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Full text of "Alemannia: Zeitschrift für Sprache, Litteratur und Volkskunde des Elsasses ..."

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ISiiüti 



Inhalt 



Seite 

Elsafz 
Aas Hebels Briefwechsel mit den Strafzburger Frennden 

Gcor^r Länjrin 69—79 

Elsäfzlsch: Sprachliches, Weisheit aas Geiler von Kaisers- 
berg, Soldatenpredigten aas der Reichsveste Kehl 

Antou IJiilinger 168—182 

Volkstümliches aas dem Elsafz August Stoeber 229—261 

Rechtsrheinisches Land 



Asketische Traktate aas Aagsbarg Anton Birliueer... 
Der ffeistliche Tofirelffesans Wilhelm Crocelius 



193—211 
geistliche Vogelgesang Wilhelm Crocelius'. 219—229 

Sebastian Franck von Donaawerd III Der Artist in Ingol- 
stadt Franz Weinkauff 1—66 

Beiträge zar Geschichte des Hamanismns in Schwaben and 
Elsafz und des Erwachens der klassischen Stadien im 
15. und 16. Jarhundert Wilhelm Crccelius 184—189 

Alachmannen oder Allemannen? Johannes Meyer 261—288 

Die Hohenzollerischen Orts-, Flnr- und Waldnamen Anton 

liirlin^rer 91—94 

Zar Wortforschung Derselbe Richard Bück... 86—91 189—192 

Zur Alemannia Anton Birlinger 94—96 

Jesua Ulshelmers Reisen nach Guinea und Beschreibung des 

Landes Wilhelm Crocelius 97—120 

Volkstümliches Aberglauben Sagen Rechtsalterttimliehes 
Karl Doli Joh. Üaptist iSchöttle Anton Bir- 

MufTitT 80—86 137—158 

Sehwabenneckereien IV Karl Doli 67—69 

Dichtungen von M. Kurrer. Aus dem Lateinischen Der- 
selbe 120—136 

Eine Mannheimer Theaterhandschrift des Götz von Ber- 

lichiujcen Gu:> tav Wen dt 182—184 

Zu Schillers Wallenstein Anton Birlinger 211-219 



Daß Pranck des Lateinischen vollständig mächtig war, wenn 
wir auch keine Reden und Verse von im besizen, bedarf keines 
Beweises. Die von im aufgestellton Parcidoxa^ sowie die Sprichwort 
ter treten zuerst lateinisch, dann deutsch auf. Von seinen lateini- 
schetp Briefen ist nur der an Campanus nachweisbar. 

Zugestehen kann man, daß Franck nicht eu den Humanisten 
im engeren Sinne der Partei gerechnet werden darf. 

Denn diso rückten die philologische Lesung und Erklärung 
der ^jheidnischen^^ Schriftsteller in den Vordergrund und stellten 
neben den lezten Endzweck, nemlich die Anregung und Förderung 
sowol des wissenschaftlichen Sinnes als des sittlichen Lebenswan- 
dels, als höchste Aufgabe und Krone der humanistischen Studien 
hin, daß die Schüler mit Verachtung irer yfiarharischen^^ Mutter- 
spräche ire Gedanken und Geföle in wol durchdachtem Giceroni- 
schem Periodenbau und in gewälter Latinität des goldenen und 
silbernen Zeitalters darstellten oder eigene poetische Versuche^ in 
antiken Versmaßen wagten und den klassischen Vorbildern nach- 
eiferten, wozu sich ein reichlicher Stof bot im Lob und Leben 
der Freunde und hohen Gönner, zumal der Fürsten (Gratnlazionen, 
Kondolenzen, Panegyriken etc. etc.), in der Verherrlichung der Vater- 
stadt oder des Wonortes, in der Zeichnung des eigenen Lebens- 
ganges, in der Schilderung mannigfacher Liebesabenteuer, in epi- 
grammatischen Verhönungen der Widersacher und Misgünstigen, 
in patriotischen Vorgängen und religiösen Ueberliferungen oder 
kirchlichen Festen. 

Daß Franck aber nicht bloß von dem Geiste des Altertums 
berürt war, sondern auch üniversUätsvorlesungen gehört, dafür 
gibt es einen urkundlichen Beleg, den ich der Güte meines Freun- 
des Prof. Dr. Attgust Klucklwhn in München verdanke. 

Daß Franck vor seinen theologischen Studien im Heidelberger 
DominikanerkoUeg (darüber im Abschnit IV) sich die allgemeine 
humanistische Vorbildung „in artibus^*^ auf einer Universität er- 
worben, hielt ich längst für warscheinlich. Seinen Namen konnte 
ich jedoch in den Matrikeln von Köln, von Tübingen, von Frei- 
bürg im Breisgau^ von Basel für die Jare 1515 — 25 nicht auf- 
finden. 



1) Die £oZn^ Matrikel wie die Tübinger habe ich selbst, diel^et- 
burger hat mein Freund, der Oberbibliothekar Dr. Julius Steup, nach- 

g eschen. In Basel ist, wie ich der gütigen Mitteilung des Prof. Dr. E. 
[autzsch entneme, weder in der aügenieinen Matrikel der Universität 
von Anfang an (die noch vorhandene theologische Matrikel beginnt erst 
mit dem Jare 1597) noch in den FaktUtätscäcten in den Jaren 1515 — 25 
der Name Franck zu finden. Daß Franck, wie Wald p. 9 aus einem Brief 
Melanchtbons schloß, gar in Wittenberg studirt habe, ist grundlos. 
Denn der Brief Melanchtbons, der einen Philologen Sebastianus Francus 
(villeicht nur „aus Franken") empfilt, föllt ins Jar — 1544, also nach 
unsers Seb. Franck Tod. 



deutsch: Bayersche Chronik) erschin zu Äventins Leheeiten nur ein 
^^Kureer Auszug'', Nürnb. Fr. Peypus 1522 (Aventin f 9« Jan. 1534). 

Aach Franck hat nur Doch eine Schrift Äventins erlebt: 

Chronica Von yrsprung, herkomen vnd thaten der vhralten 
Teutschen etc. durch Johannem Auentinum fleissig zusameDbracht, 
und yetzt erstmals durch Casparum Bruschium in truck verferti- 
get. Nürnb. Job. Petrejus 1541 4^. 

Auf eine frühere Anfrage in Betref Francks erhielt ich aus 
München zur Antwort, daß man auf der Universit&t, welche die 
vollständigen Matrikelbücher beware, zwischen den Jaren 1515 — 25 
unter den Ingolstädtern vergebens nach Seb. Franck gesucht; da- 
gegen heiße es 1519 Oktober: Job. Turmair ex Abinsperg. 

Auf neuliches widerholtes Ansuchen erhielt ich (am 1. Dez. 
1878) zur Antwort: 

Die älteren Matrikeln der Universität Ingolstadt ligen nur 
in einer im 16. Jahrhundert gefertigten Abschrift vor. Darin findet 
sich unter dem Rektorat^) des Artisten Thofnas Eamlspack 1614: — 
15 eingezeichnet: J26. Märe 1515 Sehastianus Frannck de Wer- 
dea 1 gr. (die Nobiles zalten 6 gr.). Also ein Tag nach Annun- 
ciatio Mariae (25. März). 

Daraus ergibt sich, daß Franck schon vor dem Heidelberger 
Klosterstudium in direkte Berürung mit dem Humanismus kam, 
der gerade damals durch Männer wie Locher (1497 poeta laurea- 
tus), Aventinus, Joh. Eck, ürban Rhegius (poeta laur. 1518), 
Böschenstein f Joh. Agricola (Ammonius oder Peurle, Prof. des 
Griechischen 1515), Matthias Kr et z u. A. in Ingolstadt seine höchste 
' Blüte hatte. In diser Glanzperiode der klassischen und der he- 
bräischen Philologie suchte Aventin durch seinen Einfluß als 
Priuzenerzieher die geiertesten Männer Deutschlands an die Uni- 
versität zu bringen; in seinem Auftrage hatte (freilich vergeblich) 
U. Rhegius den Erasmus mit hohem Gehalte dorthin eingeladen, 
hatte Herzog Wilhelm im Jare 1520 EeucJdin dort die Professur 
der griechischen und hebräischen Sprache übertragen. Reuchlin 
wonte in Joh. Ecks Hause (Geiger S. 462). 

Im Abschnit IV werden wir darstellen, wie Francks wei- 
tere Entwicklung unter dem nachweisbaren Einfluß Wimphelings 
und seiner Schule (oder Gesinnungsgenossen), sowie Meuchlins 
und endlich des Erasmus stand, aus dessen Werken er lebenslang 
lernte und schepfte. Ein getreues, gerechtes und verständliches 
Lebensbild eines Mannes läßt sich nur entwerfen, indem sich das- 
selbe auf dem in kurzen Umrissen angedeuteten Hintergrunde sei- 
ner Zeit abzeichnet. Man muß wissen, in welcher Umgebung , in 
welcher geistigen Atmosphäre er sich bewegt, an welchen wissen- 



1) Vom Jare 1507 — 1515 einschließlich war die Amtsdauer des 
Rectors und der Dekane ganzjärig ausnamsweise, sonst halbjärig für 
den Winter vom 18. Oktober, ftir den Sommer vom 24. April. 



Den Doktoren der drei höhern Fakultäten standen die Ma' 
ffister der Artistenfakultät, die Meister der freien Känste, gegen- 
über. Alles wissenschaftliche Treiben beschränkte sich auf die 
Interpretation der y^auctorUates^'' : die Theologen hatten den Xom- 
bardus und die Bibel, die Juristen das Corpus iuris canonici 
und civilis (die Pandekten waren noch unbekannt), die Mediziner 
den Avicenna, Tpocras und Galienus^ die Artisten den Aristoteles^ 
PorphyriuSy Alexander und Priscianus. 

Die deutschen Universitäten waren im Ursprung wesentlich 
kirchliche Anstalten, exempt von weltlicher Gerichtsbarkeit, begabt 
mit allen Vorrechten des Klerus, daher Lerende wie Lernende 
clerici genannt wurden; die Gehälter der Professoren^ welche iCZß^ 
riker sein musten, waren außer geringen Besoldungen der Fürsten, 
den etwaigen Honorarien (pastus) der Studenten und den Emo- 
lumenten der Promojsicnen anfangs meist auf kirchliche Probenden 
gegründet; der ganze Unterricht stand im Dienste und unter der 
Aufsicht der Hierarchie. Die Theologie marschirte an der Spize 
der Fakultäten 1). 

So stand es auf den ältesten Universitäten: Prag 1348, 
Wien 1365 (1384), Heidelberg 1386, Köln 1388, Erfurt 1392, 
Würjsburg 1403—16, Leipzig 1409, Rostock 1419. 

Nur ser allraälich und anfangs unmerklich kam ein neuer 
frischer und freierer Geist in die deutschen Hochschulen. 

Die Reformpläne der beiden großen schweizerischen Konzih'en 
(Konstanz 1414 — 18, Basel 1431—46) wie der Unionsversuch mit 
der griechischen Kirche (Konzil zu Ferrara und Florenz 1439) 
waren mislungen: Gerson^ der Kanzler der Universität Paris, starb 
(12. Juli 1429) als Lerer einer Kleinkinderschule im St. Pauls- 
kloster, einer Vorstadt Lyons ; Gregor von Heimburg^ nicht bloß 
„als Syndicus in Nürnberg durch die trefflichste juristische Rheto- 
rik in deutscher Sprache'^ (Prantl 17) berümt, sondern auch 
durch seine Studien in Würzburg als humanistisch gebildeter 
Wortfürer der deutschen Nation gegen die Anmaßungen der römi- 
schen Kurie, er starb in der Verbannung (zu Dresden, August 
1472). Aber seit und mit disen Konzilien hatte der Humanismus 
seine Wanderung nach Deutschland angetreten und jener Enea 
Silvio (Piccolomini , als Papst 1458 Pius II), der die ruhige und 
gesezliche Reform der Kirche an Haupt und Glidern zu vereiteln 
wüste durch italienische Schlauheit^), ist gerade in Deutschland 



1) Kant, der Streit der Fakultäten 1798. In dem Vorwort die 
Zensur- und kulturhistorisch wichtipfe Vorhaltung WÖÜners (Schöpfer 
des Beligionsedikts 1788) und Kants Verantwortung 1794. 

