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600025025T
4
ff
u
\
ALDUS MANUTIUS
UND
SEINE ZEITGENOSSEN
IN ITALIEN UND DEUTSCHLAND.
IM ANHANGE:
DIE FAMILIE DES ALDU& BI8 ZU IHREM ENDE.
VON
Da. JULIUS SCHUCK.
OBBRLBHREB AM MAODALKdkITM IH BRRfiLAU.
BERLIN,
FERD. DÜMMLER'S YERLAGSBUCHHANDLUNO.
1862.
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Vorwort.
jjie Zeit des Humanismus oder des Wiedererwachens der Wis-
senschaften durch das Zurückgehen auf die Alten, welche am
Ausgange des liGttelalters zunächst in Italien sich entwidcelte,
wirkt auf uns mit einem gewissen romantischen Beize, wie alle
entferntere Zeiten eines glänzenden und inhaltsreichen Enthu-
siasmus. Betrachtet man vom heutigen Standpunkte aus die
einzelnen wissenschaftlichen Schöpfungen jener Periode, so wird
ihre absolute Bedeutung natürlich weit unter derjenigen stehen,
welche Erscheinungen der Gegenwart haben können, nach-
dem durch die Arbeit so vieler Tausende Wissen und Hülfe-
mittel im Fortschritte der Zeit gröfser geworden sind. Aber
die Betrachtung der Vergangenheit eiifier Wissenschaft fahrt
■ j^
einerseits zur Demuth des Wissens undHSiewahrt vor hochmü-
thiger UeberschStzung des Gegenwärtigen^ indem man sieht,
wie eine spätere Zeit immet über die firühere we^eschritten
ist, und seinerseits dasselbe einst zu erieiden sich bescheidet.
Andererseits aber bringt sie ab das immer bleibende Verdienst
längst vergangener Bestrebungen hauptsächlich die Einwirkung
auf die Zeitgenossen, die Anregung fir die Späteren, die Begei-
sterung und thätige Verfolgung des Zieles zur EenntniTs und
Anerkennung. Durch den Enthusiasmus und die Thätigkeit der
Humanisten, welche um Wiedererweckung des Alterthums und
Vertreibung der Barbarei rastlos bemüht waren, ist wesentlich
die Entwickelung aller Wissenschaften und die ganze moderne
Bildung herbeigeführt worden. Ihr Leben ist daher nicht blos
für den Philologen von Interesse, sondern for Jeden, der histo-
rischen Sinn hat.
VI
Der Ilumanismas wurde durch Erfindung der Buchdrucker-
kunst mächtig gefordert, and die Drucke selbst erreichten in
den ersten fünfzig Jahren des Bestehens der Kunst theilweise
einen hohen Orad von typographischer Schönheit. Wohl mag
die Begeisterung für die Alten dazu beigetragen haben, dafs man
sie in möglichst schönem Gewände wollte erscheinen lassen.
Unter den Druckern nun am Ende des fun&chnten und Anfange
des sechszehnten Jahrhunderts nimmt den ersten Platz Aldtts
Manutius ein, dessen Sohn und Enkel sein Wirken fortgesetzt
haben. Er war aber, wie auch seine Nachfolger, nicht blos Ty-
pograph, sondern zugleich als Humanist unter den Gelehrten
seiner Zeit angesehen und dabei von einem Eifer beseelt, wie
wenige Andere. Diese Richtungen zusammen machten ihn eine
Reihe von Jahren hindurch zu einem Mittelpunkte der gelehrten
Bestrebungen Italiens und brachten ihn auch mit Gelehrten
Deutschlands und anderer Länder in freundschaftliche Verbindung.
Seinen ersten Biographen fand Aldus Manutius an einem
schlesischen Geistlichen, dessen Namen und nähere Umstände
ich zunächst den Landsleuten wieder in Erinnerung bringen will.
Christian Theophil Unger^ 1671 — 1719, zuletzt Pastor in Herrn-
lauerschütz bei Glogau, ein Mann von besonderer Gelehrsamkeit
iß den classischen, orientalischen und neueren Sprachen, hinter-
liefs eine lateinisch geschriebene Abhandlung über das Leben
und die Verdienste des Aldus Manutius, welche Geret mit eige-
nen Zusätzen und Nachrichten über den Verfasser 1753 in Wit-
tenberg herausgegeben hat. Den ihm zugänglichen Quellen fehlt
freilich viel zur Vollständigkeit, doch hat er mit grofsem Fleifse
immerhin Dankenswerthes zusammengestellt; Manches wurde ihm
auch durch Apostoio Zeno ■) mitgetheilt, mit welchem er in Brief-
wechsel stand. In dem Jahre seines Todes erschien der erste
Band der An^afef^ typographid des Maittaire^ welcher eine Le^
') Die Schriften von Lazzeri und Apostoio Zeno über die Familie Ma-
nutins beziehen 6ich vorzugsweise auf Panlns BCanutias und Aldus Bfanutius
den Jüngeren. Dasselbe gilt von der Einleitung der „Serie delV edizioni
Äldine'* (Firenze, liDCCClII), welche auf Apostoio Zeno beruht. Üeber den
älteren Aldus Manutius enthält wieder mehr Tiraboschi in seiner grofsen
Litteiratui-geschlchte. Von Morelli wird bei Gelegenheit gesprochen werden.
Ueber einzelne Punkte haben aufserdem noch andere Italiener Aufschlufs
gegeben.
▼u
bensbeschreibuDg des Aldus enthfilt, gezogen aus den Vorreden
and Briefen desselben, soweit Maittaire sie kannte. Nicht von
grofeem Werthe ist das Bach des Manni, ■) welches 1759 her-
aaskam. Alle vorangegangenen Leistangen aber werden darch
Reichhaltigkeit der Nachrichten, sowie darch übersichtliche Dar-
stellung des Stoffes von Renouard *) übertroffen, welcher in einem
umfangreichen Buche das Leben und den Verlag der drei Ma-
nutius* mit einer so einsichtigen Gründlichkeit und Gewissen-
haftigkeit beschrieben hat, dafs man glauben sollte, das Werk
sei von einem Deutschen verfafst Einen kurzen Auszug aus
seiner Arbeit hat neuerdings mit einigen eigenen Bemerkungen
Firmin " Didoi *) geliefert.
Wenn ich es nun nach diesen Voi^fingem unternehme, ein
Bild von Aldus Manutius zu liefern, woran sich nur des Ab-
schlosses wegen eine kurze Uebersicht über das Leben seiner
Nachfolger anschliefsen soll, so will ich nicht davon sprechen,
dafs auch nach Benouard eine Nachlese gehalten werden konnte,
sondern zuerst hat mich der Umstand bewogen, dafs noch keine
deutsche Bearbeitang des Stoffes vorhanden ist Daneben aber
habe ich selbstständig den Plan verfolgt, die gelehrte und cultur-
historische Seite der Zeit und des Mannes durch genaueres Ein-
gehen auf die nöthigen Einzelnheiten mehr hervorzuheben, die
Persönlichkeit und das Wesen der Zeitgenossen, mit denen er in
Verkehr trat, ausführlicher zu schildern, am Anfange aber die
geistige Bewegung der vorangegangenen Zeit und seinen Zu-
sammenhang mit ihr in Kürze zu zeigen. So wird man in der
folgenden Arbeit neben dankbarer Benutzung dessen, was Re-
nouard und seine Vorgänger bieten, andere Momente der Sache
hervortreten sehen. Bei den vorkommenden Eigennamen ist die
lateinische Form beibehalten worden, weil sie unter dieser am
bekanntesten sind. Das Typographische und rein Bibliographische
konnte ich nicht in der genauen Weise beschreiben, wie Renouard,
' ) Vita dl Aldo Pio Manuzio scritta da Dominico Maria Manni.
In Venezia, MDCCLIX.
*) Annales de rimprimerie des Aide. A Paris, MDCCCXXXIV. (8. Auf-
lage.) Die erste Auflage erschien 1808.
') Les Aide Manuce par Ambroise Firmin -Didot. Extrait de la nou*
velle biographie g^n^rale.
Vlll
auch lag es nicht in meiner Absicht; aber von den meisten und
wichtigsten der älteren Aldinen selbst habe ich Einsicht nehmen
können. Dies verdanke ich den SchXtsen der hiesigen konig-
liehen Universitfits-Bibliothek und der stfidtischen Rhedigerana.
Die Bacher, welche aufser den schon genannten am häufig»
•ten in dem Folgenden citirt werden, heifsen mit ihrem volleren
Titel:
Bodms^ de Qraeds illusttibos, lingaae graeeae instauratoribus.
Londini, MDCCXLII.
Boemer, de doctis hominibus graecis, litterarum instauratoribus.
Lipsiae, MDCCL.
Erhard^ G^chichte des Wiederaufblühens wissenschaftlicher
Bildung, vornehmlich in Teutschland. Magdeburg, 1827 — 32.
Burckhardij die Cultnr der Renaissance in Italien. Basel, 1860.
Roseoe^ Leben des Pabstes Leo X. Aus dem Englischen über-
setzt von Glaser, mit Anmerkungen von Henke. Wien, 1818.
Gräfse, Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte, Bd. 2,
AbtheUung 2, (IIL), Bd. 2, Abtheüung 3, (lY.), Bd. 3, Ab-
theüung 1, (Y.). Dresden und Leipcig, 1842—52.
RebiiiSy Ouillaume Bude, restaurateur des itudes Grecques en
France. Paris, 1846.
Saxii Onomasticon Literarium. Trajeeti ad Rhenum MDCCLXXY
— MDCX3Cm.
QuirinuSf de Brixiana literatura renatarum literarum aetate.
Brixiae MDCCXXXIX.
Breslau, den 1. August 1861.
Inhalts - Verzeichnifs
8«it«
Erstes Capitel. 1449 — 1494 1-19
Aldus in Rom, Ferrara, Mirandola, Garpi. Geleimte Za-
stände in Italien. Erste griechische Drucke. Aldus in
Venedig.
Zweites CapiteL 1494—1515 20—52
Gatalog dm Biofter Udo»' des Aflllena.
Drittes Capitel 53—101
I. Aldinische AoBgaten. Ooisiftchrift Privilegien.
NachctaBk». Dmdnneiefaeii. Druckerei und Baeh-
handel. Dedieaittotien. Piieise der Bücher. StMe
d0v Anflagm. 5S^ 62
IL Die Academie des AMus. ... \ ..... . 6fif— 69
in. Die Mitglieder der Akademie 69— 84
rV. Aldus' Lehensschicksale und Schriften. Humanismus,
Paganismns und Ghristenthnm 85—101
Viertes Capitel 102—137
Briefe. 1485—1514.
Anhang. 1515—1597. 138—151
Andreas Asulanus. Paulus Manutins. Aldus Manutius der
Jüngere. Die Torresani. Grato von Grafftheim.
Berichtigung von Druckfehlern.
Seite 5 letzte Zeile des Textes lies des statt das.
7 ist die letzte Zeile des Textes in Anfahnm^zeichen einznschliefsen.
7 Zeile 3 der Anmerkung lies erst statt est
15 von unten lies demselben statt diesem.
- donatos statt donatns.
. oben - der Gehalte statt des Gehalts.
. letzte statt letzten.
. zuzogen statt zugezogen.
. omni statt omne.
- 119 d. Anmerk. 3 Zeile 10 lies profiteretur statt profiteretrur.
- 122 ZeUe 17 yon oben lies se statt sae.
Geringere Fehler wolle der geneigte Leser Terbessem.
- 35
. 15
- 38
- 14
- 60
- 24
- 70
. 7
- 91
- 12
- 108
- 21
Erstes Capitel.
1449 — 1494.
Aldus in Eom, Ferrara, Mirandiila, Carpi. Gelehrte Zustände
in Italien. Erste griechische Drncke. Aldus in Venedig.
Aldus Manutius wurde gegen 1449 in Bassiano^ einem
Flecken bei Velletri und den pontinischen Sümpfen geboren.
Von seinem Geburtsorte gab er sich Anfangs den Beinamen
Bassianas^ wofür er später den allgemeineren Namen Romanus
annahm. Aldus ist entweder eine Abkürzung von Theo-
baldus, oder nach Renouard's Meinung der eigentliche Name
eines Heiligen. Nach der italienischen Sitte ^ sich gern des
Vornamens zu bedienen, wird er gewöhnlich von seinen
Zeitgenossen Aldus genannt, seltener Manutius, und ist unter
diesem Namen auch den Späteren bekannter. Seit 1503,
zuerst in seiner Ausgabe des Ammonius; nannte sich Aldus
auch Pius nach dem Familiennamen der Fürsten von Carpi
im Modenesischen, und zwar besonders nach Albertus Pius,
den er, wie den jüngeren Bruder Leonellus, von Jugend auf
unterrichtet hatte, und mit welchem ihn zeitlebens eine zärt-
liche Zuneigung verband, die durch verschiedene Wohlthaten
Seitens des jungen Fürsten noch verstärkt worden war. Ihm
und sich zu Ehren und mit seiner ErlaubniTs legte sich
1
2
Aldus den Namen Piua bei als Einer, der gleichsam durch
Adoption in die Familie der Pius aufgenommen worden sei,
oder auch als Client den Namen des Patronus führe. So
schrieb er sich denn zuletzt vollständig Aldus Pius Manu-
tins Romanus. Ueber den sehr verschieden geschriebenen
Namen Manutius imd überhaupt über die Vorhältnisse der
Familie des Aldus wissen wir nichts. Der Enkel, Aldus
der Jüngere, behauptete am Ende des sochszehnten Jahr-
hunderts mehrmals, z. B. in seiner Vorrede zum Leben des
ersten Grofshcrzogs von Toscana, Cosmus von Medici, dafs
seine Familie zu den adligen und reichen Manucci in Florenz
gehöre. Man kann dies aber nur als Ausflufs einer gewissen
Eitelkeit ansehen, da weder der Grofsvater, noch der Vater
irgend etwas davon erwähnen. Auch ist das Druckerzeichen,
dessen sich Aldus und seine Nachfolger wie einer Art von
Wappen bedienen, von dem Wappen der florentinischen
Manucci, welches bei Manni zu sehen ist, ganz verschieden.
Zwar bedient sich Maximilian der Zweite in dem Diplome
von 1571, durch welches er den Paulus Manutius in den
Reichsadel erhöbt, folgender Worte: Considerata igitur fa-
miliae tuae honestate atque vetustate avitam nobilitatem^
a majoribus tuis successionis hereditatisque jure ad te deri"
vatamy non sotam benigne approbandam, confirmandam et
innovandam, sed majori splendore ornandam duximus;
indefs wird in denselben auch nicht mehr zu suchen sein,
als herkömmliche Formel. Wir müssen annehmen, dafs das
ganze Ansehn der Familie erst mit Aldus Manutius beginnt.
Ueber die erste Jugend desselben hören wir nichts weiter,
als dafs, wie er in der Vorrede zu seiner lateinischen Gram-
matik 1501 erwähnt, sein Lehrer ihn durch das Doctrinale
Alexandri de villa dei sehr gequält habe. Dieses lateinische
Lehrbuch des Minoriten Alexander aus Dole in der Bretagne
in leoninischen Hexametern, 1210 verfafst *), erhielt sich
') Es heifst am Ende:
Anno milleno ducentono quoque deuo
Doctor Alexander venerabilis atque magister
Doctrinale sunm dedit in commune legendum.
8ehr lange im Gebrauche. Es war allmählich durch eine
Menge von Glossen bereichert und durch unwissende Ab
Schreiber immer mehr entstellt worden.
Aldus kam nach einiger Zeit nach Rom und genofs dort
den lateinischen Unterricht des Caspar von Verona^ von
dem es eine Lebensbeschreibung des Pabstes Paul IL giebt^
und des Domitius Calderinus^ gest. 1478, der sich als Inter-
pret des Silius Italiens, Juvenal, Martial und anderer Alten
bekannt gemacht hat. Wiederum wissen wir von der
Zwischenzeit nichts, bis wir hören, dafs er in Ferrara, wo
das Estensische Haus seit dem vierzehnten Jahrhunderte eine
Hochschule gegründet und ein reiches geistiges Leben her-
vorgerufen hatte, den Baptista Guarinus aus Verona hörte,
bei dem er das Griechische lernte. *) Diesem seinem Lehrer
widmete er später den Theokrit und Hesiod von 1495. Er
selbst unterrichtete in Ferrara wahrscheinlich schon den
jungen Albertus Pius und, nach der Vorrede zu den Ge-
Uebrigens muTs auch bei diesem Bache, wie bei so manchen
Schöpfungen des Mittelalters, bemerkt werden, dafs es im Grunde vieles
Richtige enthielt, was nur überwuchert war durch Auswüchse, während
das Ganze durch seine geschmacklose Darstellung abstiefs. Die Gram-
matiker des Mittelalters und Yorzugsweise Alexander in seinem Doctri-^
nale, haben die Syntax der lateinischen Sprache aufgebaut, eine Arbeit,
welche die Alten fast rfhberührt zurückgelassen hatten. Weil aber ihr
Scharfsinn unter scholastisch spitzfindiger und barbarischer Sprache ver-
graben lag, so wurde das Ganze von den geschmackvolleren Humanisten
mit Verachtung bei Seite geworfen, bis Neuere ihnen gerechter geworden
sind. S. Haase, de medii aevi studiis philologicis, p. 38. (Breslau 1856.)
') Die Ouarini waren eine litterarische Familie. Schon der ältere
Guarinus, der Vater, 1370 — 1460, hatte von 1429 bis zu seinem Tode
in Ferrara besonders Griechisch gelehrt. Er war noch ein Schüler von
Emannel Chrysoloras und übersetzte auf Nicolaus V. Veranlassung Plu-
tarchs Biographien und Strabo ins Lateinische. Aufserdem war er der
Wiedererwecker des Catull; auch giebt es von ihm einen Auszug aus
der Grammatik des Chrysoloras. Der Sohn, Baptista Guarinus, Lehrer
des Aldus, folgte dem Vater unmittelbar in seiner Stellung. Von Deut-
schen hörten ihn in Ferrara unter Anderen Rudolf Agricola^ Johann von
Dalberg und Theodor Pleninger. Er schrieb nur Weniges: einige Ge-
dichte, Reden und üebersetzmigen aus Demosthenes und Chrysostomus.
Auch als Lehrer gewann er nicht den Ruf seines Vaters, von dem man
mit dem oft gebrauchten Ausdrucke Cicero's über Isokrates sagte, aus
seiner Schule seien mehr Gelehrte hervorgegangen, als Bewaffnete aus
dem Trojanischen Pferde. — Ein Neffe oder Enkel des Baptista schrieb
den »Pastor fido".
dichten der Strozzi 1513, auch den begabten Hercules Strozza,
welcher sich frühzeitig als lateinischer und italienischer
Dichter ausgezeichnet hat, wie sein Vater Titus Vespasianus
Strozza. Aber die Studienzeit in Ferrara wurde bald durch
einen der Kriege unterbrochen, welche Italien damals fort-
während verwüsteten. ^) Der Markgraf Hercules von Ferrara,
von den Venetianern angegriffen und geschlagen, schlols sich
in die Stadt ein, die belagert wurde. Alles floh, was noch
fliehen konnte, und Aldus begab sich 1482 zu dem reichen
und angesehenen Grafen Johannes Picus von Mirandula, der
mit ihm in Ferrara studirt hatte und damals noch nicht in
die spätere mystische Richtung verfallen war. Er war der
Bruder des regierenden, reichsunmittelbaren Grafen von
Mirandula und Concordia. Dieser Phönix des Jahrhunderts,
wie ihn seine Zeitgenossen bald übertriebener Weise nann-
'ten, — selbst bei Erasmus heifst er „rarum naturae mira-
culum" — benutzte seine Reichthümer jederzeit aufs Edelste
zu eigner Ausbildung und Unterstützung Bedrängter, beson-
ders Gelehrter. Er selbst, mit gelehrten Reisen beschäftigt,
hielt sich nur vorübergehend in Mirandula auf, wo Aldus
ungestört seinen Studien obliegen konnte. Er fand als Haus-
genossen den Emanuel Adramyttenus aus Greta, einen der
Griechen, welche damals zu Hunderten in. Italien herum-
irrten und in ihrer Muttersprache, zumal wenn sie noch
gelehrte Bildung hatten, einen Schatz mit sich führten, der
ihnen von Sicilien bis zu den Alpen, und Einigen noch
darüber hinaus, ein Unterkommen sicherte als Lehrer, oder
Correctoren, oder Abschreiber von Handschriften. Vielen
von ihnen ging es freilich bei alledem ziemlich schlecht.
Picus hatte den Emanuel theils aus Mitleid mit dem Hei-
mathlosen bei sich, theils um Griechisch mit ihm zu treiben,
*) Rudolf Agricola kam 1485 zum zweiten Male nach Ferrara und
schrieb an seinen Bruder: Es ist unglaublich, wie die ganze Gegend um
Ferrara verheert ist. Die Landhäuser sind niedergerissen und verbrannt,
der Thiergarten des Fürsten ist verwüstet, die Bäume niedergehauen,
die Mauern eingestürzt; die Kloster sind verlassen; die Strafsen sind auf-
gerissen und mit Schutt und Koth erfüllt. Mehr als 15,000 Menschen
sind in Ferrara theils durch Hunger, theils durch Pest, theils durch an-
dere Unfälle des Krieges weggeraflFfc.
wie dies vielfach in Italien geschah. Der tägliche Umgang
mit dem griechischen, ihm bald befreundeten Manne, der
gegen zwei Jahre dauerte, legte bei Aldus wahrscheinlich
den hauptsächlichsten Grund zu der Gewandtheit, mit der wir
ihn später Griechisch sprechen und schreiben sehen. Im
Anfange des Jahres 1485 ging Adramyttenus mit Picus nach
Pavia, wo er bald darauf starb; Aldus aber siedelte nach
Carpi über (lateinisch Carpi, orum, und Carpum) in das
Haus der verwittweten Fürstin Catharina von Carpi und
Novi, einer Schwester des Picus. (s. den Brief des Aldus
an Politian.) Dort unterrichtete Aldus die beiden Söhne der
Fürstin, Albertus und Leonellus, welche ihm beide zeit-
lebens zugethan blieben. Ueber seine Thätigkeit in Carpi
haben wir durch Morelli einige Aufschlüsse erhalten, denen
Renouard S. 540 eine poetische Zuschrift des Aldus an
Leonellus hinzugefügt hat.*) Er trieb mit beiden Knaben
die alten Sprachen, und besonders der ältere Bruder, Albertus,
geboren 1475, ein frühreifer Kopf, wie sein Oheim Picus,
berechtigte seinen Lehrer zu den schönsten Hoffnungen. Wie
lernte man aber damals die alten Sprachen bei dem Mangel
an brauchbaren grammatischen und lexicalischen Hülfsmit-
teln? Lateinische Grammatiken neuerer Art, nicht mehr im
Style das Doctrinale, gab es eigentlich zur Zeit, als Aldus
') Aldi scripta tria longe rarissima denuo edidit' Morelli. Bassani
1806. Die Schriften sind: Musarum Panagyris per Aldum Manuccium
Bassianatem Latinum cum Hexasticho et Paraenesi ejusdem ad Albertum
Pium Magnificum atque inclytum Garpi Prlncipem. Dann folgt in Ver-
bindung hiermit ein Brief des Aldus, etwa von 1488, an die Fürstin
Catharina Pia, hierauf eine zweite Paränese in Distichen ähnlichen In-
haltes , wie die erste , zuletzt ein kleines Gedicht des Aldus aus un-
bestimmter Zeit auf eine mit Cupido spielende Venus. Die Gesänge
der neun Musen zu je vier Distichen erheben sich nicht über die Art
gewöhnlicher Lobgedichte, die Paränesen aber sind besser. Sie fordern
zum fleifsigen Studium auf und dienen zur poetischen Einführung der
Schriften, welche Aldus seinem Albertus zur geistigen Förderung aus-
gearbeitet habe und übergebe.
Die Paränese an Leonellus enthält gut abgefafste Lebeusregeln, z. B.
Amandos esse moderatores, gnatonicos vero fugiendos.
Qui te corripiunt monitns, audito libenter.
Pagina: castigo, quos amo, sacra refert.
Meist dienen als Themata für die darunter stehenden lateinischen
Umschreibungen griechische Stellen aus Hesiods Werken und Tagen.
(>
in Carpi war^ schon genug, von denen ich als die neuesten
nur die Rudimenta linguae Latinae von Perotti (1475) und
die Grammatik des Venetianers Franciscus Niger (\^enetiis
MCCCCLXXX) anführen will. Aber wie unbeholfen und
überladen waren auch alle diese neuen Lehrbücher noch,
die den Anfanger zugleich mit einer Menge unnöthiger, ab-
stracter Definitionen plagten. Vorzügliche Arbeiten, wie die
Elegantiae des Laurentius Valla, waren für schon Gereiftere,
nicht für lernende Knaben. Griechische Grammatiken gab
es nur von Griechen, in ihrer Sprache geschrieben; sie wa-
ren aufser der Grammatik des Constantinus Laskaris noch
nicht gedruckt. Wenn lateinische Uebersetzungen dazu
existirten, so waren sie wahrscheinlich nicht sehr verbreitet;
gedruckt erschien die erste lateinische Uebersetzulig einer
griechischen Grammatik in Vicenza 1489: Constantini Las-
caris Erotemata cum interpretatione Latina. (S. den Anfang
des Katalogs der Aldinen.) Mit lexicalischen Hülfsmitteln
war es weit schlimmer bestellt, indem man noch immer auf
die alten, von Fehlern wimmelnden Wörterbücher des Papias,
Ugucio und dergl. angewiesen war. Noch war das erste
bemerkenswerthe lateinisch - italienische Lexicon, das des
Ambrosius Calepinus, nicht erschienen, nur das erste grie-
chisch-lateinische Lexicon des Mönches Grasten oder Creston
in Piacenza, der nicht lange nach 1492 gestorben zu sein
scheint, war vielleicht schon bekannt, da es schon 1480 soll
gedruckt worden sein, half aber schon wegen seiner Dürftig-
keit nicht viel. (Abgedruckt wurde es auf 100 Seiten von
Aldus 1497.) Die alten griechischen Lexica, deren man
schon einige wieder besafs, konnten nur von denen benutzt
werden, die schon Griechisch verstanden. Unter diesen
Umständen war der Lernende weit mehr auf die lebendige
Unterweisung des Lehrers angewiesen, als heut zu Tage. *)
War die lateinische Formlehre genau gelernt, wobei auch
die seltenen Wörter und Formen nicht weggelassen wurden.
') Nur so geniale Naturen, wie Budäus und sein Zeitgenosse Eras-
mns, konnten das Griechische fast ganz als Autodidacten lernen. Ueber
orstcren s. Guillaume Bude par Rebitte, S. 143 ff.
weil man sich eben der Sprache ganz wie einer zweiten
Muttersprache bemächtigen wollte, so trat von der Syntax
nur das Nothwendigste hinzu. Dann übersetzte und erklärte
der Lehrer einen Autor nach allen Beziehungen, und zuletzt,
auch vielleicht daneben, wendete sich der Schüler zu massen-
hafter, eindringlicher Leetüre mit eigenen Beobachtungen.
Hierbei hatte man zu manchen lateinischen Autoren italie-
nische üebersetzungen aus älterer und neuerer Zeit. Man
lernte die Sprache mehr aus ihrer eigentlichen Quelle, den
Schriftstellern, als methodisch aus der Grammatik. Im
Griechischen war es ähnlich; nur vertrat hier eine latei-
nische Uebersetzung Vorgeschrittnoren oft die Stelle des
Lehrers. Da aber Aldus sah, dal's es an leichten und über-
sichtlich geschriebenen Anleitungen gerade für die Elemente
fehle, für Aussprache, Accente, prosodische und metrische
Regeln, so arbeitete er für seine Schüler^) kleine gramma-
tische und metrische Schriften aus. Diese wurden später
entweder besonders von ihm abgedruckt, oder gingen in
seine lateinische und griechische Grammatik über, mit denen
er damals schon beschäftigt war, oder sind ungedruckt ge-
blieben. Wahrscheinlich sind zu diesen Arbeiten die weni-
gen Seiten De litteris Graecis zu rechnen, die er der Gram-
matik des Laskaris 1495 beigegeben hat, ferner der metri-
sche Theil seiner lateinischen Grammatik, dann die Ueber-
sicht über die Horatianischen Metra in seiner Ausgabe des
Horaz. Eine hierher gehörige, ganz verschollen gewesene
Brevissima introductio ad litteras Graecas wird im Serapeum
von 1857, S. 8. besprochen. Wenn er in dieser Zeit der
Catharina Pia unter Anderem schreibt, er habe wegen der
recta pronuntiatio secundum accentus et moderatio dictionum
*) Mit den Söhnen der Fürstin zusammen genofs auch der Jüngling
Jacohus Berengarius aus Carpi den Unterricht des Aldus. Dieser Bereu-
garius Carpensis, welcher est 1550 starb, hat sich als Anatom und Chi-
rurg einen Namen gemacht. Von 1502 — 1527 lehrte er in Bologna, wo
er 1522 seine Isagogae in auatomiam erscheinen liefs, die er dem Für-
sten Albertus Pius dedicirte. In der Dedication gedenkt er ihres frühe-
ren Zusammenseins: nulla oblivio delero potuit quam plurima studia et
honestissima, quae tecum in mansuetiorum rudimentis sub felici memoria
Aldi Manutii Romani, praeceptoris nostri, conferebam.
8
für ihre Söhne etwas aufgesetzt zur Vermeidung des Bar-
barismus ^ so meint er damit vielleicht Aufzeichnungen sol-
cher Art, wie sie seinem Statins beigegeben sind unter dem
Titel: Orthographia et flexus dictionum Graecarum omnium
apud Statium cum accentibus et generibus. . . . Der Anfang
derselben ist: Abas, abantos, äbanta. 6 aßag, rov aßavTog^
TOP aßavva. Xvyxk(üq y^al vneQfAvrjaTQag viog' Lyncaei et
Hypermnestrae filius.
Von den Paränesen, mit welchen er seine kleinen Aus-
^beitungen begleitete, möge die eine hier Platz finden:
Wenn sich im Winter, o Fürst Albertus, früher die Römer
Sandten nach altem Gebrauch mancherlei Gaben zur Lust:
Hattest du wieder gegeben des neuen Jahres Calenden,
Janus, der du des Jahrs Anfang und Ende erblickst.
Einer sandte ein Schwein, so grofs, wie um Calydons Mauern
Einstens der Eber erlag; Ferkelchen Jener zum Schmaus.
Andere sendeten Ziegen und Ilaasen und flüchtige Rehe,
Fette Euter der Sau*), lustiger Vögel Geschlecht;
Saftigen Prachtsalat Mancher, dem leidenden Magen zu helfen,
Und als neueste Frucht Rüben, gereift durch den Frost.
Würste auch, schmackhaft und süfs, erschienen von Andern als Gabe.
So war den Ahnen dereinst fröhlich des Winters Beginn.
So auch mögen dich jetzt, o fürstlicher Knabe, begrüfsen
Carpi und Novi und was sonst mit dem Ohm du regierst.
Mag das Gebirge dir Pilze, gewürzhafte TrüflFeln besorgen.
Und von der Meierei komme der Neujahrskapaun.
Solcherlei magst du von Andern in reichlicher Fülle erhalten;
Wir aber senden dir nichts, was nur den Gaumen ergötzt.
Geistige Speise vielmehr empfange von uns zum Geschenke,
Dafs dir die Seele mit Macht reife zur Bildung heran.
Nimm somit als Geschenk ein Büchlein, weniger Seiten,
Das ich geschrieben für dich und zum Gebrauch dir bestimmt.
Kurz sind darin erklärt die Accente, die beiderlei Sprachen
Brauchen mit festem Gesetz, um zu regieren das Wort.
Wenn dieses Werk dir geföllt, so sollst du weiter empfangen,
Was für gelegene Zeit ich dir noch berge im Schrein.
Hast du es fleifsig gelernt, so folgen dann gröfsere Bücher,
Welche dein Aldus noch hat, alle zu deinem Gewinn.
') Horat. epist. 15, 41: ... nil vulva pulchrius ampla.
9
Es fehlen nun sichere Nachrichten über Aldus bis zu
seinem Auftreten in Venedig 1494. Es läfst sich annehmen,
dafs Picus von Mirandula seine Verwandten in Carpi bis-
weilen besuchte, während Albertus Pius sich unter Aldus
Leitung ausgezeichnet entwickelte, dafs man darüber sprach,
wie der inmier noch herrschenden Barbarei mehr und mehr
abgeholfen werden könne, und dafs die Unterstützungen und
Zusagen der beiden Fürsten den dafür begeisterten Aldus
zu dem Entschlüsse brachten, eine Druckerei zu errichten
und die Werke der Alten in möglichst richtigen Texten über
die harrende VTelt zu verbreiten, besonders die der Griechen,
welche zum gröfsten Theile noch ungedruckt und nur We-
nigen zugänglich waren. Das Gelingen der Unternehmung
schien den Fürsten gesichert, wenn ein Mann, wie Aldus,
als Drucker und Herausgeber zugleich auftrete, ebenso ge-
lehrt, wie practisch, für die Sache enthusiasmirt und von
schätzbarem Charakter. Ein solcher werde im Stande sein,
die Arbeiten seiner nothwendigen Mithelfer in technischer,
wie geistiger Beziehung zu leiten und die schönsten Erfolge
zu erzielen. Damit man eine so vorausgesetzte Stimmung
der Betheiligten natürlich finde, wollen wir uns in kurzer
Uebersicht vergegenwärtigen, wie die gelehrten Zustände
Europa's und vorzugsweise Italiens sich bis dahin gestaltet
hatten.
Unter den Kriegen und Bewegungen der Jahrhunderte,
die dem Sturze des römischen B;eichs folgten, waren all-
mählich Gelehrsamkeit und Künste in tiefen Verfall gerathen.
Man las wenige lateinische Autoren: Virgil, Ovid, Lucan,
Statins, Einiges von Cicero, Boethius, Augustinus nebst an-
deren Kirchenvätern, sehr gern auch Macrobius, Marcianus
Capeila und Appulejus. Die Texte waren meist durch die Feh-
ler unwissender Abschreiber entstellt, auch vielfach lückenhaft
Von griechischen Werken kannte man nur sehr wenige, und
zwar aus schlechten lateinischen Uebersetzungen. Sehr viele
übrigens schöpften ihre ganze Gelehrsamkeit aus Augustinus
imd Isidorus Hispalensis. Dabei wurde das Latein, dessen
man sich als Sprache für gelehrte, kirchliche, staatliche
10
Zwecke bediente, seioem ürbildo immer mehr entfremdet,
am meisten durch den Gebrauch, den die Scholastiker von
ihm machten. Wir wollen die ursprüngliche Tiefe der
Scholastik nicht verkennen und ebensowenig vergessen, dais
unter ihrer Herrschaft die schönen lateinischen Kirchenlieder
entstanden sind; aber sie war im Laufe der Jahrhunderte
ganz in sophistische Dialektik und lächerliche Spitzfindig-
keiten ausgeartet. Mit ihrer Unwissenheit, Willkür und
einer Sprache, die sich um Schönheit und Richtigkeit nicht
kümmerte, beherrschte sie mehr oder minder alles geistige
Treiben des Mittelalters und gab ihm ihre Form. Ihr An-
sehen stützte sie hauptsächlich auf einen Aristoteles, der
gleich anfänglich in der verderbtesten Gestalt bei den Abend-
ländern wieder aufgetaucht war, unter den Commentaren
der Ausleger aber dem eigentlichen Aristoteles immer
unähnlicher wurde, zumal da alle Kenntnifs des Grie-
chischen aufserhalb Griechenland mit der Zeit ganz er-
losch. Sein Name und einzelne Wörter oder Sätze aus
ihm bildeten die Grundlage für alle Willkürlichkeiten,
(s. darüber Politian in der praefatio in Suetonium.) Gegen
diese dürre Scholastik, die nichts aufser sich wollte gelten
lassen, erhob sich zuerst in Italien eine Reaction, durch
welche dieses Land gewissermafsen zum dritten Male Europa
eroberte, nachdem in alten Zeiten die Römer, dann die
Kirche aus ihm heraus ihre Herrschaft gegründet hatten.
Mit der Wiedererweckung des Alterthums, die von Italien
aus in die übrigen Länder drang, wurden durch tausend
Vermittlungsstufen Künste und Wissenschaften, Recht und
geistige Bewegung aller Art zu einem neuen Leben gebracht.
Petrarca und Boccaccio haben neben ihrer Förderung der
Nationalliteratur das Verdienst, dafs sie durch ihr unermüd-
liches Hinweisen auf die Werke der Alten zunächst Italien
aus der Unwissenheit und Barbarei der Zeit herausrissen.
Sie erzeugten einen Enthusiasmus, der in gleicher Stärke
biM in das sechszehnte Jahrhundert fortdauerte und bald
über die Alpen drang. Nach Italien zu reisen und die be-
rühmten Lehrer daselbst zu hören, wurde das BedürfniTs
11
und der glühende Wunsch aller der Deutschen^ Franzosen,
Engländer u. s. w., die aus der Rohheit des Jahrhunderts in
Sprache, Wissen und Denken herausstrebten. Zuerst war
es das lateinische Alterthum, das aus Schutt und Moder
wieder erstand, dann, noch ehe die flüchtigen Griechen nach
Italien kamen und die Arbeit beförderten, das griechische.
Petrarca hatte _ es noch nicht dahin bringen können, Grie-
chisch zu lernen, ^) und Boccaccio hatte schon ungemeinen
Ruhm gewonnen mit seinen sehr unsicheren und geringen
Kenntnissen in dieser Sprache, die sich nur auf einen ge-
wissen Kreis von Vocabeln beschränkten ; denn er las zwar
den Homer, jedoch nur mit Hülfe der lateinischen üeber-
setzung, die ihm Leontius Pilatus gemacht hatte. Aber
bereits der Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts zeigt Män-
ner, wie Franciscus Philelphus, der das Griechische ebenso
fertig sprach und schrieb, wie das Lateinische, Laurentiu»
Valla u. a. Allmählich hatten sich viele gelehrte Griechen
in Italien eingefunden und beförderten die Kenntnifs ihrer
Sprache, in welcher ihnen manche gelehrte Italiener eben-
bürtig wurden, so wie wiederum unter ihnen nicht Wenige
sich des Lateinischen merkwürdig schnell bemächtigten.
Dabei waren Hochschulen gegründet und Bibliotheken von
Manuscripten gesammelt worden, wie die Vaticanische, die
schon unter Nicolaus V. bis zu 5000 Bänden anwuchs, die
Mediceische u. a. Als in der zweiten Hälfte des fünfzehnten
Jahrhunderts die Buchdruckerei nach Italien kam, sah man
in kurzer Zeit die meisten lateinischen Schriftsteller gedruckt,
während von griechischen, diegröfsere Schwierigkeiten machten,
vor Aldus Wirksamkeit nur sehr wenige erschienen waren.
Es drängt sich die Frage auf, was jene Zeiten, abge-
*) Wenn Petrarca von seiner Zeit sagt, es gebe kaum zehn Men-
schen (ihn mitgezählt) in Italien, die den Homer verständen, so meint
er damit nicht den griechischen Homer, den er selbst nicht lesen konnte,
sondern er will andeuten, dafs kaum zehn die nothwendigen antiquarischen
Kenntnisse hätten, um den lateinischen Homer zu verstehen, etwa den
Pindams ThebanuSf oder die Uebersetzung des Leontius Pilatus. Wie
gering noch Boccaccio's Kenntnifs des Griechischen war, habe ich in
einem frühern Aufsatze zu zeigen gesucht: Zur Charakteristik der italie-
nischen Humanisten des 14. und 15. Jahrhunderts. Breslau 1857.
12
sehen von dem allgemeinen Gefühle der Unbefriedigtheit
durch das bisherige geistige Treiben, mit diesem Enthusias-
mus zum Alterthum hingezogen hat. Wir haben gegen das
letztere jetzt, nachdem durch die Arbeit der vorangegange-
nen Jahrhunderte das ganze Leben vervollkommnet ist, einen
anderen, objectiveren Standpunkt eingenommen. Wir betrach-
ten die Werke der Alten als Muster der Form, die Betrei-
bung ihrer Sprache als Mittel zu formeller Bildung, welches
durch nichts Anderes ersetzt werden könne; ihr Inhalt bil-
det die Grundlage des historischen Wissens, dient zur Fülle
und Bereicherung des Denkens, soll überhaupt mit seiner
Kraft, Schönheit, Herbigkeit den modernen Geist wie mit
einer Beize durchdringen und färben; die moderne An-
schauung soll, so weit es angeht, von der naiven und ihrem
allgemein menschlichen Geiste durchweht werden. Dem vier-
zehnten und fünfzehnten Jahrhunderte waren die Alten mehr,
und muTsten es sein. Man ging fast ganz in ihnen auf,
nicht mit kritischem, sondern mit hingebendem Geiste. Zu-
erst — wir denken immer zunächst an die Italiener und die
lateinischen Schriftsteller, denen sich die griechischen natur-
gemäfs bald anschliefsen mufsten — zog ein nationaler Stolz
mit einem Gefühle der Pietät zu den Werken der Römer
hin. Die Macht der Tradition, der Gedanke, von den einst
die Welt beherrschenden Römern abzustanmien, hatte trotz
aller politischen Veränderung die Italiener stets durchglüht
und ihnen einen gewissen Schwung gegeben. Die Schriften
der Vorfahren kennen zu lernen, die Grofses gethan und
gedacht, galt als eine Art von Pflicht. In diesem Gefühle
sagt schon Petrarca regelmäfsig nostri von den Römern im
Gegensatze zu den Griechen, in demselben las Dante den
Virgil und was man damals von Livius hatte; ja, von die-
sem getrieben, wollte Rienzi sogar die staatliche Herrlich-
keit der Vorfahren, des herrschenden Roms, wiederherstellen.
Das nationale Gefühl fand sich auch in der Herrschaft
der lateinischen Sprache befriedigt, die doch niemals ganz
ausgestorben, sondern nur verderbt worden war. Jetzt,
nachdem man die alten Vorbilder wieder kennen gelernt,
13
sollte auch die Sprache wieder in ihrem alten Glänze auf-
treten, was der den Italienern besonders eigene Hang für
Wohlredenheit, Zierlichkeit des Ausdrucks und Wohlklang
mächtig beförderte, und neue Cicerone, neue Virgilo' sollten
entstehen.*) Dazu mufste man Richtigkeit des Ausdrucks
eifrig erstreben. In der Einleitung zu seinen Elegantiis
sagt Laurentius Valla (1407 — 57 nach Zumpts Angabe):
„Wir haben nicht durch unsere, sondern der Zeiten Schuld
Rom verloren, wir haben die Herrschaft verloren; doch wo
römische Sprache herrscht, ist römisches Reich. Freilich
hat seit vielen Jahrhunderten Niemand mehr wahres Latein
gesprochen, noch verstanden; aber die Zeit ist da, dafs es
wieder auflebe. Ich will aus Liebe zum Vaterlande dahin
arbeiten und als Sprachreiniger auftreten." An dem Streben,
durch Reinheit der Sprache die alten Vorbilder zu erreichen
und zu erneuern, nahmen bald auch die Gelehrten anderer
Nationen wie an einem gemeinsamen Ziele Theil und such-
ten, obschon nicht Nachkommen der Römer, mit allen Kräf-
ten Latini homines zu werden. Dabei trat sogar vielfach
das Bewufstsein der eignen Nationalität in den Hintergrund.
Man sah aber zuletzt die Werke der Alten überhaupt als
den Inbegriff alles Wissenswerthen an, abgesehen von der
Religion. Nur dadurch sei die Welt in Barbarei gefallen,
dafs sie dieselben vernachlässigt. Ganz nach Art der Alten
müsse man bei eignen Schöpfungen wieder verfahren und
nach ihren Lehren in Bezug auf Kunst und Wissenschaft
sich richten. So dachten der Philosoph, Dichter, Mathema-
tiker, Historiker, Redner, Jurist. Auch der Arzt und Natur-
historiker; denn lange Zeit hielten diese es für die Haupt-
aufgabe, einen gereinigten Galen, Hippokrates u. s. w. her-
zustellen, und noch lange dauerte es, ehe man, auf eigene
Beobachtung der Natur gestützt, anders heilte und die Natur
') Auch die italienischen Gelehrten verachteten bei der vorherr-
schenden Richtung auf die Alten hin lange Zeit den Gebrauch der
Muttersprache, die sich trotzdem im Gefolge derselben zu einer Blüte-
periode entwickelte. Wenn in Deutschland letztere aus mancherlei Grün-
den erst weit später eintrat, so hat es dafür vorher die Lutherische
Bibelübersetzung aufzuweisen.
14
anders betrachtete, als nach den Vorschriften des Aristoteles,
Theophrast, Dioskorides, Galen.
So suchte man nun mit allen Mitteln sich Manuscripte
der Alten zu verschaffen, oder selbst abzuschreiben; denn
die vorhandenen waren selten und theuer. ') Auch sehr
fehlerhafte zu haben, war doch immer besser, als gar keine,
da sie mit der Zeit durch Vergleichung mit denen Anderer
verbessert werden konnten. Wie Jagdhunde, sagt Fabroni
im Leben des Lorenz von Medici, spürten und suchten die
Gelehrten überall nach Handschriften. Hauptsächlich die
Klosterbibliotheken wurden nach den Codices durchforscht,
welche die Barbarei der Zeiten Würmern und Motten zur
Zerstörung überlassen habe, während sie, ans Licht gezogen,
den Durst nach Kenntnissen stillen und Sprache und Den-
ken bilden könnten. Ja Einige äufserten ein förmliches Mit-
leid mit ihnen, wie mit empfindenden Wesen, dafs sie in
finsteren Kerkern vergraben lägen, aller Ungunst preisgege-
ben. PoggiuSy 1380 — 1459, schildert in einem Briefe an
Guarinus Veronensis beweglich, wie es in der Bibliothek
von Sanct-Gallen ausgesehen habe, von wo er den vollstän-
digen Quintilian und den Asconius Pedianus mitgebracht
hat. Die Bücher hätten unter Schutt und Staub in einem
dunklen Thurmzimmer wüst herumgelegen, das man keinem
verurtheilten Verbrecher zum Aufenthalte anweisen würde.
(Die Verbrennung des ketzerischen Hieronymus von Prag
beschreibt derselbe weit kaltblütiger.) Wegen der Einsper-
rung und schlechten Behandlung der Bücher nennt er, wie
auch Spätere, die Klosterbibliotheken bisweilen ergastula.
Obgleich nun aber die gelehrte Bildung in Italien schon
einen hohen Grad erreicht hatte, als das übrige Europa noch
*) Es mag wohl bei der Angabe der Preise manches üebertriebene
sein. So scheint es z. B. wenig glaublich, dafs noch in der letzten Zeit
des Abschreibens von Handschriften Bohuslaus von Lohkowitz und Has-
senstein, geb. 1462, t 1510, für einen schön geschriebenen Plato 2000
Mailänder Goldgulden gezahlt habe. (s. Prochaska, de saecularibus libe-
ralium artium in Bohemia et Moravia fatis, S. 236.) Ein längeres Ver-
zeichnifs von Preisen meist lateinischer Ilandschriften aus dem 13. bis
14. Jahrhundert giebt Kirchhoflf: Die Handschriftenhändler des Mittel-
alters, S. 145 ff.
15
schlummerte, war es dennoch auch dort nur verhältnifsmäfsig
Wenigen möglich, an ihr theilzunehmen. Nicht Alle konn-
ten Hochschulen besuchen, Reisen für gelehrte Zwecke un-
ternehmen oder sich Bücher anschaffen. Noch 1502 nennt
Aldus in der Vorrede zum Ovid 500 Bände, von denen die
meisten gewifs schon Drucke waren, bei einem reichen ve-
netianischen Patricier eine prächtige Bibliothek.') Als die
deutschen Drucker nach Italien gekommen waren, stellte sich
der Preis der gedruckten Bücher etwa fünfmal geringer, als
der frühere der Handschriften. Aber der Preis war noch
immer zu hoch für Viele, wie die Klagen der Buchdrucker
über geringen Absatz beweisen.*) Zwar wurde dies alles
in wenigen Jahren besser; aber der Text der Bücher liefs,
wo sich nicht namhafte Gelehrte mit Unterstützung hochste-
hender Personen der Revision unterzogen hatten, viel zu wün-
schen übrig, und Druckfehler waren dabei sehr gewöhnlich.
Dies galt hauptsächlich vom Lateinischen, denn von griechi-
schen Büchern wurden vor Aldus Auftreten und bis zum
Ablaufe des ersten Jahres seiner Wirksamkeit von Anderen
wohl nur folgende gedruckt: die Grammatik des Constantinus
Laskaris^ Mailand 1476, 1480, Vicenza 1489 ; das griechisch-
lateinische Lexicon des Grasten, Mailand 1480 und öfter;
') In Deutschland mufsten sich noch 1524 Melanchthons (oder nach
seiner eigenen Schreibweise Melanthons) Znhörer das Exemplar ihres
Lehrers abschreiben, als er über Demosthenes Reden las. s. Ruhkopfs
Greschichte des Schulwesens in Deutschland, S. 252.
^) Die Deutschen Sweinheim und Pannartz, erste Drucker in Italien,
hatten sich 1464 zu Subiaco bei Rom niedergelassen, später in Rom
selbst. In ihrem Namen schreibt 1468 Andreas, Bischof von Aleria, der
ihre Ausgaben wesentlich leitete, an Pabst Paul IL: „An parva tuae
Sanctitatis gloria, ut, quae volumina vix centum aureis emi poterant aliis
temporibus, viginti hodie ac minoris bene exarata et non mendosissime
scripta redimantur; quae vix viginti aureis lectores mercabantur, guatuor
et vilius nunc etiam emantur?" Sie druckten noch kein griechisches
Buch, aber doch schon mit Hülfe von Theodorus Gaza griechische Stel-
len und Worter im Lactantius, Gellius und anderen. In ihrem Briefe von
1472 an Sixtus IV. klagen sie ihre Noth und den Mangel an Absatz.
