. Man safs im 
Winter im Halbkreise um das Feuer herum und pflog ge- 
lehrter Unterhaltung. Einmal disputirte der Arzt Hierony- 
mus Menochius aus Lucca mit dem Venetianischen Arzte 
Nicolaus Zoccha über die Hundswuth mit Beibringung alles 
dessen, was bei den Alten über diesen Punkt zu finden sei. 
(Man darf hierbei nicht vergessen, wie sehr die Eenntnüs 
dieser Alten noch unmittelbar in das Leben eingriff, da man 
nach ihren Vorschriften heilte.) Ein, anderes Mal trug Scipiö 
Carteromachus die grammatischen Lehren des Apollonius 
Dyskolus vor. ') Im Uebrigen fehlen sichere Nachrichten 
über die Beschäftigungen der Academie, imd man kann nur 
aus den wenigen Andeutungen vermuthen, dafs ihre Be- 
sprechungen wesentlich den Schriftstellern galten, deren 
Ausgaben vorbereitet wurden. Ein Schriftstück in griechi- 
scher Sprache, aus den ersten Zeiten der Vereinigung, 1500 
oder 1501 von Carteromachus geschrieben, ist von Morelli 
bekannt gemacht worden. 



») Morelli, S. 61. 54. 



65 



5> 



Gesetz der Neacademie'^ 



^^Da denjenigeii^ die sich um gelehrte Bildung bemühen^ 
grofser Nutzen aus griechischer Unterhaltung erwächst, so 
haben wir drei, Aldus der Römer, Johannes der Eretenser 
und ich, Scipio Carteromachus, gemeinsam beschlossen, ein 
Gesetz zu erlassen, dafs es nicht anders erlaubt sein solle 
sich zu unterhalten, als in griechischer Sprache* Sollte aber 
Jemand unter uns anders sprechen, sei es aus Absicht oder 
ohne es zu merken, oder weil er an das Gesetz nicht dächte, 
oder woher es auch kommen möchte, so soll er bestraft 
werden, aufser er hätte dies gerade absichtlich herbeifähren 
wollen. Seine Strafe aber soll Jeder alsbald erlegen uiid 
di« Sache iiicht auf morgen oder übermorgen verschieben. 
Wer aber nicht zahlt, soll das Doppelte schuldig sein, und 
wer auch diesös nicht giebt, von dem werde das Vierfache 
eingefordert und so fort nach Verhältnifs des Aufschiebens. 
Wer aber das Gesetz nicht achtet und das Zahlen seiner 
Strafe ganz unterläfst, der werde aus dem Kreise der Hel- 
lenisten vertrieben und für unwürdig erklärt der Gemein- 
samkeit mit ihnen, und jedes Zusammentrejßfen mit ihm 
gelte fortan als ünglückstag. Das eingezahlte Silbergeld 
aber soll in" einen Geldbeutel gethan werden oder auch, ja 
beim Zeus, in eine eigens dazu gedrechselte Büchse, und 
diese werde entweder Einem von uns zur Bewachung über- 
geben, zu aller Sicherheit verschlossen und versiegelt, oder 
irgend Einem, den wir erwählen und för würdig erklären. 
Sobald aber beschlossen wird, sie solle geöffnet werden, so 
bringe man sie vor und zähle das Geld durch, und ist das- 
selbe hinreichend für Beschaffung eines Gastmahls, so werde 
es dem Aldus uneingeschränkt eingehändigt, um uns davon 
glänzend zu bewirthen und nicht etwa wie Drucker, sondern 
Männern angemessen, die von der neuen Academie träumen 
und sie beinahe auf Platonische Art eingerichtet haben (xai 
ov xara tovg ivTVTtiaraq^ äXX arSgccai ngenovrcog xoiq trjv 

5 



66 

NeaxaSsfiiav ovaiQOTioXovaiv i'iSi] xai UXarwvixüq (aixqov 
SeJv xataaxsvdaaöiv avTi)v), Ist aber das Gold noch nicht 
hinreichend, so werde es wieder in die BQchse gethan und 
darin gelassen^ bis so viel da ist und sich angesammelt hat, 
als für die Bewirthung genügt'' 

,,Al8 Gast aber darf nur ein solcher zugeführt werden, 
der Philhellene und würdig unseres Kreises ist, der aUo die 
Wissenschaften liebt^ das Griechische versteht und, was die 
Hauptsache ist, zu unserer Neacademie paTst und in ihre 
Zwecke eingeweiht ist. Ist aber ein Gast da oder kommt^ 
wie dies wohl geschieht, ein Fremder, der sich eines Ge- 
schäfts wegen hier aufhält, wohl unterrichtet und des Grie* 
chischen kundig, so soll er gleichfalls unserem Gesetze un- 
terworfen sein. Widerstrebt und widersetzt er sich aber 
dem Gesetze, ohne dafs eine Entschuldigung und Vertheidi- 
gung dafür da ist, so soll er alsbald ohne Weiteres (kQrjfjLtjv 
xaTaSBSixda&iü) verurtheilt und aus der Neacademie ver- 
bannt werden als unwürdig; und er soll nicht mehr unter 
uns aufgenommen werden, wenn er nicht seinen Fehler be- 
reut, das einmal Festgesetzte zu halten verspricht und ge- 
wissermafsen Bürgen stellt. Ist aber Einer, der das Grie- 
chische nicht versteht, weil er sich noch gar nicht oder nicht 
soweit damit beschäftigt hat, dafs er Griechisch sprechen 
könnte, der sich aber damit noch, beschäftigt oder die 
Absicht hat es zu lernen, so darf er wohl unter tins 
aufgenommen werden; aber auch er mufs sich nach und 
nach gewöhnen Griechisch zu sprechen, wie wir. Wenn 
er aber nicht gehorcht oder auch gar unsere Beschäftigung 
verlacht, so werde er für alle Zukunft ausgeschlossen und 
nicht mehr für würdig unseres Vereins erklärt, auch wenn 
er noch so sehr bäte." 

„Vorgeschlagen hat das Gesetz Scipio Carteromachus, aus 
dem Stande der Professoren ((pvlrjg dva/vaiaridog); zur Ab- 
stimmung haben es gebracht Aldus der Römer, das Haupt 
der Neacademie, und Johannes der Eretenser, aus dem 
Stande der Correctoren ((fvXiJQ öioQ&airiäogy. Zugestimmt 



67 

aber haben die Neaoademiker alle, darunter Baptista/) aus 
dem Stande der Priester^ und Paulus der Venetianer, aus 
dem Stande der Patricier,^) und der Arzt Hieronymus aus 
Lucca/) und der Veroneser Franciscus Rosetus/) aus dem 
Stande der Lehrer ((pvX^g didaaxaliSog), und viele Andere, 
die in dieser Zeit lernbegierig sind und ein Verlangen nach 
der Neacademie haben, schon durch den Namen angelockt. 

Glück aber sei durchweg mit der Neacademie und de- 
nen, die sich zu ihr halten!^' 

Ob der Gebrauch der griechischen Sprache bei allen 
Zusammenkünften festgehalten worden ist, können wir nicht 
bestimmen. Was aber den Anfang der Academie betrifft, 
so ist derselbe jedenfalls vor 1502 zu setzen,* denn in dem 
Privilegium des Dogen Leonardus Lauredanus vom Novem- 
ber 1502 wird ihre Existenz schon erwähnt, und zwar wie 
ein neues Verdienst des Aldus um die Wissenschaften in 
Venedig. Sie wird schon längere Zeit vorher bestanden und 
durch die Ankunft des Carteromachus, welche 1500 erfolgte, 
neues Leben und festere Gestaltung bekommen haben. Un- 
terbrochen durch zeitweisen Abgang bedeutenderer Mitglie- 
der, sowie durch die zweimalige Entfernung des Aldus von 
Venedig, erstand sie doch immer wieder, und noch der 
Pindar von 1513 zeigt ^e Unterschrift: „ex nostra Acade» 
mia^. Auch nach dem Tode des Aldus erlosch sie nicht 
alsbald; denn Egnatius erwähnt in seinem Gellius vom 
September 1515 die Academiker noch als eine Gemeinschaft 

Aldus verband aber später mit dem Namen Academie 
besondere Pläne. Zur Fortsetzung und Einrichtung der bis- 
herigen freien Zusammenkünfte brauchte er keine pecuniären 
Unterstützungen, und doch suchte er solche bei mehreren 
forstlichen Häuptern nach in Betreff des Aufbaues der Aca- 



^) Baptista Egnatias. 

*) Paulus Canalis oder Decanalis. 

') Einiges über Hieronymus Menochius bei Morelli, S. 61. 

^) Dieser Franciscus Rosetus aus Verona ist Yielleicht derselbe mit 
Franciscus Roscius (Rossi), Yon dem einige Hymnen erwähnt werden. 
MoreUi, S. 63 ff. 



G8 

domio (de consHiuenda Aca4emia), Er wandte sich zuerst 
an Kaiser Maximilian durch Vermittlung von CoUaurius^ 
Matthias Lang und Cuspinian. Um diese Zeit schreibt er 
an CelteSy wenn das in Erfüllung gehe, was er hoffe, so 
werde Germanien ein zweites Athen für die Zeitgenossen 
werden. Später spricht er die Hoffnung aus, durch die 
Mittel der Lucretia Borgia, Herzogin von Ferrara, seine Idee 
ausgeführt zu sehen. Endlich fordert er Pabst Leo X« auf, 
in Rom die Academie zu gründen, die er und seine Freunde 
schon so lange im Herzen trügen. ') Ich denke mir also, 
dafs ihm in gröfserem Maafsstabe etwas dem Aehnliches 
vorschwebte, was Leo X. durch Gründung des Griechischen 
CoUegiums in Rom wirklich eingerichtet hat, mit welchem 
eine Druckerei verbunden war und dessen Leitung dem 
Janus Lascaris übergeben wurde. Vielleicht hat er gehofft, 
dabei für sich selbst eine Stellung zu gewinnen, in welcher 
er nebst seinen würdigsten Freunden mit einem sicherstel- 
lenden Gehalte in seiner bisherigen Weise wirken könne, 
während Kosten, Nutzen und Schaden von dem einrichten- 
den Gönner der Wissenschaften übernommen würden. 

Als Theilnehmer an der Academie des Aldus können 
mit gröfserer oder geringerer Sicherheit Folgende bezeichnet 
werden : der Arzt Alexander Bondinus aus Venedig, genannt 
AgathemeruSy im ersten Bande des Aristoteles als Mithelfer 
erwähnt; Urbanus Valerianus Bohanius aus Belluno, meiat 
Frater Urbanus genannt; BapHsta Egnatius; Scipio Carte- 
romachus aus Pistoja; der Arzt Hieronymus Menochius aus 
Lucca; Marcantonius Coccius Sabellicus ; Hieronymus Alean^ 
der aus Motta; Nicolau^ Judecus; Gabriel Bracdus (ßras- 
sichellensis); Nicolaus Zoccha; Benedictus Tyrrhenus; Be* 
nedictus Rambertus ; Michael Carteromachus^ ein Verwandter 
des Scipio Carteromachus ; Petrus Alcyonius ; Johannes Bap' 
tista Ramusius oder Rhamnusius ; die Veroneser Hieronymus 
Avancius und Johannes Jucundus; Andreas Asulanus und 



*) lieber seine Bemühungen s. die Vorrede zu Pontanus 1505, zu 
Plato 1513, zu den Gedichten der Strozzi 1513, so wie den Bri0f an 
Celtes vom Juni 1503. 



69 

seine Söhne Frandscu» und Fredericus. Die Nobili: Petms 
Bembus; Antonius Maurocenus] Daniel Rainerus (Rinieri); 
Angelus Gabriel (Angelo Gabrielli); Marinus Sanudus oder 
Sanutus; Bieronymus Donaiits; Aloisius Mocenicus; Paulus 
Canalis; Andreas Naugerius oder Navagems. Auch der 
Fürst Albertus von Carpi nahm an den Besprechungen der 
Academie Theil, wenn er in Venedig war. Die Griechen: 
Johannes Cretensis oder Gregoropylus; Marcus Husums au$ 
Greta; Justinus Dekadyus aus Corfu; Aristobulus Apostolius 
und sein Bruder Arsenius, Letzterer später Erzbischof von 
Monembasia; Demetrius Ducas; Janus Lascaris; Demetrius 
Chalkondyles aus Athen. -^ Zuletzt nennen wir für sich allein 
Erasmus. *) 



m. Die Dllitglieder der Academie. 

• 

Johannes Baptista EgnatiuSy aus der Familie Cipelli^ 
war 1478 zu Venedig geboren, wo er mit kurzen Unter- 
brechungen bis an sein Ende 1553 geblieben ist. Er wird 
noch als Zuhörer Politians genannt. In Venedig, und einige 
Zeit auch in Padua, hielt er Vorlesungen über alte Schrift- 
steller, besonders lateinische, half Aldus und dessen Nach- 
folgern bei Herausgabe lateinischer Autoren und schrieb 
anfserdem Anmerkungen zu Cicero, Ovid, Sueton, den scrip- 
tores historiae Augusta^e. Eine geschichtliche Arbeit gab er 
1516 bei Andreas Asulanus heraus: „De Caesaribus libri III. 
a diotatore Caesare ad Constantinum Palaeologum, hinc a 
Carolo magno ad Maximilianum Caesarem". Der Staat gab 
ihn auch feierlichen Gesandtschaften als Redner bei, wozu 
die; angeseheneren Humanisten jener Zeit vielfach benutzt 
worden. So einer Gesandtschaft nach Mailand an Franz I. 



•) Auch der Engländer Thomas Linacer, Arzt und Humanist, wird 
von.Renouard und Anderen unter die Academiker gerechnet, was mir 
unbegründet erscheint. Er ^tand wohl in einer Beziehung zu Aldus, 
war aber 1499 schon seit längerer Zeit wieder in England (s. die Vor- 
rede zur Sphaera des Proclus in der Collection der astronomischen Schrift- 
steller, 1499), auch ist nicht bekannt, dafs er sich überhaupt in Venedig 
aufgehalten hat. 



70 

nach dem Siege bei Marignano. Er hatte ein lateinisches 
Oedicht auf diesen Sieg abgefafst, welches noch 1515 ge* 
druckt erschien und 1540 in Venedig neu aufgelegt worden 
ist. Der König schenkte ihm fär dasselbe eine goldene 
Denkmünze mit seinem Bildnisse. 

Mit Erasmus wurde er sehr befreundet und stand mit 
demselben bis in dessen letzten Lebensjahre in Briefwechsel. 
Noch vertrauter war er mit Aldus, der ihn in seinem Testsr 
mente zu einem der Testaments -Executoren ernannte. — 
Morelli, S. 57 f. Gräfse, V. 1210. Saxii Onom. m. 62. 588. 
Menckenii historia vitae Politiani, p. 82. — Auch mit Pirk- 
heimer, den er sehr schätzte, stand er in brieflichem Vor- 
kehre. — Heumanni documenta litteraria, p. 107, 287. — 

Scipio Carteromachus ^ eigentlich Forteguerri^ wurde 
1467 zu Pistoja geboren, wo seine Familie zu den angese- 
hensten Geschlechtern gehorte. Nach dem ersten Unterrichte 
in seiner Vaterstadt ging er nach Rom und Florenz und 
wurde eiaer der vorzüglichsten Schüler Politians. Um 1500 
wurde er von dem Venetianischen Senate eingeladen, in 
Venedig die griechische Sprache zu lehren, in deren Eennt- 
nifs er sich so auszeichnete, dais selbst gebome Griechen 
seine Ueberlegenheit anerkannten. Dort trat er bald in 
Verbüidung mit Aldus, mit welchem er schon früher Be- 
rührungspunkte gehabt hatte; denn das Organen des Aristo- 
teles, der Thesaurus und andere Bücher ^d^s Aldus enthalten 
von ihm nach damaliger Sitte einleitende Epigramme. 8oldie 
Epigramme und griechische Vorreden widmete er auch spä- 
teren Büchern: dem PoUux, Nonnus, Gregorius Nazianzenus, 
Demosthenes, welchen letzteren er ganz besorgte. Vor der 
Herausgabe des Demosthenes hielt er vor einem zahlreichen 
Publicum die von Aldus gedruckte Rede zum Lobe der grie- 
chischen Litteratur. 

Gegen 1505 wurde er vom Pabst Julius II. nach Born 
berufen, um hier Lehrer und Gesellschafter eines seiner 
Neffen zu sein, des Cardinais Galeotto Franciotti della Rovere. 
Diesem widmete er eine Rede des Aristides, die er in das 
Lateinische übersetzt hatte. In Bologna 1507 und spätw in 



71 

Rom hatte er vertrauten Umgang mit Erasmus^ der seine 
ungemeine Gelehrsamkeit, verbunden mit einer grofsen Be- 
scheidenheit, aufserordentlieh lobt. Er starb schon Ende 
1513, ohne nennenswerthe Arbeiten aUfser dem Erwähnten 
zu hinterlassen; nur ist noch hinzuzufügen, dafs er auch bei 
dw lateinischen Ausgabe des Ptolemäus, welche 1507 in 
Rom erschien, mit thätig war. — Roscoe 11. 149 ff. Niceron. 
Morelli, 8. 53 ff. Saxii Onomast. U. 518. Erasmi epist. ad 
Jodocum Gaverum. — 

Urbanus ValeHanus BoUanius aus Belluno, 1440 ge- 
boren, ein Franciscaner, verlieis mehrmals die Mauern sei- 
nes Klosters, um fremde Länder zu sehen. Er begleitete 
den nachmaligen Dogen von Venedig, Andrea Gritti, auf 
einer Gesandtschaftsreise nach Constantinopel und durch- 
reiste dann zu Fufs Griechenland, Palästina, Aegypten, Sy- 
rien. Bemerkungen über das Gesehene hat er aufgezeichnet, 
aber nicht veröffentlicht. Es erschien von ihm 1497 bei 
Aldus eine häufig wiederholte griechische Grammatik, die 
erste in lateinischer Sprache geschriebene. Sie beruht auf 
den Vorträgen des Constantinus Lascaris, welchen er in 
Messina gehört hatte. Er scheint sich meistens in Venedig 
aufgehalten zu haben, wo er erst 1524 starb, vollkommen 
gesund bis an sein Ende; nur beschädigte er sich als Greis 
durch einen Sturz von der Leiter den Fufs, so dafs er 
seine weiten Fufswanderungen aufgeben mufste. Seinen 
Schülern, denn er hielt lange in Venedig Vorlesungen über 
griechische Sprache und Schriftsteller, erschien er als das 
Muster eines Menschen. So schildert ihn sein Neffe Pierius 
Valerianus: „unum exemplum vitae in omni diutumoque 
labore tranquillissimae, in tenui re, in laboribus, in summa 
senectute felicis." — Roscoe IL 153. Gräfse IV. 770. Burck- 
hardt^ S. 274. — In der Vorrede zum Thesaurus 1496 wird 
er zuerst als Mithelfer des Aldus erwähnt. 

Er gehörte zu denen, welchen Erasmus in Venedig ver- 
pflichtet wurde. Es heifst bei diesem: „Cum apud Italos 
ederem proverbiomm opus, homo Batavus, Aldus nihil habe- 
bat in thesauro, quod non communicaret. Idem fecit Joannes 



72 

Lascaris, Baptista Egnatius, ^arcus Musurus^ Frater Ur- 
banus/^ 

Hieronymus Aleander, Girolamo Äleandro, 1480 bis 
1542^ aus Motta im Ffirstenthume Concordia^ hatte ein sehr 
bewegtes Leben^ was ihn nicht zu der litterarischen Thatig- 
keit kommen liefs^ die man von ihm erwartet hatte. Zu 
Venedig war er Anfangs im Dienste des päbstlichen Ge- 
sandten; 1504 war er mit einem yomehmen venetianischen 
Jünglinge^ Mapheus Leo^ in Padua^ dann wieder in Venedig 
als Privatmann bis 1508. Er half dem Aldus bei dessen 
Arbeiten, weshalb ihm auch 1504 der Homer von demsel- 
ben dedicirt wurde, und wohnte im Hause des Andreas 
Asulanus, zuletzt mit Erasmus zusammen, mit welchem er 
in Verbindung geblieben ist. Schon damals hatte er äea 
Ruf grofser Gelehrsamkeit im Lateinischen, Griechischen, 
Hebräischen und anderen orientalischen Sprachen. Von 
1508 — 1517 hielt er, nach Roscoe, in Paris, Orleans, Blois» 
die letzten Jahre in Lüttich Vorlesungen über griechische 
Schriftsteller, was indefs Rebitte für die französischen Städte 
bestreitet, wenn auch sein Aufenthalt in Frankreich unzwei: 
felhaft ist. Im Jahre 1519 wurde er Bibliothekar am Va- 
tican, darauf erscheint er als päbstlicher Legat auf dem 
Reichstage in Worms. Als apostolischer Nuntius an Franz L 
geschickt, den er in die Schlacht bei Pavia begleitete, wurde 
er mit dem Könige gefangen genommen und nur gegen ein 
schweres Lösegeld freigelassen. Nach mehrfachen anderen 
Gesandtschaften und Staatsgeschäften wurde er 1538 Cardi- 
nal und legte darauf sein Amt als Bibliothekar nieder. Als 
Erzbischof von Brindisi lebte er auch einige Zeit wieder in 
Venedig, wo er in seinem Paläste den Georg Sabinus, spä- 
ter Schwiegersohn Melanthons, zum Dichter krönte, wie die- 
ser selbst erzählt. Er starb zu Rom 1542. Seine Bücher 
vermachte er einem Kloster in Venedig, von wo sie in die 
Marcusbibliothek gekonmien sind. — Roscoe IQ. 329 ff. 
Rebitte, S. 132 ff. Grä&e V. 1210. Saxii Onomast lU. 92. 
Rosenmüller, Lebensbeschreibungen berühmter Gelehrten, 
S. 320. — 



73 

Es giebt von ihm Briefe^ ein griechisch -lateinisches 
Lexicon und eine grieciusche 6ramma4>ik, Strafsburg 1515^ 
die ein Auszug aus Chrysoloras ist Das Lexicon erschien 
1512 in Paris^ gedruckt durch Gourmont. Die Pariser Buch- 
drucker hatten damals noch so wenige griechische Typen^ 
dafs der Druck eines längeren Buches grofse Schwierigkeiten 
machte. — Bebitte, S. 54. -:- 

Ueber Coccius SabelUcus s. Brief Y. Anmerk. 7. 

Benedictus Tyrrhenus gab. 1516 bei Andreas Asulanus 
den Strabo heraus^ der dem Albertus Pius gewidmet ist. 

Johannes Baptista Ramusiiis oder Rhamnmius^ 1485 
bis 1557 > wird 1514 als Mitbesorger des Quintiliau von 
Aldus erwähnt. Er war ein Freund von Navagerus und 
Fracastorius. — Gräfse V. 1152. Paiji Manutii epist. ed. 
Krause, p. 1145. Menckenii vita Fracastorii, p. 142, 199. 
Saxii Onom. m. 212. — 

Petrus Alcyonius wurde etwa 1490 in Venedig geboren. 
Es giebt von ihm eine lateinische Uebersetzung einiger 
Schriften des Aristoteles, aufserdem einen Dialog „Legatus 
Medices seu deExilio^^ Dieser schien den Zeitgenossen in 
80 classischem Latein geschrieben zu sein, dafs man sagte, 
Alcyonius habe heimlich die einzig vorhandene Handschrift 
der verschollenen zwei Bücher Cicero's „de gloria" besessen 
und für jenen Tractat benutzt, dann aber vernichtet, um 
des Betruges nicht überführt werden zu können. Vielleicht 
sei es die Handschrift gewesen, von der Petrarca erzähle, 
dafs er sie in seiner Jugend gehabt und gelesen, durch sei- 
nen alten Lehrer aber verloren habe, (üeber Petrarca's 
etwas zweifelhafte Angabe in Betreff dieser ciceronischen 
Schrift vgl. Voigt, das erste Jahrhundert des Humanismus, 
S. 25.) Bei Aldus soll er Corrector gewesen sein. Er ge- 
hörte zu den eifrigsten Zuhörern des Musurus, nach dessen 
Tode er sich, da er schon bedeutenden Ruf hatte, mit um 
dessen erledigten Lehrstuhl bewarb, den er iudefs nicht er- 
hielt Bald darauf erscheint er als . Professor in Florenz, 
seit 1523 in Rom, wo er 1527 starb. — Niceron. Gräfse 
V. 1210. Saxü Onom. IH. 95. Hodius, p- 307. — 



74 

Hieronymus Avanciu$ aus Verona war gegen 1493 Pro- 
fessor der Philosophie in Padua. Er scheint bei dieser Stadt 
ein Gut gehabt zu haben, auf welches er sich zurückzog, 
um sich mit mehr Mufse dem Emendiren yerschiedener 
Schriftsteller hinzugeben. Besonders beschäftigte er sich mit 
GatuU und Lucrez. Seine ,, Emendationes Catullianae'^ er- 
schienen 1494. Für Aldus besorgte er 1500 den Lucrez, 
1502 den Catull. Aufserdem werden von ihm erwähnt Aus- 
gaben des Ausonius, Quintilian, Statins, des Tragikers Se- 
neca, einiger Briefe des jüngeren Plinius. Die Editoren 
jener Zeiten waren im Allgemeinen sehr geneigt zu Inter- 
polationen, ihm jedoch wird es in erhöhtem Grade vorge- 
worfen. — Quirini Litterat. Brixiana I. 59 fif. Saxii Onom. 
ni. 3. 576. Gräfse IV. 760. — 

Johannes Jucundus^ Giocondo, soll ein Franciscaner 
gewesen sein, worauf die Benennung Fra Giocondo bei Eini- 
gen hinweist, während Andere bezweifeln, dafs er dem 
Priesterstande angehört habe. Er wurde in Verona um 1435 
geboren und widmete sich dem Baufache, dabei aber auch 
eifrig dem Studium des Alterthums. Dem Lorenzo von 
Medici übergab er eine Sammlung von ^000 lateinischen 
Inschriften, welche in die Vaticanische Bibliothek gekomm^ 
und von Gruter und Muratori soll benutzt worden sein. 
Ludwig XIL berief ihn 1499 als königlichen Architekten 
nach Paris, wo er zwei Brücken über die Seine baute. 
Sannazar in seinen Epigrammen macht darauf den Wortwitz: 

De Jucundo architecto. 

Jucondus geminos fecit tibi, Sequana, pontes: 
Jure tuum potes hinc dicere pont\ficem, 

Jean Joyeux^ wie er in Paris hiefs, beschäftigte sich 
auch in Frankreich mit den alten Schriftstellern, verglich 
Codices zu Nonius Marcellus und fand die vollständige Hand- 
schrift zu Plinius' Briefen, die Mocenicus an Aldus gab, der 
sie 1508 druckte. Auch für Sicherstellung der Topographie 
in >Cäsars gallischem Kriege war er thätig. Als er 1507 
nach Italien zurückgekehrt war, kam er nach Venedig und 



75 

trat in nähere Verbindung mit Aldus^ dem er bei den Aus* 
gaben von Nonius Marcellue (angehängt dem Perotti von 
1513)^ Gä8ar^ Sallust^ Julius Obsequens (angehängt dem 
Plinius von 1508) behülflich war. Nachdem er mehrere 
Bauten in Venedig und Verona geleitet hatte^ wurde er 1514 
als achtzigjähriger Greis nach Rom berufen ^ um unter der 
Oberleitung von Raphael an dem Ausbaue der Peterskirche 
mitzuwirken. Dort starb er bald darauf. Es wird von ihm 
noch erwähnt^ dafs er auch Vitruv, Cato, Varro und Colu- 
mella emendirt habe. — Jagemann ^ Bd. 5^ S. 143^ 656. 
Gräfse IV. 751. Saxii Onom. 11. 503. Encyolopädie von 
Ersch und Gruber, Bd. 67. — 

Das Leben des Petrus Bembus^ geboren 1470 in Vene- 
digs gestorben 1547 in Rom, ist vielfach bescbrieb^Q. Er 
gehörte zu den ersten, die mit Aldus in Verbindung traten« 
Mit Angelus Gabriel veranlafste er ihn zur Herausgabe der 
Grammatik des Lascaris; 1495 liefs er bei ihm sein Gedicht 
„de Aetna'^ drucken, welches durch seinen längeren Aufepit- 
halt in Messina hervorgerufen war. Dann besorgte er für 
Aldus eine kritische Ausgabe der Gedichte Petrarca's und 
der Terzerime des Dante. Auch für die lateinischen Aus- 
gaben desselben war er in verschiedener Weise thätig, wes- 
halb ihm der Virgil von 1514 gewidmet ist. Mit Sadoletus 
gehörte er als päbstlicher Secretär zu dem engeren Kreise 
um Leo X. Nach Navagero's Tode wurde ihm von seiner 
Vaterstadt die Stelle eines Historiographen und die Aufsicht 
fiber die Marcusbibliothek übertragen. Er nahm Beides em, 
verzichtete jedoch auf den damit verbundenen Gehalt. Als 
er 1539 Cardinal geworden war, entsagte er der Beschäf- 
tigung mit der Dichtkunst und profanen Gelehrsamkeit. Er 
ist eins der Häupter des Ciceronianismus, welchen Erasmus 
80 geistreich angegriffen hat. 