2) Franck Kronik Bl. 811b: Diser „Walch, in der kunst des 
zierredens, poeterey vnn andern künsten hochgelert'^ „Frumm weil 
(so lange) er Eneas Silvius hieß, wirt er vmbkeret im bapstumb, würt 
aus eim Poeten ein Tirann", der Teutschen, durch die er erhöoht ward, 



8 

[1520], durch die Buchdruckerpresse mit reißender Geschwindig- 
keit überallhin verbreitet, die ganze deutsche Nazion vom Nord- 
und Ostseestrande bis in die fernsten Gegenden Tirols und Steier- 
marks zu jubelndem Enthusiasmus erregte, er hörte noch, wie in 
Worms [1521] der Reformator kün sein Beginnen rechtfertigte vor 
Kaiser und Reich'^ 

In dise Periode fallt die Gründung neuer Universitäten : 
GreifswcUd 1456, Fretburg im Breisgau 1457, Basel 1460, Ofen 
1465, Trier und Ingolstadt 1472, Mainz und Tübingen 1477, 
Wittenberg 1502, Frankfurt a. 0. 1506. 

Der klerikale Charakter der Universitäten wurde bald alterirt 
durch die Mediziner und Humanisten, 

Die Arzneikunde wurde in Paris wie sonst von Geistlichen 
gelert; erst 1452 hob der Kardinal von Touteville das Statut auf, 
wornach die Baccalaureen der Medizin unverheiratet sein musten 
(Hautz I 445). Auch in Heidelberg war auf Drängen des Kur- 
. fürsten Phüipp L (1476—1508) durch eine päpstliche Bulle 1482 
gestattet worden, daß auch Laien und sogar verheiratete als. or- 
dentliche Professoren der Medizin angestellt werden konnten 
(Hautz I 340 fg.). 

Die Artisten wie die Schul-Rektoren^ „die Meister der freien 
Künste'^ waren im 15. Jarhundert zu einem großen Teile Welt- 
liche, Laicfi, seitdem die fratres communis vitae (Gerhardiner nach 
Geirt Groot, Gerardus Magnus, 1340 — 84 Vorsteher des ersten 
Bruderhauses in Deventer; Hieronymianer oder Gregorianer; 
Gollatien-Brüder (collatio religiöse Versammlung), gute Brüder oder 
Brüder vom guten Willen; auch Cucullati = Kappenherrn, Gugel- 
oder Kogelherrn), one Gelübde und kirchliche Weihen, also one 
priesterlichen CJiarakterj daher vilfach von den Bettelmönchen an- 
gefeindet) sich dem Schulunterrichte gewidmet und dabei sich 
verheiraten konnten. Nach Deventers Vorbild gab es bald solche 
Schtdbrüderschaften nicht bloß in Zwolle, Utrecht und fast allen 
bedeutenderen Städten der Niderlande und Westfalens, besonders 
Münster in W., sondern auch in den Rbeinlanden bis nach Schwaben 
hinauf, in Norddeutschland bis Rostock^ in Mitteldeutschland bis 
Merseburg. Dise Brüder waren eifrige Pfleger und Förderer der 
Mystik wie des Humanismus, der Muttersprache, in welcher die 
Bibel gelesen und das Gebet gesprochen wurde, wie der Lektüre 
der Kirchenväter und der heidnischen Moralisten, welche als Unter- 
richtsstof benuzt wurden. 

Aus disen Schulen stammten die ersten humanistischen Ver- 
treter und Lerer, ein Graf Moriz von Spiegelberg, Ludwig Bringen- 
berg (in Schlettstadt), Rudolf Agricola (in Heidelberg), Alexander 
Hegius (in Deventer), Rudolf Lange (in Münster), Hermann von 
dem Busche (in Köln), Desiderius Erasmus von Rotterdam. 

In gleicher Abneigung gegen den Klerus unterließen die Hu' 
manisten an den Universitäten seit Mitte des 15. Jarhunderts auch 



10 

rum dapes (Praef. in panegyricum Lipsiensis theologi sermonetn 
1514, in Versen vgl. Buhkopf Schulwesen S. 247). So hatte be- 
kanntlich schon Hieronymus behauptet: Daemonun cibus est car- 
mina poetarum, secularis scientia, rhetoricorum pompa verborum 
und das Lesen der „Codices seculares*' (= antike Litteratur), als 
eine Art Gottesleugnnng gebrandmarkt: Quid facit cum Psalterio 
Horatius, cum Evangelio Maro, cum Apostolo Cicero? simul bi- 
bere non debemns calicem Christi et oalicem daemoniorum. 

Ein Franke, der erste deutsche ^^poeta *laureattts^^ 

Seitdem der ehemalige Florentiner Bibliothekar Tammaso 
ParentuceUi als Nicolaus V (1447 — 55) den päpstlichen Tron be- 
fitigen, hatte der Humanismus einen gewaltigen und gewichtigen 
Gönner: an seinem Hofe fanden die griechischen Flüchtlinge seit 
Eonstantinopels Fall 1453 Zuflucht, Ere, Honorar und Beschäfti- 
gung. Die griechischen Litteraturschäze wurden durch Vorträge 
und Unterricht bekannt, durch lateinische üeberseeungen allen Ge- 
bildeten zugänglich. 

Noch verbreitete der Humanismus seine Stralen nur ser spar- 
sam nach Deutschland. 

Seltsam genug, daß ein Italiener in Deutschland als Verfech- 
ter und Apostel der ^^alten Dichter und Redner^^ auftrit und für 
die antike Welt Propaganda macht. Fnea Silvio de* Piccolomini aus 
Siena, seit 1462 Sekretär der Reichskanzlei in Wien, von 1458 — 
64 Papst Pius H. 

Noch verachtete Italien „die nordischen Barbaren", die „sau- 
fenden und stinkenden Deutschen" : da brachten im zwei Deutsche 
die erste Druckerpresse, Konrad Schweinheim und Arnold Pannartz, 
die in Subiaco schon 1465 und zu Bom 1467 druckten. Der Buch- 
druck der sich von vornherein als eine publizistische Waffe ^) die 



1) In dem Streit um den Mainzer Bisohofstul zwischen Diether 
wm Isetiburg und Adolf von Nassau, an dessen Hof zu Eltville Chttten- 
herg 1464 lebte. — Die ersten Druckorte: 

1450 Mainz, Erfindangf und erste Drucke 1451 — 57. 

1461 Bamberg. Albrecht Pfister, erster Buchdrucker außerhalb 
Mainz (und Eltville). 

1465 hei Rom im Monasterium Sublacense; 1467 in Rom selbst. 

1466 Köln, die dritte deutsche Stadt nach Mainz und Bamberg. 
Üdalricus ZeU von Hanau (aus Schöffers Offizin). 

1468 Augsburg. Günther Zainer von Beutlingen etc. 

1469 Strassburg. 

1469 Venedig. Joh. de Spira (Speyer). 

1469 Mailand, 

1470 Nürnberg. 

Vgl. Chr. Friedr. Harless, die Litteratur der ersten 100 Jahre 
nach der Erfind, der Typographie. Leipzig 1840. 



12 

Aldus Manutius und den Redner and Geschieb taforscher Marcos 
Antonius Sabellicua kennen gelernt. 

Heimgekert ist Celtis in rastloser Wanderlust der fleißigste 
Sämann humanistisches Geistes in allen Orten und (regenden 
Deutschlands gewesen; er ist der Gründer der Gelertenvereinej der 
die zerstreuten Förderer und Freunde des Humanismus in einen 
fruchtbaren Verker bracbte; durch in kam nicht bloß die Rheto- 
rik Ciceros und neben Terene die Poesie des Horcus und die Nach- 
bildung seiner Metra in Aufschwung, sondern auch die den Do- 
minikanern so verhaßte Philosophie Piatos \ von im wurden über- 
all in den Klöstern Handschriften aufgespürt. ' Zum Unterschid 
von den übrigen deutschen Humanisten bat er auch um Land und 
Leute zu verstehen in Böhmen und Polen die Landessprache er- 
lernt, wie auch von Agricola als Unicum dastet, daß er eine fra/n" 
Bösische Schrift in's Latein übersezte: den Brief des Arnauld de 
Lalaing über die Zusammenkunft des deutschen Kaisers Friedrich III 
mit Karl dem Künen, Herzog von Burgund, in Trier 1474 (bei 
Freher^ Rer. German. Script, ed. Strud. Argentor. 1617 II 302 sq.). 

Celtis stiftete nach dem römischen Vorbilde geHerte Gesell" 
schoflen^ die alten Sprachen wie die römischen Altertümer zu er- 
forschen und zu irer Pflege anzureizen: so 1488 in Krakau die 
Sodalitas litteraria VisttUana, 1489 in Ofen die Sod. litt. Hunga' 
rorum^ seit 1494 nach Wien verlegt als Sod. litt. Danübiana^ 
1490 in Heidelberg die Sod. litt. Bhenana oder Celtica^ die in 
Maine unter dem Vorsize des Wormser Bischofs Johann v. Dal- 
berg eröffnet ward, 1491 in Lübeck die Sod. litt. Baltica oder 
Codanea, die aber früh wider eingieng. In Ingolstadt lerte Celtis 
vorübergehend 1492, 1494 und 1497. Für seine Zuhörer edirte 
er eine Epiioma in utramque C^^eronis Rhetoricam, cum arte me^ 
morativa, et modo epistolandi utilissimo s. 1. a. (Ingolstadt 1492) 
4^ mit einer Widmung an den um die Pflege der Wissenschafben 
hochverdienten Kaiser Maximilian. ImJarl496 lebte er vorüber- 
gehend als Prinzenerzieher am Hofe zu Heidelberg, wo er die Söne 
Philipps Latein und Griechisch lerte. 

Der Rektor der Wiener Universität und der Sekretär des 
Kaisers IHerius Gracchus (Krachenberger aus Passau ^) veranlaßten 
die Berufung nach Wien, woselbst er .nach einer zehnjärigen vil- 
seitigen, gesegneten und einflußreichen Tätigkeit, als erster Pro- 
fessor der Beredsamkeit und Dichtkunst und Direktor der Uni- 
versitätsbibliothek 1508 starb. 

Erweiterung der Universltäts-Studien 
Celtis^ vom Kaiser berufen als Lerer der alten Philosophie 



1) Diser Hamanist plante zuerst , eine deutsche Chammatik zu 
schreiben; der Tod verhinderte die Ansförung des Planes. 



18 

und der klassisohen Litterator, war der erste, der die gried Us eke 
Qramnuxttk dozirte and den Homer inierpretirte, der nicht bloß 
Cieeros Rhetorik lerte, sondern auch mit seinen Schülern Rede* 
Übungen yeranstaltete (iln/an(7 eines phüologiscJien Seminars); auch 
begnügte er sich nicht mit der Erklärung des Uaraz und des 
Terem^ er verlangte auch metrische Uebungen und ließ einige 
Komödien des Terene wie seinen eigenen Versuch „Ludus Dianae*' 
durch seine Zuhörer auffüren. 