Unser ziemlich grofses Haus, sagen sie, ist leer vom Nothwendigen, aber
voll von unverkauften Druckbogen. Ihre Auflagen waren nicht stark,
meist zu 275, höchstens zu 300 Exemplaren, s. Serapeum XIII. Die
erste Ausgabe der historia naturalis von Plinius, welche Johann von
Speier zu Venedig 1469 druckte, bestand nur aus 100 Exemplaren.
16
Aesop^ Mailand 1480; das Psalterium Graecum, Mailand 1481,
Venedig 1486; Homeri Batrachomyomachia, Venedig 1486;
der vollständige Homer in zwei Foliobänden mit den vUis
Homeri, ein typographisches Prachtstück, besorgt von De-
metrius Chalkondyles, Florenz 1488; Isokrates mit Einigem
von Theokrit und Hesiod, von demselben besorgt, Mailand
1493; die Anthologie des Planudes, herausgegeben von Janus
Laskaris, Florenz 1494.*) Soviel sei vom Entstehen des
Humanismus und dem ersten Zeitalter der naiven Repro-
duction gesagt.
Wenn nun ein für Gelehrsamkeit und Bildung der
Menschheit begeisterter Mann sah, wie mangelhaft noch die
gedruckten Texte der Alton waren durch Unkenntnifs der
Drucker oder Herausgeber (s. die Vorrede zu Perotti's Cor-
nucopiae), wie schwer dabei manche zu lesen waren wegen
der vielen Abkürzungen, wie griechische Bücher noch so
wenig vorhanden waren, weil für deren Herausgabe noch
Wenigere die Fähigkeit hatten, abgesehen von den äufseren
Schwierigkeiten, so mufste es ihm als ein zwar mühevoUer,
aber heiliger Beruf erscheinen, eine Druckerei zu errichten^
um durch seine Kenntnisse und seinen Eifer den Studiren-
den aller Länder möglichst billig gute Bücher zu verschaffen
und die ganze Kenntnifs des Alterthums zu erschliefsen. *)
^) In Deutschland wendete man griechische Typen zum ersten Male
in dem Priscian an, der 1501 in Erftirt durch Lupambulus Ganymedes
(Wolfgang Schenk) gedruckt wurde. S. Panzers typogr. Annalen. VI.
493. Hier sind die griechischen Stellen hineingedruckt, während solche
bei früheren Drucken hineingeschrieben oder ganz ausgelassen wurden.
Das erste ganz griechische Buch ist das neue Testament, Basel 1516,
welches Erasmus besorgte.
Das erste griechische Buch, das in Frankreich erschien, wurde 1507
in Paris von Güles Gourmont gedruckt. Es war der Gnomagyricus des
Tissard, ein kurzer Auszug aus den Gnomikern. s. Rebitte, S. 7 fF.
") Manche Italiener erklärten es noch zu Aldus Zeit für unklug,
die Kenntnifs der griechischen Autoren durch den Druck allgemeiner zu
machen; denn die Barbaren konnten sich dann zu Hause unterrichten
und würden weniger genöthigt sein, nach Italien, an die Quelle der Bil-
dung, zu kommen. So erzählt Beatus Khenanus in der Einleitung zu
den Werken des Erasmus: „Quidam Venetiis olim Aldo Manutio commen-
tarios Graecos in Euripidem et Sophoclem edere paranti dixit: Cave,
cave hoc facias, ne barbari istis adjuti domi maneant et pauciores in
Italiam ventitent."
17
So dachte Aldus. Wie wenig ihn Begierde nach Gewinn
erfüllte, sondern nur reiner Eifer und Enthusiasmus für die
Sache, der er sich widmete, werden wir später genauer
sehen. Kurz, er siedelte von Carpi gegen 1490 nach Ve-
nedig über, um dort nach den nöthigen Vorbereitungen als
Drucker aufzutreten. Daraus, dafs Aldus in seiner Vorrede
zum Thesaurus, vom August 1499, sagt: postquam suscepi hanc
duram provinciam, (annus enim agitur jam septimus) ....
schliefst Renouard, dafs er 1488 oder 1489 nach Venedig
gegangen sei. Ich möchte lieber Mitte 1490 setzen, damit
die Zwischenzeit bis zum Erscheinen des ersten aldinischen
Buches weniger lang ist. Auch pafst ja noch auf diese Zahl
der Ausdruck: ^ annus agitur jam septimus^, der im Nothfalle
gerade so in seinem Sinne etwas zu verengern ist, wie das
Wort septennium in ^Aldi monitum in Lugdunenses typo-
graphos'' (s. den Catalog der Aldinen bei 1503) erweitert
gedacht werden mufs. Warum Aldus gerade nach Venedig
ging, wissen wir nicht; doch liefsen sich wohl einige Ver-
muthungen äufsern. Venedig, die reiche und mächtige See-
und Handelsstadt, welche schon 1422 eine Bevölkerung von
190,000 Seelen hatte, zählte mehr Buchdruckereien, als ir-
gend eine Stadt Italiens (um das Jahr 1500 gegen 200)^
ein Beweis^ dafs der Absatz dort gut von Statten ging.
Dazu kam» dafs Venedig der sicherste Ort der Halbinsel war
und unter seiner oligarchischen Regierung auch im Innern
nicht durch die Partei -Unruhen zerrüttet wurde, die der
Krebsschaden anderer Republiken waren. Für Aldus als
(pikikXfjVy wie er sich Anfangs nannte, z. B. in der Vorrede
zum Musäus, konnte die Stadt noch einen andern Anzie*
hungspunkt haben: erstens nämlich war dort der gröfste
Zusammenflufs von Griechen; dann war seit dem Tode des
Cardinais Bessarion, welcher der Republik seine Bücher voe-
macht hatte, die Marcusbibliothek in Vtoedig gegründet
worden, deren Grundlage die Bücher des Cardinals und die
schon hundert Jahre früher von Petrarca geschenkten waren.
Letzterer hatte auch einige griechische Manuscripte besessen:
Homer und mehrere Schriften Plato^s, die er zu seinem
2
18
Bedauern nicht hatte lesen können; die Bibliothek Bessarioos
aber soll aus 900 Bänden bestanden haben, worunter g^en
600 griechische waren, die ihn, wie man berechnete, 30,000
Ooldscudi gekostet hatten (s. Boemer, de Graecis hominibus
doctis, S. 66 ff. ; Voigt, erstes Jahrhundert des Humanismus,
S. 337, 338). Diese Bibliothek konnte Aldus reizen. Er«
weislich hat er später bei manichen seiner Ausgaben, z. B.
der des Plutarch und Plato, Handschriften benutzt, die
Bessarions Eigenthum gewesen waren.
Nach Apostolo Zeno hielt Aldus in der ersten Zeit in
Venedig Vorlesungen über alte Autoren, hauptsächlich aber
lernte er das Drucken und traf dann Anstalten, selbst eine
Druckerei zu errichten. Gundling in seiner ^Historie der
Gelahrtheit^ meint, dais Aldus bei dem berähmten Jenson
oder Jansen gelernt habe. Dies ist zwar nicht wahrschein-
lich, da Jenson um diese Zeit wohl überhaupt nicht mehr
lebte; wenigstens Drucke unter seinem Namen erschienen
nur bis 1482. Wenn aber Renouard mit seiner Angabe
8. 389. Recht hat, dafs Andreas von Asola, später Aldus'
Schwiegervater, die Druckerei des Jenson 1479 gekauft habe,
so bliebe von Gundlings Nachricht doch etwas übrig, wenn
man annähme, dafs Aldus bei Andreas in der ehemals Jen-
sonschen Druckerei gelernt und durch seine Lehrzeit bei
diesem den Grund zu ihrer späteren Verbindung gelegt habe.
Doch sind dies nur Vermuthungen. Den Ort, wo Aldus
seine Druckerei einrichtete, giebt die Adresse eines Briefes
aus Carpi an,^) den Marcus Musurus an den Corrector Jo-
hannes Gregoropylus richtet: In Casa di M. Aldo apresso
Sancto Augustino doue se stampe. Renouard, 8. 520.
Um die fernere Erzählung von Aldus' Thätigkeit, nicht
durch die Erwähnung der erscheinenden Bücher fortwährend
zu unterbrechen, werde ich jetzt den Catalog der Aldinen
geben, wobei hin und wieder der Erzählung vorgegriffen,
Anderes erst wieder durch diese erläutert werden wird. Aus
*) Der Brief wurde durch einen Diener des Fürsten Albertus über-
bracht und mufs vor 1505 geschrieben sein, ehe Musurus nach Padua
berufen wurde. '^
19
den Vorreden werde ich einzelne charakteristische Stellen
ausziehen^ bei der Aufzählung der Bücher selbst aber mich
meist auf Renouard als den sichersten Führer stützen,
auf den ich auch für die vollständigen Titel verweise, die
ich ihrer Länge wegen nicht immer ausgeschrieben habe,
oder mehr erklärend beschreibe. Bei einzelnen Büchern
ergeben sich gelegentliche Bemerkungen. Die beigeschrie-
benen Preise sind aus den Catalogen des Aldus selbst ent-
nommen, »und zwar ist der Ducaten zu 6 librae (lire) =
12 marcelli =124 solidi gerechnet.
Zweites Capitel.
Catalog der Bücher Aldns' des Aelteren.
1494 — 1515.
1. Constantini Lascaris Erotemata cum interpretatione
Latina. De litteris Graecis ac diphthongis et quemadmodum
ad nos veniant. Abbreviationes quibus frequentissime Graeci
utuntur. Oratio Dominica et duplex salutatio Beatae Vir-
ginis. Symbolum Apostolorum. Evangelium Diei Joannis
Evangelistae. Carmina Aurea Pythagorae. Phocilidis viri
8apientissimi moralia. Omnia suprascripta habent e regione
interpretationem Latinam de verbo ad verbum. Venduntur
marcellis quatuor.
Die Erotemata haben am Ende die Jahreszahl 1494, und zwar
Februar 1494, was nach damaliger Rechnung bei den Venetianern der
letzte Monat des Jahres 1493 war; hinter De litteris Graecis .... aber
steht März 1495. Man findet das Ganze jetzt immer zusammengebunden.
Die Grammatik des Lascaris, beruhend auf Herodian, dem Etymologicum
magnum, Tryphon und Neueren, blieb mit denen des Theodorus Gaza und
Chrysoloras lange Zeit die Grundlage aller griechischen Grammatiken.
Am längsten hat sich aus ihr und Theodorus Gaza rvnra} als Paradigma
erhalten. Das erstgenannte Buch war schon mehrmals vorher gedruckt
erschienen, aber jetzt vergriflFen. Aldus gab es correcter und vollstän-
diger heraus. Es brachten ihm nämlich zwei vornehme venetiamsche
21
Jünglinge, Petras BembuB, der nachmalige Cardinal, und Angelas Ctabriel,
aaf den Wunsch des alten Gonstantinus Laskaris, den sie in Messina
gehört hatten, die Grammatik desselben zum Drucke, welche jener selbst
an mehr als 150 Stellen verbessert hatte. Die lateinische Uebersetzung
war die des Johannes, monachus Placentinus (Graston von Piacenza),
welche der Vicentiner Ausgabe von 1489 beigegeben war, nur gereinigt
von den gröbsten Fehlem und unlateinischen Wendungen. In dieser
ging nämlich das Bestreben, wörtlich zu übersetzen, so weit, dafs z. B.
yta^ ßactXei übersetzt wurde : juxta regi. Hier setzt Aldus : juxta regem,
wodurch aber ein Anfönger. wieder in die Gefahr kommen konnte, ßaatXet
für den Accusativ gleich regem zu halten; denn diese Art von lieber-
Setzungen war nur für Anfönger berechnet, welche aus ihnen nicht nur
den Sinn des griechischen Textes verstehen, sondern auch die einzelnen
Wörter desselben als Vocabeln und Formen kennen lernen sollten. Der
Hauptfehler ist eben der, dafs die des Beispiels wegen angeführten grie-
chischen Wörter überhaupt lateinisch übersetzt sind. Hier fügt sich auch
Aldus dem Bedürfnisse und der Sitte der Zeit, wenn er es auch nicht
über sich gewinnen konnte, juxta regt stehen zu lassen, und hat, wie
Graston, z. B. folgende Sätze : Ita ante m% attenuatur, ut dies, — Indigeo
suhscrihitur ab ionico egeo, et celehro a celehro Davon lautet der
griechische Text: ro 17 TtQO rov /i y;tXovrat, olov ^fia^. (17 vor fi hat
den Spiritus lenis, wie in rj^iaq). XQÜ^ v^toy^ayerai ano rov tcoyixov
X^t^of, xl^^ca ano rov xXrjft^to, . . . Of^S«», vom ionischen x^"^"^» hat
ein iota subscriptum, ebenso «^jj?«?, von xXrjtZco ) üebrigens findet
sich dieselbe Art der Uebersetzung auch noch in der Basler Ausgabe des
Theodorus Gaza von 1541. Wie künstlerische Uebersetzungen aber auch
Aldus* Zeit hervorbringen konnte, wenn man nicht für Anfönger sorgen
wollte, zeigt Politians Herodian.
In dem Appendix: De litteris graecis ac diphthongis, lehrt Aldus nach
damaliger Sitte die neugriechische Aussprache, wie sie Reuchlin aus Italien
nach Deutschland gebracht hat. Er Sagt ausdrücklich: „Hfacit i longum,
ut tPHNH phini, at facit ae, ') ut aiyle, aegis. ei facit i longum, ut eU
is, x^^> c^' ^*" ^'^ci^ i longum, ut oifiol imi. 17 i longum, r^ fiovcri
ii müsi**, u. s. w. Man sieht den Itacismus. — In der Vorrede zur Gram-
matik schreibt Aldus: „Interpretationem Latinam e regione addidimus ....
nam rudibus et ignaris penitus litterarum graecarum La^caris institutiones
grammaticas imprimendas curavimus. Mox eruditis et doctis optimi grae-
corum libri favente Ghristo Jesu imprimentur." In der Vorrede zum Ap-
pendix: Omnem vitam decrevimus ad hominum utilitatem consumere.
Dens est mihi testis nihil me magis desiderare, quam prodesse hominibus.
quod et anteacta vita nostra ostendit, ubicunque viximus, et ostensuram
'} In der ersten Ausgabe steht e statt oe; die zwei folgenden aber
haben oe.
22
Bperamns (quando id volamus) indies magis qnamdiu TiTitnns in hac
lachrymarum valle et plena miseriae. Dabo eqoidem operam, ut, qaaii-
tnm in me est, semper prosim .... haec tarn mnltis verbis dixi amore
incredibili erga omnes homines incitatus meo.
1495.
1. Theodori Gazae Introductivae Grammatices libri
quatuor. Ejusdem de mensibus opusculum. ApoHonii gram-
matici de constructione libri quatuor. Herodianus de na-
meris. 1 duc.
Hierbei ein Privilegium des Senats gegen Nachdruck. In der Vor-
rede an den Leser wird von der Menge der alten Grammatiker gesprochen
und der Verlust derselben beklagt .... ut aliis plurimis in quavis scientia
pretiosissimis libris, vel hominum incuria vel infelicitate temporum his
quoque caremus. Yix extant Apollonii quatuor libri de constructione,
qui quales sint, ipse studendo cognosces. 111 ud uon te fugiat exemplaria
habuisse me quam plurima curasseque, ut quam emendatissime imprime-
rentur, neque quidquam ausum aut addere aut diminuere. Sperabam enim
cum ceteros Apollonii libros, tum hos quoque de constructione habituros
nos aliquando correctiores, et quotcunque etiam scripsit Herodianus filius,
si quo in carcere indigne et miserabiliter detenti latent squalidi fuligi-
nosique et corrosi blattis. Interim ....
2. Theocriti eclogae triginta. Catonis Romani sententiae.
Sententiae Septem sapientum, Theognidis Megarensis Siculi
sententiae elegiacae. SentenLiae monostichi per capita ex
variis poetis. Aurea carmina Pythagoroß. Phocylidae poema
admonitorium. Garmina Sibyllae Efifthraeae de Christo Jesu
domino nostro. Differentia vocis. Hesiodi Theogonia. Ejus-
dem scutum Herculis. Ejusdem georgicon libri duo. 8 marc.
Es giebt eine Ausgabe ohne Datum von achtzehn Idyllen des Theo-
krit zusammen mit Hesiods Werken und Tagen, der mau das Jahr 1493
giebt. Aldus' Ausgabe wäre also die zweite. Die dritte ist von Zacharias
Kalliergus, Rom 1516, welche auch die Schollen zu achtzehn Idyllen
enthält.
Die Vorrede ist an Baptista Guarinus gerichtet : Aldus Man. -Roman.
Baptistae Guarino, praeceptori suo. En tibi, magister doctissime, Theo-
gonia Hesiodi, quam petis a uobis interpretaturus publice discipulis tuis.
Addidiinus ejusdem poetae Scutum ac Georgicorum libros, nee non Theo-
criti Idyllia. Item Si qua tarnen leges incastigata tarn hie quam
in ceteris libris, quos ego ad communem studiosorum omnium utilitatem
23
curo imprimendos (nam esse aliqua non eo inficias), doo mihi impates,
sed exemplaribas. Non enim recipio me emendatumm libros; nam in
qoibusdam Oedipo conjectore opus esset (ita enim mutilati quidam sunt
et iüversi, ut ne ille quidem, qui composuit, si revivisceret, emendare
posset); sed curaturom summo studio, ut yel ipso exemplari imprimantnr
correctiores. Sic in Apollonio granmiatico fecimus. Sic in hoc libro in
üs, qoas addidimus, eclogis, rati satius esse aliquid habere, quam nihil.
Quod incorrectnm est, si lateat, raro vel potius nunquam emendatur. Si
yero prodit in publicum, erunt multi qui castigent, saltem longa die. Sie
in Fabio Quiutiliano, sie in C. Plinio Nepote, sie in nonnuUis aliis fac-
tum videmus, qui quotidie emendantur, qüotidie pristinae elegantiae et
candori propius accedunt. Sed periniqui sunt et ingrati, si qui sunt,
qui me accnsent. Eis ego nihil imprecarer, niäi ut, quemadmodum ego,
ita et ipsi curarent aliquando imprimendos graecos libros. Sentirent certe
longo aliter Hunc librum tibi dicamus tum mea in Veronenses
benevolentia (debeo enim plurimum Veronensibus; nam a Gaspare Vero-
nensi, peregregio grammatico, didici Romae latinas litteras, a te vero
Ferrariae et latinas et graecas), tum quia totus fere hie liber est de
moribus. Quid enim convenientius, quam de moribus scribere ad eum,
qui Sit moribus omnium ornatissimus? Es tu quidem aetate nostra alter
Socrates.
3. Petri Bembi de Aetna ad Angelum Chabrielem liber.
4. Organen ÄHstotelis^ hoc est logici ac dialectici libri.
1\ duc.
Hinter der Vorrede des Aldus folgen griechische Vorreden des Bon-
dinus und Carteromachus.
Um diesen Band machten sich besonders verdient der venetianische
Arzt Alexander Bondinus, genannt Agathemeros, und Scipio Cartero-
machus. Er ist, wie der ganze Aristoteles und viele der späteren Bü-
cher, dem Fürsten von Carpi gewidmet: Hos libros. Alberte Princeps,
tibi dicamus, tum quia es doctorum aetatis nostrae alter .Maecenas; nam
ipse tibi, quod Flaccus Maecenati, merito dixerim: o et praesidium et
dulce decus meum; in mea enim hac dura provincia tua ope*) defensus
sum maxime et adjutus, ita ut, si mihi debent, tibi aeque debeant necesse
est Studiosi litterarum graecarum : tum etiam quia novi te librorum grae-
corum percupidum, quos ut tibi pares, nulli parcis impensae, imitatuß
Picum Mirandnlanum, avunculum tuum, hominem ingenio admirabili et
summa doctrina, quem nobis mors invida nuper surripuit, comitem Her-
'} In einem der späteren Bände des Aristoteles sagt Aldus von
demselben Albertus: non modo assidue adjuvas provinciam nostram opi-
bus tuis, sed agros quoque fertilissimos amplissimosque te mihi dona-
tnmm palam dicis. Immo oppidum amoenum ex tuis ita meum futurum
poUioeris, ut in eo aeque ac tu jubere possim.
24
molao Barbaro et Angelo Politiano, viris aetatis nostrae dootissimis, qni
tres tamqaam trinmyiri poterant cum antiquitate certare. Homm ta
aemulus, docte adolescens, non dubito quin brevi sis plarimnm profe
cturus. Nihil enim tibi deest: non ingenium, quo yalde abundms; non
eloqnentia, qua tu es praeditus ; non libri, nee latinae nee graecae neque
hebraicae disciplinae, quos tibi summo studio cnraqne perquiris; non
doctissimi praeceptores , quos tu conductos habes mnlta pecunia. In-
combe igitur (ut facis) bonis artibus. Ego qnidem tibi, si quid possum,
nunquam deero. Habes nunc a me libros Aristotelis logicae disciplinae.
Habebis Deo fayente et philosophicarum tum morales tum physicos, et
quoscunque ille divinus magister legendos posteritati reliquit, modo extent
Erunt deindo a me tibi et ceteris studiosis commentatores Aristotelis,
Ammonius, Simplicius, Porphyrius, Alexander, Philoponns et Themistias
paraphrastes. Imprimentur etiam grammatici, poetae, oratores, historid
et quicunque profuturi videbuntur studiosis consulturique peritorae doc-
trinae et bonis litteris.
1496. .
1. Thesaurus. Comucopiae et Horti Ädonidis. 1^ duc.
Eine GoUection griechischer Grammatiker.
Ecce habetis opus oppido quam utile et uecessarium, quod xe^ae
uifiaX&elas, quod ocrJTtove uiBcoviBos, quod jure Thesaurum appellayerim.
In eo enim fere omnia reposita sunt, quae desiderare quis possit ad
p^ectam absolutamque cognitionem litterarum graecarum, et eorom
praecipue, quae leguntur apud poetas, qui verba variis figuris ac Unguis
ita saepe immutant, ut facilius sit Nili caput, quam alicujus temporis
thema aut principium invenire. Sed hoc libro quam facillima facta sunt
omnia. Primus labor in eo fuit Guarini Camertis et Caroli Antenorei
Florentini, hominum multi studii ac in graecarum litterarum lectione
frequentium. Hi simul ex Eustathio, Etymologico et aliis dignis gram-
maticis accepere haec canonismata digessereque per ordinem litterarum,
nee sine adjumento et consilio Angeli Politiani, viri summo ingenio ac
impense docti. Secundus vero labor mens fuit, qui ea omnia recognovi,
non parvo labore cum iis conferens voluminibus, unde excerpta fuerant
Multa enim addidi, plurima immutavi, adjuvante interdum Urbano, divi
Prancisci Fratre optimo, a quo brevi habebitis, quas summa cura ac
doctissime composuit in graecam linguam introductiones.
Firmin-Didot glaubt dieses Buch 1497 statt 1496 ansetzen zu müs-
sen, indem er bemerkt: Renouard indique ä cet ouvrage la date^de 1496,
quoique sur Toriginal la dato soit ainsi imprim^e: M. III. D; et cepen-
dant M* Renouard ränge sous la date de 1497 les autres ouvrageß d'Älde
qui portent cette meme indication: M. III, D. (Les Aide Ms^nuce par
25
Ambroise Finniii-Didot, S. 291). Er hat nicht das Original selbst an-
gesehen. Dies hat als Jahreszahl M IUI. D., was Renouard wohl wuTste,
nur dafs bei ihm durch einen Druckfehler M. III. D. steht
1497.
1. Äristotelis operum yolumen secundum. Arisiotelis
vita ex Laerüo. Ejusdem vita per Joannem Philoponum.
Theophrasti vita ex Laertio, Galeni de philosopho historia.
Äristotelis de physico auditu libri VIII. De coelo libri IV.
De generatione et comiptione 11. Meteorologicorum IV. De
mundo ad Alexandrum unus. Philonis Judaei de mundo
über unus. Theophrasti de igne lib. I. Ejusdem de ventis
lib. I. De signis aquarum et ventorum incerti auctoris.'
Theophrasti de lapidibus lib. I. 2 duc.
Qualescunque (Äristotelis scilicet et Theophrasti libros;
habere potui, imprimendos curavi, sperans, sicubi latent meliores, in
lucem aliquando exituros, a studiosis, qui mendosos hos legerint, quae-
sitos perdiligenter. Äristotelis yero et quae nunc legenda damns, et
quae mox Deo favente datnri sumus, mnltum certe elaboravi, ut tum
^qnaerendis optimis et antiqnis libris atqne eadem in re mnltiplicibus,
tum conferendis castigandisque exemplaribns , quae dilaceranda impres-
soribus traderentur perirentque ut pariens yipera, in manus homiuum
yenirent quam emendatissima.
^ 2. Volumen tertium. De historia animalium libri IX.
De partibus libri IV. De incessu lib. I. De motu lib. L
De generatione animalium libri V. De anima libri III.
Parva naturalia etc. 2^ duc.
Quodsi hos de animalibus libros cum üs conferes, ') quos
miro successu Theodorus Gaza, licet Graecus homo, tarnen et latine et
graece eruditorum omnium aetatis suae facile princeps, fecitlatinos, breyi
quantum profeceris non poenitebit. Ibi enim utriusque linguae proprie-
tatem licet cognoscere. Quod et nobis et Graecis est apprime necessa-
rium. Nullus est (mihi crede) graecus liber, in quo facilius disci graeca
') Möglichst wortliche lateinische Uebersetzungen griechischer Auto-
ren waren ein Hauptmittel, um Griechisch zu lernen. Darum sagt Mu-
tianus Rufus wenige Jahre später zu Henricus Urbanus: Cum latinam
linguam ad amussim tenes, graecam nullo negotio percipies. Habebis
adjumenta maxima; nam Aldus ubique graecis latina copulat. Tentzel,
S. 84.
26
liagüA possit ab hominibns nostris propter Theodomm. Sic g^aeee didi-
cit Hermolaas Barbaras, sie Picus Miraodala, avuaculas taas, sie Uiero-
nymus Donatas, sie Angelas Politianus sie deoiqae qaicanqoe
graeeas litteras eallet temporibus nostris. Idem et tibi, mi Alberte,
censes faeiendum, ut, cum et tu non medioeri sis ingenio, iis, qaos
praedixi, et eloqnio par fias et scientia reram.
3. Yolumen quartum. TheophrasH de historia planta-
nun libri X. Ejusdem de causis plantarum lib. VI. Äri-
stotelis problematum sectiones duodequadraginta. Älexandri
Aphrodisiensis problematum libri duo. Aristotelis mecliaiii-
comm lib. I. Ejusdem metaphysicorum lib. XIV. Theih
phrasH metaphysicorum lib. I. 3 duc.
4. Institutiones graecae grammatices (auctore fratre
ürbano Bohanio ordiuis minorum). jt marc.
Dieses oft wiederholte Baeh ist darch die Vorträge des Constantinns
Lascaris hervorgerufen, welehen ürbanus in Messina gehört hatte. Es
ist die erste selbständige lateiniseh geschriebene Grammatik der grie-
chischen Sprache bei den Neueren, keine lateinische Uebersetzong der
Grammatik des Lascaris.
5. JambKchus de Mysteriis Aegyptiorum^ Chaldaeorum,
Assyriorum. Proclus in Platonicum Alcibiadem de auima^
atque de daemone. Proclus de sacrificio et magia
Mcursilii Fidni liber de voluptate (haec omnia latine). 3 libr.
Eine Sammlung philosophischer, besonders neuplatonischer Schriften.
6. Dictionarium graecum copiosissimum secundum or-
dinem alphabeti cum interpretat^one latina. CyrilK opu»-
culum de dictionibus .... Ämtnanius de differentia dictio-
num .... Index oppido quam copiosus dooens latinas di-
ctiones fere omneis graece dicere et multas etiam multis
modis. 1 duc.
Das griechisch -lateinische Lexicon, welches die ersten 50 Blätter
einnimmt, ist ein Wiederabdruck des Lexicons von Creston pder Graston
aus Piacenza; dagegen ist der am Ende befindliche lateinisch-griechische
Theil von Aldus.
8 — 11. Philosophische und medicinische Schriften des
Laurentius Mcgolus und Averroes, 2 libr.
12. Libellus de Epidemia^ quam vulgo morbum Galli-
cum vocant (a Nicoiao Leoniceno Vincentino).
13. Horae beatissitnae Virginis .... Graece. 2 marc.
27
1498.
1. Äriitotelis quintom et lütimum volumen. 2 duc,
später 4 dnc.
Ethicorum ad Nicomachum libri X. Politicorum libri
Vm. Oeconomicomm libri IL Magnorum moralium libri
n. Moralium ad Eudemum libri Vm. 2 duc.
Atqne utinam id omne , quod est a Leonardo Aretino in lati-
num traductum, dare potuissem, qnod ut haberemus Romam, Florentiam,
Mediolanum, in Graeciam, ad ipsos quoque divisos toto orbe Britannos
et quo non? misimus nee, nisi quod etiam Venetiis habebatur, accepimus.
Die Poetik und Rhetorik des Aristoteles erschienen erst 1508 im
ersten Bande der Rhetores graeci, - Den Preis für die fünf Bände des
Aristoteles und Theophrast (von letzterem fehlen die ;^a^«>«r^^eff) erhöhte
Aldus später von elf auf dreizehn Ducaten. Sie haben zusammen 3648
Folioseiten. Eine Abschrift derselben würde nach der später erwähnten
Rechnung (s. drittes Qapitel, I.) wenigstens sechzig Ducaten gekostet
haben.
2. Äristophanis comoediae novem cum scboliis graecis
Marci Musuri. 2\ duc.
Es fehlen Lysistrate und die Thesmophoriazusen, welche erst 1515
in der Florentiner Ausgabe erscheinen. Musurus, der eigentliche Her-
ausgeber, ist bei der Zusammenstellung der Schollen nicht ohne Aus-
wahl verfahren. Die lateinische Vorrede des Aldus ist an Daniel Clarius
aus Parma gerichtet, mit welchem Ersterer in vielfacher Verbindung ge-
standen zu haben scheint. Es heifst in ihr: Errant meo judicio multum,
qui se bonos philosophos medicosque evasuros hoc tempore existimant,
si expertes fuerint litterarum graecarum Accipe igitur novem
Äristophanis fabulas; nam decimam, Lysistraten, ideo praetermisimus,
quia vix dimidiata haberi a nobis potuit.
3. Omnia opera Angeli PolitianL 1 duc.
Gewidmet dem venetianischen Patrider und Geschichtsschreiber
Marinus Sanutus. Die Sammlung der einzelnen Schriften des Politian
ist durch Alexander Sartius und Petrus Crinitus (Ricci) besorgt. Die
ewjuratio PacHana fehlt in dem schönen Drucke, wahrscheinlich absicht-
lich von Aldus weggelassen.
4. Ad Alexandrum Sextum Pontificem Maximum pro
Philippo Bavariae duce Palatino Rheni Sacri Romani Im-
perii Electore Joannis Reuchlin phorcensis Legum doctoris
Oratio.
Vgl. später Brief XI, Anmerk. 1.
28
5. Erster Catalog der bis dahin gedruckten Bficher
des Aldus.
Dies ist der erste bedeutendere Gatalogf, den ein Buchhändler von
seinen Yerlagsartikeln erscheinen liefs. Als das erste dieser Art mob
man allerdings die kurzen Angaben yon Sweinheim und Paonart« nebst
einigen Späteren betrachten. Dabei Angabe der Preise.
U99.
1. Epistolarum graecarum collecHo, 1 duc.
Zwei Abtheilungen in einem Bande, besorgt von Musurus, gewidmet
dem Antonius Godrus Urceus in Bologna.
Etiam illud onmes scire cupiam summae quidem nobis curae
fuisse, ut hoc opus correctissimum esset; si vero quid alicubi effugit, id
aut perversam litteram esse aut tale quippiam, quod nee üs, qui summo
quod ajunt digito graecum gustarunt sermonem, impedimento eAe possit
ad intelligendum textum, in Alciphroneis tamen alicubi sententiam esse
depravatam, nihil nobis extra exemplaria, quae insanabiliter erant cor-
rupta, noYare ausis
2. Nicolai Perotti comucopiae. 3 libr.
Nicolaus Perotti, gestorben 1480 als Erzbischof von Siponto oder
Manfredonia, hinterliefs unter obigem Titel einen stark angeschwollenen
Gommentar zu wenigen Epigrammen Martials. Er hatte ihn nicht drucken
lassen wollen, weil er immer befürchtete, man könnte ihm als Kirchen-
fürsten diese Art von Studien yerubeln. Nach seinem Tode wurde das Werk
Yon seinem Neffen Pyrrhus Perotti zum Drucke gegeben und seitdem
mehrmals aufgelegt. Aldus gab eine yerbesserte und gereinigte Aus-
gabe und beklagt in der Vorrede, wie leichtsinnig und ungeschickt und
mit welcher Unwissenheit von 'Anderen Bücher gedruckt würden. Diese
Klage wird in jenen Zeiten häufiger laut und läfst das Verdienst yon Män-
nern der Art, wie Aldus war, doppelt schätzen. Hermolaus Barbarus
sagt 1492 in der Vorrede zu seinen Ccuttgationes Plinianae: „Nunc libri
passim imprimuntur, sed impressi scatent erroribus. In hac autem edi-
tione nostra partim instando, partim muneribus et gratia consecuti sumus,
ut opifices haberemus et diligentes et doctos.'^ Weitläufiger läfst sich
über diesen Punkt später Erasmus aus: Bäcker und Schuhmacher, sagt
er, darf Keiner sein, der nicht yom Gewerke für tüchtig erklärt worden
ist; aber die fehlerhaftesten Bücher zu drucken, wie sie fortwährend er-
scheinen, steht Jedem frei, ohne dafs er gezwungen würde, einen tüch-
tigen Gelehrten bei seinen Drucken zur Seite zu haben, der für seine
Mühe natürlich belohnt werden müTste. Solche Drucker sollten sich an
Aldus und jetzt in Deutschland an Proben ein Beispiel nehmen. {Adagia
in der Ausgabe von 1526 unter: festina Jente.)
29
3. JuKi Firmid Astronomicorum libri octo integri et
emendati^ ex Scythicis bris ad nos nuper allati. Manilii
astronomicorum libri V. Ärati phaenomena Germanico inter-
prete cum commentariis et imaginibus. Ärati öragmentum
Cicerone interprete. Ärati ejusdem phaenomena Avieno pa-
raphraste. Ärati phaenomena graece. Theonis commentaria
in Arati phaenomena. Prodi Diadoohi Sphaera graece.
Prodi ejusdem Sphaera^ Thoma Linacro Britanno interprete.
1 duc.
Der Engländer Thomas Linacer war erst kurz vorher aas Italien in
sein Vaterland zurückgekehrt, wo er im Vereine mit Wilhelm Grocyn,
der ebenfalls in Florenz den Politian und Chalkondyles gehört hatte, ei-
ner der Hauptbeförderer der klassischen Studien wurde. Beide preist
Aldus in dem Briefe an Albertus Pius, der yor dem lateinischen Proclus
steht: dabit Linacrus et alios libros, ut ex eadem Britannia, unde olim
barbarae et indoctae litterae ad nos profectae ') Italiam occuparunt et
adhuc arces tenent, latine et docte loquentes bonas artes accipiamus ac
Britannis adjutoribus fiigata barbarie arces nostras recipiamus, ut eadem
hasta sanetur, a qua illatum est, yulnus. Horum ego latinitatem et elo-
quentiam admiratus, Guilielmi Grocini, quam ad me doctam et elegantem
dedit epistolam, subjungere placuit, ut pudeat philosophos nostros barbare
et inepte scribere, aemulatique Britannos, non dico grandaevi, ye^ovriov
ycLQ xplrraxos a/isXet cxvraXrjv '), sed ceteri omnes latine et docte phi-
losophentur.
Die Holzschnitte zum Aratus sind sehr sauber.
4. Dioscorides und Nicander, letzterer mit Scholien.
1 duc.
In der Vorrede an Hieronymus Donatus heifst es : Nescio, quid sit,
quod ex eo tempore, quo non parvo meo incommodo et labore renascen-
tibus in Italia bonis litteris, quocunque potui modo, coepi operam afferre,
*) Aldus meint die Scholastik mit der durch sie herbeigeführten
Verderbnifs der Studien und Sprache, obschon dieselbe ebenso in Frank-
reich, Deutschland und Italien selbst zu Hause gewesen und nicht gerade
von England nach Italien gekommen war. Zur Bezeichnung barbarischer
Zustande gebrauchten nun einmal die Italiener die Namen nordischer
Völker. So nennt Politian mit Anderen die scholastischen Lehrer Teu-
tones und ihr barbarisches Latein (auch Pariser Sprache oder Sprache
der Sorbonne genannt) sermo Teutonicus, wenn er auch gar nicht Deut-
sche meint.
'} Senex pittacus negligit ferulam: ein alter Papagei lernt auch
durch Züchtigungen nicht mehr sprechen. Woher die griechischen Worte
entnommen sind, weifs ich nicht; die Sache aber wird von Appulejus
besprochen. Appul. Florida II. §. 44.
80
omnia mihi adversa, nunc hominam perfidia, nono tempoma infeücitate
contigerint. Nisi id Graecorum infortunio adscribendam est, quod ae-
nimnosi fütori sint, quicunque ex nostris graecitati opitalantnr: quod etd
qaidam joco solent dicere, multis tarnen id ita esse probari exemplis po-
test. Quod yero majore in dies animo perstiterim in proposito et nun«
maxime perstem, illnd saepe commemorans: Ta ne cede malis, sed contra
andentior ito, mecom ipse demiror atqae eo magis, com excmcior ae
paene opprimar laboribns et juYet opprimi, juyet esse oüsemm. Video
meliora proboque, deteriora sequor. Nam tempos, rem quam carissimam,
perdens mihi obsum, ut aliis prosim. Sed feram aeqno animo mea damna,
dum prosim
5. Hypnerotomachia PöUphili, ubi humana omnia non-
nisi somnium esse docet.
Mit schonen Holzschnitten und einigen hebräischen Wörtern, Die-
ser philosopldsche Roman ist nicht lateinisch geschrieben, wie der Titel
yermuthen läfst, sondern italienisch mit verschiedenem Sprachgemenge.
(GräTse's allgemeine Literärgeschichte, Bd. 2, Abtheil. 2, 8. 708.) £r ist
noch lange gelesen worden. Cardanus benutzte ihn zum EinschlafBn,
wie Lessing in seinen Gollectaneen unter, dem Worte Cardamu bemei^
Das Buch ist auf Kosten des Leonardus Crassus yon Verona gedruckt
1500.
1. Lucretii Cari libri sex nuper emendati. 1 libr.
Diese vierte Ausgabe des Lucrez, besorgt von Hieronymus Avancins
aus Verona, gilt weniger, als die spätere Aldinische von 1515, der sich
Andreas Naugerius unterzogen hatte.
2. Epistole devotissime de Saneta Catharina da Siena.
1 duc.
1501.
1. Poetae christiani yeteres. Tom. I. 3 libr.
Ein zweiter Band erschien 1502 zu demselben Preise. In den bei-
den Bänden befinden sich: Prudentius, Sedulius, Juvencus, Arator, Probae
Falconiae cento ex Vergilio de novo et veteri testamento, Homerocentra,
hoc est centones ex Homero graece cum interpretatione latina, Lactan-
tius Firmianus etc. Der zweite Band, mit Sedulius beginnend, hat zum
ersten Male das Druckerzeichen , dessen sich Aldus und seine Nachfolger
späterhin bedienen: den Anker mit dem Delphin.
In der Vorrede an Daniel Clarius von Parma heifst es: Sanctissimos
libros, qui circiter mille annos latuere, publicavimus , ut amentur legan-
31
turque in scholis* fiatqne, non ut antehac, com fkbalae, qnibus tenera
pueroram aetas imbuitur, pro historia habebantar, qnae est potissima ut
puto caussa, quod quamplarimi e doctis et yitiosi sunt et infideles ....
Man kann nicht annehmen, dafs Aldus hiermit sagen wollte, die heid-
nischen Dichter dürften von der Jugend nicht gelesen werden, da dieser
Annahme seine ganze sonstige Thätigkeit und Denkweise widerspricht
Er will nur, dafs auch die christlichen Dichter (später giebt er die grie-
chischen heraus, Nonnus und Gregorius Nazianzenus) gelesen werden
sollen, als Correctiv und Gegengift gegen 4ie paganisirende Richtung der
Zeit, damit die Jugend nicht in die Gefahr komme, sich ihre Ansichten
über Gott und die Welt aus Lucrez, Ovid und ähnlichen zu bilden, wie
bei so manchen Gelehrten der Fall sei.
2. Philostrati de vita ApoUonii Tyanei libri ooto.
Eusebius contra Hieroclem. 4 libr.
Mit lateinischer Uebersetzung zweier florentinischer Gelehrten.
3. Virgilius. 3 marc.
Die erste Aldina in 8*^ mit der neuen Gursivschrift. An den Stem-
pelschneider heifst es: In Grammatoglyptae laudem:
Qui Grajis dedit Aldus, en Latinis
Dat nunc grammata scalpta daedaleis
Francisci manibus Bononiensis.
Die Ausgabe ist sehr selten geworden, hat aber weniger Bedeutung,
als die spätere von 1514 , besorgt yon Nayagerus.
4. Le cose volgari di Messer Francesco Petrarcha.
3 marc.
Von Gerson Soncino erschien 1503 eine Ausgabe in demselben klei-
nen Formate und mit den Typen des Francia.
5. Horatius. 3 marc.
Priyilegium des Senats auf zehn Jahre: Niemand, als Aldus, solle
Bücher mit den neuen Charakteren drucken oder yerkaufen. Die Geld-
strafe des Zuwiderhandelnden solle' zwischen dem Denuncianten, dem Ma-
gistrat und dem Waisenhause getheilt werden.
Auf der hiesigen Rhedigerschen Stadtbibliothek befindet sich ein
Exemplar dieses seltenen Horaz yom Mai 1501, zusammengebunden mit
dem Juyenal und Persins yom August desselben Jahres. Als kritisch be-
deutender gilt übrigens der Horaz, welchen kurz yorher, 1498, Locker
oder Philomusus in Strafsburg erscheinen liefs. Auf diesen ging Bentley
noch zurück.
6. Jueenalis. Persius. 3 marc.
Gewidmet dem Scipio Carteromachus.
32
J. Javenalis et A. Persii Satyras, ut commodius teoeri manibas et
edisci, nedum legi ab omnibus qaeant, minima forma ezcusas pablicamos
atque eo tempore, quo omne vitiam magis stat in praecipiti, quam stabat
cum conderentor. Non enim dubito, ne non cognoscat mores Tita legat-
que suos. Eas ad te mittimns, Scipio snavissime, nt tibi itemm fami-
liäres sua breyitate fiant, ut olim fuerant, cum Romae adolescens conti-
nebas, qnando eas non minus tenebas memoria, quam digitos ungnesque
tuos. Vale.
7. Martialis. 3 marc.
8. Georgii Vallae Piacentini de expetendis et fugiendis
rebus opus. 2 duc. 3 libr.
In zwei Foliobänden eine Menge Tractate über Arithmetik, Musik,
Physik, Geometrie, Quadratur des Kreises, Medicin (ubi de simplicium
natura), Grammatik, Philosphie . . .
9. Aldi Manutii Rotnani Rudiment a grammatices lin-
guae latinae Introductio perbrevis ad hebraicam ')
linguam. 1 libr. 10 sol.
An die Grammatik schliefst sich derselbe Appendix au, den die Gram-
matik des Lascaris hat.
Aldus Pius Manutius Romanus litterarii ludi magistris S. P. D. Rn-
dimenta Grammatices Latinae linguae, a nobis olim composita, Optimum
factu existimayi ad vos, juventutis moderatores et morum magistros, le-
genda committere, non quia putarem indigere yos lucubratiunculis nostris,
(quamquam dicere solebat Plinius, nullum esse librum tam malum, qui
non aliqua parte prodesset) sed potius ut, si quid erratum fuerit (homi-
nes enim sumus) castigaretis meque de erratis omnibus amice admone-
retis, tum ut, quod fieri a vobis velim erudiendis instituendisque pueris
(quando quidem id illis valde profuturum arbitrabar), vos rogarem: pri-
mura ut memineritis oportere vos eorum, quos accepistis instituendos,
satagere, ut simul et docti fiant et sanctis imbuantur moribus, quia. Quo
semel est imbuta recens servabit odorem Testa diu. Atque adeo a te-
neris assuescere multum est. Nee solum rectores magistrosque vos esse
adolescentium, sed et parentes putetis, Scitis enim illud, Qui praecep-
torem sancti voluere parentis esse loco. Equidem bonos malosve esse
tantum referre existimo, ut ausim dicere bonorum malorumque omnium,
quae ubique terrarum fiunt, vos esse potissimam caussam -Itaque
enitendum pro viribus, ut et sanctos mores et bonas litteras simul edo-
ceantur adolescentuli, quando alterum sine altero facere nullo modo licet.
*) Diese Introduction umfafst nur vier Blätter, wird aber von einem
Kenner der allererste wirksame Versuch der Einfuhrung des Hebräischen
mit seiner Schrift bei den Christen genannt. Steinschneider, Hebräische
Bibliographie, 1858, No. 6.
33
At si in altero peccandum foret, potior mihi ratio vivendi honeste, quam
vel optime discendi videretur. Malo enim eos nullas scire litteras Orna-
tes rooribas, quam omnia scire male moratos malisque simillimos esse
daemonibus, qni, etsi malta sciunt (nam id ideo illis inditum est a Grae^
eis nomen), ') sunt tarnen quam pessimi. Alterum quod vos meminisse
velim, est, ne quid, nisi doctissimorum auctorlim, ediscere cogatis ado-
lescentulos. Immo ne Grammaticas quidem regulas , nisi compendia quae-
dam brevissima, quae teneri facile memoria queant, laudo eos ediscere,
sed tantum ut illas assidue accurateque legant nominaque et verba de-
clinare optime sciant. Nam dum lucubrationes nostras vel carmine, vel
prosa oratione, etiam de arte, commendare memoriae eos cogimus, erra-
mus (ut mihi quidem videtur) multis modis. Primum quod, quae summo
labore edidicerunt, dediscunt paucis diebus, quod ego et puer olim et
juvenis, compositis etiam a me regulis, sum saepe expertus. Nam quum
generum regulas praeteritorumve summa cura memoriae mandassem, per-
brevi obliviscebar. Idem ceteris quoque evenire existimo. Praeterea
difficultate tum materiae, tum styli, eo desperationis veniunt, ut et scho-
las et litteras fugiant et studia, quae amare nondum possunt, maxime
oderint. Tum eo ipso tempore, quo nostra ediscunt, facilius meliusque
vel Ciceronis aliquid, vel Virgilii aliorumve illustrium possent ediscere,
olim et decori et commodo illis non mediocri futurum. Equidem puero
mihi, cum Alexandri Carmen ineptum de arte Grammatica praeceptore
eogente memoriae mandabam, non ita contigisse plurimum doleo. Addite,
qaod, cum incultos et barbaros discimus, tales ac potius incultiores et
ipsi evadiinus. Solemus enim iis, quos imitamur, plerumque esse dete-
riores. Quapropter optimos et statim et semper legendos putat Quincti-
lianus atque eorum candidissimum quemque et maxime expolitum. Tum
de Cicerone sie inquit: „Cicero, ut mihi quidem videtur, et jucundus in-
cipientibus quoque et apertus est satis, nee prodesse tantum, sed etiam
amari potest, tum (quemadmodum Plinius praecipit) ut quisque erit Ci-
ceroni simillimus." *) Sed de genere hoc longa haberi posset oratio. Haöc
vero attigimus nostro erga studiosos summo amore, quare tos etiam at-
que etiam rogo, ut boni, quidquid diximus, consulatis^ Yalete.
Am Ende des vierten Buches heifst es: Sed jam receptui canamus»
si prius illud monuerimus, multa in his lucubrationibus nostris, quae in
Terentiano et aliis quibusdam adeo mendosa erant, ut vix eorrigi posse
viderentur, nos non sine summa difficultate emendasse. Yestrum autem
est, Studiosi, ut ea cura haec nostra legatis, qua nos eomposuimus
Plat. Cratyl. 398. b.
*) Quintil. Inst. Orator. U. 5. 20, wo Livius gelesen wird statt Pli-
nius. Vergl. X. 1. 89: apud Ztvittin in epistola ad filium scripta, legen-
dos Demosthenem atque Ciceronem, timi ita, ut quisque esset Demostheni
et Ciceroni simillimas.
3
34
Vidcbor oniin mihi qaam maximnm luornm fccisso, si iutellexero faisce
lucubrationibns nostris vos profecisso; nara nnlla alia re yenimos ad
scrihondum, quam ut prodessemus. Quod si quid forte vitii in his libris
inter plurima nee protrita yulgo, nee iudigua cognitu inyeneritis, suc-
currat yobis Horatianum illud:
Verum ubi mnlta nitent in carmiue, non ego paucis
Offendar maculis, quas aut incuria fiidit,
Aut humanä parum cayit natura. Valete.
10. Hieronymi Donati Consumatiss. Venetorum Ora-
toris ad christianiss. ac invictiss. Galloruin Regem (Ludo-
yicum XII.) Oratio.
11. Joarmis Francisci Pici liber de imaginatione.
1502.
1. Julii Polluds Vocabularium. 1 duc.
Gewidmet dem Helias Capreolus in Brescia, einem Freunde des
Taberius : cum superioribus diebus Jo. Taberio nostro Stephannm
de urbibus dicarimus, quem cum Pollnce a compluribns nna coiligatom
in ob eam, quae est inter ipsos conyenientiam, certe scio, yolui Vos et
hoc in libro esse conjunctos, ut animo estis. Adde etiam, qnia quoties
enm ipsum librum in bibliotheca yidebis, nominis nostri meminmSy nam
fiaciei non poteris, cum nos de facie non cognorimus. Quod tamen ip-
sum aliquando futurum et cupimus «t speramus.
2. Ciceronis epistolae familiäres. 3 marc.
Vorrede an den Erzbischof von Grofswardein , Sigismund Thurzo,
welcher als Gesandter in Venedig war.
3. Lucanus. 3 marc.
Gewidmet dem yornehmen Veuetianer Antonius Maurocenus, der eine
alte Handschrift für diese Ausgabe bereitwillig gegeben hatte.