Andreas Naugerius oder Navagerus wurde 1483 in 
Venedig geboren, wo Sabellicus sein frühester Lehrer war. 
Zu Padua studirte er unter Petrus Pomponatius Philosophie 
und Beredsamkeit. Von dort kehrte er nach Venedig zu- 
ruck und trat in enge Verbindung mit Aldus, der ihm den 



76 

Pindar und die rhetorischen Schriften Cicero's gewidmet hat, 
an deren Ende es heifst: ,,Cum adeo juvenis tantus et prosa 
et carmine eyaseris, ut te vel antiqiiis, qui utroque In ge- 
nere summa cum laude elaboraverunt, fere aequaveris, non 
dubito quin futurus sis maximum decus et gloria nostrorum 
temporum et una cum Bembo nostro magna spes altera 
Romae/' Einige Zeit lebte er mit seinem Freunde Fraca- 
storo auf der Academie ihres Gönners, des venetianischen 
Generals d'Alviano oder Livianus, zu Pordenone; 1506 aber 
wurde er von dem Senate zurückberufen, um die Stelle des 
eben gestorbenen Sabellicus einzunehmen und die venetia- 
nische Geschichte desselben fortzusetzen. Hierauf wurde er 
mehrfach in Staatsangelegenheiten als Gesandter verwendet 
und verglich dabei in Frankreich und Spanien für eine Her- 
ausgabe der Beden Cicero's ^) die Handschriften vieler Biblio- 
theken. Als er 1529 zu Franz I. abgeordnet worden war, 
starb er auf der Reise in Blois. In dem Kreise^ der sich 
um Aldus bildete und auch bei dessen Nachfolgei: blieb, 
gehörte er zu den gründlichsten Kritikern, wie der Lucrez 
von 1515, der Ovid 1515 — 1516 beweisen. Von seinen 
eigenen Schriften ist nur Weniges erhalten, weil er das 
Meiste in übertriebener Unzufriedenheit mit seinen Leistun- 
gen verbrannt hat, darunter eine Geschichte Venedigs von 
der Ankunft Carls VIII. in Italien bis auf seine Zeit. Die 
Gedichte sahen ihm nicht genug dem Virgil ähnlich, die 
Prosa nicht genug dem Cicero, wie ihm denn auch die 
Schreibart des Erasmus mifsfiel, weil sie nicht ciceronia- 
nisch sei. Bei dieser Art von Eifer könnte wohl die An- 
gabe des sonst nicht immer zuverlässigen Jovius wahr sein, 
dafs Navagerus jährlich ein Exemplar des Martial dem Feuer 
geopfert habe, wahrscheinlich weil er diesem Schuld gab, 
den Geschmack am Hohen und Schwunghaften zerstört zu 
haben. — Gräfse V. 1109. Schelhorn, Amoenitates litte- 



*) Sie erschienen 1519 bei Andreas Asiilanus, 1534 bei Antonius 
Junta mit den Verbesserungen des Petrus Victorius. Vd. Roscoe, III. 
112. Renouard, S, 86, XXVIII. 



77 

rariae VIT. 149. Roscoe III. 110 — 119. 163. Das Latei- 
nische war seine Hauptstarke, doch horte er auch fleifsig 
den Musurus. — 

Paulus Canalis oder Decanalis, Paolo Canale, zeigte die 
Frühreife, die wir bei Vielen in jener Zeit finden. Er starb 
schon 1508, im Alter von fünfundzwanzig Jahren. Unab- 
lässiges Studiren bei schwacher Gesundheit beschleunigten 
sein Ende. Es sind keine Werke von ihm bekannt, doch 
erwähnt Egnatius in seinen „Racemationes^^ von ihm, dafs er 
ein Werk über Mythologie (genealogia deorum) beinahe fer- 
tig ausgearbeitet habe. Eine von ihm geschriebene Hand- 
schrift des Athenäus hat Schweighäuser für seine Ausgabe 
in Paris verglichen, wohin sie aus Heidelberg gekommen 
war. — Morelli S. 58 ff. — Erasmus erwähnt ihn in dem 
Briefe an Jodocus Gaverus : „ Venetiae vidi Paulum Canalem 
patricium, juvenem sümmis rebus natum, nisi mors illud in- 
genium terris invidisset. Is phtisi periit me illic agente/^ 

Alberto Pio, Graf von Carpi (Albertus Pius de Sabaudid, 
Carporum Comes, heifst er in dem Privilegium vom Januar 
1513, welches Aldus auf seine Verwendung von Pabst Ju- 
lius IL erhielt,) blieb in seinem späteren Leben nicht in 
der Weise den Wissenschaften treu, wie Aldus von seinem 
Schüler gehofft hatte. Staatsgeschäfte und später die refor- 
matorischen Bewegungen zogen ihn ab (s. die Vorrede ^um 
Lucrez 1515). Er war längere Zeit Gesandter Maximilians 
bei Pabst Julius ü. Von Carl V. wendete er sich zuletzt 
ab auf die Seite des Pabstes. Seiner Besitzungen beraubt, 
starb er 1530 in Paris. Am meisten ist er durch den Streit 
bekannt, den er mit Erasmus führte. Er warf ihm vor, dafs 
er durch seine Schriften den Kampf hervorgerufen habe, 
welchen Luther und seine Anhänger gegen die Kirche führ- 
ten, und dafs er denselben auch jetzt noch dadurch begün- 
stige, dafs er nicht entschieden dagegen auftrete. — H. v. 
d. Hardt, Hist. lit. Reform. L p. 107 — 180. — 

Johannes Cretensis oder Gregoropylus war einer der 
gelehrten Griechen, welche bei Aldus als Correctoren be- 
schäftigt waren und in seinem Hause lebten. Einen grie- 



78 

chischen Brief seines Landsmannes Musurus an ihn aus der 
Zeit, wo jener sich bei dem Grafen von Carpi aufhielt^ hat 
Renouard S. 520 abgedruckt. — Morelli, S. 51. — 

Marcus Musurus aus Greta kam jung nach Italien^ wo- 
hin ihm später sein Vater folgte. In Venedig lernte er La- 
teinisch,*) in welcher Sprache er es zu einer solchen Fer- 
tigkeit brachte, wie sie unter den Griechen nach Erasmus* 
Meinung nur Theodorus Gaza und Janus Lascaris erreicht 
hatten. Zu dem Letzteren hat er in einer besonderen Be- 
ziehung gestanden; denn er rühmt mehrmals die Liebe,*) 
mit welcher er von Jenem in seiner frühesten Jugend wie 
ein Sohn gehalten und zu den schönen Wissenschaften ge- 
leitet worden sei. In Venedig half er dem Aldus schon bei 
dessen ersten griechischen Ausgaben, z. B. bei dem Musaus, 
so wie dem Nicolaus Blastus bei der Herausgabe des Ety- 
mologicum magnum 1499. Später finden wir ihn in Carpi 
bei dem Fürsten Albertus, den er im Griechischen unter- 
richtete, wie aus Aldus' Vorrede zum Statins 1502 hervor- 
geht (vgl. auch die Vorrede zum Sophocles). Im Jahre 1505 
tritt er, von der Republik berufen, als Professor des Grie- 
chischen in Padua auf, wo er seinen alten Vater bei sich 
hatte, der nur Griechisch verstand. Dort hörte ihn Erasmus» 
der seines Lobes voll ist, und verkehrte in seinem Hause. 
Auch von Padua aus blieb er Aldus' Mitarbeiter, kam auch 
nicht selten nach Venedig. Durch die Eriegsimruhen aus 
Padua vertrieben, siedelte Musurus wieder ganz nach Venedig 
über und wurde mit einem bestimmten Gehalte als Lehrer 
der griechischen Litteratur angestellt, womit die Oberaufsicht 
über die Bibliothek des Bessarion verbunden wurde. Der 
Zeitpunkt ist vor die Herausgabe der Grammatik des Ghry- 
solotas 1512 zu setzen, in deren Vorrede schon erwähnt ist, 
dals er vor einem zahlreichen und angesehenen Auditorium 



*) Italienisch wird er wahrscheinlich so weni^ gelernt haben, wie 
Erasmus Englisch oder Französisch, so lange sich derselbe auch in Eng- 
land und Frankreich aufgehalten hat Das Lateinische war die Welt- 
sprache der Gelehrten. 

») Bömer, S. 219, 220. 



79 

Vorlesungen halte. In seiner Stellung blieb Musurus unter 
grofser Anerkennung bis 1516. Inzwischen wurde er auf 
des Janus Lascaris Empfehlung von Pabst Leo X. aufge- 
fordert^ bei Gründung der griechischen Colonie, die derselbe 
beabsichtigte, mitzuwirken. Er scheint auch eine Art von 
Censoramt über die innerhalb des Staatsgebietes gedruckten 
griechischen Bücher gehabt zu haben, um darauf zu sehen, dafs 
sie nichts für die Religion Schädliches enthielten, wenn man 
dies aus den Worten folgern darf, deren er sich in der Vor- 
rede zu Gregorius Nazianzenus 1516 bedient: „Jam pridem 
a me cautum est, ut e publica litterarum graecarum officina, 
cui liberalitate beneficioque Veneti Senatus tredecim jam 
annis praesidemus, ') prodeant non qui sapientiam insipien- 
tem insolentes ostentent, nee qui ex impietate venditent In- 
genium, sed^^ Oder er meint damit, er habe immer 

nur solche Bücher besorgt und erklärt, durch welche Ernst 
und Weisheit verbreitet würden. Am Ende des Jahres 1516 
wurde er zum Erzbischof von Malvasia oder Monembasia 
auf Morea ernannt, kam aber nicht dahin, da er schon 1517 
in ]IQ(om an einer pestartigen Krankheit starb, noch nicht 
fünfzig Jahre alt. Er war nämlich einige Jahre jünger, als 
Erasmus, wie Letzterer angiebt; Erasmus aber ist 1467 
geboren. 

üeber Musurus' Wirksamkeit als Lehrer haben wir die 
Lobeserhebungen seiner Zeitgenossen. Daneben machte er 
sich verdient durch seine Hülfe bei den griechischen Aus- 
gaben des Aldus und Andreas Asulanus. Er hauptsächlich 
besorgte den Musäus, Aristophanes, Pindar, Plato, Athenäus, 
Hesychius, Ammonius, die Epistolographen, Pausanias u. a. 
Nach Aldus' Tode, zu dem er in einem vorzugsweise freund- 
schaftlichen Verhältnisse gestanden hatte, gab er dessen 
nachgelassene griechische Grammatik heraus. Eigne bedeu- 
tendere Arbeiten hinterliefs er nicht. Griechische Verse 
schrieb er mit Geläufigkeit, wie aufser kleineren Sachen, 



') Er müTste also dieses Amt schon vor der Anstellong in Padua 
gehabt hiül>en. 



80 

z. B. den sechs Zeilen Supplement zu Moschus/) das Ge- 
dicht auf Plato und Leo X. zeigt, welches der Ausgabe des 
Plato von 1513 vorgesetzt ist. — Aufser Börner und Hodios 
s. Roscoe n. 122 ff. Saxii Onom. IL 523. Erasmi epist. 
ad Jodocum Gaverum. — 

Johannes oder Janus Lascaris, Rhyndacenus, aus dem 
Geschlechte der ehemaligen Kaiser von Nicaa, geboren gegen 
1445, kam jung nach Italien zu Bessärion, der ihn nach 
Padua schickte^ um dort Lateinisch zu lernen. Später nach 
Florenz gekommen, wurde er von Lorenzo Medici zweimal 
mit Briefen nach Constantinopel an Sultan Bajazet LI. ge- 
schickt, der ihm erlauben sollte, griechische Manuscripte aus 
den Bibliotheken Griechenlands zusammenzusuchen und zu 
kaufen. Von diesen Reisen brachte er 200 zum Theil vor- 
zügliche Codices nach Florenz, unter anderen vom Berge 
Athos die griechischen Rhetoren, welche Aldus 1508 — 1509 
druckte. Nach der Eroberung von Florenz durch die Fran- 
zosen schlofs er sich an Carl VIII. an, dem er nach Frank- 
reich folgte, üeber seine Thätigkeit daselbst ist sehr wenig 
bekannt. Man liest gewöhnlich, dafs er Guillaume Bud( ia' 
jener Zeit unterrichtet habe; aber dieser sagt, dafs ihm v(m 
Lascaris nicht mehr als zwanzig Lectionen ertheilt worden 
seien, weil er zu sehr im Gefolge des Königs beschäftigt 
gewesen sei (s. Börner, S. 208). Als Gesandter des fran- 
zösischen Hofes war er 1503 — 1508 in Venedig, scheintauch 
nach dem gegen die Republik ausgebrochenen Kriege als 
Privatmann daselbst geblieben zu sein, bis Leo X. aus der 
ihm wohlwollenden Familie der Medici den päbstlichen Stuhl 
bestieg. Da reiste er nach Rom und bewog den Pabst zur 
Gründung des „Collegium graecum", einer Colonie für junge 
Griechen. Leo kaufte den Palast des Cardinais von Sion 
auf dem Esquilinischen Hügel und bestimmte ihn für eine 
Academie der griechischen Sprache und Litteratur. Lascaris 
wurde mit ansehnlichem Gehalte darüber zum Oberaufseher 
gesetzt. Mit dem Collegium wurde eine Buchdruckerei ver- 



') Vgl. Bernhardy, GrundriTs der gr. Litt. II. 2. Abth. (1859) S. 501 



81 

bunden, aus welcher 1517 die Schollen zu Homer hervor- 
gingen^ 1518 die Scholien zu Sophocies, so wie ^^Porphjrrii 
QuaestionesHomericae^^ ui^ desselben ^^Libeilus denympharum 
«ntro/^ Im Auftrage des Pabstes ging er 1518 nach Frank- 
reich zu Franz I.^ bei welchem er blieb. Auf sein und 
seines Freundes Bude Betreiben legte der König den Grund 
zu der königlichen Bibliothek zu Fontainebleau. Auch Franz 
wollte eine griechische Colonie gründen in der Weise^ wie 
Leo X., zu welchem Zwecke er 1520 Lasoaris nach Venedig 
schickte; indefs kam die Sache nicht zu Stande. Nach 
mehrfachen Gesandtschaften im Auftrage des Pabstes und 
des französischen Königs zog er sich endlich^ fast 90 Jahre 
alt^ nach Rom zurück, wo er bald darauf, 1534 oder 1535, 
starb. Seines Lobes sind alle Zeitgenossen voll. Eigene 
Schriften hat er auTser Epigrammen ; Briefen und Keden 
nicht hinterlassen ; aber er hat die an verschiedenen Stellen 
schon erwähnten fünf Editiones principes besorgt, die nach 
seiner Angabe mit Capitälern gedruckt wurden: die Antho- 
l(^e, CaUimachus, die Scholien zur Ilias und zu Sophocles, 
PiPrphyrius. — Börner, Hodius, Gräise IV. 776. Vogel im 
fiörapeum. X. 1849. — 

Bei Börner und Hodius wird angegeben, dafs Chalcon-^ 
dyles nach Lorenzo's Tode von Florenz nach Mailand ge- 
gangen ist. Unger aber führt S. 149 eine nicht näher be- 
zeichnete Stelle aus Erasmus an, welche einen Zwischen- 
ttufenthalt des Chalcondyles in Venedig angiebt: „Ghalcon- 
dyles Florentiam delatus est. Tum discessit Venetias ibi- 
€leim<j[ue apud Aldum graecos Codices sub prelo sudantes diu 
correxit." 

Das Wenige, was über Justinus Corcyräus oder Deca- 
-d^uMy Äristobulus Apostolius, Arsenius^ Demetrius Duca$ 
bekannt ist, welche alle bei Aldus als Correctoren und Mit- 
besorger griechischer Ausgaben beschäftigt waren, s. bei 
Börner und Hodius. Agathemerus war so wenig ein Grieche, 
wie Carteromachus, sondern es ist darunter der venetianische 
Arzt Bondinus zu verstehen, der seinen Namen in dieser 
Weise gräcisirt hatte. 

6 



82 

Von Erasmus wollen wir nur das Verhältnifs berühren, 
in welchem er eu Aldus und dessen Kreise gestanden hat 
Im Jahre 1508 kam er von Bologna, wo er sich über ein 
Jahr aufgehalten hatte, nach Venedig, um bei Aldus eine 
vermehrte und verbesserte Auflage seiner Sprüchwdrt^- 
eammlung vollends auszuarbeiten und drucken zu lassen, die 
mm ersten Male in Paris 1500 erschienen war. Aldus nahm 
den schon berühmten Mann freundlich auf und brachte ihn 
in dem Hause seines Schwiegervaters unter, we er mit Hie- 
Ironymus Aleander zusammen wmt, dem spateren Cardinal, 
damals einem der Gehülfen und Correotoren des Aldus. 
Erasmus besorgte nicht blos sein eigenes Werk, bei wel- 
chem ihn, wie er selbst sagt^ die Italiener und Grieche 
sehr zuvorkommend durch Borgen von Büchern und Hand- 
schriften u. a. unterstützten, sondern half auch seinem Gast- 
freunde bei dessen Arbeiten. So brachte er für eine beab^ 
sichtigte Ausgabe des Plautus die Verse in Ordnunig, wofür 
er nach seiner eigenen Aussage zwanzig Goldstücke bekam. 
(Weil der ältere Scaliger mit einer gewissen VerächtliefakieR 
gesagt hatte, Erasmus sei Corrector bei Aldus gewesien, so 
setzte er bei der Erwähnung jener Belohnung ausdrüokHA 
hinzu, dafs er für die Ausmerzung von Fehlem nichts er- 
halten habe. Dem Grafen von Garpi, der ihn später eben«- 
falls durch die Benennung Corrector herabsetzen wollte, ent- 
gegnete er, dafs Einer, der hauptsächlich für sein eigenes 
Werk thätig gewesen sei, doch nicht als solcher beti^htet 
werden könne.) Nach dem Drucke seines Buches reiste 
Erasmus nach Padua und Rom, und es soll, wie Einige 
wollen, seit der Zeit ein feindseliges Verhältnifs zwischen 
ihm und Aldus geherrscht haben, woran auch Renouard 
glaubt. Es liegt aber nichts vor, was dafür spräche; demi 
dafs Aldus und sein Sohn einige Male Transalpmus quidam 
homo sagen, statt den Namen Erasmus zu nennen, kann 
doch nicht als ein Beweis angeführt werden. Dagegen steht 
fest, dafs Erasmus, wenn wir auch von einem weiteren Ver- 
kehre mit Aldus selbst nichts wissen, doch mit Andreas 
Asulanus und dessen Söhnen, sowie mit dem fortwäirenden 



83 

Freunde des Haui^ßs, Baptista Egnatius^ ia fjreundschaftlioher 
Verbindung blieb und in Venedig ein gutes Andenken bin* 
terlassen hatte. Bei Andreas erschienen noch einige seiner 
Bficher, mit dessen Siibnw und Egnatius stand er in Brief- 
wechsel. Musurus lobte ihn i^us der früheren Bekanntschaft 
nngemein einem Engländer^ Johannes Watson, gegenüber, 
der dies 1516 an ErAsmus schreibt (s. Hodius, p. 295). 
Hütten kommt nach Veoiedig imd übe]i>xingt Grä&e von 
Erasmus an Egnatius* Dieser führt ihn auch zu Andreas 
Asulanus. Der Greis und seine Söhne empfingen Um freund- 
lich, das Kind des Aldus wurde herbeigerufea, den Freund 
des Eraamus mit einem Kusse zu empfangen, und mit Bü* 
ehern beschenkt wurde «r. entlassen. ^) ,,Aber/^ sagtman^ „hk 
dem Gespräche ,,(>pulentia sordida^^ werden Aldus, seine 
Familie, Freunde und Gehülfen unter fingirten Na^en von 
Erasmus lächerlich gemacht wegen Geizeis und armlichen, 
adimutzigen Lebens. Die hoUän^scbe NiUiui* des Eifasmus 
hat sich mit der frugalen Lebiensw^e der Italiener, nicht 
.Vertragen können und sie auf.Geie geschoben, ^r m^int 
sich mit dem Fremden, der vor Hunger u^d Durst halb 
umgekommen ist bei seinem geLügen Wirthe in Syaodium, 
«das ist Venedig. Man weifs, dafs ^r gern feurigepot Wein 
getrunken hat, mxi zwar ung^paisdit^;^) bei den Italie- 
nern^, ■> die ihm dies verdachtezi , hat er sich geniren mäs- 
ten, und für alles dieses hat er sich später durch Ver- 
spisittang gerächt.^' Die Frage vom EssetU und Trinken des 
Erasmus lassen wir ununtersucht ; da er aber die freund- 
schaftlichen Beziehungen, deren wir oben gedacht haben, 
bis in seine letzte Zeit beibehielt, so können wir eine beab- 
sichtigte Verspottung des Aldus in jenem Gespräche nicht 
annehmen. Wenn man jedem freien Spiele einer durch das 
mannichfachste Wissen genährten Phantasie willkürlich den 



') So schreibt er 1517 aus Bamberg an Erasmus. Boecking, Epist. 
Hntteni I. 146. 

') Sein Feind Scaliger wirft ihm vor, er habe bei Aldus nur wie 
ein Haibmensch studirt, aber wie ein dreigestaltiger Geryon getrunken. 
Orat pro Cicerone, contra Erasmum. 



84 

Gedanken an bestimmte Persönlichkeiten unterlegen will, so 
findet man immer, was man will, aber ohne Berechtigung 
dazu. Die Italiener lasen doch die CoUoquia auch, die zu- 
erst 1522 erschienen, fanden aber nichts sie Verletzendes 
darin. ^) Erasmus hinwiederum schreibt 1526 an Franciscus 
Asulanus, dankt ihm for einen überschickten Galen aus 
ihrer Officin und freut sich, dafs er der alten Freundschaft 
noch eingedenk sei. In einem Briefe an Egnatius 1529 hei&t ^ 
es am Ende: „Utinam liceat apud tos vel vivere, si quid > 
B&vi coelites superesse volunt, vel mori tranquille.'* . Konnte 
er so schreiben, wenn er «ich bewufst sein mufste, eine 
Satyre gegen jene, oder die ihnen Nächsten verfafst zu ha- 
ben, die sie auf die Betreffenden deuten könnten? ^ 

Erasmus erfuhr noch bei Lebzeiten Deutungen seiner 
CoUoquia, an die er nicht gedacht hatte. In dem Gespräche 
Cyclops ISist er einen Menschen auftreten, der eine gewisse 
Art Wollhut trägt imd eine lange Nase hat. Beides paTste 
auf OecolampadiuSy und wenn man durchaus wollte, konnte 
man auch noch andere Einzelheiten auf ihn beziehen. Bald 
sprach man in Basel allgemein davon, dafs Oecolampadius 
in jenem Gespräche verspottet sei, und dieser wurde sehr 
ungehalten auf Erasmus. Als Letzterer von dem Grerede 
hörte, schrieb er an Jenen (15. Juli 1529) über den Uiv- 

grund desselben: „Nullam litteram scripsi, qua te 

perstrictum volui, aut quam scribens de te cogitavi 

Non sum tam ineptus, ut talibus nugis utar in viros eru- 
ditos.^* 



*) Die Entdeckung, dafs unter den verspotteten Personen in der 
»Opulentia sordida* Aldus, Asulanus u. s. w. zu verstehen seien, wird zu- 
erst erwähnt in der „Hecatomba laudum ob inventam chalcographiam* des 
Andreas Rivinusj Leipzig 1640. Dagegen geben die Anmerkungen in 
der Leydener und Rotterdamer Ausgabe der CoUoquia vom Jahre 1664 
genügenden Aufschlufs über gewisse Eigennamen und Wendungen in 
diesem Gespräche, ohne dafs an Aldus und Venedig gedacht wird. 



85 



lY. Aldus* Lebenssehicksale und Schiiflen. Hmnanismns^ 

Paganismiui und Christenthnm. 

Nachdem wir im Vorangegangenen die meisten Einzel- 
heiten von Aldus' Thätigkeit an den geeigneten Stellen dar- 
gestellt haben, betrachten wir übersichtlich unter möglichster 
I Vermeidung von Wiederholungen sein Leben seit der An- 
MEnft in Venedig, dann seine Schriften und sein Verhaltnifs 
zu einer herrschenden Richtung der Zeit. 

In dem Briefe des Codrus ürceus an Aldus (s. Brief V.) 
sehen wir ihn 1492 in Verkehr mit Raphael Regius, Deme- 
trius Moschus, SabelUcus, Rainerus, Georgias Valla. Sehr 
dem wurde die Druckerei eingerichtet, und das erste mit 
Datum versehene Buch, die Grammatik des Lascaris, ist 
datirt vom letzten Februar 1494, worunter nach der dama- 
ligen ofGciellen Zeitrechnung in Venedig nicht der zweite 
Monat des Jahres 1494, sondern der letzte Monat des Jah- 
res 1493 zu verstehen ist,*) den man aber in Geschäften 
nach Aufsen hin, der Gleichförmigkeit mit Anderen wegen, 
oft schon mit der Jahreszahl des folgenden Jahres schrieb, 
das in Venedig erst mit dem März begann. Der Appendix 
m der Grammatik erschien im März 1495; dazwischen 
könnte mit Wahrscheinlichkeit der Musäus und die Galeo- 
myomachie gesetzt werden. Dann kamen in rascher Auf- 



') Dafs man so verstehen muTs, zeigt Folgendes. Als Todestag des 
Aldus ist von Morelli (S. 24) nach dem Tagebache des Patriciers Marinus 
Sanudns 4er achte Februar 1515 angegeben. Da dies nicht der letzte 
Monat des Jahres 1515 sein konnte, indem schon im April dieses Jahres 
Egnatias den Tod des Aldus in der Vorrede zum Lactanz betrauert, so 
wufste sich Renouard die Sache nicht zu erklären, bis er fand, dafs im 
Originale des Tagebuches 1514 8 febbrajo steht, was Morelli nach un- 
serer Zeitrechnung oder aus Versehen in 1515 verwandelt hatte. So 
hätte nun der Januar vor diesem Februar officiell auch mit der Jahres- 
zahl 1514 geschrieben worden müssen, und doch datirt Aldus selbst das 
letzte Buch, das er noch besorgte, den Lucrez, vom Januar MDXV, wo- 
mit er sich eben der anderwäits üblichen Rechnungsweise anbequemte. 
• Für gewisse Dinge wurde das Jahr in Venedig auch später vom 
März ab gerechnet: „L'annee ne sc commence pour la date de lettres 
de change et des lettres Missives qu'au premier jour de Mars." — Traite 
general du commerce par Samuel Ricard, p. 348. Amsterdam 1705. 



86 

einanderfolge die griechischen, lateinischen und italienischen 
Bächer, die im Gataloge aufgezählt sind. Unter allen Wi- 
derwärtigkeiten blieb ihm der Enthusiasmus für die bonw 
et sacrae liUeraej för die Wiedererweckung des Alterthums, 
durch welche die Barbarei zerstreut werden könnte, die iu 
den vergangenen Jahrhunderten entstanden sei. Sein Ruf 
wuchs nun in Kurzem so, dafs er der Mittelpunkt der g^ 
lehrten Bestrebungen in Venedig wurde und als solcher ifsa 
Humanisten des übrigen Italiens und anderer Nationen nahe 
trat. AuTser den Italienern und Griechen sehen wir ihn in 
näherem Verkehre mit den Deutschen: Conrad Celtes, MutiO' 
nus Rufu$, HenHcus Vrbcmm, Spalatinus, Cuspinkmus^ Col- 
laurius, Matthias Lang; mit den Engländern Linacer und 
Grocyn; mit Jean Grolier und anderen Franzosen; mit Un- 
garn und Polen.*) Bei allem Verkehre aber stehen immer 
die litterarischen Zwecke, die er verfolgte, im Vordergrunde. 
Um 1500 heiraihete Aldus die Tochter des Buchdruqkers 
Andrea Torresano oder Torrigiani von Asola bei Brescia. 
Dieser betrieb schon vor Aldus seit 1479 die Buchdruckerei 
in Venedig und war ein wohlhabender Mann, der auch in 
Asola noch Besitzungen hatte. Er führte sein Geschäft zu- 
nächst noch abgesondert von dem seines Schwiegersohnes 



') In Bezug auf die Yerbiadangen des Aldus sagt Renoaard S. 386: 
„Aide fut encore en liaison avec le premier Henri Estienne, Amoldo 
Bergellano, Theod. de Beze, Joach. Camerarius." Er hat hier einige 
schlimme Fehler gemacht, welche Firmin-Didot nachschreibt, nur daßs Letz- 
terer wenigstens aus dem italienisch klingenden Arnolde Bergellano Arnold 
de Bergel gemacht hat. Dieser Arnold, Yon seinem Geburtsorte, Bergel 
in FraÄen, Bergellanus genannt, war Corrector in einer Mainzer Offizin 
und gab 1541 zur ersten Jubelfeier der Buchdruckerei ein Gedicht her- 
aus , worin er des Aldus mit einigen Zeilen gedenkt. Das Gedicht helfet 
poema encomiasticum de chalcographiae inventione. Die Verbindung der 
Genannten mit Aldus besteht nur darin, dafs sie kurze Elogia am ihn 
geschrieben haben. Camerarius war zur Zeit von Aldus' Tode erst vier- 
zehn Jahre alt, Theodorus Beza wurde erst 1519 gebc»ren, Henriais 
Stephanus 1528 (diesen berühmten Henricus Stephanus meint Renouard, 
da er aus ihm eine Stelle zu Aldus' Lobe anfuhrt, nicht seinen Grof^- 
vater, den ersten Drucker Henricus Stephanus, der zwar zu Aldus^ Zeit 
gelebt hat, aber ohne nachweisbare Verbindung mit demselben). — Wenn 
ich übrigens bei Gelegenheit einige Fehler Renouard*s bemer^ch ge- 
macht habe, so ist dies nicht geschehen, um das höchst schätzbare Buch 
desselben herabzusetzen, sondern der Sache wegen. 