Die Lere Yom Kosmos erörtete er, indem er die Schrift des 
„philosophus Platonicus*' ApptUeius De mundo zu Grunde legte 
und von ir eine Ausgabe veranstaltete (L. Apuleii de mundo seu 
Cosmographia Memming. 1494 fol. Yienn. 1497 fol.). 

Die Geographie in Verbindung mit der Astronomie trug er 
vor nach Claudius Ptolemaeus; Landkarten, Erd- und Himmels- 
globen halfen dabei den Gegenstand veranschaulichen. 

CeUis hat das Verdienst zuerst nicht bloß WeligeschicJUe (von 
Ninus bis Maximilian), sondern auch deutsche Geschichte auf der 
Universität vorgetragen zu haben; eine Geschichtsprofessur gab es 
erst auf der ersten protestantischen Universität, welche Philipp 
von Hessen zu Marburg 1527 errichtete. Für Deutschlands Urzeit 
legte er die Germania des Tacitus zu Grunde, welche er in Wien 
1500 4^ edirte (zugleich cum Conr. Celtis carmine de Germa- 
nia; Vadianus besorgte Wien 1515 davon eine neue Ausgabe); 
für die Zeit der Hohenstaufen das historische Gedicht Liguri- 
nus sive de gestis Imp. Gaes. Friderici I Aug. libri X car- 
mine heroico conscripti nuper apud Francones in silva Ilercynia 
et Druidarum Eberacensi coenobio (Cistercienser -Abtei Ebruch 
bei Würzburg) a Conr. Gelte reperti. August. Vind. 1507. fol., 
dabei Conr. Peutingeri de ortu, genere et posteris Imp. Caes. Fri- 
derici I. Tractatio. 



Nationdlgefül der deutschen Humanisten 

Ein Volk, das seine Geschichte, Helden und Großtaten nicht 
kennt, kann auch kein Nation algefül, keinen Stolz, keine Selbst- 
achtung haben ; one höhere Ziele und sichere Leitsterne verläuft 
dann das Leben des States wie der Einzelnen. 

Einige der deutschen Humanisten empfanden, wie Kaiser 
Max, schmerzlich disen Mangel in irem Volke, zumal wenn sie 
unter Italienern weilten. 

„Johannes Stabius des hoch löblichen Kaysers Maximiliani Ma- 
thematicus, hat mir offt gesagt — erzält Magister Job. Carion 
in seiner Chronica 2. A. 1534 4^ Bl. 109b; in Francks Germania 
Bl. 102 — wie Kayser Maximilian vber die Teütschen Historicos 
geklagt hat, das sie der hohen, weysen vnd von Gott begnadeten 
Fürsten handel vnd thaten so vngeschicklich bschriben vnd cor- 



14 

rampiert haben, vnd hat befolhen fleyssig aUe Historicos zusamen 
sa bringen, vnd auß allen ein leydliche Cronica zu machen. Wie 
on zweyffel geschehen were, so er lenger gelebt, oder dnrch an- 
dere grösser gesch&ffb nicht verhindert were." 

Es sollte noch Jarhnnderte dauern, ehe nach den Sammel- 
werken von Schard, IHstorius, Eattber, ürstisiuSy Freher^ Mei- 
bom^ Le&mUz^ Eccard^ eine des deutschen Volkes würdige voll' 
ständige Sammlung seiner Historiker bis zum Jare 1500 zu Stande 
kommen konnte: 

Monumenta Germaniae historica — auspiciis societatis ape- 
riendis fontibus rerum Germanicarum medii aevi edidit 0. H. 
Pertz Hannov. 1826 ff. Daraus Einzelabdrücke „in usum scho- 
larum scriptores rer, Germ, Hann. 1840 ff." und in deutscher Be- 
arbeitung die Geschichtschreiber der deutsckenYorzeifBevhX^^^Q. 
Hierzu kommen neuerdings die von der Bayerischen Akademie der 
Wissenschaften herausgegebenen ^^Chroniken der deutschen Städte 
vom 14. bis 16. Jahrhundert". 

Celtis Verdienste um die vaterländische Geschichte sind schon 
berürt. Außer dem Ligurinus entdeckte er im Kloster St. Em- 
meran in Regensburg das noch ältere Werk einer sächsischen 
Nonne, welches den Italienern beweisen konnte, daß in Deutschland 
schon unter Kaiser Otto I die humanistischen Studien gepflegt 
wurden: Oper &HroSintae^)^ iUustris virginis et monialis Germanae, 
gente Saxonica ortae, nuper a Conr. Cette inventa. Norimb. 1501 
fol. mit einer Widmung an den Kurfürsten Friedrich von Sachsen 
(den Gründer der folgereichen Universität Wittenberg 1502) mit 
Lobepigrammen auf die sächsische Nonne von Gandersheim (um 
980, die iren Namen Hrotsvita in Clamorvälidus übersezt) von 
verschidenen Mitglidern der Rheinischen Gesellschaf t in Heidelberg. 

Besonders wichtig wurden die sechs dem Terenz nachgebil- 
deten geistlich- moralischen ^fiomoediae sex^^ der Hrosvitha für die 
Pflege und Richtung des deutschen Schuldramas^), 

Der patriotische Sinn der Humanisten zeigt sich, nach disem 
tapfern Anfang des Celtis, besonders darin, daß sie den Wünschen 
des Kaisers und der Wißbegir des deutschen Volkes dadurch ge- 



1) Vgl. Dahlmann-Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte. 
Göttingen 1875. 

2) Neuerdings herausgg. von Barack, Nürnberg 1858; vgl über 
die HrosvithaUtteratur Gödeke Grundr. S. 14. 1150 u. Koberstein LG. 
I 376, sowie Prantl U 484. 

8) Neu herausgg. von Bendixen, Lübeck 1858, verdeutscht als 
jydas älteste Drama in Deutschland*' von ebendemselben Altona 1850 — 
58. Vgl. über lat Schuldramen Otto Franck^ Terenz und die lat. Schul- 
comödie in Deutschland, Weimar 1877, und meine Recension des Buchs 
in der Jenaer Lit. Zeitung. Juni 1878. 



16 

der erste deutsche Hamanist, der eine allgemeine deutsche Oe- 
schichte verfaßt hat (1602), mit Bennzang der Stadien seines 
Freundes Sebastian Murrho (Ganonicus in Golmar f 1495): Epi" 
tome rerum Germanicarum usque ad nostra tempora. Straßburg 
1505 4^ (Wimphelings Vorrede an Thomas Wolf, Sept. 1502, 
läßt eine noch frähere Ausgabe vermuten). 

Die von Wimpheling 1496 als Prediger zu Speier unter- 
nommene Bearbeitung der Kronik Ottos van Freisingen wurde nicht 
zu Ende gefürt. 

Wimpheling veranlaßte seinen Freund den Benediktiner-Abt 
Job. Trithemius (von Trittenheim bei Trier 1462 — 1516) zu Spon- 
heim (bei Kreuznach) zur Abfassung der ersten deutschen lAterär- 
geschichte. Sein Liber de scriptoribus ecclesiasticis Basel (J. Amer- 
bach) 1494 fol. Paris 1497 4<>, dem Bischof von Worms Joh. von 
BaXberg gewidmet, ist troz des Titels eine allgemeine lAterärge- 
schichte; BB sind vile Philosophen, Redner, Dichter, Mathematiker, 
Astronomen, Mediziner, Historiker und Juristen eingeschmuggelt, 
weil „auch die Werke weltlicher Schriftsteller zum Verständnisse der 
h. Schriften etwas beitragen können'' {Silbemagel, Trith. S. 60); 
die Ergänzung und Fortsezung, welche Johann Butzbach^) aus 
Miltenberg (am Main, Piemontanus), Prior des Klosters am Laacher 
See abfaßte, ist erst neuerdings durch Kr äfft und Crecelius (Zeit- 
schr. des Berg. Gesch. -Vereins VII) und Böching (Hütten, Suppl. 
II 2 437 fg.) bekannt geworden. 

Auf Wimphelings Wunsch und im gewidmet verfaßte er 
„zum Lobe Deutschlands** den Catalogus illustrium virorum Qer- 
maniam suis ingenüs et lucubrationibus omnifariam exornantium 
s. 1. 1495 40 Trai. ad Rh. 1495 4» Mogunt. 1497 4» u. ö. Schon 
1491 konnte er einem dünkelhaften Italiener, welcher außer von 
Albertus Magnus von keinem deutschen Gelerten je etwas gehört 
haben wollte, triumphirend disen Oatalog aus seiner Bibliothek 
zur Beschämung vorzeigen. Trithemius machte noch handschriftliche 
Zusäze Ende Juni 1509, worin u. a. Joh. Piemontanus (Butz- 
bach)^ der Lobredner Trittenheims, Jakob Locher von Ulm, poeta 
laureatus^ Schüler des Seb. Brand und Lerer am Gymnasium zu 
Ingolstadt, Heinr. Bebet, Dichter, von Justingen in Schwaben, der 
eine Gosmographie schrib, Conrad Peutinger Dr. utr. juris, 
kaiserlicher Rat' zu Augsburg erwänt sind. Silbernagel 67. 

Von Trithemius Frankenkronih 1515 soll später die Rede sein. 

Konr. Peutinger hat nicht bloß römische Inschriften, Kunst- 
werke, Münzen, Altertümer und Urkunden gesammelt (berümt ist 



1) Vgl. O.Jdhn, Populäre Aufsätze von der Alterth. Wiss. Bonn 
1868 und J. WegeUr, Kloster Laach. Bonn 1854. D. J. Becker, Chro- 
nica eines fahrenden Schülers oder Wanderbüchlein des Joh. Butzbach. 
A. d. Lat. Regensb. 1869. 



18 

ragend vor den Völkern durch Tapferkeit und Treue^ die Stamm- 
Y&ter nicht hloß der Franken, Schwaben, Bargunden, Gothen, Ge- 
pideu etc., auch der Normannen, Pikten und Skoten. 

Seine Kenntnis des deutschen Yolksgeistes zeigt die Samm- 
lung der Opuscula, Straßburg Gröninger 1508, worin, außer den 
Facetien (Buch I und II) und einer Epistel De lattdibm et phHo' 
Sophia veterum Germanorum (Spruchweisheit), Froverhia germanica 
in latinitatem reducta und eine Ganiio vemactda enthalten sind.« 
Die Proverbia oder Sprichtrörler werden in kammeniirier Ausgabe 
mit proverbialen Parallelen von Dr. Suringar als Gegenstück seines 
Erasmus nächstens erscheinen; das einen Liebesabschid behandelnde 
Volkslied: „Ich stund an einem morgen gar haimlich an aim ort*' 
ist mit der Bebeischen Elegie in der Alemannia IV 1 42 — 44 
wider abgedruckt. 

In der 1501 erschinenen Sammlung der hymni (159) in SS. 
Trinitatis laudem, sanctorum et sanctarum, quibus eoclesia Rom. 
singularem cultum exhibet, honorem a diversis auctoribus, diverse 
metri genere compositi sind auch VersicuU (Zapf S. 135), d. h.- 
deutsche Sinnreime mit entsprechenden lateinischen Distichen ein- 
gereiet. 

Es wäre freilich verdienstlicher gewesen, die damaligen Volks- 
lieder und Sprichwörter in der naiven Form des Volks zu sammeln, 
als sie durch die Latinisirung und gelegentliche Versifizirung an- 
scheinend elegant zu machen. 

Der Erzälung der Facetien (Buch III) De guerimonia lupi 
super sua infelicitate ligt der Meistersang^) ,,die Wolfsklage'' (etwa 
1510) von Heinrich Schmier (Agricola Sprichw. Hagenau 1529 
No. 664 unrichtig: H. Schmier) zu Grunde. 