4. Thucydides. 1 duc.
Dabei ßiot OovxvBiBov, Gewidmet dem venetianischen Patricier
Rinieri: Si quisquam est, Daniel Rainere, qui ex hac nostra proyincia
publicandi vel potius e duris ac tetris carceribus liberandi bonos libros
maximam yoluptatem capiat, in his te esse sum ipse optimus testis.
Nam non solum in via, quoties tibi fio obviam, hortaris me, ut nee du-
ris hisce temporibus cedens nee laboribus uUis succumbens constanter
et fortiter, ut coepi, pergam, sed etiam confers te saepe in aedes nostras,
quidnam vel latine vel graece vel etiam hebraice (in tribus enim his
unguis edoctus es) excudatur, visurus. Taceo, quanto mihi adjumento
35
sis tuos et graecos et latinos commodando libros admonendoquO) ut id
raaxime imprimendum eurem, quod studiosis summae utilitati futurum
putes. Nee quivi unquam in te vel minimum invidiae deprehendere,
quod mea opera et labere bonae litterae publicantur: ut quosdam pusil-
lanimes et bibliotaphos notavi sed de bis hactenus. Non enim
dubito, quin brevi rumpantur invidia, quandoquidem, Tiyam moda, quid-
quid est lectn dignum, Christo Jesu &Yente exibit in publicum
5. Le Terze Rime di Dante. 3 marc.
6. Sophoclis tragoediae Septem cum commentariis«
3 libr.
Die angezeigten Scholien fehlen. Sie sind erst 1518 in Rom dureh
Janus Lasearis herausgegeben worden. Der Sophocles des Aldus (das
erste Buch, welches die Unterschrift: hat: „In Aldi^Romani Academia^^
wurde noch von Brunck sehr hoch gehalten. Er ist dem Janus Lasearis
gewidmet: Sedentibus nobis his brumae frigoribns in hemicyclo ad ignem
cum Neacademicis nostris forteqne esset una M. Musurus noster, post
multa yariaque vicissim (ut seiet) dicta inter nos in tui incidinius men-
tioneuL Tum Marcus, ut est studiosissimus tui ac perquam gratus dis-
cipulus (nam quantum bonis litteris moribnsque^profecit, profecit autem
^urimum, id omne tibi acceptum refert) cum longo sermone de te ho-
norifice multa narrasset, te proximis Julio et Auguste mensibus et Me-
diolani et Ticini vidisse addidit deque renascentibus Graecis litteris plu-
rimum tibi secum fiiisse sermonem
7. Sjtatius. 3 marc.
Gewidmet dem Johannes Pontanüs in Neapel.
Dabei Orthographia et flexus dictionum omnium graecarum apud Sta-
tium cum accentibus et generibus ex variis utriusque linguae auctorihus.
Dieser lexicalische Anhang ist von Marcus Musurus, weshalb Aldus
diesem eine Vorrede widmet, in der es heifst: „Utinam plurimos id genus
haberemus reipublicae litterariae benefactores. Qnamquam plurimos spe«
ramus fnturos non in Italia solnm, sed et in Germania et Gallia atque
apud toto orbe divisos Britannos.'' Musurus war kurz vorher aus Carpi
zurückgekehrt: „cum forte in Academia nostra esses, profectus ab Al-
berto nostro, Garporum principe quem graecas litteras accurate
docebas.**
8. Herodoti libri novem. 1 duc.
Yorrede an Oalpurnius von Brescia: Has novem Musas Herodoti...
eo gratiores tibi fore existimamus, quoniam multLs exemplaribus casti-
gatae emittuntur ex Academia nostra in manus studiosorum. Nam Clio
abundat a ceteris, quibuscum contulimus exemplar nostrum, decem prope
chartis, quae et in ea desunt, quae a Laurentio Valla tralata habetur.
Noch Wesseltng spricht sich über die Aldinische Ausgabe sehr
günstig aus.
3*
36
9. La vita et sito de Zichi: chiamati ciarcassi: histo-
ria notabilo {di Georgia Interiano Getioeese),
Eine kurze Geschichte der circassischen Volker, gewidmet dem
Dichter Jacob Sannazar in Neapel.
10. Valerius Maximus. 3 marc.
Das Buch ist erst 1503 ausgegeben worden, denn es hat eine i weite
Vorrede aus diesem Jahre. Die erste, yon 1502, ist an den Bischof von
Posen, Johannes Ludbrancius (Lubranski) gerichtet, der sich einige Zeit
in Venedig aufgehalteti und Aldus Hoffnung gemacht hatte, er werde ihm
alte Manuscrlpte aus dem Osten Europa's besorgen pollicitos es
tua quamvis magna impensa ad Dacas usqne mittere inyeniendi libromm
gratia, quum ibi antiquorum libromm plena turris esse dicatnr. Amplius
addidisti te ipsum eo, si opus fiierit, profecturum In Bezug auf
den Ausdruck plena turris meint Volpi, Aldus Manutius nehme an dem
Glauben des Volkes Theil, dafs sich in einzelnen Thürmen in Dacien
alte und kostbare Bücher befanden, welche von den Gothen, nachdem
sie Italien geplündert, dahin gebracht worden seien. Manm, 8. 35.
Die zweite Vorrede, von 1503, geht an den kaiserlichen Rath Jo-
hannes Cuspinianus ') (Spiefshammer) in Wien. Dieser hatte aus einem
Wiener Codex 24 neue Beispiele zu Valerius Maximus an Aldus ge-
schickt, von welchen er mit diesem glaubte, sie seien bis jetzt unbe-
kannt gewesen. Indefs waren sie schon durch Jemanden in die Leipzi-
ger Ausgabe von 1501 gekommen.
11. Eine Rede des Baptista Egnatius zu Ehren sei-
nes Lehrers Benedictus Prunulus,
11. 12. 13. Ovidii opera. Jeder Band 3 marc.
Dabei Orthographia dictionum graecarum per ordinem litterarumy
wie zum Statins, und eine kurze Biographie Ovids, aus seinen Werken
gezogen, beides von Aldus selbst. Die Ausgabe wird von Henricua
Stephanus den anderen seiner Zeit vorgezogen. Sie wurde 1516 von
Andreas Naugerius überarbeitet und verbessert. Der ganze Ovid ist
dem Marinus Sanutus gewidmet colloces in magnifica illa tua
bibliotheca, ubi supra guingenta electorum librorum habes Volumina. ....
15. Stephanus de urbibus. 3 libr.
Gewidmet dem Johannes Taberius, einem namhaften Professor des
Griechischen und Lateinischen in Brescia. Ueber diesen s. Quirini litte-
ratura Brixiana I. 116 ff. IL 70. In der Vorrede wundert und freut
') Bei Renouard wird er mehrmals (Robert) Cuspiniani genannt, als
ob er ein Italiener wäre. Von demselben werden auch S. 395. die Na-
men Mutianus Rufus und Georgius Spalatinus verdorben in: Minutianus
Ruffus und Gregorius Spalatinus,
37
sich Aldus, dafs trotz der fortwährenden Kriege das Studium der Wis-
senschaften nach einem Schlummer von Jahrhunderten so eifrig betrieben
werde, und zwar nicht nur in Italien, sondern auch in Germanien, Gal-
lien, Pannonien, Britannien, Hispanien. • Selbst Greise lernten mit gröfs-
tem Eifer Griechisch.
16. Caiulbis. Tibullus. Propertius. 3 marc.
Hauptherausgeber war Hieronymus Ayaneius, welcher auch nach
1517 Verbesserungen zu GatuU herausgab. (Dabei sagt er: «magno pig-
nore contenderim hodie non inYeniri ullnm Gatullianum codicem scriptum
ante octuaginta annos, hoc est ante Guarini aetatem. Is enim ad patriam
rediens Catullum diu multumque desideratum Italiae restituit, sed depra-
vatum.^ Renonard, S. 496.) Das Buch ist dem Mannus Sanutus ge-
widmet: .... longo alius, quam qui erat CatuUus, videbitur ob multas
emendationes et versus tum additos tum in pristinum locum restitutos,
in qua re adjutus sum maxime ab Hieronymo Avancio Yeronensi
Quae tamen asterisco videbis notata, ea in fine operis aliter atque aliter
legi excudenda curavimus, ut possit Studiosus quisque, qnod multis visum
fuerit, eligere pro arbitrio. Idem et in Tibullo et Propertio fecimus,
quos ad tria millia voluminum et plus eo hac minima forma excusos in
manus tuas et ceterorum commode assidueque una cum Catullo et ire et
redire ^peramus.
Die letzten Worte hat man wahrscheinlich so zu verstehen, dafs
von jedem der drei Dichter 1000 Exemplare gedruckt worden sind.
17. Poetao christiani veteres. Tom. II. 3 libr.
1503.
1. Aldi moüitum in Lugdunenses Typographos.
Die Nachdrucke der Aldinen in Octav wurden wahrscheinlich in
Venedig selbst gemacht, und zwar von den Junta's, welche Druckereien
in Florenz, Venedig, Lyon hatten.
Aldus Manutius Ro» LectoH S.
Cum primum coepi suppeditare studiosis bonos libros, id solum
negocii fore mihi existimabam, ut optimi quique libri et latini et graeci
exirent ex Neacademia nostra quam emendatissime omnesque ad bonas
litteras bonasque artes cura et ope nostra excitarentur. Verum longo.
aliter evenit. Nam praeter bella, quae nescio quo infortunio eodem
tempore coeperunt, quo ego hanc duram suscepi provinciam, atque in
hunc usqne diem perseverant, ita ut litterae jam septennium cum armis
quodammodo strenue pugnare videantur: quater jam in aedibus nostris
ab operis et stipendiariis in me conspiratum est, duce malorum omnium
matre avaritia. Quos Deo adjuvante sie fregi, ut valdo omnes poeniteat
suae perfidiae. Restabat, ut in urbe Lugduno libros nostros et mendose
38
excnderent et snb meo nomine pnblioarent, in qoibns nee artifids nomen,
nee locmn, nbinom impressi füerint, esse yolnernnt, qao incantos lecto-
res fidlerent, ut et charactenim similitndine et enchiridii forma deeepÜ
nostra cnra Venetüs excasos pntarent Venetiis XYI. Martä.
M. D. m.
Der Ansdruek sq^iennwm ist in einem etwas weiteren Sinne ao&n-
fiissen; denn die kriegerischen Unruhen auf der Halbinsel harten schon
seit 1494 nicht auf, wo Carl VUI. in Italien eingebrochen war, um
Neapel zu erobern. Die Yenetianer nahmen zwar an dem Kriege gegen
Carl erst Anthei], als er wieder zurückziehen mnfste; aber dies geschah
auch schon in der ersten Hälfte des Jahres 1495.
2. Zweiter Catalog der bis dahin von Aldus gedruck-
ten oder unter der Presse sich befindenden Bücher mit An-
gabc der Preise.
3. Luciani opera. Icones Philostrati. Ejusdem He-
roica. Ejusdem vitae dophistarum. Icones junioris PMlo-
stratL Descriptiones Callistrati. 2 duc.
Diese Ausgabe des Lucian gilt für schlechter, als die Editio princeps,
Florenz 1496.
4. Ammonü Hermei commentaria in librum peri
Hermenias. Magentim Mitylenensis in «undem enarratio.
1 duc.
Gewidmet dem Fürsten Albertus Plus, dessen Namen Pitts sich Al-
dus hier zuerst beilegt. In dem Buche befinden sich noch, obschon auf
dem Titel nicht angezeigt: Michaelis Pselli paraphrasis in librum peri
Hermenias. Ammonitis Hermeus in decem categorias nos abhinc
triennium non parvis donatus a te opibus familiaeque tuae gentUitio
nomine perornatos hisce ad te litteris publice fateamur, quo sciant om-
nes, qui haec legerint, quantum tibi debemus. Tum ne mirentur, si me
cognomento Pium posthac appellatum legerint vel audierint. Id vero a
nobis antea propterea non est factum, ne, quod honori datum est, levi-
tati noYO assumpto cognomine adscriberetur. Exspectabam igitur, ut
aliquem sub tue nomine ex aedibus nostris emitterem librum.
5. Bessarionis opera. 3 libr.
6. Ulpiani commentarioli in Olynthiacas Philippicasque
Demosthenis orationes^ Enarrationcs sanequam necessariac
in tredecim orationes Demosthenis, (Harpocrationis lexicon
decem Rhetorum).
7. Xenophontis omissa^ quae et graeca gesta appel-
lantur. 1 duc.
39
Das Bach bat eine griechiseiie Vorrede yon Aldus au Guido, Hör-
zog von Urbino.
Angefögt ist der Ausaug des Gemisthus Pletho aus Diodor und
Plutarch über die Begebenheiten nach der Schlacht bei Mantiuea; ferner
Ilerodian (ohne die Uebersetzung des Politian, welche auf dem Titel mit
angekündigt ist,) und Schölten zu Thuc^dides. Denselben Appendix nebst
der Uebersetzung des Politian gab Andreas Ajsulanus 1525 seiner Aus-
gabe des Yollständigen Xenophon bei.
8. Florilegium diversoram epigrammatum in Septem
libros. Graece. 4 libr.
Beigegeben ist das Gedicht des Paulus Silentiarius ete ra iv Uv-
diois &e^fm. Das Florilegium ist nicht sehr verschieden von der An-
thologie des Planude«, wie sie Janns Lascaris 1494 in Florenz heraus-
gegeben hatte.
9. Origenis Homiliae divo Hieronymo interprete. 5 libr.
Die Vorrede des Aldus ist an Aegidius Viterbensis gerichtet; eine
andere, ad lectorem, von einem Ungenannten, ergeht sich im Lobe des
Andreas Asulanus und seines Genossen Aldus Mänutius. Durch die Un-
kosten des Ersteren und durch die Gelehrsamkeit und Muhe des Zweiten
sei obiges Werk so glänzend hergerichtet „Quippe qui Manutius
non verba solum atque sententias, verum singulas quoque syllabas ita
discutit, purgat, elucidat, ut nullum vereantur censorem." Für einzelne
Werke fand also schon bisweilen zwischen Aldus und Andreas Asulanus
eine Geschäftsverbindung Statt; ihre beständige Verbindung aber datirt
erst von 1508.
10. Euripidis tragoediae septendecim, ex quibus quae-
dam habent commentaria. 1 duc. 3 libr.
Zwei Bände in 8^. Der Titel mit Angabe der einzelnen Stücke
war wahrscheinlich schon gedruckt, als am Ende des zweiten Bandes
noch Hercules furens beigegeben wurde, so dafs in Wahrheit achtzehn
Stücke sind. In der Vorrede an Demetrius Chalkondyles, dem das Buch
gewidmet ist, sagt Aldus: „mille et amplius boni alicujus autoris volumina
singulo quoque mense emittimus ex Academia nostra.^ Es ist aber nicht
wahrscheinlich, dafs er von jedem Autor eine Auflage von tausend Exem-
plaren gemacht hat, sondern nur von denen in kleinem Formate.
1504.
1, Joannis Grammatici in Posteriora rosolutoria Äri-
stotelis Commentaria. 1 duc.
2. Theodori Gaza interprete: Aristoteiis de natura
auimalium libri IX. Ejusdem de partibus animalium libri III.
40
Ejusdem de generatione animaUum libri V. Tkeophrasii de
historia plantarum libri K. Et decimi principium duntaxat
Ejusdem de causis plantamm libri VI. Aristotelis proble-
mata in 4uasdequadraginta sectiones etc. Äkxandri Aphro-
disiensis problemata duobus libris non unquam ante im-
pressa. 1 duc. 3 libr.
Das Bach ist dem kaiserlichen Geheimsekretär Matth&os Longins
gewidmet, der aach 1505 in der Vorrede zn Pontans Weisen erwähnt
wird. Jedenfalls ist dies der Vertraute Maximilians Matthäus Lang, spä-
ter Bischof Yon Gurk, gestorben 1540 als Erzbischof von Salzburg.
3. Scipionis Carteromachi Pistoriensis Oratio de lau-
dibus litterarum graecarum Venetiis habita.
Quare beatum judico eum , quem cuivis studio incumbentem
degere in Yeneta civitate contigerit, sed beatissimum, quem litterariae
facultates exceperint, cum tot praesertim tantaqne undique suppetant af-
fluantque ad eam rem commoda, nt fingi fortasse plura possint, haberi
certe non possint. Ibi enim, ut alia omittam, tanta librorum copia, quanta
post Gothicam ruinam nunquam fuit nee yeteribus vero Romanis aut
Graecis florentibns in bis, quae ezstent, fiiisse credi par est, cum
noYO hoc invento carerent imprimendorum librorum, qui et pulcherrimi
j^un atque emendatissimi prodire ineipiunt, Aldi potissimum nostri opera,
de quo illud habeo dicere, quod de Porphyrio inquit Simplicius: Omnium
bonorum nobis auctor Aldus. Yobis yero illud mihi yideor accommodatorus,
quod Demosthenes, quem interpretaturi sumus, Atheniensibns protulit . . .
Die vollständig eingerichtete Universität des venetianischen Staates
war Padua, doch wurden in Venedig selbst, wie in allen bedeutenden
Städten Italiens zu jener Zeit, Vorträge über alte Schriftsteller und Lit-
teratur von Freiwilligen und eigens dazu angestellten Professoren ge-
halten. Carteromachus gehorte zu den letzteren.
4. Gregorii Nazanzeni carmina, cum versione latina.
3 libr.
Da Aldus die meisten beigegebenen lateinischen Uebersetzungen so
eingerichtet hat, dafs sie in einzelnen Bogen von dem griechischen Texte
getrennt und für sich gebunden werden konnten, so ist es häufig schwer,
zu einer gewissen griechischen Seite die passende lateinische zu finden,
obschon er Kennzeichen angiebt. Bisweilen entstanden bei diesem Ver-
fahren leere Seiten, die mit etwas Anderem ausgefüllt wurden. Hier
beim Gregorius druckte Aldus auf zwei Seiten, die sonst leer geblieben
sein würden, die sechs ersten Capitel des Evangeliums Johannis ab, wel-
ches er vollständig, wie er in der Vorrede sagt, mit der lateinischen
üebersotzung der Paraphrase des Nonuus geben wollte, deren griechi-
scher Text schon seit drei Jahren gedruckt, aber noch nicht ausgege-
41
ben sei. Nonnas erschien zuletzt, wahrscheinlich auch noch 1504, ohne
die beabsichtigte lateinische Uebersetzung, und das Eyangelinm Johan-
nis erst 1518 bei Andreas Asulanns in der griechischen Bibel, welche
Aldus wohl auch mitvorbereitet hatte. Von den christlichen Dichtem und
der griechischen Bibel, die yon Aldus und seinen Nachfolgern herausge-
geben wurde, handelt weitläufig der Cardinal Quirini in seinem lateini-
schen Briefe an Feuerlein in Göttingen, Brescia 1748.
5. Cimbriad poetae encomiastica ad divos Gaess.
Foedericum Imperatorem et McuHmilianum Regem Rom.
Ueber den Dichter Aemilianus Cimbriacus, der am Ende des fünf-
zehnten Jahrhunderts gestorben zu sein scheint, s. Jagemann, die Ge-
schichte der Künste und Wissenschaften in Italien (ein Auszug aus Ti-
raboschi) , Bd. 3, Theil 3, 8. 603. Gräfse, IV, 854, 888.
6. HotneH opera omnia com vita ejus ex Herodoto,
Dione et Plutarcho. 1 duc. 3 libr.
Zwei Bände in 8. Die Ausgabe scheint nur ein Abdruck der Flo-
rentiner Yon 1488 zu sein. Sie ist von Aldus dem (späteren Cardinal)
Hieronymus Aleander gewidmet, welcher einige Zeit im Hause des An-
dreas Asulanus als Mithelfer des Aldus gelebt hatte. In der Dedication
wird erwähnt, dafs er zur Zeit in Padua sei als Begleiter eines Yomeh-
men venetianischen Jünglings, Mapheus Leo.
Tu enim nondum quartum et yigesimum annum agens, es humanio-
rum studiorum utriusque linguae doctissimus. Nee minus hebraicum cal-
les nuncque et Ghaldaeae et Arabicae tanto incumbis studio, ut quinque
te habentem corda brevi sint homines admiraturi; nam tria, ut olim
grandis de se Ennius dixit, tu hac ratione yoI nunc habes. Tanta prae-
terea linguae Yolubilitate yerba graeca pronuntias tantaque aptitudine et
facilitate inspiras Hebraica, ac si mediis Athenis mediaque Israelitarum
urbe quo stabant tempore natus et educatus esses
7. Demosthenis orationes duae et sexaginta. Libanii
eophistae in eas ipsas orationes argumenta. Vita Demo-
sthenis per Libanium et Plutarchum. 3 duc.
Hauptsächlich von Scipio Carteromachus nach drei Handschriften be-
sorgt, deren kritische Beurtheilung sich bei Voemelj dem neuesten (1857)
Herausgeber des Demosthenes, findet. Es waren ursprünglich nur sehr
wenige Exemplare gedruckt, erst später kam eine stärkere und dabei
correctere Auflage.
1505.
1. Gli Asolani dt Messer Pietro Bembo, Dialogi de
Amore. 3 marc.
42
Gewidmet der Lucrezia Borgia, Herzogin von Ferrara.
2. Äurelii Äugurelli carmina. 3 marc.
Ueber den Dichter Angorelli, 1441—1524, s. Gräfse lY, 851. Bm-
coe n, 41. UI, 79 ff.
3. Hor<ie in laudem beatissimae Virgini$. . • . Graeoe.
In 32\
4. Pontani opera. 3 marc.
(Der zweite Band erschien 1518 bei Andreas Asnlanos.) . Die eine
der zwei Vorreden ist an den kaiserlichen Geheimsekret&r Johannes Col-
laarius ') in Wien gerichtet: Quoniam tu plnrimnm fovisti nobis
apud Maximiliannm Caesarem pro Acaderaia constituenda, cnm Jo. Fra-
ticenus, eruditus juvenis, istic meo nomine accnrate rem litterariam pro-
ßoraret Nam etsi nihil est adhuc factnm, tarnen, quod et tn et
Matthaeus Longius, viri doctissimi ac integerrimi Gaesaris a secretis, ad
me scripsistia, tum vero Caesar ipso benignissimis litteris significavit,
futumm tua opera, tuo studio facile 8pero> praesertimque quam rex, na-
tus ad commune bonum, id maxime cupiat, nt, quemadmodum est armo-
rum, ita et bonarum litterarum sit decus et gloria. Quare Joviani Pon-
tani poemata, quae et meo et doctorum omnium judicio com antiquis
certant, sub tuo nomine publicamus tibique muneri mittimus.
5. Adriani Cardinalis S, Chrysogoni ad Ascaniom
Cardinalem Venatio.
6. Vita et Fabellae Aesopi cum interpretatione latina.
Gabriae fabellae cum interpretatione latina. Phumutus
seu, ut alii^ Cumutus de natura deorum. Palaephatus de
non credendis historiis. Heracüdes Ponticus de allegoriis
apud Homerum. Ort Apollinis Niliaci hieroglyphica. Col-
lectio proverbiorum Tarrhaei et Didymi^ item eorum, quae
apüd Suidam aliosque habentür per ordinem litteraruni. . . .
1 duc.
Die lateinische üebersetzung des Aesop, welche nicht schlecht ist,
hat Aldus selbst besorgt quibus traducendis multum certe elabo-
ravimus; nam quae ante tralata habebantur, infida admodom erant, quod
facillimum erit conferenti cognoscere.
7. Vergilius.
*) Ich kann über diesen Mann nichts finden. Eine Zusammenkunft
von Franciscus Picus, Fürst von Mirandola, Conrad Peutinger und Col-
laurius (wahrscheinlich demselben) wird erwähnt in den Briefen des üdal-
ricus Zasius (Ulm 1774), S. 3t)l.
48
Hierbei der dem Virgil noch zugeschriebene Anhang: Culex, Ciris
etc., der in der Ausgabe von 15Ö1 fehlt. Aufserdem ein dreizehntes
Buch der Aendis von Mapheus Vegius^ welches Vielen damals sehr ge-
feiUen haben mufs, so stoffarm es ist Addidimus etiam opuscula
tarn quae in juventute poeta composuit, quam quae illis inserta habentur.
Et quamquam obscoena non censebamus digna enchiridio, tarnen mültis
assiduo convitio efflagitantibns addendä ea lege jussimus/ ut pro unius-
Cnjusque arbitrio separari possent . . . . Vegfi praeterea libellum divinis
Aeneidos libris inviti adjnnximus; sed obsequendum fuit quibusdam.
1507.
1. Hecuba et Iphigenia in Aulide in latinum tralatac
Erasmo Roterodamo interprete.
1508.
1. Aldi MamiHi Romani Institutionnm Grammaticamm
libri qnatuor.
Dabei ist derselbe Appendix, wie bei der Ausgabe von 1501.
2. Erasmi Roterodami Adagiomm Chiliades tres ac
centuriae fere totidem. ...
Die erste Ausgabe von Erasmus' Sprichwörtern erschien 1500 in Pa-
ris und seitdem noch einige Male; die ddinische Ausgabe aber ist als
ein ganz neues Werk zu betrachten und bildet die Grundlage der vielen
späteren.
3. Plinii Secundi Novocomensis epistolarum libri X.
in quibus multae habentur epistolae non ante impressae.
Ejusdem Panegyricus Ejusdem de viris illustribus in
re militari et in administranda Bepubl. Stietonü Tranquilli
de claris Grammaticis et Rhetoribus. Julii Obsequentis
Prodigiorum Über. In 8®.
Dies ist das erste Buch, welches die Unterschrift hat: in aedibus
Aldi et Andreae AsulanL Dabei ist eine kleine Abhandlung, in welcher
'Aldus mit vielen sachlichen Gründen beweist, dafs auch das zehnte Buch
der Briefe, welches hier zuerst vollständig erscheint, dem Plinius zuge-
schrieben werden müsse. Der sehr alte Codex, welchen der Patricier
Aloisius Mocenicus als Grundlage für diese Ausgabe der Briefe des Pli-
nius aus Frankreich mitgebracht hatte, liefs Aldus die Hoffnung äufsem,
dafs auch vielleicht der vollständige Livius, die Geschichtsbücher des
44
Trogns und andere Werke der Alten irgendwo die Zeit überdauert ha-
ben und noch gefunden weiden könnten: ... Ex quo tu e Gallia
hag Plinii epistolas in Italiam reportasti in membrana soriptas atque adeo
diversis e nostris characteribus, ut, nisi quia diu assneyerit, non queat
legere, eoepi sperare mirum in modum fore aetate nostra, ut plnrimi ex
bonis autoribus, quos non extare credimns, inyeniantur. Est enim yolu-
men ipsum non solnm correctissimum, sed etiam ita antiqunm, ut pn-
tem scriptum Plinii temporibus Sed qnoniam epistolas decimi li-
bri, qaae scribuntur ad Trajanum imperatorem, sunt qui non esse Plinii
putant, tum qoia stylo et elegantia diyersae ab aliis yideantur, tum
etiam quia praeter doctorum consuetudinem Domine dicat Plinins ad Tra-
jannm scribens, operae pretium fnerit et illas a Secundo scriptas liusse
ostendere.
Die Handschrift des Julius Obseqnens hatte Aldus yon Jncundus
erbalten.
4. Rhetores grareci.
Gewidmet dem Janus Lascaris. Den Text besorgten hauptsächlich
Demetrius Ducas und Husums. Im ersten Bande dieser Sammlung rhe-
torischer Schriften (der zweite erschien 1509) befindet sich auch die Rhe-
torik und Poetik des Aristoteles, welche in der Ausgabe desselben yon
1495 — 1498 fehlen. — Die griechischen Rhetoren sind nach der ersten
Gollection durch AJdus am besten und y ollständigsten in unserm Jahr-
hunderte durch Walz und Spengel gesammelt worden.
1509.
1. Plutarchi opuscula.
Die sogenannten Moralia, gewidmet dem Jacobus Antiquarius*) aus
Perugia Libuit hie subjungere Hendecasyllabos, quos, cum yeni ad
te Mediolanum, lusisti extempore prae summo gaudio adyentus nostri,
ut faciant et hi fidem mutui amoris nostri;
Aldus yenit en, Aldus ecce yenit,
Nostrum sinciput occiputque nostrum,
Mel, sal, lac quoque corculumque solus,
Grajos altera et altera Latinos
Qui apprendendo manu reduxit omneis
In yemm modo limitem, superbos
Victores superans Olympiorum.
Nunc, nunc juyenes ubique in urbe
Flores spargite. Vere namque primo
Aldus venit en, Aldus ecce yenit.
' ) Antiquarius war sein Familienname. Er diente als Staatssecretair
den letzten drei Herzögen yon Mailand bis auf die Eroberung dieser Stadt
durch die Franzosen und starb 1512 daselbst. Gräi'se IV. 969. V. 700.
45
Da Demetrins Dncas, der Haaptherausgeber, sich der willkürlichen
Yerbessenmgen enthalten nnd die Lesart der Godites unverändert ge-
lassen hat, so lobt Wyttenbach diese Ausgabe als instar seripti codieis.
Die angewendeten Handschriften befinden sich noch auf der Marcus-
bibliotheL
2. Horaüi Flacci poemata Undeviginti metronun
genera. . . . Adnotationes nonnullae in toto opere^ in quibus
vel aliqnid mntandum ostenditur, vel cur mutatum sit, ratio
redditur.
Gewidmet dem Carolus Jaffredus, königlichem Statthalter in Mailand,
der drei Jahre yorher Aldus einen besonderen Dienst erwiesen hatte, wie
dieser in der Dedication erzählt. Als er nämlich 1506 Yon Cremona
nach Asula reiste, wurde er you Mantuanischen Soldaten ausgeplündert
und in ein Geföngnifs geworfen. Jaffi*edus, damals franzosischer Ge-
sandter bei dem Fürsten yon Mantua, befreite ihn und verschafiPte ihm
das Geraubte wieder.
3. Crispi Sallustii de conjuratione Catilinae. Ejusdem
de bello Jugurthino. Ejusdem oratio contra Ciceronem.
Ciceronis oratio contra Sallustium. Ejusdem orationes qua-
taor contra L. Catilinam. Porcii Latronis declamatio contra
Catilinam. Orationes quaedam ex libris historiarum.
Gewidmet dem Bartholomäus Livianus:*) Sallustii de conjuratione
Catilinae et de bello Jugurthino duo antiquissima exemplaria e Lutetia
Parisiorum Joannes Lascaris, qui superioribus annis egit apud Venetos
legatum regium, et Jocundus Veronensis, viri bonarum litterarum studio-
sissimi, in Italiam attulerunt mihique, quae utriusque est liberalitas, ex-
cudenda dederunt. . . . Tibi dedicamus, quod legis facta et facis legenda.
Saepius a me petiisti, ut libros de praeclaris rebus gestis hac
forma portatili excudendos curarem, quo belli eos commodius tecum ha-
bere posses.
1512.
1. Constantini Lascaris Byzantini de octo partibus
orationis lib. I. Ejusdem de cpnstructione liber secundus.
*) Bartholomäus d'Alviano (Liyianus) war ein berühmter yenetia-
nischer General, welcher die Mufsestunden seines rastlosen Soldaten-
lebens auf das Studium der alten und neuen Litteratur yerwendete. Als
er 1515 gestorben war, hielt ihm Andreas Naugerius die Leichenrede.
Roscoe, Leben Leo des Zehnten. Bd. IL S. 261. (Menckenü commen-
tatio de yita et scriptis Hieron. Fracastorii, p. 47.)
4G
Ejusdem do nomine ot vcrbo liber tortius. Ejnadem de
pronomine opusculum De idiomatibus lingoamm tres
tractatns Joannis grammatici, Eusthatii Corinthii cum inter-
pretatione latina. Introductio perbrevis ad hebraicam lin-
guam.
2. Erotemata Chrysolorae. Do anomalis verbis. De
formatione temporom ex libro Chalcondylae. Quartus Ga»ae
de constructione. De Encliticis. Sententiae monostichi ex
variis poetis. Gräece.
.... Ea (radimenta Chrysolorae) hortatu Marci Musuri» qni nunc pu-
blice profitetar Venetiis freqaenti semper ac gravi auditorio litteras grae-
cas, imprimenda corayimaB. Tum alia qnaedam addidimos non inntilia
iis, qui graece discere concnpiscant muneriqne ad te (Oaesarem
Aragonium) mitterem, ut ipsis legendis ediscendisque proficias plorinmm
graecis litteris, quaram es studiosissimas, quando sie jam latinis profecisti,
nondnm annos natns duodecim, ut et carmiue et prosa oratione, quod le-
gis, intelligas
Die Ausgaben von 1517 und 1549 haben noch dazu die Erotemata
(Tfiartnt, welche ein Auszug aus Chrysoloras sind.
3. M. T. C. Epistolae familiäres accoratius recognitae.
Scheint ein etwas verbesserter Abdruck der Ausgabe von 1502 tu
sein und hat mit demselben auch die Vorrede an Sigismund Thurzo
gemein.
1513.
1. Commentariorum de bello Gallico libri Vm. De
belle civili Pompejano libri IIII. De bello Alexandrino
liber I. De bello Africano liber L De bello Hispaniensi
liber I
Dabei einige Abbildungen und eine Karte von Gallien, aufserdem
ein lateinisch-französischer Index der Orts- und Volkernamen, das Ganze
besorgt von Jucundus, der als Baumeister sich längere Zeit in Frank-
reich aufgehalten hatte.
2. Rhetornm graecorum orationes.
Gewidmet dem Grofskanzler des venetianischen Senates, Franciscus
Faseolus, durch welchen Venedig jetzt ein zweites Athen genannt wer-
den könne; denn er habe den gelehrtesten Mann dieser Zeit, Marcus Mu-
surus, zu dem die Liebhaber griechischer Litteratur von allen Seiten
strömten, mit öffentlicher Besoldung anstellen lassen, üeber die Hand-
schriften heifst es: Latebant in Atho, Thraciae monte. Eas Lascaris is,
47
qui abhinc quinquennium pro Christianissimo rege Venetiis summa cum
laude legatum agebat, doctissimus et ad unguem factus homo, in Italiam
reportayit. Miserat enim ipsum Laurentius ille Medices in Graeciam ad
inquirendos, simul et quantovis emendos pretio bonos libros. Unde Flo-
rentiam ') et cum iis ipsis orationibus et cum aliis tum raris, tum pre-
tiosis Yoluminibus rediit. Debemus quidem Lascari, qui summo studio
conquisitos tot bonos libros ad nos e Graecia advexerit, sed longo ma-
gis Medici, cujus jussu opibusque et liberalitate regia id factum est. . . .
3. Ciceronis epistolartun ad Atticnm^ ad Brntinn, ad
Quintum fratrem libri XX.
4. Omnia Piatonis opera.
Gewidmet Pabst Leo dem Zehnten Amici me monuerunt, nt
nulli magis divini hominis lucubrationes , quam tibi, summo rerum ^vi-
narum antistiti, nuncuparentur, sperantes eam rem Academiae, quam tot
annos parturimus, mirum in modum profuturum, ut scilicet nos foveas
proyinciamque haue nostram, maximi cujusquam principis favore ac auxi-
lio dignissimam, amplectaris ac potius eam ipsam Academiam, sempiter-
num bonum hominibus , tu Pontifex Max. in urbe Roma eures instituen-
dam. Quorum unus et praecipuus est Musurus Cretensis^ magno vir ju-
dicio, magna doctrina, qui hos Piatonis libros. accurate recognovit cum
antiquissimis conferens exemplaribus, ut una mecum, quod semper facit,
multum adjumenti afferret et Graecis et nostris hominibus. Quapropter
non minus, quam nos, pacem desiderat, aeque ac nos et ipse, ut tuo
snmptn, tuis opibus fiat Academia, rogat, id quod ex ejus docta et ele-
ganti ac gravi elegia ') Graece composita, quae sequitur, facile est co-
gnoscere Etsi opere in magno fias est obrepere somnum (non
enim unius diei hie labor est noster, sed multorum annomm, atque inte-
rim nee mora nee requies) sie tarnen doleo, ut, si possem, mutarem sin-
gula errata nummo aureo
^Everifiaiv ixvTttod^ Tta^a rote ns^i tov yiXSav italaiöie tmt« xai
a^iOTtiaroK xsx^ft^^ov avToyQafpots
5. AlexandH Aphrodisiei in Topica Aristotelis Gom-
mentarii.
Gewidmet dem Albertus Plus : Musurus noster eos commenta-
rios cum antiquis conferens exemplaribus accuratissime recognovit
Dabuntur et alia suo tempore, nam etsi
Yicinae mptis inter se legibus urbes
Anna ferunt, saevit toto Mars impius orbe.
') Als Lascaris mit den Büchern nach Florenz zurückkam, war Lo-
renzo schon todt.
') Das griechische Gedicht des Musurus auf Plato und Leo ist ab-
gedruckt in den Beilagen zu Roscoe's Geschieht« Leo des Zehnten.
48
tarnen qtiieturi nunquam snmus, nisi pollicita pracstiterimns saxmnqne
illnd gravissimnTn, qnod tot annos assidne Yolvimtis, in montis apicem per-
dnxerimus.
Das Buch war 1513 schon gedruckt, erschien aber erst 1514, wor-
über die Vorrede zu lesen ist.
6. Nicolai Perotti Sypontini Comucopiae. . . . Varronis
de lingua latina libri tres: quartus, quintus, sextua. Ejus-
dem de analogia libri tres. Sexti Pompfffi Festi undeviginti
librorum fragmenta. JVontt Marcelli Compendia, in quibus
tertia fere pars addita est^ non ante impressa^ idque labore
et diligentia Jucundi nostri Yeronensis^ qui in Gallia Nonium
cum antiquis contulit exemplaribus.
7. Pontani opera.
Die Gedichte Pontans, die 1505 schon erschienen waren.
8. Dritter Catalog der Bücher des Äldus. Ohne An-
gabe der Preise.
9. Pindari Olympia, Pythia, Nemea, Isthmia. Catti-
machi hymni, qui inveniuntur. Dionysius de situ orbis.
Lycophronis Alexandra, obscurum poema.
Editio princeps aufser Callimachus , welcher durch Janus Lascaris
schon in Florenz zwischen 1494 bis 1498 erschienen war. Boekh stellt
in seinem Pindar diese Ausgabe höher, als die zweite, Rom 1515,
welche die Scholien mitenthält. Die römische Ausgabe des Pindar Ton
Zacharias Calliergus ist übrigens das erste griechische Buch, welches in
Rom gedruckt worden ist. (Roscoe's Leo X, Bd. II, S. 138.)
.... Sunt jam quatuor anni, Naugeri carissime, cum statoi doram
hanc provinciam nostram intermittere , quod viderem totam fere Italiam
ardere crudelissimo hello, tum quia cogebar abesse Yeuetiis, ut agros et
pretiosa praedia nostra, quae amisimus non nostra quidem culpa, sed
herum infelicium temponim, recuperaremus Verum quum nihil pro-
ficeremus . . . revertimus Yenetias . . . mutavi sententiam atqne ad labo-
res redii.
10. Strozii poetae pater et filius.
Dabei ein Gedicht des Aldus auf Herkules Strozza
Der Sohn, Hercules Strozza, war Aldus' Schüler in Ferrara gewesen.
Dort wurde er 1508 ermordet, 37 Jahre alt. üeber ihn vergl. Manni,
S. 59 ff. Die Gedichte sind der Lucrezia Borgia gewidmet, welche seit
1502 Herzogiu von Ferrara war Quoniam in utriusque poematis ü
lustrissimi principes &miliae Estensium tolluntur in coelum landibus, Her-
cules etiam tui mentionem quam saepissime, non sine tua summa laude,
49
facit, quin Gigantomachia, quam extremis temporibus suis inchoavit, tan-
tum tibi dedicata est: sub tuo nomine exire hos libros voluimus in ma
nus hominum. Adde etiam, quod pro summis, quibus praedita es virtu-
tibus, dignissima es, quam laudent, honorent, yenerentur omnes atque
ipse imprimis, cum propter alia, tum quia Academiam, cui constitaendae
jam multos annos studeo, tuis opibus, tuo solius sumtu factoram te,
sinant tempora, ultro mihi receperis. Ais enim nihil te magis cupere,
quam et placere semper Deo immortali et jnvare mortales tam qui nunc
sunt, quam nascituros omnibus s'aeculis, relinquereque aliquid, cum e
vita excesseris, quo non sine summa laude vixisse te testeris *).
11. Theodore Gaza interprete: Aristotelis de natura
animalium libri DL
Ein Abdruck der Ausgabe von 1504.
1514.
1. Rhetorica Ciceronis.
2. Libri de re rustica Catorns, Varronis, Columellae^
Palladii. Georgii Alexandrini enarrationes priscarum di-
ctionum^ quue in his libris CatoniSj Varroni», CölumelUie.
Vor dem Palladius befindet sich ein kleines Werk des Aldus: de
duobus dierum generibus.
3. Hesychii Dictionarium.
Das Buch ist dem Mantuaner Bardellonus gewidmet, von welchem
Aldus die Handschrift dieses Wörterbuches bekommen hatte, zu welcher
sich keine zweite gefunden hat. Sie befindet dich auf der Marcusbiblio-
thek. Musurus, der sich wenigstens schon seit 1512 wieder in Venedig
aufhielt, besorgte die Ausgabe, vermehrte abet durch eigene Interpola^
tionen die ohnedies schon vorhandenen.
Musurus, compater utrirlsque nostrufli, qtiantum per dccupfatio-
nes licuit, diügenter recognovit fecitque, licet cursiin, nar^ds ct^eüo.
Quam plurima enim in eo loca emendata sunt.
') Der Ton dieser Vorrede eines Mannes von Aldiis' Charakter scheint
Roscoe einer der Beweise dafür zu sein, dafs der Verruf des Naiüens
der Lucretia Borgia ungerechtfertigt und nur durch Verläumdungen der
Neapolitanischen Dichter Sannazar, Pontan u: a. hervorgebracht worden
sei (s. Roscoe's Leben Leo des Zehnten Bd. I , S. 364 ff. und Henke's
Gegenbemerkung). So viel steht fest, dafs Lucretia seit ihrem Aufent-
halte in Ferrara von 1502 ab als Gönnerin der Künste und Wissenschaf-
ten gefeiert wurde, und einen nach damaligen Begriffen unsträflichen Le-
benswandel führte. Anders lautende Gerüchte über ihr früheres Leben
wird Aldus nicht geglaubt oder wahrscheinlicher gar nicht gehört haben.
4
50
4. Aikenaeus.
Nuch vielen, aber schlechten Codices von Mnsunis besorgt. Die
\ oiTiHle lies Aldus ist an einen vornehmen Unprar, Janns ürthesis, Zuhörer
ik^ MuMurus, gerichtet: .... Quantum gratuler tibi, Jane, quantum Hun-
^tu'iiA luiSi quantum ipsi Hungariae, non focilo dixerim, quod tantum jam
urofeoeiis graecis litteris, nondum annom audiens Musurum Cretensem,
ivlque Venetiis
5. Quintilianus.
Besorgt von Navagerus, Baptista Egnatius und Rhamusius, an wel-
olien letzteren die Vorrede gerichtet ist.
6. II Petrarcha.
7. Arcadia del Sannazaro,
8. Virgilius,
Es giebt zwei Ausgaben mit derselben Jahreszahl 1514. Die be-
deutendere, von Navagerus besorgt und dem Petrus Bembus gewidmet,
ist wahrscheinlich erst einige Jahre später wirklich ausgegeben worden.
9. Valerius Maximm,
10. Aldi Pii Mamaii Institutionum Grammaticarum
libri IV.
11. Suidas.
Es ist dies die zweite Ausgabe des Suidas, der zuerst in Mailand
1499 erschienen war.
1515.
Lucretius, Venetiis mense Januario.
Aldus Pius Manutius Albertum Pium Carporum Principem ac Cae-
sareum oratorem apud Pont. Max. salver e jubet.
Jampridem Alberte, Decus Principum, Decus hujus aetatis erudito-
rum, constitui omnes de philosophia libros, quotquot ex aedibus nostris
exirent in manus studiosorum, tibi dedicare tum mea erga te singolari
benevolentia, tum etiam quia id genus libris praeter ceteros delectaris.
Dens perdat perniciosa haec bella, quae te perturbant, quae te tamdiu
avertunt a sacris studiis litterarum nee sinunt, ut quiete et, quod sem-
per cupivisti atque optavisti, fruaris otio ad eas artes, quibus a puero
deditus fiiisti, celebrandas. Jam aliquem fructum dedisses studiorum tuo-
rum, utilem sane et nobis et posteris. Qua re privari te ita moleste
fers, ut nullam aliam ob caussam credendum sit nuper te Romae tarn
gravi morbo laborasse, ut de salute tua et timerent boni omnes et an-
gerentur.
Di probibete minas, Di talem avertite casum
Et placidi servate Pios.
51
Kn igitnr tibi Lncretins, et poeta et philosophns quidem raaximus
vel antiquonim jiidicio, sed pleniis raendaciorum. Nam multo aliter sen-
tit de üeo, de creatione rerum, quam Plato, quam ceteri Academici,
quippe qui Epicuream sectam secutus est. Quam ob rem sunt, qni n6
legendum quidem illum censeant Christianis hominibus, qui verum Deum
adorant, colunt, venerantur. Sed quoniam veritas, quanto magis inquiri-
tur, tanto apparet illustrier, qualis est fides catholica, quam Jesus Chri-
stus Deus Opt. Max. dum in humanis ageret, praedicavit: Lucretius et
qui Lucretio sunt simillimi, legendi mihi yidentur, sed ut falsi et men-
daces, ut certe sunt.
Haec autem attigimus, ut, si quis haec nostra legens nesciat deli-
ramenta Lucretii, id discat e nobis, licet ad te uaum scribere videamur.
Id enim est harum epistolarum genus, ut, cum ad unum scribuntur, ad
omnes, in quorum manus pervenerint, tamquam argumenta scribantur
Quodsi per adversam yaletudinem mihi licuisset, qua menses jam aliquot
acerbiore conflictatns sum , addita essent infra non pauca Cetera
ita praestita esse a nobis opinor Naugerii nostri industria, quam non con-
temnendam adhibuit, ut Lucretius legi atque intelligi tandem possit. Vale.
Den achten Februar 1515 starb Aldus. Seine nach-
gelassene griechische Grammatik wurde im November dieses
Jahres von Musurus mit einem Nachrufe an Aldus heraus*
gegeben.
Ausgaben ohne Datum.
1. Musaei opusculimi de Berane et Leandrö, qtiod et
in latinam linguam ad verbum tralatum est. 1 marc.
Das Buch hat eine griechische Vorrede von Aldus und enthält zwei
Holzschnitte, Hero und Leander vorstellend. Die lateinische Uebersetznng
ist von Musurus. Man hat die seltene Ausgabe (ein Exemplar befindet
sich auf der hiesigen Universitätsbibliothek) lange als das erste Buch
des Aldus angesehen, indefs scheint sie doch nach der Grammatik des
Lasoaris erschienen zu sein. Ein schönes Exemplar des kleinen Buches
würde nach Renouard's Meinung Bibliophilen wenigstens 660 Francs
werth erscheinen.
2. Galeomyomachia, Theodori Prodromi poema«
Herausgeber ist Aristobulus Apostolius, am bekanntesten als Kalli-
graph. Borner, S. 156.
3. Psalterium graecum cura Justini Decadyi. 4 marc.
Spätestens 1498 anzusetzen, da es im Gataloge von diesem Jahre
angezeigt ist.
4*
4. Nonni Panopohtae Paraphrasis Evangelü secundum
Joannem. 3 libr.
Wahrscheinlich 1504 erschienen (s. die Bcmerkunfi^on znm Gregorius
Nazianzenus von 1504).
5. Quinti Calabri Derelictorum ab Homere libri qua-
tuordecim. 3 libr.
Von Renouard mit guten Qründen 1505 angesetzt. Hinter dem
Quintus Smyrnäus (Calaber genannt, weil er von Bessarion in Oalabrieu
aufgefunden worden ist,) stehen noch: Coluthm de raptu Helenae, Try-
phiodorus de Trojae excidio.
6. Die Grammatik des Constantinus Lascaris mit dem-
selbenr Anhange, welchen die Ausgabe von 1512 hat, auch
mit der „Introductio ad hebraicam linguam".
Das Buch ist zwischen 1501 und 1503 zu setzen.
Mannt imd die Serie delV edMoni Aldine (Firenze 1803)
führen noch manche Ausgaben an, welche der gewissenhaft
nachforschende Renouard entweder als unächt gestrichen oder
als blofse Theile eines gröfseren Aldinischen Buches erkannt
hat. Die Bibliotheca Menckeniana (Leipzig 1727) erwähnt
S. 172. unter den Aldinen : „Horatius et Juvenalis, cum notis
et commentariis variorum. Venetiis 1492." Es existirt eine
Venetianische Ausgabe aus dem angegebenen Jahre, aber sie
ist nicht von Aldus, dessen Wirksamkeit erst 1494 mit der
Grammatik des Lascaris beginnt. Allerdings heifst es am
Anfange des fünften Cataloges der Officin, welcher die Bü-
cher bis 1563 umfafst: „Index librorum, qui in Aldina offi-
cina ab ipso primum Aldo ab anno MCDXCII ad annum
MDXIV Venetiis impressi sunt** ; aber auch hier ist
die erste Zahl irrthümlich gesetzt für MCDXCIV, und auch
die zweite müfste genau genommen in MDXV verändert
werden.
Die meisten der griechischen Bücher, welche Aldus
gedruckt hat, sind editiones principes.
Drittes Capitel.
I. Aldinische Ausgaben. Corsivschrift. Privilegien. Nach-
drucke. Druckerzeichen. Druckerei und BuchhandeL Dedi-
cationen. Preise der Bücher. Starke der Auflagen.