87 

fort, m9g diesen aber unterstätzt habea^ mimal zwischen 
Urnen ein höchst freundschaftliches Verhältnis bestand. 
Sie köimen nicht von grofser Verschiedenheit des Alters 
gewesen sein, und eher möchte man glauben, dais Aldus 
etwas älter gewesen ist, als sein Schwiegervater. ') . Jeden- 
falls war. der Letztere ein glücklicherer Geschäftsmann; er 
hatte aber auch seine Thätigkeit unter günstigeren Verhält- 
Ijjksen (und dabei in mehr geschäftsmäüsiger Weise) ent-i 
fiuten können, während Aldus mit der seinigen in eine für 
Italien böse Zeit fiel. Er klagt darüber schon in den Vor- 
reden seiner ersten Bücher. Seit dem Zuge der Franzosen 
nach Neapel war keine Kühe mehr auf der Halbinsel ge- 
wesen. Franzosen, Deutsche^ Spanier, Schweizer und ein- 
heimische Feinde verwüsteten das Land. Alle Straisen wa- 
ren unsicher, der Handel im Innern lag darnieder und die 
Wege über die Alpen waren gesperrt Die Stadt Venedig 
selbst blieb freilich in allen diesen Kriegen durch ihre Lage 
gesichert, und höchstens hörte man einige Male auf dem 
Marcusplatze den Kanonendonner naher Feinde; aber Aldus 
muiste zweimal sein Geschäft schlielsen und Venedig ver- 
lassen, das erste Mal 1506 und 1507, das zweite Mal einen 
Theil des Jahres 1509, dann 1510 und 1511. In seinem 
Eifer, den Studirenden gute Bücher zu verschaffen, hatte er 
für die Sache zugesetzt, was er besal's. Um gute Manu- 
Scripte herbeizuschaffen, schonte er keine Kosten, und der 
Fall mag selten gewesen sein, den Erasmus erzählt^ dafs 
aus Ungarn und Polen an ihn Handschriften und noch dazu 
Beiträge zu den Druckkosten geschickt wurden. Nun fehlte 
der Absatz, Krieg und Nachdruck schadeten ihm, er hatte 
Schulden, und aulserdem spricht er noch von ansehnlichen 
Gfiteätn, die ihm in jenen Zeiten der Unruhen genommen 
worden seien. Zur Wiedererlangung derselben unternahm 
er 1509 eine Reise, wie einst Virgil zur Wiedererlangung 
seines Erbguts, nur nicht mit demselben Erfolge. Ueber 



*) Andreas Asulanus starb 1529, seine Frau Lambertina 1520 nacli 
vierzigjähriger Ehe, wie ihre Grabschnft bei Manni S. 22. zeigt. 



88 

seine Schicksale and Thätigkeit während der Zeit seiner 
Abwesenheit von Venedig wissen wir nur Weniges. Bei 
seiner ersten Entfernung wurde er in Mailand von den dor- 
tigen Gelehrten ehrenvoll begrüfst. (s. die Vorrede cum 
Plutarch 1509.) Als er darauf von Cremona nach Asola 
reiste^ wurde er von Mantuanischen Soldaten angefalleii^ 
geplündert und in Gannetum gefangen gesetzt. AuB dem 
Gefängnisse befreite ihn jedoch nach wenigen Stunden d)^ 
Vermittlung des Carolus Jaifredus/) und das Geraubte wotcfe 
ihm wiedergegeben. Er erhielt sogar einen entschuldigenden 
Brief von dem Herzoge von Mantua selbst. Ende des Jah- 
res 1507 erscheint wieder ein kleines Buch bei ihm. Sein 
Schwiegervater gab darauf die bisher besonders gefahrte 
Druckerei auf xmd trat mit ihm in Compagnie. Die Bacher 
führten von da ab die Unterschrift: „in aedibus Aldi et 
Andreae soceri^. Nun begann die Officin wieder thätig zu 
sein^ obschon nicht mit der Lebhaftigkeit der früheren Jahre. 
Nach dem April 1509 bis zu Anfang 1512 stand das Ge- 
schäft wiederum still, und aus dem Briefe des Aldus an 
Paulus Bambasius (s. Brief XV.) sehen wir, dafs er sich 
unter Anderem in Bologna und Ferrara aufgehalten hat 
Inzwischen schrieb Leonellus, der jüngere Graf von Carpi, 
im Namen des abwesenden Albertus im März 1510 an Aldus 
und wiederholte ein Anerbieten, das ihm die Brüder schon 
einmal, 1498, gemacht hatten. Er sollte sich in Novi, dem 
Orte ihrer Residenz, mit seiner Druckerei niederlassen, und 
sie versprachen ihm einen Theil ihres Schlosses dazu ein- 
zuräumen. Aldus nahm dieses Anerbieten nicht an. Aufser 
anderen Gründen mag ihn auch der bewiogen haben, daiß 
Novi nicht der Ort für ihn war. Er betrieb die Druckerei 
nicht blos als ein Geschäft, um sich zu ernähren, wofür das 
kleine Novi vielleicht geeignet gewesen wäre, sondern er 



') Vorrede zum Horaz 1509: „ta, qai forte eras Mantaae, legatum 
agens regiom, statim re cognita liberatorns me adüsti Priocipem eaqae 
re facile impetrata ipsemet omni equitatu tuo comitante necnon et sdüs 
quibnsdam exHantoanis nobUibus ad id ipsum oppidam profectus es ac 
me accersitum liberasti' 



89 

brauchte: fSr seine Absichten einen gröfaeren Ort, gelehrte 
Institute imd Hfilfsmittel , einen Zusammenflufs von gelehr- 
ten Menschen; In jenen Zeiten der Kriege und des Auf- 
horens der Druckerei suchten die deutschen Humanisten oft 
vergeblich auf den deutschen Buchermärkten nach Aldini- 
sehen Drücken. Alte Juristen und Scholastiker >waren in 
den Buchläden su haben; aber nicht» Neues kam über die 
Alpen aus Italien. *) Aldus hatte es fast schon aufgegeben, 
seine Beschäftigung wieder aufzunehmen; doch entsdblofs er 
sich wieder dazu. Die näheren umstände,, welche dem 
vorangingen^ sind unbekannt. Es wird erwähnt, dafs ein 
Freund, Petrus Franciscus, Sohn des Dogen Barbarigo, den 
Aldus mit einigen Tausend Ducaten unterstützt habe;^) 
vielleicht fallt dies An jene Zeit. Dazu sein innerer Drang, 
der ihn nicht ruhen liefs, und die immer erneuerte Hoff- 
nung, dafs die Zeiten ja doch einmal besser werden würden. 
Oft sagte er sich als Wahlspruch: 

Oa^sir x^$ y^iOff !kX98, raxftvqiov iaaar afMivov, 

^MhtiBai iv ^atoiatv' avdhtunoi 9i duvovrss. 

Xof JZeve aXhnca fiiv neXai ai&^u>s, aXXoxa S*vei. ') 

Das Jahr 1512, mehr aber die Jahre 1513 und 1514 
zeigen Aldus wieder in grofser Thätigkeit, und seine Zeit 
wurde wieder durch die mannichfachsten Dinge in Besitz 
genommen: die Geschäfte der Druckerei und des Bucj^i- 



') Mutianas an Henricas Urbanus: „cottidiani Galloram et Veneti 
militis conflictus fauces Alpium atque adeo viam Rhaeticam, qua itur in 
ItaUam, clusere, ex quo illnd accidit, nt bonae litterae jaceant Aldi sub- 
sidio iriduatae. Sperabam fore, ut proxime Erancorum nundinae offerrent 

stadiosis exquisites autores. Sed o vanam spem! Nihil erat novi 

Ubique locorura bibliopolia Bartolis sunt referta. Qu! Manutianas vendat 
vigiliaSy vel rarus admodum est vel nemo. Actum est de scholis Ger- 
maiuae. Quid enim scitur praeter nugas et mera taedia?^ Tentzel p. 69. 

*) Nee reticere yoIo Sancti patrem adjuvisse compatrem meum Al- 
dum Hantitium aliquot millibus ducatorum, quibus ille graecos latinosque 
Ubros aere torcularique scripsit, quibus studiosos excitevit ad bonas aiies 
C]q>e68endas. Renouard, S. 391. 

') Theocrit. IV. 40 — 43. Oa^slv xQVt T^^ Barrs ' ra^av^iov 

Sein Enkel erwähnt dies am Ende eines Briefes an Angelns Rocca, 
welcher in die Sammlung der Briefe des Janns Nicins ErySur&us (Köln 
1789) eingefügt ist 



»0 

handeis, das Besorgen, Vergleichen und Yergleiehonlasaen 
der Handschriften, die Herstellung der Texte, die Besfo^ 
chungen in der Academie, eigne gelehrte Arbeiten^ Legen 
und Beantworten der zahlreichen Briefe, Besuche yobl Frem* 
den und Einheimischen. In Bezug auf das zuletzt Erwabste 
äuTsert sich Aldus 1514 folgendermaisen gegen Naügerin»» 
als er ihm Cicero's rhetorische Schriften widmete: - „Zwei 
Dinge sind es besonders aufser hundert and^^en, die mich 
fortwährend stören. Zuerst die häufigen Briefe gelehrter 
Männer, welche voiD allen Seiten an mich geschickt werd^i. 
Wollte ich auf alle diese antworten, so muTste ich Tug. und 
Nacht mit Schreiben von Briefen zubringen. Das . Zweite 
sind die zahlreichen Besucher. Diese kommen tbeils, um 
zu sehen, wie es mir geht, theils um zu fragen, was Neues 
im Werke ist, theils aus Mangel an Beschäfdgung. Im 
letzteren Falle sagen sie nur: Lafst uns zu Aldua gehen. 
Dann sitzen sie müTsig da, ähnlich dem Blutegel, 

der nicht eher verläist deine Haut, bis er voll sich gesogen. 

Ich will gar nicht von denen sprechen, welche kommen, 
um mir ihre Erzeugnisse in Versen und Prosa vorzulesen, 
die sie von uns gedruckt haben wollen.* 

„Endlich habe ich angefangen, mich von diesen Ste- 
rungen zu befreien. Auf unwichtige Briefe antworte ick 
gar nicht, auf wichtige nur lakonisch. Keiner möge mir 
dies übel nehmen; denn was ich an Zeit habe, will ich auf 
das Herausgeben guter Bücher verwenden. Für Besucher 
aber habe ich folgende Inschrift über meiner Stube anbrin- 
gen lassen, wonach sie sich richten mögen: „„Wer du 
auch bist, Aldus bittet dich dringend, du möchtest mit 
wenigen Worten abmachen, was du von ihm willst, dann 
alsbald dich entfernen; du müfstest denn gekommen sein, 
um deine Schultern wie Hercules, wenn Atlas mfide ist, 
darzureichen; immer nämlich wird es hier Arbeit geben ffir 
dich und Alle, die hierher kommen"".*) Und zum Glücke 



') Qnisquis es, rogat te Aldus etiam atque etiam, ut, si quid esl, 
quod a se yelis, peipaucis agas, deinde actutuin abeas, nisi tamquam 



91 

giebt es auch ßoldie^ die den HerculeB bei mir spielen^ zu 
denen da, Navagerus, gehörst/^ 

In den letzteu Jahroi seiuer Tliatigkeit hatte Aldus 
deigemgäi' seiner Freunde wieder beständig in Venedig, mit 
welchem er von Anfang an am liebsten Boheint' verkehri isn 
haben ; den Marcus Musurus« Andererseits aber erneuerte 
er seine Bemühungen, die Unterstützung von Fürsten für 
den Aufbau der Academie zu finden, wie er sich dieselbe 
dachte. Inzwischen hatte er im Sinne, . noch verschiedene 
Schriftsteller herauszugeben, für die er Manches schon vor- 
bereitet hatte, als ihm die fortwährenden Anstrengungen 
eine Krankheit zugezogen, an der er nach einigen Monaten 
am achten Februar 1515 starb, etwa 65 Jahre alt. Die 
Manner, welche ihm am Nächsten gestanden hatten: Andreas 
Asulanus, Egnatius und Musurus, widmeten ihm schön ge- 
schriebene Nachrufe ^) voll Liebe, Verehrung sdnes Charak- 
ters und Anerkennung seiner Wirksamkeit und Gelehrsam- 
kedt Egnatius sagt: „Mit allen Gelehrten lebte er so, dai's 
er keines Ruhm je verkleinert oder bekämpft, alle mit un- 
glaublicher Liebe immer umMst und gehegt hat. . • . Kein 
Land, kein Volk innerhalb der Gränzen Europa's giebt es, 
wo der Name Aldus nicht bekannt und gefeiert wäre. Viele 
«Dgesehene Männer sind nur seinetw^en nach Venedig ge- 
kommen, um ihn zu begrüfsen, ja ihm sogar Geschenke zu 
bringen. Nicht die so grofse und bewundernswürdige Stadt 
lockte sie zur Besichtigung, sondern nur der Ruf des einen 
Mannes zog sie hin. Inständigst ermahnten sie ihn, er solle 
treu ausharren bei seiner Absicht, die lateinische und grie- 
chische Sprache wiederherzustellen. Da er nun Tag und 
Nacht diesem Streben sich hingab, wurde er von einer 



Hercules defesso Atlante Teneris suppositnnis hnmeros ; semper enim erit, 
qnod et tu agas et ^aotquot hnc aUulerint pedes. 

Diese Inschrift ober der Thor ahmte Johannes Herbst nach, genannt 
Oporinus, ein berühmter Basler Bnchdnudur des sechszehnten Jahr- 
lionderts. 

') Asulanus 1516 vor Oyids Herolden, Musurus lateinisch 1515 vor 
Aldus* griechischer Gr»nmatik und 1516 griechisch vor dem Pausanias, 
Egnatius 1515 vor dem Lactanz. 



92 

schweren und langen Krankheit ergriffen und starb» wenn 
zu der ihm geordneten Zeit» so doch su- unserer groiseD 
Betrübnifs/^ — Husums » nachdem er von Ohalcondyles 
und den Anderen gesprochen» durch deren Hülfe grie- 
chische Bächer gedruckt worden seien» fahrt fort: Tovrovg 
'AkdoQ 6 Jtokvrkag d$a3^^äf4Bv6g re xal ^tiXwactg naay u 
Svax^Q^ic^ ofAOGB x^9^^^^^ ovfMnQavTOVTtov cevr^ xai 
awsgyovvTütv tüv *Evitiy6i (fiKoaofpmvxiav t^q 'EHa- 
Sixrjg fjiovatiQ TQO(plfjiü/v^ fisyäXa rcS ovti xaTfig&ioot xai 
i]V T$g k7tie$X(og xal fdrj ngog aTtix&Biav i^irä^siv i&iXy tä 
ngayfiara^ noXXAv xal xaXüv eveQyBTtifidrwv imijg^n röig 
koycDV 6(feyofiivoig, töiv (liv noif]Ttx£v (wg ÜTiog elnüw) 
anavTüiV xal ^t^tog^xcSv i]fAlv fieradovg, td Sk evQiOxofiiPa 
T0V T 'jiQunoTtXovg xal IlkäTwvog eig cpüg dvayaytiw. 
"Akdov Srj TBkBvry kiav aeigq)^^ xal roig Xoyotg hn^rifuifp 
fABaoXaßti&kvTog avvißaive vcuv yQaixorvnunf xtj^ Saida^ 
kovQylav ;|fi;(>£t;6<i'. 

Kurz vor seinem Tode hatte Aldus ein Testament*) 
gemacht» dessen Latein volo, quod u. dgl. nicht ihm ange- 
hört» sondern das Notariatslatein ist. Zu Testamentsvoll- 
streckern hatte er seinen Schwiegervater» Egnatius» Daniel 
Rainerus» Baptista Ehamnusius und Dominions Fizzimannus 
bestimmt. Seine Frau Maria sollte mit den drei Söhnen 
und der Tochter Alda in Carpi wohnen» *) wo ihm die 
Fürsten ein Besitzthum geschenkt hatten. Die Tochter isoUe 



') Za früh för seine Freunde und seine Absichten; indefs war doch 
Aldus schon in höherem Alter. In dem früheren Nachrufe sagt Masams: 
„0 inclementem et immaturam mortem null! Yiyentium magis quam mihi 
deplorandam.^ Vielleicht ist aus den am^tp und immaturam des Musnms 
die Nachricht gemacht worden, welche bei uns, von Hand zu Hand irei- 
ter gereicht, in der Real-Encyclopädie von Brockhaus und Pierer ^ in 
Falkensteins Geschichte der Bachdruckerkunst und in Gräfse^s aUgemei- 
ner Literärgeschichte sich findet, dais nämlich Aldus durch die DolcbB 
von Meuchelmordern ge&llen sei. Wir haben oben gesehen, dafs Eg- 
natius, der es doch wissen muTste, von einer schweren und langen Kraß- 
heit spricht, welche durch z]a grofse Anstrengungen entstanden sei. 

^) Zuerst bekannt gemüicht durch Zaccaria, Biblioteca antica e mo^ 
derna di storia litteraria, Pesaro 1768, tom. III. 

') Paulas Manutius sagt 1556, er habe einen grofsen Theil seiner 
Jugend in Asola verlebt. Epist. lib. I. 16. 



93 

bis zu ihrem seohszehnten Jahre fär Pension in einem 
Kloster daselbst erzogen werden; dann möge sie die Wahl 
haben ^ ob sie den SdUeier nehmen oder in die Welt ein« 
treten wolle.')' Seinen Leib wollte er in Carpi begraben 
wissen^ der Stadt seiner forstlichen Schüler ^ in deren Fa- 
milie er ja gewissermafsen durch Adoption gekommen war. 
Schliefslich empfahl er die Seinigen der Sorge seines Schwie- 
gervaters. Dem Gestorbenen wurden die letzten Ehren er- 
wiesen in der Kirche des heiligen Fatrinianus^ in deren 
Nähe er zuletzt gewohnt haben mufs. Der Sarg wurde mit 
Büchern aus der Officin wie mit Tropäen umstellt^ und der 
alte Raphael Regius^ öffentlicher Lehrer der Humaniora, hielt 
davor eine Rede ztyn Lobe des Todten. Weder in Venedig, 
noch in Carpi hat sich ein Erinnerungsdenkmal des Aldus 
erhalten; doch hat man 1828 an einem alten Hause in der 
Nähe der Kirche des heiligen Augustinus, bei welcher die 
Druckerei in der ersten Zeit sicher gewesen ist, eine Tafel 
angebracht mit der Inschriffc: 

Manucia, gens. eruditor. nem, ignota 
Hoc, loci, arte, typographica, exceUuit, 

Aldus genofs unter seinen nächsten Zeitgenossen auch 
als Gelehrter ein grofses Ansehen, welches theils auf seinen 
Schriften beruhte, theils darauf, dafs sie durch persönlichen 
Umgang mit ihm das reiche Wissen und den Geist des 
Hannes kennen lernten. Zu den Zeugnissen, die von An- 
deren hierfür beigebracht werden, will ich noch verweisen 
auf die Stellen in Quirini litterat. Brixiana. I. 84. IL 58. 
'157. Hodius, S. 219, im Leben des Chalcondyles. Die 
Sprache in vielen seiner zahlreichen Vorreden ist kräftig und 
ungesucht, der Spiegel einer wahren und für ihre Sache be- 
geisterten Seele. Wieviel er für seine Person an der Her- 
stellung der Texte in den Ausgaben Antheil hat, läfst sich 
nicht abmessen; doch gebührt ihm ein Theil des Verdienstes. 
Was die eigenen Schriften betrifft, so wird der meiste Werth 



') Sie heiratbete einen Mantuaner, Namens Gato. Ein Sobn von 
ihr hiefs Jdii» Gato. PauU Manotii episi lib. V. 8. 



94 

gelegt auf die lateinische Grammatik, welche 1501 erschien 
and seitdem sehr, viele Auflagen erlebt hat Sie ist ganjs 
aus den alten Grammatikern und Metrikem geschöpft; dazu 
eigenes Urtheil und Berücksichtigung der Forsdiungen Neue- 
rer, wie des Laurentius Yalla, Perotti, Politian, Hennolans 
Barbarus. Bestimmt ist sie ffir Schulen und zum Selbst- 
unterrichte, in Fragen und Antworten abgefafst. In vier 
umfangreichen Büchern werden Formenlehre, Einiges aus 
der Casuslehre, die Redefiguren, Prosodie und Metrik abge- 
handelt; letztere zwei Abschnitte nach dem Bedfirfhiase der 
Zeit sehr weitläufig. Ee fehlt die eigentliche Syntax, welche 
man zu jener Zeit aus der Leetfire und dem Anhören äu 
Reden grofser Meister kennen lerneiä mufste. Die Gram- 
matiker des ftfittelalters hatten schon vieles Syntactisohe 
der lateinischen Sprache scharfsinnig Aufgestellt, 6oldk$m«r 
unter groTsem Wüste; die neueren Humanisten aber itat- 
merten sich nicht um die Bücher Jener wegen ihrer bar^ 
barischen Form und kehrten auch in der Behandlung der 
Grammatik ganz zu der Art der Alten zurück, welche die 
Syntax nicht angebaut haben. So sehen alle ihre Gram- 
matiken dem Friscian sehr ähnlich. Die Grammatik des 
Aldus enthält auch selten eine Unterscheidung des poetischen 
und prosaischen Gebrauchs, oder eine Trennung der Zeiten, 
und das Latein der Yulgata kommt ffir grammatische Kat- 
scheidungen bei ihm noch in Betracht. Alles dies' sind 
Dinge, welche in der Zeit lagen. Abgesehen hiervon, war 
das Buch äufserst genau und verstandlich, practisch und 
übersichtlich eingerichtet, und gehorte seiner Zeit sfu den 
besten und gesuchtesten Erscheinungen auf diesem Gebiete. 
Hierauf deuten die häufigen Auflagen. Die deutschen Hu- 
manisten, welche mit einer gewissen Wuth überall gegen 
das Doctrinale und andere Mönchsbücher eiferten, führten 
die Grammatik des Aldus auch in Deutschland ein, imd 
Hermann von dem Busche trug sie 1506 auf der Leipziger 
Universität vor. Allmählich wich sie vor den Grammatomen 
der einheimischen Gelehrten Timan Kamener oder Kenmer, 
Brassicanus, AventinfAS, Hemricbmann, die sie benutzt hatten, 



95 

snrfick^ nnd spater verdrängte Melanthans Le^buch in äeb 
protecrtantiecheii Oegendem alle oberen. In Köln gab Pe- 
frus H&mphöM noch 1541 einen Auszug aus der Gramma- 
tik de» AlduB als Schulbuch heraus. 

Die griechisGhe Grammatik des Aldus ^ ganz griechisch 
gesdnrteben, erschien erst nach seinem Tode im November 
1515; herausgegeben von Mosurus und gewidmet dem Fran* 
zeeen Gioüer, Geheimsecretlr des Königs Franz I. Sie be- 
ruht ebenMls «uf sorgfältigem Studium der alten Gramma- 
tiker und ähn^ in ihrer Einrichtung den vorangegangenen 
LehrMdvem dieser Sprache, besonders dem des Theodorus 
Qmz^ W^m Aldus sie selbst herausgegeben hätte, so 
wurde >er wafaMheanfich eine lateinische Uebersetzung dazu- 
gi^fSgt haben. 

' Neben den beiden Hauptwerken lieferte Aldus eine 
Menge von kleineren Arbeiten, welche bei den betreffenden 
Bfich^si angezeigt worden sind, zu denen sie gehören: die 
lirtroAoetionen in die griechische und hebräische Sprache, 
thol lateinisdi- griechischen Theil des Lexicons von Grasten 
1497, verschiedene lateinische üebersetzungen, das Leben 
4ta AratUB und Ovid 1499 und 1502, den griechisch -latei- 
aisdien Index zum Ovid 1502, Orthographia et fiexus die-- 

tkmum apud Staiium 1502, die üebersicht über die 

Heratianischen Metra und einige Anm^kungen zu Horaz 
1Ö09, eone Abhsmdlung aber die Echtheit des zehnten Bu- 
ches d^ Briefe des Flinius 1508. Dazu Briefe und kleinere 
dedichte. Die Fragmenta grammcvHea, auf die er sehr häufig 
hinwdet, sind nicht herausgegeben worden und verloren ge^ 
gangen. Paulus Manutius, der nach ihnen gefragt wurde, 
sagte, er habe sie nicht im Nachlasse des Vaters gefunden, 
OBd fise möchten wohl bei dessen Tode von irgend Jeman- 
dem weggenonmien worden sein. ') Noch sind einige Seiten 
KU erwähnen, welche in einem Werke seines Enkels, Ortho- 
graphiae ratio Aldiy 1566, enthalten sind. Sie sind über- 
schrieben: de eitiaAa eocalium ac d^htkongorum prolatione 



') Epist. üb. VII. 7. 



96 

Aldi Pii Manutii Ramani aci ncigt^ov. In ihnen werden 
Ansichten, fiber die Aussprache des Griechischen nieder- 
gelegt^ welche von dem abweichen, was er im Alpkabetvim 
graecum lehrt im Appendix zur Grammatik des Lasearis. 
Er laist dort den Itacismus der Neugriechen gelten^ sei es, 
weil er selbst keinen Anstofs an ihm nahm, oder weil er 
bei seinem ersten Auftreten nicht gleich von der allgemei- 
nen Gewohnheit abweichen wollte. Schon am Ende seiner 
lateinischen Grammatik aber sagte er in Bezug auf das 9: 
y^respondeo antiquos Graecos sie pronuntiasse fi, ut nos e 
longum in Fenelope, Grammatice/^ Hier aber äufs^ er 
sich so, daGs er als Vorgänger des Erasmus in Bezug aaf 
die Aussprache des Griechischen angesehen werd^i muTs.^) 
Einige ausgezogene Stellen mögen zum Beweise dienen: 
,,H praeterea non i^ sed e longmn sonare debere, ostendit 
etiam Eusthatius in Homerum inquiens: ßi} ßij q>wif^ 
nQoßcttmv atjuavTucov, .... Oves vero non m^ vi, ut nune 
ßij ßij barbare pronunciamus, sed be^ be fralant pro beUa^ 
q^ /9^,'mutatione tj in a dorice, ut (jmjtfiQ mater^ UndOr^l 
id colligimus, ß sie pronunciandum, ut fr apud nos profeiV 
tur, non ut V consonans Tel F digamma Aeolicum. Alpha 
igitur et Beta et Graecis ipsis dicendum> ut nos diciinus, 
non Alpha et Vita. Id quod ex Hebralcis acceptum est» 
qui Aleph et Beth, non Vith, dicunt. Sed de Ms in. Frag- 
mentls nostris longo plura. .... At si ai £^ oi et €f /et 
ov U legaa, ut nunc barbare legimus, non diphthongos, sed 

monophthongos pronunciando facies Atque »i ia E 

sonat, nee a nee € profertur. Y etiam in ot; diphthongo 
kxqxavovfjiavov f quemadmodum in av et in €v diphihpngo, 
esse debet, ut ab O parvo incipias et desinas in Y." ..... 
Er will also ai wie a%, 01 wie oi, ov wie oü ausgesprochen 
wissen. In gleicher Weise sagt Erasmus, 97 sei gleich einem 
langen e; ai mässe mit dem Laute gesprochen werden, den 



') Als solchen bezeichnet ihn Gräise, IV. 791, fahrt aber siun Be- 
lege irriger Weise den Appendix zur Grammatik des Lascaris an, nach 
welchem gerade 17, v, e«, o«, vi gleich i lauten sollen, eu, gleich lang e 
oder ä' u. s. w. 



97 

man bei Deutschen in dem Worte Kaiser höre; oi mit der 
Dehnung 9 welche die Franzosen bei dem Worte rot an- 
wendeten. 