I^ie Wolfsbeichte (Buch II) Lupi confessio et poenitentia et 
vulpis et asini ist wie Bebel selbst angibt ex Hugone Trimpergio 
egregio in vernacula nostra poeta. Auch das Asini iudicium de 
cantu philomelae et cuculi wird wol auf einem alten Volksliede 
beruhen; vgl. das Lied aus dem Jare 1580 abgedruckt in Docens 
Miscell. I 284. 

Vom Pfaffen vom Kalehberg sagt er: Sacerdos Calvimontia 
in Austria, de cuius facete urbaneque dictis integri UbeUi per- 
scripti sunt. 

In der Ausgabe der Opuscula, Straßburg 1512, ist sowol 
ein 3. Buch der Facetien als auch ein Gedicht In laudem Ger- 
manorum quod sint artis impressoriae inventores (worin schon der 
Italiener BerocUdus im zu vorgegangen) bei Zapf S. 190. Schließ- 
lich ist noch zu bemerken: 

Bebel war der erste, der die schwirige Frage über die 
deutschen Gaue und zwar seines Stammlandes behandelte: 



1) Darüber weiter unten in diser Zeitschrift. 



20 

Plautus Menächmx und Bachides (samt der ^^Fhüogenia 
TJgolint\ ein Lustpil des Rechtsgelerten Hugolinas Parmensis 1437, 
woraas ein Fragment in A. v. Eybes Margarita poetica), als 
.^Spiegel der sitten*'^ verdeutscht von Albrecht von Eyhe (inWürz- 
burg), Augsburg 1511. 

Virgils Aeneis von Thomas Murner ^ Straßburg 1515. 

Wimphelings Schüler, Bingmann Fhil^ius, übertrug (mit 
einer Widmung an Kaiser Max) Cäsars Krieg mit den Galliern etc. 
samt Flutarchs Cäsar und Lucuins (10) Totengespr&chen , Straß- 
burg 1507 u. ö. 

Wimphelings Freund, Job. Gallinarius (Henner) „der freien 
Künste Meister'*, übertrug Lticiani Palinurus „vß kriechiscber 
sprach durch das latyn in tütsch'\ Straßburg M. Hupfuff 1512. 

Wimphelings, Celtis und Reuchlins Freund, der in Italien 
mit Rudolf Ägricola und Job. von DaJberg gebildete Kanzler des 
Kurfürsten Philipp von der Pfalz (dann 1512 Gesandter des Her- 
zogs Älbrecht von Baiem beim schwäbischen Bunde), Dietrich von 
Pleningen^ „Ritter und Doctor", übersezte sowol den Sallust und 
Ciceros Rede gegen Gatilina, Landshut 1515; Plinius Lobrede auf 
Kaiser Trajan, Landshut 1515 (mit einem Holzschnit von Albr. 
Dürer) und aus Seneca einen ^^außeug^^ über Kindererziehung und 
Lebensplan, Landshut 1515, als auch Lucians Gespräch Somninm 
seu gallus, Landshut 1516, Lucians Von Klaff ern und Ohren- 
bläsern und eine gleiche Schrift des Poggius, Landshut 1516. 

Hieronymus Emser übersezte Plutarchs Schrift, Wy ym einer 
seinen veyndt nutz machen kan (1519) 4^ und Xenophon, Von 
der haußhaltung (Dresden) 1520 4^. 

Emser hat sich auch als Dichter versucht: Eyn deutsche 
Satyra vn straffe des E^bruchs Lpz. 1505 4^ (der Herzogin von 
Sachsen gewidmet) und (aus Baptista Maniuanus) Wider die an- 
fechtung des Todes Lpz. 1517. Sein Lied gegen Luther 1525 ist 
bekannt; vgl. G. £. Waldau, Nachricht von H. Emsers Leben und 
Schriften. Anspach 1783. 

Georg Spalaiin (Burkhardt aus Spalt, im Bistum Eichstädt), 
auf der Sebaldusschule in Nürnberg gebildet, auf Mutians Em- 
pfelung 1509 Erzieher des Kurprinzen Job. Friedrich, seit 1514 



nen weg wyter sy zelero (Gottsched, Nöthiger Vorrath zur Gesch. der 
deutsch, dramat. Dichtkunst, Leipz. 1757 S. 40). Von demselben Yer- 
i^sser ervfJknten Strubel und Panzer Ann. S.266 ein kirchenrechtlicbes Werk 
in deutscher und lateinischer Sprache, das den sonderbaren Titel hat: 
Der Jieiligen Kircl^en und des Römischen Reichs Wagen fur^ lateinisch: 
Quadriuium Ecclesie Quatuor prdatorum (d. h. Papst, Bischof, Pfarrer, 
Kaiser) officium Quibus omnis anima subijoitur, beide heiGrüninger in 
inclitissima Helueciorum urbe Argentina 1504 erschinen, „in welchem 
er sich über das Verhältnis der £rche zum Stat und andere wichtige 
Punkte mit großer Freimütigkeit äußert*^ 



22 

von . den Humanisten ins DeaUche übertragen. Außer Alexander 
dem Großen war im Mittelalter ein besonders beliebter Stof der 
Kampf um Troja. Nach der Mitte des 15. Jarhnnderts wurden 
vil gelesen die Schriften des Franc. Petrarha^ Äeneas Sylvius (Papst 
Pins II), Felix Hemmerlin (Chorherr in Zürich), Foggim von 
Florenz. 

Besonders drei Süddeutsche haben sich durch solche Ueber- 
sezungen Verdienste erworben : Hans Hartlieh von München, Niclas 
von Wyle und Heinrich Steinhöwel. Nicht bloß ftb: Herren, Fürsten 
und Fürstinnen, auch für den Bürger ward Ergezung und Unter- 
haltung geboten. 

Das nach dem Roman des Vaendo'CälUsihenes ^) gearbeitete 
Werk Liber Äleaandri de prelüs, gedruckt Utrecht 1473, Straß- 
burg 1486 u. ö., übersezte „der hochgelert Doctor (Arzt) Johann 
Hartlieb zu München^* (auf Wunsch des Herzogs Alhrecht III 
von Bayern^ der nach dem Tode der Agnes Bemauerin 1435, sich 
im Jare 1436 mit Anna von Braunschweig vermählte, f 1460), 
als ^^Hystori Eusebij von dem Grossen Künig Aleaander^% Augs- 
burg 1472 (mit Holzschnit), 1473, 1478 u. ö. 

Die Historia Troiana Guidonis (de Columna^ Messanensis ') 
ers^hin als „erstorung der edeln — statt Troia*^ o. 0. u. J. Augs- 
burg 1474 (mit Holzschnit), 1488. Straßburg 1489 u. ö. Der Ueber- 
sezer ist nicht genannt. 

Harilieb übertrug auf Wunsch der Herzogin Anna aus dem 
Latein ,^die hunst Ciromantia^^ (gedruckt Augsburg o. J.) und „sant 
Brandons buch was er wunders erfaren hat*^ (o» 0. u. J.). ' 

Ferner auf Wunsch herczog Albrechts, sun des Erczherczog 
Ernsten in Oesterreich ^^das buchOuidy von der lieV^^\ d. h. den 
Tractaius Amoris des AndreckS Capellanus (Andreas, Presbyter 
von Regensburg, von Aventin als ^fiairischer Titus Livius^' ge- 
rümt) und den des Albertanus (Richter in Brescia 1235—46) o. 
0. u. J.y Augsburg 1482 (mit Holzschnit), Straßburg 1484 u. ö. 

Ueber disen y^Hans Hartlieb ^ genannt Walsporn^', gebürtig 
von der ^^Neustatt uf der Hart am Rhein der Churpfalz gehörig", 
habe ich in Crecelius Zeitschr. XI 119 urkundliche Naclu'icht ge- 
geben (darnach ist Zarncke, Universität, im MA. S. 245 zu ver- 
bessern) ; von seinem Enkel Jakob Hartlieb von Landau und dessen 
Scherzschrift De fide meretricnm (bei Ludwig von Hohenwang ge- 
druckt) wird im Abschnit IV die Rede sein. 



% 1) Neue Textaasgabe von J. Zacher, Pseudokallisthenes. Halle 
1867. H. Weismann, Alexander, Gedicht des 12. Jarh., vom Pfaffen 
Lamprecht. II voll. Frankf. 1850. 

2) H. Dunger, die Sage vom troj. Krieg in der Bearb. des MA. 
etc. Leipz. 1869. 

3) Wichtig wegen der darin enthaltenen ältesten Aussprüche der 
Minnegerichte, vgl. v. Aretin : Aussprüche der Minnegerichte 1803 S. Y. 



24 

drich^ zu Ulm bei Joh. Zainer „von RAtlingen** 1473 heraosge- 
geben, übersezte das Speculum vitae bumanae Rodarici fipiscopi 
(um 1470) Zamorensis (2^mora am Duero in Spanien) s. 1. a. 
(Augsburg Güntber Zainer 1471) als „Der Spiegel menscblichs 
lebens^, Herzog Sigmund von Oestreicb gewidmet, o. 0. u. J. ; Augs- 
burg 1479, 1488 (mit Holzscbnitj. 

Weil die Stadt darf ebenso stolz, wie auf iren Johann 
Kepler (f 15. Nov. 1630 in Regensburg), auch auf iren Stein- 
höwel sein, welcher für die deutsche Litteratur ein Banbrecher 
und Wegweiser geworden ist durch seine Uebertragungen lateini- 
scher wie italienischer Geschichten, Novellen, Erzälungen, Schwanke 
und Fabeln. Er ist der erste Deutsche^), der aus dem Italieni- 
schen übersezte. Er hatte in Padua studirt und sich dort 1442 
die Würde eines Doktor der Medizin erworben. 

Spccaccioß jjDecamerony daz ist cento noueUe in welsch vn 
hundert histori oder neue Fabel in teutsche*^ Ulm o. J. (J. Zainer 
1472), ist unzweifelhaft von Steinhöwel übersezt, wenn er sich auch 
nicht genannt hat. Andere Ausgaben: Augsburg 1490 mit Holz- 
schnit. Straßburg 1509, 1519, 1540 etc. mit Holzschnit. Diß 
Werk il Decamerone (1352), welches den grösten Einfluß auf die 
europäische Romanlitteratur^) übte, erschin zuerst o. 0. u. J. ; da- 
tirt (Venedig) bei C.Waldarfer 1471; Mantua 1472; die freimüti- 
gen Bemerkungen über Papst, Pfaffen, Mönche und Nonnen ver- 
schafften im die erende Auszeichnung in Florenz 1497 öffentlich 
verbrannt zu werden; schon früher veranlaßte die klerikale Rück- 
sicht Buchdrucker zu verstümmelten Ausgaben (dei deputati Flor. 
1573 u. ö. ; vgl. Marcus Landau, Giovanni Boccaccio^ sein Leben 
und seine Werke Stuttg. 1877). 

Die Schrift des Jo. Boccatius (Boccaccio) de Claris MuHeri- 

bus erschin unter dem Titel : Von etlichen frowen, Ulm Zainer 1473 

u. ö., der Fürstin Eleonora, Gemahlin Erzherzogs Sigmunds von 

' Oestreicb gewidmet; die Fäpstin Johanna ist nicht übergangen. 



Gronick von Gottfrieds von Boallion Heerfarth ins gelobte Land, so 
D. Guido lateinisch beschrieben. 