Im Anschlüsse an die eben gegebene üebersicht mögen
zuerst die Ausgaben des Aldus und dasjenige^ was zunächst
damit zusammenhängt^ betrachtet werden. Eine philologisch
genaue Würdigung des Textes und der handschriftlichen
Grundlage aller Aldinen kann nicht von einem Einzelnen
selbständig geliefert werden, und man mufs für das Ge-
nauere die neuesten kritischen Ausgaben der betreffenden
Autoren zu Rathe ziehen, welche bis auf die Aldina zurück-
gehen. Einiges hierher Gehörige habe ich im zweiten Ca-
pitel bei Gelegenheit berührt. Einem Theile der Aldinen
mufs von der Kritik noch immer Beachtung geschenkt wer-
den; andere sind natürlich ganz veraltet und haben nur
noch litterarhistorische Bedeutung. Wenn sie besser waren,
als die früheren Erscheinungen, oder Späteren Anregung
gaben, so haben sie ihren Zweck erfüllt. Insgesammt aber
machen sie durch äulsere Vorzüge Epoche in der Geschichte
der Buchdruckerei. Schönheit und Correctheit des Druckes,
gutes Papier, verschiedene Erleichterungen für den Leser
zeichneten sie aus und verschafften ihrem Urheber den Ruf
54
de» vorzüglichsten Druckers seiner Zeit. Bisweilen zog er
einige Exemplare besonders ab auf Pergament oder auf feineres,
auch auf blaues Papier. Was den Text betrifft, so gelten
|m Allgemeinen die lateinischen Ausgaben für besser, als
die griechischen. Für jene war früher schon Manches ge-
schehen, der gröfste Theil von diesen aber wurde von Aldus
zum ersten Male ans Licht gestellt, unter Zugrundelegung
der wenigen,') häufig schlechten Manuscripte, die ihm erreich-
bar gewesen waren. Um nach ihnen doch ein möglichst
lesbares Ganze zu liefern, machte man nach bestem Wissen
willkürliche Veränderungen, was spätere Editoren verwirrte
und ihre Arbeit erschwerte. Es existirte eben noch nicht
die philologische Akribie, welche sich mit Erweiterung des
Wissens und der Uebersicht über den Apparat entwickelt
hat. Die Zeit war noch nicht so gesättigt, daTs sie warten
konnte, sondern rief ungeduldig nach dem Erscheinen neuer
geistiger Speise. Die Nothwendigkeit von Revisionen gab
man gern im Voraus zu, und Aldus spricht oft den Wunsch
aus, dafs es späteren Herausgebern gelingen möge, ausrei-
chendere Hülfsmittel zu finden und Richtigeres herzustellen.
Vorläufig aber beschlofs er mit seinen Freunden, aus den
erlangten Handschriften eine Ausgabe zu veranstalten und
ein Stück Alterthum zu sichern, was ohne den Druck viel-
leicht ganz verloren gehen könnte durch die fortwährenden
Kriege mit ihrem Gefolge von Brand und muthwilliger Zer-
störung, üebrigens that «r zur Herbeischaffung und Ver-
gleichung von Codices, was er konnte, und setzte Alle, mit
denen er in Berührung kam, dafür in Bewegung, nicht blos
in Italien, sondern auch in Deutschland und anderen Län-
dern. Durch seinen Eifer, die Bildung zu verbreiten, steckte
er auch Andere an, das Ihrige dazu beizutragen. Als sein
Ruf gestiegen war, borgten, schenkten oder verkauften ihm
*) l)e!i Ifesychius liefs er 1514 nach der einen Handschrift, die
auch vorhuudeu iht, duich Musuius besorgen. Es ist keine zweite dazu
f^efundon worden; da aber die ganze Philologie nach Mnsurus einen weit
höheren Standpunkt erreicht hat, so verschwindet natürlich seine Arbeit
Kohr gegen (üo späteren und die neueste Ausgabe des Hesychias.
55
manche invidi und ^ißXiotctqoi^ wie er sie nennt, die Ma-
nascripte, welche sie bis dahin versteckt gehalten hatten,
„um allein weise zu sein." (Vgl. zu den letzten Worten
S. 16. am Ende.)
Man war vor Aldus gewohnt, grofse Foliobände mit
grofsen Buchstaben zu drucken. Zum Lesen dieser Bücher
mufste ein Pult aufgestellt werden, und das Versenden der-
selben, wozu man doch häufig nur Boten hatte, war er-
schwert. Auf Reisen einige Bücher mit sich zu führen,
war keine beqtieme Sache. Auch Aldus druckte Foliobände,
denen er trotz des theurcn Papiers mit Absicht breite Rän-
der liefs, damit die Gelehrten sich ihre Bemerkungen dar-
auf schreiben könnten; indefs verkleinerte er dafür in ver-
schiedener Weise die Buchstaben. Die gelesensten Autoren,
besonders lateinische, brachte er in Octa.vformat mit der
schiefstehenden Antiqua oder Cursiv (characteres cursiti seu
cancellarii^ bei den Franzosen Italiqne genannt), welche un-
seren geschriebenen Schriftzügen ähnlich ist. Sie soll eine
Nachahmung der Schrift Petrarca's sein, fand schnell über-
allhin Eingang und blieb lange in Auinahme. Auch grie-
chische Bücher erschienen bald in dem kleinen Formate;
die Buchstaben derselben aber sind unserem verwöhnten
Auge zu verschlungen und weniger leicht zu lesen, als die
lateinischen. Aldus sah sich nun in den Stand gesetzt,
wohlfeilere Bücher zu liefern, indem er die gröfste Menge
von Buchstaben in den kleinsten Raum brachte; von dem da-*
maligen Publikum aber wurden sie mit gröfserem Vergnü-
gen aufgenommen, als etwa in unseren Zeiten die Stereotyp-
ausgaben von Didot und Tauchnitz. Das erste Buch in Oc-
tav mit der Cursivschrift war der Virgil von 1501. Dort
nennt Aldus als den Künstler, der ihm die neuen Typen
auf seine Veranlassung besorgt habe, den Franciscus Bono-
niensis. Es ist dies Francesco Raiboliniy genannt Francia^
gest. 1517, als Maler, Goldschmied und Stempelschneider
bekannt. ') Aldus sann fortwährend auf Verbesserung sei-
') lieber Francesco da ßologoa, seiu VerhältDii's zu Aldus und
5()
nor lateinischen^ italienischen und griechischen Typen (von
hebräischen machte er nur einen sehr geringen Gebrauch)^
und besal's sie zuletzt in grofser Mannichfaltigkeit. Privi-
legien gegen Nachdruck seiner Bücher überhaupt^ sowie
gegen Nachahmung der von ihm erfundenen Charaktere^ er-
hielt er zuerst von der Republik Venedig. Dem Ovid von
1502 ist ein solches vollständig beigedruckt. Die folgenden,
abgedruckt 1513 in der Ausgabe des Perotti, erhielt er im
Decembcr 1502 von Pabst Alexander VI., im Januar 1513
von Pabst Julius IL, im November 1513 von Leo X. Im
letzteren wird die Hoffnung ausgesprochen, dafs er seine
Bücher billig verkaufen werde. Die genannten lauteten auf
zehn und fünfzehn Jahre, verhinderten aber gar nicht den
Ii[achdruck. Einmal trat Aldus gegen denselben auf in seinem
monitum in Lugdunenses Typographos 1503. Er zeigte hier
unter Anderem, welche Fehler in dem nachgedruckten Ju-
venal seien, was die Nachdrucker alsbald benutzten und
einen neuen Juvenal mit Verbesserung des Gerügten er-
scheinen liefsen. Wie sehr nun aber die Aldinen, beson-
ders die billigeren in kleinem Formate, in portatili forma^
auch in Deutschland gesucht wurden, wohin sie aufserhalb
Italiens am meisten gegangen zu sein scheinen, ze^en die
Briefe der Gelehrten, welche zum Kreise des ReucMiny
Udalricus ZasiuSy MtUianus Rufus u. a. gehörten. Freilich
verhinderten die Kriegsunruhen, die erst nach Aldus' Tode
'aufhörten, oft den Absatz über die Alpen. Am Ende des
Jahres 1516, als Alles anfing sich zum Frieden zu neigen,
schreibt Heinrich Loriti oder Glareanus aus Basel an Ztoingli:
„Wolfgang Lachner hat Leute nach Venedig geschickt, welche
4ie besten Autoren in Aldinischen Ausgaben herbringen sollen.
Gersotj, oder Girolamo Soncino (zu welchem er 1503 ging), dem Haupte
der jüdischen Druckerfamilie in Soncino, Fauo und andeien Städten, ist
neuerdings (1858) eine Schrift von Panizzi, Oberbibliothekar am British
Museum, erschienen, besprochen im Magazin für die Literatur des Aus-
landes 1858, No. 150, sowie in Verbindung mit eigenen Untersuchungen
ia der Hebräischen Bibliographie von Steinschneider , 1858, No. 6. Es
ist jedenfalls dem Satze iu den genaimten Schriften zu widersprechen,
dafs Aldus reich geworden sei durch die Typen, welche ihm t7 Francia
goschuitton.
57
Willst du solche haben, so schreibe an Lachner und schicke
mir das Geld; denn es sind immer dreifsig da, die nach den
Büchern langen, ohne nach dem Preise zu fragen. Manche
verstehen sie gar nicht, wollen sie aber doch haben.*' Fünf
Tage später schreibt er ähnlich und spricht die Hoffnung
aus, dafs die Bücher nach zwei Monaten aus Venedig an-
kommen würden.
Als älteste Sammler von Aldinen, wozu schon ein ge-
wisser Wohlstand gehörte, werden wohl Pirkheimer^) und
Reuchlin in Deutschland, Jean Grolier in Frankreich gelten
können.
Von 1502 an, zuerst im Dante und im zweiten Theile der
christlichen Dichter, bediente sich Aldus für seine Bücher
eines eigenen Druckerzeichens, welches die Nachdrucker
gleichfalls brauchten. Es war ein Anker, umschlungen von
einem Delphine, in der Mitte der getheilte Name AL-DUS,
in den Annalen der Buchdruckerei der Aldinische Anker ge-
nannt. Auf dieses Symbol seiner Thätigkeit, welche mit
schnellem, rastlosem Schaffen doch auch das Zögernde, Zu-
rückhaltende, reiflich üeberlegende verbinde, deutete Aldus
schon 1499 in der Vorrede zu den astronomischen Schriflr
stellem: „sum mihi optimus testis me semper habere comi-
tes, ut oportere ajunt, delphinum et ancoram. Nam et de-
dimus multa cunctando et damus assidue.'^ Es ist aber un-
gewifs, wodurch er auf das Symbol gekommen ist: ob durch
einen Holzschnitt dieser Art in äer Hypnerotomachia Poli-
phili^ oder, wie Erasmus sagt, durch einen von Petrus Bom-
bus ihm geschenkten Denar des Titus Vespasianus, auf dem
sich ein von einem Delphin umschlungener Anker befand.
Auf der Münze waren Zeichen, welche Erasmus mit vorge-
fafster Meinung deutete: JEtibvöb ßgaöeatg, indem er hinzu-
') Biuershusius, der Biograph Pirkheimers , sagt: Erant enim tuac
temporis talia opera (editiones italicae veterum auctorum) admodum cara,
sicut hodieque si haberi possint, pro thesauris merito asservaiitur, et
imprimis ea, qiiae impressit Aldus Manntias Romanns, quem jnre decus
et ornamentum totins artis impressoriae appellare possumus. Ejusmodi
igitur pulcherrimos libros magno numero ac pretio Bilibaldus sibi coe-
mebat.
58
setzt 9 man sehe aus der Münze, dais der genannte Wahl-
spruch dem Titus ebenso gefallen habe, wie es nach Sueton
bei Augustus der Fall gewesen sei. (s. Geret, Anmerkung 58.
zu Ungers Aldus Manutius.)
Das Druckerzeichen des Aldus erfuhr mit der Zeit
einige Veränderungen. Ffir Paulus Manutius wurde es, als
er 1571 in den Reichsadel erhoben worden war, das Wap-
pen und erhielt oben den kaiserlichen Adler. Es bedienten
sich desselben später auch andere Buchdrucker, und mit
vollstem Rechte nahm zuletzt Renouard, der Geschichts-
schreiber der Manutius, den Anker und Delphin als Zeichen
an, oben mit dem gallischen Hahne.
Seine Druckerei und wahrscheinlich auch Wohnung hatte
Aldus, wie schon erwähnt, zu^st in der Nahe der Kirche
des heiligen Augustinus, zur Zeit seines Todes jedoch wohnte
er in der Stral'se Patriniano. Die rasche Aufeinanderfolge
seiner Drucke zu einer Zeit, wo man noch keine Schnell-
pressen hatte, erregt Verwunderung und läl'st vermuthen,
dals er seine Drucker zu rastloser Thätigkeit antrieb und
ihre Arbeitszeit länger machte, als gewöhnlich war. Daher
wollten sie mehrmals nicht weiter arbeiten, wenn sie nicht
höhere Bezahlung erhielten. In seinem Monitum gegen die
Lyonoser Nachdrucker lesen wir: ^Viermal haben sich meine
Arbeiter gegen mich verschworen, indem Habsucht, die
Mutter aller Uebel, sie leitete. Aber ich habe mit Gottes
Hülfe ihre Empörung so gebrochen , dafs sie alle ihre Treu-
losigkeit bereuen.^ Bei Besiegung dieser Empörung mögen
ihn die gelehrten venetianischen Nobili mit ihrem Ansehen
unterstützt haben, deren viele an seinem Wirken regen An*
theil nahmen und ihn besuchten. Den Namen solcher Män-
ner, wie Rinieri^ Mocenigo u. a. begegnen wir in seinen
Dedicationsvorreden. Er dedicirte nämlich alle seine Bücher
theils gelehrten Helfern und Freunden, die ihn irgendwie
unterstützt hatten, damit die Welt wisse, dafs sie nicht blos
ihm, sondern auch jenen Dank schuldig sei, ') theils italie-
') Nou üüt moris uostri traudare queiuquam sua laude; imrno de-
59
nischen Fürsten, angesehenen Ausländem und Gesandten
fremder Staaten, um sie für seine Zwecke zu gewinnen.
Für diejenigen, die ihm eine Ausgabe besorgt hatten, war
die Ehre, in einer Dedication genannt zu werden oder selbst
eine solche zu erhalten, zugleich die Belohnung für ihre
Mühe ; denn Honorar von einem Buchhändler zu bekommen,
war noch nicht üblich. Die Bücher sind Italienern, kaiser-
serlichen Räthen, Franzosen, Polen und Ungarn gewidmet.
Unter den letzteren befindet sich auch 1513 ein Gyulay
(eigentlich aus Siebenbürgen: Philippo Cyualano^ Morae Pan^
nonio), dessen Tapferkeit gegen die Türken gepriesen wird.
Auch das Binden der Bücher wurde in dem Hause
besorgt. Firmin -Didot S. 291. macht wahrscheinlich, dafs
es theilweise durch Griechen geschah. Gelehrtere Griechen
beschäftigte Aldus als Correctoren bei griechischen Werken.
Ein TheU derer, die für ihn arbeiteten, mochte bei ihm
selbst wohnen; andere brachte er bei Andreas Asulanus
unter. *)
Noch war da das bibliopolium oder der Buchladen, in
welchem Aldus aulser den von ihm gedruckten Büchern
einige griechische Drucke Anderer verkaufte. Als solche
sind im zweiten Cataloge erwähnt: Etymologicum magnum^
2j duc. SimpHcius in praedicamenta Aristotelis, 1^ duc.
Ammonius in praedicabilia Porphyrii, | duc. Apollonius de
Argonautis cum commentariis, 1 duc. Suidas, 3] duc. Ho-
tneri libri 48, Florentiae 1488, ohne Preisangabe. Er war
also nicht nur Drucker, sondern auch Verlags- und Sorti-
mentsbuchhändler. Dafs anderen Händlern Bücher zum
Weiterverkaufe auf Zeit und mit einem angemessenen Ra-
crevimas omnes, quicunque mihi vel opera, vel invenieadis novis libris^
vel commodandis raris et emendatis codicibus, vel quocunque modo ad-
jumeato fuerint, notos facere studiosis, ut et Ulis debeant, si mihi debeut.
(Vorrede zum Statius 1502. au Musurus.)
') Typographia Jubilans von Lesser, Leipzig 1741: »Der berühm-
teste unter den ersten Buchdruckern in Nürnberg ist wohl Anthon Co-
berger. Er hatte täglich mit 24 Pressen zu drucken ; dazu hielt er über
die 100 Gesellen, die waren meistentheils Setzer, Comportisten, Buch-
binder, Correctores, Drucker, Posselirer, lUumiuisten. Diese alle ver-
kostete er au anderen Orten.''
60
bull uUMrlattöon wurden^ geht aus seinem Briefe an Reuchlin
Uui'vur (8. Brief XII am Ende). Was die Kosten der Her-
itUllung der Bächer betrifFt, so mag Aldus dieselben Anfangs
UUM eigenem Vermögen getragen haben in Verbindung mit
ileu Unterstätzungen des Ffirsten von Carpi. Spater aber
Mohou wir^ dal's er sich mit verschiedenen Personen für die
Kosten und den Gewinn verband (s. Brief X^ Anmerk. 2.
Xll, Anmerk. 3). Von 1508 ab fährte er das Geschäft in
Compagnie mit seinem Schwiegervater Andreas Asulanus.
In den ersten zwei Catalogen sind die Preise der Bu-
cher angegeben, und zwar nach venetianischen Duoaten
(Zecchinen) und deren Unterabtheilungen. Ein Ducaten ist
s= 6 librae (lire) = 12| marcelli = 124 solidi. Nun be-
ginnt aber die Verlegenheit, zu bestimmen, welchen ViTerth
dieses Geld für jene Zeiten hatte. Man mälste zum Ver-
gleichen den Preis des Getreides und der mannichfachsten
Lebensbedürfnisse kennen, wozu mir ausreichende Data feh-
len. Renouard berechnet den Ducaten nach dem Feinge-
halte auf etwas über zwei Thaler unseres Geldes; Burck-
hardt (S. 81) meint, der Ducaten, die Zecchine, der Gold-
floren und der Goldscudo hätten annäherungsweise denselben
Werth: elf bis zwölf Schweizerfranken; nach der deutschen
Reichswährung wurde die Zecchine dem ungarischen Duca-
ten gleichgesetzt. — Die Höhe des Gehalts giebt keinen
rechten Anhaltspunkt, weil sie zu verschieden ist und zu
viel Nebenumstände dabei zu berücksichtigen, sind. Als der
berühmte Musurus gestorben war, welcher mit öffentlicher
Besoldung Vorlesungen über griechische Autoren in Venedig
gehalten hatte, schrieb der Senat 1518 eine Bewerbung aus,
wobei die Bewerber Probevorlesungeo halten sollten, und
bestimmte hundert Ducaten als Gehalt für die Stelle (vgl.
Hodius, S. 306). Vielleicht wäre mehr ausgesetzt worden,
wenn nicht die Republik damals nach dem erschöpfenden
Kriege alle Besoldungen hätte ermälsigen müssen, und dann
bezog der Professor doch wahrscheinlich noch Collegien-
honorarc von den Zuhörern. Beide Umstände galten auch
für die Juristen in Padua, aber wir finden hier wpit höhere
Gl
Gehalte. Gegen 1525 oder 1526 schreibt Degenhard Haefs
aus Antwerpen^ der in Padua studirte, an Udalricus Zasius
in Freiburg: ^Paulus Petrus Parisius, der älteste der Pro-
fessoren des Rechts hier, bekommt 800 Ducaten, Marianus
Socinus 600, ebensoviel Franciscus Borlei, dann kommt
Achilles mit 400.*' Hierbei mufs man daran denken, dafs
die Juristen als Verfasser staatsrechtlicher Gutachten immer
die höchsten Besoldungen hatten. — Im Jahre 1459 war
Georg von Trapezunt durch einen jährlichen Gehalt von
150 Ducaten, wozu noch Collegiengelder*) kamen, bewogen
worden, in Venedig Vorlesungen zu halten.*) — Bevor der
Krieg der Liga von Cambray ausbrach ^ bezog Petrus Pom-
ponatius, Professor der Philosophie in Padua, meinen Gehalt
von 370 Ducaten (s. Roscoe, III. 260).
Die Octavausgaben von Virgil, Horaz, Statins u. s. w.,
jeder Band zu 3 marcelli, waren gewifs für jene Zeit billig;
wegen einiger anderer hören wir eine Klage des Codrus
Urceus in Bologna. Dieser hatte 1498 an Aldus für den
Band des Aristoteles de animalibus und ein griechisches
Lexicon, welches nur das des Grasten gewesen sein kann, etwas
über fünf Ducaten (er spricht von 30 librae und mehr)
zahlen müssen.^) Dies ist für ihn sehr viel Geld, und er
beklagt sich in einem Briefe an Baptista Palmarius über
die hohen Bücherpreise des Aldus, die noch dazu durch die
unnöthigen breiten Ränder mitherbeigeführt würden. „Zehn
') Ein Zeitgenosse, Johannes Calderia, sagt von ihm: „et a senatu
publicam et a privatis civibas privatam mercedem promeroit/ (Hodius,
8. 104.)
*) Die Staatseinnahme von Venedig wurde im Jahre 1423 auf
1,100000 Ducaten geschätzt; durch die Handelsstorungen in Folge der
Kriege war sie um die Mitte des Jahrhunderts auf 800000 Ducaten ge-
sunken. In dem genannten Jahre gab es 1000 Adelige von 70 bis 4000
Ducaten Einkommen. (Burckhardt, S. 72.) Im Jahre 1490 betrug die
Staatseinnahme 1,200000 Ducaten. Nach dem Kriege der Liga Ton
Gambray war sie auf die Hälfte herabgesunken, weshalb der Staat unter
Anderem die Gehälter der Beamten verringerte. PhiUppi^ Geschichte
Venedigs.
*) Bei diesem Preise mufste noch Anderes miteingerechnet sein;
denn nach dem Cataloge kostet der dritte Band des Aristoteles (de
animalibus) 2^ Ducaten, das griechische Lexicon 1 Ducaten.
02
grofBe und gute lateiniBcho CodiceB/' «'iursert er, „hätte ich
mir für jenes Geld kaufen können.** Lateinische Bucher
und Handschriften mochten wohl im Preise schon sehr ber-
abgegangen sein; aber zwei griechische Handschriften von
der Starke, abgesehen von der Güte, jener zwei Aldiniscben
Drucke hätte er nicht für fünf Ducaten bekommen, sondern
vielleicht das Fünffache zahlen müssen.^)
Ueber die Stärke der Auflagen läfst sich nicbt viel
Bestimmtes sagen. Die Ausgaben in kleinem Formate schei-
nen zu 1000 Exemplaren erschienen zu sein (s. die Vor-
reden zu CatuU und Euripides). Für die gröfseren und
theureren Bücher konnte wohl nur auf geringeren Absatz
gerechnet werden > wenn auch das litterarische Bedfirfiiifs
seit den Klagen von Sweinheim und Pannartz aufserordent-
lich gewachsen war.^)
n. Die Aeademie des Aldus.
Seit der Eifer für die klassischen Studien in Italien
allgemeiner geworden war, erwachte in den Gelehrten und
denjenigen, die an ihren Bestrebungen Antheil nahmen.
'} Ich schliefse dies aus folgender Berechnung. Als Politian 1491
far seinen Gönner Lorenzo reiste, um gute griechische Manuscripte zu
sammeln, stiefs er auf einige solche in Padua. Er ]iefs sie abschreiben
und hatte mit dem griechischen Scrittore das Abkommen getroffen, ihm
einen Ducaten zu zahlen a tre quintemi di foglio^ d. h. für drei Quin-
ternionen in Folio (Heeren übersetzt unrichtig: „für drei Bogen". Ge-
schichte der klassischen Studien. II. S. 56). Drei Quinternionen sind
15 Bogen, deren je fünf zur Erleichterung des Einbindens in einander
gelegt waren. Also 60 Folioseiten der Abschrift kosteten einen Ducaten.
Die beiden Drucke des Aldus von 1497 haben zusammen 1400 Folio-
seiten. Da der Druck grofs und weitläufig ist, so wollen wir den gün-
stigsten Fall annehmen, dafs jener Schreiber ihren Inhalt auf ebensoviel
Seiten geschrieben hätte: die Handschrift würde dann 23 j Ducaten ge-
kostet haben. Archetypen desselben ümfangs waren wahrscheinlich
theurer. Dreifsig Jahre früher hatten Sweinheim und Pannartz (s. erstes
Capitel, S. 15.) bemerklich gemacht, dafs ihre lateinischen Drucke fünf-
mal billiger seien, als man bisher handschriftliche Bücher bezahlt habe.
Zwischen griechischen Drucken und Handschriften wird am Ende des
Jahrhunderts ungefähr dasselbe Verhältnifs stattgefunden haben.
^) Oporinus in Basel druckte 1518 das lexicon graeco-latinum des
Craston, durch die berühmtesten Gelehrten bedeutend verbessert und
vermehrt, in 1000 Exemplaren. (Rebitte, S. 25.)
63
der natürliche Trieb sich zum Austausche der Gedanken und
gegenseitiger Förderung näher an einander anzuschlielsen.
Dies geschah durch freie Vereinigungen unter einem Haupte,
welche sich im Hinblicke auf Plato und Cicero den Namen
Academieen beilegten. Bald entstanden diese Vereinigungen
zum Zwecke des avpKpiXokoyelv xal avpsx&ovaid^eiv auch in
Deutschland unter dem minder tönenden Namen sodetates,
sodalitates^ sodalitia. Besonderen Ruf erhielten hier die
Rheinische und Danubische Gelehrtengesellschaft, gestiftet
durch Conrad Celtes, die Strafsburgische unter Wimpheling
und die Bairische unter Aventinus. Die Gelehrtenrepublik
hatte an ihnen gewisse Sammelpunkte zunächst für diejeni-
gen , die an demselben Orte wohnten , dann fär Auswärtige
und deren zeitweilige Betheiligung. Die Namen der Mit-
glieder wurden bei ihrem Eintritt in die Gesellschaft oft in
sinnreicher oder auch nur spielender Weise latinisirt und
gräcisirt. Unter den vielen Vereinigungen dieser Art, die in
Italien entstanden, ist zuerst der Kreis hervorzuheben, der
sich in Rom um den Cardinal Bessarion Sammelte, später
die Römische Academie des Pomponius Latus ^ welche sich
vorzugsweise mit lateinischen Schriftstellern, Inschriften, Al-
terthümem beschäftigte. Ponianus und Sannazar waren die
berühmtesten Häupter der neapolitanischeil Academie, wo
Geschichte, Dichtkunst und eclectische Popularphilosophie
gefordert wurden. Ein besonderer Glanz aber verbreitete
sich um die Platonische Academie, deren Mitglieder . an
Cosmus und Lorenzo von Medici nicht nur fürstliche Gön-
ner, sondern auch begeisterte Theilnehmer ihrer philosophi-
schen und zum Theil schwärmerischen Unterhaltungen hatten.
Sie fanden sich häufig in Carreggi zusammen, einem Land-
sitze der Mediceer bei Florenz. Marsilius FidnuSy Picus
von Mitandulay PolitianuSy Bapiista Alberti, Christophorus
Landinus sind hier die hauptsächlichsten Namen neben
Cosmus und Lorenzo,
Auch um Aldus sammelte sich in Venedig bald ein
Kreis wissenschaftlicher Männer. Wie aber in Venedig
Alles nüchterner, straifer, practischer war, als in anderen
G4
Theilen Italiens (wird doch auch der grofsen venetianischen
Kunstschule ein „weltkluger, geistreicher Realismus^* zuge-
schrieben), so ist auch der Charakter der Aldinischen Aca-
demie ein strengerer, mehr auf bestimmte philologische
Zwecke gerichtet. Die alten Schriftsteller ihrem Inhalte
nach genau kennen zu lernen, für die Sprache sichere gram-
matische Regeln aufzustellen, kritische Hand an die Texte
zu legen und möglichst viele derselben den Studirenden zu
verschaffen, war die Absicht dieser Academiker. Auch an
geschäftlichen Beziehungen ihres Vorstehers scheinen sie
bisweilen mitbetheiligt gewesen zu sein. Die Zusammen-
künfte, waren im Hause des Aldus und umfafsten gelehrte
Männer aller Berufsarten, darunter die angesehensten des
Staates. Es spricht sicher für seine Tüchtigkeit in wissen-
schaftlicher und sittlicher Hinsicht, dais er der Mittelpunkt
einer solchen Vereinigung wurde und blieb. Man safs im
Winter im Halbkreise um das Feuer herum und pflog ge-
lehrter Unterhaltung. Einmal disputirte der Arzt Hierony-
mus Menochius aus Lucca mit dem Venetianischen Arzte
Nicolaus Zoccha über die Hundswuth mit Beibringung alles
dessen, was bei den Alten über diesen Punkt zu finden sei.
(Man darf hierbei nicht vergessen, wie sehr die Eenntnüs
dieser Alten noch unmittelbar in das Leben eingriff, da man
nach ihren Vorschriften heilte.) Ein, anderes Mal trug Scipiö
Carteromachus die grammatischen Lehren des Apollonius
Dyskolus vor. ') Im Uebrigen fehlen sichere Nachrichten
über die Beschäftigungen der Academie, imd man kann nur
aus den wenigen Andeutungen vermuthen, dafs ihre Be-
sprechungen wesentlich den Schriftstellern galten, deren
Ausgaben vorbereitet wurden. Ein Schriftstück in griechi-
scher Sprache, aus den ersten Zeiten der Vereinigung, 1500
oder 1501 von Carteromachus geschrieben, ist von Morelli
bekannt gemacht worden.
») Morelli, S. 61. 54.
65
5>
Gesetz der Neacademie'^
^^Da denjenigeii^ die sich um gelehrte Bildung bemühen^
grofser Nutzen aus griechischer Unterhaltung erwächst, so
haben wir drei, Aldus der Römer, Johannes der Eretenser
und ich, Scipio Carteromachus, gemeinsam beschlossen, ein
Gesetz zu erlassen, dafs es nicht anders erlaubt sein solle
sich zu unterhalten, als in griechischer Sprache* Sollte aber
Jemand unter uns anders sprechen, sei es aus Absicht oder
ohne es zu merken, oder weil er an das Gesetz nicht dächte,
oder woher es auch kommen möchte, so soll er bestraft
werden, aufser er hätte dies gerade absichtlich herbeifähren
wollen. Seine Strafe aber soll Jeder alsbald erlegen uiid
di« Sache iiicht auf morgen oder übermorgen verschieben.
Wer aber nicht zahlt, soll das Doppelte schuldig sein, und
wer auch diesös nicht giebt, von dem werde das Vierfache
eingefordert und so fort nach Verhältnifs des Aufschiebens.
Wer aber das Gesetz nicht achtet und das Zahlen seiner
Strafe ganz unterläfst, der werde aus dem Kreise der Hel-
lenisten vertrieben und für unwürdig erklärt der Gemein-
samkeit mit ihnen, und jedes Zusammentrejßfen mit ihm
gelte fortan als ünglückstag. Das eingezahlte Silbergeld
aber soll in" einen Geldbeutel gethan werden oder auch, ja
beim Zeus, in eine eigens dazu gedrechselte Büchse, und
diese werde entweder Einem von uns zur Bewachung über-
geben, zu aller Sicherheit verschlossen und versiegelt, oder
irgend Einem, den wir erwählen und för würdig erklären.
Sobald aber beschlossen wird, sie solle geöffnet werden, so
bringe man sie vor und zähle das Geld durch, und ist das-
selbe hinreichend für Beschaffung eines Gastmahls, so werde
es dem Aldus uneingeschränkt eingehändigt, um uns davon
glänzend zu bewirthen und nicht etwa wie Drucker, sondern
Männern angemessen, die von der neuen Academie träumen
und sie beinahe auf Platonische Art eingerichtet haben (xai
ov xara tovg ivTVTtiaraq^ äXX arSgccai ngenovrcog xoiq trjv
5
66
NeaxaSsfiiav ovaiQOTioXovaiv i'iSi] xai UXarwvixüq (aixqov
SeJv xataaxsvdaaöiv avTi)v), Ist aber das Gold noch nicht
hinreichend, so werde es wieder in die BQchse gethan und
darin gelassen^ bis so viel da ist und sich angesammelt hat,
als für die Bewirthung genügt''
,,Al8 Gast aber darf nur ein solcher zugeführt werden,
der Philhellene und würdig unseres Kreises ist, der aUo die
Wissenschaften liebt^ das Griechische versteht und, was die
Hauptsache ist, zu unserer Neacademie paTst und in ihre
Zwecke eingeweiht ist. Ist aber ein Gast da oder kommt^
wie dies wohl geschieht, ein Fremder, der sich eines Ge-
schäfts wegen hier aufhält, wohl unterrichtet und des Grie*
chischen kundig, so soll er gleichfalls unserem Gesetze un-
terworfen sein. Widerstrebt und widersetzt er sich aber
dem Gesetze, ohne dafs eine Entschuldigung und Vertheidi-
gung dafür da ist, so soll er alsbald ohne Weiteres (kQrjfjLtjv
xaTaSBSixda&iü) verurtheilt und aus der Neacademie ver-
bannt werden als unwürdig; und er soll nicht mehr unter
uns aufgenommen werden, wenn er nicht seinen Fehler be-
reut, das einmal Festgesetzte zu halten verspricht und ge-
wissermafsen Bürgen stellt. Ist aber Einer, der das Grie-
chische nicht versteht, weil er sich noch gar nicht oder nicht
soweit damit beschäftigt hat, dafs er Griechisch sprechen
könnte, der sich aber damit noch, beschäftigt oder die
Absicht hat es zu lernen, so darf er wohl unter tins
aufgenommen werden; aber auch er mufs sich nach und
nach gewöhnen Griechisch zu sprechen, wie wir. Wenn
er aber nicht gehorcht oder auch gar unsere Beschäftigung
verlacht, so werde er für alle Zukunft ausgeschlossen und
nicht mehr für würdig unseres Vereins erklärt, auch wenn
er noch so sehr bäte."
„Vorgeschlagen hat das Gesetz Scipio Carteromachus, aus
dem Stande der Professoren ((pvlrjg dva/vaiaridog); zur Ab-
stimmung haben es gebracht Aldus der Römer, das Haupt
der Neacademie, und Johannes der Eretenser, aus dem
Stande der Correctoren ((fvXiJQ öioQ&airiäogy. Zugestimmt
67
aber haben die Neaoademiker alle, darunter Baptista/) aus
dem Stande der Priester^ und Paulus der Venetianer, aus
dem Stande der Patricier,^) und der Arzt Hieronymus aus
Lucca/) und der Veroneser Franciscus Rosetus/) aus dem
Stande der Lehrer ((pvX^g didaaxaliSog), und viele Andere,
die in dieser Zeit lernbegierig sind und ein Verlangen nach
der Neacademie haben, schon durch den Namen angelockt.
Glück aber sei durchweg mit der Neacademie und de-
nen, die sich zu ihr halten!^'
Ob der Gebrauch der griechischen Sprache bei allen
Zusammenkünften festgehalten worden ist, können wir nicht
bestimmen. Was aber den Anfang der Academie betrifft,
so ist derselbe jedenfalls vor 1502 zu setzen,* denn in dem
Privilegium des Dogen Leonardus Lauredanus vom Novem-
ber 1502 wird ihre Existenz schon erwähnt, und zwar wie
ein neues Verdienst des Aldus um die Wissenschaften in
Venedig. Sie wird schon längere Zeit vorher bestanden und
durch die Ankunft des Carteromachus, welche 1500 erfolgte,
neues Leben und festere Gestaltung bekommen haben. Un-
terbrochen durch zeitweisen Abgang bedeutenderer Mitglie-
der, sowie durch die zweimalige Entfernung des Aldus von
Venedig, erstand sie doch immer wieder, und noch der
Pindar von 1513 zeigt ^e Unterschrift: „ex nostra Acade»
mia^. Auch nach dem Tode des Aldus erlosch sie nicht
alsbald; denn Egnatius erwähnt in seinem Gellius vom
September 1515 die Academiker noch als eine Gemeinschaft
Aldus verband aber später mit dem Namen Academie
besondere Pläne. Zur Fortsetzung und Einrichtung der bis-
herigen freien Zusammenkünfte brauchte er keine pecuniären
Unterstützungen, und doch suchte er solche bei mehreren
forstlichen Häuptern nach in Betreff des Aufbaues der Aca-
^) Baptista Egnatias.
*) Paulus Canalis oder Decanalis.
') Einiges über Hieronymus Menochius bei Morelli, S. 61.
^) Dieser Franciscus Rosetus aus Verona ist Yielleicht derselbe mit
Franciscus Roscius (Rossi), Yon dem einige Hymnen erwähnt werden.
MoreUi, S. 63 ff.
G8
domio (de consHiuenda Aca4emia), Er wandte sich zuerst
an Kaiser Maximilian durch Vermittlung von CoUaurius^
Matthias Lang und Cuspinian. Um diese Zeit schreibt er
an CelteSy wenn das in Erfüllung gehe, was er hoffe, so
werde Germanien ein zweites Athen für die Zeitgenossen
werden. Später spricht er die Hoffnung aus, durch die
Mittel der Lucretia Borgia, Herzogin von Ferrara, seine Idee
ausgeführt zu sehen. Endlich fordert er Pabst Leo X« auf,
in Rom die Academie zu gründen, die er und seine Freunde
schon so lange im Herzen trügen. ') Ich denke mir also,
dafs ihm in gröfserem Maafsstabe etwas dem Aehnliches
vorschwebte, was Leo X. durch Gründung des Griechischen
CoUegiums in Rom wirklich eingerichtet hat, mit welchem
eine Druckerei verbunden war und dessen Leitung dem
Janus Lascaris übergeben wurde. Vielleicht hat er gehofft,
dabei für sich selbst eine Stellung zu gewinnen, in welcher
er nebst seinen würdigsten Freunden mit einem sicherstel-
lenden Gehalte in seiner bisherigen Weise wirken könne,
während Kosten, Nutzen und Schaden von dem einrichten-
den Gönner der Wissenschaften übernommen würden.
Als Theilnehmer an der Academie des Aldus können
mit gröfserer oder geringerer Sicherheit Folgende bezeichnet
werden : der Arzt Alexander Bondinus aus Venedig, genannt
AgathemeruSy im ersten Bande des Aristoteles als Mithelfer
erwähnt; Urbanus Valerianus Bohanius aus Belluno, meiat
Frater Urbanus genannt; BapHsta Egnatius; Scipio Carte-
romachus aus Pistoja; der Arzt Hieronymus Menochius aus
Lucca; Marcantonius Coccius Sabellicus ; Hieronymus Alean^
der aus Motta; Nicolau^ Judecus; Gabriel Bracdus (ßras-
sichellensis); Nicolaus Zoccha; Benedictus Tyrrhenus; Be*
nedictus Rambertus ; Michael Carteromachus^ ein Verwandter
des Scipio Carteromachus ; Petrus Alcyonius ; Johannes Bap'
tista Ramusius oder Rhamnusius ; die Veroneser Hieronymus
Avancius und Johannes Jucundus; Andreas Asulanus und
*) lieber seine Bemühungen s. die Vorrede zu Pontanus 1505, zu
Plato 1513, zu den Gedichten der Strozzi 1513, so wie den Bri0f an
Celtes vom Juni 1503.
69
seine Söhne Frandscu» und Fredericus. Die Nobili: Petms
Bembus; Antonius Maurocenus] Daniel Rainerus (Rinieri);
Angelus Gabriel (Angelo Gabrielli); Marinus Sanudus oder
Sanutus; Bieronymus Donaiits; Aloisius Mocenicus; Paulus
Canalis; Andreas Naugerius oder Navagems. Auch der
Fürst Albertus von Carpi nahm an den Besprechungen der
Academie Theil, wenn er in Venedig war. Die Griechen:
Johannes Cretensis oder Gregoropylus; Marcus Husums au$
Greta; Justinus Dekadyus aus Corfu; Aristobulus Apostolius
und sein Bruder Arsenius, Letzterer später Erzbischof von
Monembasia; Demetrius Ducas; Janus Lascaris; Demetrius
Chalkondyles aus Athen. -^ Zuletzt nennen wir für sich allein
Erasmus. *)
m. Die Dllitglieder der Academie.
•
Johannes Baptista EgnatiuSy aus der Familie Cipelli^
war 1478 zu Venedig geboren, wo er mit kurzen Unter-
brechungen bis an sein Ende 1553 geblieben ist. Er wird
noch als Zuhörer Politians genannt. In Venedig, und einige
Zeit auch in Padua, hielt er Vorlesungen über alte Schrift-
steller, besonders lateinische, half Aldus und dessen Nach-
folgern bei Herausgabe lateinischer Autoren und schrieb
anfserdem Anmerkungen zu Cicero, Ovid, Sueton, den scrip-
tores historiae Augusta^e. Eine geschichtliche Arbeit gab er
1516 bei Andreas Asulanus heraus: „De Caesaribus libri III.
a diotatore Caesare ad Constantinum Palaeologum, hinc a
Carolo magno ad Maximilianum Caesarem". Der Staat gab
ihn auch feierlichen Gesandtschaften als Redner bei, wozu
die; angeseheneren Humanisten jener Zeit vielfach benutzt
worden. So einer Gesandtschaft nach Mailand an Franz I.
•) Auch der Engländer Thomas Linacer, Arzt und Humanist, wird
von.Renouard und Anderen unter die Academiker gerechnet, was mir
unbegründet erscheint. Er ^tand wohl in einer Beziehung zu Aldus,
war aber 1499 schon seit längerer Zeit wieder in England (s. die Vor-
rede zur Sphaera des Proclus in der Collection der astronomischen Schrift-
steller, 1499), auch ist nicht bekannt, dafs er sich überhaupt in Venedig
aufgehalten hat.
70
nach dem Siege bei Marignano. Er hatte ein lateinisches
Oedicht auf diesen Sieg abgefafst, welches noch 1515 ge*
druckt erschien und 1540 in Venedig neu aufgelegt worden
ist. Der König schenkte ihm fär dasselbe eine goldene
Denkmünze mit seinem Bildnisse.
Mit Erasmus wurde er sehr befreundet und stand mit
demselben bis in dessen letzten Lebensjahre in Briefwechsel.
Noch vertrauter war er mit Aldus, der ihn in seinem Testsr
mente zu einem der Testaments -Executoren ernannte. —
Morelli, S. 57 f. Gräfse, V. 1210. Saxii Onom. m. 62. 588.
Menckenii historia vitae Politiani, p. 82. — Auch mit Pirk-
heimer, den er sehr schätzte, stand er in brieflichem Vor-
kehre. — Heumanni documenta litteraria, p. 107, 287. —
Scipio Carteromachus ^ eigentlich Forteguerri^ wurde
1467 zu Pistoja geboren, wo seine Familie zu den angese-
hensten Geschlechtern gehorte. Nach dem ersten Unterrichte
in seiner Vaterstadt ging er nach Rom und Florenz und
wurde eiaer der vorzüglichsten Schüler Politians. Um 1500
wurde er von dem Venetianischen Senate eingeladen, in
Venedig die griechische Sprache zu lehren, in deren Eennt-
nifs er sich so auszeichnete, dais selbst gebome Griechen
seine Ueberlegenheit anerkannten. Dort trat er bald in
Verbüidung mit Aldus, mit welchem er schon früher Be-
rührungspunkte gehabt hatte; denn das Organen des Aristo-
teles, der Thesaurus und andere Bücher ^d^s Aldus enthalten
von ihm nach damaliger Sitte einleitende Epigramme. 8oldie
Epigramme und griechische Vorreden widmete er auch spä-
teren Büchern: dem PoUux, Nonnus, Gregorius Nazianzenus,
Demosthenes, welchen letzteren er ganz besorgte. Vor der
Herausgabe des Demosthenes hielt er vor einem zahlreichen
Publicum die von Aldus gedruckte Rede zum Lobe der grie-
chischen Litteratur.
Gegen 1505 wurde er vom Pabst Julius II. nach Born
berufen, um hier Lehrer und Gesellschafter eines seiner
Neffen zu sein, des Cardinais Galeotto Franciotti della Rovere.
Diesem widmete er eine Rede des Aristides, die er in das
Lateinische übersetzt hatte. In Bologna 1507 und spätw in
71
Rom hatte er vertrauten Umgang mit Erasmus^ der seine
ungemeine Gelehrsamkeit, verbunden mit einer grofsen Be-
scheidenheit, aufserordentlieh lobt. Er starb schon Ende
1513, ohne nennenswerthe Arbeiten aUfser dem Erwähnten
zu hinterlassen; nur ist noch hinzuzufügen, dafs er auch bei
dw lateinischen Ausgabe des Ptolemäus, welche 1507 in
Rom erschien, mit thätig war. — Roscoe 11. 149 ff. Niceron.
Morelli, 8. 53 ff. Saxii Onomast. U. 518. Erasmi epist. ad
Jodocum Gaverum. —
Urbanus ValeHanus BoUanius aus Belluno, 1440 ge-
boren, ein Franciscaner, verlieis mehrmals die Mauern sei-
nes Klosters, um fremde Länder zu sehen. Er begleitete
den nachmaligen Dogen von Venedig, Andrea Gritti, auf
einer Gesandtschaftsreise nach Constantinopel und durch-
reiste dann zu Fufs Griechenland, Palästina, Aegypten, Sy-
rien. Bemerkungen über das Gesehene hat er aufgezeichnet,
aber nicht veröffentlicht. Es erschien von ihm 1497 bei
Aldus eine häufig wiederholte griechische Grammatik, die
erste in lateinischer Sprache geschriebene. Sie beruht auf
den Vorträgen des Constantinus Lascaris, welchen er in
Messina gehört hatte. Er scheint sich meistens in Venedig
aufgehalten zu haben, wo er erst 1524 starb, vollkommen
gesund bis an sein Ende; nur beschädigte er sich als Greis
durch einen Sturz von der Leiter den Fufs, so dafs er
seine weiten Fufswanderungen aufgeben mufste. Seinen
Schülern, denn er hielt lange in Venedig Vorlesungen über
griechische Sprache und Schriftsteller, erschien er als das
Muster eines Menschen. So schildert ihn sein Neffe Pierius
Valerianus: „unum exemplum vitae in omni diutumoque
labore tranquillissimae, in tenui re, in laboribus, in summa
senectute felicis." — Roscoe IL 153. Gräfse IV. 770. Burck-
hardt^ S. 274. — In der Vorrede zum Thesaurus 1496 wird
er zuerst als Mithelfer des Aldus erwähnt.
Er gehörte zu denen, welchen Erasmus in Venedig ver-
pflichtet wurde. Es heifst bei diesem: „Cum apud Italos
ederem proverbiomm opus, homo Batavus, Aldus nihil habe-
bat in thesauro, quod non communicaret. Idem fecit Joannes
72
Lascaris, Baptista Egnatius, ^arcus Musurus^ Frater Ur-
banus/^
Hieronymus Aleander, Girolamo Äleandro, 1480 bis
1542^ aus Motta im Ffirstenthume Concordia^ hatte ein sehr
bewegtes Leben^ was ihn nicht zu der litterarischen Thatig-
keit kommen liefs^ die man von ihm erwartet hatte. Zu
Venedig war er Anfangs im Dienste des päbstlichen Ge-
sandten; 1504 war er mit einem yomehmen venetianischen
Jünglinge^ Mapheus Leo^ in Padua^ dann wieder in Venedig
als Privatmann bis 1508. Er half dem Aldus bei dessen
Arbeiten, weshalb ihm auch 1504 der Homer von demsel-
ben dedicirt wurde, und wohnte im Hause des Andreas
Asulanus, zuletzt mit Erasmus zusammen, mit welchem er
in Verbindung geblieben ist. Schon damals hatte er äea
Ruf grofser Gelehrsamkeit im Lateinischen, Griechischen,
Hebräischen und anderen orientalischen Sprachen. Von
1508 — 1517 hielt er, nach Roscoe, in Paris, Orleans, Blois»
die letzten Jahre in Lüttich Vorlesungen über griechische
Schriftsteller, was indefs Rebitte für die französischen Städte
bestreitet, wenn auch sein Aufenthalt in Frankreich unzwei:
felhaft ist. Im Jahre 1519 wurde er Bibliothekar am Va-
tican, darauf erscheint er als päbstlicher Legat auf dem
Reichstage in Worms. Als apostolischer Nuntius an Franz L
geschickt, den er in die Schlacht bei Pavia begleitete, wurde
er mit dem Könige gefangen genommen und nur gegen ein
schweres Lösegeld freigelassen. Nach mehrfachen anderen
Gesandtschaften und Staatsgeschäften wurde er 1538 Cardi-
nal und legte darauf sein Amt als Bibliothekar nieder. Als
Erzbischof von Brindisi lebte er auch einige Zeit wieder in
Venedig, wo er in seinem Paläste den Georg Sabinus, spä-
ter Schwiegersohn Melanthons, zum Dichter krönte, wie die-
ser selbst erzählt. Er starb zu Rom 1542. Seine Bücher
vermachte er einem Kloster in Venedig, von wo sie in die
Marcusbibliothek gekonmien sind. — Roscoe IQ. 329 ff.
Rebitte, S. 132 ff. Grä&e V. 1210. Saxii Onomast lU. 92.
Rosenmüller, Lebensbeschreibungen berühmter Gelehrten,
S. 320. —
73
Es giebt von ihm Briefe^ ein griechisch -lateinisches
Lexicon und eine grieciusche 6ramma4>ik, Strafsburg 1515^
die ein Auszug aus Chrysoloras ist Das Lexicon erschien
1512 in Paris^ gedruckt durch Gourmont. Die Pariser Buch-
drucker hatten damals noch so wenige griechische Typen^
dafs der Druck eines längeren Buches grofse Schwierigkeiten
machte. — Bebitte, S. 54. -:-
Ueber Coccius SabelUcus s. Brief Y. Anmerk. 7.
Benedictus Tyrrhenus gab. 1516 bei Andreas Asulanus
den Strabo heraus^ der dem Albertus Pius gewidmet ist.
Johannes Baptista Ramusiiis oder Rhamnmius^ 1485
bis 1557 > wird 1514 als Mitbesorger des Quintiliau von
Aldus erwähnt. Er war ein Freund von Navagerus und
Fracastorius. — Gräfse V. 1152. Paiji Manutii epist. ed.
Krause, p. 1145. Menckenii vita Fracastorii, p. 142, 199.
Saxii Onom. m. 212. —
Petrus Alcyonius wurde etwa 1490 in Venedig geboren.