Es ist noch übrig eine Seite an Aldus zu betrachten, 
nämlich sein Verhältnifs zu Kirche und Christenthum. Man 
findet häufig die Meinung ausgesprochen, dafs der Humanismus 
des vierzehnten > fünfzehnten, auch noch des sechszehnten 
Jahrhunderts gewissermafsen ein modernes Heidenthum ver- 
breitet habe, am meisten bei den Italienern. Mit ihren anti-r 
kisirenden Bestrebungen seien sie in eine Art von Götzendienst 
verfallen, dem das Behagen an einer den Alten sich mög- 
lichst nähernden Sprache und Denkweise das Höchste ge- 
wesen sei. Von Luther seien sie mit Recht Epikuräer ge- 
nannt worden. Dies sei die Zeit gewesen, wo es eine Menge 
kleiner und gröfserer Tyrannen gab voll Kunstsinn und clas- 
sischer Bildung, aber ohne Gewissen, befleckt mit Meuchel- 
morden durch Gift und Dolch und mit jeder Art von Un- 
^ Sittlichkeit. Burckhardt, der neueste Beschreiber jener Pe* 
riode, sagt: „Man zog die Menschen und zum Theil auch 
die Einrichtungen des Alterthums denjenigen des Mittel- 
alters vor, strebte ihnen auf alle Weise nach und wurde da- 
bei über den Religionsunterschied völlig gleichgültig. Die 
Bewunderung der historischen Gröfse absorbirte Alles." Wir 
können das Gesagte auch durch Einzelheiten näher beleuchten. 
Gerade bei den tiefsten philosophischen Köpfen entstand 
eine neuplatonisch mystische Verirrung, welche alle Rich- 
tungen in sich vereinigen wollte und sich aus Christenthum, 
Moses, Plato oder vielmehr Plotin, sammt aller vermeint- 
lichen Weisheit der Araber, Aegypter und Chaldäer ein 
buntes System zusammensetzte. So bei Picus von Miran- 
dula und Marsilius Ficinus, die in gewissen Beziehungen auch 
auf Reuchlin ebgewirkt haben. Kälteren war das Christen- 
thum ein äufserliches Factum, welches der Kirche und des 
Volkes wegen nicht angegriffen werden durfte; aber inner- 
halb des gezogenen Bannes Christliches und Heidnisches in 
einander spielen zu lassen bis beinahe zum Verwischen des 
ersteren, gab keinen Anstofs. Man trug die Sprache der AI- 



98 

ten auf alle Yorhältnisse über. Wenn man hierbei bei den 
Dichtern Vieles auf metaphorische Redeweise schieben konnte, 
so trat es doch am grellsten hervor, sobald selbst in Pre- 
digten die Redner hauptsächlich darnach strebten, mit Be- 
lesenheit in den Alten und mit römisch klingenden Yor- 
stellungen zu glänzen. Erasmus erzählt in seinem Cicero* 
nianuSy wie er einen Ciceronianer am Ost^heiligenabend 
vor Pabst Julius II. habe predigen hören. Der Redner 
nannte den Pabst Jupiter optinms maximus, der mit mach- 
tiger Hand den Blits schleudere und Alles regiere. Nach 
langem Lobe des Pabstes sei er auf die Decier, Curtius und 
Andere gekommen, die für das Vaterland den Opfertod ge- 
storben seien, und so sei zuletzt auch ein wenig von dem Tode 
Christi die Rede gewesen. Alles' unter ängstlicher Vermei- 
dung von Wörtern und Wendungen, die nicht durch Cicero's 
Autorität gestützt würden. Darauf hätten die Ciceronianer 
in Rom gefunden, dafs der Redner bewundernswürdig, ganz 
römisch und Ciceronianisch gesprochen habe. — Manchen 
WttT das Altrömische so in Fleisch und Blut übergegangen, 
dafs sie in gutem Glauben ganz sonderbare Handlungen be- 
gingen. „Als 1526 Siena von der Partei der Ausgetriebenen 
angegriffen wurde, stand der gute Domherr Tizio, der uns 
dies selber erzählt, api 22. Juli vom Bette auf, gedachte 
dessen, was im dritten Buche des Macrobius geschrieben 
steht, las eine Messe und sprach dann die in jenem Autor 
aufgezeichnete Devotionsformel gegen die Feinde aus, nur 
dafs er statt: Tellus mater teque Jupiter obtestor sagte: 
Tellus teque Christe Deus obtestor. Nachdem er damit 
noch an den folgenden zwei Tagen fortgefahren, zogen die 
Feinde ab." (Burckhardt, S. 511.) — Der geistreichste 
und gelehrteste unter den Italienern des fünfzehnten Jahr- 
hunderts war unstreitig Politian. Von ihm erzählte man 
sich, was aber nicht verbürgt ist, dafs er geäufsert habe, 
er stelle die Gesänge Pindars weit über die Psalmen, und 
die Bibel im Grundtexte lese er nicht, um sich nicht den 
Styl zu verderben. Politianus war Priester, wie Ficinus 
und viele andere Humanisten. Nur sehr wenige, wie Lau- 



99 

rentius Valla^ verwendeten ihre^ philologische Gelehrsamteit 
auf biblische Exegese , und auch diese hielten bald damit 
inne^ um nicht etwa mit der Kirche in einen Conflict zu 
gerathen. Sie begaben sich lieber in- ihren Dienst imd fan- 
den sich mit ihr ab. 

Mit dieser llichtung hing allerdings an den höchsten 
Stellen bisweilen eine Toleranz gegen gewisse philosophische 
Bücher zusammen, deren Verfasser in den späteren Zeiten 
der Gegenreformation nicht so würden davon gekommen sein. 
Petrus Pomponatius, 1462 — 1524, soUt% in einer Schrift die 
Unsterblichkeit der Seele geläugnet haben. Welches auch 
seine wahre Meinung gewesen sein mag, er sagte zu seiner 
Vertheidigung, dafs er nicht seine eigenen, sondern des 
Aristoteles Meinungen vorgetragen und nur behauptet habe, 
die Unsterblichkeit der Seele könne nicht aus der Vernunft 
bewiesen werden, sondern sei ein Glaubensartikel der christ- 
lichen Kirche, der er sich immer als ein gehorsamer Sohn 
unterwerfe. Ueberhaupt habe er, was er geschrieben, als 
Philosoph geschrieben; als Mensch glaube er unbedingt an 
die Entscheidungen der Kirche. ') Er wurde schwer verfolgt, 
aber Petrus Bembus, damals päbstlicher Secretär, nahm sich 
unter Mitwissen des Pabstes seiner an und befreite ihn von 
der Verfolgung. — Roscoe III. 262. — 

Das Angeführte könnte noch durch viele Beispiele ver- 
mehrt werden; folgt denn abef aus ihnen, dafs es nothwen- 
dig im Wesen des Humanismus liegt, unter allen Verhält- 
nissen Erscheinungen der angegebenen Art hervorzubringen? 
Dafs sie damals sich zeigten, lag — ich will nicht davon 
sprechen, dafs die alten Götter auf dem classischen Boden 
Italiens niemals ganz gestorben waren, sondern sich in einer 
Art von gespenstischem Dasein erhalten hatten — an dem 
Verfall der Kirche, durch welchen das Christenthum zu 
etwas rein Aeufserlichem gemacht worden war. Der Mensch 
ist immer in Gefahr, sich ganz in das zu verlieren, wovon 



') Wegen dieser Entschuldigung läfst Bonalini den Apollo das Ur- 
theil sprechen: „der Mensch Pomponatius sei unschuldig, nur der Philo- 
soph solle Terhrannt werden.*' 

7* 



100 

sein Gemüth erfüllt ist^ wenn er nicht starke Gegengewichte 
auf der anderen Seite hat. Die italienischen Humanisten 
waren in dieser Gefahr^ und zwar stärker, als andere. Mit 
glfihender Leidenschaft hatten sie sich auf das Studium der 
Alten geworfen, und was die Kirche von ihnen verlangte, 
deren Zustände sie am nächsten vor Augen hatten und zu 
deren Trägem sie theilweise selbst gehörten , hinderte sie 
nicht, eigentlich in die Anschauungen jener zu versinken.') 
Es gehörten schon Naturen von besonderer Innerlichkeit dazu, 
um neben dem Eifer für die Alten christliche Anschauungs- 
weise in sich zu bewahren. Aber es gab deren auch unter 
den Humanisten genug, von denen ich nur Petrus Patüus 
Vergerius, Mapheus Vegius^) und den Frater Urbanus an- 
führen will. Auch Aldus gehörte zu diesen. Viele Stellen 
der Vorreden zeigen seinen kirchlich gläubigen Sinn imd 
seine ungeheuchelte Frömmigkeit neben dem reinen Eifer, 
den Menschen mit allen seinen Kräften für den Weg zur 
Bildung zu dienen. Er stellt das Lernen und Wissen nicht 
als das Höchste hin, sondern den Knaben sollen von Jugend 
auf sancti mores und bonae litterae zugleich gelehrt werden, 



*) Bei dem ernsteren Charakter der Deutschen, ihrem tieferen Ge- 
müthe und ihrer Neigung, den höchsten Fragen der Menschheit ihren 
Sinn zuzuwenden, wurde der Humanisnyiis in Deutschland der Vorläufer 
der Reformation; denn er klärte die Geister auf und machte sie fähig, 
die eingetretene Yerderbnifs zu b^ämpfen. Als nun die Theologie mit 
ihren Wirren und Streitigkeiten auf den Platz trat, wich der Humanis- 
mus zurück, und Viele äufserten, alles Betreiben der alten Sprachen 
solle nur der Bibel wegen stattfinden, soweit es zu deren Auslegung 
nöthig sei. So hatten es weder Luther, noch besonders Melanthon ge- 
wollt, der über das Ersterben des Humanismus bitter klagt. „Nimis 
verum est,^ schreibt er 1524 an Eohanus ffessus, „negligi Poeticen a 
juyentute et aut me omnia fallunt, aut praesagit hoc imminentem litte- 
rarum ruinam, ut habituri simus indoctiorem posteritatem, quam fuere 
illa Scotorum et Anglorum saecula.^ Erasmus, dem freilich überhaupt 
der Gang nicht zusagte, welchen die Reformation nahm, ruft sogar in 
einem seiner Briefe in einer unmuthsvoUen Stunde aus: „ubicunque re- 
gnat Lutheranismus, ibi estinteritus litterarum!*' Dies sind Stimmungen, 
hervorgerufen durch die augenblicklichen Umstände. Die Klagenden 
konnten noch nicht wissen, dafs nach ihnen gerade in den protestan- 
tischen Staaten der Humanismus die meiste Pflege gewinnen und die 
höchste Blüthe erreichen würde. 

*) üeber diese beiden Männer s. die lesenswerthe Abhandlung von 
Schweminski im Programme des Mariengymnasiums in Posen, 1858. 



i4: 



101 

und besser sei das Erstere allein^ als das Zweite ohne das- 
selbe (s. die Vorrede zur lateinischen Grammatik). Um 
seinerseits für Beides zu wirken, giebt er unter Anderem 
der Grammatik des Lascaris und der lateinischen Grammatik 
folgende Beigäben: Oratio Dominica et dupkm salutatio 
Beatae Virginis. Symbolum Apostolorum^ Evangelium Diei 
Joannis Eeangelistae. Er will auch, dafs über dem Lesen 
der heidnischen Schriftsteller die christlichen Dichter nicht 
vergessen werden sollen (s. Vorrede zu den Poetae veteres 
christiani, 1501). Ja er bekämpft sogar bei sich noch den 
Zweifel, der wenigstens bei den italienischen Humanisten 
damals schon ganz veraltet war, ob es einem Christen er- 
laubt sei, alle Schriftsteller der Heiden zu lesen, besonders 
die über Gott und die Welt philosophirenden. In Bezug 
auf Flato und Aristoteles hat er allerdings kein Bedenken; 
denn diese galten allgemein beinahe für christliche Lehrer. 
Aber Lucrez z. B. erregt sein Bedenken. Indefs meint er 
doch, dafs auch diese und ihm ahnliche gelesen werden 
könnten, wenn es nur mit dem Sinne geschähe, mit welchem 
auch Augustinus und Basilius die heidnischen Autoren lasen 
und gelesen wissen wollten (s. Vorrede zu Lucrez, 1515). 

Wir scheiden jetzt von dem Manne, den wir durch so 
viele Verhältnisse hindurch begleitet haben. Sein Leben 
war voll Arbeit und seine aufsere Lage dabei meist bedrängt. 
So könnten wir ihm denn zuletzt die Worte über sich in 
den Mund legen, welche die Grabschrift Trotzendorfs bilden : 

Artes tradebam totias tempore vitae 

Et, qaae mundi sunt praemia, pauper eram. 



' f 



Viertes Capitel. 



Briefe. 
1485 — 1514. 



Die Zahl der Briefe^ welche Aldu8 bei seinem thätigen 
Leben empfing und schrieb, abgesehen von den offenen 
Briefen am Anfange der Ausgaben, war ungemein grofs, wie 
aus seinen eigenen Worten hervorgeht. Aber nur wenige 
von ihnen sind durch den Druck^ bekannt gemacht worden> 
und zwar einige darunter in Büchern, die jetzt selbst wie- 
der Seltenheiten sind. Manche mögen noch in den Biblio- 
theken Italiens und Deutschlands verborgen liegen unter den 
handschriftlichen Briefen der Gelehrten am Ende des fünf- 
zehnten und Anfange des sechszehnten Jahrhunderts. Aus 
der kaiserlichen Bibliothek in Wien erhielt Renouard 1825 
durch Ladislaus Endlicher eine Abschrift der folgenden vier 
Briefe des Aldus an Conrad Celtes (einer derselben war 
schon früher durch Goldast bekannt gemacht), begleitet von 
einigen Anmerkungen. Die Zusendung war einer hand- 
schriftlichen Sammlung von Briefen und Gedichten der so- 
dalitas litteraria an Celtes entnommen. Das Original des 
Briefes an Paulus Bambasius bekam er aus Italien. Von 
den übrigen schon gedruckten Briefen des Aldus citirt Re- 



% 



103 

nouard die Fundorte , die er zum Theil niciit näher einge- 
sehen zu haben scheint; denn er spricht z. B. von einem 
Briefe des Aldus an Eeuchlin^ der sich befinde in den 
epistoKs clarorum virorum ad ReuchUnum, während dersel- 
ben zwei sind. Die folgenden Seiten nun enthalten eine 
Zusammenstellung aller bis jetzt bekannten Bri^^ die von 
Aldus selbst und von Anderen an ihn geschrieben worden 
sind, mit möglichster Erklärung der verschiedenen Verhält- 
nisse und Personen. Obschon diese Zusammenstellung nur 
klein ist, so dient sie doch dazu, den Mann imd seine 
Freunde, so wie die ganze Zeit, näher zu beleuchten. Or- 
thographie und Interpunction, die ohnedies an den verschie- 
denen Fundorten ganz verschieden ist, habe ich mehr nach 
unserer jetzigen Art eingerichtet; nur die ersten zwei Briefe 
sind zur Probe unverändert so geblieben, wie sie in der 
Aldinischen Ausgabe stehen. 



I. n. 

(Oomia opera Angeli Politiani, Yenetiis iu aedibus Aldi Romani mense 

jjulio M. II. D.) 

Aldus Manutius Romanus Angelo Politiano S. D. 

Annum abhinc tertium, ') quo Veneti Ferrariä oppugna- 
bät, me, ut uel dei (ut aiunt) nedü hoium bellum fugere, 
ex ulrbe Ferrariä Mirandulä contuli ad Joannem Pico Prin- 
cipem aetatis nostrae doctissimum, quod et amaret literatos 
uiros, & faueret ingeniis. Ibi Emanuel Adramytenus, fami- 
liarissimus meus, tuä mihi graecam, quam ad se dederas 
ostendit epistolä, ornate qdem, & docte atq; copiose scrip- 
tam, quae non ä Romano uiro, sed ä mero attico, qui Athe- 
nis semp fuisset, elucubarata *) uidebatur. Quäobre coepi 



') Der Brief ist also vom Jahre 1485. 
*) Ein Druckfehler, statt elucubrata. 



104 

mi Angele*) amare te uehementer^ doctrinam tuam atq; 
ingenium non mediocriter admiratus. Deinde Emanuel suo 
cum Principe Ticinum profectus est, ubi paucis ante mesi- 
busy 4 ^ ^^ scriberem^ excessit e vita. Cuius interitu, ita 
quidem moueor, ut multis annig grauius nihil^ & molestius 
tulerim. Brat enim homo^ & moribus apprime omatus^ & 
graecis literis sane^ doctus^ meiq; amantissimus. Non pos- 
snm igif non moerere, tali amico orbatus^ 44 ^^^ magis 
ipsius incommodo, qua illius. Nam Uli ad superos facilli- 
mum fuisse cursum^ quoniam & bene, et beate semper vixit, 
no sum nescius. Quapropter malü si qd accidit, meü e. 
ivit in4 iUe Ticinü, Ego uero Mirädula Carpü perrexi, quo 
cü aliquot post mensibus uenisset & Picus noster, Eusticü^) 
mihi ostedit tuä, quae mi Angele mirifice auxit amore, erga 
te meü. Ibi enim pspici facile potest^ quantum abundes 
ingenio, quanti homo si^ studii^ quäta tibi bonarü literai^ 
sit copia. Nee uereor tibi me adulari ducas, el aavrov 
yivoiaxeig. Scis enl 4 ^P^^ scripserim esse impendio plura. 
Taceo ante, & quae de te mihi dixit is ipse Picus, & dicit 
quoties in tui Icidimus sermone (nactus es eni dignum 
praecone laudü tuarü) & quae retulit mihi Alexander Sar- 
cius^) Bononiensis homo uerus, ac integer uitae, scelerisq; 
purus, nee non quantü ex ipsius sermone colligere potui, 
tui studiosissimus. Quid plura? Hisce tuis Ipulsus laudi- 



') Angelus Politianus^ 1454 — 1494, ein besonderer Freund des Picus 
von Mirandula, galt damals schon für einen der gelehrtesten und geist- 
Yollsten Männer seines Jahrhunderts. Dafs Aldus sich um die Freund- 
schaft eines solchen Heros bewarb, zumal derselbe seinem Freunde und 
Gönner Picus so nahe stand, geschah nicht aus Eitelkeit, um in den 
gesammelten Briefen desselben mit zu glänzen, wie bei Einigen wirklich 
der Fall war, sondern wird durch die späteren Worte erklärt: „Incredi- 
bilis enim erga doctissimum quemque mens est amor. 

*) „Angeli Politiani Silva, cui titulus Rusticus, in poetae Hesiodi 
Vergilique georgicon enarratione pronunciata." Auf italienischen, wie 
deutschen Universitäten sind Vorlesungen über dieses Gedicht gehalten 
worden. 

^) Alexander Sarcius sammelte später mit Petrus Grinitus (Ricci) 
die Schriften Politians zu der Ausgabe, welche Aldus 1498 veranstaltete. 



105 

busy nö potai ad te non aliquid literai^ dare^ ut facere te 
certiore» mß ita esse tnü^ ut posses omnia de me tibi con- 
stantissime polliceri. Incredibilis enim erga doctissimü 
quenq; meus est amor, qui me et coegit, ut ad te scribe- 
rem, peter^mq;, ut me pro tua erga studiosos uiros humani- 
täte, iter tuos mi Angele connumerares, quod ut facias, te, 
quantum possum rogare, rogo, Quod pfecto feceris, si me 
uteris famiUarissime, mihiq'; quoties usu uenerit, no secus 
jusseris, ac cuiuis ex domesticis tuis. Sic enim tua uirtus 
postulat, facitq;, ut sim tuus, quoad uiuam. Vale. Carpi 
Quinto Calendas Novembres. 



Angelus Politianus Aldo Manutio Romano suo S. D. 

Bedditae mihi faerüt literae tuae, quae perspicue de- 
clarant, no modo, 4 ^^^ bomo doctus, uerumetiam, 4 niei 
Studiosus. Est enim scribendi genus illud tuum, minime 
triuiale, cultum quinimmo, subactümq; uelut exercitatione 
multa, sparsümq; deniq; fruge bona ueterum lectionum. ') 
Tum epistolam sie laudas nostram graece scriptam, quippe 
ad graecum hominem, magis ut amorem uidearis habuisse 



') Der vorangegangene Brief des Aldus ist gefeilter, als manche der 
späteren Briefe, die er im Drange des Geschäftslebens schrieb, und die 
dbeibei nicht die Kritik eines Stylisten, wie Politian war, zu furchten 
hatten. Ein lateinischer oder gar griechischer Brief war für die Gelehr- 
ten jener Zeit ein Gegenstand der grofsten Wichtigkeit. Der Styl wurde 
sorgfältig überlegt. Hatte man einmal eiliger geschrieben, so dafs Nach- 
lässigkeiten zu befürchten waren, so bat man auch wohl den Empfanger, 
das Schreiben Keinem weiter zu zeigen. (So schreibt Antonius Codrus 
Urceus 1498 am Ende eines Briefes an Baptista Palmarius: „Si vis 
haec omnia, quae tibi famüiarissime scripsi, referre Aldo, per me licet; 
sed ne litteras ipsas in manus alicujus sinas pervenire. quam dulce 
est ad amicum scribere, qui non quaerat nodum in scirpo, et apud quem 
possis interdnm soloecizare.^) Das Antwortschreiben enthielt häufig eine 
Critik des vorangegangenen, besonders von Seiten des Styls, und die 
empfangenen schmeichelhaften Wendungen wurden reichlich wiedergege- 
ben. Dies sind die „deliciae, quibus apud Italos vulgo docti sese dele- 
nire consueverunt*', wie Erasmus 1514 aus Basel an Udalricns Zasius 
schreibt. 



106 

in consilio^ 4 Judicium. Sed tarnen utoanq; sit, equidem 
tibi uel ob id placuisse eam laetor, quod qaanto tibi ego 
fuero doctior, tanto minus fortasse poenitebit amioitiam te 
nostram tarn cupide, tarn uehementer expetisse. Facit autem^ 
ut in ea mihi epistola faueam nonnihil Emanuel ipse Adra- 
myttenusy qui respondens^ ita prorsus ultra modum laudauit, 
ut Omnibus me suis graecis^ quicunq; aliquot ante saeculis 
scripserunt^ hominem citra mare natum^ nö dubitauerit ante- 
ferre. Jurare illum solitum quoq; Picus mens literis signi- 
ficat^ dum legeret hanc epistolam^ ne ipsas quidem tam esse 
Athenas Atticas. Quare placerem profecto mihi graeci ho- 
minis testimonio^ nisi Cretensis fuisset Emanuel. Etenim 
hoc genus ut medaces notauit Epimenides^ qui tamen & ipse 
Cretensis 9 ut mentiri non minus potuerit, Ideöq; non men- 
daces Uli. Sic ergo uerus Epimenides^ atq; ita rursus ilU 
mendaces^ uides hunc dialecticorum y^EvSofMvov. Mihi tamen 
extra iocum^ ueros esse omnino Cretenses libet/ Jam quo- 
niam de epistola me amo^ ne palpü quidem reiiciä^ Quod 
obtrudis Rustici nomie. Monstrü enl prorsus^ fmo aüt soe- 
lus iexpiabile si laudatori suo Poeta nö crederet. Sed cu- 
pio praeses te psente frui aliquädo^ Si qde absens^ ita de- 
lectas. Accipio uero iä nunc Iter amicos^ & quide p'mi 
ordls. Nec-n. explorädus ultra quS Picus noster receperit, ') 
ille in4 Picus, cuius nun^ nee cessauit igeniü, nee errauit 
iudiciü. AJexandro Sarcio cottidie plus debeo, tibiq; esse 
eü familiär^ sümopere gratulor. Vir est profecto sincerus^ 
candidus, amoenus, idem fidus, acer, ingeniosus, experiens^ 
hunc uelim meo nomine plurima salute Ipertias, quädo me 
assidue laudat^ estq; nö Iter postreos Pici nfi familiäres. 
Vale. 



') Picus neigte zur Schwärmerei, was später in hohem Grade sich 
zeigte; bei dem kälteren, feinen Politian aber überwog die Verstandes- 
richtung. Trotz dieser Verschiedenheit bestand zwischen Beiden Freund- 
schaft bis an das Endo ihres Lebens. 



107 



ni. 

(Aldi Pii Manntii scripta tria longo rariissima a Jacobo Moreüio denuo 

edita. Bassani MDGGGVI.) 

Aldus Mannuccius Bassianas Latinus 
Cätharmae Piae 

Principi Clarissimae Ac Prudentissimae 

S. P. D. 

Quanti apud me sint Albertus Leonellusque liberi tui^ 
quos nuper mihi erudiendos tradidisti^ atque quanto ego amt>re 
quantaque eos beneyolentia prosequar^ potes vel ex hoc fa- 
eile perspicere, Gatharina Princeps, Heroidum aetatis nostrae 
longe prudentidsima^ quod parum illud quod datur otii (nam 
multis negotiis impeditus vix quatuor horas ad summum sup- 
peditare quotidie meo studio possum) non ad meam utilita- 
tem, ut sane plerique faoerent, legende consumo, sed in aU- 
quo potius scribendo componendoque opusculo in disciplina 
grammatices^ quodsit erudiendis liberis accommodatum: quod 
si ita est, nee ne, alter qui melius sciat, quam tu, non fa- 
cile inveniri potest. 

£n de accentibus et Latinis et Graecis opusculum, quod 
nuper conscripsimus tibique donavimus, ut a te pueris non 
modo legendum, sed etiam ediscendum offeratur et donetur 
tois. Quae cum digna mihi res, tum ipsis pemecessaria yi- 
debatur ; non enim parujoi fructus et splendoris habet secun- 
dum accentus recta pronunciatio et moderatio dictionum : qua 
cum indigere liberos tuos animadverterem, ipsis deesse non 
volui, qui de accentu scriberem aliquid, quod ad evitandum 
barbarismum magno eis adjumento foret. In qua re confi- 
cienda quantum laboris et difiicultatis sustinuimus, quoniam 
opus fuit ut plurimos et Graecos et Latinos libros evolve- 
remus, ipse mihi sum optimus testis: certe multum elabo- 
ravimus. Conscripsimus perpaucis ante diebus grammaticas 
Latinae linguae Institutiones *) nee non de componendis car- 



') Dies wird ein kürzerer Gkiudrifs der lateinischen Grammatik 



108 

minibus opusculum, panagyricos quoque musarum versus^ 
quos illae de Alberti laudibus alternis concinunt: quibus Om- 
nibus^ ut nosti^ donavimus Albertum nostrum^ adjuncto etiain 
libello Graeco^ ut Graecas etiam litteras una cum nostris 
edisceret itaque pariter iret^ ut neutra lingua^ ut praecipit 
Quintilianus^ alteri of&ceret. Quod eo etiam feci libentius, 
quoniam tibi^ praeexcellenti ingenio Principi atque habenti 
cum plurimis in rebus ^ tum in re quoque litteraria et acre 
et subtile Judicium ^ gratissimum me facturum sciebam^ si 
clara et egregia indole praeditis et te clarissima matre sa- 
nequam dignis pueris tuis aliquem libellum Graaoum tam- 
quam isagogicum scriberem^ quoi tu non exculta solum, sed 
perfecta quoque litteratura fore desidera?: quam nemini ex 
hominibus nostris absque aliqua Graecarum Ittterarum Cogni- 
tionen mira quadam tui ingenii bonitate^ cognosois non poNie 
contingere, contra quorundam indoctorum hominum stajtam 
opinionem^ qui nihil aut certe parum existimant necessarias 
esse Graecas litteras hominibus nostris. Qui quam recte 
sentiant^ viderint qui intelligunt; certe errant vehementer. 
Quomodo enim qui Graece nescit Graecos imitari auctores 
potest^ in omne disciplinarum genere quam doctissimos? A 
quorum fontibus quidquid fere est laude dignum in linguam 
Latinam constat derivatum; qui tanta elegantia^ tanto arti- 
ficio^ tarn mirabili subtilitate onmia tractaverunt^ ut Flaccus 
in Arte Poetica Graecos non injuria admiratus^ sie de Grae- 
corum ingenio scripserit: 

Grajis ingeniom, Grajis dedlt ore rotnndo 
Musa loqoi, praeter laudtm nollias ayaris. 

Et in eadem: 

Yos exemplaria Graeca 
Nocturna versate mann, versate dinma. 

Accedunt nostrae . sententiae alii plurimi^ tarn hujus, 
quam antiquae aetatis et docti et clari viri. Sed^ ut novos 



gewesen sein, die er 1501 herausgab, nachdem er sie neunm^ umge- 
arbeitet hatte, wie Erasmus behauptet von ihm selbst gehört zu haben. 
(Morelli, S. 26.) lieber die anderen angedeuteten Schriften ist Yom bei 
Aldus' Aufenthalt in Carpi gesprochen worden. 