1) Aus dem Italienischen übersezten im 16. Jarhundert Peter 
Wemher die „fast senliche vnd erpermliche mitleydente hystoria von 
Phylocanio des Kunigß sun auß Portigal. Vnnd von der schonen Eu- 
genia des Kunigß tochier auß Engellandt" geteutscht auß welscher 
Zungen in Teutsche. Nümb. Jobst Gatknecht 1515 4 mit Titelholz- 
schnit ; Christoph Wirstmg die (aus dem Span, in welsche Zunge über- 
tragene) Hipsche Tragedia von zwaien liebhabenden menischen ainem 
Ritter Cdlixstus vnn ainer Edtn junckfrawen Mdibiaf Augsb. 1520 4 
mit Bchäzbaren Holzschnitten. 

2) J. Dunlopy Geschichte der Prosadichtungen von F. Liebrecht, 
Berlin 1851 S. 214 — 54. Simonde Sismondi, die Literatur des südl. 
Europas von L. Hain, Leipz. 1816 I 321 fg. 



26 

tor des hoffs Costentz) Facetiae (latein und deutsch 1486), (ans 
der Handschrift monasterii Weingartensis) herausgegeben von A. y. 
Keller, Tübingen 1874. 

Bebeis Facetien, zu denen Adelphus Mülich in der Margm- 
rita facetiarum 1508 Facetiae Adelphinae als Nachtrag Uferte, 
sind schon besprochen; sie erschinen bis tief in das 17. Jarhnn- 
dert vermert mit den Facetien des Nioodemus Frischlin u. A. 
Romanhaften Unterhaltungsstoff brachten „ Diocletianus (und sein 
Vater Pontianus) oder die siben weisen Meister^' ^) und die Gecta 
Romanorum«). 

Die Quelle, woraus besonders Seb, Franck seine Kenntnis der 
Dichter und Denker des Altertums geschepft hat, ist die Schrift 
des Walther Burleigh (Burley, Burlaeus, f nach 1337, eines Schü- 
lers von Duns Scotus)^ „Doctor planus et perspiouus'^ zn Paris und 
Oxford (1337): De vita et moribus pküosophorum poetarumque 
veterum (c. autoritatibus et sententiis aureis eorundera annexit). 
Ed. princ. o. 0. u. J. (Köln, Ulr. Zell von Hanau); Köln 1472 
u. ö. verdeutscht als: Das buch von dem leben vnd süien derhayd' 
nischen maister von newem getrucket. Augsb. 1490 u. ö. 

Nach Lessing XI 299 ist ^^ Anton Sorg einer der gelerte* 
sten Buchdrucker'^ der Uebersezer; bei im wurde gedruckt in 
Augsburg seit 1476. 

Die .Verdienste der Freunde Wimphelings als Uebersezer anr 
tiker Schriftsteller sind schon berürt. Sie haben auch Neulateiner 
verdeutscht : 

Dietrich von Pleningen eine Schrift des Poggius (s. oben); 
Wimpheling selbst die Declamation des Berodldus: De tribus fror 
tribus^ Heydelberg 1600 (mit Widmung an Friedrich Gamerer 
von DoZ&er^ 1518, Straßburg Reinh. Beck), und Joannis Pici von 
Mirandel Sendbrief an seinen Vetter „yn zu ermanen zu christ- 
lichem leben vnd zu lere der heiligen geschrift vnangesehen erger" 
nufi*^, Straßburg 1509 4^. Widmung an Hans von Schönner, Fri- 
burg (um Pfingsten) 1509. 

Wimpheling hat auch eine Homilie des GhrysosUmus über- 



1) Schön Cronick vnd histori aus den geschichten der Römer 
o. 0. «u. J.; Augsburg Bämler 1473; Augsburg Sorg 1478. Historia 
calumniae novercalis Antwerpen, Ger. Leeu um 1490 u. ö.; Oeeterley, 
Johannis de Alta Silva Dolopathos sive de rege et Septem sapientibus 
Straßburg 1873. D.vocletianns Leben (in Versen) von Hans v. Büchel, 
herausgeg. von A. v. Keller. Quedl. 1841. Hans der Büheler war Dietast- 
mann des Erzbischofs von Köln, zu Poppeisdorf bei Bonn 1412. 

2) Verdeutscht Augsburg 1489 klein fol. (Lessing XI 2 98). Oesta 
Rom. das ist der Romer Tat, herausgeg. von A. v. Keller. Quedl. 1841. 
Gesta Rom. (lat.) herausgeg. von A. v. Keller. Stuttgart u. Tübingen 
1842. Uebersezung von Grässe, Dresden u. Leipzig 1842 II. Getta 
Rom. ed. Oesterley U fasc. Berlin 1871—73. 



28 

litisiren und als Kannegießer^) mit Worten die Welt verbessern 
ist ja jezt noch das Labsal der Bierbänke und Weinschenken. 
Francks Zunge ist wol auch durch solches Vorbild gespizt wor- 
den ; er hörte manchen edeln Spruch uod manches treffende Sprich- 
wort; die Neutestamentliche Forderung : Seid vollkommen (in Liebe 
und Warheit) wie euer himmlischer Vater traf tief sein Herz und 
entzündete einen schroffen Idealismus, in vilen Stücken /dem Schü' 
lers verwandt. 

Zu disen Eindrücken der Wirtsstube kamen die Einflüsse 
des häuslichen Herdes^ wo noch heutzutage vom Gesinde das phan- 
tastische Reich des Aberglaubens wol gepflegt und gehütet wird. 
Die ganze Welt glaubte damals, die Gelerten erst recht, an Geister 
und Gespenster^ an Hexen und Unholde^ an bedeutsame drohende 
Eimmelserscheinungen und Zeichen^ an Astrologie und Horoskope 
(Nativität), an Wunder und Mirakel. 

Francks Sinn für das Wunderbare und Mysteriöse blib im 
als Erbteil seiner Zeit und seines Volkes, selbst als er durch 
Agrippa von Nettesheim über das Heaenwesen freier denken 
gelernt (Weltbuch Bl. 134b). Betrachten wir die in Francks 
Schriften noch erkennbaren Spuren. In Erasmus Moria Bl. 33: 
Solcher Tandtmkr vnd fabel — — von den trügnüssen, gespen- 
sten, gesiebt, von dem Bockelman, mit Poltergaistem^) vnd vmbff- 
lauffeden seelen, vn dergleichen tausend wunder. 

Im Latein: nee uUa satietas talium fabularum, cum porten- 
tosa quaedam de spectris, de lemuribus, de larvis, de inferis, de 
id genus millibus miraculorum commemorantur. 

Moria Bl. IIa erklärt Franck (nach Listrius Kommentar): 
j^Pan würt geacht der Gott sein, der die leüt erschreckt vnnd 
f5rchtig macht bei den Poeten", und sezt hinzu: „den die kinder 
Bockelman oder bercht heyssen." 

Grimms DW s. v. erklärt : terriculamentum popelmann, butze- 
mann, popanz. Bockelmann erscheint als eine stehende Schreckge- 
stalt pädagog. Art in Augsburg. Birlinger Augsb. Wb. 68b. Li 
Merks Lat. Serm. Castellum, Ulroae Suev. 1646 Sp. 534b: Man- 



1) Das Wort ist modern zuerst von iJoftener gebraucht ; es stammt 
aus des Norweger Professors L. v. Holberg Lustspil „den politiske 
Kandestöber" 1722; vgl. Danske Skueplads, Kopenh. 1731 fg. Deutsch 
von Oehlenschläger, Leipz. 1822 fg. Büchmann, Geflügelte Worte 11. Afl. 
S. 173. Hildebrand im DW V 167. 

2) Guld. Arch 80b: von den rumpd Gayater — — dauon vü 
fabel bücher vmbfaren, als Tundali, Cassianus vnd Jacobus de paror 
diso ein Carthewser. Visio Tungdali ed. Oscar Schade. Königsberger 
Univ.-Progr. 1869. — Joh. Cassianus, Zeitgenosse Angustins and Hiero- 
nymus, Collationes Patrum. Basel 1485 u. ö. — Jacob Junterbuck (von 
Jüterbock, Prior in Erfurt f 1465, Mystiker mit Reformplänen) de po- 
tesbate daemonum ; Sermones etc. 



so 

Incfibus ist nach Diefenbaohs Glossar: =' mare, der tewfbl, 
der die frawen reyt; nach dem Noyum Glossar, allgemeiner = 
nachtmännlein , schröttlein, alp, nachtmare, trat, elb. — „Die 
Tenfel Succubae halten sich in Weibsgestalt zn den unflätigen 
Träumeren, verursachen inen leichtfertige yenerische Tr&ume, als 
wann sie unzüchtige Weiber beschlieffen, beschlafi^en aber in sol- 
chen Träumen eben dise Succubae oder Tenfelshuren, welche den 
Mannessamen auffassen, sich alsbald zu iren Unholden und Teufels- 
bräuten Terfagen, dise als Incubi in J^nnsgestalt auch beschlafen 
und was sie anderswo aufgefaßt inen in irer unreinen abschenli* 
chen Vermischung beibringen/ Barthol. Anhorn Magiologia Basel 
1674 S. 662. 

Auf Lieder und Schwanke scheinen mir die Ausdrücke Düitig- 
heim und Schlauraffenland hinzuweisen. 

Sprichw, II 49 Cescon habitas: Du bist von JDiUiicheym^)^ 
da die Dannzapfen wachsen. Ein grober dlb bawer. Ein grobs 
hMzlin. Es were gut sewtrög auß jhra zu hawen. Du bist auß 
dem Schlauraffenland (vgl. I 48b 162a). 

Gescos ist ein stat Pamphilie, da so grobe leut woneten, 
wie inn Teutschland die Bintzger kr6pffeten Baum, daß dauon 
ein sprichwoH entstund: Du bist ein mann von Gescon, wie mans 
auff der Alb ( Alem. I 96) hat, gleich wie man spricht : Es ist ein 
stat wie Heuhach^ da frassen die wolff den Schultheiß auff dem 
marckt, Wolt einn groben d&lpel vnd fantasten damit anzeygen. 
Wir brauchen die oberzelten, Itevn^ Ein grober^) Algewer bauer. 
Ein blinder Schwabe^) etc.. Ein rechter dummer Jan, der teutach 
Michel, Ein teutscber Baccalaureus. 

Aus der satirischen Volkslüieratur waren unserm Franck be- 
kannt die Wechselreden des Bauern Markolf und des Königs 
Sähmo (Alem. V 55). Der gemeine Mann muste sein Vergnügen 
an einem Büchlein haben, worin das Sprichwort: „Die Gelerten, 
die Verkerten'' praktisch illustrirt wird, indem der grobe und häß- 
liche Bauer Marcolfus mit seinem gleichgeschaffenen Weibe JPoU' 
cana in seinen treffenden, freilich oft unflätigen Antworten, in sel- 



statt Tuvitium, Tuitium (Deutz) yerstanden haben. Beatus Bhenanus 
redet von dem coenobio Divitensi coatra Agrippinam, vulgns Tuitium 
vocat corrupte. 

1) Ein gemachter Ortsname wie Finsingen Alem. II 257 st. Mun- 
derkingen, Schnerkingen Alem. IV 150; Ort wo man starke Brüste hat; 
Grimms Wb. dumme dutten -= Risen, nngescblacbte Menschen. Grimm 
315, Simrock 408. Die ist von Ehingen, d. h. hat gar keine Brust, 
Volkswiz Schwaben. Schlauraffen vgl. Zamckes N. S. 455 fg. Vgl. 
Germ. 17, 305 (Latendorf), ebenda S. 93 (Birlinger). 

2) Alem. I 100 ff. 

3) Alem. IV 205 nnten. 



32 

(Prof. Dr. A. y. Keller in TübiDgen machte mich auf die Stelle 
aufmerksam), findet sich die Bemerkung^). 