Es giebt von ihm eine lateinische Uebersetzung einiger
Schriften des Aristoteles, aufserdem einen Dialog „Legatus
Medices seu deExilio^^ Dieser schien den Zeitgenossen in
80 classischem Latein geschrieben zu sein, dafs man sagte,
Alcyonius habe heimlich die einzig vorhandene Handschrift
der verschollenen zwei Bücher Cicero's „de gloria" besessen
und für jenen Tractat benutzt, dann aber vernichtet, um
des Betruges nicht überführt werden zu können. Vielleicht
sei es die Handschrift gewesen, von der Petrarca erzähle,
dafs er sie in seiner Jugend gehabt und gelesen, durch sei-
nen alten Lehrer aber verloren habe, (üeber Petrarca's
etwas zweifelhafte Angabe in Betreff dieser ciceronischen
Schrift vgl. Voigt, das erste Jahrhundert des Humanismus,
S. 25.) Bei Aldus soll er Corrector gewesen sein. Er ge-
hörte zu den eifrigsten Zuhörern des Musurus, nach dessen
Tode er sich, da er schon bedeutenden Ruf hatte, mit um
dessen erledigten Lehrstuhl bewarb, den er iudefs nicht er-
hielt Bald darauf erscheint er als . Professor in Florenz,
seit 1523 in Rom, wo er 1527 starb. — Niceron. Gräfse
V. 1210. Saxü Onom. IH. 95. Hodius, p- 307. —
74
Hieronymus Avanciu$ aus Verona war gegen 1493 Pro-
fessor der Philosophie in Padua. Er scheint bei dieser Stadt
ein Gut gehabt zu haben, auf welches er sich zurückzog,
um sich mit mehr Mufse dem Emendiren yerschiedener
Schriftsteller hinzugeben. Besonders beschäftigte er sich mit
GatuU und Lucrez. Seine ,, Emendationes Catullianae'^ er-
schienen 1494. Für Aldus besorgte er 1500 den Lucrez,
1502 den Catull. Aufserdem werden von ihm erwähnt Aus-
gaben des Ausonius, Quintilian, Statins, des Tragikers Se-
neca, einiger Briefe des jüngeren Plinius. Die Editoren
jener Zeiten waren im Allgemeinen sehr geneigt zu Inter-
polationen, ihm jedoch wird es in erhöhtem Grade vorge-
worfen. — Quirini Litterat. Brixiana I. 59 fif. Saxii Onom.
ni. 3. 576. Gräfse IV. 760. —
Johannes Jucundus^ Giocondo, soll ein Franciscaner
gewesen sein, worauf die Benennung Fra Giocondo bei Eini-
gen hinweist, während Andere bezweifeln, dafs er dem
Priesterstande angehört habe. Er wurde in Verona um 1435
geboren und widmete sich dem Baufache, dabei aber auch
eifrig dem Studium des Alterthums. Dem Lorenzo von
Medici übergab er eine Sammlung von ^000 lateinischen
Inschriften, welche in die Vaticanische Bibliothek gekomm^
und von Gruter und Muratori soll benutzt worden sein.
Ludwig XIL berief ihn 1499 als königlichen Architekten
nach Paris, wo er zwei Brücken über die Seine baute.
Sannazar in seinen Epigrammen macht darauf den Wortwitz:
De Jucundo architecto.
Jucondus geminos fecit tibi, Sequana, pontes:
Jure tuum potes hinc dicere pont\ficem,
Jean Joyeux^ wie er in Paris hiefs, beschäftigte sich
auch in Frankreich mit den alten Schriftstellern, verglich
Codices zu Nonius Marcellus und fand die vollständige Hand-
schrift zu Plinius' Briefen, die Mocenicus an Aldus gab, der
sie 1508 druckte. Auch für Sicherstellung der Topographie
in >Cäsars gallischem Kriege war er thätig. Als er 1507
nach Italien zurückgekehrt war, kam er nach Venedig und
75
trat in nähere Verbindung mit Aldus^ dem er bei den Aus*
gaben von Nonius Marcellue (angehängt dem Perotti von
1513)^ Gä8ar^ Sallust^ Julius Obsequens (angehängt dem
Plinius von 1508) behülflich war. Nachdem er mehrere
Bauten in Venedig und Verona geleitet hatte^ wurde er 1514
als achtzigjähriger Greis nach Rom berufen ^ um unter der
Oberleitung von Raphael an dem Ausbaue der Peterskirche
mitzuwirken. Dort starb er bald darauf. Es wird von ihm
noch erwähnt^ dafs er auch Vitruv, Cato, Varro und Colu-
mella emendirt habe. — Jagemann ^ Bd. 5^ S. 143^ 656.
Gräfse IV. 751. Saxii Onom. 11. 503. Encyolopädie von
Ersch und Gruber, Bd. 67. —
Das Leben des Petrus Bembus^ geboren 1470 in Vene-
digs gestorben 1547 in Rom, ist vielfach bescbrieb^Q. Er
gehörte zu den ersten, die mit Aldus in Verbindung traten«
Mit Angelus Gabriel veranlafste er ihn zur Herausgabe der
Grammatik des Lascaris; 1495 liefs er bei ihm sein Gedicht
„de Aetna'^ drucken, welches durch seinen längeren Aufepit-
halt in Messina hervorgerufen war. Dann besorgte er für
Aldus eine kritische Ausgabe der Gedichte Petrarca's und
der Terzerime des Dante. Auch für die lateinischen Aus-
gaben desselben war er in verschiedener Weise thätig, wes-
halb ihm der Virgil von 1514 gewidmet ist. Mit Sadoletus
gehörte er als päbstlicher Secretär zu dem engeren Kreise
um Leo X. Nach Navagero's Tode wurde ihm von seiner
Vaterstadt die Stelle eines Historiographen und die Aufsicht
fiber die Marcusbibliothek übertragen. Er nahm Beides em,
verzichtete jedoch auf den damit verbundenen Gehalt. Als
er 1539 Cardinal geworden war, entsagte er der Beschäf-
tigung mit der Dichtkunst und profanen Gelehrsamkeit. Er
ist eins der Häupter des Ciceronianismus, welchen Erasmus
80 geistreich angegriffen hat.
Andreas Naugerius oder Navagerus wurde 1483 in
Venedig geboren, wo Sabellicus sein frühester Lehrer war.
Zu Padua studirte er unter Petrus Pomponatius Philosophie
und Beredsamkeit. Von dort kehrte er nach Venedig zu-
ruck und trat in enge Verbindung mit Aldus, der ihm den
76
Pindar und die rhetorischen Schriften Cicero's gewidmet hat,
an deren Ende es heifst: ,,Cum adeo juvenis tantus et prosa
et carmine eyaseris, ut te vel antiqiiis, qui utroque In ge-
nere summa cum laude elaboraverunt, fere aequaveris, non
dubito quin futurus sis maximum decus et gloria nostrorum
temporum et una cum Bembo nostro magna spes altera
Romae/' Einige Zeit lebte er mit seinem Freunde Fraca-
storo auf der Academie ihres Gönners, des venetianischen
Generals d'Alviano oder Livianus, zu Pordenone; 1506 aber
wurde er von dem Senate zurückberufen, um die Stelle des
eben gestorbenen Sabellicus einzunehmen und die venetia-
nische Geschichte desselben fortzusetzen. Hierauf wurde er
mehrfach in Staatsangelegenheiten als Gesandter verwendet
und verglich dabei in Frankreich und Spanien für eine Her-
ausgabe der Beden Cicero's ^) die Handschriften vieler Biblio-
theken. Als er 1529 zu Franz I. abgeordnet worden war,
starb er auf der Reise in Blois. In dem Kreise^ der sich
um Aldus bildete und auch bei dessen Nachfolgei: blieb,
gehörte er zu den gründlichsten Kritikern, wie der Lucrez
von 1515, der Ovid 1515 — 1516 beweisen. Von seinen
eigenen Schriften ist nur Weniges erhalten, weil er das
Meiste in übertriebener Unzufriedenheit mit seinen Leistun-
gen verbrannt hat, darunter eine Geschichte Venedigs von
der Ankunft Carls VIII. in Italien bis auf seine Zeit. Die
Gedichte sahen ihm nicht genug dem Virgil ähnlich, die
Prosa nicht genug dem Cicero, wie ihm denn auch die
Schreibart des Erasmus mifsfiel, weil sie nicht ciceronia-
nisch sei. Bei dieser Art von Eifer könnte wohl die An-
gabe des sonst nicht immer zuverlässigen Jovius wahr sein,
dafs Navagerus jährlich ein Exemplar des Martial dem Feuer
geopfert habe, wahrscheinlich weil er diesem Schuld gab,
den Geschmack am Hohen und Schwunghaften zerstört zu
haben. — Gräfse V. 1109. Schelhorn, Amoenitates litte-
*) Sie erschienen 1519 bei Andreas Asiilanus, 1534 bei Antonius
Junta mit den Verbesserungen des Petrus Victorius. Vd. Roscoe, III.
112. Renouard, S, 86, XXVIII.
77
rariae VIT. 149. Roscoe III. 110 — 119. 163. Das Latei-
nische war seine Hauptstarke, doch horte er auch fleifsig
den Musurus. —
Paulus Canalis oder Decanalis, Paolo Canale, zeigte die
Frühreife, die wir bei Vielen in jener Zeit finden. Er starb
schon 1508, im Alter von fünfundzwanzig Jahren. Unab-
lässiges Studiren bei schwacher Gesundheit beschleunigten
sein Ende. Es sind keine Werke von ihm bekannt, doch
erwähnt Egnatius in seinen „Racemationes^^ von ihm, dafs er
ein Werk über Mythologie (genealogia deorum) beinahe fer-
tig ausgearbeitet habe. Eine von ihm geschriebene Hand-
schrift des Athenäus hat Schweighäuser für seine Ausgabe
in Paris verglichen, wohin sie aus Heidelberg gekommen
war. — Morelli S. 58 ff. — Erasmus erwähnt ihn in dem
Briefe an Jodocus Gaverus : „ Venetiae vidi Paulum Canalem
patricium, juvenem sümmis rebus natum, nisi mors illud in-
genium terris invidisset. Is phtisi periit me illic agente/^
Alberto Pio, Graf von Carpi (Albertus Pius de Sabaudid,
Carporum Comes, heifst er in dem Privilegium vom Januar
1513, welches Aldus auf seine Verwendung von Pabst Ju-
lius IL erhielt,) blieb in seinem späteren Leben nicht in
der Weise den Wissenschaften treu, wie Aldus von seinem
Schüler gehofft hatte. Staatsgeschäfte und später die refor-
matorischen Bewegungen zogen ihn ab (s. die Vorrede ^um
Lucrez 1515). Er war längere Zeit Gesandter Maximilians
bei Pabst Julius ü. Von Carl V. wendete er sich zuletzt
ab auf die Seite des Pabstes. Seiner Besitzungen beraubt,
starb er 1530 in Paris. Am meisten ist er durch den Streit
bekannt, den er mit Erasmus führte. Er warf ihm vor, dafs
er durch seine Schriften den Kampf hervorgerufen habe,
welchen Luther und seine Anhänger gegen die Kirche führ-
ten, und dafs er denselben auch jetzt noch dadurch begün-
stige, dafs er nicht entschieden dagegen auftrete. — H. v.
d. Hardt, Hist. lit. Reform. L p. 107 — 180. —
Johannes Cretensis oder Gregoropylus war einer der
gelehrten Griechen, welche bei Aldus als Correctoren be-
schäftigt waren und in seinem Hause lebten. Einen grie-
78
chischen Brief seines Landsmannes Musurus an ihn aus der
Zeit, wo jener sich bei dem Grafen von Carpi aufhielt^ hat
Renouard S. 520 abgedruckt. — Morelli, S. 51. —
Marcus Musurus aus Greta kam jung nach Italien^ wo-
hin ihm später sein Vater folgte. In Venedig lernte er La-
teinisch,*) in welcher Sprache er es zu einer solchen Fer-
tigkeit brachte, wie sie unter den Griechen nach Erasmus*
Meinung nur Theodorus Gaza und Janus Lascaris erreicht
hatten. Zu dem Letzteren hat er in einer besonderen Be-
ziehung gestanden; denn er rühmt mehrmals die Liebe,*)
mit welcher er von Jenem in seiner frühesten Jugend wie
ein Sohn gehalten und zu den schönen Wissenschaften ge-
leitet worden sei. In Venedig half er dem Aldus schon bei
dessen ersten griechischen Ausgaben, z. B. bei dem Musaus,
so wie dem Nicolaus Blastus bei der Herausgabe des Ety-
mologicum magnum 1499. Später finden wir ihn in Carpi
bei dem Fürsten Albertus, den er im Griechischen unter-
richtete, wie aus Aldus' Vorrede zum Statins 1502 hervor-
geht (vgl. auch die Vorrede zum Sophocles). Im Jahre 1505
tritt er, von der Republik berufen, als Professor des Grie-
chischen in Padua auf, wo er seinen alten Vater bei sich
hatte, der nur Griechisch verstand. Dort hörte ihn Erasmus»
der seines Lobes voll ist, und verkehrte in seinem Hause.
Auch von Padua aus blieb er Aldus' Mitarbeiter, kam auch
nicht selten nach Venedig. Durch die Eriegsimruhen aus
Padua vertrieben, siedelte Musurus wieder ganz nach Venedig
über und wurde mit einem bestimmten Gehalte als Lehrer
der griechischen Litteratur angestellt, womit die Oberaufsicht
über die Bibliothek des Bessarion verbunden wurde. Der
Zeitpunkt ist vor die Herausgabe der Grammatik des Ghry-
solotas 1512 zu setzen, in deren Vorrede schon erwähnt ist,
dals er vor einem zahlreichen und angesehenen Auditorium
*) Italienisch wird er wahrscheinlich so weni^ gelernt haben, wie
Erasmus Englisch oder Französisch, so lange sich derselbe auch in Eng-
land und Frankreich aufgehalten hat Das Lateinische war die Welt-
sprache der Gelehrten.
») Bömer, S. 219, 220.
79
Vorlesungen halte. In seiner Stellung blieb Musurus unter
grofser Anerkennung bis 1516. Inzwischen wurde er auf
des Janus Lascaris Empfehlung von Pabst Leo X. aufge-
fordert^ bei Gründung der griechischen Colonie, die derselbe
beabsichtigte, mitzuwirken. Er scheint auch eine Art von
Censoramt über die innerhalb des Staatsgebietes gedruckten
griechischen Bücher gehabt zu haben, um darauf zu sehen, dafs
sie nichts für die Religion Schädliches enthielten, wenn man
dies aus den Worten folgern darf, deren er sich in der Vor-
rede zu Gregorius Nazianzenus 1516 bedient: „Jam pridem
a me cautum est, ut e publica litterarum graecarum officina,
cui liberalitate beneficioque Veneti Senatus tredecim jam
annis praesidemus, ') prodeant non qui sapientiam insipien-
tem insolentes ostentent, nee qui ex impietate venditent In-
genium, sed^^ Oder er meint damit, er habe immer
nur solche Bücher besorgt und erklärt, durch welche Ernst
und Weisheit verbreitet würden. Am Ende des Jahres 1516
wurde er zum Erzbischof von Malvasia oder Monembasia
auf Morea ernannt, kam aber nicht dahin, da er schon 1517
in ]IQ(om an einer pestartigen Krankheit starb, noch nicht
fünfzig Jahre alt. Er war nämlich einige Jahre jünger, als
Erasmus, wie Letzterer angiebt; Erasmus aber ist 1467
geboren.
üeber Musurus' Wirksamkeit als Lehrer haben wir die
Lobeserhebungen seiner Zeitgenossen. Daneben machte er
sich verdient durch seine Hülfe bei den griechischen Aus-
gaben des Aldus und Andreas Asulanus. Er hauptsächlich
besorgte den Musäus, Aristophanes, Pindar, Plato, Athenäus,
Hesychius, Ammonius, die Epistolographen, Pausanias u. a.
Nach Aldus' Tode, zu dem er in einem vorzugsweise freund-
schaftlichen Verhältnisse gestanden hatte, gab er dessen
nachgelassene griechische Grammatik heraus. Eigne bedeu-
tendere Arbeiten hinterliefs er nicht. Griechische Verse
schrieb er mit Geläufigkeit, wie aufser kleineren Sachen,
') Er müTste also dieses Amt schon vor der Anstellong in Padua
gehabt hiül>en.
80
z. B. den sechs Zeilen Supplement zu Moschus/) das Ge-
dicht auf Plato und Leo X. zeigt, welches der Ausgabe des
Plato von 1513 vorgesetzt ist. — Aufser Börner und Hodios
s. Roscoe n. 122 ff. Saxii Onom. IL 523. Erasmi epist.
ad Jodocum Gaverum. —
Johannes oder Janus Lascaris, Rhyndacenus, aus dem
Geschlechte der ehemaligen Kaiser von Nicaa, geboren gegen
1445, kam jung nach Italien zu Bessärion, der ihn nach
Padua schickte^ um dort Lateinisch zu lernen. Später nach
Florenz gekommen, wurde er von Lorenzo Medici zweimal
mit Briefen nach Constantinopel an Sultan Bajazet LI. ge-
schickt, der ihm erlauben sollte, griechische Manuscripte aus
den Bibliotheken Griechenlands zusammenzusuchen und zu
kaufen. Von diesen Reisen brachte er 200 zum Theil vor-
zügliche Codices nach Florenz, unter anderen vom Berge
Athos die griechischen Rhetoren, welche Aldus 1508 — 1509
druckte. Nach der Eroberung von Florenz durch die Fran-
zosen schlofs er sich an Carl VIII. an, dem er nach Frank-
reich folgte, üeber seine Thätigkeit daselbst ist sehr wenig
bekannt. Man liest gewöhnlich, dafs er Guillaume Bud( ia'
jener Zeit unterrichtet habe; aber dieser sagt, dafs ihm v(m
Lascaris nicht mehr als zwanzig Lectionen ertheilt worden
seien, weil er zu sehr im Gefolge des Königs beschäftigt
gewesen sei (s. Börner, S. 208). Als Gesandter des fran-
zösischen Hofes war er 1503 — 1508 in Venedig, scheintauch
nach dem gegen die Republik ausgebrochenen Kriege als
Privatmann daselbst geblieben zu sein, bis Leo X. aus der
ihm wohlwollenden Familie der Medici den päbstlichen Stuhl
bestieg. Da reiste er nach Rom und bewog den Pabst zur
Gründung des „Collegium graecum", einer Colonie für junge
Griechen. Leo kaufte den Palast des Cardinais von Sion
auf dem Esquilinischen Hügel und bestimmte ihn für eine
Academie der griechischen Sprache und Litteratur. Lascaris
wurde mit ansehnlichem Gehalte darüber zum Oberaufseher
gesetzt. Mit dem Collegium wurde eine Buchdruckerei ver-
') Vgl. Bernhardy, GrundriTs der gr. Litt. II. 2. Abth. (1859) S. 501
81
bunden, aus welcher 1517 die Schollen zu Homer hervor-
gingen^ 1518 die Scholien zu Sophocies, so wie ^^Porphjrrii
QuaestionesHomericae^^ ui^ desselben ^^Libeilus denympharum
«ntro/^ Im Auftrage des Pabstes ging er 1518 nach Frank-
reich zu Franz I.^ bei welchem er blieb. Auf sein und
seines Freundes Bude Betreiben legte der König den Grund
zu der königlichen Bibliothek zu Fontainebleau. Auch Franz
wollte eine griechische Colonie gründen in der Weise^ wie
Leo X., zu welchem Zwecke er 1520 Lasoaris nach Venedig
schickte; indefs kam die Sache nicht zu Stande. Nach
mehrfachen Gesandtschaften im Auftrage des Pabstes und
des französischen Königs zog er sich endlich^ fast 90 Jahre
alt^ nach Rom zurück, wo er bald darauf, 1534 oder 1535,
starb. Seines Lobes sind alle Zeitgenossen voll. Eigene
Schriften hat er auTser Epigrammen ; Briefen und Keden
nicht hinterlassen ; aber er hat die an verschiedenen Stellen
schon erwähnten fünf Editiones principes besorgt, die nach
seiner Angabe mit Capitälern gedruckt wurden: die Antho-
l(^e, CaUimachus, die Scholien zur Ilias und zu Sophocles,
PiPrphyrius. — Börner, Hodius, Gräise IV. 776. Vogel im
fiörapeum. X. 1849. —
Bei Börner und Hodius wird angegeben, dafs Chalcon-^
dyles nach Lorenzo's Tode von Florenz nach Mailand ge-
gangen ist. Unger aber führt S. 149 eine nicht näher be-
zeichnete Stelle aus Erasmus an, welche einen Zwischen-
ttufenthalt des Chalcondyles in Venedig angiebt: „Ghalcon-
dyles Florentiam delatus est. Tum discessit Venetias ibi-
€leim<j[ue apud Aldum graecos Codices sub prelo sudantes diu
correxit."
Das Wenige, was über Justinus Corcyräus oder Deca-
-d^uMy Äristobulus Apostolius, Arsenius^ Demetrius Duca$
bekannt ist, welche alle bei Aldus als Correctoren und Mit-
besorger griechischer Ausgaben beschäftigt waren, s. bei
Börner und Hodius. Agathemerus war so wenig ein Grieche,
wie Carteromachus, sondern es ist darunter der venetianische
Arzt Bondinus zu verstehen, der seinen Namen in dieser
Weise gräcisirt hatte.
6
82
Von Erasmus wollen wir nur das Verhältnifs berühren,
in welchem er eu Aldus und dessen Kreise gestanden hat
Im Jahre 1508 kam er von Bologna, wo er sich über ein
Jahr aufgehalten hatte, nach Venedig, um bei Aldus eine
vermehrte und verbesserte Auflage seiner Sprüchwdrt^-
eammlung vollends auszuarbeiten und drucken zu lassen, die
mm ersten Male in Paris 1500 erschienen war. Aldus nahm
den schon berühmten Mann freundlich auf und brachte ihn
in dem Hause seines Schwiegervaters unter, we er mit Hie-
Ironymus Aleander zusammen wmt, dem spateren Cardinal,
damals einem der Gehülfen und Correotoren des Aldus.
Erasmus besorgte nicht blos sein eigenes Werk, bei wel-
chem ihn, wie er selbst sagt^ die Italiener und Grieche
sehr zuvorkommend durch Borgen von Büchern und Hand-
schriften u. a. unterstützten, sondern half auch seinem Gast-
freunde bei dessen Arbeiten. So brachte er für eine beab^
sichtigte Ausgabe des Plautus die Verse in Ordnunig, wofür
er nach seiner eigenen Aussage zwanzig Goldstücke bekam.
(Weil der ältere Scaliger mit einer gewissen VerächtliefakieR
gesagt hatte, Erasmus sei Corrector bei Aldus gewesien, so
setzte er bei der Erwähnung jener Belohnung ausdrüokHA
hinzu, dafs er für die Ausmerzung von Fehlem nichts er-
halten habe. Dem Grafen von Garpi, der ihn später eben«-
falls durch die Benennung Corrector herabsetzen wollte, ent-
gegnete er, dafs Einer, der hauptsächlich für sein eigenes
Werk thätig gewesen sei, doch nicht als solcher beti^htet
werden könne.) Nach dem Drucke seines Buches reiste
Erasmus nach Padua und Rom, und es soll, wie Einige
wollen, seit der Zeit ein feindseliges Verhältnifs zwischen
ihm und Aldus geherrscht haben, woran auch Renouard
glaubt. Es liegt aber nichts vor, was dafür spräche; demi
dafs Aldus und sein Sohn einige Male Transalpmus quidam
homo sagen, statt den Namen Erasmus zu nennen, kann
doch nicht als ein Beweis angeführt werden. Dagegen steht
fest, dafs Erasmus, wenn wir auch von einem weiteren Ver-
kehre mit Aldus selbst nichts wissen, doch mit Andreas
Asulanus und dessen Söhnen, sowie mit dem fortwäirenden
83
Freunde des Haui^ßs, Baptista Egnatius^ ia fjreundschaftlioher
Verbindung blieb und in Venedig ein gutes Andenken bin*
terlassen hatte. Bei Andreas erschienen noch einige seiner
Bficher, mit dessen Siibnw und Egnatius stand er in Brief-
wechsel. Musurus lobte ihn i^us der früheren Bekanntschaft
nngemein einem Engländer^ Johannes Watson, gegenüber,
der dies 1516 an ErAsmus schreibt (s. Hodius, p. 295).
Hütten kommt nach Veoiedig imd übe]i>xingt Grä&e von
Erasmus an Egnatius* Dieser führt ihn auch zu Andreas
Asulanus. Der Greis und seine Söhne empfingen Um freund-
lich, das Kind des Aldus wurde herbeigerufea, den Freund
des Eraamus mit einem Kusse zu empfangen, und mit Bü*
ehern beschenkt wurde «r. entlassen. ^) ,,Aber/^ sagtman^ „hk
dem Gespräche ,,(>pulentia sordida^^ werden Aldus, seine
Familie, Freunde und Gehülfen unter fingirten Na^en von
Erasmus lächerlich gemacht wegen Geizeis und armlichen,
adimutzigen Lebens. Die hoUän^scbe NiUiui* des Eifasmus
hat sich mit der frugalen Lebiensw^e der Italiener, nicht
.Vertragen können und sie auf.Geie geschoben, ^r m^int
sich mit dem Fremden, der vor Hunger u^d Durst halb
umgekommen ist bei seinem geLügen Wirthe in Syaodium,
«das ist Venedig. Man weifs, dafs ^r gern feurigepot Wein
getrunken hat, mxi zwar ung^paisdit^;^) bei den Italie-
nern^, ■> die ihm dies verdachtezi , hat er sich geniren mäs-
ten, und für alles dieses hat er sich später durch Ver-
spisittang gerächt.^' Die Frage vom EssetU und Trinken des
Erasmus lassen wir ununtersucht ; da er aber die freund-
schaftlichen Beziehungen, deren wir oben gedacht haben,
bis in seine letzte Zeit beibehielt, so können wir eine beab-
sichtigte Verspottung des Aldus in jenem Gespräche nicht
annehmen. Wenn man jedem freien Spiele einer durch das
mannichfachste Wissen genährten Phantasie willkürlich den
') So schreibt er 1517 aus Bamberg an Erasmus. Boecking, Epist.
Hntteni I. 146.
') Sein Feind Scaliger wirft ihm vor, er habe bei Aldus nur wie
ein Haibmensch studirt, aber wie ein dreigestaltiger Geryon getrunken.
Orat pro Cicerone, contra Erasmum.
84
Gedanken an bestimmte Persönlichkeiten unterlegen will, so
findet man immer, was man will, aber ohne Berechtigung
dazu. Die Italiener lasen doch die CoUoquia auch, die zu-
erst 1522 erschienen, fanden aber nichts sie Verletzendes
darin. ^) Erasmus hinwiederum schreibt 1526 an Franciscus
Asulanus, dankt ihm for einen überschickten Galen aus
ihrer Officin und freut sich, dafs er der alten Freundschaft
noch eingedenk sei. In einem Briefe an Egnatius 1529 hei&t ^
es am Ende: „Utinam liceat apud tos vel vivere, si quid >
B&vi coelites superesse volunt, vel mori tranquille.'* . Konnte
er so schreiben, wenn er «ich bewufst sein mufste, eine
Satyre gegen jene, oder die ihnen Nächsten verfafst zu ha-
ben, die sie auf die Betreffenden deuten könnten? ^
Erasmus erfuhr noch bei Lebzeiten Deutungen seiner
CoUoquia, an die er nicht gedacht hatte. In dem Gespräche
Cyclops ISist er einen Menschen auftreten, der eine gewisse
Art Wollhut trägt imd eine lange Nase hat. Beides paTste
auf OecolampadiuSy und wenn man durchaus wollte, konnte
man auch noch andere Einzelheiten auf ihn beziehen. Bald
sprach man in Basel allgemein davon, dafs Oecolampadius
in jenem Gespräche verspottet sei, und dieser wurde sehr
ungehalten auf Erasmus. Als Letzterer von dem Grerede
hörte, schrieb er an Jenen (15. Juli 1529) über den Uiv-
grund desselben: „Nullam litteram scripsi, qua te
perstrictum volui, aut quam scribens de te cogitavi
Non sum tam ineptus, ut talibus nugis utar in viros eru-
ditos.^*
*) Die Entdeckung, dafs unter den verspotteten Personen in der
»Opulentia sordida* Aldus, Asulanus u. s. w. zu verstehen seien, wird zu-
erst erwähnt in der „Hecatomba laudum ob inventam chalcographiam* des
Andreas Rivinusj Leipzig 1640. Dagegen geben die Anmerkungen in
der Leydener und Rotterdamer Ausgabe der CoUoquia vom Jahre 1664
genügenden Aufschlufs über gewisse Eigennamen und Wendungen in
diesem Gespräche, ohne dafs an Aldus und Venedig gedacht wird.
85
lY. Aldus* Lebenssehicksale und Schiiflen. Hmnanismns^
Paganismiui und Christenthnm.
Nachdem wir im Vorangegangenen die meisten Einzel-
heiten von Aldus' Thätigkeit an den geeigneten Stellen dar-
gestellt haben, betrachten wir übersichtlich unter möglichster
I Vermeidung von Wiederholungen sein Leben seit der An-
MEnft in Venedig, dann seine Schriften und sein Verhaltnifs
zu einer herrschenden Richtung der Zeit.
In dem Briefe des Codrus ürceus an Aldus (s. Brief V.)
sehen wir ihn 1492 in Verkehr mit Raphael Regius, Deme-
trius Moschus, SabelUcus, Rainerus, Georgias Valla. Sehr
dem wurde die Druckerei eingerichtet, und das erste mit
Datum versehene Buch, die Grammatik des Lascaris, ist
datirt vom letzten Februar 1494, worunter nach der dama-
ligen ofGciellen Zeitrechnung in Venedig nicht der zweite
Monat des Jahres 1494, sondern der letzte Monat des Jah-
res 1493 zu verstehen ist,*) den man aber in Geschäften
nach Aufsen hin, der Gleichförmigkeit mit Anderen wegen,
oft schon mit der Jahreszahl des folgenden Jahres schrieb,
das in Venedig erst mit dem März begann. Der Appendix
m der Grammatik erschien im März 1495; dazwischen
könnte mit Wahrscheinlichkeit der Musäus und die Galeo-
myomachie gesetzt werden. Dann kamen in rascher Auf-
') Dafs man so verstehen muTs, zeigt Folgendes. Als Todestag des
Aldus ist von Morelli (S. 24) nach dem Tagebache des Patriciers Marinus
Sanudns 4er achte Februar 1515 angegeben. Da dies nicht der letzte
Monat des Jahres 1515 sein konnte, indem schon im April dieses Jahres
Egnatias den Tod des Aldus in der Vorrede zum Lactanz betrauert, so
wufste sich Renouard die Sache nicht zu erklären, bis er fand, dafs im
Originale des Tagebuches 1514 8 febbrajo steht, was Morelli nach un-
serer Zeitrechnung oder aus Versehen in 1515 verwandelt hatte. So
hätte nun der Januar vor diesem Februar officiell auch mit der Jahres-
zahl 1514 geschrieben worden müssen, und doch datirt Aldus selbst das
letzte Buch, das er noch besorgte, den Lucrez, vom Januar MDXV, wo-
mit er sich eben der anderwäits üblichen Rechnungsweise anbequemte.
• Für gewisse Dinge wurde das Jahr in Venedig auch später vom
März ab gerechnet: „L'annee ne sc commence pour la date de lettres
de change et des lettres Missives qu'au premier jour de Mars." — Traite
general du commerce par Samuel Ricard, p. 348. Amsterdam 1705.
86
einanderfolge die griechischen, lateinischen und italienischen
Bächer, die im Gataloge aufgezählt sind. Unter allen Wi-
derwärtigkeiten blieb ihm der Enthusiasmus für die bonw
et sacrae liUeraej för die Wiedererweckung des Alterthums,
durch welche die Barbarei zerstreut werden könnte, die iu
den vergangenen Jahrhunderten entstanden sei. Sein Ruf
wuchs nun in Kurzem so, dafs er der Mittelpunkt der g^
lehrten Bestrebungen in Venedig wurde und als solcher ifsa
Humanisten des übrigen Italiens und anderer Nationen nahe
trat. AuTser den Italienern und Griechen sehen wir ihn in
näherem Verkehre mit den Deutschen: Conrad Celtes, MutiO'
nus Rufu$, HenHcus Vrbcmm, Spalatinus, Cuspinkmus^ Col-
laurius, Matthias Lang; mit den Engländern Linacer und
Grocyn; mit Jean Grolier und anderen Franzosen; mit Un-
garn und Polen.*) Bei allem Verkehre aber stehen immer
die litterarischen Zwecke, die er verfolgte, im Vordergrunde.
Um 1500 heiraihete Aldus die Tochter des Buchdruqkers
Andrea Torresano oder Torrigiani von Asola bei Brescia.
Dieser betrieb schon vor Aldus seit 1479 die Buchdruckerei
in Venedig und war ein wohlhabender Mann, der auch in
Asola noch Besitzungen hatte. Er führte sein Geschäft zu-
nächst noch abgesondert von dem seines Schwiegersohnes
') In Bezug auf die Yerbiadangen des Aldus sagt Renoaard S. 386:
„Aide fut encore en liaison avec le premier Henri Estienne, Amoldo
Bergellano, Theod. de Beze, Joach. Camerarius." Er hat hier einige
schlimme Fehler gemacht, welche Firmin-Didot nachschreibt, nur daßs Letz-
terer wenigstens aus dem italienisch klingenden Arnolde Bergellano Arnold
de Bergel gemacht hat. Dieser Arnold, Yon seinem Geburtsorte, Bergel
in FraÄen, Bergellanus genannt, war Corrector in einer Mainzer Offizin
und gab 1541 zur ersten Jubelfeier der Buchdruckerei ein Gedicht her-
aus , worin er des Aldus mit einigen Zeilen gedenkt. Das Gedicht helfet
poema encomiasticum de chalcographiae inventione. Die Verbindung der
Genannten mit Aldus besteht nur darin, dafs sie kurze Elogia am ihn
geschrieben haben. Camerarius war zur Zeit von Aldus' Tode erst vier-
zehn Jahre alt, Theodorus Beza wurde erst 1519 gebc»ren, Henriais
Stephanus 1528 (diesen berühmten Henricus Stephanus meint Renouard,
da er aus ihm eine Stelle zu Aldus' Lobe anfuhrt, nicht seinen Grof^-
vater, den ersten Drucker Henricus Stephanus, der zwar zu Aldus^ Zeit
gelebt hat, aber ohne nachweisbare Verbindung mit demselben). — Wenn
ich übrigens bei Gelegenheit einige Fehler Renouard*s bemer^ch ge-
macht habe, so ist dies nicht geschehen, um das höchst schätzbare Buch
desselben herabzusetzen, sondern der Sache wegen.
87
fort, m9g diesen aber unterstätzt habea^ mimal zwischen
Urnen ein höchst freundschaftliches Verhältnis bestand.
Sie köimen nicht von grofser Verschiedenheit des Alters
gewesen sein, und eher möchte man glauben, dais Aldus
etwas älter gewesen ist, als sein Schwiegervater. ') . Jeden-
falls war. der Letztere ein glücklicherer Geschäftsmann; er
hatte aber auch seine Thätigkeit unter günstigeren Verhält-
Ijjksen (und dabei in mehr geschäftsmäüsiger Weise) ent-i
fiuten können, während Aldus mit der seinigen in eine für
Italien böse Zeit fiel. Er klagt darüber schon in den Vor-
reden seiner ersten Bücher. Seit dem Zuge der Franzosen
nach Neapel war keine Kühe mehr auf der Halbinsel ge-
wesen. Franzosen, Deutsche^ Spanier, Schweizer und ein-
heimische Feinde verwüsteten das Land. Alle Straisen wa-
ren unsicher, der Handel im Innern lag darnieder und die
Wege über die Alpen waren gesperrt Die Stadt Venedig
selbst blieb freilich in allen diesen Kriegen durch ihre Lage
gesichert, und höchstens hörte man einige Male auf dem
Marcusplatze den Kanonendonner naher Feinde; aber Aldus
muiste zweimal sein Geschäft schlielsen und Venedig ver-
lassen, das erste Mal 1506 und 1507, das zweite Mal einen
Theil des Jahres 1509, dann 1510 und 1511. In seinem
Eifer, den Studirenden gute Bücher zu verschaffen, hatte er
für die Sache zugesetzt, was er besal's. Um gute Manu-
Scripte herbeizuschaffen, schonte er keine Kosten, und der
Fall mag selten gewesen sein, den Erasmus erzählt^ dafs
aus Ungarn und Polen an ihn Handschriften und noch dazu
Beiträge zu den Druckkosten geschickt wurden. Nun fehlte
der Absatz, Krieg und Nachdruck schadeten ihm, er hatte
Schulden, und aulserdem spricht er noch von ansehnlichen
Gfiteätn, die ihm in jenen Zeiten der Unruhen genommen
worden seien. Zur Wiedererlangung derselben unternahm
er 1509 eine Reise, wie einst Virgil zur Wiedererlangung
seines Erbguts, nur nicht mit demselben Erfolge. Ueber
*) Andreas Asulanus starb 1529, seine Frau Lambertina 1520 nacli
vierzigjähriger Ehe, wie ihre Grabschnft bei Manni S. 22. zeigt.
88
seine Schicksale and Thätigkeit während der Zeit seiner
Abwesenheit von Venedig wissen wir nur Weniges. Bei
seiner ersten Entfernung wurde er in Mailand von den dor-
tigen Gelehrten ehrenvoll begrüfst. (s. die Vorrede cum
Plutarch 1509.) Als er darauf von Cremona nach Asola
reiste^ wurde er von Mantuanischen Soldaten angefalleii^
geplündert und in Gannetum gefangen gesetzt. AuB dem
Gefängnisse befreite ihn jedoch nach wenigen Stunden d)^
Vermittlung des Carolus Jaifredus/) und das Geraubte wotcfe
ihm wiedergegeben. Er erhielt sogar einen entschuldigenden
Brief von dem Herzoge von Mantua selbst. Ende des Jah-
res 1507 erscheint wieder ein kleines Buch bei ihm. Sein
Schwiegervater gab darauf die bisher besonders gefahrte
Druckerei auf xmd trat mit ihm in Compagnie. Die Bacher
führten von da ab die Unterschrift: „in aedibus Aldi et
Andreae soceri^. Nun begann die Officin wieder thätig zu
sein^ obschon nicht mit der Lebhaftigkeit der früheren Jahre.
Nach dem April 1509 bis zu Anfang 1512 stand das Ge-
schäft wiederum still, und aus dem Briefe des Aldus an
Paulus Bambasius (s. Brief XV.) sehen wir, dafs er sich
unter Anderem in Bologna und Ferrara aufgehalten hat
Inzwischen schrieb Leonellus, der jüngere Graf von Carpi,
im Namen des abwesenden Albertus im März 1510 an Aldus
und wiederholte ein Anerbieten, das ihm die Brüder schon
einmal, 1498, gemacht hatten. Er sollte sich in Novi, dem
Orte ihrer Residenz, mit seiner Druckerei niederlassen, und
sie versprachen ihm einen Theil ihres Schlosses dazu ein-
zuräumen. Aldus nahm dieses Anerbieten nicht an. Aufser
anderen Gründen mag ihn auch der bewiogen haben, daiß
Novi nicht der Ort für ihn war. Er betrieb die Druckerei
nicht blos als ein Geschäft, um sich zu ernähren, wofür das
kleine Novi vielleicht geeignet gewesen wäre, sondern er
') Vorrede zum Horaz 1509: „ta, qai forte eras Mantaae, legatum
agens regiom, statim re cognita liberatorns me adüsti Priocipem eaqae
re facile impetrata ipsemet omni equitatu tuo comitante necnon et sdüs
quibnsdam exHantoanis nobUibus ad id ipsum oppidam profectus es ac
me accersitum liberasti'
89
brauchte: fSr seine Absichten einen gröfaeren Ort, gelehrte
Institute imd Hfilfsmittel , einen Zusammenflufs von gelehr-
ten Menschen; In jenen Zeiten der Kriege und des Auf-
horens der Druckerei suchten die deutschen Humanisten oft
vergeblich auf den deutschen Buchermärkten nach Aldini-
sehen Drücken. Alte Juristen und Scholastiker >waren in
den Buchläden su haben; aber nicht» Neues kam über die
Alpen aus Italien. *) Aldus hatte es fast schon aufgegeben,
seine Beschäftigung wieder aufzunehmen; doch entsdblofs er
sich wieder dazu. Die näheren umstände,, welche dem
vorangingen^ sind unbekannt. Es wird erwähnt, dafs ein
Freund, Petrus Franciscus, Sohn des Dogen Barbarigo, den
Aldus mit einigen Tausend Ducaten unterstützt habe;^)
vielleicht fallt dies An jene Zeit. Dazu sein innerer Drang,
der ihn nicht ruhen liefs, und die immer erneuerte Hoff-
nung, dafs die Zeiten ja doch einmal besser werden würden.
Oft sagte er sich als Wahlspruch:
Oa^sir x^$ y^iOff !kX98, raxftvqiov iaaar afMivov,
^MhtiBai iv ^atoiatv' avdhtunoi 9i duvovrss.
Xof JZeve aXhnca fiiv neXai ai&^u>s, aXXoxa S*vei. ')
Das Jahr 1512, mehr aber die Jahre 1513 und 1514
zeigen Aldus wieder in grofser Thätigkeit, und seine Zeit
wurde wieder durch die mannichfachsten Dinge in Besitz
genommen: die Geschäfte der Druckerei und des Bucj^i-
') Mutianas an Henricas Urbanus: „cottidiani Galloram et Veneti
militis conflictus fauces Alpium atque adeo viam Rhaeticam, qua itur in
ItaUam, clusere, ex quo illnd accidit, nt bonae litterae jaceant Aldi sub-
sidio iriduatae. Sperabam fore, ut proxime Erancorum nundinae offerrent
stadiosis exquisites autores. Sed o vanam spem! Nihil erat novi
Ubique locorura bibliopolia Bartolis sunt referta. Qu! Manutianas vendat
vigiliaSy vel rarus admodum est vel nemo. Actum est de scholis Ger-
maiuae. Quid enim scitur praeter nugas et mera taedia?^ Tentzel p. 69.
*) Nee reticere yoIo Sancti patrem adjuvisse compatrem meum Al-
dum Hantitium aliquot millibus ducatorum, quibus ille graecos latinosque
Ubros aere torcularique scripsit, quibus studiosos excitevit ad bonas aiies
C]q>e68endas. Renouard, S. 391.
') Theocrit. IV. 40 — 43. Oa^slv xQVt T^^ Barrs ' ra^av^iov
Sein Enkel erwähnt dies am Ende eines Briefes an Angelns Rocca,
welcher in die Sammlung der Briefe des Janns Nicins ErySur&us (Köln
1789) eingefügt ist
»0
handeis, das Besorgen, Vergleichen und Yergleiehonlasaen
der Handschriften, die Herstellung der Texte, die Besfo^
chungen in der Academie, eigne gelehrte Arbeiten^ Legen
und Beantworten der zahlreichen Briefe, Besuche yobl Frem*
den und Einheimischen. In Bezug auf das zuletzt Erwabste
äuTsert sich Aldus 1514 folgendermaisen gegen Naügerin»»
als er ihm Cicero's rhetorische Schriften widmete: - „Zwei
Dinge sind es besonders aufser hundert and^^en, die mich
fortwährend stören. Zuerst die häufigen Briefe gelehrter
Männer, welche voiD allen Seiten an mich geschickt werd^i.
Wollte ich auf alle diese antworten, so muTste ich Tug. und
Nacht mit Schreiben von Briefen zubringen. Das . Zweite
sind die zahlreichen Besucher. Diese kommen tbeils, um
zu sehen, wie es mir geht, theils um zu fragen, was Neues
im Werke ist, theils aus Mangel an Beschäfdgung. Im
letzteren Falle sagen sie nur: Lafst uns zu Aldua gehen.
Dann sitzen sie müTsig da, ähnlich dem Blutegel,
der nicht eher verläist deine Haut, bis er voll sich gesogen.
Ich will gar nicht von denen sprechen, welche kommen,
um mir ihre Erzeugnisse in Versen und Prosa vorzulesen,
die sie von uns gedruckt haben wollen.*
„Endlich habe ich angefangen, mich von diesen Ste-
rungen zu befreien. Auf unwichtige Briefe antworte ick
gar nicht, auf wichtige nur lakonisch. Keiner möge mir
dies übel nehmen; denn was ich an Zeit habe, will ich auf
das Herausgeben guter Bücher verwenden. Für Besucher
aber habe ich folgende Inschrift über meiner Stube anbrin-
gen lassen, wonach sie sich richten mögen: „„Wer du
auch bist, Aldus bittet dich dringend, du möchtest mit
wenigen Worten abmachen, was du von ihm willst, dann
alsbald dich entfernen; du müfstest denn gekommen sein,
um deine Schultern wie Hercules, wenn Atlas mfide ist,
darzureichen; immer nämlich wird es hier Arbeit geben ffir
dich und Alle, die hierher kommen"".*) Und zum Glücke
') Qnisquis es, rogat te Aldus etiam atque etiam, ut, si quid esl,
quod a se yelis, peipaucis agas, deinde actutuin abeas, nisi tamquam
91
giebt es auch ßoldie^ die den HerculeB bei mir spielen^ zu
denen da, Navagerus, gehörst/^
In den letzteu Jahroi seiuer Tliatigkeit hatte Aldus
deigemgäi' seiner Freunde wieder beständig in Venedig, mit
welchem er von Anfang an am liebsten Boheint' verkehri isn
haben ; den Marcus Musurus« Andererseits aber erneuerte
er seine Bemühungen, die Unterstützung von Fürsten für
den Aufbau der Academie zu finden, wie er sich dieselbe
dachte. Inzwischen hatte er im Sinne, . noch verschiedene
Schriftsteller herauszugeben, für die er Manches schon vor-
bereitet hatte, als ihm die fortwährenden Anstrengungen
eine Krankheit zugezogen, an der er nach einigen Monaten
am achten Februar 1515 starb, etwa 65 Jahre alt. Die
Manner, welche ihm am Nächsten gestanden hatten: Andreas
Asulanus, Egnatius und Musurus, widmeten ihm schön ge-
schriebene Nachrufe ^) voll Liebe, Verehrung sdnes Charak-
ters und Anerkennung seiner Wirksamkeit und Gelehrsam-
kedt Egnatius sagt: „Mit allen Gelehrten lebte er so, dai's
er keines Ruhm je verkleinert oder bekämpft, alle mit un-
glaublicher Liebe immer umMst und gehegt hat. . • . Kein
Land, kein Volk innerhalb der Gränzen Europa's giebt es,
wo der Name Aldus nicht bekannt und gefeiert wäre. Viele
«Dgesehene Männer sind nur seinetw^en nach Venedig ge-
kommen, um ihn zu begrüfsen, ja ihm sogar Geschenke zu
bringen. Nicht die so grofse und bewundernswürdige Stadt
lockte sie zur Besichtigung, sondern nur der Ruf des einen
Mannes zog sie hin. Inständigst ermahnten sie ihn, er solle
treu ausharren bei seiner Absicht, die lateinische und grie-
chische Sprache wiederherzustellen. Da er nun Tag und
Nacht diesem Streben sich hingab, wurde er von einer
Hercules defesso Atlante Teneris suppositnnis hnmeros ; semper enim erit,
qnod et tu agas et ^aotquot hnc aUulerint pedes.
Diese Inschrift ober der Thor ahmte Johannes Herbst nach, genannt
Oporinus, ein berühmter Basler Bnchdnudur des sechszehnten Jahr-
lionderts.
') Asulanus 1516 vor Oyids Herolden, Musurus lateinisch 1515 vor
Aldus* griechischer Gr»nmatik und 1516 griechisch vor dem Pausanias,
Egnatius 1515 vor dem Lactanz.
92
schweren und langen Krankheit ergriffen und starb» wenn
zu der ihm geordneten Zeit» so doch su- unserer groiseD
Betrübnifs/^ — Husums » nachdem er von Ohalcondyles
und den Anderen gesprochen» durch deren Hülfe grie-
chische Bächer gedruckt worden seien» fahrt fort: Tovrovg
'AkdoQ 6 Jtokvrkag d$a3^^äf4Bv6g re xal ^tiXwactg naay u
Svax^Q^ic^ ofAOGB x^9^^^^^ ovfMnQavTOVTtov cevr^ xai
awsgyovvTütv tüv *Evitiy6i (fiKoaofpmvxiav t^q 'EHa-
Sixrjg fjiovatiQ TQO(plfjiü/v^ fisyäXa rcS ovti xaTfig&ioot xai
i]V T$g k7tie$X(og xal fdrj ngog aTtix&Biav i^irä^siv i&iXy tä
ngayfiara^ noXXAv xal xaXüv eveQyBTtifidrwv imijg^n röig
koycDV 6(feyofiivoig, töiv (liv noif]Ttx£v (wg ÜTiog elnüw)
anavTüiV xal ^t^tog^xcSv i]fAlv fieradovg, td Sk evQiOxofiiPa
T0V T 'jiQunoTtXovg xal IlkäTwvog eig cpüg dvayaytiw.
"Akdov Srj TBkBvry kiav aeigq)^^ xal roig Xoyotg hn^rifuifp
fABaoXaßti&kvTog avvißaive vcuv yQaixorvnunf xtj^ Saida^
kovQylav ;|fi;(>£t;6<i'.
Kurz vor seinem Tode hatte Aldus ein Testament*)
gemacht» dessen Latein volo, quod u. dgl. nicht ihm ange-
hört» sondern das Notariatslatein ist. Zu Testamentsvoll-
streckern hatte er seinen Schwiegervater» Egnatius» Daniel
Rainerus» Baptista Ehamnusius und Dominions Fizzimannus
bestimmt. Seine Frau Maria sollte mit den drei Söhnen
und der Tochter Alda in Carpi wohnen» *) wo ihm die
Fürsten ein Besitzthum geschenkt hatten. Die Tochter isoUe
') Za früh för seine Freunde und seine Absichten; indefs war doch
Aldus schon in höherem Alter. In dem früheren Nachrufe sagt Masams:
„0 inclementem et immaturam mortem null! Yiyentium magis quam mihi
deplorandam.^ Vielleicht ist aus den am^tp und immaturam des Musnms
die Nachricht gemacht worden, welche bei uns, von Hand zu Hand irei-
ter gereicht, in der Real-Encyclopädie von Brockhaus und Pierer ^ in
Falkensteins Geschichte der Bachdruckerkunst und in Gräfse^s aUgemei-
ner Literärgeschichte sich findet, dais nämlich Aldus durch die DolcbB
von Meuchelmordern ge&llen sei. Wir haben oben gesehen, dafs Eg-
natius, der es doch wissen muTste, von einer schweren und langen Kraß-
heit spricht, welche durch z]a grofse Anstrengungen entstanden sei.