109 

missos faciamus, nonne M. Fabius Quintilianus, Latinae lin- 
guae peritissimus^ hoc idem in primo De Oratoria Instita- 
tione sentire videtur, cum dicit: A sermone Graeco puerum 
incipere malo^ qoia Latinus cömpluribus in nsu est^ vel 
nobis nolentibus se perhibet: simnl quia disciplinis qnoque 
Graecis simnl instrueadus i^') nnde et nostMie fluxemnt? 
Et paullo post subjungitrNon longe itaque Latina snbseqni 
debent et cito pariter ire. Ita fiet^ ut^ cum aequali cnra 
linguam utramqne tneri coeperimus^ nentra alten officiat. 
Nonne etiam Priscianus^ grammaticonim omnium meo qni- 
dem jttdifiio accuratissimns, ponfirmät sententiam nostram? 
Qui librom snnm^ qui est ihesanrus grammaticae disciplinae^ 
hoc modo incepit: Cum omnis eloquentiae doctrinam et omne 
studiorum gelAis sapientiae luce praefulgens^ a Graecorum 
fontibus derivatum^ Latinos proprio sermone invenio cele- 
brasse et in omnibus illorom vestigia consecutos artibns 
yideo^ etc. Postea subjnngit: conatus snm pro viribus meis 
Graecorum praecepta virorum, quae congrua visa sunt, in 
Latinum transferre sermonem. 

Quid dicam de Cicerone nostro, doctissimorum quidem 
omnium consensu parente Romanae eloquentiae? Qui Athe- 
nas omnium liberalium artium inventrices dixit quique in 
eo libro, qui est scriptus ad Marcum Ciceronem filium de 
Officiis, cum philosophiae Athenis incumberet sub Cratippo 
principe illius aetatis philosophorum^ filium ut cum Latinis 
Graeca conjungeret^ qiioniam conduceret plurimum^ suo 
exemplo sie monuit: Tamen^) ipse ad meam utilitatem 
semper cum Graecis Latina conjunxi, neque id in philoso- 
phia solum, sed etiam in dicendi exercitatione feci: idem 
tibi censeo faciendum^ ut par sis in utriusque orationis 
facultate. 

Vi de igitur, quam recte tu sentias, acri ingenio Prin- 
ceps atque magnum clarae et magnificae tuae gentis decus, 
Catharina Pia^ si liberos tuos non Latine solum^ sed etiam 



') Qaintilian I. 1. 12 — 14. Wir lesen jetzt: „quia Latinum, qui 

plaribos perhibet; prius instituendus est. 

*} Jetzt: ,» tarnen, M ipse* 



•■:» 



110 

Graece scirc desideras^ multorum exemplo et claroram viio- 
rum. Adde^ quod^ quantum divitiis et dignitate^ tantam 
moribus et doctrina vis eos ceteris praestare hominibus nee 
imitandos esse ducis nostrae aetatis prindpes^ qui^ quanto 
digniores potentioresque sunt^ eo etiam a bonarum artium 
disciplinis magis alieni.^) Non sio Bomanos illos rerum 
dominosy quos tu dignos imitatione existimas^ non ipsos 
barbaros quondam fecisse oonstat. Uli quidem liberalibus 
disciplinis eo ardentius majoreque animo incumbebant^ quo 
et ditiores et digniores erant. Quod cum alii innumerabiles 
viri tarn clarissimi quam potentissimi facere conaueverunt^ 
tum Ptolemaeus ille Philadelphus^ vir quidem doctissimus^ 
qui etiam bibliothecam nominatissimam fecit; atque etiam 
Mithridates, rex Ponti^ qui duarum et viginti gentium, quas 
sub ditione habuit^ linguas percalluit^ quemque medicinae rei 
perquam peritum fuisse commemorant^ unde adhuc hujus regis 
antidotus celebratissima est^ quae Mitbridatios appellatur. 
His adde Philippum, Macedoniae regem, qui quamquam 
omni ferme tempore negotiis belli victoriisque affectus exer- 
citusque esset, a Überall tamen Musa et studiis humanitatis 
nunquam abfuit, immo tanti.faciebat bonas litteras, ut ad 
Aristotelem pMlosopbum, nato sibi Alexandre, qui a rebus 
magnifice gestis Magnus postea cognomento est appellatus, 
sie scriberet: 

viov. üokki^v ovv Toig &60ig ;fflfpti/ %w, ov^ ovrcog inl 
ry yeviasi rov ncciSog, cog ^ni riß xavd rrjV örjv rjXixiav 
avTov ysybvivar kkTti^cj yctg avtov vno 60v rgatpivra xai 
naidevQ'ivTa ä^MV Haead-ai xal vfiüv xal rijg räv nQay^ 
ftdrojv SiaSoxijg» 

Quod sie exponi Latine potest: 



') Diese Klage ist zu allen Zeiten erhoben worden, weil man ent- 
weder an bestimmte Persönlichkeiten dachte, auf die sie pafste, oder weil 
dem brennenden Eifer des Klagenden nicht genug geschah. Uns, die 
wir freilich die Verhältnisse nicht so genau kennen, wie Einer, der mit- 
ten in ihnen lebte, scheinen zur Zeit des Aldus gerade die Yomehmsteu 
und Angesehensten in Italien mehr Eifer für die Wissenschaften gezeigt 
zu haben, als je vorher seit den Zeiten der Alten. 



H. 



^.. 



111 

Philippus Aristoteli S. P. D. 

^Scias mihi natam esse filium^ quare diis habeo gratiam^ 
non solnm quia natus est^ veram etiam quia eum nasci 
Gontigit temporibus tuis. Spero enim ipsum a te eductum 
eraditumque et nobis et rerum nostrarum successione dig- 
num fiitarum.*' 

Vide^ qnanti a rege illo potentissimo pmdentissimoque 
doctrina ac virtus aestimabatur^ quod ob id potissimum sibi 
natum esse Mum gaudebat^ quoniam doceri ab Aristotele 
posset, qui floruit temporibus illis. 

Nee tamen ipse Alexander omittendus est^ qui fuit et 
patre Philippo dignus filius et Aristotele praeceptore disci- 
pulus^ qnir copiisne atque opulentiis, an doctrina ceteros 
anteire maluerit, ostendit bis verbis in epistola ad praecep- 
torem: 

*AXii,av8Q0Q 'AQiaroTkXei w ngätrsiv. Ovx oQ&dig 
hnoiriaag kxSovg rovg axgoaf^ccrixovg teov Xoyoav, Tivi yag 
'du SioiöofiBV rjfJLBig rcSv älkoDV, sl xad^ovg iTtaidev&fjfiev 
Xoyovg ovroi navtiov I^öovtcci xoivol; 'Eyco Si ßovXolf^rjv 
av ralg nBQi rä ägiarcc kfjinBi^iaig y tj raig Swdfisai dice^ 

Paraphrasis superioris epistolae: 

Alexander Aristoteli S. D. 

^Libros de Auscultatione Physica edidisse te sane mo- 
leste fero. Nam in qua item re erimus nos praestantiores 
ceteris, si eas, quibus eruditi sumus, disciplinas communes 
Omnibus feceris? Malim equidem optimis disciplinis omnes, 
quam facultatibus antecellere. Vale." ') 

Magnifica quidem vox et Alexandre invictissimo rege 
et sapientissimo digna, qui divitias virtute multo inferiores 
esse putabat. 

Quid dicam de Romanis nostris, et de Julio Caesare in 
primis, qui aeque in litteris atque in armis claruit? Quod 
sitne ita, an minime, testes sunt ejus commentarii, quos 



') Die Briefe des Philipp und Alexander finden sich bei Gellius, 
Plutarch im Leben Alexanders and Themistius. 



112 

, ^aaium« ut relinqueret materiam volentibus 

.^ ..i;:>viv; sod tontae eloquentiae habiti sunt, ut nemo 

.. .v\ (iuiaio iioc aliquid iis addere aut minuere ausus 

>. ;. vjuia ^^^^ d^ I^* Crasso Muciano^ quem Romanae hi- 

N,, iiac >vi(pcores quinque rerum maxima habuisse tradunt: 

,'iuM oaisiol ditissimus, quod jurisconsultissimus, quod nobi- 

lUsimu«» quod eloquentissimus^ quod pontifex maximus? 

Quid do Cn. Planco^ quem ejus epistolae ad Ciceronem in- 

dionnt fuisse non minus eloquentem^ quam Cicero ipse fue- 

rit? Quid de Asinio Pollione^ de Maecenate, de Augusto 

Caoaare deque multis aliis^ quos enumorare tum difficile^ 

tum etiam supervacaneum esset? Qui etsi erant nobiles et 

clarissimi viri ac principes, tamen et litteris accurate ope- 

ram dabant et studiosos vires ita fovebant atque suis opi- 

bus adjuvabant, ut plerosque temporibus Ulis ex infima for- 

tuna claros admodum et poetas et oratores evasisse latissime 

pateat necnon in ordinem senatorium atque ad summos ho- 

nores processisse. 

Nostro autem tempore unum tantum vidimus, qui nu- 
per excessit e vita, Federicum Urbini Ducem/) qui pariter 
ot armorum et liberalium disciplinarum gloria excelluit qui- 
que bonas artes tanta fuit benevolentia prosecutus, quod 
bibliothecam etiam quam magnificentissimam sibi construxit, 
in qua quidem comparanda circiter quadraginta millia num- 
mum aureorum exposuit, longo etiam plura impensurus, nisi 
illum mors crudelis et inexorabilis invidisset hominibus 
studiosis. jacturam grandem, o factum male, o damnum 
irreparabile ! Tantum profecto hominem mori nunquam 
oportuisset, quem quidem unum ex principibus nostra ae- 



* ) Federigo di Montefeltro , Herzog von ürbino , war von Victorinus 
Keltrensis in Mantua unterrichtet worden. Er war ein eben so kriege- 
rischer, als Künste und Wissenschaften liebender Fürst. Einen grofsen 
Theil der Bibliothek, die er mit einem Aufwände von 40000 Ducaten in 
Urbino errichtet hatte, führte später Cäsar Borgia nach Rom. Er starb 1482. 

Federigo's Bibliothek bestand nur aus schön geschriebenen, pracht- 
voll gebundenen Codices. Von den Drucken seiner Zeit, die nicht so 
soh'"»'^ ""'^ y-ierlich aussahen, wollte er so wenig wissen, dafs er „sich 
=)n würde", ein gedrucktes Buch zu besitzen. Burckhardt, 
Renaissance in Italien. S. 193. 



113 

täte doctissimum exstitisse mirabile est. Quamquam illum 
Johannes Picus^ Princeps inclitus ') gennanusque tuus, longe 
quidem doctrina et bonarom artium cognitione antecellit^ 
qui est tanto ingenio tantaque doctrina, ut se jam toti orbi 
notum fecerit. Non licet hoc loco, ubi de principibus sermo 
est in omnium bonanim artium disciplinis egregiis, qui 
temporibus nostris pauci admodum sunt, Petrum Baroccium 
praeterire, patricium Venetum ac Patavinum Episcopum, ') 
summa yeneratione summoque honore dignissimum, cujus 
laudum principium facile quidem inventu est, exitus yero 
apprime difficilis. Hie profecto Romanae linguae sanequam 
doctus, si prosa oratione scribit, copiosus est, omatus, gra- 
vis; si quando se ad Carmen et mansuetiores musas refert, 
tersus est ac dulcis, itaque excultus et doctus, ut cum an- 
tiquis quoque illis doctissiinis certare videatur. Est etiam 
medicinae rei et simplicium") maxime non ignarus atque 
etiam geometra maximus, item in disciplina juris et ponti- 
ficii et civilis excellentissimus. Sed sentio, quam angusto 
ambitu orationis summam hujus principis doctrinam "virtu- 
temque complectar; non enim epistola digna est, sed im« 

M Johannes Picus von Mtrandula, 1463 — 1494, war eine der begab- 
testen Naturen seiner Zeit; aber eine ausschweifende Phantasie, genährt 
durch seinen yertrauten Urning einerseits mit dem Neuplatoniker Mar«' 
silius ricinus , andrerseits mit dem Schwärmer SaTonaroIa, liefs ihn zu- 
letzt sich ganz in cabbalistisch-mystische Bestrebungen yerirren. Er Var 
übrigens nicht regierender Fürst der Landschaften Mirandula und Gon- 
cordia, sondern dies war sein Bruder Galeatitts, dessen Sohn IVanciscu» 
später ganz den Fufsstapfen seines Oheims folgte. 

^) Barocci wurde nach Morelli 1487 Bischof Ton Padua, nach Qui- 
rini aber erst 1488. (Quirini Litterat. Brixiana. I. 151.) Der Brief wird 
wohl also .1488 anzusetzen sein. Da am Anfange desselben erwähnt wird, 
dafs der Lobgesang der Musen auf Albertus Pius vor wenigen Tagen 
übergeben worden sei, mit diesem aber eine der beiden Paränesen zu- 
sammenhängt, welche beide in den Endversen die Geneigtheit des Ver- 
fassers verrathen, noch länger in Carpi zu yerweilen, so scheint es mir 
um so widirscheinlicher, dafs Aldus erst 1490 nach Venedig gegangen ist. 
(s. auch Brief IV.) 

Unter den Lobeserhebungen, welche dem Baroccius gespendet wer- 
den, befinden sich auch die, dafs er die Quadratur des Preises und ein 
untrügliches Mittel gegen die Gicht gefunden habe. 

^) Die simplida, ähnlich etwa unseren Hausmitteln, den ^pa^/uuea 
svyfo^una des Dioscorides, spielten in der Medicin des Mittelalters eine 
grofse Rolle. 



114 

• 

naenso volumiue. Praeteroa cum sit summo ingenio prin- 
ceps summaque continentia et humanitate^ amplius antistes 
justissimus^ episoopas sanctissimus^ in servanda tuendaque 
Salvatoris nostri Christi Jesu religione aptissimus^ accura- 
tissimus^ optimus : non a meo ingenio^ quod sentio quam sit 
exiguum^ verum a summo et, quam meum, longe majore 
posteritati tradendus est. Nee item Hermolaus Barbarus,^) 
patricius Venetus^ vir aetate nostra omnium rerum impense 
doctus^ est silentio pYaetermittendus. Hunc certe L. Grasso 
Muciano^ de quo nuper meminimus^ longe quidem rerum 
maximarum numero praestare facile cognosci potest. L. enim 
Crassum quinque rerum maxima habuisse historiae traditum 
est; Hermolaum vero, bone- Dens >. non modo quinque ^ sed 
etiam bis quinque et plura quoque habere conspicimus. 
De hoo enim dicere vere possumus: quod sit ditissimus, 
quod nobilissimus, quod eques^) clarissimus^ quod et Grae- 
cae et Romanae linguae peritissimus^ quod in cognitione 
simplicium medicinae exoellentissimus^ quod item eloquen- 
tissimus^ quod jurisconsultissimusy quod phüosophus maxi- 
mus^ quod astrologus summus^ quod inter primos magistra- 
tus Yenetos ornatissimus^ quod homo optimus ^ quod^ etsi 
juvenis^ etiam castissimus; adde quod Zacharia patre^ viro 
dignissimo equiteque illustri ac Marci Evangelistae procu- 

') Hermolaus Barbartu, 1454 — 1493, hat sich vielfach verdient ge- 
macht um Themistius, Dioskorides,' Aristoteles, Plinins, Pomponins Mela. 
Als er Gesandter Venedigs bei dem romischen Hofe war, wurde er 1491 
von Innocentius VIII. zum Patriarchen von Aquileja ernannt, welche 
Wurde er annahm, obschon die Gesetze der Republik ihren Gesandten 
an auswärtigen Höfen verboten, von diesen eine Ehrenstelle ohne vorher 
eingeholte Erlaubnifs anzunehmen. Auf einen Drohbrief des Senats gab 
er seine Wurde in die Hände des Pabstes zurück. Er starb nicht lange 
darauf in Rom, ohne Venedig wiedergesehen zu haben. Ein Verzeichnü^ 
seiner Schriften s. bei Niceron. Sein Vater Zacharias starb ein Jahr 
vor ihm. 

') Im Jahre 1486 schickte der Senat den Hermolaus Barbarus und 
Dominicus Trevisanus ab, um dem Kaiser Friedrich dem Dritten und 
seinem Sohne Maximilian, welcher zum romischen Könige ernannt wor- 
den war. Glück zu wünschen und die alten Bündnisse zu erneuern. Im 
August dieses Jahres hielt Barbarus vor dem Kaiser und dem Könige in 
Brügge eine Rede, welche mit nachträglichen Veränderungen am Ende 
der Briefe des Politianus abgedruckt ist. Der Kaiser machte die bei- 
den Abgesandten zu Rittern. 



115 

ratore iutegerrimo^ filius digniseimus. His atque aliis rehim 
maxüms omatas Hermolaus lumen est ac decus Yeneti po- 
tentissimi illustrissimique Senatus.^) 

Tu autem cum ea sis^ quae et virtutem diligas mirum 
in modum et nihil cupias magis^ quam ut Optimum quem- 
que atque doctissimum virum sibi imitandum liberi eligant 
tui seque ad illorum imaginem componant, qui mirabiliter 
in laude Yixerunt: non dubito^ quin cum clarissimis atque 
iis^ quos connumeraTimus, viris sint merito conferendi. 
Quamobrem perge, ut coepisti^ quandoquidem cum prüden- 
tia tua, quae est quidem maxima^ tum bis filiis superabis 
omnium fortunas. Mo autem, ut de me loquar, habebis^ 
cui aeque cari ^int^ atque fuerint patri*; tibique persuadeas 
velim, quantum viribus eniti, consilio ad monere, studio et 
doctrina juvare potuero, hoc commune Alberto Leonelloque 
magnificis liberis tuis semper futurum. Vale. 



IV. 

(Joannis Pici Mirandulae liber epistolarum illustratus a Cellarw 

Cizae MDCLXXXH.) 

Joannes Picus Mirandula Aldo Manutio S. 

Mitto Homerum^ quem desiderabas^ serius tamen, quam 
et tu voluisti et ego debebam. ^ Ita, mi Alde^ distringor 
occupatione^ ut neque interspirando sit locus. Addixi me 
(quod et tu nosti) jam dudum litteris in famulatum. Hlae 
pro suo imperio ita severe legendi^ dictandi exigunt pensum^ 
ut vix valetudinem redimam. Tu, quod tu scribis facturum, 
accinge ad philosophiam, ') sed hac lege, ut memineris, 



*) Es ßlllt auf, dafs Aldus nicht noch den hauptsächlichsten Maecen 
jener Zeit erwähnt, zumal derselbe in so vertrautem Verhältnisse mit Picus 
von Mirandula stand, nämlich den Lorenzo von Medici. Yon ihm hätte 
er doch noch mehr sagen können, als Ton dem erwähnten Herzoge von 
ürbino. Allerdings besafs er nicht fürstlichen Titel, sondern regierte 
Florenz beinahe in ähnlicher Weise, wie einst Perikles Athen. 

*) Es ist nicht angegeben, wohin dieser Brief gerichtet ist, ob nach 

8* 



116 

nullam esse philosophiam^ quae a mysterionim veritate nos 
avocet. *) Philosophia veritatem quaerit^ theologia invenit, 
religio possidet. Vale, Florent. die XL Februar. MCCCC 
nonagesimo anno gratiae. 



Carpi oder nach Venedig. Doch scheint es mir wegen der üebersen- 
dung des längst Verlanen Homer wahrscheinlicher, dafs das nähere 
Carpi gemeint ist; auch scheint der Bath, sich zum Studium der Philo^ 
Sophie anzuschicken, eher den ruhigen Aufenthalt des Aldus in Carpi 
vorauszuseteen, als eine jungst erfolgte Uebersiedelnng in einen neuen 
Wohnort 

') Seit Picus sich 1488 von der Welt ganz zurückgezogen hatte, 
stellte er sich die zwei Hauptaufgaben: „den wahren Sinn der heiligen 
Schriften zu ergrunden und Plato mit Aristoteles zu vereinigen'. Wie 
er bei der ersteren verfuhr, zeigt sein Heptaplus oder Heptameron^ eine 
allegorisch-mystische Auslegung der Schopfungsgeschichte, welche er in 
derselben Weise behandelte, wie die Neuplatonäer die alte Mythologie, 
mit allem Aufwände abendländischer und morgenländischer Gelehrsamkeits 
und Weisheit; denn er studirte talmudische Schriften ebenso, wie Grie- 
. chen und Romer. Daher glaubt man die Sprache eines Macrobius zu 
hören, wenn er in der Einleitung sagt: „Moses und die Propheten, 
Christus und die Apostel, Pythagoras und Plato, und überhaupt die 
Priester und Philosophen aller Völker der alten Welt verbargen ihre 
Weisheit unter Bildern und Räthseln, weil der grofse Haufe cUe kem- 
hafte Speise der Wahrheit nicht ertragen konnte, und sie sagten in allen 
ihren Reden und Schriften etwas ganz Anderes oder auch Viel mehr, als 
sie dem Buchstaben nach zu sagen schienen. Es ist daher auch auTser 
allem Zweifel, dafs Moses in der Erzählung der sechs Tagewerke nicht 
blos von der Erschaffung der sichtbaren Welt reden wollte und geredet 
habe. Vielmehr besteht die unerhörte, bewundernswürdige und durch 
keine blos menschlichen Kräfte erreichbare Kunst des jüdischen Gesetz- 
gebers darin, dafs er alle Worte seiner Erzählung so gewählt und ge- 
ordnet hat, dafs sie nicht nur auf die Schöpfung aller Welten, Sondern 
auch auf die Darstellung der gröfsten Geheimnisse der Natur passen". . . . 
Es folgen nun viererlei Ausleguiigsarten der Schöpfungsgeschichte, je 
nach den angenommenen viererlei Welten, als deren vierte der Mensch 
genannt wird. 

Dieses Werk wurde von den Zeitgenossen angestaunt, selbst von 
solchen, denen ihre besonnenere Natm* solche willkürliche Gedajiken- 
sprünge unmöglich machte. Wäre dem Picus längeres Leben vergönnt 
gewesen, so würde er sich vielleicht selbst zu gröfserer Klarheit heraus- 
gearbeitet und mit seinem reichen Geiste der Welt mehr genützt haben, 
üebrigens stand Picus mit seinem Bestreben, willkürlich in die Schriften 
hineinzutragen und eine ungezügelte Subjectivität walten zu lassen, nicht 
allein, sondern die Richtung war jener Zeit eigenthümlich. Man allego- 
risirte Virgil, Homer, Plato, und trug dies auch auf die heiligen Schrif- 
ten über. 



117 



V. 



(Opus Codri impressum Venetiis mandato et impensis Petri Liechtenat&fn 

Goloniensis Gennani MDYI.) 

Antonius Codrus Urceus ') Aldo suo salutem plurimam 

dicit. 

• 

Tua singularis humanitas, qua cum istic essem erga 

me usus es, non sane merebatur, ut te tamdiu in litterarum 
mearum exspectatione teuerem. Verum id evenit non obli- 
vione nee negligentia, sed plurimis occupationibus et curis, 
quae me superioribus diebus oppresserunt et etianmum op- 
primunt adeo, ut ne nunc quidem possim libere ea, quae 
volo, tibi scribere. Doleo certe; vollem enim exponere ac 
enarrare, quidquid mihi post meum a te discessum accidit, 
et sermones, quos ego et Nicolaus Leonicenus^) una de 
nostris studiis habuimus. Sed postquam non datur otium, 
in aliud tempus differamus. Frimum accipe, quae ad man- 
data tua spectant; deinde de rebus meis loquar. Opera 
graeca, quae flagitas, non potes nunc habere, quoniam Ni« 
colaus Graecus occupatus in aliis est; cum perfecerit, quae 
in manihus habet, ^) tui memor ero. Versum Theocriti, qui 



') Antonius Codrus Urceus y 1446 — 1500, las seit 1482 mit grofsem 
Beifalle in Bolo^a über lateinische und griechische Schriftsteller und 
Grammatik. Er wird als ein sehr excentrischer Mensch geschildert Mit 
Aldus stand er frühzeitig in mehrfachem Verkehr und entnahm später 
auch Bücher von ihm, wollte dieselben aber lieber im Tauschhandel mit 
Handschriften bezahlen (s. seinen Brief an Baptista Palmarius), als mit 
Geld, welche Neigung er auch in diesem Briefe weiter unten andeutet 
(üeber ihn GräTse IV. 726. Paravicini Singularia de viris eruditione 
claris. p. 6. Saxii Onomast. IL 500. 596.) 

') Nicolaus LeonicenuSf als Arzt, Naturforscher und Humanist be- 
kannt, lehrte gegen sechzig Jahre in Ferrara, wo er erst 1524 in einem 
Alter von fast hundert Jahren starb. Er gehört zu den ersten, die es 
wagten, an der Unfehlbarkeit des Plinius in naturhistorischen Dingen zu 
zweifeln. Bei Aldus erschienen von ihm die Schriften „de morbo Gallico" 
und „de vipera«. (üeber ihn Gräfse III. 550. 5ß4. 578. 600. 742.) 

*) Das Abschreiben griechischer Werke war für viele in Italien le- 
bende Griechen ein Erwerbszweig. Ihre Zeit war noch nicht vorbei; 
denn 1492 gab es erst sehr wenige griechische Drucke, welche im er- 
sten Capitel genannt worden sind. 



118 

est in Helenae epithalamio^ corruptum habes^ ideo intelligere 
non potes. Ego integrum habeo et manu Andronici^ viri 
doctlssimi et eloquentissimi. Sic autem jacet: Iläladuv h^ 
ßa&vv OQÖ-Qov inü xal hav xal ig a(w, ubi ivav legis 
positum, pro ivriv, dorice. ') *'Evri autem significat finem et 
principium mensis^ vel lunae. Dicitur tamen conjunctim 
hy'xai via^ sed Theocritus primam tantum pßxtem posuit. 
Lege Aristophanis NscpiXag' ev&vg f^sra tavtriv Har ivri tb 
xai via^^ et in&a etiam saepe. Julius quoque PoUux haeC 
dicit primo libro, ubi de partibus mensis loquitur: ofioiwg 
äxQi rrjg rgiaxäSog^ 17V 01 'jirtixol xaXov6iv Hvrjv ve xai 
viav. Hoc autem est: quando luna vetus est ac nova^ ut 
dicere nunc solemus. Plura super hac re scriberem^ nisi te 
plura apud Aristophanis commentaria lecturum existimarem. 
Pulcher certe est hicTheocriti locus et ratio metri quadrat. 
Impersonale verbum^ quod est apud Ovidium cum accusa- 
tivo^ cum invenero^ ad te scribam^ nunc ov Svva/Äai. Quod 
de ratione metrica^ quae est in odis Pindari^ scire cupis^ 
res longa est et difficilis scriptu. Nam sunt aliquae odae^ 
quae habent XXIII. versuum species; aliquae, quae XVIII, 
aliae alium numerum^ et commentarium meum itdmodum 
vetus est, ita ut vix legi possit. Curabo tamen^ si jusseris, 
quoquo modo potero tibi satisfacere. Nunc, quid tu rebus 
meis te facere velim, accipe. Si ApoUonius transscriptus 
est, placet. Mitte; ego tibi pecunias numerari jubebo vel 
aliquid opus graecum, quod volueris, tibi rependam. Sin 
minus, omitte; nam Patavii habeo, qui illum exarari facit. 
Boethii opera quanti veneant scire cupio, et si Dienern hl- 
storicum vel graecum vel latinum istinc habere possim. 
Vale. Tibi me commendo et rogo, ut me commendes De- 



*) Theocrit. Idyll. 18, y. 14. Statt der Lesart des Codrus IVav 
haben^ die Ausgaben jetzt i'vae, und dieses fafst man nicht im Sinne 
von i'vij T£ xcd via ode^ r^taxae auf, sondern versteht darunter tt6er- 
morgen, 

') T. 1131. Später v. 1176. 1177. 1194. 1220. 



119 

metrio MoBoho/) yiro docto, M. Antonio Sabellieo^^) viro 
elegant! ac diserto^ Raphaeli Regio/) viro emuncto^ domino 
Danieli/) viro hnmano^ et aliis nostrorom studiorum stu- 
diosis. Georgium Vallam^) non audoo dicere^ qnoniam 
illum mihi subiratum esse^ quum istic essem^ sensi. Et 
certe^ nisi ille me quemlibet trivialem grammaticnm con- 
temsisset^ nonnolla cognitu pulcherrima ex me acöepisset. 
Sed stoltus^ qui haec scripsi^ cum modice aut etiam intra 



') Demetrius Moschus^ Lehrer der griechischen Sprache in Yenedig, 
Ferrara, Mantua. £imge Zeit lebte er bei Franciscus Picus in Mirandula. 
Es giebt von ihm ein griechisches Gedicht ra xa^ 'EXävrjv xal jiki^av- 
dgoVf welches mit der lateinischen Uebersetzung des Ponticus Yimnius 
1500 erschienen ist. Für Andreas Asulanus besorgte er 1517 (angehängt 
dem Musäus) 'O^äöwj yii&ixa. (Gräfee IV. 819. Hodius, p. 314.) 

•) Marcus Antonius Coccius (Cocdo) SaheUicus aus Vicovaro in der 
Gampagna horte in Rom den Pomponius Latus und bekam in dessen 
Academie den Namen Sabellicus , weil er an der Gränze des Sabinischen 
oder Sabellischen geboren war. Li Udine wurde er 1475 Professor der 
Beredsamkeit and ging 1484 nach Venedig, wo er Bibliothekar an der 
Marcusbibliothek wurde. Er starb dort 1506, 70 Jahre alt. Es giebt 
von ihm Briefe, Reden, Gedichte und besonders historische Schriften, 
auch Erläuterungen zn lateinischen Schriftistellern. (Jagemann, Bd. 5, 
S. 497 ff. Gräfse IV. 752. 863. 889. 1050. 1240.) 