„Der Pfaffe Amis ist eine der Formen des yilgestaltigen 
Helden der Schelmenstreiche nnd Schwanke, des Lügens und 
Leutebetrigens , der im deutschen Volke seit vilen Jarhandertem 
unter mancherlei Namen umgegangen ist, als Amis*) und Pfaffe 
vom Kälenherg^ als Peter Leu und Bochart^ der zulezt seine Pro- 
teasnatur in Till Eulenspiegel abgelegt hat, und in diser Gestalt 
noch heute unter uns umget.*' 

Von Paul Wüst (Alemannia IV 181 ff.) kannte Franck nicht 
bloß seine (oft rohen) Schwanke, sondern auch ernste Sprflche. 
Mancher Reim in den Sprichtoörtern Francks wird von Meister» 
Sänger-Lindem herrüren. 

Widerholt wird der Tahulatur^) gedacht Spr. 1 125b, II 208a 
und oft in Moria und Paradoxa. Spr. II 87a : Du mußt von 
schalckshausen sein. — Der diß nit kan abgefürt wie ein würffei 
(II 165 Burghauser würffei) — der ist ein einfeltigs schaf, singt 
nit vil meyster gsang in seinem hauß, ist ein narr, vnd kan nicht 
dann fromm sein. 

Auf die ritterliche Poesie findet sich nur Sprichw. II 62b eine 
Anspilung : 

„Er helt einn freien tafel, offen hoff, Es geht zu wie an 
hönig Artus hoff, Die hund tragen gantz köpff dauon." 

Es darf nicht gefolgert werden, daß er die Artus- Dichtungen 
kannte (Parzival war schon 1477 o. 0. u. J. gedruckt worden) 
oder das von dem bairischen Dichter und Maler Fürterer für 
Herzog Alhrecht IV (1475, f 1508) in der Titurelstrophe ver- 
faßte Werk über die Tafelrunde-^ er referirt nur ein im Volks- 
munde lebendes Sprichwort, auch in Agricolas Sprichw. No. 668: 
Es gehet zu wie inn Künig Artus hofe^); das gleiche gilt von der 



1) Lappenberg Ulensp. 853 widerlegt Vilmars Saz quoad Bochart 
aber vollständig. B. ist ein weiser Narr. AB. 

2) lieber Strickers (der Strichäre = vagas, Zeitgenosse Rudolfs 
von Ems um 1250) Pfaffen Amis vgl. H. Kurz. L. G. I 427. Gödeke 
Grundr. S. 32; über Philipp Frankfurters (zu Wien, Ende des 14. Jh.) 
Pfaffen vom Kaienberg Kurz S. 667, Gödeke S. 116; über Widmanns (von 
Hall in Schwaben kämpfte mit gegen die Armengecken 1480) Peter Leu 
Kurz II 85, Gödeke S. 117. 

3) Alem. I 289. 

4) Agricola berichtet daselbst von der Taffei runde oder Messe' 
ney und den Helden WigloiSf Pareifal, Titurel und Tristrant und dem 
„roten Ritter** Grafen von Manßfeldt, sowie von „König artus bmn" 
und „König Artus gassen** hart vor Eißleben. Agricola war wol be- 
lesen in deutscher Litteratur, vgl. Vorr. Bl. 2b. Franz Pfeiffer/ hat in 
der Germ. X 94 ff. alle seine gelerten Kenntnisse in diser Art mitge- 
teilt. Daraus Grimm Heldensage 2. Aufl. S. 318. Vgl. Alem. I 263. 



34 

christlichen Widerstand des in disen Berg entrückten Ritters nnd 
dieTreae des treuen Eckart schildert^ (Vilmar); von Wimphdings 
Freund Joh. Ädelphi48 (Mülich), Phisikus in Straßhurg, 1512 hei 
J. Grüninger edirt. Herrn, v. Sachsenh. hg. v. £. Martin Tüh. 1878. 

Auch einiges aus dem Sagenkreise Dietrichs ') war im hekannt, 
und zwar der Eiese Sigenot Grermania 1538 Bl. 56: j^Dieterichs 
vcnBern^) histori", wie er, nach dem Siege üher Odoaker, König 
von Italien geworden und fridlich 32 Jare regirt. „Daher seindt 
die lieder, so man in TetUsch vonn jm singtj gemacht. Die Bisen 
seindt die Barbari. Dann Odoacer war einn Barbarus aoß RAgenn 
— — Er ist aber Dieterich von Bern genennt, dammb das er 
zu Verona oder Bern — hoff gehalten.' 

Der erste Druck hat den Titel : 

Herr Dietrich von Bern oder von dem allerkAnesten Wey- 
gand Herr Ditterich von Bern vnd von Hütebrand seinen treuen 
Meyster. Wie sy wyder die Byefien gestryten auch viel grolVer 
Sachen erstanden vnd erlytten haben. Sagt das bAchlein, das gar 
kurzweilig tzu lesen, tzu hören, vnd tzu singen ist. Heydeiberg^ 
Henr. Enoblochtzer 1490. 

Am Schluße des Gedichts ist noch „der Bosenkrane unserer 
lieben Frauen*^ angehängt. Panzer Ann. S. 187. 

Auch in Straßhur g 1505 und 1510 wider gedruckt. 

Um die gleiche Zeit war „das Heldenbucfi mit synen Fi* 
guren*' (Holzschnitte) erschinen, d. h. der auch Franck (sih unten) 
bekannte Wolfdietrich, o. 0. u. J. ; Augsburg, Schönsperger 1491; 
Hagenau 1509; und des ^ Ecken Äußfahrf^y Augsb. Hans Schawr 
1491; Nürnberg 1512. Vgl. Karl Oödekes Deutsche Dichtung im 
Mittelalter, Hannover 1854. 

Auf das Bolandslied ist offenbar die wunderliche aus Garion 
entlehnte Notiz in der Germania Bl. 85a zu beziehen über „Garo- 
lus Magnus^* : „von seinem v&tter Boland hat er zimlich gut verß 
gemacht.'^ Mit Stolz weist Franck nach, daß Garolus ein Franck 
vnd Caroli gantz geschlecht eittel Teuische Francken gewesen 
seind; daß er der alten teutschen ^Historias vnd lieder^ j sowie 
„Bechtsbücher'^ habe sammeln lassen; mit Freude berichtet er^ 
daß es Beatus Bhenanus gelungen — vergeblich hatte Kaiser Max 
die Gclerten mit Belonungen aufgefordert, altdeutsche Urkunden 
aufzufinden — das Evangelienbuch Otfrids (von Weisseuburg an 
der Lauter) und Notkers Psalmen „in fränckischer zungen*' zu 
entdecken. 



1) Oskar Jänicke in der Zeitschr. für Deutsches Altertham XV 
326: Wie die Theologen, so verwerfen auch die Historiker des 16. Jh. 
die Heldensage (folgen Stellen von Seb. Münster und Tschudi). Eine 
rationalistische Erklärung der Heldensage gibt Seb. J^anck Germania 
1539 Bl. 56a. AB. 

2) Vgl. Alem. IH 132 296. 



86 

Im Krieg deß Prides 1539 Bl. 93a: Die alten haben gesagt 
drey ding machenn einen M&nieh^ N&mlich, vnwiasenhaü, fauXka§i 
vfi verzweyflung^ wann die Idioten nicht haben gelert, Tnod jr 
jugent mit faalkayt vnd hartecken schiessen haben hinbracht, das 
jnen ein schelmenbain im mgken ist gewachssen, vnd sie inn die 
achdmenzunfft ^) seind geratten, darinn arbayten sünd ist, das sie 
nicht mer haben mftgen graben, vnd sich doch die faulen starcken 
hctchanten z& bettlen gesch&mpt vnnd die donm secure oder Jih 
annes sme labore*)^ nicht haben gelernet dann ein nuß durch 
einenn sch&lsaok auffbeissen, oder wie ein saw durch ein schftl ge- 
lanffen, vnd ein stuck von einem schiilsack gefressen^ so seind sie 
inn ein Verzweiflung gefallen etc. 

Die sibpllinischen Orakel — erst von den Philologen des 17. 
Jarhunderts als unecht erwisen — galten zu IVancks Zeit als 
starke Beweise der evangelischen GeschidUe, WimpheUngs Freund, 
der Stadtschreiber Jakob Köbel^) zu Oppenheim war der Heraus- 
geber und Drucker eines lateinischen wie deutschen mit Holz- 
schnitten erschinenen Volksbuches: Offenbarung der Sibyllen Weis- 
sagungen 1516 4^, Opusculum de vatioiniis Sibyllarum s. a. (um 
1516). Köbelf der sich auch selbst als Dichter versuchte (über 
eine Hasen-Mißgeburt in Niederflörsheim 1505, vgl. Weller Rf^>ert. 
No. 349), druckte auch des Ritters Job. von Marßheim^) (1497 
verfaßtes) Lergedicht: Spiegel des Regiments in der Fürsten hüfe, 
da Fraw Vntrew gewaltig ist 1515 (Ausgaben bei Weller No. 928 
und im Neudruck Oödekes Stuttg. 1856). Spr. I 105: Von der vn- 
trew vnd hinderlist der menschen sind all bücher voll. 

In gleichem Geiste wie Brant und Mumer gegen die Sittenver- 



1) Mein Freund Rektor IVanek in Edenkoben, von dem wir eine 
neue Ausgabe der Ouaestiones fabuiosae oder Disputationes q^uodUbe- 
ticae zu erwarten haben, vermutet darin eine Anspilung auf des Ma- 
ffister Barth. Chribus Monopolium dier Schdmeneunft 1488; vgl. Zamoke, 
Deutsche Universität, im MA. 8. 61 : seota aecwrorum vel conchaitamm. 
Ueber die mittelalterliche Eselsbrücke für Prediger, des Minoriten Joh. 
de Werdena Dormi secure, vgl. Abschnit IV. 

2) Sprichw. 11 69b: Hans onfleiß vnd Contz onsorg; vgl. U 28b. 

3) In dieem Volksbuch erscheint zuerst die ZwÖlfzal der Sibyllen, 
ein Gegenbild zu den Aposteln. Franck erw&nt (nach 8chedel) 11 ; Quid. 
Arch Bl. 48b: Lactantius von den zehen Sibyllis. Bl. 71 jedoch einige 
mer. Im Mittelalter zälte man nach Oervasius von Täburg 10; vgL 
Gödeke, Deutsche Dichtung im MA. S. 240. Verschiden von disem 
Volksbuch ist die Schrift: Von SibyÜa weyssagung vfi von König 8a- 
lomonis weißheyt was Wunders geschehen ist vnd noch geschehen soll 
vor dem Jüngsten tag \ zuerst erschinen in rheinischem Dicdekt: Sybillen- 
boich, Collen 1513 u. ö.; vgl. Wellers Repert. No. 1639. 

4) Rektor Franck bereitet eine neue Ausgabe vor; einer brief« 
liehen Mitteilung desselben entneme ich die Notiz, daß Morßheim 
15. Januar 1516 als Großhofmeister der Pfais gestorben ist 



38 

Geschichten^ Lucians ^) zum Ergezen des Tiesers anfgetischt wird, 
„Abenteaer zu Wasser und za Lande ** im Stile anaers Mundil' 
hausen^), das wird im Brandan als glaubwürdige Tatsache und 
volle Wirklichkeit dem Leser zugemutet. 

Franck nennt sie auf dem Titelblat des Weltbttchs 158i, 
wie in der Vorrede ^S. Brandons Histori*^, er hat also die Ulmer Aus* 
gäbe (bei Hans Zainer 1499) gelesen, welche von andern Ausgaben 
abweichend den Titel fürt: ^^Historia von St. Brandon*^ (Panzer 
Ann. S. 243). 