^) Zuerst bekannt gemüicht durch Zaccaria, Biblioteca antica e mo^
derna di storia litteraria, Pesaro 1768, tom. III.
') Paulas Manutius sagt 1556, er habe einen grofsen Theil seiner
Jugend in Asola verlebt. Epist. lib. I. 16.
93
bis zu ihrem seohszehnten Jahre fär Pension in einem
Kloster daselbst erzogen werden; dann möge sie die Wahl
haben ^ ob sie den SdUeier nehmen oder in die Welt ein«
treten wolle.')' Seinen Leib wollte er in Carpi begraben
wissen^ der Stadt seiner forstlichen Schüler ^ in deren Fa-
milie er ja gewissermafsen durch Adoption gekommen war.
Schliefslich empfahl er die Seinigen der Sorge seines Schwie-
gervaters. Dem Gestorbenen wurden die letzten Ehren er-
wiesen in der Kirche des heiligen Fatrinianus^ in deren
Nähe er zuletzt gewohnt haben mufs. Der Sarg wurde mit
Büchern aus der Officin wie mit Tropäen umstellt^ und der
alte Raphael Regius^ öffentlicher Lehrer der Humaniora, hielt
davor eine Rede ztyn Lobe des Todten. Weder in Venedig,
noch in Carpi hat sich ein Erinnerungsdenkmal des Aldus
erhalten; doch hat man 1828 an einem alten Hause in der
Nähe der Kirche des heiligen Augustinus, bei welcher die
Druckerei in der ersten Zeit sicher gewesen ist, eine Tafel
angebracht mit der Inschriffc:
Manucia, gens. eruditor. nem, ignota
Hoc, loci, arte, typographica, exceUuit,
Aldus genofs unter seinen nächsten Zeitgenossen auch
als Gelehrter ein grofses Ansehen, welches theils auf seinen
Schriften beruhte, theils darauf, dafs sie durch persönlichen
Umgang mit ihm das reiche Wissen und den Geist des
Hannes kennen lernten. Zu den Zeugnissen, die von An-
deren hierfür beigebracht werden, will ich noch verweisen
auf die Stellen in Quirini litterat. Brixiana. I. 84. IL 58.
'157. Hodius, S. 219, im Leben des Chalcondyles. Die
Sprache in vielen seiner zahlreichen Vorreden ist kräftig und
ungesucht, der Spiegel einer wahren und für ihre Sache be-
geisterten Seele. Wieviel er für seine Person an der Her-
stellung der Texte in den Ausgaben Antheil hat, läfst sich
nicht abmessen; doch gebührt ihm ein Theil des Verdienstes.
Was die eigenen Schriften betrifft, so wird der meiste Werth
') Sie heiratbete einen Mantuaner, Namens Gato. Ein Sobn von
ihr hiefs Jdii» Gato. PauU Manotii episi lib. V. 8.
94
gelegt auf die lateinische Grammatik, welche 1501 erschien
and seitdem sehr, viele Auflagen erlebt hat Sie ist ganjs
aus den alten Grammatikern und Metrikem geschöpft; dazu
eigenes Urtheil und Berücksichtigung der Forsdiungen Neue-
rer, wie des Laurentius Yalla, Perotti, Politian, Hennolans
Barbarus. Bestimmt ist sie ffir Schulen und zum Selbst-
unterrichte, in Fragen und Antworten abgefafst. In vier
umfangreichen Büchern werden Formenlehre, Einiges aus
der Casuslehre, die Redefiguren, Prosodie und Metrik abge-
handelt; letztere zwei Abschnitte nach dem Bedfirfhiase der
Zeit sehr weitläufig. Ee fehlt die eigentliche Syntax, welche
man zu jener Zeit aus der Leetfire und dem Anhören äu
Reden grofser Meister kennen lerneiä mufste. Die Gram-
matiker des ftfittelalters hatten schon vieles Syntactisohe
der lateinischen Sprache scharfsinnig Aufgestellt, 6oldk$m«r
unter groTsem Wüste; die neueren Humanisten aber itat-
merten sich nicht um die Bücher Jener wegen ihrer bar^
barischen Form und kehrten auch in der Behandlung der
Grammatik ganz zu der Art der Alten zurück, welche die
Syntax nicht angebaut haben. So sehen alle ihre Gram-
matiken dem Friscian sehr ähnlich. Die Grammatik des
Aldus enthält auch selten eine Unterscheidung des poetischen
und prosaischen Gebrauchs, oder eine Trennung der Zeiten,
und das Latein der Yulgata kommt ffir grammatische Kat-
scheidungen bei ihm noch in Betracht. Alles dies' sind
Dinge, welche in der Zeit lagen. Abgesehen hiervon, war
das Buch äufserst genau und verstandlich, practisch und
übersichtlich eingerichtet, und gehorte seiner Zeit sfu den
besten und gesuchtesten Erscheinungen auf diesem Gebiete.
Hierauf deuten die häufigen Auflagen. Die deutschen Hu-
manisten, welche mit einer gewissen Wuth überall gegen
das Doctrinale und andere Mönchsbücher eiferten, führten
die Grammatik des Aldus auch in Deutschland ein, imd
Hermann von dem Busche trug sie 1506 auf der Leipziger
Universität vor. Allmählich wich sie vor den Grammatomen
der einheimischen Gelehrten Timan Kamener oder Kenmer,
Brassicanus, AventinfAS, Hemricbmann, die sie benutzt hatten,
95
snrfick^ nnd spater verdrängte Melanthans Le^buch in äeb
protecrtantiecheii Oegendem alle oberen. In Köln gab Pe-
frus H&mphöM noch 1541 einen Auszug aus der Gramma-
tik de» AlduB als Schulbuch heraus.
Die griechisGhe Grammatik des Aldus ^ ganz griechisch
gesdnrteben, erschien erst nach seinem Tode im November
1515; herausgegeben von Mosurus und gewidmet dem Fran*
zeeen Gioüer, Geheimsecretlr des Königs Franz I. Sie be-
ruht ebenMls «uf sorgfältigem Studium der alten Gramma-
tiker und ähn^ in ihrer Einrichtung den vorangegangenen
LehrMdvem dieser Sprache, besonders dem des Theodorus
Qmz^ W^m Aldus sie selbst herausgegeben hätte, so
wurde >er wafaMheanfich eine lateinische Uebersetzung dazu-
gi^fSgt haben.
' Neben den beiden Hauptwerken lieferte Aldus eine
Menge von kleineren Arbeiten, welche bei den betreffenden
Bfich^si angezeigt worden sind, zu denen sie gehören: die
lirtroAoetionen in die griechische und hebräische Sprache,
thol lateinisdi- griechischen Theil des Lexicons von Grasten
1497, verschiedene lateinische üebersetzungen, das Leben
4ta AratUB und Ovid 1499 und 1502, den griechisch -latei-
aisdien Index zum Ovid 1502, Orthographia et fiexus die--
tkmum apud Staiium 1502, die üebersicht über die
Heratianischen Metra und einige Anm^kungen zu Horaz
1Ö09, eone Abhsmdlung aber die Echtheit des zehnten Bu-
ches d^ Briefe des Flinius 1508. Dazu Briefe und kleinere
dedichte. Die Fragmenta grammcvHea, auf die er sehr häufig
hinwdet, sind nicht herausgegeben worden und verloren ge^
gangen. Paulus Manutius, der nach ihnen gefragt wurde,
sagte, er habe sie nicht im Nachlasse des Vaters gefunden,
OBd fise möchten wohl bei dessen Tode von irgend Jeman-
dem weggenonmien worden sein. ') Noch sind einige Seiten
KU erwähnen, welche in einem Werke seines Enkels, Ortho-
graphiae ratio Aldiy 1566, enthalten sind. Sie sind über-
schrieben: de eitiaAa eocalium ac d^htkongorum prolatione
') Epist. üb. VII. 7.
96
Aldi Pii Manutii Ramani aci ncigt^ov. In ihnen werden
Ansichten, fiber die Aussprache des Griechischen nieder-
gelegt^ welche von dem abweichen, was er im Alpkabetvim
graecum lehrt im Appendix zur Grammatik des Lasearis.
Er laist dort den Itacismus der Neugriechen gelten^ sei es,
weil er selbst keinen Anstofs an ihm nahm, oder weil er
bei seinem ersten Auftreten nicht gleich von der allgemei-
nen Gewohnheit abweichen wollte. Schon am Ende seiner
lateinischen Grammatik aber sagte er in Bezug auf das 9:
y^respondeo antiquos Graecos sie pronuntiasse fi, ut nos e
longum in Fenelope, Grammatice/^ Hier aber äufs^ er
sich so, daGs er als Vorgänger des Erasmus in Bezug aaf
die Aussprache des Griechischen angesehen werd^i muTs.^)
Einige ausgezogene Stellen mögen zum Beweise dienen:
,,H praeterea non i^ sed e longmn sonare debere, ostendit
etiam Eusthatius in Homerum inquiens: ßi} ßij q>wif^
nQoßcttmv atjuavTucov, .... Oves vero non m^ vi, ut nune
ßij ßij barbare pronunciamus, sed be^ be fralant pro beUa^
q^ /9^,'mutatione tj in a dorice, ut (jmjtfiQ mater^ UndOr^l
id colligimus, ß sie pronunciandum, ut fr apud nos profeiV
tur, non ut V consonans Tel F digamma Aeolicum. Alpha
igitur et Beta et Graecis ipsis dicendum> ut nos diciinus,
non Alpha et Vita. Id quod ex Hebralcis acceptum est»
qui Aleph et Beth, non Vith, dicunt. Sed de Ms in. Frag-
mentls nostris longo plura. .... At si ai £^ oi et €f /et
ov U legaa, ut nunc barbare legimus, non diphthongos, sed
monophthongos pronunciando facies Atque »i ia E
sonat, nee a nee € profertur. Y etiam in ot; diphthongo
kxqxavovfjiavov f quemadmodum in av et in €v diphihpngo,
esse debet, ut ab O parvo incipias et desinas in Y." .....
Er will also ai wie a%, 01 wie oi, ov wie oü ausgesprochen
wissen. In gleicher Weise sagt Erasmus, 97 sei gleich einem
langen e; ai mässe mit dem Laute gesprochen werden, den
') Als solchen bezeichnet ihn Gräise, IV. 791, fahrt aber siun Be-
lege irriger Weise den Appendix zur Grammatik des Lascaris an, nach
welchem gerade 17, v, e«, o«, vi gleich i lauten sollen, eu, gleich lang e
oder ä' u. s. w.
97
man bei Deutschen in dem Worte Kaiser höre; oi mit der
Dehnung 9 welche die Franzosen bei dem Worte rot an-
wendeten.
Es ist noch übrig eine Seite an Aldus zu betrachten,
nämlich sein Verhältnifs zu Kirche und Christenthum. Man
findet häufig die Meinung ausgesprochen, dafs der Humanismus
des vierzehnten > fünfzehnten, auch noch des sechszehnten
Jahrhunderts gewissermafsen ein modernes Heidenthum ver-
breitet habe, am meisten bei den Italienern. Mit ihren anti-r
kisirenden Bestrebungen seien sie in eine Art von Götzendienst
verfallen, dem das Behagen an einer den Alten sich mög-
lichst nähernden Sprache und Denkweise das Höchste ge-
wesen sei. Von Luther seien sie mit Recht Epikuräer ge-
nannt worden. Dies sei die Zeit gewesen, wo es eine Menge
kleiner und gröfserer Tyrannen gab voll Kunstsinn und clas-
sischer Bildung, aber ohne Gewissen, befleckt mit Meuchel-
morden durch Gift und Dolch und mit jeder Art von Un-
^ Sittlichkeit. Burckhardt, der neueste Beschreiber jener Pe*
riode, sagt: „Man zog die Menschen und zum Theil auch
die Einrichtungen des Alterthums denjenigen des Mittel-
alters vor, strebte ihnen auf alle Weise nach und wurde da-
bei über den Religionsunterschied völlig gleichgültig. Die
Bewunderung der historischen Gröfse absorbirte Alles." Wir
können das Gesagte auch durch Einzelheiten näher beleuchten.
Gerade bei den tiefsten philosophischen Köpfen entstand
eine neuplatonisch mystische Verirrung, welche alle Rich-
tungen in sich vereinigen wollte und sich aus Christenthum,
Moses, Plato oder vielmehr Plotin, sammt aller vermeint-
lichen Weisheit der Araber, Aegypter und Chaldäer ein
buntes System zusammensetzte. So bei Picus von Miran-
dula und Marsilius Ficinus, die in gewissen Beziehungen auch
auf Reuchlin ebgewirkt haben. Kälteren war das Christen-
thum ein äufserliches Factum, welches der Kirche und des
Volkes wegen nicht angegriffen werden durfte; aber inner-
halb des gezogenen Bannes Christliches und Heidnisches in
einander spielen zu lassen bis beinahe zum Verwischen des
ersteren, gab keinen Anstofs. Man trug die Sprache der AI-
98
ten auf alle Yorhältnisse über. Wenn man hierbei bei den
Dichtern Vieles auf metaphorische Redeweise schieben konnte,
so trat es doch am grellsten hervor, sobald selbst in Pre-
digten die Redner hauptsächlich darnach strebten, mit Be-
lesenheit in den Alten und mit römisch klingenden Yor-
stellungen zu glänzen. Erasmus erzählt in seinem Cicero*
nianuSy wie er einen Ciceronianer am Ost^heiligenabend
vor Pabst Julius II. habe predigen hören. Der Redner
nannte den Pabst Jupiter optinms maximus, der mit mach-
tiger Hand den Blits schleudere und Alles regiere. Nach
langem Lobe des Pabstes sei er auf die Decier, Curtius und
Andere gekommen, die für das Vaterland den Opfertod ge-
storben seien, und so sei zuletzt auch ein wenig von dem Tode
Christi die Rede gewesen. Alles' unter ängstlicher Vermei-
dung von Wörtern und Wendungen, die nicht durch Cicero's
Autorität gestützt würden. Darauf hätten die Ciceronianer
in Rom gefunden, dafs der Redner bewundernswürdig, ganz
römisch und Ciceronianisch gesprochen habe. — Manchen
WttT das Altrömische so in Fleisch und Blut übergegangen,
dafs sie in gutem Glauben ganz sonderbare Handlungen be-
gingen. „Als 1526 Siena von der Partei der Ausgetriebenen
angegriffen wurde, stand der gute Domherr Tizio, der uns
dies selber erzählt, api 22. Juli vom Bette auf, gedachte
dessen, was im dritten Buche des Macrobius geschrieben
steht, las eine Messe und sprach dann die in jenem Autor
aufgezeichnete Devotionsformel gegen die Feinde aus, nur
dafs er statt: Tellus mater teque Jupiter obtestor sagte:
Tellus teque Christe Deus obtestor. Nachdem er damit
noch an den folgenden zwei Tagen fortgefahren, zogen die
Feinde ab." (Burckhardt, S. 511.) — Der geistreichste
und gelehrteste unter den Italienern des fünfzehnten Jahr-
hunderts war unstreitig Politian. Von ihm erzählte man
sich, was aber nicht verbürgt ist, dafs er geäufsert habe,
er stelle die Gesänge Pindars weit über die Psalmen, und
die Bibel im Grundtexte lese er nicht, um sich nicht den
Styl zu verderben. Politianus war Priester, wie Ficinus
und viele andere Humanisten. Nur sehr wenige, wie Lau-
99
rentius Valla^ verwendeten ihre^ philologische Gelehrsamteit
auf biblische Exegese , und auch diese hielten bald damit
inne^ um nicht etwa mit der Kirche in einen Conflict zu
gerathen. Sie begaben sich lieber in- ihren Dienst imd fan-
den sich mit ihr ab.
Mit dieser llichtung hing allerdings an den höchsten
Stellen bisweilen eine Toleranz gegen gewisse philosophische
Bücher zusammen, deren Verfasser in den späteren Zeiten
der Gegenreformation nicht so würden davon gekommen sein.
Petrus Pomponatius, 1462 — 1524, soUt% in einer Schrift die
Unsterblichkeit der Seele geläugnet haben. Welches auch
seine wahre Meinung gewesen sein mag, er sagte zu seiner
Vertheidigung, dafs er nicht seine eigenen, sondern des
Aristoteles Meinungen vorgetragen und nur behauptet habe,
die Unsterblichkeit der Seele könne nicht aus der Vernunft
bewiesen werden, sondern sei ein Glaubensartikel der christ-
lichen Kirche, der er sich immer als ein gehorsamer Sohn
unterwerfe. Ueberhaupt habe er, was er geschrieben, als
Philosoph geschrieben; als Mensch glaube er unbedingt an
die Entscheidungen der Kirche. ') Er wurde schwer verfolgt,
aber Petrus Bembus, damals päbstlicher Secretär, nahm sich
unter Mitwissen des Pabstes seiner an und befreite ihn von
der Verfolgung. — Roscoe III. 262. —
Das Angeführte könnte noch durch viele Beispiele ver-
mehrt werden; folgt denn abef aus ihnen, dafs es nothwen-
dig im Wesen des Humanismus liegt, unter allen Verhält-
nissen Erscheinungen der angegebenen Art hervorzubringen?
Dafs sie damals sich zeigten, lag — ich will nicht davon
sprechen, dafs die alten Götter auf dem classischen Boden
Italiens niemals ganz gestorben waren, sondern sich in einer
Art von gespenstischem Dasein erhalten hatten — an dem
Verfall der Kirche, durch welchen das Christenthum zu
etwas rein Aeufserlichem gemacht worden war. Der Mensch
ist immer in Gefahr, sich ganz in das zu verlieren, wovon
') Wegen dieser Entschuldigung läfst Bonalini den Apollo das Ur-
theil sprechen: „der Mensch Pomponatius sei unschuldig, nur der Philo-
soph solle Terhrannt werden.*'
7*
100
sein Gemüth erfüllt ist^ wenn er nicht starke Gegengewichte
auf der anderen Seite hat. Die italienischen Humanisten
waren in dieser Gefahr^ und zwar stärker, als andere. Mit
glfihender Leidenschaft hatten sie sich auf das Studium der
Alten geworfen, und was die Kirche von ihnen verlangte,
deren Zustände sie am nächsten vor Augen hatten und zu
deren Trägem sie theilweise selbst gehörten , hinderte sie
nicht, eigentlich in die Anschauungen jener zu versinken.')
Es gehörten schon Naturen von besonderer Innerlichkeit dazu,
um neben dem Eifer für die Alten christliche Anschauungs-
weise in sich zu bewahren. Aber es gab deren auch unter
den Humanisten genug, von denen ich nur Petrus Patüus
Vergerius, Mapheus Vegius^) und den Frater Urbanus an-
führen will. Auch Aldus gehörte zu diesen. Viele Stellen
der Vorreden zeigen seinen kirchlich gläubigen Sinn imd
seine ungeheuchelte Frömmigkeit neben dem reinen Eifer,
den Menschen mit allen seinen Kräften für den Weg zur
Bildung zu dienen. Er stellt das Lernen und Wissen nicht
als das Höchste hin, sondern den Knaben sollen von Jugend
auf sancti mores und bonae litterae zugleich gelehrt werden,
*) Bei dem ernsteren Charakter der Deutschen, ihrem tieferen Ge-
müthe und ihrer Neigung, den höchsten Fragen der Menschheit ihren
Sinn zuzuwenden, wurde der Humanisnyiis in Deutschland der Vorläufer
der Reformation; denn er klärte die Geister auf und machte sie fähig,
die eingetretene Yerderbnifs zu b^ämpfen. Als nun die Theologie mit
ihren Wirren und Streitigkeiten auf den Platz trat, wich der Humanis-
mus zurück, und Viele äufserten, alles Betreiben der alten Sprachen
solle nur der Bibel wegen stattfinden, soweit es zu deren Auslegung
nöthig sei. So hatten es weder Luther, noch besonders Melanthon ge-
wollt, der über das Ersterben des Humanismus bitter klagt. „Nimis
verum est,^ schreibt er 1524 an Eohanus ffessus, „negligi Poeticen a
juyentute et aut me omnia fallunt, aut praesagit hoc imminentem litte-
rarum ruinam, ut habituri simus indoctiorem posteritatem, quam fuere
illa Scotorum et Anglorum saecula.^ Erasmus, dem freilich überhaupt
der Gang nicht zusagte, welchen die Reformation nahm, ruft sogar in
einem seiner Briefe in einer unmuthsvoUen Stunde aus: „ubicunque re-
gnat Lutheranismus, ibi estinteritus litterarum!*' Dies sind Stimmungen,
hervorgerufen durch die augenblicklichen Umstände. Die Klagenden
konnten noch nicht wissen, dafs nach ihnen gerade in den protestan-
tischen Staaten der Humanismus die meiste Pflege gewinnen und die
höchste Blüthe erreichen würde.
*) üeber diese beiden Männer s. die lesenswerthe Abhandlung von
Schweminski im Programme des Mariengymnasiums in Posen, 1858.
i4:
101
und besser sei das Erstere allein^ als das Zweite ohne das-
selbe (s. die Vorrede zur lateinischen Grammatik). Um
seinerseits für Beides zu wirken, giebt er unter Anderem
der Grammatik des Lascaris und der lateinischen Grammatik
folgende Beigäben: Oratio Dominica et dupkm salutatio
Beatae Virginis. Symbolum Apostolorum^ Evangelium Diei
Joannis Eeangelistae. Er will auch, dafs über dem Lesen
der heidnischen Schriftsteller die christlichen Dichter nicht
vergessen werden sollen (s. Vorrede zu den Poetae veteres
christiani, 1501). Ja er bekämpft sogar bei sich noch den
Zweifel, der wenigstens bei den italienischen Humanisten
damals schon ganz veraltet war, ob es einem Christen er-
laubt sei, alle Schriftsteller der Heiden zu lesen, besonders
die über Gott und die Welt philosophirenden. In Bezug
auf Flato und Aristoteles hat er allerdings kein Bedenken;
denn diese galten allgemein beinahe für christliche Lehrer.
Aber Lucrez z. B. erregt sein Bedenken. Indefs meint er
doch, dafs auch diese und ihm ahnliche gelesen werden
könnten, wenn es nur mit dem Sinne geschähe, mit welchem
auch Augustinus und Basilius die heidnischen Autoren lasen
und gelesen wissen wollten (s. Vorrede zu Lucrez, 1515).
Wir scheiden jetzt von dem Manne, den wir durch so
viele Verhältnisse hindurch begleitet haben. Sein Leben
war voll Arbeit und seine aufsere Lage dabei meist bedrängt.
So könnten wir ihm denn zuletzt die Worte über sich in
den Mund legen, welche die Grabschrift Trotzendorfs bilden :
Artes tradebam totias tempore vitae
Et, qaae mundi sunt praemia, pauper eram.
' f
Viertes Capitel.
Briefe.
1485 — 1514.
Die Zahl der Briefe^ welche Aldu8 bei seinem thätigen
Leben empfing und schrieb, abgesehen von den offenen
Briefen am Anfange der Ausgaben, war ungemein grofs, wie
aus seinen eigenen Worten hervorgeht. Aber nur wenige
von ihnen sind durch den Druck^ bekannt gemacht worden>
und zwar einige darunter in Büchern, die jetzt selbst wie-
der Seltenheiten sind. Manche mögen noch in den Biblio-
theken Italiens und Deutschlands verborgen liegen unter den
handschriftlichen Briefen der Gelehrten am Ende des fünf-
zehnten und Anfange des sechszehnten Jahrhunderts. Aus
der kaiserlichen Bibliothek in Wien erhielt Renouard 1825
durch Ladislaus Endlicher eine Abschrift der folgenden vier
Briefe des Aldus an Conrad Celtes (einer derselben war
schon früher durch Goldast bekannt gemacht), begleitet von
einigen Anmerkungen. Die Zusendung war einer hand-
schriftlichen Sammlung von Briefen und Gedichten der so-
dalitas litteraria an Celtes entnommen. Das Original des
Briefes an Paulus Bambasius bekam er aus Italien. Von
den übrigen schon gedruckten Briefen des Aldus citirt Re-
%
103
nouard die Fundorte , die er zum Theil niciit näher einge-
sehen zu haben scheint; denn er spricht z. B. von einem
Briefe des Aldus an Eeuchlin^ der sich befinde in den
epistoKs clarorum virorum ad ReuchUnum, während dersel-
ben zwei sind. Die folgenden Seiten nun enthalten eine
Zusammenstellung aller bis jetzt bekannten Bri^^ die von
Aldus selbst und von Anderen an ihn geschrieben worden
sind, mit möglichster Erklärung der verschiedenen Verhält-
nisse und Personen. Obschon diese Zusammenstellung nur
klein ist, so dient sie doch dazu, den Mann imd seine
Freunde, so wie die ganze Zeit, näher zu beleuchten. Or-
thographie und Interpunction, die ohnedies an den verschie-
denen Fundorten ganz verschieden ist, habe ich mehr nach
unserer jetzigen Art eingerichtet; nur die ersten zwei Briefe
sind zur Probe unverändert so geblieben, wie sie in der
Aldinischen Ausgabe stehen.
I. n.
(Oomia opera Angeli Politiani, Yenetiis iu aedibus Aldi Romani mense
jjulio M. II. D.)
Aldus Manutius Romanus Angelo Politiano S. D.
Annum abhinc tertium, ') quo Veneti Ferrariä oppugna-
bät, me, ut uel dei (ut aiunt) nedü hoium bellum fugere,
ex ulrbe Ferrariä Mirandulä contuli ad Joannem Pico Prin-
cipem aetatis nostrae doctissimum, quod et amaret literatos
uiros, & faueret ingeniis. Ibi Emanuel Adramytenus, fami-
liarissimus meus, tuä mihi graecam, quam ad se dederas
ostendit epistolä, ornate qdem, & docte atq; copiose scrip-
tam, quae non ä Romano uiro, sed ä mero attico, qui Athe-
nis semp fuisset, elucubarata *) uidebatur. Quäobre coepi
') Der Brief ist also vom Jahre 1485.
*) Ein Druckfehler, statt elucubrata.
104
mi Angele*) amare te uehementer^ doctrinam tuam atq;
ingenium non mediocriter admiratus. Deinde Emanuel suo
cum Principe Ticinum profectus est, ubi paucis ante mesi-
busy 4 ^ ^^ scriberem^ excessit e vita. Cuius interitu, ita
quidem moueor, ut multis annig grauius nihil^ & molestius
tulerim. Brat enim homo^ & moribus apprime omatus^ &
graecis literis sane^ doctus^ meiq; amantissimus. Non pos-
snm igif non moerere, tali amico orbatus^ 44 ^^^ magis
ipsius incommodo, qua illius. Nam Uli ad superos facilli-
mum fuisse cursum^ quoniam & bene, et beate semper vixit,
no sum nescius. Quapropter malü si qd accidit, meü e.
ivit in4 iUe Ticinü, Ego uero Mirädula Carpü perrexi, quo
cü aliquot post mensibus uenisset & Picus noster, Eusticü^)
mihi ostedit tuä, quae mi Angele mirifice auxit amore, erga
te meü. Ibi enim pspici facile potest^ quantum abundes
ingenio, quanti homo si^ studii^ quäta tibi bonarü literai^
sit copia. Nee uereor tibi me adulari ducas, el aavrov
yivoiaxeig. Scis enl 4 ^P^^ scripserim esse impendio plura.
Taceo ante, & quae de te mihi dixit is ipse Picus, & dicit
quoties in tui Icidimus sermone (nactus es eni dignum
praecone laudü tuarü) & quae retulit mihi Alexander Sar-
cius^) Bononiensis homo uerus, ac integer uitae, scelerisq;
purus, nee non quantü ex ipsius sermone colligere potui,
tui studiosissimus. Quid plura? Hisce tuis Ipulsus laudi-
') Angelus Politianus^ 1454 — 1494, ein besonderer Freund des Picus
von Mirandula, galt damals schon für einen der gelehrtesten und geist-
Yollsten Männer seines Jahrhunderts. Dafs Aldus sich um die Freund-
schaft eines solchen Heros bewarb, zumal derselbe seinem Freunde und
Gönner Picus so nahe stand, geschah nicht aus Eitelkeit, um in den
gesammelten Briefen desselben mit zu glänzen, wie bei Einigen wirklich
der Fall war, sondern wird durch die späteren Worte erklärt: „Incredi-
bilis enim erga doctissimum quemque mens est amor.
*) „Angeli Politiani Silva, cui titulus Rusticus, in poetae Hesiodi
Vergilique georgicon enarratione pronunciata." Auf italienischen, wie
deutschen Universitäten sind Vorlesungen über dieses Gedicht gehalten
worden.
^) Alexander Sarcius sammelte später mit Petrus Grinitus (Ricci)
die Schriften Politians zu der Ausgabe, welche Aldus 1498 veranstaltete.
105
busy nö potai ad te non aliquid literai^ dare^ ut facere te
certiore» mß ita esse tnü^ ut posses omnia de me tibi con-
stantissime polliceri. Incredibilis enim erga doctissimü
quenq; meus est amor, qui me et coegit, ut ad te scribe-
rem, peter^mq;, ut me pro tua erga studiosos uiros humani-
täte, iter tuos mi Angele connumerares, quod ut facias, te,
quantum possum rogare, rogo, Quod pfecto feceris, si me
uteris famiUarissime, mihiq'; quoties usu uenerit, no secus
jusseris, ac cuiuis ex domesticis tuis. Sic enim tua uirtus
postulat, facitq;, ut sim tuus, quoad uiuam. Vale. Carpi
Quinto Calendas Novembres.
Angelus Politianus Aldo Manutio Romano suo S. D.
Bedditae mihi faerüt literae tuae, quae perspicue de-
clarant, no modo, 4 ^^^ bomo doctus, uerumetiam, 4 niei
Studiosus. Est enim scribendi genus illud tuum, minime
triuiale, cultum quinimmo, subactümq; uelut exercitatione
multa, sparsümq; deniq; fruge bona ueterum lectionum. ')
Tum epistolam sie laudas nostram graece scriptam, quippe
ad graecum hominem, magis ut amorem uidearis habuisse
') Der vorangegangene Brief des Aldus ist gefeilter, als manche der
späteren Briefe, die er im Drange des Geschäftslebens schrieb, und die
dbeibei nicht die Kritik eines Stylisten, wie Politian war, zu furchten
hatten. Ein lateinischer oder gar griechischer Brief war für die Gelehr-
ten jener Zeit ein Gegenstand der grofsten Wichtigkeit. Der Styl wurde
sorgfältig überlegt. Hatte man einmal eiliger geschrieben, so dafs Nach-
lässigkeiten zu befürchten waren, so bat man auch wohl den Empfanger,
das Schreiben Keinem weiter zu zeigen. (So schreibt Antonius Codrus
Urceus 1498 am Ende eines Briefes an Baptista Palmarius: „Si vis
haec omnia, quae tibi famüiarissime scripsi, referre Aldo, per me licet;
sed ne litteras ipsas in manus alicujus sinas pervenire. quam dulce
est ad amicum scribere, qui non quaerat nodum in scirpo, et apud quem
possis interdnm soloecizare.^) Das Antwortschreiben enthielt häufig eine
Critik des vorangegangenen, besonders von Seiten des Styls, und die
empfangenen schmeichelhaften Wendungen wurden reichlich wiedergege-
ben. Dies sind die „deliciae, quibus apud Italos vulgo docti sese dele-
nire consueverunt*', wie Erasmus 1514 aus Basel an Udalricns Zasius
schreibt.
106
in consilio^ 4 Judicium. Sed tarnen utoanq; sit, equidem
tibi uel ob id placuisse eam laetor, quod qaanto tibi ego
fuero doctior, tanto minus fortasse poenitebit amioitiam te
nostram tarn cupide, tarn uehementer expetisse. Facit autem^
ut in ea mihi epistola faueam nonnihil Emanuel ipse Adra-
myttenusy qui respondens^ ita prorsus ultra modum laudauit,
ut Omnibus me suis graecis^ quicunq; aliquot ante saeculis
scripserunt^ hominem citra mare natum^ nö dubitauerit ante-
ferre. Jurare illum solitum quoq; Picus mens literis signi-
ficat^ dum legeret hanc epistolam^ ne ipsas quidem tam esse
Athenas Atticas. Quare placerem profecto mihi graeci ho-
minis testimonio^ nisi Cretensis fuisset Emanuel. Etenim
hoc genus ut medaces notauit Epimenides^ qui tamen & ipse
Cretensis 9 ut mentiri non minus potuerit, Ideöq; non men-
daces Uli. Sic ergo uerus Epimenides^ atq; ita rursus ilU
mendaces^ uides hunc dialecticorum y^EvSofMvov. Mihi tamen
extra iocum^ ueros esse omnino Cretenses libet/ Jam quo-
niam de epistola me amo^ ne palpü quidem reiiciä^ Quod
obtrudis Rustici nomie. Monstrü enl prorsus^ fmo aüt soe-
lus iexpiabile si laudatori suo Poeta nö crederet. Sed cu-
pio praeses te psente frui aliquädo^ Si qde absens^ ita de-
lectas. Accipio uero iä nunc Iter amicos^ & quide p'mi
ordls. Nec-n. explorädus ultra quS Picus noster receperit, ')
ille in4 Picus, cuius nun^ nee cessauit igeniü, nee errauit
iudiciü. AJexandro Sarcio cottidie plus debeo, tibiq; esse
eü familiär^ sümopere gratulor. Vir est profecto sincerus^
candidus, amoenus, idem fidus, acer, ingeniosus, experiens^
hunc uelim meo nomine plurima salute Ipertias, quädo me
assidue laudat^ estq; nö Iter postreos Pici nfi familiäres.
Vale.
') Picus neigte zur Schwärmerei, was später in hohem Grade sich
zeigte; bei dem kälteren, feinen Politian aber überwog die Verstandes-
richtung. Trotz dieser Verschiedenheit bestand zwischen Beiden Freund-
schaft bis an das Endo ihres Lebens.
107
ni.
(Aldi Pii Manntii scripta tria longo rariissima a Jacobo Moreüio denuo
edita. Bassani MDGGGVI.)
Aldus Mannuccius Bassianas Latinus
Cätharmae Piae
Principi Clarissimae Ac Prudentissimae
S. P. D.
Quanti apud me sint Albertus Leonellusque liberi tui^
quos nuper mihi erudiendos tradidisti^ atque quanto ego amt>re
quantaque eos beneyolentia prosequar^ potes vel ex hoc fa-
eile perspicere, Gatharina Princeps, Heroidum aetatis nostrae
longe prudentidsima^ quod parum illud quod datur otii (nam
multis negotiis impeditus vix quatuor horas ad summum sup-
peditare quotidie meo studio possum) non ad meam utilita-
tem, ut sane plerique faoerent, legende consumo, sed in aU-
quo potius scribendo componendoque opusculo in disciplina
grammatices^ quodsit erudiendis liberis accommodatum: quod
si ita est, nee ne, alter qui melius sciat, quam tu, non fa-
cile inveniri potest.
£n de accentibus et Latinis et Graecis opusculum, quod
nuper conscripsimus tibique donavimus, ut a te pueris non
modo legendum, sed etiam ediscendum offeratur et donetur
tois. Quae cum digna mihi res, tum ipsis pemecessaria yi-
debatur ; non enim parujoi fructus et splendoris habet secun-
dum accentus recta pronunciatio et moderatio dictionum : qua
cum indigere liberos tuos animadverterem, ipsis deesse non
volui, qui de accentu scriberem aliquid, quod ad evitandum
barbarismum magno eis adjumento foret. In qua re confi-
cienda quantum laboris et difiicultatis sustinuimus, quoniam
opus fuit ut plurimos et Graecos et Latinos libros evolve-
remus, ipse mihi sum optimus testis: certe multum elabo-
ravimus. Conscripsimus perpaucis ante diebus grammaticas
Latinae linguae Institutiones *) nee non de componendis car-
') Dies wird ein kürzerer Gkiudrifs der lateinischen Grammatik
108
minibus opusculum, panagyricos quoque musarum versus^
quos illae de Alberti laudibus alternis concinunt: quibus Om-
nibus^ ut nosti^ donavimus Albertum nostrum^ adjuncto etiain
libello Graeco^ ut Graecas etiam litteras una cum nostris
edisceret itaque pariter iret^ ut neutra lingua^ ut praecipit
Quintilianus^ alteri of&ceret. Quod eo etiam feci libentius,
quoniam tibi^ praeexcellenti ingenio Principi atque habenti
cum plurimis in rebus ^ tum in re quoque litteraria et acre
et subtile Judicium ^ gratissimum me facturum sciebam^ si
clara et egregia indole praeditis et te clarissima matre sa-
nequam dignis pueris tuis aliquem libellum Graaoum tam-
quam isagogicum scriberem^ quoi tu non exculta solum, sed
perfecta quoque litteratura fore desidera?: quam nemini ex
hominibus nostris absque aliqua Graecarum Ittterarum Cogni-
tionen mira quadam tui ingenii bonitate^ cognosois non poNie
contingere, contra quorundam indoctorum hominum stajtam
opinionem^ qui nihil aut certe parum existimant necessarias
esse Graecas litteras hominibus nostris. Qui quam recte
sentiant^ viderint qui intelligunt; certe errant vehementer.
Quomodo enim qui Graece nescit Graecos imitari auctores
potest^ in omne disciplinarum genere quam doctissimos? A
quorum fontibus quidquid fere est laude dignum in linguam
Latinam constat derivatum; qui tanta elegantia^ tanto arti-
ficio^ tarn mirabili subtilitate onmia tractaverunt^ ut Flaccus
in Arte Poetica Graecos non injuria admiratus^ sie de Grae-
corum ingenio scripserit:
Grajis ingeniom, Grajis dedlt ore rotnndo
Musa loqoi, praeter laudtm nollias ayaris.
Et in eadem:
Yos exemplaria Graeca
Nocturna versate mann, versate dinma.
Accedunt nostrae . sententiae alii plurimi^ tarn hujus,
quam antiquae aetatis et docti et clari viri. Sed^ ut novos
gewesen sein, die er 1501 herausgab, nachdem er sie neunm^ umge-
arbeitet hatte, wie Erasmus behauptet von ihm selbst gehört zu haben.
(Morelli, S. 26.) lieber die anderen angedeuteten Schriften ist Yom bei
Aldus' Aufenthalt in Carpi gesprochen worden.
109
missos faciamus, nonne M. Fabius Quintilianus, Latinae lin-
guae peritissimus^ hoc idem in primo De Oratoria Instita-
tione sentire videtur, cum dicit: A sermone Graeco puerum
incipere malo^ qoia Latinus cömpluribus in nsu est^ vel
nobis nolentibus se perhibet: simnl quia disciplinis qnoque
Graecis simnl instrueadus i^') nnde et nostMie fluxemnt?
Et paullo post subjungitrNon longe itaque Latina snbseqni
debent et cito pariter ire. Ita fiet^ ut^ cum aequali cnra
linguam utramqne tneri coeperimus^ nentra alten officiat.
Nonne etiam Priscianus^ grammaticonim omnium meo qni-
dem jttdifiio accuratissimns, ponfirmät sententiam nostram?
Qui librom snnm^ qui est ihesanrus grammaticae disciplinae^
hoc modo incepit: Cum omnis eloquentiae doctrinam et omne
studiorum gelAis sapientiae luce praefulgens^ a Graecorum
fontibus derivatum^ Latinos proprio sermone invenio cele-
brasse et in omnibus illorom vestigia consecutos artibns
yideo^ etc. Postea subjnngit: conatus snm pro viribus meis
Graecorum praecepta virorum, quae congrua visa sunt, in
Latinum transferre sermonem.
Quid dicam de Cicerone nostro, doctissimorum quidem
omnium consensu parente Romanae eloquentiae? Qui Athe-
nas omnium liberalium artium inventrices dixit quique in
eo libro, qui est scriptus ad Marcum Ciceronem filium de
Officiis, cum philosophiae Athenis incumberet sub Cratippo
principe illius aetatis philosophorum^ filium ut cum Latinis
Graeca conjungeret^ qiioniam conduceret plurimum^ suo
exemplo sie monuit: Tamen^) ipse ad meam utilitatem
semper cum Graecis Latina conjunxi, neque id in philoso-
phia solum, sed etiam in dicendi exercitatione feci: idem
tibi censeo faciendum^ ut par sis in utriusque orationis
facultate.
Vi de igitur, quam recte tu sentias, acri ingenio Prin-
ceps atque magnum clarae et magnificae tuae gentis decus,
Catharina Pia^ si liberos tuos non Latine solum^ sed etiam
') Qaintilian I. 1. 12 — 14. Wir lesen jetzt: „quia Latinum, qui
plaribos perhibet; prius instituendus est.
*} Jetzt: ,» tarnen, M ipse*
•■:»
110
Graece scirc desideras^ multorum exemplo et claroram viio-
rum. Adde^ quod^ quantum divitiis et dignitate^ tantam
moribus et doctrina vis eos ceteris praestare hominibus nee
imitandos esse ducis nostrae aetatis prindpes^ qui^ quanto
digniores potentioresque sunt^ eo etiam a bonarum artium
disciplinis magis alieni.^) Non sio Bomanos illos rerum
dominosy quos tu dignos imitatione existimas^ non ipsos
barbaros quondam fecisse oonstat. Uli quidem liberalibus
disciplinis eo ardentius majoreque animo incumbebant^ quo
et ditiores et digniores erant. Quod cum alii innumerabiles
viri tarn clarissimi quam potentissimi facere conaueverunt^
tum Ptolemaeus ille Philadelphus^ vir quidem doctissimus^
qui etiam bibliothecam nominatissimam fecit; atque etiam
Mithridates, rex Ponti^ qui duarum et viginti gentium, quas
sub ditione habuit^ linguas percalluit^ quemque medicinae rei
perquam peritum fuisse commemorant^ unde adhuc hujus regis
antidotus celebratissima est^ quae Mitbridatios appellatur.
His adde Philippum, Macedoniae regem, qui quamquam
omni ferme tempore negotiis belli victoriisque affectus exer-
citusque esset, a Überall tamen Musa et studiis humanitatis
nunquam abfuit, immo tanti.faciebat bonas litteras, ut ad
Aristotelem pMlosopbum, nato sibi Alexandre, qui a rebus
magnifice gestis Magnus postea cognomento est appellatus,
sie scriberet:
viov. üokki^v ovv Toig &60ig ;fflfpti/ %w, ov^ ovrcog inl
ry yeviasi rov ncciSog, cog ^ni riß xavd rrjV örjv rjXixiav
avTov ysybvivar kkTti^cj yctg avtov vno 60v rgatpivra xai
naidevQ'ivTa ä^MV Haead-ai xal vfiüv xal rijg räv nQay^
ftdrojv SiaSoxijg»
Quod sie exponi Latine potest:
') Diese Klage ist zu allen Zeiten erhoben worden, weil man ent-
weder an bestimmte Persönlichkeiten dachte, auf die sie pafste, oder weil
dem brennenden Eifer des Klagenden nicht genug geschah. Uns, die
wir freilich die Verhältnisse nicht so genau kennen, wie Einer, der mit-
ten in ihnen lebte, scheinen zur Zeit des Aldus gerade die Yomehmsteu
und Angesehensten in Italien mehr Eifer für die Wissenschaften gezeigt
zu haben, als je vorher seit den Zeiten der Alten.
H.
^..
111
Philippus Aristoteli S. P. D.
^Scias mihi natam esse filium^ quare diis habeo gratiam^
non solnm quia natus est^ veram etiam quia eum nasci
Gontigit temporibus tuis. Spero enim ipsum a te eductum
eraditumque et nobis et rerum nostrarum successione dig-
num fiitarum.*'
Vide^ qnanti a rege illo potentissimo pmdentissimoque
doctrina ac virtus aestimabatur^ quod ob id potissimum sibi
natum esse Mum gaudebat^ quoniam doceri ab Aristotele
posset, qui floruit temporibus illis.
Nee tamen ipse Alexander omittendus est^ qui fuit et
patre Philippo dignus filius et Aristotele praeceptore disci-
pulus^ qnir copiisne atque opulentiis, an doctrina ceteros
anteire maluerit, ostendit bis verbis in epistola ad praecep-
torem:
*AXii,av8Q0Q 'AQiaroTkXei w ngätrsiv. Ovx oQ&dig
hnoiriaag kxSovg rovg axgoaf^ccrixovg teov Xoyoav, Tivi yag
'du SioiöofiBV rjfJLBig rcSv älkoDV, sl xad^ovg iTtaidev&fjfiev
Xoyovg ovroi navtiov I^öovtcci xoivol; 'Eyco Si ßovXolf^rjv
av ralg nBQi rä ägiarcc kfjinBi^iaig y tj raig Swdfisai dice^
Paraphrasis superioris epistolae:
Alexander Aristoteli S. D.
^Libros de Auscultatione Physica edidisse te sane mo-
leste fero. Nam in qua item re erimus nos praestantiores
ceteris, si eas, quibus eruditi sumus, disciplinas communes
Omnibus feceris? Malim equidem optimis disciplinis omnes,
quam facultatibus antecellere. Vale." ')
Magnifica quidem vox et Alexandre invictissimo rege
et sapientissimo digna, qui divitias virtute multo inferiores
esse putabat.
Quid dicam de Romanis nostris, et de Julio Caesare in
primis, qui aeque in litteris atque in armis claruit? Quod
sitne ita, an minime, testes sunt ejus commentarii, quos
') Die Briefe des Philipp und Alexander finden sich bei Gellius,
Plutarch im Leben Alexanders and Themistius.
112
, ^aaium« ut relinqueret materiam volentibus
.^ ..i;:>viv; sod tontae eloquentiae habiti sunt, ut nemo
.. .v\ (iuiaio iioc aliquid iis addere aut minuere ausus
>. ;. vjuia ^^^^ d^ I^* Crasso Muciano^ quem Romanae hi-
N,, iiac >vi(pcores quinque rerum maxima habuisse tradunt:
,'iuM oaisiol ditissimus, quod jurisconsultissimus, quod nobi-
lUsimu«» quod eloquentissimus^ quod pontifex maximus?
Quid do Cn. Planco^ quem ejus epistolae ad Ciceronem in-
dionnt fuisse non minus eloquentem^ quam Cicero ipse fue-
rit? Quid de Asinio Pollione^ de Maecenate, de Augusto
Caoaare deque multis aliis^ quos enumorare tum difficile^
tum etiam supervacaneum esset? Qui etsi erant nobiles et
clarissimi viri ac principes, tamen et litteris accurate ope-
ram dabant et studiosos vires ita fovebant atque suis opi-
bus adjuvabant, ut plerosque temporibus Ulis ex infima for-
tuna claros admodum et poetas et oratores evasisse latissime
pateat necnon in ordinem senatorium atque ad summos ho-
nores processisse.
Nostro autem tempore unum tantum vidimus, qui nu-
per excessit e vita, Federicum Urbini Ducem/) qui pariter
ot armorum et liberalium disciplinarum gloria excelluit qui-
que bonas artes tanta fuit benevolentia prosecutus, quod
bibliothecam etiam quam magnificentissimam sibi construxit,
in qua quidem comparanda circiter quadraginta millia num-
mum aureorum exposuit, longo etiam plura impensurus, nisi
illum mors crudelis et inexorabilis invidisset hominibus
studiosis. jacturam grandem, o factum male, o damnum
irreparabile ! Tantum profecto hominem mori nunquam
oportuisset, quem quidem unum ex principibus nostra ae-
* ) Federigo di Montefeltro , Herzog von ürbino , war von Victorinus
Keltrensis in Mantua unterrichtet worden. Er war ein eben so kriege-
rischer, als Künste und Wissenschaften liebender Fürst. Einen grofsen
Theil der Bibliothek, die er mit einem Aufwände von 40000 Ducaten in
Urbino errichtet hatte, führte später Cäsar Borgia nach Rom. Er starb 1482.
Federigo's Bibliothek bestand nur aus schön geschriebenen, pracht-
voll gebundenen Codices. Von den Drucken seiner Zeit, die nicht so
soh'"»'^ ""'^ y-ierlich aussahen, wollte er so wenig wissen, dafs er „sich
=)n würde", ein gedrucktes Buch zu besitzen. Burckhardt,
Renaissance in Italien. S. 193.
113
täte doctissimum exstitisse mirabile est. Quamquam illum
Johannes Picus^ Princeps inclitus ') gennanusque tuus, longe
quidem doctrina et bonarom artium cognitione antecellit^
qui est tanto ingenio tantaque doctrina, ut se jam toti orbi
notum fecerit. Non licet hoc loco, ubi de principibus sermo
est in omnium bonanim artium disciplinis egregiis, qui
temporibus nostris pauci admodum sunt, Petrum Baroccium
praeterire, patricium Venetum ac Patavinum Episcopum, ')
summa yeneratione summoque honore dignissimum, cujus
laudum principium facile quidem inventu est, exitus yero
apprime difficilis. Hie profecto Romanae linguae sanequam
doctus, si prosa oratione scribit, copiosus est, omatus, gra-
vis; si quando se ad Carmen et mansuetiores musas refert,
tersus est ac dulcis, itaque excultus et doctus, ut cum an-
tiquis quoque illis doctissiinis certare videatur. Est etiam
medicinae rei et simplicium") maxime non ignarus atque
etiam geometra maximus, item in disciplina juris et ponti-
ficii et civilis excellentissimus. Sed sentio, quam angusto
ambitu orationis summam hujus principis doctrinam "virtu-
temque complectar; non enim epistola digna est, sed im«
M Johannes Picus von Mtrandula, 1463 — 1494, war eine der begab-
testen Naturen seiner Zeit; aber eine ausschweifende Phantasie, genährt
durch seinen yertrauten Urning einerseits mit dem Neuplatoniker Mar«'
silius ricinus , andrerseits mit dem Schwärmer SaTonaroIa, liefs ihn zu-
letzt sich ganz in cabbalistisch-mystische Bestrebungen yerirren. Er Var
übrigens nicht regierender Fürst der Landschaften Mirandula und Gon-
cordia, sondern dies war sein Bruder Galeatitts, dessen Sohn IVanciscu»
später ganz den Fufsstapfen seines Oheims folgte.