') Raphael Regius aus Bergamo lehrte abwechselnd die Rhetorik in 
Padna und Tenedig, an welchem letzteren Orte er 1520 in hohem Alter 
starb. (GrSTse III. 748. Saxii Onom. 11. 499.) Seinem Freunde Aldus 
hielt er ^ Leichenrede. (Morelli, S. 24.) Er war in Padua zur Zeit, 

als Erasmas dort war, der über ihn sagt: „Patavii vidi Raphaelem 

Regium , hominem admodum natu grandem , sed cruda viro viridisque se- 
nectns. Erat tum ut opinor non minus annis septnaginta, et tarnen nulla 
fiüt hiems tarn aspera, quin ille mane hora septima adiret Marcum Mu- 
surum graece profitentem, qui toto anno vix quatuor intermittebat dies, 
quin publice profiteretrur. Juvenes hiemis rigorem ferro non poterant, 
illum senem nee pudor nee hiems abigebat ab auditorio.*' Erasmi epist. 
ad Jodocum Gaverum. 

^) Vielleicht ist der venetianische Patricier Daniel Raineros gemeint, 
den Aidus später mehrfach als seinen Gönner und als Freund humani- 
stischer StucUen bezeichnet 

*) Georgius Vaüa aus Piacenza scheint ein Verwandter des Lauren- 
tius Valla gewesen zu sein. Er war ein Polyhistor, legte sich aber am 
meisten auf Medicin und Astronomie, die eigentlich noch mehr Astrologie 
war. Nachdem er in mehreren Städten, am längsten in Venedig, als 
Lehrer gewirkt hatte, starb er am Anfange des sechszehnten Jahrhun- 
derts. Bald nach seinem Tode, 1501, wurden seine Werke durch seinen 
Sohn Petras Valla bei Aldus zum Drucke befördert. (Jagemann, Bd. 5, 
300. 623. Grafs« IV. 710. Saidi Onom. U. 448. 591.) 



120 

modum litteratus sim. Aide mi humanissime^ possem illud 
Juvenalis dictam in hanc rem, de qua loquor, convertere: 
hie vivimus ambUiosa paupertate omnes, Sumus litterarum 
pauperes et volumus videri omnia scire. Recte igitur Pau- 
lus apostolus Corinthios monuit: 17 yväaig (pvauü^ fj di 
aydnti ohcoSofieJ. Itaque officium nostrum esset non super- 
bire, sed alterum ab altero discere et nos invicem amare 
et hominem ignotum ter et quater, priusquam contemnas, 
versare. Bononiae XUII. Octobris MCCCCLXXXXU. 



VI. vn. viu. IX. 

(Renouard, 8. 515 ff. Brief VI. schon früher in GoldasVs epustolanim 

philologicamm centoria.) 

Aldus Manutius Romanus Domino Gonrado Viro Doctissimo 
Ac Poetae Laureato ') Et Amico Suo Honorando ! 

Bedditae mihi sunt litteiae tuae, Conrade vir doctis- 
simo, quae me summopere delectarunt, tum quia istic') in- 
cumbi graecis litteris significabant, tum etiam quia tantimi 
tibi placent labores nostri; quapropter me tibi plurimum 



') Conrad Celles y 1459 — 1508, eigentlich Pickel oder Meifsel ^nach 
Erhard Schäfer oder Scheffer), war 1487 in Nürnberg durch Kaiser Fried- 
rich den Dritten zum Dichter gekrönt worden, der erste Deutsche, dem 
diese Ehre widerfuhr. 

*) Seit 1497 war Geltes Lehrer der Dichtkunst und Beredsamkeit 
an der Universität Wien, wo er die in Deutschland noch so seltene 
Kenntnifs des Griechischen einführte. Er las. unter Anderem über grie- 
cische Grammatik und Homer. (Erhard, Geschichte des Wiederaufblühens 
wissenschaftlicher Bildung. Bd. 2. S. 87.) 

Endlicher erwähnt, dafs auf der kaiserlichen Bibliothek in Wien 
noch das Manuscript einer griechischen Grammatik Ton ihm liege, die er 
durch Aldus habe drucken lassen wollen. (Renouard, S. 518.) 

Schon yor Geltes soll Reuchlin an einer Uniyersität (in Basel 1474 
bis 1477) Vorlesungen gehalten haben über griechische Sprache und 
Schriftsteller; doch scheint es, dafs desselben eigene Kenntnifs des Grie- 
chischen zu jener Zeit noch sehr beschränkt gewesen sei ; denn er sagt, 
dafs er dort zuerst das Griechische gelernt habe von Andronikus !^onto- 
blakas. (Burekhard de linguae latinae in Germania fatis. I. 14d,) 



121 

debere fateor teque etiam atque etiam rogo^ ut, quotiens 
usu venerit^ utaris me postbac familiariter; invemes enim 
semper Aldum tuum paratissimum. Quod scribis esse tibi 
graecos libros et latinos non indignos lectti ^) teque ad jeju- 
mum ventaram Venetias cum libris^ si ita mihi visum fue- 
rit, libenter equidem viderem libros, sed te longe libentius. 
Tamen nolim bac solum causa te ad nos Ire; non enim 
sumus tanti, ut tu, yir clarissimi, huc te conferas, ut grati- 
ficeris nobis. Quod si videndae etiam Italiae desiderio te- 
neris, non modo cupio ut venias, sed te etiam id, quantum 
possum rogare, rogo. Quae petebas impressa mitterem ad 
te introducendorum adolescentum gratia ad graecas litteras, 
curavimus ut tibi satisfieret; bibliopola^) enim, cui ad me 
dedisti litteras, fort ea istuc venalia, non mea tamen, sed 
sua. Praeterea, quia te studiosissimum esse litterarum grae- 
carum intelligo, mitto ad te munera, Introductiones quas- 
dam utilissimas ad graecam linguam nuper') nostra cura 
impressas, ut, si tibi visum fuerit, horteris adulescentulos, 
qui eas ad suam utilitatem perlegant ediscantque. Yale 
meque ut facis, ama, vir excellentissime. Venetiis III. 
Idus Octobris 1498. 



') Geltes durchsuchte auf seinen Reisen die Klosterbibliotheken und 
brachte yiele Manuscripte zusammen, wobei er sich jedoch nicht blos auf 
die Alten beschränkte. 

•) Als grofse Buchhändler in Wien werden von 1498 — 1522 die 
Bruder Lucas und Leonhard Alantzee erwähnt. (Kirchhofe Geschichte 
des deutschen Buchhandels, S. 69. 76 £f.) Leonhard reiste mehrmals auch 
nach Venedig, wo sie Verschiedenes drucken liefsen, besonders bei Peter 
Liechtenstein (Levilapis). Er kaufte bei dieser Gelegenheit Bücher von 
Aldus zum Wiederverkaufe in Deutschland. Von ihm konnte also Geltes 
das Gewünschte bekommen, und Aldus war der Kothwendigkeit über- 
hoben, jenem zu creditiren, worin er schon schlimme Erfahrungen ge- 
macht haben mochte. 

') Das Wort nuper scheint, streng genommen, nur auf die instUutio' 
nes graecae grammaiices des Mönches Urbanus Bolzanius hinzuweisen, die 
1497 erschienen waren; da aber vorher munera und quasdam steht, so 
wird man auch an die vorhergegangenen Grammatiken des Lascaris und 
Gaza denken müssen. 



122 



Aldus Manutius R. Corrado Celtae Et Vincentio Longino ') 

Suis 8. P. D. 

Agitur jam annus^ ex quo a vobis accepi litteras hu- 
manitatis et amoris plenas. Erant meae partes statim re- 
scribere^ nisi summae occupationes nostrae summique labores 
pro republica litteraria eousque procrastinare me coegissent, 
ut jam annum distulerim ad vos rescribere; et nisi ex 
epistolis vestris vos humanissixuos esse facile coguovissem, 
non potuissem sine sununo pudore tarn sero respondere, et 
praesertim quod^ cum me de facie non cognoscatis*^) nun- 
quamque a me beneficio adfecti sitis, ametis me vehementer. 
Quapropter nisi ego vos plurimum redamem^ sim plane in- 
gratus. Sed et redamo et colo, atque ita vestrum me esse 
yolo^ ut possitis de me vobis omnia constantissime poUiceri. 
Tua vero carmina^ ^) Corrade suavissime^ legi libenter^ 
quod et culta sint et docta nee in media barbarie^ ^) ut ais^ 
nata prae sae ferant^ sed in media Roma. 



. ') Vincentius Longinus aus Freistadt in Schlesien, woher er sich 
auch Eleutherius nannte, war ein Schüler und später Amtsgenosse des 
Geltes. In Linz wurde er 1501 vom Kaiser Maximilian zum Dichter 
gekrönt. (Erhard, Bd. 3. 310.) 

^) Richtiger eognoritisj wie Aldus auch bei einer ähnlichen Gelegen- 
heit in der Yorrede zum PoUux 1502 sagt: „nominis nostri memineris, 
nam faciei non poteris, cum nos de facie non cognorimus." — Celtes, 
der 1488 in Italien gewesen war, hatte Aldus nicht kennen gelernt, der 
ja überhaupt damals noch keinen berühmten Namen hatte; Vincentius 
aber, der sich 1499 und 1500 in Italien aufhielt, schreibt an Geltes in 
zwei Briefen, Ende 1499 aus Yenedig und 1500 aus Rom, dafs er den 
Aldus Manutius besuclit und ihm Grüfse von jenem überbracht habe. 
Es befremdet also, dafs Aldus hier sagt. Beide kennten ihn nicht Yon 
Person, (s. Endlichers Anmerkung bei Renouard, S. 517.) Entweder 
hatte Aldus bei seinen vielfachen Beschäftigungen jenes Zusammentreffen 
mit Yincentius ganz vergessen, oder er wufste nicht, dafs der Longinuff, 
an den er jetzt schrieb, der Eleutherius von damals sei, wenn er nicht 
ausdracklich darauf aufmerksam gemacht worden war. 

') Zwei Sammlungen der Gedi(^te des Geltes wurden 1502 in l^orn- 
berg gedruckt. 

*) So bescheiden sprachen damals die deutschen Humanisten von 



123 

Quod pollicitos faeris te huc venturum librosque et 
graecos et latinos ^) allatanun, duplioi afäcior gaudio^ quod 
et te doctum virum et mihi amicissimum spero videre am- 
plectique et libris tarn longo carcere a te^ tamquam ab 
Hercule^ liberatis coram gratularL Te igitur^ quantum pos- 
sum rogare, rogo ut veniaa*) (benies enim exspectatus) 
librosque ipsos feras; hoc enim mihi gratiufi esse nihil 
potest. 

Tuam item epistolam et epigramma^ ubi me anüce 
laudas^ Yincenti carissime^ legimus summa cum delectatione^ 
non quod talem me esse cognoscam^ qualem tu facis^ sed 
quia placet me laudari a laudatis viris. Accepi praeterea 
nuper litteras et distichon^ quod Leonhardo bibliopolae ad 
me dedisti^ ubi quod me etiam plurimum laudes^ est hu- 
manitatis tuae. Joannem Baptistam Mantuanum^) ajunt ex- 
cessisse e vita^ sed ita esse necne incertus sum. 

Vetus et novum Instrumentum graece, latine et hebraice 
nondum impressi^ sed parturia. £t^ ut cum utroque loquar^ 
istos libros^ quos mitto vobis muneri eig ptvripioövvov et 
pignus amoris, accipite sie libenter, ut mittimus. Hi vero 
sunt duo Virgilii et duo Horatii^ duo itidem volumina Ru- 
dimentonmi grammatices linguae latinae a nobis compositae. 
Quos libros si putaveritis istic venditum iri^ non sit grave 
scribere; mittam enim quotquot jusseritis. Yalete meque 
amate/ ut facitis^ commendateque studiosis et doctis Omni- 
bus^ quibuscum vobis istic familiaritas intercedit. Venetiis^ 
nonis Julii 1501. 



ihren Leistungen den Italienern gegenüber. Noch waren die letzteren 
aUerdings dem übrigen Europa um Vieles voraus, aber schon hatten sie 
besonders an Rudolf Agricola und Reuchlin wahrgenommen, dafs das Volk, 
das sie vorzugsweise barhara natio nannten, ihnen nacheifere. 

') Hinter latinos hat Goldast: a te nuper inventos, 

') Zu dieser Reise des Celtes nach Italien kam es nicht 

') Longinus hatte also in Betreff des Mantuanus angefragt Baptista 
Mantuanus, ein bekannter lateinischer Dichter jener Zeit, der auch in 
Deutschland grofses Ansehen hatte, starb erst 1516 in Mantua, über 
80 Jahre alt. 



124 



Aldus Celti suo Salutem! 

Quanta me voluptate affecerint litterae tuae^ doctissime 
Celtis^ ^) et ea simul^ quae tuo nomine narravit mihi Gamers 
noster/) homo officiosus et summa fide^ longum foret per- 
scribere. Ea eidm perscripsisti^ ut studiosissimus quisque 
Ulis maxime laetari debeat^ tum et gratulandum tibi sit longa 
illa tua") saneque utili peregrinatione^ quod incolumem to 
domimi contuleris^ et gaudendum nobis^ quod tuo labore 
immodico multa^ quae misere delitescebant^ volumina^) ha- 
bituri simus^ quamobrem immortalis tibi habenda est gratia. 
Quod porro petebas^ ut exercitamenta juvenum de laudibus 
Caesaris^) imprimenda curarem^ id non licuisse mihi a Ca- 
merte nostro intelliges. Equidem tam libenter tibi morem 
gererem^ quam cuivis alio; sed timendi sunt reges. Non 
inmiemor sxun Ovidiani illius: An nescis longas regibus 



') Celtia ist der Genitiv, wobei ^?tzn ergänzen ist. (Erhard, Bd. 2. 
S. 5.) In der Aufschrift des zweiten Briefes declinirt Aldus Celtes nach 
der ersten Declination, hier nach der dritten. Man ging eben mit der 
Orthographie und Declination der Eigennamen sehr willkürlich um. 

^) Johannes Ricutius Vellinua, 1448 — 1546, genannt Johannes Camers 
von seinem Geburtsorte Gamerino, lehrte erst in Padua die Philosophie 
und wurde dann zu gleichem Zwecke nachxWien berufen, wo er sich 
auch um Herausgabe von Classikem yerdient machte. Er war ein her- 
vorragendes Mitglied des Minoritenordens und mochte in Angelegenheiten 
desselben bisweilen nach Italien kommen. (Erhard, Bd. 3, S. 299. Gräfse 
V. 1209.) Er Uefs 1504 bei Aldus Gedichte des Cimbriacus drucken. 

') Ende 1498 durchreiste der reiselustige Geltes den Norden Deutsch- 
lands und ging weiter bis Thule, worunter bei ihm wohl Finnland oder 
Lappland zu verstehen sein wird. Er brachte mehr als ein Jahr auf 
dieser Reise zu. 

*) Celtes fand auf seinen Reisen auTser vielen Handschriften alter 
Autoren die Werke der Hroswitha, den Ligurinus des Günther und das 
Itinerarium ptctum, welches unter dem Namen tabula Peutingeriana be- 
kannt ist. Bei Aldus konnte er nur ein Interesse für die ersteren und 
für das Itinerarium, wenn er es damals schon besafs, voraussetzen. 

*) Ein dramatisch -lyrisches Gedicht des Celtes: laudes et victoria 
Divi Maximiliani de Boemannis .... wurde 1504 in Wien aufgeführt und 
1505 in Augsburg gedruckt. jBs bezog sich auf einen Sieg Maximilians 
über Wladislaus von Böhmen und Ungarn. Aldus wollte es nicht drucken, 
um sich nicht möglicherweise zu schaden; denn seine Dedicationen be- 
weisen, dafs er auch unter Böhmen und Ungarn Gönner hatte oder suchte, 
und mehrere Manuscripte sind ihm nach Erasmus' Angabe aus Ungarn 
zugeschickt worden. 



125 

esse manus? Institutiones graecas et Dictionarium ^) remit- 
timas^ qtiia multa impressa jam habentur, quibus erudian- 
tor^ qui graecas litteras discere concupiunt. Folioxn tribus 
excusum lingois^) mittimus perquam libenter. lUud rogo 
te^ humanissime Celtis^ ut librorum graecorum^ quos apud 
Druidas^) esse scribis> des ad me nomipa; eures praeterea 
accuratissime ut babeas Ultimos illos Fastorum libros^ quam* 
quam ita sum videndi ipsorum cupidus, ut adduci non pos- 
sim^ ut extare eos credam; nam versiculi Ulis duobus de 
mense Julio non habeo fidem. Quare velim^ si quos alios 
habes^ ad me mittas. Vale et me^ ut facis^ ama. Yenetiis, 
3 Septembris 1501. 



Aldus Manutius Celti suo! 

Gratulor tibi, mi Conrade, de praefectura ista tua, tum 
creandorum vatum auctoritate*) et gratia*) apud Caesaream 
majestatem. Quod vero de me scire cupis, cognosces ex 
Cuspiniano^) nostro> ad quem scripsi de ea re cumulatissime. 



*} Der Codex, welcher die griechische Grammatik des Oeltes ent- 
hält, giebt nach Endlichers Anmerkung zu dieser Stelle auTserdem noch : 
^Golloquia et conversationes graecae, quas Tulgo apud latinos latinum 
idioma dicunt, cum Yocabulario graeco, a C. Gelte apud Drnidas in Her- 
cynia Silva inventa/ Das Yocabularium, meint er, stimmt fast überein 
mit dem , worüber Fabricius spricht. (Bibl. Lat. lib. I. cap. 8.) 

^X Es ist nur dieses eine Blatt erschienen, welches man bei Renouard 
abgedruckt sehen kann. Dem spanischen Cardinal Ximenes war es vor- 
behalten, zuerst eine Yollständige Polyglotten -Bibel zu veranlassen, die 
sogenannte Complutensische Bibel, welche in sechs Bänden 1514 — 1517 
erschien. 

') Nach der Neigung der damaligen Gelehrten, Alles mit einem 
antiken Gewände zu umkleiden, nennt Celtes die deutschen Mönche Drui- 
den, die Nonnen vestalische Jungfrauen. 

*) 1502 wurde das coUeffium poeticum, Oratorium , maihemattcum an 
der Wiener Universität eingerichtet, zu dessen Vorsitzer der Kaiser 
Celtes bestimmte. (Erhard, Bd. 2. S. 107.) In der Stiftungsurkunde 
ertheilte er ihm das Recht, gleich dem Kaiser selbst jeden, den er für 
würdig erachte, zum Dichter zu krönen. 

^} Renouard hat gratiam und später alios, 

') Johannes Cuspinianus, eigentlich Spiefsh'kmmer, 1477 — 1529, war 
kaiserlicher Rath, Arzt, Dichter, Geschichtsschreiber und Humanist. Er 
genofs das Vertrauen Maximilians in hohem Grade. Seinem Lehrer und 



126 

Atque utinam id sit, quod spero; erit enim res stadiosis 
Omnibus^ et qiii sunt et qui post aliis eront in annis, 
longe utilissima^ ßx qua Oermania alterae Athenae fient 
hominibns nostris. Graecnm eruditom^ quem ad te mittam ^), 
habeo neminem; tum si quis esset^ non veniret^ ni&i multa 
mercede conductuB. Vale et me ama. Venetiis, 3 Junii, 
1503. 



X. 

(Bandiniy collectio yeterom aliquot monnmentonun ad Mstoriam pra«cipae 

litterariam pertinentium. Arreti 1752.) 

Aldus Manutius Marcello *) suo S. P. D. 

Alexander Accaiolus^ homo onlnium humanissimus et 
doctrina insignis, quidquid Graece in hunc usque diem im- 



Freunde Geltes hat er die Leichenrede gehalten. Mehr mber ihn bei 
Erhard, Bd. 3, S. 429 ff. 

Aldus hatte ihm yielleicht den Valerius Maximns übersendet, den er 
ihm im April 1503 dedicirt hatte. Durch den mitfolgenden Brief , über 
dessen Inhalt nur unbestimmte Andeutungen gegeben werden, wollte er 
wsüirscheinlich Guspinians EinfluTs bei dem Kaiser für die Academie in 
Anspruch nehmen, mit deren festerer Gründung er sich fortwährend be- 
schäftigte. (Zu demselben Zwecke wendete er sich ja auch an andere 
Vertraute des Kaisers, s. die Vorrede zu Pontanus* Werken 1505.) Aus 
den Worten: „ex qua Germania — nostris" schliefse ich, dafs er eine 
deutsche Stadt, vielleicht Wien selbst, als den Ort der Academie, wie er 
dieselbe sich dachte, vorgeschlagen hat, so wie er später in der Vor- 
rede zum Plato 1513 dem Pabste Leo X. Rom vorschlug. 

') Es war für die Stelle an der Universität kein Gehalt ausgesetzt, 
sondern der betreffende Professor auf die Gollegiengelder der Zuhörer 
angewiesen, was nichts Verlockendes hatte. DsSier weigerte sich auch 
Werner j ein berühmter Mathematiker und Theologe in Nürnberg, diese 
ihm von Geltes angebotene Stelle anzunehmen. „Auf Zuh5rer fax das 
Griechische sei nicht zu rechnen. Er habe selbst in Kom bei dem giie- 
chisohen Professor immer nur sehr wenige gesehen, und in Deutschland 
würde es aus verschiedenen Gründen noch schlimmer sein.^ (s. End- 
lichers Anmerkung.) 

*) Marcellus Virgilius Adrtanus , 1464 — 1521, ein Lehrer Macchia- 
velli's, war florentinischer Staatssecretär. Nach der Aldinischen Ausgabe 
gab er 1518 den Text des Dioscorides mit lateinischer üebersetzung 
und Anmerkungen heraus, wobei er die Vorarbeiten von Hermolaus Bar- 
barus, Rnellius und Egnatius benutzte. Mehr über ihn bei Bändln! in 
der Einleitung der obengenannten Coüeetio, p. XVIIL 



127 

primendum curaviinus^ emit a me tuo nomine. Quapropter^ 
ml Marcelle ^ nactns occasionem studui ad te aliquid litte- 
rarum dare^ qnibus significarem me ob singularem doctri- 
nam tuam et bonarum litterarum cognitionem^ qua te non 
mediocriter praeditum a pluribus quidem eruditis accepi^ 
tuum esse ac cupere^ ut me uti velis üamiliariter, si quid 
acciderit, in quo mei tibi opera ac Studium opus fuerit. 
Folliceor enim me ad omnia^ quae jusseris^ semper paratum. 
Sed quoniam^ quos a me tibi Accaiolus emit libros^ mino- 
ris venumdari^ quod cum aliis quibusdam mihi communes 
erant,') non potuerunt, tum, ut quae verbis poUiceor, re 
comprobem: meos solius^) Dioscoridem et Nicandrum cum 
conmientariis, item Horas Graecas in Virginis laudem mitto 
ad te muneri, quae apud te sint longum fjivt]u6<fvvov ami- 
citiae nostrae. Vale et me ama. Venetiis XXXVIII. Oc- 
tobris MCCCCXCIX. 



') Aldus hat die Kosten seiner Drucke nicht immer allein getragen, 
zumal der iheureren griechischen, und die Untei^schrift einiger seiner 
Bucher ex Aldi Neacademia scheint nicht blos darauf hinzudeuten, daHs 
er den Text mit den Academikern berieth, sondern dafs auch^Einige aus 
diesen sich an Ausgabe und Einnahme mitbetheiligten. Dafs er mit 
gewissen Personen verbunden war, zeigen auch die Worte a societate 
nostra in dem zweiten Briefe an Beuchlin. In der Vorrede zu dem 
Origenes von 1503 wird ausdrücklich gesagt, dafs er den Text besorgt 
und gedruckt habe, aber nicht der Verleger sei: „Quorum quidem alterius 
impensis (Andreae), doctrina et studio alterius (Aldi) nihil hac tempestate 
tam nitidum atque elimatum in lucem exif Auch die Hypnerotomachia 
1499 druckte Aldus nicht auf seine Kosten, wie die Vorrede dieses Bu- 
ches zeigt. Erst seit 1508 wurde der reiche Andreas Asulanus bleiben* 
der Mitinhaber des Geschäfts seines Schwiegersohnes, welches er fortaq 
wesentlich durch seine Mittel aufrecht erhielt. 

*) Die Horae sind im December 1497, Dioscorides und Nicander im 
Juli 1499 erschienen, das letzte griechische Buch dieses Jahres. Wenn 
Accajolus alle griechischen Bücher des Aldus für Marcellus gekauft hatte, 
welche (usque in hunc diem) bis Ende October, dem Datum des Briefes, 
erschienen waren, so hat er die Horae und den Dioscorides schon mit- 
gekauft, und Aldus schenkt dem MarceUus als Ersatz für den hohen Preis, 
ein zweites Exemplar derselben aus seiner Privatbibliothek (meo^ solius). 
Oder: Accajolus hat für die übrigen Bücher den Preis bezahlen müssen, 
welcher der Miteigenthümer wegen nicht geringer gestellt werden konnte; 
die genannten aber, welche sein Eigenthum, d. h. auf seine eigenen Kosten 
gedruckt seien, schenkt Aldus. 



128 



XI. xn. 

(Glarorum virorum epistolae ad Joannem Renchlinnm. Tubingae 1514. 

Apud Thomam Anselluni.) 

Aldus Manutius RomanuB Joanni Reuchlin ^) Phorcensi S. 

Amari me abs te plurimum^ mi JoannoB^ jam pridem 
novi^ non meo in te ullo officio, sed humanitate tua, quare 
nisi te benevolentiarnque tuam plurimi faciam, sim plane 
ingratus. Sed et facio plurimi et redamo magnopere. Ex 
libris autem, quos petls, mitto Julium PoUucem, Stephanum 
de urbibus, Thucydidem, Etymologicum magnum, Pruden- 
tium, cbristianum poetam, cum quo et graeca quaedam im- 
pressa sunt; Sedulium item cum Juvenco et Aratore, cum 
quibus et Homerocentra imprimenda curavi. *) Suidas non 
erat apud me, et nuntius tuus dicebat non esse sibi plus 
pecuniae, sed rediturum se brevi Venetias et facturum, 
quod jusseris. Praeterea impressi sunt ex Graecis hl post 
opera Aristotelis, quae a nobis quoque babes: ') Aristophanis 



') Johannes Reuchlin aus Pforzheim, 1455—1522, der Oheim Melan- 
thons, war einer der thätigsten Beförderer der alten Litteratur in Deutsch- 
land, Hauptbegründer des Studiums der hebräischen Sprache und Vor- 
arbeiter der Reformation. Zugleich gehörte er im äuTseren Leben zu 
den angesehensten Männern seines Vaterlandes. Als er 1482 mit Graf 
Eberhard von Würtemberg in Italien war, gräcisirte Hermolaus Barbams 
seinen Namen in Capnio oder Gapnion. Entweder lernte er schon da- 
mals «durch Picus von Mirandula Aldus kennen, oder 1489, oder erst 
1498, wo er vor dem Pabste zur Vertheidigung des Kurfürsten Philipp 
von der Pfalz eine feierliche Rede hielt, welche Aldus im September 
desselben Jahres druckte. (Sein Leben bei Erhard, Bd. 2, S. 147 — 460.) 

') Die übersandten Bücher kosteten zusammen sechs Ducaten, wo- 
von 2j Ducaten auf das Etymologicum magnum fallen. Letzteres war 
1499 in Venedig erschienen, aber nicht bei Aldus; jedoch führt er es in 
seinem zweiten Cataloge 1503 unter den Büchern mit auf, die bei ihm 
käuflich zu haben seien, wenn auch Andere sie gedruckt hätten. Diese 
Bücher sind aufser dem erwähnten: Simplidus, Ammonius, Apollonius, der 
ßoreniinische Homer, Suidas. Den Preis des letzteren stellt er auf 
3;^ Ducaten. 

') Reuchlin hatte die Neigung und die Mittel, sich eine für jene 
Zeit grofse Bibliothek anzulegen. Die fünf Bände des Aristoteles koste- 
ten zuerst 11, dann 13 Ducaten. 



129 

comoediae novem cum commentariis, Epistolae graecae sex 
et triginta autorum^ Dioscorides^ Aratus cum Theonis com- 
mentariis, una cum Julio Firmico; Siinplicius in praedica- 
mentä Aristotelis^ Ammonius in quinque voces^ Qregorii 
Nazianzeni circiter octo millia carminum^ ^) Nonnus [qui] 
etnnine heroico [paraphrasim scrips^it] in evangelium secun- 
dom Joannem^ Apollonius poeta cum commentariis. Impri- 
mantur et quasi absoluta sunt Sophoclis tragoediae Septem 
cum commentariis^ item Herodotus. De hebraicis non est 
impressum quidquam. *) Quod tu componis, placet.*) Perge 
ut detur studiosis. Impressi sunt praeterea latine litteris 
parvis Virgilius, Horatius, Juvenalis, Persius, Martialis^ 
Lucanus, CatuUus, Tibullus, Propertiijs, Epistolae familiäres 
M. Tullii. Imprimuntur iisdem cbaracteribus Ovidii opera^ 
Statins, Valerius Maximus. Si ex bis aliquis placuerit, 
scribe. Interea vale meque, ut facis, ama. Venetiis 
XVIII. Augusti. Anno MDII. 