Was einst dem Knaben und Jüngling gewiß großen Genuß 
bereitet hatte, war dem kritisch gewordenen Manne natürlich — 
Lüge und Fabel. Gleich auf dem Titel des Weltbuchs heißt es: 
„nit aus Beroso (des Dominikaners Annius von Viterbo), Joanne 
de monte vtUa^ S. Brandons Histori, vn dergleichen fabeln", und 
in der Vorrede : Wir haben auch nit die lugenhaffb hystori S, Bran- 
don, reyß vnd m6rfart Dietrichs von Bern^) oder die poppen 
(Pappen = Docken) Joannis de monte villa angemaßt (uachgeamt 
= gefolgt) oder die Fabel Berosi hierein gesetzt. 

Er gibt mit Berufung auf Martinus Ilacomilus (Hylacomi- 
Jus) den Vorzug der Glaubwürdigkeit „den neueren weltbeschau w- 
em, mdrherrn vnd gestrengen landtfarern als Marco Veneto^^ 
(Marco Polo) etc. 

Die Wunderberichte des Johannes von Monievilla (John Man' 
deville% „Doctor in der Artzney vnd Ritter, geboren vssz Engel- 
land", der 1322 Asien durchzogen (f 1371), erschinen als: the 
voiage and travaile, Westminster Caxton 1499; auch lateinisch, 
französisch, italienisch, deutsch; zuerst von Michelfeld (Michel- 
felser) verdeutscht, mit lächerlichen Holzschnitten. Augsb. 1481, 
1482; dann von Otto von Biemeringen% Straßb. 1484 u. ö. 



Eanst Oiromantia) ; handschriftlich in Nürnberg. Karl Schröder, St. Bran- 
daD. Ein lateinischer und drei deutsche Texte. Erlangen 1871. 

1) Des waokern Schulrektors Georg Boüenhagens Son Gabriel hat 
aas Lucian, Brandan etc. seine „Ungleubliche Jndiam'^c^ Reysen, durch 
die Lufft, Wasser, Land, Helle, Paradiß vnd den Himmel. Mit etlichen 
warhafften, jedoch bey vielen Gelehrten glaubwürdigen Lügen" Magdeb. 
1603 übersezt und zusammengestellt. 

2) Gottf. Aug. Bürger ist der Uebersezer des von Baspe englisch 
geschribenen Buches der Abenteuer des Lügenboldes; vgl. Heinrich 
Düntzera Einleitung zu der bei Dyk in Leipzig erschiuenen Ausgabe. 

8) Bezieht sich auf den Wolfdietrichy von dem ein Btich wider- 
holt schon im Mittelalter angezogen vrird; vgl. Grimms Heldensage 
S. 227 No. 88. AB. 

4) In der Beschlußrede: Wann einsmales kernen von uil kunig- 
rychen kauffleut gen Brugk (Brügge), die dies buch gern gehört hettcu. 
Durch dem bet willen, ich obgenanter Otto von Demeringeny Thum* 
herre (zu Metz), von latyn ynnd frantzoyscher sprach zu tutsoh ge- 
bracht han. Vgl. Peschel, Geschichte der Erdkunde und HumboiuUs 



iO 

Schönspergers Chronick im truck 1487 außgangen'' (Oerm. Bl. 203b) 
und Thomas Lirers (gesessen zu Rankweil) schwäbische ,yChronik'^ 
getrackt von Conrad Dinchmit in Vlm 1486 (Oerm. BL 206). 

Meine Vermutung über Francks deutsche Lektdre im Knaben- 
und JOnglingsaltor stüzt sich auf die unbestreitbare Tatsache, dafi 
im ersten Jarhundert des Buchdrucks, der allgemein als eine Gnade 
Gk>tte8 den Laien erwisen betrachtet wurde, ein gewaltiger Lase- 
hunger auftrat, zumal in den Beichsstädten, und Alt und Jung 
sich an Buch und Bild ergezte. 

Franck hat in seiner Jugend gewiß nicht die Oewissens&ngste 
eines dämonischen und genialen Menschen, wie Luther war, durch- 
gemacht. In verlockte Wißbegrir, in erfreute Gottes wunderbare 
Macht in Geschichte und Natur, in reizte Streit und Widerspruch 
der Welt zum Nachdenken, er brachte es dahin „als ein unpartei- 
scher vngefangner, ein yeden lesen zu künden,^*' 

flinen andern Vorzug sehe ich in der gründlicheren humcmir 
stischen Bildung; wobei freilich nicht vergessen werden darf, daß 
nur die schroffe und kolossale Einseitigkeit Luthers den weltge- 
schichtlichen Umschwung zu Wege bringen konnte. 

Luther selbst fülte seinen Mangel ser wol. »Wie leid ist 
mir letzt, daß ich nicht mer PoSten und Historien gelesen hab, vnd 
mich auch diese niemand gelehret hat. Habe daför müssen lesen 
des Teufels dreck, die Philosophos und Sophisten mit großer Kost 
vnd Schaden, daß ich gnug dran habe auszufegen" (Altenb. Ausg. 
II 812). Ebenso bedauerte Melanchihon Luthers mangelhafte hu^ 
manistische Bildung ; größere Sorge für Bildung der Rede und zu- 
gleich die „milderen^ Studien einer waren Philosophie, woran es 
in Erfurt gefeit, würden bei Luther villeicht auch dazu gedient 
haben, die Heftigkeit seiner Natur zu lindern (Köstlin, Luther I 50). 
Luther hatte guten Grund 1524 für die Schalen den Ratsherrn 
Deutschlands zu empfelen ,die Poeten und Oratoren, nickt ange^ 
sehen, ob sie Heiden oder Christen wären, griechisch oder' latei- 
nisch", „die Chroniken und Historien, welcherlei Sprachen man 
haben könnte^ (G. Pßzer, Luthers Werke S. 867) ; in der schänd- 
lichen Nachrede nach Francks Tod 1545 rouste er anerkennen, 
daß der neben den „Scheispoeten^) Z^mc^n'' gestellte „Beelzebub ** 
oder „Arshummel'^ Franck das grifflin funden — Historien eu 
schreiben und Spruch Wörter zu erklären. 



31. 208b: Herr Jacob Pfarrherr oder kirchherr zu Trusenheym, hab 
ich zu Straßburg in einem alten geschrieben buch gelesen, setzt etc.; 
vgl. Bl. 242 und 143. Ueber Sigmunds Beformation in Abschnit Y. 

1) Es genügt auf Lessings Rettung des S. Lemnius III 280 fg. 
hinzuweisen. Ausforlich handelt über S. Lemnii Leben und Schriften 
Strobel, Neue Beytr. III 1. 



42 

von Eck, seit 1517 Protektor,* als Herzog Ernst znm Bischof yon 
Passau gewält worden, Matth. Kretsf, Urhan BhegiuSy Aagnstin 
Merbold von Hohen wart, Lochers Freund, Otto von Pack ans 
Meißen (1537 enthanptet) n. A. Ein Denkmal stiftete sich die 
Gesellschaft 1518 durch Herausgahe alter von Aventin^) aufge- 
fundener Geschichtsquellen, nebst eigenen lateinischen Briefen und 
Gedichten. 

In der Artistenfakultät wirkten damals 40 — 50 Magister 
nicht gerade in großer Einigkeit, denn die Fakultät war durch 
den Parteihader der Anhänger der via antiqua und der via mo- 
dema, „der arttisten baider wege, des alten vnd newens als ay 
sich nennen^^ gespalten; erst die Statuten- Redaktion von 1519 ver- 
bot auf Befel des Herzogs die Parteiworte ,,moderniy antiqni, rea- 
listae, nominales^^ und befal, daß sich Lerer wie Lernende einfach 
und gemeinsam als ariistae bezeichneten. 

Diser aus der verschidenen Behandlung der Schul-Philosophie 
hervorgehende Streit, der in keineswegs humaner und philosophi- 
scher Weise gefürt wurde, war dem humanistischen Äventin ein 
Gräuel; er zitirte deshalb gern beistimmend das Volkssprichwort 
(gleichwie Wimpheling in der Äpologia pro republica christiana 
c. 1. „die Gelerten, die Verkerten**, auch Fraiick Sprichw. I 36b, 
90b, II 99b, lfi3b): „Je geler ler, je verkerier'\ 

Wie die Fakultäta-Akten meist nur Promotions- und Geld- 
angelegenheiten betreffen, so berüren die Uni versitäts- Akten (außer 
den Statuten) meist nur die Schattenseiten des Stndentenlebens, 
Skandale und Tumulte, Exzesse und Verbrechen, Verbal- und Real- 
injurien, Schuldklagen, Wirtshaus- und Bordellgeschichten, Raufe- 
reien, Schlägereien, nächtliche Ruhestörungen durch Schreien und 
Brüllen (8 ^^Zirker und Wächter" besorgten die „Befridung bey 
tag vnd nacht", die ^,Wachthut^'\ weshalb widerholt gegenseitiges 
Zutrinken t nächtliches Heruraschwärmen und Musiziren, Karten^ 
und Würfelspil, Waffentragen ^) (bay tag noch nacht), Maskiren 



1) Aventins Nazionalgefül kennzeichnen die Worte eines Briefes 
1517 (mit Bezug auf Hermann von Altaicb und Valtogeius Noricus) bei 
Mederer p. 101: Ex quibus plane intelligo, maiores nostros non ita 
barbaros, ut nos quidem falso euspicaraur, fuisse. Nos autem prae 
illis esse maxime socordes, qui in vana dictionum digladiatione et um- 
bratili edentuli Grammatici conseneseimus. 

2) Als „TFa/f<m" uralten nach Ifiederer IV 165: Hamasch, arm- 
brust, pücbsen, triscM (Dreschflegel), spies, hollenparten, stangen, schwert, 
wurfpeil, düiz (Dolch, kurzer Degen), waidmesser, te^en, stein, kugl 
noch ainich andre Were. Zu den verbotenen Waffen zälte man in Gera 
1487: lan^e roesser, degen, tilitz and im Ältdor fer Weisihum: niemand 
soll auf das rathhaus oder zu einem tanz tragen ein langes messer, 
degen, hammer, dialiZy bleikufifel, wurfhaken, pengel oder andere ge- 
fährliche wehr; vgl. Grimm Wb. Diglie. Birlinger teilt mir mit: in 



4i 

YorlesongeDy sowie die Tdloame an den in den Borten Torgenom- 
menen resumptiones (Repetitionen) und dem exercUium huirsaU oder 
der dispuiatio serotina. 

In welcher Burse Franck lebte, ist unbekannt. Daß im als 
^Jbeanus^ die Ceremonie der depositio^) nicht erspart worden, ist 
sicher. Diser Einweihnngsscherz, der erst im Laufe des 16. Jar- 
hunderts in rohe Mishandlung ausartete, ließ sich nicht ausrotten, 
wenn auch die Fakultäts-Statuten die „vexatores et tribulatorea 
novellorum studentium quos beanos yocant** mit Strafe bedrohten. 