^) Barocci wurde nach Morelli 1487 Bischof Ton Padua, nach Qui-
rini aber erst 1488. (Quirini Litterat. Brixiana. I. 151.) Der Brief wird
wohl also .1488 anzusetzen sein. Da am Anfange desselben erwähnt wird,
dafs der Lobgesang der Musen auf Albertus Pius vor wenigen Tagen
übergeben worden sei, mit diesem aber eine der beiden Paränesen zu-
sammenhängt, welche beide in den Endversen die Geneigtheit des Ver-
fassers verrathen, noch länger in Carpi zu yerweilen, so scheint es mir
um so widirscheinlicher, dafs Aldus erst 1490 nach Venedig gegangen ist.
(s. auch Brief IV.)
Unter den Lobeserhebungen, welche dem Baroccius gespendet wer-
den, befinden sich auch die, dafs er die Quadratur des Preises und ein
untrügliches Mittel gegen die Gicht gefunden habe.
^) Die simplida, ähnlich etwa unseren Hausmitteln, den ^pa^/uuea
svyfo^una des Dioscorides, spielten in der Medicin des Mittelalters eine
grofse Rolle.
114
•
naenso volumiue. Praeteroa cum sit summo ingenio prin-
ceps summaque continentia et humanitate^ amplius antistes
justissimus^ episoopas sanctissimus^ in servanda tuendaque
Salvatoris nostri Christi Jesu religione aptissimus^ accura-
tissimus^ optimus : non a meo ingenio^ quod sentio quam sit
exiguum^ verum a summo et, quam meum, longe majore
posteritati tradendus est. Nee item Hermolaus Barbarus,^)
patricius Venetus^ vir aetate nostra omnium rerum impense
doctus^ est silentio pYaetermittendus. Hunc certe L. Grasso
Muciano^ de quo nuper meminimus^ longe quidem rerum
maximarum numero praestare facile cognosci potest. L. enim
Crassum quinque rerum maxima habuisse historiae traditum
est; Hermolaum vero, bone- Dens >. non modo quinque ^ sed
etiam bis quinque et plura quoque habere conspicimus.
De hoo enim dicere vere possumus: quod sit ditissimus,
quod nobilissimus, quod eques^) clarissimus^ quod et Grae-
cae et Romanae linguae peritissimus^ quod in cognitione
simplicium medicinae exoellentissimus^ quod item eloquen-
tissimus^ quod jurisconsultissimusy quod phüosophus maxi-
mus^ quod astrologus summus^ quod inter primos magistra-
tus Yenetos ornatissimus^ quod homo optimus ^ quod^ etsi
juvenis^ etiam castissimus; adde quod Zacharia patre^ viro
dignissimo equiteque illustri ac Marci Evangelistae procu-
') Hermolaus Barbartu, 1454 — 1493, hat sich vielfach verdient ge-
macht um Themistius, Dioskorides,' Aristoteles, Plinins, Pomponins Mela.
Als er Gesandter Venedigs bei dem romischen Hofe war, wurde er 1491
von Innocentius VIII. zum Patriarchen von Aquileja ernannt, welche
Wurde er annahm, obschon die Gesetze der Republik ihren Gesandten
an auswärtigen Höfen verboten, von diesen eine Ehrenstelle ohne vorher
eingeholte Erlaubnifs anzunehmen. Auf einen Drohbrief des Senats gab
er seine Wurde in die Hände des Pabstes zurück. Er starb nicht lange
darauf in Rom, ohne Venedig wiedergesehen zu haben. Ein Verzeichnü^
seiner Schriften s. bei Niceron. Sein Vater Zacharias starb ein Jahr
vor ihm.
') Im Jahre 1486 schickte der Senat den Hermolaus Barbarus und
Dominicus Trevisanus ab, um dem Kaiser Friedrich dem Dritten und
seinem Sohne Maximilian, welcher zum romischen Könige ernannt wor-
den war. Glück zu wünschen und die alten Bündnisse zu erneuern. Im
August dieses Jahres hielt Barbarus vor dem Kaiser und dem Könige in
Brügge eine Rede, welche mit nachträglichen Veränderungen am Ende
der Briefe des Politianus abgedruckt ist. Der Kaiser machte die bei-
den Abgesandten zu Rittern.
115
ratore iutegerrimo^ filius digniseimus. His atque aliis rehim
maxüms omatas Hermolaus lumen est ac decus Yeneti po-
tentissimi illustrissimique Senatus.^)
Tu autem cum ea sis^ quae et virtutem diligas mirum
in modum et nihil cupias magis^ quam ut Optimum quem-
que atque doctissimum virum sibi imitandum liberi eligant
tui seque ad illorum imaginem componant, qui mirabiliter
in laude Yixerunt: non dubito^ quin cum clarissimis atque
iis^ quos connumeraTimus, viris sint merito conferendi.
Quamobrem perge, ut coepisti^ quandoquidem cum prüden-
tia tua, quae est quidem maxima^ tum bis filiis superabis
omnium fortunas. Mo autem, ut de me loquar, habebis^
cui aeque cari ^int^ atque fuerint patri*; tibique persuadeas
velim, quantum viribus eniti, consilio ad monere, studio et
doctrina juvare potuero, hoc commune Alberto Leonelloque
magnificis liberis tuis semper futurum. Vale.
IV.
(Joannis Pici Mirandulae liber epistolarum illustratus a Cellarw
Cizae MDCLXXXH.)
Joannes Picus Mirandula Aldo Manutio S.
Mitto Homerum^ quem desiderabas^ serius tamen, quam
et tu voluisti et ego debebam. ^ Ita, mi Alde^ distringor
occupatione^ ut neque interspirando sit locus. Addixi me
(quod et tu nosti) jam dudum litteris in famulatum. Hlae
pro suo imperio ita severe legendi^ dictandi exigunt pensum^
ut vix valetudinem redimam. Tu, quod tu scribis facturum,
accinge ad philosophiam, ') sed hac lege, ut memineris,
*) Es ßlllt auf, dafs Aldus nicht noch den hauptsächlichsten Maecen
jener Zeit erwähnt, zumal derselbe in so vertrautem Verhältnisse mit Picus
von Mirandula stand, nämlich den Lorenzo von Medici. Yon ihm hätte
er doch noch mehr sagen können, als Ton dem erwähnten Herzoge von
ürbino. Allerdings besafs er nicht fürstlichen Titel, sondern regierte
Florenz beinahe in ähnlicher Weise, wie einst Perikles Athen.
*) Es ist nicht angegeben, wohin dieser Brief gerichtet ist, ob nach
8*
116
nullam esse philosophiam^ quae a mysterionim veritate nos
avocet. *) Philosophia veritatem quaerit^ theologia invenit,
religio possidet. Vale, Florent. die XL Februar. MCCCC
nonagesimo anno gratiae.
Carpi oder nach Venedig. Doch scheint es mir wegen der üebersen-
dung des längst Verlanen Homer wahrscheinlicher, dafs das nähere
Carpi gemeint ist; auch scheint der Bath, sich zum Studium der Philo^
Sophie anzuschicken, eher den ruhigen Aufenthalt des Aldus in Carpi
vorauszuseteen, als eine jungst erfolgte Uebersiedelnng in einen neuen
Wohnort
') Seit Picus sich 1488 von der Welt ganz zurückgezogen hatte,
stellte er sich die zwei Hauptaufgaben: „den wahren Sinn der heiligen
Schriften zu ergrunden und Plato mit Aristoteles zu vereinigen'. Wie
er bei der ersteren verfuhr, zeigt sein Heptaplus oder Heptameron^ eine
allegorisch-mystische Auslegung der Schopfungsgeschichte, welche er in
derselben Weise behandelte, wie die Neuplatonäer die alte Mythologie,
mit allem Aufwände abendländischer und morgenländischer Gelehrsamkeits
und Weisheit; denn er studirte talmudische Schriften ebenso, wie Grie-
. chen und Romer. Daher glaubt man die Sprache eines Macrobius zu
hören, wenn er in der Einleitung sagt: „Moses und die Propheten,
Christus und die Apostel, Pythagoras und Plato, und überhaupt die
Priester und Philosophen aller Völker der alten Welt verbargen ihre
Weisheit unter Bildern und Räthseln, weil der grofse Haufe cUe kem-
hafte Speise der Wahrheit nicht ertragen konnte, und sie sagten in allen
ihren Reden und Schriften etwas ganz Anderes oder auch Viel mehr, als
sie dem Buchstaben nach zu sagen schienen. Es ist daher auch auTser
allem Zweifel, dafs Moses in der Erzählung der sechs Tagewerke nicht
blos von der Erschaffung der sichtbaren Welt reden wollte und geredet
habe. Vielmehr besteht die unerhörte, bewundernswürdige und durch
keine blos menschlichen Kräfte erreichbare Kunst des jüdischen Gesetz-
gebers darin, dafs er alle Worte seiner Erzählung so gewählt und ge-
ordnet hat, dafs sie nicht nur auf die Schöpfung aller Welten, Sondern
auch auf die Darstellung der gröfsten Geheimnisse der Natur passen". . . .
Es folgen nun viererlei Ausleguiigsarten der Schöpfungsgeschichte, je
nach den angenommenen viererlei Welten, als deren vierte der Mensch
genannt wird.
Dieses Werk wurde von den Zeitgenossen angestaunt, selbst von
solchen, denen ihre besonnenere Natm* solche willkürliche Gedajiken-
sprünge unmöglich machte. Wäre dem Picus längeres Leben vergönnt
gewesen, so würde er sich vielleicht selbst zu gröfserer Klarheit heraus-
gearbeitet und mit seinem reichen Geiste der Welt mehr genützt haben,
üebrigens stand Picus mit seinem Bestreben, willkürlich in die Schriften
hineinzutragen und eine ungezügelte Subjectivität walten zu lassen, nicht
allein, sondern die Richtung war jener Zeit eigenthümlich. Man allego-
risirte Virgil, Homer, Plato, und trug dies auch auf die heiligen Schrif-
ten über.
117
V.
(Opus Codri impressum Venetiis mandato et impensis Petri Liechtenat&fn
Goloniensis Gennani MDYI.)
Antonius Codrus Urceus ') Aldo suo salutem plurimam
dicit.
•
Tua singularis humanitas, qua cum istic essem erga
me usus es, non sane merebatur, ut te tamdiu in litterarum
mearum exspectatione teuerem. Verum id evenit non obli-
vione nee negligentia, sed plurimis occupationibus et curis,
quae me superioribus diebus oppresserunt et etianmum op-
primunt adeo, ut ne nunc quidem possim libere ea, quae
volo, tibi scribere. Doleo certe; vollem enim exponere ac
enarrare, quidquid mihi post meum a te discessum accidit,
et sermones, quos ego et Nicolaus Leonicenus^) una de
nostris studiis habuimus. Sed postquam non datur otium,
in aliud tempus differamus. Frimum accipe, quae ad man-
data tua spectant; deinde de rebus meis loquar. Opera
graeca, quae flagitas, non potes nunc habere, quoniam Ni«
colaus Graecus occupatus in aliis est; cum perfecerit, quae
in manihus habet, ^) tui memor ero. Versum Theocriti, qui
') Antonius Codrus Urceus y 1446 — 1500, las seit 1482 mit grofsem
Beifalle in Bolo^a über lateinische und griechische Schriftsteller und
Grammatik. Er wird als ein sehr excentrischer Mensch geschildert Mit
Aldus stand er frühzeitig in mehrfachem Verkehr und entnahm später
auch Bücher von ihm, wollte dieselben aber lieber im Tauschhandel mit
Handschriften bezahlen (s. seinen Brief an Baptista Palmarius), als mit
Geld, welche Neigung er auch in diesem Briefe weiter unten andeutet
(üeber ihn GräTse IV. 726. Paravicini Singularia de viris eruditione
claris. p. 6. Saxii Onomast. IL 500. 596.)
') Nicolaus LeonicenuSf als Arzt, Naturforscher und Humanist be-
kannt, lehrte gegen sechzig Jahre in Ferrara, wo er erst 1524 in einem
Alter von fast hundert Jahren starb. Er gehört zu den ersten, die es
wagten, an der Unfehlbarkeit des Plinius in naturhistorischen Dingen zu
zweifeln. Bei Aldus erschienen von ihm die Schriften „de morbo Gallico"
und „de vipera«. (üeber ihn Gräfse III. 550. 5ß4. 578. 600. 742.)
*) Das Abschreiben griechischer Werke war für viele in Italien le-
bende Griechen ein Erwerbszweig. Ihre Zeit war noch nicht vorbei;
denn 1492 gab es erst sehr wenige griechische Drucke, welche im er-
sten Capitel genannt worden sind.
118
est in Helenae epithalamio^ corruptum habes^ ideo intelligere
non potes. Ego integrum habeo et manu Andronici^ viri
doctlssimi et eloquentissimi. Sic autem jacet: Iläladuv h^
ßa&vv OQÖ-Qov inü xal hav xal ig a(w, ubi ivav legis
positum, pro ivriv, dorice. ') *'Evri autem significat finem et
principium mensis^ vel lunae. Dicitur tamen conjunctim
hy'xai via^ sed Theocritus primam tantum pßxtem posuit.
Lege Aristophanis NscpiXag' ev&vg f^sra tavtriv Har ivri tb
xai via^^ et in&a etiam saepe. Julius quoque PoUux haeC
dicit primo libro, ubi de partibus mensis loquitur: ofioiwg
äxQi rrjg rgiaxäSog^ 17V 01 'jirtixol xaXov6iv Hvrjv ve xai
viav. Hoc autem est: quando luna vetus est ac nova^ ut
dicere nunc solemus. Plura super hac re scriberem^ nisi te
plura apud Aristophanis commentaria lecturum existimarem.
Pulcher certe est hicTheocriti locus et ratio metri quadrat.
Impersonale verbum^ quod est apud Ovidium cum accusa-
tivo^ cum invenero^ ad te scribam^ nunc ov Svva/Äai. Quod
de ratione metrica^ quae est in odis Pindari^ scire cupis^
res longa est et difficilis scriptu. Nam sunt aliquae odae^
quae habent XXIII. versuum species; aliquae, quae XVIII,
aliae alium numerum^ et commentarium meum itdmodum
vetus est, ita ut vix legi possit. Curabo tamen^ si jusseris,
quoquo modo potero tibi satisfacere. Nunc, quid tu rebus
meis te facere velim, accipe. Si ApoUonius transscriptus
est, placet. Mitte; ego tibi pecunias numerari jubebo vel
aliquid opus graecum, quod volueris, tibi rependam. Sin
minus, omitte; nam Patavii habeo, qui illum exarari facit.
Boethii opera quanti veneant scire cupio, et si Dienern hl-
storicum vel graecum vel latinum istinc habere possim.
Vale. Tibi me commendo et rogo, ut me commendes De-
*) Theocrit. Idyll. 18, y. 14. Statt der Lesart des Codrus IVav
haben^ die Ausgaben jetzt i'vae, und dieses fafst man nicht im Sinne
von i'vij T£ xcd via ode^ r^taxae auf, sondern versteht darunter tt6er-
morgen,
') T. 1131. Später v. 1176. 1177. 1194. 1220.
119
metrio MoBoho/) yiro docto, M. Antonio Sabellieo^^) viro
elegant! ac diserto^ Raphaeli Regio/) viro emuncto^ domino
Danieli/) viro hnmano^ et aliis nostrorom studiorum stu-
diosis. Georgium Vallam^) non audoo dicere^ qnoniam
illum mihi subiratum esse^ quum istic essem^ sensi. Et
certe^ nisi ille me quemlibet trivialem grammaticnm con-
temsisset^ nonnolla cognitu pulcherrima ex me acöepisset.
Sed stoltus^ qui haec scripsi^ cum modice aut etiam intra
') Demetrius Moschus^ Lehrer der griechischen Sprache in Yenedig,
Ferrara, Mantua. £imge Zeit lebte er bei Franciscus Picus in Mirandula.
Es giebt von ihm ein griechisches Gedicht ra xa^ 'EXävrjv xal jiki^av-
dgoVf welches mit der lateinischen Uebersetzung des Ponticus Yimnius
1500 erschienen ist. Für Andreas Asulanus besorgte er 1517 (angehängt
dem Musäus) 'O^äöwj yii&ixa. (Gräfee IV. 819. Hodius, p. 314.)
•) Marcus Antonius Coccius (Cocdo) SaheUicus aus Vicovaro in der
Gampagna horte in Rom den Pomponius Latus und bekam in dessen
Academie den Namen Sabellicus , weil er an der Gränze des Sabinischen
oder Sabellischen geboren war. Li Udine wurde er 1475 Professor der
Beredsamkeit and ging 1484 nach Venedig, wo er Bibliothekar an der
Marcusbibliothek wurde. Er starb dort 1506, 70 Jahre alt. Es giebt
von ihm Briefe, Reden, Gedichte und besonders historische Schriften,
auch Erläuterungen zn lateinischen Schriftistellern. (Jagemann, Bd. 5,
S. 497 ff. Gräfse IV. 752. 863. 889. 1050. 1240.)
') Raphael Regius aus Bergamo lehrte abwechselnd die Rhetorik in
Padna und Tenedig, an welchem letzteren Orte er 1520 in hohem Alter
starb. (GrSTse III. 748. Saxii Onom. 11. 499.) Seinem Freunde Aldus
hielt er ^ Leichenrede. (Morelli, S. 24.) Er war in Padua zur Zeit,
als Erasmas dort war, der über ihn sagt: „Patavii vidi Raphaelem
Regium , hominem admodum natu grandem , sed cruda viro viridisque se-
nectns. Erat tum ut opinor non minus annis septnaginta, et tarnen nulla
fiüt hiems tarn aspera, quin ille mane hora septima adiret Marcum Mu-
surum graece profitentem, qui toto anno vix quatuor intermittebat dies,
quin publice profiteretrur. Juvenes hiemis rigorem ferro non poterant,
illum senem nee pudor nee hiems abigebat ab auditorio.*' Erasmi epist.
ad Jodocum Gaverum.
^) Vielleicht ist der venetianische Patricier Daniel Raineros gemeint,
den Aidus später mehrfach als seinen Gönner und als Freund humani-
stischer StucUen bezeichnet
*) Georgius Vaüa aus Piacenza scheint ein Verwandter des Lauren-
tius Valla gewesen zu sein. Er war ein Polyhistor, legte sich aber am
meisten auf Medicin und Astronomie, die eigentlich noch mehr Astrologie
war. Nachdem er in mehreren Städten, am längsten in Venedig, als
Lehrer gewirkt hatte, starb er am Anfange des sechszehnten Jahrhun-
derts. Bald nach seinem Tode, 1501, wurden seine Werke durch seinen
Sohn Petras Valla bei Aldus zum Drucke befördert. (Jagemann, Bd. 5,
300. 623. Grafs« IV. 710. Saidi Onom. U. 448. 591.)
120
modum litteratus sim. Aide mi humanissime^ possem illud
Juvenalis dictam in hanc rem, de qua loquor, convertere:
hie vivimus ambUiosa paupertate omnes, Sumus litterarum
pauperes et volumus videri omnia scire. Recte igitur Pau-
lus apostolus Corinthios monuit: 17 yväaig (pvauü^ fj di
aydnti ohcoSofieJ. Itaque officium nostrum esset non super-
bire, sed alterum ab altero discere et nos invicem amare
et hominem ignotum ter et quater, priusquam contemnas,
versare. Bononiae XUII. Octobris MCCCCLXXXXU.
VI. vn. viu. IX.
(Renouard, 8. 515 ff. Brief VI. schon früher in GoldasVs epustolanim
philologicamm centoria.)
Aldus Manutius Romanus Domino Gonrado Viro Doctissimo
Ac Poetae Laureato ') Et Amico Suo Honorando !
Bedditae mihi sunt litteiae tuae, Conrade vir doctis-
simo, quae me summopere delectarunt, tum quia istic') in-
cumbi graecis litteris significabant, tum etiam quia tantimi
tibi placent labores nostri; quapropter me tibi plurimum
') Conrad Celles y 1459 — 1508, eigentlich Pickel oder Meifsel ^nach
Erhard Schäfer oder Scheffer), war 1487 in Nürnberg durch Kaiser Fried-
rich den Dritten zum Dichter gekrönt worden, der erste Deutsche, dem
diese Ehre widerfuhr.
*) Seit 1497 war Geltes Lehrer der Dichtkunst und Beredsamkeit
an der Universität Wien, wo er die in Deutschland noch so seltene
Kenntnifs des Griechischen einführte. Er las. unter Anderem über grie-
cische Grammatik und Homer. (Erhard, Geschichte des Wiederaufblühens
wissenschaftlicher Bildung. Bd. 2. S. 87.)
Endlicher erwähnt, dafs auf der kaiserlichen Bibliothek in Wien
noch das Manuscript einer griechischen Grammatik Ton ihm liege, die er
durch Aldus habe drucken lassen wollen. (Renouard, S. 518.)
Schon yor Geltes soll Reuchlin an einer Uniyersität (in Basel 1474
bis 1477) Vorlesungen gehalten haben über griechische Sprache und
Schriftsteller; doch scheint es, dafs desselben eigene Kenntnifs des Grie-
chischen zu jener Zeit noch sehr beschränkt gewesen sei ; denn er sagt,
dafs er dort zuerst das Griechische gelernt habe von Andronikus !^onto-
blakas. (Burekhard de linguae latinae in Germania fatis. I. 14d,)
121
debere fateor teque etiam atque etiam rogo^ ut, quotiens
usu venerit^ utaris me postbac familiariter; invemes enim
semper Aldum tuum paratissimum. Quod scribis esse tibi
graecos libros et latinos non indignos lectti ^) teque ad jeju-
mum ventaram Venetias cum libris^ si ita mihi visum fue-
rit, libenter equidem viderem libros, sed te longe libentius.
Tamen nolim bac solum causa te ad nos Ire; non enim
sumus tanti, ut tu, yir clarissimi, huc te conferas, ut grati-
ficeris nobis. Quod si videndae etiam Italiae desiderio te-
neris, non modo cupio ut venias, sed te etiam id, quantum
possum rogare, rogo. Quae petebas impressa mitterem ad
te introducendorum adolescentum gratia ad graecas litteras,
curavimus ut tibi satisfieret; bibliopola^) enim, cui ad me
dedisti litteras, fort ea istuc venalia, non mea tamen, sed
sua. Praeterea, quia te studiosissimum esse litterarum grae-
carum intelligo, mitto ad te munera, Introductiones quas-
dam utilissimas ad graecam linguam nuper') nostra cura
impressas, ut, si tibi visum fuerit, horteris adulescentulos,
qui eas ad suam utilitatem perlegant ediscantque. Yale
meque ut facis, ama, vir excellentissime. Venetiis III.
Idus Octobris 1498.
') Geltes durchsuchte auf seinen Reisen die Klosterbibliotheken und
brachte yiele Manuscripte zusammen, wobei er sich jedoch nicht blos auf
die Alten beschränkte.
•) Als grofse Buchhändler in Wien werden von 1498 — 1522 die
Bruder Lucas und Leonhard Alantzee erwähnt. (Kirchhofe Geschichte
des deutschen Buchhandels, S. 69. 76 £f.) Leonhard reiste mehrmals auch
nach Venedig, wo sie Verschiedenes drucken liefsen, besonders bei Peter
Liechtenstein (Levilapis). Er kaufte bei dieser Gelegenheit Bücher von
Aldus zum Wiederverkaufe in Deutschland. Von ihm konnte also Geltes
das Gewünschte bekommen, und Aldus war der Kothwendigkeit über-
hoben, jenem zu creditiren, worin er schon schlimme Erfahrungen ge-
macht haben mochte.
') Das Wort nuper scheint, streng genommen, nur auf die instUutio'
nes graecae grammaiices des Mönches Urbanus Bolzanius hinzuweisen, die
1497 erschienen waren; da aber vorher munera und quasdam steht, so
wird man auch an die vorhergegangenen Grammatiken des Lascaris und
Gaza denken müssen.
122
Aldus Manutius R. Corrado Celtae Et Vincentio Longino ')
Suis 8. P. D.
Agitur jam annus^ ex quo a vobis accepi litteras hu-
manitatis et amoris plenas. Erant meae partes statim re-
scribere^ nisi summae occupationes nostrae summique labores
pro republica litteraria eousque procrastinare me coegissent,
ut jam annum distulerim ad vos rescribere; et nisi ex
epistolis vestris vos humanissixuos esse facile coguovissem,
non potuissem sine sununo pudore tarn sero respondere, et
praesertim quod^ cum me de facie non cognoscatis*^) nun-
quamque a me beneficio adfecti sitis, ametis me vehementer.
Quapropter nisi ego vos plurimum redamem^ sim plane in-
gratus. Sed et redamo et colo, atque ita vestrum me esse
yolo^ ut possitis de me vobis omnia constantissime poUiceri.
Tua vero carmina^ ^) Corrade suavissime^ legi libenter^
quod et culta sint et docta nee in media barbarie^ ^) ut ais^
nata prae sae ferant^ sed in media Roma.
. ') Vincentius Longinus aus Freistadt in Schlesien, woher er sich
auch Eleutherius nannte, war ein Schüler und später Amtsgenosse des
Geltes. In Linz wurde er 1501 vom Kaiser Maximilian zum Dichter
gekrönt. (Erhard, Bd. 3. 310.)
^) Richtiger eognoritisj wie Aldus auch bei einer ähnlichen Gelegen-
heit in der Yorrede zum PoUux 1502 sagt: „nominis nostri memineris,
nam faciei non poteris, cum nos de facie non cognorimus." — Celtes,
der 1488 in Italien gewesen war, hatte Aldus nicht kennen gelernt, der
ja überhaupt damals noch keinen berühmten Namen hatte; Vincentius
aber, der sich 1499 und 1500 in Italien aufhielt, schreibt an Geltes in
zwei Briefen, Ende 1499 aus Yenedig und 1500 aus Rom, dafs er den
Aldus Manutius besuclit und ihm Grüfse von jenem überbracht habe.
Es befremdet also, dafs Aldus hier sagt. Beide kennten ihn nicht Yon
Person, (s. Endlichers Anmerkung bei Renouard, S. 517.) Entweder
hatte Aldus bei seinen vielfachen Beschäftigungen jenes Zusammentreffen
mit Yincentius ganz vergessen, oder er wufste nicht, dafs der Longinuff,
an den er jetzt schrieb, der Eleutherius von damals sei, wenn er nicht
ausdracklich darauf aufmerksam gemacht worden war.
') Zwei Sammlungen der Gedi(^te des Geltes wurden 1502 in l^orn-
berg gedruckt.
*) So bescheiden sprachen damals die deutschen Humanisten von
123
Quod pollicitos faeris te huc venturum librosque et
graecos et latinos ^) allatanun, duplioi afäcior gaudio^ quod
et te doctum virum et mihi amicissimum spero videre am-
plectique et libris tarn longo carcere a te^ tamquam ab
Hercule^ liberatis coram gratularL Te igitur^ quantum pos-
sum rogare, rogo ut veniaa*) (benies enim exspectatus)
librosque ipsos feras; hoc enim mihi gratiufi esse nihil
potest.
Tuam item epistolam et epigramma^ ubi me anüce
laudas^ Yincenti carissime^ legimus summa cum delectatione^
non quod talem me esse cognoscam^ qualem tu facis^ sed
quia placet me laudari a laudatis viris. Accepi praeterea
nuper litteras et distichon^ quod Leonhardo bibliopolae ad
me dedisti^ ubi quod me etiam plurimum laudes^ est hu-
manitatis tuae. Joannem Baptistam Mantuanum^) ajunt ex-
cessisse e vita^ sed ita esse necne incertus sum.
Vetus et novum Instrumentum graece, latine et hebraice
nondum impressi^ sed parturia. £t^ ut cum utroque loquar^
istos libros^ quos mitto vobis muneri eig ptvripioövvov et
pignus amoris, accipite sie libenter, ut mittimus. Hi vero
sunt duo Virgilii et duo Horatii^ duo itidem volumina Ru-
dimentonmi grammatices linguae latinae a nobis compositae.
Quos libros si putaveritis istic venditum iri^ non sit grave
scribere; mittam enim quotquot jusseritis. Yalete meque
amate/ ut facitis^ commendateque studiosis et doctis Omni-
bus^ quibuscum vobis istic familiaritas intercedit. Venetiis^
nonis Julii 1501.
ihren Leistungen den Italienern gegenüber. Noch waren die letzteren
aUerdings dem übrigen Europa um Vieles voraus, aber schon hatten sie
besonders an Rudolf Agricola und Reuchlin wahrgenommen, dafs das Volk,
das sie vorzugsweise barhara natio nannten, ihnen nacheifere.
') Hinter latinos hat Goldast: a te nuper inventos,
') Zu dieser Reise des Celtes nach Italien kam es nicht
') Longinus hatte also in Betreff des Mantuanus angefragt Baptista
Mantuanus, ein bekannter lateinischer Dichter jener Zeit, der auch in
Deutschland grofses Ansehen hatte, starb erst 1516 in Mantua, über
80 Jahre alt.
124
Aldus Celti suo Salutem!
Quanta me voluptate affecerint litterae tuae^ doctissime
Celtis^ ^) et ea simul^ quae tuo nomine narravit mihi Gamers
noster/) homo officiosus et summa fide^ longum foret per-
scribere. Ea eidm perscripsisti^ ut studiosissimus quisque
Ulis maxime laetari debeat^ tum et gratulandum tibi sit longa
illa tua") saneque utili peregrinatione^ quod incolumem to
domimi contuleris^ et gaudendum nobis^ quod tuo labore
immodico multa^ quae misere delitescebant^ volumina^) ha-
bituri simus^ quamobrem immortalis tibi habenda est gratia.
Quod porro petebas^ ut exercitamenta juvenum de laudibus
Caesaris^) imprimenda curarem^ id non licuisse mihi a Ca-
merte nostro intelliges. Equidem tam libenter tibi morem
gererem^ quam cuivis alio; sed timendi sunt reges. Non
inmiemor sxun Ovidiani illius: An nescis longas regibus
') Celtia ist der Genitiv, wobei ^?tzn ergänzen ist. (Erhard, Bd. 2.
S. 5.) In der Aufschrift des zweiten Briefes declinirt Aldus Celtes nach
der ersten Declination, hier nach der dritten. Man ging eben mit der
Orthographie und Declination der Eigennamen sehr willkürlich um.
^) Johannes Ricutius Vellinua, 1448 — 1546, genannt Johannes Camers
von seinem Geburtsorte Gamerino, lehrte erst in Padua die Philosophie
und wurde dann zu gleichem Zwecke nachxWien berufen, wo er sich
auch um Herausgabe von Classikem yerdient machte. Er war ein her-
vorragendes Mitglied des Minoritenordens und mochte in Angelegenheiten
desselben bisweilen nach Italien kommen. (Erhard, Bd. 3, S. 299. Gräfse
V. 1209.) Er Uefs 1504 bei Aldus Gedichte des Cimbriacus drucken.
') Ende 1498 durchreiste der reiselustige Geltes den Norden Deutsch-
lands und ging weiter bis Thule, worunter bei ihm wohl Finnland oder
Lappland zu verstehen sein wird. Er brachte mehr als ein Jahr auf
dieser Reise zu.
*) Celtes fand auf seinen Reisen auTser vielen Handschriften alter
Autoren die Werke der Hroswitha, den Ligurinus des Günther und das
Itinerarium ptctum, welches unter dem Namen tabula Peutingeriana be-
kannt ist. Bei Aldus konnte er nur ein Interesse für die ersteren und
für das Itinerarium, wenn er es damals schon besafs, voraussetzen.
*) Ein dramatisch -lyrisches Gedicht des Celtes: laudes et victoria
Divi Maximiliani de Boemannis .... wurde 1504 in Wien aufgeführt und
1505 in Augsburg gedruckt. jBs bezog sich auf einen Sieg Maximilians
über Wladislaus von Böhmen und Ungarn. Aldus wollte es nicht drucken,
um sich nicht möglicherweise zu schaden; denn seine Dedicationen be-
weisen, dafs er auch unter Böhmen und Ungarn Gönner hatte oder suchte,
und mehrere Manuscripte sind ihm nach Erasmus' Angabe aus Ungarn
zugeschickt worden.
125
esse manus? Institutiones graecas et Dictionarium ^) remit-
timas^ qtiia multa impressa jam habentur, quibus erudian-
tor^ qui graecas litteras discere concupiunt. Folioxn tribus
excusum lingois^) mittimus perquam libenter. lUud rogo
te^ humanissime Celtis^ ut librorum graecorum^ quos apud
Druidas^) esse scribis> des ad me nomipa; eures praeterea
accuratissime ut babeas Ultimos illos Fastorum libros^ quam*
quam ita sum videndi ipsorum cupidus, ut adduci non pos-
sim^ ut extare eos credam; nam versiculi Ulis duobus de
mense Julio non habeo fidem. Quare velim^ si quos alios
habes^ ad me mittas. Vale et me^ ut facis^ ama. Yenetiis,
3 Septembris 1501.
Aldus Manutius Celti suo!
Gratulor tibi, mi Conrade, de praefectura ista tua, tum
creandorum vatum auctoritate*) et gratia*) apud Caesaream
majestatem. Quod vero de me scire cupis, cognosces ex
Cuspiniano^) nostro> ad quem scripsi de ea re cumulatissime.
*} Der Codex, welcher die griechische Grammatik des Oeltes ent-
hält, giebt nach Endlichers Anmerkung zu dieser Stelle auTserdem noch :
^Golloquia et conversationes graecae, quas Tulgo apud latinos latinum
idioma dicunt, cum Yocabulario graeco, a C. Gelte apud Drnidas in Her-
cynia Silva inventa/ Das Yocabularium, meint er, stimmt fast überein
mit dem , worüber Fabricius spricht. (Bibl. Lat. lib. I. cap. 8.)
^X Es ist nur dieses eine Blatt erschienen, welches man bei Renouard
abgedruckt sehen kann. Dem spanischen Cardinal Ximenes war es vor-
behalten, zuerst eine Yollständige Polyglotten -Bibel zu veranlassen, die
sogenannte Complutensische Bibel, welche in sechs Bänden 1514 — 1517
erschien.
') Nach der Neigung der damaligen Gelehrten, Alles mit einem
antiken Gewände zu umkleiden, nennt Celtes die deutschen Mönche Drui-
den, die Nonnen vestalische Jungfrauen.
*) 1502 wurde das coUeffium poeticum, Oratorium , maihemattcum an
der Wiener Universität eingerichtet, zu dessen Vorsitzer der Kaiser
Celtes bestimmte. (Erhard, Bd. 2. S. 107.) In der Stiftungsurkunde
ertheilte er ihm das Recht, gleich dem Kaiser selbst jeden, den er für
würdig erachte, zum Dichter zu krönen.
^} Renouard hat gratiam und später alios,
') Johannes Cuspinianus, eigentlich Spiefsh'kmmer, 1477 — 1529, war
kaiserlicher Rath, Arzt, Dichter, Geschichtsschreiber und Humanist. Er
genofs das Vertrauen Maximilians in hohem Grade. Seinem Lehrer und
126
Atque utinam id sit, quod spero; erit enim res stadiosis
Omnibus^ et qiii sunt et qui post aliis eront in annis,
longe utilissima^ ßx qua Oermania alterae Athenae fient
hominibns nostris. Graecnm eruditom^ quem ad te mittam ^),
habeo neminem; tum si quis esset^ non veniret^ ni&i multa
mercede conductuB. Vale et me ama. Venetiis, 3 Junii,
1503.
X.
(Bandiniy collectio yeterom aliquot monnmentonun ad Mstoriam pra«cipae
litterariam pertinentium. Arreti 1752.)
Aldus Manutius Marcello *) suo S. P. D.
Alexander Accaiolus^ homo onlnium humanissimus et
doctrina insignis, quidquid Graece in hunc usque diem im-
Freunde Geltes hat er die Leichenrede gehalten. Mehr mber ihn bei
Erhard, Bd. 3, S. 429 ff.
Aldus hatte ihm yielleicht den Valerius Maximns übersendet, den er
ihm im April 1503 dedicirt hatte. Durch den mitfolgenden Brief , über
dessen Inhalt nur unbestimmte Andeutungen gegeben werden, wollte er
wsüirscheinlich Guspinians EinfluTs bei dem Kaiser für die Academie in
Anspruch nehmen, mit deren festerer Gründung er sich fortwährend be-
schäftigte. (Zu demselben Zwecke wendete er sich ja auch an andere
Vertraute des Kaisers, s. die Vorrede zu Pontanus* Werken 1505.) Aus
den Worten: „ex qua Germania — nostris" schliefse ich, dafs er eine
deutsche Stadt, vielleicht Wien selbst, als den Ort der Academie, wie er
dieselbe sich dachte, vorgeschlagen hat, so wie er später in der Vor-
rede zum Plato 1513 dem Pabste Leo X. Rom vorschlug.
') Es war für die Stelle an der Universität kein Gehalt ausgesetzt,
sondern der betreffende Professor auf die Gollegiengelder der Zuhörer
angewiesen, was nichts Verlockendes hatte. DsSier weigerte sich auch
Werner j ein berühmter Mathematiker und Theologe in Nürnberg, diese
ihm von Geltes angebotene Stelle anzunehmen. „Auf Zuh5rer fax das
Griechische sei nicht zu rechnen. Er habe selbst in Kom bei dem giie-
chisohen Professor immer nur sehr wenige gesehen, und in Deutschland
würde es aus verschiedenen Gründen noch schlimmer sein.^ (s. End-
lichers Anmerkung.)
*) Marcellus Virgilius Adrtanus , 1464 — 1521, ein Lehrer Macchia-
velli's, war florentinischer Staatssecretär. Nach der Aldinischen Ausgabe
gab er 1518 den Text des Dioscorides mit lateinischer üebersetzung
und Anmerkungen heraus, wobei er die Vorarbeiten von Hermolaus Bar-
barus, Rnellius und Egnatius benutzte. Mehr über ihn bei Bändln! in
der Einleitung der obengenannten Coüeetio, p. XVIIL
127
primendum curaviinus^ emit a me tuo nomine. Quapropter^
ml Marcelle ^ nactns occasionem studui ad te aliquid litte-
rarum dare^ qnibus significarem me ob singularem doctri-
nam tuam et bonarum litterarum cognitionem^ qua te non
mediocriter praeditum a pluribus quidem eruditis accepi^
tuum esse ac cupere^ ut me uti velis üamiliariter, si quid
acciderit, in quo mei tibi opera ac Studium opus fuerit.
Folliceor enim me ad omnia^ quae jusseris^ semper paratum.
Sed quoniam^ quos a me tibi Accaiolus emit libros^ mino-
ris venumdari^ quod cum aliis quibusdam mihi communes
erant,') non potuerunt, tum, ut quae verbis poUiceor, re
comprobem: meos solius^) Dioscoridem et Nicandrum cum
conmientariis, item Horas Graecas in Virginis laudem mitto
ad te muneri, quae apud te sint longum fjivt]u6<fvvov ami-
citiae nostrae. Vale et me ama. Venetiis XXXVIII. Oc-
tobris MCCCCXCIX.
') Aldus hat die Kosten seiner Drucke nicht immer allein getragen,
zumal der iheureren griechischen, und die Untei^schrift einiger seiner
Bucher ex Aldi Neacademia scheint nicht blos darauf hinzudeuten, daHs
er den Text mit den Academikern berieth, sondern dafs auch^Einige aus
diesen sich an Ausgabe und Einnahme mitbetheiligten. Dafs er mit
gewissen Personen verbunden war, zeigen auch die Worte a societate
nostra in dem zweiten Briefe an Beuchlin. In der Vorrede zu dem
Origenes von 1503 wird ausdrücklich gesagt, dafs er den Text besorgt
und gedruckt habe, aber nicht der Verleger sei: „Quorum quidem alterius
impensis (Andreae), doctrina et studio alterius (Aldi) nihil hac tempestate
tam nitidum atque elimatum in lucem exif Auch die Hypnerotomachia
1499 druckte Aldus nicht auf seine Kosten, wie die Vorrede dieses Bu-
ches zeigt. Erst seit 1508 wurde der reiche Andreas Asulanus bleiben*
der Mitinhaber des Geschäfts seines Schwiegersohnes, welches er fortaq
wesentlich durch seine Mittel aufrecht erhielt.
*) Die Horae sind im December 1497, Dioscorides und Nicander im
Juli 1499 erschienen, das letzte griechische Buch dieses Jahres. Wenn
Accajolus alle griechischen Bücher des Aldus für Marcellus gekauft hatte,
welche (usque in hunc diem) bis Ende October, dem Datum des Briefes,
erschienen waren, so hat er die Horae und den Dioscorides schon mit-
gekauft, und Aldus schenkt dem MarceUus als Ersatz für den hohen Preis,
ein zweites Exemplar derselben aus seiner Privatbibliothek (meo^ solius).
Oder: Accajolus hat für die übrigen Bücher den Preis bezahlen müssen,
welcher der Miteigenthümer wegen nicht geringer gestellt werden konnte;
die genannten aber, welche sein Eigenthum, d. h. auf seine eigenen Kosten
gedruckt seien, schenkt Aldus.
128
XI. xn.
(Glarorum virorum epistolae ad Joannem Renchlinnm. Tubingae 1514.
Apud Thomam Anselluni.)
Aldus Manutius RomanuB Joanni Reuchlin ^) Phorcensi S.
Amari me abs te plurimum^ mi JoannoB^ jam pridem
novi^ non meo in te ullo officio, sed humanitate tua, quare
nisi te benevolentiarnque tuam plurimi faciam, sim plane
ingratus. Sed et facio plurimi et redamo magnopere. Ex
libris autem, quos petls, mitto Julium PoUucem, Stephanum
de urbibus, Thucydidem, Etymologicum magnum, Pruden-
tium, cbristianum poetam, cum quo et graeca quaedam im-
pressa sunt; Sedulium item cum Juvenco et Aratore, cum
quibus et Homerocentra imprimenda curavi. *) Suidas non
erat apud me, et nuntius tuus dicebat non esse sibi plus
pecuniae, sed rediturum se brevi Venetias et facturum,
quod jusseris. Praeterea impressi sunt ex Graecis hl post
opera Aristotelis, quae a nobis quoque babes: ') Aristophanis
') Johannes Reuchlin aus Pforzheim, 1455—1522, der Oheim Melan-
thons, war einer der thätigsten Beförderer der alten Litteratur in Deutsch-
land, Hauptbegründer des Studiums der hebräischen Sprache und Vor-
arbeiter der Reformation. Zugleich gehörte er im äuTseren Leben zu
den angesehensten Männern seines Vaterlandes. Als er 1482 mit Graf
Eberhard von Würtemberg in Italien war, gräcisirte Hermolaus Barbams
seinen Namen in Capnio oder Gapnion. Entweder lernte er schon da-
mals «durch Picus von Mirandula Aldus kennen, oder 1489, oder erst
1498, wo er vor dem Pabste zur Vertheidigung des Kurfürsten Philipp
von der Pfalz eine feierliche Rede hielt, welche Aldus im September
desselben Jahres druckte. (Sein Leben bei Erhard, Bd. 2, S. 147 — 460.)
') Die übersandten Bücher kosteten zusammen sechs Ducaten, wo-
von 2j Ducaten auf das Etymologicum magnum fallen. Letzteres war
1499 in Venedig erschienen, aber nicht bei Aldus; jedoch führt er es in
seinem zweiten Cataloge 1503 unter den Büchern mit auf, die bei ihm
käuflich zu haben seien, wenn auch Andere sie gedruckt hätten. Diese
Bücher sind aufser dem erwähnten: Simplidus, Ammonius, Apollonius, der
ßoreniinische Homer, Suidas. Den Preis des letzteren stellt er auf
3;^ Ducaten.
') Reuchlin hatte die Neigung und die Mittel, sich eine für jene
Zeit grofse Bibliothek anzulegen. Die fünf Bände des Aristoteles koste-
ten zuerst 11, dann 13 Ducaten.
129
comoediae novem cum commentariis, Epistolae graecae sex
et triginta autorum^ Dioscorides^ Aratus cum Theonis com-
mentariis, una cum Julio Firmico; Siinplicius in praedica-
mentä Aristotelis^ Ammonius in quinque voces^ Qregorii
Nazianzeni circiter octo millia carminum^ ^) Nonnus [qui]
etnnine heroico [paraphrasim scrips^it] in evangelium secun-
dom Joannem^ Apollonius poeta cum commentariis. Impri-
mantur et quasi absoluta sunt Sophoclis tragoediae Septem
cum commentariis^ item Herodotus. De hebraicis non est
impressum quidquam. *) Quod tu componis, placet.*) Perge
ut detur studiosis. Impressi sunt praeterea latine litteris
parvis Virgilius, Horatius, Juvenalis, Persius, Martialis^
Lucanus, CatuUus, Tibullus, Propertiijs, Epistolae familiäres
M. Tullii. Imprimuntur iisdem cbaracteribus Ovidii opera^
Statins, Valerius Maximus. Si ex bis aliquis placuerit,
scribe. Interea vale meque, ut facis, ama. Venetiis
XVIII. Augusti. Anno MDII.
Aldus Eomanus Joanni Reuchlin salutem.
Delectari te plurimum litteris et laboribus nostris,
Gapnion mi suavissime, quantum ipse delecter non facile
scripserim, tum quia principibus placuisse non ultima laus
est, tum etiam quia laus ista, quoniam a te laudato viro
proficiscitur , facit ut me esse aliquem putem. Sed deum
Opt. M. oro, ut diu alter alterius studio delectari possimus
in dies magis, quod non dubito futurum, si, quam^iu pro-
desse hominibus possit vita nostra, uterque vixerimus. Li-
bros omnes, quos volebas, cui jussisti dedimus praeter Non-
num et Gregorium;*) nondum enim exire in publicum pos-
*) Nicht Gedichte, sondeni Verszeilen.
') Ausgenommen das Blatt, von welchem Aldus 1501 an Geltes ein
Exemplar geschickt hatte.
^) Welche Arbeit Reuchlins damit gemeint ist, läfst sich nicht näher
bezeichnen.
*) Der Gregorius erschien mit Ititeinischer üebersetzung 1504. Der
9
130
sunt. Quod vero minoris istic *) nostro8 emere libros queas^
miror; certum est enim non minoris eo vendi illos Venetiis^
[quam] quanti constiterunt tibi^ immo potius pluris. Sed
^uto esse causam^ quoniam mercator') iste^ cum accipiat a
societate nostra^) Yenetiis quam plurimos simul libros et
minoris^ quam Tendiintur singuli, ut^ quemadmodum aequum
est^ et ipse lucrari possit aliquid^ nee tamen solvat: (damus
enim Uli ad tempus) gratis eos fortasse habuisse^) [se]
putat. Yale. Yenetiis XXIIII. Decembris. M. DIL
griechische Text des Nonnas war schon seit 1501 gedruckt, wnrde aber
nicht ausgegeben, weil Aldus die Absicht hatte, noch eine lateinische
Uebersetzung zu besorgen. Da es dazu nicht kommen wollte, gab er
endlich den griechischen Text allein heraus, yielleicht auch noch 1504,
aber jedenfalls erst nach dem Erscheinen des Gregorius, in dessen Vor-
rede er noch die Absicht kund giebt, eine lateinische Uebersetzung des
Nonnus zu liefern.
') Seit 1499 wohnte Reuchlin in Stuttgart, von wo er häufig nach
Tübingen kam, besonders seitdem er 1502 zum Mitgliede des schwäbi-
schen Bundesgerichts erwählt worden war, welches sich alle Vierteljahre
dort yersammelte. Jedoch braucht der Buchhändler, von welchem Aldus
hier spricht, nicht gerade in jenen beiden Städten gesucht zu werden.
Vielleicht ist an Anton Eoburger in Nürnberg, oder Johann Rynmann in
Augsburg, oder an Leonhard Alantzee In Wien zu* denken, welche in
Bücherverkehr mit Italien gestanden haben. Oder dieser mercator war ein
Italiener, welcher mit Aldinen und anderen Werken die deutschen Bü-
chermärkte bezog, zu welchen bes(mders noch Frankfurt a. M., Str&Tsburg
und Köln gehorten. Vielleicht hatte auch Aldus für einige Zeit eine ste-
hende Gommandite in Deutschland eingerichtet, was kein so fernliegender
Gedanke gewesen wäre; denn schon im Anfange der achtziger Jahre des
fün&ehnten Jahrhunderts hatte Justus von Albano aus Venedig Gomman-
diten in Regensburg und Ulm gehabt. (Kirchhoff, S. 146. 149.)
') Aldus scheint hiermit anzudeuten, dafs Mitglieder seiner Academie
oder andere Personen mit ihm zusammen die Kosten zur Herstellung der
Bücher getragen hätten, dafür aber auch die Preise derselben und den
Handel mit ihnen in gemeinsamer Berathung mitregelten. Eine feste
societas hatte Aldus damals nicht; denn erst 1508 wurde Andreas Asu-
lanus sein bleibender Theilnehmer am Geschäfte (s. den Brief an Mar-
cellus Virgilius, Anmerkung 2).
') Der Buchhändler, dem die Bücher in Commission gegeben wor-
den waren, kann doch unmöglich geglaubt haben, dafs sie ihm geschenkt
seien, wie Aldus ihn mit ironischem Ausdruck seiner Besorgnifs glauben
läfst. Wenn er sie billiger verkaufte, als ihr Preis in Venedig war, so
läfst sich dies vielleicht so erklären: des besseren Absatzes wegen liefs
er einen Theil des ihm selbst bewilligten Rabattes seinen Käufern zu
Gute kommen und begnügte sich mit einem kleineren Gewinne. So ver-
darb er allerdings, wie man zu sagen pflegt, den Markt.
131
XIII.
Epistola Henrici Urbani ') ad A. Manutium.
(Sagittarn Historia Gfithaoa com supplementis Tentxelü. p. 43.)
m
Salutis plurimum in Christo Jesu^ Praestantisslme vir.
Quam singolaris sit coenobii nostri erga te observantia, de-
clarant Ubri toi et emuncti et praeclari^ quorum bonam
partom in manibus babemus, reliquam') ardenter et unice
') üeber Henrieus UrhamUf Mutianua RufuSf Spalatinus und den
ganzen Erfurter Humanistenkreis s. Kampgekulte, die Universität Krfiirt.