Aldus Eomanus Joanni Reuchlin salutem. 

Delectari te plurimum litteris et laboribus nostris, 
Gapnion mi suavissime, quantum ipse delecter non facile 
scripserim, tum quia principibus placuisse non ultima laus 
est, tum etiam quia laus ista, quoniam a te laudato viro 
proficiscitur , facit ut me esse aliquem putem. Sed deum 
Opt. M. oro, ut diu alter alterius studio delectari possimus 
in dies magis, quod non dubito futurum, si, quam^iu pro- 
desse hominibus possit vita nostra, uterque vixerimus. Li- 
bros omnes, quos volebas, cui jussisti dedimus praeter Non- 
num et Gregorium;*) nondum enim exire in publicum pos- 



*) Nicht Gedichte, sondeni Verszeilen. 

') Ausgenommen das Blatt, von welchem Aldus 1501 an Geltes ein 
Exemplar geschickt hatte. 

^) Welche Arbeit Reuchlins damit gemeint ist, läfst sich nicht näher 
bezeichnen. 

*) Der Gregorius erschien mit Ititeinischer üebersetzung 1504. Der 

9 



130 

sunt. Quod vero minoris istic *) nostro8 emere libros queas^ 
miror; certum est enim non minoris eo vendi illos Venetiis^ 
[quam] quanti constiterunt tibi^ immo potius pluris. Sed 
^uto esse causam^ quoniam mercator') iste^ cum accipiat a 
societate nostra^) Yenetiis quam plurimos simul libros et 
minoris^ quam Tendiintur singuli, ut^ quemadmodum aequum 
est^ et ipse lucrari possit aliquid^ nee tamen solvat: (damus 
enim Uli ad tempus) gratis eos fortasse habuisse^) [se] 
putat. Yale. Yenetiis XXIIII. Decembris. M. DIL 



griechische Text des Nonnas war schon seit 1501 gedruckt, wnrde aber 
nicht ausgegeben, weil Aldus die Absicht hatte, noch eine lateinische 
Uebersetzung zu besorgen. Da es dazu nicht kommen wollte, gab er 
endlich den griechischen Text allein heraus, yielleicht auch noch 1504, 
aber jedenfalls erst nach dem Erscheinen des Gregorius, in dessen Vor- 
rede er noch die Absicht kund giebt, eine lateinische Uebersetzung des 
Nonnus zu liefern. 

') Seit 1499 wohnte Reuchlin in Stuttgart, von wo er häufig nach 
Tübingen kam, besonders seitdem er 1502 zum Mitgliede des schwäbi- 
schen Bundesgerichts erwählt worden war, welches sich alle Vierteljahre 
dort yersammelte. Jedoch braucht der Buchhändler, von welchem Aldus 
hier spricht, nicht gerade in jenen beiden Städten gesucht zu werden. 
Vielleicht ist an Anton Eoburger in Nürnberg, oder Johann Rynmann in 
Augsburg, oder an Leonhard Alantzee In Wien zu* denken, welche in 
Bücherverkehr mit Italien gestanden haben. Oder dieser mercator war ein 
Italiener, welcher mit Aldinen und anderen Werken die deutschen Bü- 
chermärkte bezog, zu welchen bes(mders noch Frankfurt a. M., Str&Tsburg 
und Köln gehorten. Vielleicht hatte auch Aldus für einige Zeit eine ste- 
hende Gommandite in Deutschland eingerichtet, was kein so fernliegender 
Gedanke gewesen wäre; denn schon im Anfange der achtziger Jahre des 
fün&ehnten Jahrhunderts hatte Justus von Albano aus Venedig Gomman- 
diten in Regensburg und Ulm gehabt. (Kirchhoff, S. 146. 149.) 

') Aldus scheint hiermit anzudeuten, dafs Mitglieder seiner Academie 
oder andere Personen mit ihm zusammen die Kosten zur Herstellung der 
Bücher getragen hätten, dafür aber auch die Preise derselben und den 
Handel mit ihnen in gemeinsamer Berathung mitregelten. Eine feste 
societas hatte Aldus damals nicht; denn erst 1508 wurde Andreas Asu- 
lanus sein bleibender Theilnehmer am Geschäfte (s. den Brief an Mar- 
cellus Virgilius, Anmerkung 2). 

') Der Buchhändler, dem die Bücher in Commission gegeben wor- 
den waren, kann doch unmöglich geglaubt haben, dafs sie ihm geschenkt 
seien, wie Aldus ihn mit ironischem Ausdruck seiner Besorgnifs glauben 
läfst. Wenn er sie billiger verkaufte, als ihr Preis in Venedig war, so 
läfst sich dies vielleicht so erklären: des besseren Absatzes wegen liefs 
er einen Theil des ihm selbst bewilligten Rabattes seinen Käufern zu 
Gute kommen und begnügte sich mit einem kleineren Gewinne. So ver- 
darb er allerdings, wie man zu sagen pflegt, den Markt. 



131 



XIII. 
Epistola Henrici Urbani ') ad A. Manutium. 

(Sagittarn Historia Gfithaoa com supplementis Tentxelü. p. 43.) 

m 

Salutis plurimum in Christo Jesu^ Praestantisslme vir. 
Quam singolaris sit coenobii nostri erga te observantia, de- 
clarant Ubri toi et emuncti et praeclari^ quorum bonam 
partom in manibus babemus, reliquam') ardenter et unice 



') üeber Henrieus UrhamUf Mutianua RufuSf Spalatinus und den 
ganzen Erfurter Humanistenkreis s. Kampgekulte, die Universität Krfiirt. 
Trier, 1858—1860. 

Urbanus war M5nch in dem Cisterzienserkloster Georgenfhal bei 
Erfort. Er glühte für die neuen Studien, wie sein Freund, dessen Brief- 
wechsel Yon Tentzel leider nur unvollständig herausgegeben worden ist. 
Beide waren eifrig bemüht, trotz ihrer geringen Mittel sich die guten 
Bücher der Italiener zu verschaffen, und hier war der gelehrtere Mutian 
gewöhnlich der^ welcher beurtheilte, au&pürte und anrieth. — Tentzel, 
p. 35. 40. — (Hier werden zwei Buchhändler, Bomberg und Leonard, 
erwähnt, die man wohl in Frankfurt, Erfurt oder Gotha zu suchen haben 
wird.) — p. 84. 169. — Endlich fand ürban einen Weg direct mit Aldus 
zu verkehren, durch ein Handelshaus der Fugger, welche auch in Ve- 
nedig eine Niederlassung hatten. „Yivat Urbanus, hnjus autor honesti 
commercii^, sagt Mutian. — p. 41. — Auch die Gisterzienser sollten, wie 
es scheint, bei diesem Verkehre mithelfen; ich verstehe aber die genauere 
Beziehung nicht, die in den Worten Mutians an Urban liegt: „Item fidem 
inqnilinorum tuorum implora, ne Venetiis remoramenta nascantur.'^ — 
p. 52. — Mutian schrieb einen eigenen Brief und bestellte einige Bü- 
cher, aber nur wenige; denn er wollte erst sehen, wie billig sich Aldus 
in Bezug auf die Bücher und die aocii Focchariorum in Bezug auf die 
Besorgungskosten zeigen würden. — p. 41. — Auch Urban sollte nur 
für eine kleine Summe bestellen; er selbst werde eine grofse Summ^ 
(eentenos) abschicken, wenn die Thore der Erkenntnifs bei Aldus geöff- 
net seien, d. h. wenn er auf billige Preise einginge. (So denke ich mii 
den Sinn der Worte pcUefacHs foribus notiticte apud Manutium, . . . p. 52.) 
Der Brief Mutians soUte von Urban überlesen und dann mit dem von Letz- 
terem und Spalatin geschriebenen abgegeben worden. — p. 52. — Diese 
Briefe und der beigelegte Zettel, auf welchem die bestellten Bücher ver- 
zeichnet waren, wurden von den drei Männern sorgfaltig überlegt und 
besprochen. — p. 41. 109. — Auf letzterer Seite hkgi Spalatin an, ob 
nicht auch die fragmenta grammatica Aldi bestellt werden mochten. 
Wahrscheinlich glaubte er auch nur aus mehreren Hinweisungen auf 
dieselben in der lateinischen Grammatik des Aldus, dafs diese gramma- 
tischen Fragmente jetzt gedruckt existirten; sie sind aber niemals er- 
schienen. 

') Hinter reUquam hat Tentzel ut quod^ welche Worte ich als un- 

9* 



132 . 

desideramus Deumque statim ot suppliciter oramus, ut tc, 
columen eniditorum, servet et tueatur. Vicinus noster Mu- 
tianus Rufas^ ^) Canonicus Gothanus, etiam doctissimorum 
judicio litteratissimus et, quod scimus, probus et integer, 
ita de te mentionem facit honorificam, ut lumen aevi nostri 
te nominare non desinat atque addat certa verae laudis 
testimonia. HujuB hortatu te salutamus tibique gratulamur 
et item rogamus, ut Henricum Urbanum tuorum aggreges 
examini. Adest magister Spalatinus, ^) rarae humanitatis 
homo, qui et ipse te salvum esse jubet. Tibi, summe vir, 
et Mutiano debemus politiores litteras. Ob id pro salute 
vestra merito vota suscipimus et reddimus. AUegamus ad 
ie nummos aureos quatuor, pro quibus Focchariis ad nos 
dato Etymologicum magnum et Julium PoUucem et, si non 
est nimium, opuscula Bessarionis, Xenophontis, Hierociis et 



yerständlich weggelassen habe. Sollten sie wirklich in dem Autograph 
stehen, das er vor sich hatte, so ist dieses doch nur ein Brouillon, in 
welchem Spuren verschiedener Ansätze und Versuche zurückgeblieben 
sein können. 

') MtUianus Rufus, eigentlich Conrad Muih (Ru/us wurde er Yon 
der Farbe seiner Haare benannt), wurde 1471 in dem hessischen Stadt- 
chen Homburg geboren. In Deyenter war er Mitschüler des Erasmus. 
Nachdem er kurze Zeit Lehrer an der Universität in Erfurt gewesen 
war, zog es ihn nach Italien, wo er mit den angesehensten Gelehrten 
Bekanntschaft machte. In Bologna wurde er Doctor der Rechte. Nach 
Deutschland kehrte er 1502 zurück und war seit 1503 Canonicus in 
Gotha, in welcher Stellung er ganz den Wissenschaften lebte und der 
Mittelpunkt des Erfurter Humanistenkreises wurde. Sein Ideal war ein 
zurückgezogenes, bei mafsigem Einkommen heiteres Gelehrtenleben mit 
gelegentlicher Bekämpfung der Sophisten, der Gegner Reuchlins, und 
der sonstigen Barbarei der Zeit in wissenschaftlicher Hinsicht Dahin 
zielte die Inschrift, die er an seinem Hause hatte anbringen lassen: 
Beata tranquillitas. An den epistoUs obscurorum virorum scheint er be- 
theiligt gewesen zu sein. 

Auch Luthers Freund war er noch bei dessen erstem Auftreten, 
dann aber trat er unentschieden und furchtsam zurück, und die neuen 
Verhältnisse erfüllten ihn mit Widerwillen. Im Gefolge der Erscheinun- 
gen, welche die. Reformation begleiteten, verschlechterten sich seine 
äufseren Umstände bis zur formlichen Noth. Er starb 1526. 

Bei seiner Richtung war es natürlich, dafs er Melanthon bei Weitem 
über Luther stellte. 

*) Durch Mutians Empfehlung war Spalatin als Lehrer in das Klo- 
ster Georgenthal gekommen. 



138 

epistoläs Merulae. ') Christas te servassit Ex coenobio 
vallis sancti Georgii MDY. ^) XII. Cal. Decembris. 

Salve patrone litteranun optimarum. Mandat Mutianus, 
cui inihil non debeo, ut me tibi familiariter insinuem. Id 
qiü ]|^ossum> quam longo absim? Tantum a te peto^ ut 
respondeas et Doctorem Mutianum et me commendatissimos 
habeas. Commoramur in regione Thuringiae non procul ab 
aeraria Focchariorum officina.' Vale. Ex valle Georgiana 
intra Cal. Decembris.^) 



XIV. 

(Aus der Lebensbeschreibung Mutians in: Melchioris Adami yitae Ger- 
manorum Jnreconsultorum; vorher schon von Camerarius bekannt 

gemacht.) 

Henrico Urbano S. Bernhardi sacerdoti venerando ac magna 
doctrina homini Aldus Manutius Romanus S. 

Mutianum Rufum propter ipsius doctrinam et humani- 
tatem amo vehementer eique debere me fateor, cum quod 
de me non desinat bene dicere, tum etiam quia te mihi, 
sanctis moribus et doctrina ornatum virum, amicum fecerit 
suis laudibus. Quamobrem nisi te et Mutianum et Spalati- 
num, admodum quam doctos vires et mei amantissimos, mm 
diligam solum, sed plurimum quoque redamem, sim omnium 
ingratissimus. Sed et amo vos et veneror agoque vobis 
immortales gratias, quod me ad mutuam benevolentiam in- 
vitaritis: quam quidem ad rem si tacuissetis, eratis digni 
prius rogari. Illud me valde deleotat orari abs te Deum, 

') Hieroclis in aureos versus Pythagorae opusculum. Lat per 
J. Aurispam. Patavü 1474. 1475. 1495. 

Hierocles und Merula waren bei Aldus nicht vorräthig, wohl aber 
die vorher bezeichneten Bücher, welche zusammen fünf Ducaten kosteten. 

') Tentzel hat die Jahreszahl 1510, wogegen Eampschulte I. 182. 
bemerkt, im Autograph stehe 1505. Dafs diese Zahl die richtige Ist, 
geht auch aus dem Antwortschreiben des Aldus und seinem Briefe an 
Spalatin von 1514 hervor: ,ex quo respondi abhinc octo annos*^ 

^) Die letzten Zeilen von scUve patrone an scheint Spalatin geschrie- 
ben zu haben. 



134 

ut me in tantis laboribuB pro re litteraria adjuvet. Id quod 
rogo te etiam atque etiam ut nunc maxime facias curesque^ 
ut idem ceteri apud te tut faciant. Molior enim rem maxi- 
mam maximo emolumenio faturam studiosis omnibus, et qui 
nunc sunt et qui post aliis erunt in annis. Vale. Venet 
22. Febr. An. MDVI. 



XV. 

(Renouard S. 519.) 

Paulo Bambasio Bononiensi. 

Salvus sis, mi Paule, cum Scipione nostro, socero, et 
reliquis quibuscum istic vivis. Scito esse me Bononiae ^) 
in domo tua, ubi Hieronymus frater me, ut solet, humanis- 
sime hospitatus est. Illud tamen velim aut te hie esse cum 
Scipione, aut me istic. Sed dabitur, spero, aliquando ut 
diu simul vivamus. Quoniam scripsisti ad me pauciiä ante 
diebu8 quod Bononia discederes profecturus Yenetias per 
urbem Ravennam, ut mitterem Yergilium ad Archiepiscopum 
Salernitanum, quod illum jam remitti ad se cuperet, cum 
non esset satis otii, ut aliquid ad te litterarum darem: 
scripsi ad Federicum, ut moneret te et Scipionem, ne iretis 
Ravenna, tum quia non tutum erat navigare mense Martio, 
tum etiam propter triremes Ferrariensium, ne forte in illas 
incideretis et caperemini; sed iretis Ferraria potius, quod 
esset iter tutissimum, ubi etiam essetis apud me dies ali- 
quot idque valde cupere me. Dedi etiam librum ArcMe- 
piscopi una cum litteris ad Federicum, sed nee litterae sunt 
redditae, nee Über, quod maxime doleo. Cum has scribe- 
rem, nondum adieram Archiepiscopum; pudebat enim. Liber 
Ferrariae commissus est numulariis quibusdam cognomento 
Malchiayellis, ut eum et litteras Bononiam nütterent ad 



') Während der Jahre 1^10 und 1511 stand das Geschäft des Aldus 
wegen mifslicher Verhältnisse still, und er selbst hatte sich von Venedig 
eatferat. Wie er diese Zeit hinbrachte, ist unbekannt. 



135 

Federicam^ quamobrem rescripsi ad Federicum^ quo curaret 
invemendum ommno librum. Ego, culn rediisset ad me 
Federicus dixissetque non redditas sibi litteras meas, adii 
Malchiavellos rogatnrus eos^ ouinam dedissent librum perfe- 
rendum. Bespondenint: nos misimus librum ad Hercalem 
cognomento sapientem ; dabimus tibi ad illum litteras super 
ea re. Hercules ait nec litteras nec libnnu accepisse. Vi- 
des Bon deesse mihi negocium. Forte iUud verius quam 
Aeneas dixerim: nos alia ex aliis in fata vocamur. Vale 
et me^ ut amas, ama. Bononiae XX. April. MDXL 

Aldus Tuus. 

Paulo Bambasio Bononiensi utriusque linguae doctiss. 

In Venetia. 
appsso al ponte di Realto a la potheoa de la Torre ') 
in mano di M. Andrea d'AsoIa. 



XVI. 

(Job. Fried. HeckeUi Manipulus primus epistolarum singulariam ex 
avroy^yois. Plame Variscorum MDCXCV.) 

Georgio Spalatino/') 

' Viro eruditissimo ac integerrimo^ 

Amico carissimo« 

Saxoniam in Atrium Friederici, 

Ducis niustrissimi. 

Accepi, mi Georgi, litteras Tuas V. Idus Maji MDXIV, 
quas Tu XII. Cal. April, ad me dedisti, quibus partim lae- 



') Daher kommt vielleicht der Beiname Torresanus oder Torrisanas 
des Andreas Asnlanus. 

^) Georg Burkhard, Ton seinem Geburtsorte Spalt im Bistbnme 
Eichstädt Spalatinus genannt, geboren nm 1482, gestorben 1545, ist als 
einer der bedeutendsten unter den Beförderern der Kirchenreformation 
bekannt. Frühzeitig befreundet mit Mutian und ürban, in dessen Klo- 
ster Georgenthal er einige Zeit Lehrer war, verkehrte er mit dem Hu- 
manistenkreise in Erfurt und Gotha, bis er 1508 auf Mutians Empfeh- 
lung von Friedrich dem Weisen von Sachsen an den Hof berufen wurde, 



136 

^«lu Jwiwi. Illud, quod Friedericus, Sacri R. 

. UiA ^axoniao lUustrissimus. tanto me amore 

1» «K litteris ad me suis, ut scribis, signiücar 

^atdk videris me accusaro negligentiae, qui nee 

^^ ndui rrincipis litteris unquam rosponderim. Equi- 

«,iiie>> ;i Vobis litteras accepisse memini. Tum^ etsi 

^Ait^ ocoupatissimus ^ tamen cum opus est, relictis 

.^^iM» r«bu8 amiois praesertimque doctissimis summisve 

p^;^,j.»cbus Laconice saltem, cum non liceat cumulate, re- 

^^tivuv. Quare aut litterae ipsae mihi non sunt redditae, 

♦»i... s\ redditae fuerunt, rescripsimus. ütcunque sit, rogo 

t.\.^ mi Georgi, tuearis causam meam apud Prinoipem, ut 

l'o decet, mequo illi non desinas commondare. Tam cupio 

itU gratificariy quam cui maxime. Nomina librorum ad 

hunc usque diem excusorum *) cura nostra mittimus ad Vos 

una cum bis litteris, facturi longe majora et Principis op- 

timi et Tua et Ruf! nostri causa, si jusseritis. Haec scripsi 

statim acceptis Tuis litteris, ne, si düferem, obliviscerer 

propter labores assiduos ac molostias et provinciae nostrae 

et roi familiaris et horum perditorum temporum. Vix cre- 

das, Georgi suavissime, quantis in malis versemur miseri, et, 

nisi spe aleremur futurae pacis, quoniam ihtlSeg kv ^(ooJaiv, 

succumberemus malis, ^) quae alia ex aliis oriuntur. Sed 

haec obiter. Confert enim se lingua [eo], quod dicitur, ubi 

dens dolet. Valete meque yelim ametis omnes, ut, puto, 

facitis. Venetiis V. Iduum Maji. MDXIIII. 

Aldus Romanus, 
quanti est, Tuns. 

um die Erziehung des Kurprinzen zu leiten. Er wurde 1514 Hofcaplan, 
geheimer Secretär und Bibliothekar. Da er ein elMger Freund der 
Wissenschaften war, bewog er den Kurfürsten, für seine 1502 gegrün- 
dete Universität Wittenberg von Aldus Bucher kommen zu lassen. Der 
Fürst schrieb sogar selbst an Aldus einen Brief, von welchem dieser 
eben meint, daJs er ihn nicht empfangen habe. 

') Der dritte Büchorcatalog des Aldus, datirt vom November 1513. 

*} Venedig überstand zwar zuletzt den Krieg, dem es durch die 
Liffa von Gambray ausgesetzt worden war; aber es wurde ganz erschöpft. 
Dabei stockten natürlich alle Geschäfte, und die Stadt Venedig selbst 
wurde noch durch einen grofsen Brand verheert. Aldus erlebte den 
Frieden nicht mehr, welcher vollständig erst 1517 zu Stande kam. 



137 

Post scripta. Repetita memoria diligentius inveni nihil 
unquam a vobis accepisse ine litterarum^ ex quo respondi 
abhinc octo annos Mutiani Rufi^ Henrici Urbani et Tuis si- 
mul litteris, quo tempore et ad Principem scripsi. *) Misi 
etiam librorum indicem^ qui excusi tunc fuerant^) mea cura. 
Id Yolui significare^ ne me accusetis^ sed eum^ cui dedistis 
ad me litteras. Non enim illae mihi simt redditae. Ite- 
rum vale. 

Fucarii vestri non videntur diligentes reddendis litteris, 
qui etiam cum istas ad eos misi, ut jussisti in. litteris, re- 
cusarunt daturos se eas tabellario, nisi darem pecunias. 
Quamobrem curavi ego alia via has litteras ad Yos perfe- 
rendas. Ex Venetiis V. Iduum Maji MDXTTTT. 

Aldus ut in litteris. 



') Wenn Aldns sieh nicht darin irrt, dafs er 1506 an den Kurfür- 
sten geschrieben haben will, so empfaU er demselben wahrscheinlich 
seinen Verlag und konnte hierzn dnrch Matian veranlafst worden sein, 
der doch zugleich mit dem Briefe des ürban und Spalatin ein besonde- 
res Schreiben an ihn mitgegeben hatte (s. Brief XIII, Anmerk. I). 

') Dies ist der zweite Büchercatalog, yom Juni 1503. 



•«? 



Anhang. 

1515—1597. 



Andreas Asulanus. Paulus Manutius. Aldus Mauutius der 
Jüngere. Die TorresanL Crato von Crailtheim. 



Nach dem Tode des Aldus übernahm Andreas Asulanus 
die Sorge für dessen Familie und fahrte mit Hülfe seiner 
Söhne die Druckerei fort. Obschon er selbst kein Gelehrter 
war^ hielt er doch den Ruhm der Officin aufrecht^ indem 
elf gelehrte Editoren aussuchte, unter ihm erschienen von 
griechischen Werken zum ersten Male: Pausanias, Strabo, 
Aeschylus^ Artemidorus^ Galenus^ der vollständige Xenophon^ 
Hippocrates^ die Schollen zur Odyssee^ der Arzt Paulus 
Aegineta. Die Bücher behielten die Unterschrift: in aedibus 
Aldi et Andreas soceri. Als Andreas 1529 gestorben war^ 
entstanden bei der Auseinandersetzung über das Vermögen 
Streitigkeiten zwischen seinen Einderü und denen des Aldus^ 
in Folge deren das Geschäft über drei Jahre geschlossen 
blieb. Endlich einigten sich die Verwandten dahin^ dafs es 
unter Leitung des Paulus ManutiuB^) auf gemeinschaftliche 

') Sein ältester Brader, Manuzio de Manuzii, wenig bekannt, starb 
uayeriieirathet 1568 in Asola. Der zweite, Antonius, wegen irgend einer 
Schuld aus Venedig yörbannt, starb 1558 in Bologna, wo ihm Paulus 
Manutius eine Druckerei eingerichtet hatte. 



139 

Rechnung fortgeführt werden solle ^ und so f&hren die Bä- 
cher Ton 1533 ab die Unterschrift: in aedibus heredum Aldi 
ManuUi et Andreae Asulani soceri. Die Vereinigung dauerte 
aber nur einige Jahre ^ und gegen 1538 trennten sich Fre- 
dericus und Franciscus Turresanus von ihrem Neffen, doch 
kommen hin und wieder auch später noch einzelne Werke 
vor, die sie mit Paulus Manutius zusammen herausgegeben 
haben. 

Paulus Manmiius war den zwölften Juni 1512 geboren. 
Den grofsten Theil seiner Jugend verlebte er in Asola und 
bildete sich vorzugsweise durch Selbststudium. Er beschäf- 
tigte sich fortwährend mit den Alten, besonders den Latei- 
nern; ebenso las er die Schriften der neueren Stylisten, 
des Bembus, Sadoletus, Bonamicus. In Venedig genofs er 
besonders die Belehrung des Egnatius und Bunellus. ') Von 
Letzterem rühmt er, dafs er ihm am meisten den Weg zu 
ciceronianischer Reinheit des Styls, die er erstrebte, gezeigt 
habe. Stets kränklich und mehr zu einem gelehrten Leben, 
als zur Geschäftsffihrung geneigt, mufste er doch 1533 die 
Druckerei übernehmen, worauf er aus den Bedrängnissen 
nicht mehr herauskam. Einerseits machten ihm seine Brü- 
der Kummer, die nur von ihm zehrten; andererseits ging 
ihm für eine gewinnbringende Führung der Druckerei und 
des Buchhandels der Sinn ab, weshalb er viel Kosten und 
nioht genug Gewinn hatte. Dazu kam auch die Ungunst der 
Zeiten; denn in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahr- 
hunderts hatte in Italien der Eifer für das Lesen der Alten 
unläugbar gegen firüher schon sehr nachgelassen.^) Profea- 



') Den zasanunenhängendsten ümrlTs seines früheren Lebens giebt 
er 1553 in dem Briefe an Stephanos Saolius. Pauli Manutü epist lib. I. 
3. ed. Krause. Lipsiae, MDCCXX. Ueber Bunellus s. epist. lib. I. 6. 

') Ueber diese Verhältnisse ygl. den Brief des Paulus Manutius an 
den Juristen und Philosophen Antonius Natta in Mantua. Er hatte yer- 
sprochen, ein Buch des Letzteren zu drucken. Da sich dasselbe jedoch 
nachträglich umfangreicher er¥ries, als er ausglich geglaubt hatte, so 

zeigte er keine rechte Lust mehr dazu Nam quod ais redituram 

ad me pecuniam cum fenore libro vendita, videlicet commoni qoadam, 
non propria me regula metiris. Nob enim ego, ut alü, qui libros im- 
primont, habebo sUitim certos homines, qui eos divendant et longinquas 



uo 

auren^ die ihm öfters angeboten wurden» z. B» die des £g- 
natiiis und des Bonamicus in Padua, konnte er wegen sei- 
ner fortwiQurenden Kränklichkeit nioht annehmen, so geeig- 
net er durch seine philologischen Leistungen for dieselben 
erschien. Indefs wirkte er neben seinen Schriften doch 
auch als Lehrer; denn von 1&36 — 1540 hielt er in seinem 
Hause vor awolf edlen venetianischtti Jnnglingen Yorlesim- 
gen 9 was er seine Academie nannte. Reisen zur Yerglei- 
ehung von Handschriften und anderen gelshtten Zwecken, 
sowie our Erholung, unterbrachen oft seine BesdiSftigang. 
Im Jahre 1558 übernahm er den Druck der Werke, weldie 
4ie Äoademia Veneia oder Aoademia deUa Fama^) erschei- 
nen liefs. Der Patricier Federigo Badoaro gründete diese 
Academie, mit der er hochfliegende PUne verfolgte. Es 
schwebte ihm eine Vereinigung von Gelehrten vor Augen, 
wie in dem Museum Alexandria's jmter den Ptolemäern. 
Alle Wissenschaften sollten in ihr gepflegt und durch Schrii- 
ten gefordert werden**) Es fand sich eine greise Anzahl 
Mitgliedeiv und viele Schriften wurden im Voraus angekfin- 
digt; es erschien aber nur ein Theil derselben (darunter 
1558 in 1700 Exemplaren die gesammelten lateinischen 



in urbes regionesque dissemment. Yenduntor hie statim a meis ita 
parvo pretio, ut lucri guidem minimum, sed mtnimo simul laborCf minima 
molestia ßat. Meum igitor librum, inqoies, itidem vendes. De doctrina 
libri toi, de elegantia possum ega facile judicare; de yenditione quis 
praestat? An nescis libros latinos optinios veteres ita nunc jacere, nt 
paene Bordinm in genere. patentor; vix jam Ciceronem q>8um, Oaesarem, 
Sallustiam legi, a multis etiam ne legi qoidem planeque contemni? 
Epist. Hb. m. 31. 