Trier, 1858—1860.
Urbanus war M5nch in dem Cisterzienserkloster Georgenfhal bei
Erfort. Er glühte für die neuen Studien, wie sein Freund, dessen Brief-
wechsel Yon Tentzel leider nur unvollständig herausgegeben worden ist.
Beide waren eifrig bemüht, trotz ihrer geringen Mittel sich die guten
Bücher der Italiener zu verschaffen, und hier war der gelehrtere Mutian
gewöhnlich der^ welcher beurtheilte, au&pürte und anrieth. — Tentzel,
p. 35. 40. — (Hier werden zwei Buchhändler, Bomberg und Leonard,
erwähnt, die man wohl in Frankfurt, Erfurt oder Gotha zu suchen haben
wird.) — p. 84. 169. — Endlich fand ürban einen Weg direct mit Aldus
zu verkehren, durch ein Handelshaus der Fugger, welche auch in Ve-
nedig eine Niederlassung hatten. „Yivat Urbanus, hnjus autor honesti
commercii^, sagt Mutian. — p. 41. — Auch die Gisterzienser sollten, wie
es scheint, bei diesem Verkehre mithelfen; ich verstehe aber die genauere
Beziehung nicht, die in den Worten Mutians an Urban liegt: „Item fidem
inqnilinorum tuorum implora, ne Venetiis remoramenta nascantur.'^ —
p. 52. — Mutian schrieb einen eigenen Brief und bestellte einige Bü-
cher, aber nur wenige; denn er wollte erst sehen, wie billig sich Aldus
in Bezug auf die Bücher und die aocii Focchariorum in Bezug auf die
Besorgungskosten zeigen würden. — p. 41. — Auch Urban sollte nur
für eine kleine Summe bestellen; er selbst werde eine grofse Summ^
(eentenos) abschicken, wenn die Thore der Erkenntnifs bei Aldus geöff-
net seien, d. h. wenn er auf billige Preise einginge. (So denke ich mii
den Sinn der Worte pcUefacHs foribus notiticte apud Manutium, . . . p. 52.)
Der Brief Mutians soUte von Urban überlesen und dann mit dem von Letz-
terem und Spalatin geschriebenen abgegeben worden. — p. 52. — Diese
Briefe und der beigelegte Zettel, auf welchem die bestellten Bücher ver-
zeichnet waren, wurden von den drei Männern sorgfaltig überlegt und
besprochen. — p. 41. 109. — Auf letzterer Seite hkgi Spalatin an, ob
nicht auch die fragmenta grammatica Aldi bestellt werden mochten.
Wahrscheinlich glaubte er auch nur aus mehreren Hinweisungen auf
dieselben in der lateinischen Grammatik des Aldus, dafs diese gramma-
tischen Fragmente jetzt gedruckt existirten; sie sind aber niemals er-
schienen.
') Hinter reUquam hat Tentzel ut quod^ welche Worte ich als un-
9*
132 .
desideramus Deumque statim ot suppliciter oramus, ut tc,
columen eniditorum, servet et tueatur. Vicinus noster Mu-
tianus Rufas^ ^) Canonicus Gothanus, etiam doctissimorum
judicio litteratissimus et, quod scimus, probus et integer,
ita de te mentionem facit honorificam, ut lumen aevi nostri
te nominare non desinat atque addat certa verae laudis
testimonia. HujuB hortatu te salutamus tibique gratulamur
et item rogamus, ut Henricum Urbanum tuorum aggreges
examini. Adest magister Spalatinus, ^) rarae humanitatis
homo, qui et ipse te salvum esse jubet. Tibi, summe vir,
et Mutiano debemus politiores litteras. Ob id pro salute
vestra merito vota suscipimus et reddimus. AUegamus ad
ie nummos aureos quatuor, pro quibus Focchariis ad nos
dato Etymologicum magnum et Julium PoUucem et, si non
est nimium, opuscula Bessarionis, Xenophontis, Hierociis et
yerständlich weggelassen habe. Sollten sie wirklich in dem Autograph
stehen, das er vor sich hatte, so ist dieses doch nur ein Brouillon, in
welchem Spuren verschiedener Ansätze und Versuche zurückgeblieben
sein können.
') MtUianus Rufus, eigentlich Conrad Muih (Ru/us wurde er Yon
der Farbe seiner Haare benannt), wurde 1471 in dem hessischen Stadt-
chen Homburg geboren. In Deyenter war er Mitschüler des Erasmus.
Nachdem er kurze Zeit Lehrer an der Universität in Erfurt gewesen
war, zog es ihn nach Italien, wo er mit den angesehensten Gelehrten
Bekanntschaft machte. In Bologna wurde er Doctor der Rechte. Nach
Deutschland kehrte er 1502 zurück und war seit 1503 Canonicus in
Gotha, in welcher Stellung er ganz den Wissenschaften lebte und der
Mittelpunkt des Erfurter Humanistenkreises wurde. Sein Ideal war ein
zurückgezogenes, bei mafsigem Einkommen heiteres Gelehrtenleben mit
gelegentlicher Bekämpfung der Sophisten, der Gegner Reuchlins, und
der sonstigen Barbarei der Zeit in wissenschaftlicher Hinsicht Dahin
zielte die Inschrift, die er an seinem Hause hatte anbringen lassen:
Beata tranquillitas. An den epistoUs obscurorum virorum scheint er be-
theiligt gewesen zu sein.
Auch Luthers Freund war er noch bei dessen erstem Auftreten,
dann aber trat er unentschieden und furchtsam zurück, und die neuen
Verhältnisse erfüllten ihn mit Widerwillen. Im Gefolge der Erscheinun-
gen, welche die. Reformation begleiteten, verschlechterten sich seine
äufseren Umstände bis zur formlichen Noth. Er starb 1526.
Bei seiner Richtung war es natürlich, dafs er Melanthon bei Weitem
über Luther stellte.
*) Durch Mutians Empfehlung war Spalatin als Lehrer in das Klo-
ster Georgenthal gekommen.
138
epistoläs Merulae. ') Christas te servassit Ex coenobio
vallis sancti Georgii MDY. ^) XII. Cal. Decembris.
Salve patrone litteranun optimarum. Mandat Mutianus,
cui inihil non debeo, ut me tibi familiariter insinuem. Id
qiü ]|^ossum> quam longo absim? Tantum a te peto^ ut
respondeas et Doctorem Mutianum et me commendatissimos
habeas. Commoramur in regione Thuringiae non procul ab
aeraria Focchariorum officina.' Vale. Ex valle Georgiana
intra Cal. Decembris.^)
XIV.
(Aus der Lebensbeschreibung Mutians in: Melchioris Adami yitae Ger-
manorum Jnreconsultorum; vorher schon von Camerarius bekannt
gemacht.)
Henrico Urbano S. Bernhardi sacerdoti venerando ac magna
doctrina homini Aldus Manutius Romanus S.
Mutianum Rufum propter ipsius doctrinam et humani-
tatem amo vehementer eique debere me fateor, cum quod
de me non desinat bene dicere, tum etiam quia te mihi,
sanctis moribus et doctrina ornatum virum, amicum fecerit
suis laudibus. Quamobrem nisi te et Mutianum et Spalati-
num, admodum quam doctos vires et mei amantissimos, mm
diligam solum, sed plurimum quoque redamem, sim omnium
ingratissimus. Sed et amo vos et veneror agoque vobis
immortales gratias, quod me ad mutuam benevolentiam in-
vitaritis: quam quidem ad rem si tacuissetis, eratis digni
prius rogari. Illud me valde deleotat orari abs te Deum,
') Hieroclis in aureos versus Pythagorae opusculum. Lat per
J. Aurispam. Patavü 1474. 1475. 1495.
Hierocles und Merula waren bei Aldus nicht vorräthig, wohl aber
die vorher bezeichneten Bücher, welche zusammen fünf Ducaten kosteten.
') Tentzel hat die Jahreszahl 1510, wogegen Eampschulte I. 182.
bemerkt, im Autograph stehe 1505. Dafs diese Zahl die richtige Ist,
geht auch aus dem Antwortschreiben des Aldus und seinem Briefe an
Spalatin von 1514 hervor: ,ex quo respondi abhinc octo annos*^
^) Die letzten Zeilen von scUve patrone an scheint Spalatin geschrie-
ben zu haben.
134
ut me in tantis laboribuB pro re litteraria adjuvet. Id quod
rogo te etiam atque etiam ut nunc maxime facias curesque^
ut idem ceteri apud te tut faciant. Molior enim rem maxi-
mam maximo emolumenio faturam studiosis omnibus, et qui
nunc sunt et qui post aliis erunt in annis. Vale. Venet
22. Febr. An. MDVI.
XV.
(Renouard S. 519.)
Paulo Bambasio Bononiensi.
Salvus sis, mi Paule, cum Scipione nostro, socero, et
reliquis quibuscum istic vivis. Scito esse me Bononiae ^)
in domo tua, ubi Hieronymus frater me, ut solet, humanis-
sime hospitatus est. Illud tamen velim aut te hie esse cum
Scipione, aut me istic. Sed dabitur, spero, aliquando ut
diu simul vivamus. Quoniam scripsisti ad me pauciiä ante
diebu8 quod Bononia discederes profecturus Yenetias per
urbem Ravennam, ut mitterem Yergilium ad Archiepiscopum
Salernitanum, quod illum jam remitti ad se cuperet, cum
non esset satis otii, ut aliquid ad te litterarum darem:
scripsi ad Federicum, ut moneret te et Scipionem, ne iretis
Ravenna, tum quia non tutum erat navigare mense Martio,
tum etiam propter triremes Ferrariensium, ne forte in illas
incideretis et caperemini; sed iretis Ferraria potius, quod
esset iter tutissimum, ubi etiam essetis apud me dies ali-
quot idque valde cupere me. Dedi etiam librum ArcMe-
piscopi una cum litteris ad Federicum, sed nee litterae sunt
redditae, nee Über, quod maxime doleo. Cum has scribe-
rem, nondum adieram Archiepiscopum; pudebat enim. Liber
Ferrariae commissus est numulariis quibusdam cognomento
Malchiayellis, ut eum et litteras Bononiam nütterent ad
') Während der Jahre 1^10 und 1511 stand das Geschäft des Aldus
wegen mifslicher Verhältnisse still, und er selbst hatte sich von Venedig
eatferat. Wie er diese Zeit hinbrachte, ist unbekannt.
135
Federicam^ quamobrem rescripsi ad Federicum^ quo curaret
invemendum ommno librum. Ego, culn rediisset ad me
Federicus dixissetque non redditas sibi litteras meas, adii
Malchiavellos rogatnrus eos^ ouinam dedissent librum perfe-
rendum. Bespondenint: nos misimus librum ad Hercalem
cognomento sapientem ; dabimus tibi ad illum litteras super
ea re. Hercules ait nec litteras nec libnnu accepisse. Vi-
des Bon deesse mihi negocium. Forte iUud verius quam
Aeneas dixerim: nos alia ex aliis in fata vocamur. Vale
et me^ ut amas, ama. Bononiae XX. April. MDXL
Aldus Tuus.
Paulo Bambasio Bononiensi utriusque linguae doctiss.
In Venetia.
appsso al ponte di Realto a la potheoa de la Torre ')
in mano di M. Andrea d'AsoIa.
XVI.
(Job. Fried. HeckeUi Manipulus primus epistolarum singulariam ex
avroy^yois. Plame Variscorum MDCXCV.)
Georgio Spalatino/')
' Viro eruditissimo ac integerrimo^
Amico carissimo«
Saxoniam in Atrium Friederici,
Ducis niustrissimi.
Accepi, mi Georgi, litteras Tuas V. Idus Maji MDXIV,
quas Tu XII. Cal. April, ad me dedisti, quibus partim lae-
') Daher kommt vielleicht der Beiname Torresanus oder Torrisanas
des Andreas Asnlanus.
^) Georg Burkhard, Ton seinem Geburtsorte Spalt im Bistbnme
Eichstädt Spalatinus genannt, geboren nm 1482, gestorben 1545, ist als
einer der bedeutendsten unter den Beförderern der Kirchenreformation
bekannt. Frühzeitig befreundet mit Mutian und ürban, in dessen Klo-
ster Georgenthal er einige Zeit Lehrer war, verkehrte er mit dem Hu-
manistenkreise in Erfurt und Gotha, bis er 1508 auf Mutians Empfeh-
lung von Friedrich dem Weisen von Sachsen an den Hof berufen wurde,
136
^«lu Jwiwi. Illud, quod Friedericus, Sacri R.
. UiA ^axoniao lUustrissimus. tanto me amore
1» «K litteris ad me suis, ut scribis, signiücar
^atdk videris me accusaro negligentiae, qui nee
^^ ndui rrincipis litteris unquam rosponderim. Equi-
«,iiie>> ;i Vobis litteras accepisse memini. Tum^ etsi
^Ait^ ocoupatissimus ^ tamen cum opus est, relictis
.^^iM» r«bu8 amiois praesertimque doctissimis summisve
p^;^,j.»cbus Laconice saltem, cum non liceat cumulate, re-
^^tivuv. Quare aut litterae ipsae mihi non sunt redditae,
♦»i... s\ redditae fuerunt, rescripsimus. ütcunque sit, rogo
t.\.^ mi Georgi, tuearis causam meam apud Prinoipem, ut
l'o decet, mequo illi non desinas commondare. Tam cupio
itU gratificariy quam cui maxime. Nomina librorum ad
hunc usque diem excusorum *) cura nostra mittimus ad Vos
una cum bis litteris, facturi longe majora et Principis op-
timi et Tua et Ruf! nostri causa, si jusseritis. Haec scripsi
statim acceptis Tuis litteris, ne, si düferem, obliviscerer
propter labores assiduos ac molostias et provinciae nostrae
et roi familiaris et horum perditorum temporum. Vix cre-
das, Georgi suavissime, quantis in malis versemur miseri, et,
nisi spe aleremur futurae pacis, quoniam ihtlSeg kv ^(ooJaiv,
succumberemus malis, ^) quae alia ex aliis oriuntur. Sed
haec obiter. Confert enim se lingua [eo], quod dicitur, ubi
dens dolet. Valete meque yelim ametis omnes, ut, puto,
facitis. Venetiis V. Iduum Maji. MDXIIII.
Aldus Romanus,
quanti est, Tuns.
um die Erziehung des Kurprinzen zu leiten. Er wurde 1514 Hofcaplan,
geheimer Secretär und Bibliothekar. Da er ein elMger Freund der
Wissenschaften war, bewog er den Kurfürsten, für seine 1502 gegrün-
dete Universität Wittenberg von Aldus Bucher kommen zu lassen. Der
Fürst schrieb sogar selbst an Aldus einen Brief, von welchem dieser
eben meint, daJs er ihn nicht empfangen habe.
') Der dritte Büchorcatalog des Aldus, datirt vom November 1513.
*} Venedig überstand zwar zuletzt den Krieg, dem es durch die
Liffa von Gambray ausgesetzt worden war; aber es wurde ganz erschöpft.
Dabei stockten natürlich alle Geschäfte, und die Stadt Venedig selbst
wurde noch durch einen grofsen Brand verheert. Aldus erlebte den
Frieden nicht mehr, welcher vollständig erst 1517 zu Stande kam.
137
Post scripta. Repetita memoria diligentius inveni nihil
unquam a vobis accepisse ine litterarum^ ex quo respondi
abhinc octo annos Mutiani Rufi^ Henrici Urbani et Tuis si-
mul litteris, quo tempore et ad Principem scripsi. *) Misi
etiam librorum indicem^ qui excusi tunc fuerant^) mea cura.
Id Yolui significare^ ne me accusetis^ sed eum^ cui dedistis
ad me litteras. Non enim illae mihi simt redditae. Ite-
rum vale.
Fucarii vestri non videntur diligentes reddendis litteris,
qui etiam cum istas ad eos misi, ut jussisti in. litteris, re-
cusarunt daturos se eas tabellario, nisi darem pecunias.
Quamobrem curavi ego alia via has litteras ad Yos perfe-
rendas. Ex Venetiis V. Iduum Maji MDXTTTT.
Aldus ut in litteris.
') Wenn Aldns sieh nicht darin irrt, dafs er 1506 an den Kurfür-
sten geschrieben haben will, so empfaU er demselben wahrscheinlich
seinen Verlag und konnte hierzn dnrch Matian veranlafst worden sein,
der doch zugleich mit dem Briefe des ürban und Spalatin ein besonde-
res Schreiben an ihn mitgegeben hatte (s. Brief XIII, Anmerk. I).
') Dies ist der zweite Büchercatalog, yom Juni 1503.
•«?
Anhang.
1515—1597.
Andreas Asulanus. Paulus Manutius. Aldus Mauutius der
Jüngere. Die TorresanL Crato von Crailtheim.
Nach dem Tode des Aldus übernahm Andreas Asulanus
die Sorge für dessen Familie und fahrte mit Hülfe seiner
Söhne die Druckerei fort. Obschon er selbst kein Gelehrter
war^ hielt er doch den Ruhm der Officin aufrecht^ indem
elf gelehrte Editoren aussuchte, unter ihm erschienen von
griechischen Werken zum ersten Male: Pausanias, Strabo,
Aeschylus^ Artemidorus^ Galenus^ der vollständige Xenophon^
Hippocrates^ die Schollen zur Odyssee^ der Arzt Paulus
Aegineta. Die Bücher behielten die Unterschrift: in aedibus
Aldi et Andreas soceri. Als Andreas 1529 gestorben war^
entstanden bei der Auseinandersetzung über das Vermögen
Streitigkeiten zwischen seinen Einderü und denen des Aldus^
in Folge deren das Geschäft über drei Jahre geschlossen
blieb. Endlich einigten sich die Verwandten dahin^ dafs es
unter Leitung des Paulus ManutiuB^) auf gemeinschaftliche
') Sein ältester Brader, Manuzio de Manuzii, wenig bekannt, starb
uayeriieirathet 1568 in Asola. Der zweite, Antonius, wegen irgend einer
Schuld aus Venedig yörbannt, starb 1558 in Bologna, wo ihm Paulus
Manutius eine Druckerei eingerichtet hatte.
139
Rechnung fortgeführt werden solle ^ und so f&hren die Bä-
cher Ton 1533 ab die Unterschrift: in aedibus heredum Aldi
ManuUi et Andreae Asulani soceri. Die Vereinigung dauerte
aber nur einige Jahre ^ und gegen 1538 trennten sich Fre-
dericus und Franciscus Turresanus von ihrem Neffen, doch
kommen hin und wieder auch später noch einzelne Werke
vor, die sie mit Paulus Manutius zusammen herausgegeben
haben.
Paulus Manmiius war den zwölften Juni 1512 geboren.
Den grofsten Theil seiner Jugend verlebte er in Asola und
bildete sich vorzugsweise durch Selbststudium. Er beschäf-
tigte sich fortwährend mit den Alten, besonders den Latei-
nern; ebenso las er die Schriften der neueren Stylisten,
des Bembus, Sadoletus, Bonamicus. In Venedig genofs er
besonders die Belehrung des Egnatius und Bunellus. ') Von
Letzterem rühmt er, dafs er ihm am meisten den Weg zu
ciceronianischer Reinheit des Styls, die er erstrebte, gezeigt
habe. Stets kränklich und mehr zu einem gelehrten Leben,
als zur Geschäftsffihrung geneigt, mufste er doch 1533 die
Druckerei übernehmen, worauf er aus den Bedrängnissen
nicht mehr herauskam. Einerseits machten ihm seine Brü-
der Kummer, die nur von ihm zehrten; andererseits ging
ihm für eine gewinnbringende Führung der Druckerei und
des Buchhandels der Sinn ab, weshalb er viel Kosten und
nioht genug Gewinn hatte. Dazu kam auch die Ungunst der
Zeiten; denn in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahr-
hunderts hatte in Italien der Eifer für das Lesen der Alten
unläugbar gegen firüher schon sehr nachgelassen.^) Profea-
') Den zasanunenhängendsten ümrlTs seines früheren Lebens giebt
er 1553 in dem Briefe an Stephanos Saolius. Pauli Manutü epist lib. I.
3. ed. Krause. Lipsiae, MDCCXX. Ueber Bunellus s. epist. lib. I. 6.
') Ueber diese Verhältnisse ygl. den Brief des Paulus Manutius an
den Juristen und Philosophen Antonius Natta in Mantua. Er hatte yer-
sprochen, ein Buch des Letzteren zu drucken. Da sich dasselbe jedoch
nachträglich umfangreicher er¥ries, als er ausglich geglaubt hatte, so
zeigte er keine rechte Lust mehr dazu Nam quod ais redituram
ad me pecuniam cum fenore libro vendita, videlicet commoni qoadam,
non propria me regula metiris. Nob enim ego, ut alü, qui libros im-
primont, habebo sUitim certos homines, qui eos divendant et longinquas
uo
auren^ die ihm öfters angeboten wurden» z. B» die des £g-
natiiis und des Bonamicus in Padua, konnte er wegen sei-
ner fortwiQurenden Kränklichkeit nioht annehmen, so geeig-
net er durch seine philologischen Leistungen for dieselben
erschien. Indefs wirkte er neben seinen Schriften doch
auch als Lehrer; denn von 1&36 — 1540 hielt er in seinem
Hause vor awolf edlen venetianischtti Jnnglingen Yorlesim-
gen 9 was er seine Academie nannte. Reisen zur Yerglei-
ehung von Handschriften und anderen gelshtten Zwecken,
sowie our Erholung, unterbrachen oft seine BesdiSftigang.
Im Jahre 1558 übernahm er den Druck der Werke, weldie
4ie Äoademia Veneia oder Aoademia deUa Fama^) erschei-
nen liefs. Der Patricier Federigo Badoaro gründete diese
Academie, mit der er hochfliegende PUne verfolgte. Es
schwebte ihm eine Vereinigung von Gelehrten vor Augen,
wie in dem Museum Alexandria's jmter den Ptolemäern.
Alle Wissenschaften sollten in ihr gepflegt und durch Schrii-
ten gefordert werden**) Es fand sich eine greise Anzahl
Mitgliedeiv und viele Schriften wurden im Voraus angekfin-
digt; es erschien aber nur ein Theil derselben (darunter
1558 in 1700 Exemplaren die gesammelten lateinischen
in urbes regionesque dissemment. Yenduntor hie statim a meis ita
parvo pretio, ut lucri guidem minimum, sed mtnimo simul laborCf minima
molestia ßat. Meum igitor librum, inqoies, itidem vendes. De doctrina
libri toi, de elegantia possum ega facile judicare; de yenditione quis
praestat? An nescis libros latinos optinios veteres ita nunc jacere, nt
paene Bordinm in genere. patentor; vix jam Ciceronem q>8um, Oaesarem,
Sallustiam legi, a multis etiam ne legi qoidem planeque contemni?
Epist. Hb. m. 31.
Aus diesem Briefe an Natta erföhrt man auch, dafs die veuetia-
nischen Nobüi, welche die Druckerlaubnifs zu ertheilen hatten, die Ma-
nuscripte oft sehr lange bei sich liegen liefsen, ohne sie zu lesen, so
dafs man Freundschaften und Verwendungen brauchte, um sie bald her-
aus zu bekommen.
') Lunze, de Academia Veneta. Leipzig, 1801. Renouard, S. 267
bis 281. 434 ff. Die Academie liefs auf ihren Büchern die Fama tUs
Sinnbild drucken.
*) Die Academie erliefs 1559 eine Ankündigung: »Summa libronun)
quos in omnibus scientüs ac nobilioribus artibus, variis Unguis con-
scriptos, vel antea nunquam divulgatos. vel utilissimis et pulcherrimis
scholiis correctiombusque illustratos in lucem emittet Academia Veaeta.''
141
Briefe des Paulus Manutius)^ da durch den Bankerott des
Badoaro die Gesellschaft 1561 aufhörte.
Die äufseren Verhältnisse des Paulus Manutius waren
so mifslich geworden, dafs er gern einer Aufforderung ge*
horchte, die durch Pabst Pius IV. an ihn ergangen war.*)
fir wurde nach Rom berufen, um den Druck der Kirchen«
TÜer und der bedeutendsten unter den neueren theologischen
Werken zu leiten. Dafiir sollte er einen jährlichen Gehalt
yon fanfhundert Scudi haben. So siedelte er denn gegen
1561 nach Rom über; doch bestand die Druckerei in Ve*
nedig, von einem geschickten Drucker, Namens Basa, und
von seinem Sohne Aldus Manutius geleitet, auch während
seiner Abwesenheit fort. In Rom fand er nicht seine Rech*
nung. Der zugesicherte Gehalt wurde ihm unregelmäfsig
oder gar nicht bezahlt; dabei war die Arbeit grofs, die
MuTse für seine Studien gering, und seine körperliche
Schwäche nahm zu. Da wurde von einem Freunde aus
Wien in ihm die Hoffnung erregt, durch Kaiser Maximilian IL,
der die Gelehrten liebe, eine Pension zu erhalten, um in
Ruhe den Wissenschaften leben zu können. Dieser Freund
war der Breslauer Arzt und kaiserliche Leibarzt Crato von
Crafftheim,^) welcher neben seiner eigenen Verwendung bei
') Laborabam domesticis incommodis fratrum meoram culpa, nee
spes erat emergendi, nisi nova consilia caperentor. Yocabar a Pontifice
Maximo Epist. lib. IX. 5.
') Paulas Manutius schreibt ihm im Juni 1570 aus Rom: ,0 mi
Crato, mi, inquam, suayissime Crato si hoc per te assequar, ut
ex turbulento negotii genere emersus ad tranquillitatem perveniam et,
quod reliquum viütö contigerit, in optato litterarum portu, interpellatore
nuÜo, yacuus omni cura degam: nulla res erit tanta, quam non et me
tibi debere confitear et libenter tua caussa suscipiam. Istam quidem
virtutem, quae me a molestissimis occupationibus ad suavissimam quie-
tem et aptissima naturae meae studia traduxerit, feram in oculis assidue,
colam animo semper, fortasse etiam futuris gentibus ignotam esse non
sinam." Epist. Appendix. 3.
Crato von Crafftheim hatte gegen 1545 in Padua studirt und viel-
leicht bei seinem damaligen Aufenthalte in Italien den Paulus Manutius
persönlich kennen gelernt. Er schickte demselben auch Recepte ans
Wien zu. Von den Briefen des Paulus Manutius an ihn befinden sich
zwei auf der hiesigen städtischen Rhedigerschen Bibliothek. Sie sind in
der Sammlung von Krause abgedruckt.
142
dem Kaiser auch die des vielgeltenden Baron Richard Strein
auf Schwarzenau ') in Aussicht stellte. Voll der erregten
Hoffnung (die sich nicht erfüllte) verliefs Paulus Manutius
im September 1570 Rom und kehrte nach längerem Aufent-
halte in Mailand nach Venedig zurück. Im Juni 1572^
nachdem er inzwischen von Kaiser Maximilian 11. das schon
früher erwähnte Adelsdiplom erhalten hatte, ging er wieder
nach Rom, um seine Tochter, die er dort in einem Kloster
zurückgelassen hatte, zu ihrer Verheirathung nach Venedig
zu führen. Er kehrte aber nicht mehr dahin zurück; denn
er fand endlich in Rom das, was er so lange ersehnt hatte:
oUum cum dignUate. Auf die Verwendung mehrerer Car-
dinäle erhielt er von Pabst Gregor XTTT. die Zusicherung
eines Jahrgehaltes, ohne daTs Dienstleistungen dafür gefor-
dert wurden.^) Nun konnte er frei seinen Studien leben;
aber es war ihm nicht lange vergönnt. Am sechsten April
1574 starb er in den Armen seines Sohnes Aldus, der zu
ihm gekommen war, in Rom, wo er begraben liegt. Seine
Grabschrift ist einfach:
D. 0, M.
Pauüo Manutio,
Aldi Filio.
Der Verlag des Paulus Manutius ('in aedibus Aldi et
*) Von dieser Verbindung stammt es her, dafs wir in dem Verlage
des Paulas Manutius 1571 angezeigt finden: „De gentibus et familiis
Romanorum, Richardi Streinii Baronis Schwarzenavii.^ Renouard sagt
bei diesem Werke, man merke jetzt deutlich, wie die Officin der Manu-
tius in typographischer und stofflicher Hinsicht anfange zu sinken. In
Bezug auf das erstere wird die Bemerkung richtig sein; was aber den
Stoff des Streinschen Buches betrifft, so ist er des Manutianischen Ver-
lages wohl würdig, da die Geschichte patricischer und plebejischer Ge-
schlechter der Römer behandelt wird. Das Buch war schon früher Ton
Henricus Stephanus gedruckt worden (s. das Leben Streins in der Ge-
schichte östreichischer Gelehrten von Khautz),
*) Er erhielt monatlich 25 Goldscudi. (Renouard, S. 451.)
lieber seine Stellung sagt er selbst: „Stipendium satis per se tenue,
in quo meam facilitatem nonnulli reprehendunt, cum libertate et otio
maximum videtur. Nihil oneris imponitur. Litteris, ut in solitudine,
frui licet, et ut spero licebit. Unum aut alterum Gardinalem bis in
mense tiarve summum vel quia me diligunt, vel quia virtute ezcellunt,
salutare consuevi.^ Episi üb. XII. 10.
143
Andreae soceriy apud Aldi filios, Aldus^ apud Paulum Mü"
nutium, ex Academia Veneta) zeigt über dreimal mehr
Nmnmem^ als der seines Vaters. Den gröfsten Theil bilden
neben seinen eigenen Werken und den Revisionen fräherer
Ausgaben lateinische und italienische Bücher gelehrter Zeitr
genossen^ wie des Muretus^ Sigonius u. A. Unter den la-
teinischen Ausgaben waren einige neu. Griechische Autoren
erschienen weniger bei ihm. Hervorzuheben sind unter
densälben: die Commentatoren zu Aristoteles; der ganze
Aristoteles^ 1551 — 1552; Themistius (ed. princ.) mit Eustra-
tius und anderen Commentatoren über des Aristoteles Nico-
machische Ethik; 1534 und 1536; Aetius Amidenus^ Bd. 1.
1534; Longinus, 1555^ von Manutius selbst besorgt nach
einer Handschrift Bessarions auf der MarcusbiblioÜiek. ^)
Die Wirksamkeit des Aldus Manutius war in die Zeit
des enthusiastischen Wiedererweckens und Geniefsens der
Alten gefallen; die Periode seines Sohnes war die Zeit der
Revisionen, einer schon mehr nüchternen und critischeren
Behandlungsweise. In Bezug auf die eigentlich philolo-
gische Thätigkeit hat Paulus Manutius gröfsere Bedeutung,
als sein Vater. Als Critiker und Stylist wurde er zu den
ersten Gelehrten seiner Zeit gerechnet. Seine Bearbeitung
der ciceronianischen Schriften, die er in einzelnen Stacken
von 1533 an fast alle herausgab und erklärte, wurde eine
Grundlage der späteren Ausgaben und findet noch jetzt
Beachtung. Das Lexicon des Ambrosius Calepinus gab er
mit Verbesserungen imd Zusätzen heraus, auTserdem eine
lateinische üebersetzung von vier philippischen Reden des
Demosthenes. Von geringerer Bedeutung sind seine Noten
zu Virgil und vier Abhandlungen über römische Antiquitä-
ten: de legibus, 1575; de senatu, 1581; de comitiis, 1585;
de civitate Romana, 1585. In Rom besorgte er den Text
und Druck der Kirchenväter und im Auftrage der Väter des
Tridentiner Concils eine neue, verbesserte und von verschie-
') Die ed. princ. von Robortellns, auf einer anderen Handschrift be-
ruhend, war 1554 bei Oporinus in Basel erschienen.
144
denem Anstofsigen gereinigte Ausgabe der Sprfichworter-
Sammlung des Erasmus. Sie erschien 1575 in Florenz bei
den Junta's. Als Stylist wurde er besonders seiner Briefe
wegen gefeiert, deren erste Sammlung er selbst 1558 be-
sorgte. Diese Briefe sind indefs trocken und weit entfernt
von der gefalligen Anmuth, die wir bei seinem Freunde
Muret finden. Sie haben die Worte und Wendungen Gice-
ro's, aber ohne dessen Geist, was von den meisten Schrift-
werken der sogenannten Ciceronianer gilt. Originalität des
Styles findet sich weit mehr bei den geistvollen Neulatei-
nem der früheren Periode, den Politianus, Johannes Picus
Mirandulanus, Erasmus u. A.
Aldus ManuHus, geboren 1547, war der einzige über-
lebende Sohn des Paulus Manutius. Von seinem Vater mit
Sorgfalt erzogen, erregte er zeitig grofse Hof&iungen. ')
Wenn aber sein Name schon 1556 und 1559 auf zwei Bü*
ehern ^) aus dem Verlage seines Vaters steht, so wird m^n
wohl annehmen müssen, dafs hier mehr eine Eitelkeit des
Vaters im Spiele ist, der wahrscheinlich die Hauptsache an
den Büchern gemacht hatte. Es ist genug, dafs er im Alter
von vierzehn Jahren den ersten Entwurf seines Hauptwerkes
erscheinen liefs: „Orthographiae ratio^. Ein dreijähriger
Aufenthalt in Rom bei seinem Vater und die persönliche
Besichtigung der Hulfsmittel und Alterthümer, die er dort
fand, setzten ihn in den Stand, das Werk zu vervollstän-
digen, ^) welches später Dausquqjus (d^Ausqm) und CeUariui
' ) Als er in Begleitung seines Lehrers den Muret in Padua besucht
hatte, schrieb dieser an Paulus Manutius: »Nihil illo puero festiYius,
nihil ingenioslus, nihil amabilius, nihil ardentius in studio virtutis ac
litterarum. Quanta in sermone suavitas, quanta indoles in ipso Tultu ac
motu corporis, ut in summa ingenii celeritate parem modestiam facile
agnoscas. Itaque feres hoc aequo animo: spero enm aliqnando et patre
et ayo majorem et celebriorem futurum. Ne vivam, si non ex animo
loquor.^ Pauli Manutii epist. lib. adopi 36.
^) Eleganze della lingua Toscana e Latina, scielte da Aldo Manutio
1556. Sehr oft bis 1594 verbessert und vermehrt erschienen.
Le Epistole famigliari di Cicerone, tradotte di nuovo e quasi in in-
finiti luoghi corrette da Aldo Manutio. 1559.
') 1566 erschien: Orthographiae ratio ab Aldo Manutio, PaulH filio,
collecta ex libris grammatieis, Etymologia Graeca consnetudine Nummis
145
ihren Forschungen zu Grunde gelegt haben. Während sei-
nes Aufenthaltes in Rom erschien von ihm in Venedig 1563
eine Ausgabe des Sallust. Nach Venedig 1565 zurückge-
kehrt > beschäftigte er sich mit seinen Studien^ ohne durch
die Druckerei sehr abgezogen zu werden^ welche an Domi-
nicus Basa verpachtet war. Zu einer Ausgabe des Vellejus
Paterculus mit Anmerkungen^ 1571, soll er die ihm von
Puteanus iibergebenen Noten desselben wider Wissen und
Willen des Verfassers benutzt haben. Im Jahre 1572
heirathete er die Tochter des wohlhabenden Buchdruckers
Bartholomäus Junta in Venedig. Nach seines Vaters Tode
ging die Aldinische Druckerei in seinen Besitz über; er
scheint sie aber unter der Leitung des Basa gelassen zu
haben und ging damit um, sich ihrer zu entledigen. Wäh-
rend der ganzen Zeit, wo sie sein. Eigenthum war, ist kein
griechisches Buch mehr in ihr gedruckt worden. Ein Cäsar
mit Anmerkungen und eine Epitome Orthographiae erschie-
nen von ihm 1575 in derselben, 1576 dreifsig Abhandlun-
gen über römische Antiquitäten unter dem Titel: „De Quae-
sitis per epistolam libr. ÜI.'' Um diese Zeit wurde er zum
Professor in Venedig ernannt. Sein Censorinus mit Anmer-
kungen, 1581, wird nicht gelobt. ^) Das umfangsreichste
Werk, welches seit dem Bestehen der Of&cin ausgegeben^
worden war, wurde 1583 bei ihm vollendet, nämlich eine
Gesammtausgabe des Cicero, mit Anmerkungen, in zehn
Foliobänden, deren einzelne Bände seit 1578 gedruckt wor-
den waren. 1585 wurde er an des Sigonius Stelle als Pro-
fessor nach Bologna berufen. Wahrscheinlich verkaufte er
schon damals die Druckerei an Nicolas Manassi, der später
veteribns Tabalis aereis Lapidibas amplius M. D. Interpungeadi ratio.
Notarum yeteriun explanatio. Ealeadarium vetus Romanam, e marmore
deseriptum, cum Paulli Manutii, Patris, commentariolo de veteram dierum
ratione et Ealendarii explanatione. Aldi Manutii, Avi, de vitiata Toca-
lium ac diphthongomm prolatione, naQeqyov. — Venetiis, Aldus.
') Renouard bemerkt bei diesem Werke, Aldus schreibe sich hier
das erste Mal in einem lateinischen Buche Manucdus. Wahrscheinlich
that er dies absichtlich, um auch durch die lateinische Form seines Na-
mens an die toscanischen Mannucci zu erinnern , mit denen er seine Fa-
milie verwandt wissen wollte.
10
146
als Eigonthümer genannt wird. In Bologna schrieb er ita-
lienisch das Leben des Cosmus von Medici, ersten Grofs-
herzogs von Toscana, und eine lateinische Erklärang zu der
Epode des Horaz ^»Be&tus ille, qui prooul negotiis'^ In
Bologna blieb er nicht lange; denn schon Anfang 1587
nahm er einen Ruf nach Pisa an^ während er zu derselben
Zeit von Rom aus aufgefordert wurde^ den Lehrstuhl des
1585 gestorbenen Muret einzunehmen. Sein Aufenthalt in
Pisa dauerte nicht zwei Jahre. Während dieser Zeit begeg-
nete es ihm^ dafs er in Lucca 1588 das Lustspiel Philo-
doxios als das Werk eines alten Komikers Lepidus drucken
licfs. (Es war eine Arbeit des als Humanist, Baumeister,
Maler berühmten Leo Baptista Alberti, 1404 — 1480, welche
derselbe einst zum Scherzo verfalst hatte, um seine Freunde
einige Zeit zu täuschen. . Diese Sachlage war längst bekannt
gewesen, aber zu Aldus' Zeit wieder in Vergessenheit ge-
rathen.) Ende 1588 ging Aldus nach Rom, wo ihm die
angebotene Professur offen erhalten worden war, und ver-
öffentlichte dort bis 1590 zwei italienische Abhandlungen
über Cicero und die Villa des Plinius, mehrere lateinische
über antiquarische Gegenstände und die italienisch geschrie-
bene Geschichte des Castruccio Castracane. Seit 1590 wurde
er neben seinem Lehramte Director der Vaticanischen Drucke-
rei, wobei er den Dominions Basa neben sich hatte, welcher
so lange Leiter der Aldinischen Druckerei in Venedig ge-
wesen war. In Rom gab er 1592 zum letzten Male die
Lettere t>olgari heraus, eine Sammlung italieniseher Briefe
angesehener Zeitgenossen, welche von seinem Vater und ihm
schon öfters besorgt worden war. In den letzten fünf
Jahren seines Lebens erscheinen keine bemerkenswerthen
Leistungen mehr von ihm. Er starb in Rom den 28. Oc-
tober 1597. Frau und Kinder waren vor ihm gestorben.
Seine Erben waren die Söhne seiner Schwester, welche einen
Advocaten, Namens Honorius, geheirathet hatte. Sie erhiel-
ten aber nicht viel; denn da Aldus dem Lebensgenüsse mehr
ergeben gewesen war, als sein Grofsvater und Vater, so
muTste der^ gröfsere Theil seines Nachlasses auf Deckung
147
von Schulden verwendet werden. Mit ihm erlosch die di-
recte männliche Linie *) der Manutius^ die sich ein Jahr-
hundert lang durch drei Generationen hindurch als Drucker
und Gelehrte einen ruhmvollen Namen gemacht haben. Die
Nachkommen der Torresani dagegen^ der Söhne des Andreas
Asulanus^ welche sich 1538 von ihren Verwandten getrennt
und eigene Druckereien errichtet hatten, bisweilen für ein-
zelne Unternehmungen auch wieder in Verbindung mit jenen
getreten waren, erscheinen in Venedig noch längere Zeit.
Aufser den angeführten Schriften schrieb Aldus latei-
nisch und italienisch noch mehrere kleinere über Horaz,
Terenz u. s. w. Den meisten Ruf scheint ihm neben den
historischen italienischen Schriften seine Orthographia ver-
schafft zu haben. Seine frühe Jugend hatte glänzend an-
gefangen; aber eine gewisse Unbeständigkeit des Wesens
verhinderte ihn, in gleicher Weise fortzufahren, so dafs er
seinem Vater als Philologe nicht gleich kam. ^) Aber er
hatte in seiner Epigonenzeit doch auch grofse Geltung; sonst
würde man ihn nicht berufen haben, die Stelle des Sigonius
und Muret auszufüllen. Ueber seine Lehrthätigkeit in Rom
berichtet der imzuverlässige Erythräus, er habe keine An-
ziehungskraft gehabt, imd man habe ihn oft in Erwartung
von Zuhörern vor dem leeren Hörsaale auf und ab spazieren
sehen. Wenn die Sache überhaupt wahr ist, so ist daraus
noch nichts mit Sicherheit gegen Aldus zu schliefsen; sondern
man kann auch seine Zeit anklagen und daran denken, dafs
der Eifer für philologische. Studien in ,dem Lande, wo er
erwacht war und über zweihundert Jahre geblüht hatte, da-
mals sich dem Ende zimeigte. Sagte doch der alte Victorius,
er habe in seinem langen Leben (1499 — 1585) die Blütho
und den Verfall der Wissenschaften in Italien gesehen. —
*) Am Anfange eines Briefes an Silvias Antonianus bei Renouard
schreibt er sich: Aldus, religuum Familiae Manudae.
*) Jastns Scaliger nennt ihn ein miserum ingenium; aber die Art,
wie derselbe übermuthig und mit den schroffsten Ausdrucken Gelehrte
beurtheilte, ist keine glänzende Eigenschaft au ihm. Niceron füllt eine
Seite mit den Titeln, die Scaliger austheilte: hochmüthiger Narr, Pedant,
Esel» Vater der Esel o. 8. w. •
10*
148
Im sechsten Bande der handschriftlichen Briefsammlung
des Crato von Crafftheim auf der hiesigen Rhedigerana be-
finden sich folgende vier Briefe des jüngeren Aldus Manu-
tius, welche meines Wissens noch nicht bekannt gemacht
worden sind.
Bd. 6. No. 234.
Aldus Manutius Jo. Gratoni.
Gras Romam proficiscar^ ut patrem videam gravissima
valetudine oppressum. Cui si quid acciderit humanitus,
(de quo, qui ad me scribunt, valde dubitant) mi Crato,
scito me in te amando paternae benevolentiae heredem fore.
Sin, quod Dens velit, confirmatum reperero, efficiam pro-
fecto, velit, nolit, ut domi apud suos sit, nee in ista aetate
peregrinetur. quod tamen in postremis suis litteris facturum
se promiserat. Mi Crato, sie simt humana. Scribam ad te
quidquid evenerit et Divinae voluntati ut me commendem,
operam dabo. Si ad Oratorem Caesareum, qui Komae est,
litteras commendaticias efficaces habere possem, gratissimae
mihi essent. eae autem sint generales. si eas obtinere
poterifi, fac, ut quam primum diligentissime mihi ipsi Ro-
mae reddantur. eas enim ego Oratori tradam si opus fuerit
De Privilegio scribam alias, nam haec in hoc meo discessu
surripui occupationibus. et plura prae lacrymis quoque non
poteram. Mi Crato bene vale et me, ut amas, ama. lY.
non. octobr. MDIiXXmi. »)
Imaginem Caesaris auream, nisi grave esset« po-
scerem. tu si eam habere poteris (nam istic fiunt)
quaeso ad me cum tuis mittas. persolvam quan-
tum a te expensum erit. Credo pendere circiter
3. scutatos.
Praestantissiino Viro Joanni Cratoui
a Crafftheim, MAXIMILIANl II Medico
iatimo.
Cito. In aula Caesarea,
') Ein Sihreibfehler des Aldus für MDLXXIII.
149
No. 235.
Manutius Gratoni S.
Ego taas, tu meas exspectabas. Reversus in patriam
tres tuas reperi. Quibus brevissime respondere cogor. id
adversa valetudo facit^ quae me Romae ita iacentem detinuit,
idx ut lectica in patriam delatus sim. Hexasticon legi et
amo amorem tuum, antea quidem satis mihi perspectum et
cognitum, nunc vero omni ex parte in tuis Utteris expres-
sum. Pater obiit IIX. id. Apr. natus pr. id. Jun. MDXUL ')
hora quinta decima^ si quartam horae partem addas, seu
quarta decima, et adde tres quartas partes. Practica Trin-
cavellae si reperietur curabo, ut eam quamprimum habeas.
De Privilegio scribam commodius. Quomodo valeam et
animo et corpore potes existimare tarn gravi vulnere per-
culsus. Scripta sua edentur. et persolvam quod jam diu a
nobis promissum est, quodque ejus absentia usque huc
prorogavit. Mi Grato, tuum me esse scito et ita tuum, ut
in te uno tantum ponam, quantum in conjunctissimi et
amicissimi hominis amicitia reponendum est. Yale et vale-
tudini parce. quae cum aliquantulum tamen melius se ha-
beat, itineris tamen difficultates et incommoda fadant, ut
per aliquot dies ei magis inservire velim, quam facerem si
stetissem. Venetiis nunc est Henricus Bex. quod ex aliis
iam scis. Mitto Mureti orationem in .funere Garoli IX.
IX. Kai. Sext. MDLXXIV.
Petrus Rosinius, qui, cum haec scriberem, aderat,
tibi 6. d. A. Rege Suetiae ad Pont, juittitur,
Praestantissimo Yiro Joanni Cratoiü
a Crafftheim, MAXIMILIANI II Medice
intimo.
In aula Gaes.
') Vorher steht, aasgestrichen, MDXII. Die ausgestrichene Zahl ist
die richtige, wie Paulus Manutius selbst bezeugt, der am Ende eines
Briefes an Paccius schreibt: Venetiis, MDXXXIII, pridie id. Jun. qui
mihi primus dies est anni XXI. Epist. lib. IV. 50.
Die folgende genaue Angabe der Todesstunde ist wahrscheinlich
durch die astrologischen Grillen der Zeit henrorgerufen.
150
No. 23G.
Manutius Cratoni.
Mi Grato^ Animo si unquam antea, hoc certo tempore
imbecillo haec scribo. et tu ita scribentem exousabis. tot
enim animi pertarbationibus opprimor, tot me negotia oir-
cumstant^ ut interdum fere obruar. Yerom omnea meae
cogitationes eo tendunt^ ut relictis omnibus, quae mokstiam
mihi exhibenty iucundiorem vitam yivam. id quod prope-
diem futurum spero. iam enim huiusce vitae fimdamenta
jacta sunt a me. Haec sunt in caussa cur ad te tanto
spatio litteras non dederim. Scribo nunc, et tuum me esse
confiteor, qui tantum tuae humanitati debeam. Quid de-
beam solo, nee quid caussae obstitisse suspicere quod meam
voluntatem remorari possit. ita tulit typographiae ratio, quae
nunc praestari a me patietur, quod promisi, id quod erit
minimo temporis spatio. Tu interim quae ad te mitto lege,
quae Underholzle dedi nescio^ an cum his litteris mittet^
an discunctim.
Curari nunc demum a te vellem et quam citissime Pri-
vilegium Caesareum, quam fieri potest amplum. et quod in
expends necessariis erogabitur^ hie Underholzle a me ac-
eipiet. Mi Grato^ in hoc diligentiam excito. Sed quid ego!
quasi dubitandum mihi sit^ te non onmia facturum mea
caussa. Quaeso hie tibi curae sit. hoc enim tempore valde
ad rem meam accommodatum erii Generale sit quam fieri
potest.
Tuas exspectabo, quae me recreent. et in posterum fa-
ciam, ne meas tam diu desideres. Bene Vale. Venetiis.
Kai. Oct. MDLXXV.
Praestantissimo Viro Joanni Cratoni
a Crafftheim, MAXIMILIANl II Cons. et
Medico intimo.
In aula Caesarea.
151
No. 237.
Cratoni Compatri S.
IV. id. Febr. auctus filiola sum, cui Xu. Kai. Mart.
nomen inditum est PauUina^ a patre meo nomine accepto.
sacris praefuit tue nomine Julius Ballinus et vicem tuam
praeclare egit. nee potuit adhuc respondere, quod faciet
proxima hebdomada. Mater et puella recte valent. Non
potui tunc amicorum confluentium multitudine ad te scribere.
ideo ad Underholzerum misi^ qui nomen pueUae nunciaret,
ut ad te scribens id tibi significaret. credo id eum praosti-
tisse. Nunc solutus aliquantisper curis scribo et tibi gra-
tulor gratiasque ago, quod me hoc testimonio omare volue-
ris: et ad amicitiam nostram hoc addideris: quod quantum
sit; cum cogito^ non possum non tibi summopere me debere
fateri. De Caesaris imagine valde te amo. erit ea mihi
amoris tui perpetua comes. De Prlvilegio scripsi ad te an-
tea. Est Yenetiis Joannes Gavatius amicus mens, is a De-
siderio Labbe J. C. qui vivit in aula Caes. decem scutatos
optimo jure repetit. ad eum scribit. totum quid sit ex De-
siderii duabus litteris, quas ad te mitto^ et ex una Joannis
ad Desiderium perspicere poteris. quas scribit Joannes aper-
tas mihi tradidit. poteris obsignare. pergratum mihi feceris^
si hanc summam ä Desiderio persolvendam aliqua via ad
me miseris. id Joannes a me summopere petiit: et ego amico
meo gratificari cupio in re praesertim honesta. Exspectabo
litteras tuas, ut acta referre possim. Tu Desiderii litteras
ad me remittes et bene valebis. Venetiis. die S. Matthiae.
MDLXXVI.
Compater
Aldus Manutius.
Gedruckt bei A. W. Schade In Berlin, Stallschreiberttrftfse 47.
>
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