Aus diesem Briefe an Natta erföhrt man auch, dafs die veuetia- 
nischen Nobüi, welche die Druckerlaubnifs zu ertheilen hatten, die Ma- 
nuscripte oft sehr lange bei sich liegen liefsen, ohne sie zu lesen, so 
dafs man Freundschaften und Verwendungen brauchte, um sie bald her- 
aus zu bekommen. 

') Lunze, de Academia Veneta. Leipzig, 1801. Renouard, S. 267 
bis 281. 434 ff. Die Academie liefs auf ihren Büchern die Fama tUs 
Sinnbild drucken. 

*) Die Academie erliefs 1559 eine Ankündigung: »Summa libronun) 
quos in omnibus scientüs ac nobilioribus artibus, variis Unguis con- 
scriptos, vel antea nunquam divulgatos. vel utilissimis et pulcherrimis 
scholiis correctiombusque illustratos in lucem emittet Academia Veaeta.'' 



141 

Briefe des Paulus Manutius)^ da durch den Bankerott des 
Badoaro die Gesellschaft 1561 aufhörte. 

Die äufseren Verhältnisse des Paulus Manutius waren 
so mifslich geworden, dafs er gern einer Aufforderung ge* 
horchte, die durch Pabst Pius IV. an ihn ergangen war.*) 
fir wurde nach Rom berufen, um den Druck der Kirchen« 
TÜer und der bedeutendsten unter den neueren theologischen 
Werken zu leiten. Dafiir sollte er einen jährlichen Gehalt 
yon fanfhundert Scudi haben. So siedelte er denn gegen 
1561 nach Rom über; doch bestand die Druckerei in Ve* 
nedig, von einem geschickten Drucker, Namens Basa, und 
von seinem Sohne Aldus Manutius geleitet, auch während 
seiner Abwesenheit fort. In Rom fand er nicht seine Rech* 
nung. Der zugesicherte Gehalt wurde ihm unregelmäfsig 
oder gar nicht bezahlt; dabei war die Arbeit grofs, die 
MuTse für seine Studien gering, und seine körperliche 
Schwäche nahm zu. Da wurde von einem Freunde aus 
Wien in ihm die Hoffnung erregt, durch Kaiser Maximilian IL, 
der die Gelehrten liebe, eine Pension zu erhalten, um in 
Ruhe den Wissenschaften leben zu können. Dieser Freund 
war der Breslauer Arzt und kaiserliche Leibarzt Crato von 
Crafftheim,^) welcher neben seiner eigenen Verwendung bei 



') Laborabam domesticis incommodis fratrum meoram culpa, nee 
spes erat emergendi, nisi nova consilia caperentor. Yocabar a Pontifice 
Maximo Epist. lib. IX. 5. 

') Paulas Manutius schreibt ihm im Juni 1570 aus Rom: ,0 mi 

Crato, mi, inquam, suayissime Crato si hoc per te assequar, ut 

ex turbulento negotii genere emersus ad tranquillitatem perveniam et, 
quod reliquum viütö contigerit, in optato litterarum portu, interpellatore 
nuÜo, yacuus omni cura degam: nulla res erit tanta, quam non et me 
tibi debere confitear et libenter tua caussa suscipiam. Istam quidem 
virtutem, quae me a molestissimis occupationibus ad suavissimam quie- 
tem et aptissima naturae meae studia traduxerit, feram in oculis assidue, 
colam animo semper, fortasse etiam futuris gentibus ignotam esse non 
sinam." Epist. Appendix. 3. 

Crato von Crafftheim hatte gegen 1545 in Padua studirt und viel- 
leicht bei seinem damaligen Aufenthalte in Italien den Paulus Manutius 
persönlich kennen gelernt. Er schickte demselben auch Recepte ans 
Wien zu. Von den Briefen des Paulus Manutius an ihn befinden sich 
zwei auf der hiesigen städtischen Rhedigerschen Bibliothek. Sie sind in 
der Sammlung von Krause abgedruckt. 



142 

dem Kaiser auch die des vielgeltenden Baron Richard Strein 
auf Schwarzenau ') in Aussicht stellte. Voll der erregten 
Hoffnung (die sich nicht erfüllte) verliefs Paulus Manutius 
im September 1570 Rom und kehrte nach längerem Aufent- 
halte in Mailand nach Venedig zurück. Im Juni 1572^ 
nachdem er inzwischen von Kaiser Maximilian 11. das schon 
früher erwähnte Adelsdiplom erhalten hatte, ging er wieder 
nach Rom, um seine Tochter, die er dort in einem Kloster 
zurückgelassen hatte, zu ihrer Verheirathung nach Venedig 
zu führen. Er kehrte aber nicht mehr dahin zurück; denn 
er fand endlich in Rom das, was er so lange ersehnt hatte: 
oUum cum dignUate. Auf die Verwendung mehrerer Car- 
dinäle erhielt er von Pabst Gregor XTTT. die Zusicherung 
eines Jahrgehaltes, ohne daTs Dienstleistungen dafür gefor- 
dert wurden.^) Nun konnte er frei seinen Studien leben; 
aber es war ihm nicht lange vergönnt. Am sechsten April 
1574 starb er in den Armen seines Sohnes Aldus, der zu 
ihm gekommen war, in Rom, wo er begraben liegt. Seine 
Grabschrift ist einfach: 

D. 0, M. 

Pauüo Manutio, 
Aldi Filio. 

Der Verlag des Paulus Manutius ('in aedibus Aldi et 



*) Von dieser Verbindung stammt es her, dafs wir in dem Verlage 
des Paulas Manutius 1571 angezeigt finden: „De gentibus et familiis 
Romanorum, Richardi Streinii Baronis Schwarzenavii.^ Renouard sagt 
bei diesem Werke, man merke jetzt deutlich, wie die Officin der Manu- 
tius in typographischer und stofflicher Hinsicht anfange zu sinken. In 
Bezug auf das erstere wird die Bemerkung richtig sein; was aber den 
Stoff des Streinschen Buches betrifft, so ist er des Manutianischen Ver- 
lages wohl würdig, da die Geschichte patricischer und plebejischer Ge- 
schlechter der Römer behandelt wird. Das Buch war schon früher Ton 
Henricus Stephanus gedruckt worden (s. das Leben Streins in der Ge- 
schichte östreichischer Gelehrten von Khautz), 

*) Er erhielt monatlich 25 Goldscudi. (Renouard, S. 451.) 
lieber seine Stellung sagt er selbst: „Stipendium satis per se tenue, 
in quo meam facilitatem nonnulli reprehendunt, cum libertate et otio 
maximum videtur. Nihil oneris imponitur. Litteris, ut in solitudine, 
frui licet, et ut spero licebit. Unum aut alterum Gardinalem bis in 
mense tiarve summum vel quia me diligunt, vel quia virtute ezcellunt, 
salutare consuevi.^ Episi üb. XII. 10. 



143 

Andreae soceriy apud Aldi filios, Aldus^ apud Paulum Mü" 
nutium, ex Academia Veneta) zeigt über dreimal mehr 
Nmnmem^ als der seines Vaters. Den gröfsten Theil bilden 
neben seinen eigenen Werken und den Revisionen fräherer 
Ausgaben lateinische und italienische Bücher gelehrter Zeitr 
genossen^ wie des Muretus^ Sigonius u. A. Unter den la- 
teinischen Ausgaben waren einige neu. Griechische Autoren 
erschienen weniger bei ihm. Hervorzuheben sind unter 
densälben: die Commentatoren zu Aristoteles; der ganze 
Aristoteles^ 1551 — 1552; Themistius (ed. princ.) mit Eustra- 
tius und anderen Commentatoren über des Aristoteles Nico- 
machische Ethik; 1534 und 1536; Aetius Amidenus^ Bd. 1. 
1534; Longinus, 1555^ von Manutius selbst besorgt nach 
einer Handschrift Bessarions auf der MarcusbiblioÜiek. ^) 

Die Wirksamkeit des Aldus Manutius war in die Zeit 
des enthusiastischen Wiedererweckens und Geniefsens der 
Alten gefallen; die Periode seines Sohnes war die Zeit der 
Revisionen, einer schon mehr nüchternen und critischeren 
Behandlungsweise. In Bezug auf die eigentlich philolo- 
gische Thätigkeit hat Paulus Manutius gröfsere Bedeutung, 
als sein Vater. Als Critiker und Stylist wurde er zu den 
ersten Gelehrten seiner Zeit gerechnet. Seine Bearbeitung 
der ciceronianischen Schriften, die er in einzelnen Stacken 
von 1533 an fast alle herausgab und erklärte, wurde eine 
Grundlage der späteren Ausgaben und findet noch jetzt 
Beachtung. Das Lexicon des Ambrosius Calepinus gab er 
mit Verbesserungen imd Zusätzen heraus, auTserdem eine 
lateinische üebersetzung von vier philippischen Reden des 
Demosthenes. Von geringerer Bedeutung sind seine Noten 
zu Virgil und vier Abhandlungen über römische Antiquitä- 
ten: de legibus, 1575; de senatu, 1581; de comitiis, 1585; 
de civitate Romana, 1585. In Rom besorgte er den Text 
und Druck der Kirchenväter und im Auftrage der Väter des 
Tridentiner Concils eine neue, verbesserte und von verschie- 



') Die ed. princ. von Robortellns, auf einer anderen Handschrift be- 
ruhend, war 1554 bei Oporinus in Basel erschienen. 



144 

denem Anstofsigen gereinigte Ausgabe der Sprfichworter- 
Sammlung des Erasmus. Sie erschien 1575 in Florenz bei 
den Junta's. Als Stylist wurde er besonders seiner Briefe 
wegen gefeiert, deren erste Sammlung er selbst 1558 be- 
sorgte. Diese Briefe sind indefs trocken und weit entfernt 
von der gefalligen Anmuth, die wir bei seinem Freunde 
Muret finden. Sie haben die Worte und Wendungen Gice- 
ro's, aber ohne dessen Geist, was von den meisten Schrift- 
werken der sogenannten Ciceronianer gilt. Originalität des 
Styles findet sich weit mehr bei den geistvollen Neulatei- 
nem der früheren Periode, den Politianus, Johannes Picus 
Mirandulanus, Erasmus u. A. 

Aldus ManuHus, geboren 1547, war der einzige über- 
lebende Sohn des Paulus Manutius. Von seinem Vater mit 
Sorgfalt erzogen, erregte er zeitig grofse Hof&iungen. ') 
Wenn aber sein Name schon 1556 und 1559 auf zwei Bü* 
ehern ^) aus dem Verlage seines Vaters steht, so wird m^n 
wohl annehmen müssen, dafs hier mehr eine Eitelkeit des 
Vaters im Spiele ist, der wahrscheinlich die Hauptsache an 
den Büchern gemacht hatte. Es ist genug, dafs er im Alter 
von vierzehn Jahren den ersten Entwurf seines Hauptwerkes 
erscheinen liefs: „Orthographiae ratio^. Ein dreijähriger 
Aufenthalt in Rom bei seinem Vater und die persönliche 
Besichtigung der Hulfsmittel und Alterthümer, die er dort 
fand, setzten ihn in den Stand, das Werk zu vervollstän- 
digen, ^) welches später Dausquqjus (d^Ausqm) und CeUariui 



' ) Als er in Begleitung seines Lehrers den Muret in Padua besucht 
hatte, schrieb dieser an Paulus Manutius: »Nihil illo puero festiYius, 
nihil ingenioslus, nihil amabilius, nihil ardentius in studio virtutis ac 
litterarum. Quanta in sermone suavitas, quanta indoles in ipso Tultu ac 
motu corporis, ut in summa ingenii celeritate parem modestiam facile 
agnoscas. Itaque feres hoc aequo animo: spero enm aliqnando et patre 
et ayo majorem et celebriorem futurum. Ne vivam, si non ex animo 
loquor.^ Pauli Manutii epist. lib. adopi 36. 

^) Eleganze della lingua Toscana e Latina, scielte da Aldo Manutio 
1556. Sehr oft bis 1594 verbessert und vermehrt erschienen. 

Le Epistole famigliari di Cicerone, tradotte di nuovo e quasi in in- 
finiti luoghi corrette da Aldo Manutio. 1559. 

') 1566 erschien: Orthographiae ratio ab Aldo Manutio, PaulH filio, 
collecta ex libris grammatieis, Etymologia Graeca consnetudine Nummis 



145 

ihren Forschungen zu Grunde gelegt haben. Während sei- 
nes Aufenthaltes in Rom erschien von ihm in Venedig 1563 
eine Ausgabe des Sallust. Nach Venedig 1565 zurückge- 
kehrt > beschäftigte er sich mit seinen Studien^ ohne durch 
die Druckerei sehr abgezogen zu werden^ welche an Domi- 
nicus Basa verpachtet war. Zu einer Ausgabe des Vellejus 
Paterculus mit Anmerkungen^ 1571, soll er die ihm von 
Puteanus iibergebenen Noten desselben wider Wissen und 
Willen des Verfassers benutzt haben. Im Jahre 1572 
heirathete er die Tochter des wohlhabenden Buchdruckers 
Bartholomäus Junta in Venedig. Nach seines Vaters Tode 
ging die Aldinische Druckerei in seinen Besitz über; er 
scheint sie aber unter der Leitung des Basa gelassen zu 
haben und ging damit um, sich ihrer zu entledigen. Wäh- 
rend der ganzen Zeit, wo sie sein. Eigenthum war, ist kein 
griechisches Buch mehr in ihr gedruckt worden. Ein Cäsar 
mit Anmerkungen und eine Epitome Orthographiae erschie- 
nen von ihm 1575 in derselben, 1576 dreifsig Abhandlun- 
gen über römische Antiquitäten unter dem Titel: „De Quae- 
sitis per epistolam libr. ÜI.'' Um diese Zeit wurde er zum 
Professor in Venedig ernannt. Sein Censorinus mit Anmer- 
kungen, 1581, wird nicht gelobt. ^) Das umfangsreichste 
Werk, welches seit dem Bestehen der Of&cin ausgegeben^ 
worden war, wurde 1583 bei ihm vollendet, nämlich eine 
Gesammtausgabe des Cicero, mit Anmerkungen, in zehn 
Foliobänden, deren einzelne Bände seit 1578 gedruckt wor- 
den waren. 1585 wurde er an des Sigonius Stelle als Pro- 
fessor nach Bologna berufen. Wahrscheinlich verkaufte er 
schon damals die Druckerei an Nicolas Manassi, der später 



veteribns Tabalis aereis Lapidibas amplius M. D. Interpungeadi ratio. 
Notarum yeteriun explanatio. Ealeadarium vetus Romanam, e marmore 
deseriptum, cum Paulli Manutii, Patris, commentariolo de veteram dierum 
ratione et Ealendarii explanatione. Aldi Manutii, Avi, de vitiata Toca- 
lium ac diphthongomm prolatione, naQeqyov. — Venetiis, Aldus. 

') Renouard bemerkt bei diesem Werke, Aldus schreibe sich hier 
das erste Mal in einem lateinischen Buche Manucdus. Wahrscheinlich 
that er dies absichtlich, um auch durch die lateinische Form seines Na- 
mens an die toscanischen Mannucci zu erinnern , mit denen er seine Fa- 
milie verwandt wissen wollte. 

10 



146 

als Eigonthümer genannt wird. In Bologna schrieb er ita- 
lienisch das Leben des Cosmus von Medici, ersten Grofs- 
herzogs von Toscana, und eine lateinische Erklärang zu der 

Epode des Horaz ^»Be&tus ille, qui prooul negotiis'^ In 

Bologna blieb er nicht lange; denn schon Anfang 1587 
nahm er einen Ruf nach Pisa an^ während er zu derselben 
Zeit von Rom aus aufgefordert wurde^ den Lehrstuhl des 
1585 gestorbenen Muret einzunehmen. Sein Aufenthalt in 
Pisa dauerte nicht zwei Jahre. Während dieser Zeit begeg- 
nete es ihm^ dafs er in Lucca 1588 das Lustspiel Philo- 
doxios als das Werk eines alten Komikers Lepidus drucken 
licfs. (Es war eine Arbeit des als Humanist, Baumeister, 
Maler berühmten Leo Baptista Alberti, 1404 — 1480, welche 
derselbe einst zum Scherzo verfalst hatte, um seine Freunde 
einige Zeit zu täuschen. . Diese Sachlage war längst bekannt 
gewesen, aber zu Aldus' Zeit wieder in Vergessenheit ge- 
rathen.) Ende 1588 ging Aldus nach Rom, wo ihm die 
angebotene Professur offen erhalten worden war, und ver- 
öffentlichte dort bis 1590 zwei italienische Abhandlungen 
über Cicero und die Villa des Plinius, mehrere lateinische 
über antiquarische Gegenstände und die italienisch geschrie- 
bene Geschichte des Castruccio Castracane. Seit 1590 wurde 
er neben seinem Lehramte Director der Vaticanischen Drucke- 
rei, wobei er den Dominions Basa neben sich hatte, welcher 
so lange Leiter der Aldinischen Druckerei in Venedig ge- 
wesen war. In Rom gab er 1592 zum letzten Male die 
Lettere t>olgari heraus, eine Sammlung italieniseher Briefe 
angesehener Zeitgenossen, welche von seinem Vater und ihm 
schon öfters besorgt worden war. In den letzten fünf 
Jahren seines Lebens erscheinen keine bemerkenswerthen 
Leistungen mehr von ihm. Er starb in Rom den 28. Oc- 
tober 1597. Frau und Kinder waren vor ihm gestorben. 
Seine Erben waren die Söhne seiner Schwester, welche einen 
Advocaten, Namens Honorius, geheirathet hatte. Sie erhiel- 
ten aber nicht viel; denn da Aldus dem Lebensgenüsse mehr 
ergeben gewesen war, als sein Grofsvater und Vater, so 
muTste der^ gröfsere Theil seines Nachlasses auf Deckung 



147 

von Schulden verwendet werden. Mit ihm erlosch die di- 
recte männliche Linie *) der Manutius^ die sich ein Jahr- 
hundert lang durch drei Generationen hindurch als Drucker 
und Gelehrte einen ruhmvollen Namen gemacht haben. Die 
Nachkommen der Torresani dagegen^ der Söhne des Andreas 
Asulanus^ welche sich 1538 von ihren Verwandten getrennt 
und eigene Druckereien errichtet hatten, bisweilen für ein- 
zelne Unternehmungen auch wieder in Verbindung mit jenen 
getreten waren, erscheinen in Venedig noch längere Zeit. 

Aufser den angeführten Schriften schrieb Aldus latei- 
nisch und italienisch noch mehrere kleinere über Horaz, 
Terenz u. s. w. Den meisten Ruf scheint ihm neben den 
historischen italienischen Schriften seine Orthographia ver- 
schafft zu haben. Seine frühe Jugend hatte glänzend an- 
gefangen; aber eine gewisse Unbeständigkeit des Wesens 
verhinderte ihn, in gleicher Weise fortzufahren, so dafs er 
seinem Vater als Philologe nicht gleich kam. ^) Aber er 
hatte in seiner Epigonenzeit doch auch grofse Geltung; sonst 
würde man ihn nicht berufen haben, die Stelle des Sigonius 
und Muret auszufüllen. Ueber seine Lehrthätigkeit in Rom 
berichtet der imzuverlässige Erythräus, er habe keine An- 
ziehungskraft gehabt, imd man habe ihn oft in Erwartung 
von Zuhörern vor dem leeren Hörsaale auf und ab spazieren 
sehen. Wenn die Sache überhaupt wahr ist, so ist daraus 
noch nichts mit Sicherheit gegen Aldus zu schliefsen; sondern 
man kann auch seine Zeit anklagen und daran denken, dafs 
der Eifer für philologische. Studien in ,dem Lande, wo er 
erwacht war und über zweihundert Jahre geblüht hatte, da- 
mals sich dem Ende zimeigte. Sagte doch der alte Victorius, 
er habe in seinem langen Leben (1499 — 1585) die Blütho 
und den Verfall der Wissenschaften in Italien gesehen. — 



*) Am Anfange eines Briefes an Silvias Antonianus bei Renouard 
schreibt er sich: Aldus, religuum Familiae Manudae. 

*) Jastns Scaliger nennt ihn ein miserum ingenium; aber die Art, 
wie derselbe übermuthig und mit den schroffsten Ausdrucken Gelehrte 
beurtheilte, ist keine glänzende Eigenschaft au ihm. Niceron füllt eine 
Seite mit den Titeln, die Scaliger austheilte: hochmüthiger Narr, Pedant, 
Esel» Vater der Esel o. 8. w. • 

10* 



148 

Im sechsten Bande der handschriftlichen Briefsammlung 
des Crato von Crafftheim auf der hiesigen Rhedigerana be- 
finden sich folgende vier Briefe des jüngeren Aldus Manu- 
tius, welche meines Wissens noch nicht bekannt gemacht 
worden sind. 

Bd. 6. No. 234. 

Aldus Manutius Jo. Gratoni. 

Gras Romam proficiscar^ ut patrem videam gravissima 
valetudine oppressum. Cui si quid acciderit humanitus, 
(de quo, qui ad me scribunt, valde dubitant) mi Crato, 
scito me in te amando paternae benevolentiae heredem fore. 
Sin, quod Dens velit, confirmatum reperero, efficiam pro- 
fecto, velit, nolit, ut domi apud suos sit, nee in ista aetate 
peregrinetur. quod tamen in postremis suis litteris facturum 
se promiserat. Mi Crato, sie simt humana. Scribam ad te 
quidquid evenerit et Divinae voluntati ut me commendem, 
operam dabo. Si ad Oratorem Caesareum, qui Komae est, 
litteras commendaticias efficaces habere possem, gratissimae 
mihi essent. eae autem sint generales. si eas obtinere 
poterifi, fac, ut quam primum diligentissime mihi ipsi Ro- 
mae reddantur. eas enim ego Oratori tradam si opus fuerit 
De Privilegio scribam alias, nam haec in hoc meo discessu 
surripui occupationibus. et plura prae lacrymis quoque non 
poteram. Mi Crato bene vale et me, ut amas, ama. lY. 
non. octobr. MDIiXXmi. ») 

Imaginem Caesaris auream, nisi grave esset« po- 
scerem. tu si eam habere poteris (nam istic fiunt) 
quaeso ad me cum tuis mittas. persolvam quan- 
tum a te expensum erit. Credo pendere circiter 
3. scutatos. 

Praestantissiino Viro Joanni Cratoui 
a Crafftheim, MAXIMILIANl II Medico 
iatimo. 

Cito. In aula Caesarea, 



') Ein Sihreibfehler des Aldus für MDLXXIII. 



149 



No. 235. 

Manutius Gratoni S. 

Ego taas, tu meas exspectabas. Reversus in patriam 
tres tuas reperi. Quibus brevissime respondere cogor. id 
adversa valetudo facit^ quae me Romae ita iacentem detinuit, 
idx ut lectica in patriam delatus sim. Hexasticon legi et 
amo amorem tuum, antea quidem satis mihi perspectum et 
cognitum, nunc vero omni ex parte in tuis Utteris expres- 
sum. Pater obiit IIX. id. Apr. natus pr. id. Jun. MDXUL ') 
hora quinta decima^ si quartam horae partem addas, seu 
quarta decima, et adde tres quartas partes. Practica Trin- 
cavellae si reperietur curabo, ut eam quamprimum habeas. 
De Privilegio scribam commodius. Quomodo valeam et 
animo et corpore potes existimare tarn gravi vulnere per- 
culsus. Scripta sua edentur. et persolvam quod jam diu a 
nobis promissum est, quodque ejus absentia usque huc 
prorogavit. Mi Grato, tuum me esse scito et ita tuum, ut 
in te uno tantum ponam, quantum in conjunctissimi et 
amicissimi hominis amicitia reponendum est. Yale et vale- 
tudini parce. quae cum aliquantulum tamen melius se ha- 
beat, itineris tamen difficultates et incommoda fadant, ut 
per aliquot dies ei magis inservire velim, quam facerem si 
stetissem. Venetiis nunc est Henricus Bex. quod ex aliis 
iam scis. Mitto Mureti orationem in .funere Garoli IX. 
IX. Kai. Sext. MDLXXIV. 

Petrus Rosinius, qui, cum haec scriberem, aderat, 
tibi 6. d. A. Rege Suetiae ad Pont, juittitur, 

Praestantissimo Yiro Joanni Cratoiü 
a Crafftheim, MAXIMILIANI II Medice 
intimo. 

In aula Gaes. 

') Vorher steht, aasgestrichen, MDXII. Die ausgestrichene Zahl ist 
die richtige, wie Paulus Manutius selbst bezeugt, der am Ende eines 
Briefes an Paccius schreibt: Venetiis, MDXXXIII, pridie id. Jun. qui 
mihi primus dies est anni XXI. Epist. lib. IV. 50. 

Die folgende genaue Angabe der Todesstunde ist wahrscheinlich 
durch die astrologischen Grillen der Zeit henrorgerufen. 



150 



No. 23G. 

Manutius Cratoni. 

Mi Grato^ Animo si unquam antea, hoc certo tempore 
imbecillo haec scribo. et tu ita scribentem exousabis. tot 
enim animi pertarbationibus opprimor, tot me negotia oir- 
cumstant^ ut interdum fere obruar. Yerom omnea meae 
cogitationes eo tendunt^ ut relictis omnibus, quae mokstiam 
mihi exhibenty iucundiorem vitam yivam. id quod prope- 
diem futurum spero. iam enim huiusce vitae fimdamenta 
jacta sunt a me. Haec sunt in caussa cur ad te tanto 
spatio litteras non dederim. Scribo nunc, et tuum me esse 
confiteor, qui tantum tuae humanitati debeam. Quid de- 
beam solo, nee quid caussae obstitisse suspicere quod meam 
voluntatem remorari possit. ita tulit typographiae ratio, quae 
nunc praestari a me patietur, quod promisi, id quod erit 
minimo temporis spatio. Tu interim quae ad te mitto lege, 
quae Underholzle dedi nescio^ an cum his litteris mittet^ 
an discunctim. 

Curari nunc demum a te vellem et quam citissime Pri- 
vilegium Caesareum, quam fieri potest amplum. et quod in 
expends necessariis erogabitur^ hie Underholzle a me ac- 
eipiet. Mi Grato^ in hoc diligentiam excito. Sed quid ego! 
quasi dubitandum mihi sit^ te non onmia facturum mea 
caussa. Quaeso hie tibi curae sit. hoc enim tempore valde 
ad rem meam accommodatum erii Generale sit quam fieri 
potest. 

Tuas exspectabo, quae me recreent. et in posterum fa- 
ciam, ne meas tam diu desideres. Bene Vale. Venetiis. 
Kai. Oct. MDLXXV. 

Praestantissimo Viro Joanni Cratoni 

a Crafftheim, MAXIMILIANl II Cons. et 

Medico intimo. 

In aula Caesarea. 



151 



No. 237. 
Cratoni Compatri S. 

IV. id. Febr. auctus filiola sum, cui Xu. Kai. Mart. 
nomen inditum est PauUina^ a patre meo nomine accepto. 
sacris praefuit tue nomine Julius Ballinus et vicem tuam 
praeclare egit. nee potuit adhuc respondere, quod faciet 
proxima hebdomada. Mater et puella recte valent. Non 
potui tunc amicorum confluentium multitudine ad te scribere. 
ideo ad Underholzerum misi^ qui nomen pueUae nunciaret, 
ut ad te scribens id tibi significaret. credo id eum praosti- 
tisse. Nunc solutus aliquantisper curis scribo et tibi gra- 
tulor gratiasque ago, quod me hoc testimonio omare volue- 
ris: et ad amicitiam nostram hoc addideris: quod quantum 
sit; cum cogito^ non possum non tibi summopere me debere 
fateri. De Caesaris imagine valde te amo. erit ea mihi 
amoris tui perpetua comes. De Prlvilegio scripsi ad te an- 
tea. Est Yenetiis Joannes Gavatius amicus mens, is a De- 
siderio Labbe J. C. qui vivit in aula Caes. decem scutatos 
optimo jure repetit. ad eum scribit. totum quid sit ex De- 
siderii duabus litteris, quas ad te mitto^ et ex una Joannis 
ad Desiderium perspicere poteris. quas scribit Joannes aper- 
tas mihi tradidit. poteris obsignare. pergratum mihi feceris^ 
si hanc summam ä Desiderio persolvendam aliqua via ad 
me miseris. id Joannes a me summopere petiit: et ego amico 
meo gratificari cupio in re praesertim honesta. Exspectabo 
litteras tuas, ut acta referre possim. Tu Desiderii litteras 
ad me remittes et bene valebis. Venetiis. die S. Matthiae. 
MDLXXVI. 

Compater 

Aldus Manutius. 



Gedruckt bei A. W. Schade In Berlin, Stallschreiberttrftfse 47. 




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