Als Student (scholaris, scbolasticus) wird er tapfer sein Oanh 
deamua^) oder „den liebsten b&len den ich han der leit beim wirt 
im keller^* mitgesungen haben und wenn er auch in Sauf- und 
Rauflust mit seinen Kommilitonen nicht g^wetteifert, doeh mit 
jugendlichem Herzen auch der Freude und Geselligkeit ir Redit 
gegönnt und nicht bloß ,yBippapper^ spilkart vnd würffei" (Spr. 
II 161a), auch die „Encomia malorum, die bhl liedtm*^ (Sprichw. 
II 68a, I 64b) nicht yerschmäht haben, sovil auch später der ge- 



1) Jezt „Fuobstaufe''; Fuchs = junger Student, erst in BädUm 
Wb. Leipzig 1711. beanus =: pecus carnpi, cui nt rite ad publioos 
lectiones praeparetur, cornua deponenda essent; in Prag: „beaniam in 
hiroo deponere seu mores agrestes per beaniam relinquere". Hautz 1 86. 
Das älteste Beispil einer SchilderuD^ der Ceremonie findet sich im schon 
erwänten Manwüe scolarium bei Zarncke, Cap. 11 S. 4 fff. Es wnrde 
dem Beanus eine Ochsenhaut (ursprünglich wol vom Pedell, bideUas) 
über den Kopf gezogen und daran die Höruer ganz oder teilweise ab- 
gesägt etc. Franck Sprichw. U 92: Zur banck nawen, Rollen, Depo- 
meren^ Vexieren, Die siben wort sagen. Prantl I 95 erwänt eines Car> 
men morum studentum et beanorum (= bachantum) von Joh, de Wer^ 
dena (handschriftlich in München). Des Grammatikers Paul Niavia Dya- 
logus literarum studiosi cum beano quarumque preceptionum imperito 
(a a. Leipzig, Hart. Herbipol.) gibt ein lerreiches, aber trauriges 
Eulturbild. 

2) 6. Sehwetschke, Zur Geschichte des Gaudeamus igitur^ Halle 
1877. Gewiß ist das weltliche Lied, wie so vile, durch die Kirche ver- 
anlaßt, durch .«den beim Introitus der mittelalterlichen Messe ge- 
bräuchlichen Antiphon: Gaudeamus omnes in Deo". Daß ein altes 
Studentenlied Gaudeamus vorlag, beweist das Lied des ital. Humanisten 
Codrus ürceus (1500) (Monographie von C. Maiagola, BoloRna 1878), 
wie die im nachgebildete Schlußstrophe in Emsers Spotlied auf Lu- 
thers Hochzeit 1525 (Waldau, H. Emsers Leben und Schriften 8. 62 
mit CocMäi gereimter VerdeiUschung), Franck spilt auf das Lied Spr. 
n 81a an: Ihr (der saw) leben ist ein Requiem, jr todt ein Gaudea$nus 
ynd Te deum Ictudamus, Spr. I 44: Mein liebster bul ist mit reyffen 
bunden; vgl. ükland VL. 1 584 fg. Die Studentenlieder der (Jarmum 
Burana und das Liederbuch der C&ra Hätglerin sind bekannt. Das Lied 
tfCerevisiam bibunt homines, animalia cetera fontes" etc. (Allg. Bekte- 
Gommersbuch, Leipzig Breitkopf n. Härtel 1876 8. 505) muß tu ^orcl- 
deutschland entstanden sein. 



46 

nicht bloß an „tnimmen und pfeiffen'^ ergezte, sondern auch am 
jyparrl/zufen ') vnd dergleichen vnnachtheiHgeu LeibS' Uebung^\ 

Auch in Ingolstadt wüste sich die akademische Jagend außer 
den regelmäßigen Vakanzen und Ferien noch andere Feier- und 
Festtage zu machen. 

Die Kollegien fielen ans am Donnerstag und selbstverständ- 
lich am Sonntag. Die Ferien dauerten vom 21. Dezember bis 
7. Januar, Fastnacht 14 Tage, desgleichen Ostern, im Herbste vom 
29. September (Michaelis) bis 1 8. Oktober (Lucas £v.)t ^^^^^ kamen 
die vilen Feiertage der Apostel, gewisser Heiligen {Sebastian 20. Jan«) 
und großer Kirchenlerer ; auch an allen Tagen feierlicher Fakult&ts- 
Akten (einer Promotion oder Disputation) oder wenn ein aermo ad 
derum statt fand, las der Professor des Vormittags kein Kollegium. 
Damach hatte das Jar ungefär 180 Lesetage; die Dozenten der 
Rhetorik, Poesie, griechischen und hebräischen Sprache und der 
Mathematik hatten selbst in den größeren Ferien ire Vorlesungen 
fortzusezen (vgl. Prantl S. 168). 

Die Studenten erlaubten sich am 1 5. Juli (in festo divisionis 
apostolorum) einen kleinen Scherz in den Börsen mit iren Lerem\ 
im Järe 1492 bestimmte die Artistenfakultät gegen dise „corrup- 
tos bachautum mores^^ ne ifisolentias et clamores sucitare nee ma- 
gistros recludere^ ligare aut quovis modo molestare attemptent. Das 
Verbot wird nur zur Uebertretung gereizt haben. 

Zugleich suchte man die ser häufigen Studentenfeste, die 
Fontania^), Massenspazirgänge (exitus cumulatos) in die Wälder 



1) Alem. in 66. IV 260 und Crecelias in der Germ. 19, 99 ff. AB. 

2) Fontania, Fontanea, Fontonia. Prantl. II 118, 188. In Diefm- 
hachs Glossar: Fontandlia (ludi), bornfart Aus Balth. Trochus Asca- 
niensis lat.-deutsch. Wb. Leipzifr Lother 1617; ursprünglich oberdeutsch. 
— Als Locher 1506 in küner Neuerung bei solcher Brunnenfart eines 
Sonntags eine Schar vornemer und adlicher Studenten als Landsknechte 

Sanci^eri) ausstaffirt durch die Stadt marschiren ließ zum Aergemis 
er Theologen, die in darauf in einer Streitschrift anffriffen, wies er 
disen Verstoß gegen die akademische Sitte als „kleinliche Nergelei zu- 
rück, weil ja an den berümtesten Universitäten (Italiens?) Fbntium 
Sacra sive Eleutheria mit militärischen Aufzügen gefeiert würden** 
(Hehle II 7). Ueber die von Conzilien verdammte Fontium adoratio 
(Du Gange) ein Stück alten Heidentums vgl. Grimms Myth. 826 fg. 
Horaz Od. IH 18 : fous Bandusiae splendidior vitro, Dulci digne 
mero non sine floribus. Quellendienst im Altertum vgl. NorJc, mythol. 
Real-Wb. I 801, welcher aus Mones Nordd. Heidenth. 11 136, 166 die 
Bronnenvererung der Altfranken u. Hessen nachweist. Zu Mühlhausen 
an der ünstrut in Thüringen (einst freie Reichsstadt^ feiei't man, wie 
mir Dr. Bau (Sekretär der Bonner Bibliothek) mitteilt, noch alljärlich 
ein Brunnonfest in der Mitte des Sommers; Volk und Schuljugend zieht 
hinaus nach dem Walde zur Popperoder (mit Steinen gefaßten Quelle) 
und senkt Kränze und Bouquets hinein, die auf dem klaren Grunde 
einen reizenden Anblick gewären. — Prantl: ludi chartarum et taxillo- 
rum omnino prohibendi ; similiter ne, ut fieri solitam est, pravium (/9^* 



48 



# 

Francks philosophische Studien 

Franck spottet widerholt über die ^^Modemisten^ and (Chronik 
104b) über ^Aristotelem, der Theologen gott'^ 

In Ingolstadt brannte knrz vor Luthers Auftreten der Partei- 
gegensaz zwischen modemi und antiqui oder NaminalisteH und 
Bealisien bei weitem stärker, als an den anderen Dniyersit&ten^); 
die modemi waren dort entscbiden im Uebergewicht gegen die 
antiqui oder ^^Äntiquisten^'^ (Prantl II 147). Die modemi ver- 
traten die Richtung, welche ir „venerabilis inceptor" der Fransui- 
kaner Occamj des Duns Scotus Schüler, (der kün unter dem Schiise 
Kaiser Ludwigs des Bayern die Rechte der Statsgewalt gegen das 
Papsttum verteidigt hatte) eingeschlagen, wftrend die an^t^i (die 
Anhänger des Papalsystems) den Betrib diser neueren L^k zu 
verdächtigeu suchten. 

Es ist bekannt, wie der alte Streit zwischen PlcUo und Ari' 
stoteles über das Verhältnis von Sein und Denken, die wichtige 
Frage über den Wert der AUgemeinbegriffe^ auch die Scholastik im 
Mittelalter parteite. 

Haben die Universalien, haben die genera und species sab- 
stanzielle Existenz oder sind sie bloß Abstraktionen aus dem Be- 
Bondern und Individuellen? 

Sind die universalia ante rem*^ wie PkUo (nach Aristoteles 
Angabe) lerte: haben sie eine gesonderte selbständige Existenz von 
den Einzelobjekten (sei es bloß dem Rang- und Kausalitätsverhält- 
nis oder auch der Zeit nach ; vgl. Ueberweg, Gesch. der PhiL 1866 
n 114)? 

Oder sind die universalia in re? wie Aristoteles will, d. h. 
haben sie eine reale Existenz, aber nur in den Individuen? 

Disen beiden Formen des Bedlismus trat der NomindUsmms 
entgegen: universalia post rem: nur das Individuelle hat reale 
Existenz, die Gattungen und Arten sind nur subjektive Zusammen- 
fassungen, indem wir die gleichartigen Objekte mittelst des gleichen 
Wortes {nomen^ vox) bezeichnen. 

Der Gegensaz zwischen den modemi und antiqui gieng nun 
eigentlich nicht von der Frage der Universalien aus, sondern von 
der Yerschidenheit der Lermittel der Logik. Die antiqui hielten 
sich an die alte Betreibuug des Albertus Magnus, Thomas Aquinas 
und Duns Scotus. Die modemi, deren Vorbild Occam war, er- 
strebten eine Erweiterung und Fortbildung des im Compendium 
des Petrus Hispanus gegebenen Materials, besonders in Betref der 



1) Prantl, Gesch. d. Universitäten I 58 fg. Ueber Paris, Heide^ 

berOt Wien, Erfurt, Basel, Tübingen, Greifswald, Leipzig, Prag, Mains 

' und Köln vgl PranÜ, Gesch. der Logik lY 148 fg., 185—194, 228 fg. 



50 

Waram Adam im Paradies Ton einem Apfel and nicht von 
einer Birne gegessen? 

Ob Oott etwas Oeschehenes ungeschehen machen ktane^ z. B. 
aus einer Hure eine reine Jungfrau? (Hagen I 31). 

Erasmus gibt in seinem „Lob der Torheit** (bei Franck B]. 
46) als scholastische Quästionen und Quisquilien an: 

„Mit was weiß (=Wie) die Welt sei erschaffen vnd inn ain 
Ordnung bracht?* 

„Durch welche teüchel (Kanäle) vnd rinnen diser ynflat der 
erbsünd sei in die nachkommen gelait?** 

„Mit was maß, mit was meß, in was zeit (quibus modis, qua 
mensura, quantulo tempore) Christus in der Jungfrauen leib am 
fertig vnd zeittig worden?" 

,,Wie in dem Nachtmal des Herrn die aocidentia oder z&f&l 
on ein behausung (domicilio = ire Substanz) bestehen?^' 

,,0b auch ain punct, zeit stilstehen, vmbkeren sei gewesen 
in der göttlichen gehurt vnd erschafiung?** 

„Ob vil kindtschafft in Christo seien gewesen?" (plures in 
Christo filiationes = ob Christus mer als einmal geboren werden 
könne ?). 

„Ob es ain möglicher Spruch (possibiUs propositio) sei: Oot 
derVatter haßt den Sun?" 

,,0b er (Dens) hab m5gen die person ains weibs, ains teüf- 
fels, ains esels, ains kürbß, ains kißlings an sich nemen (silioem 
suppositare)." 

„Darnach^ wie ain kdrbiß hat mögen predigen, zaichen vnd 
wunderwerck thun?" 

„Item, wie man an das creutz wolt geh&fft haben, wann er 
ain kißlings wer gewesen, wie es jm angestanden wer, wann er ge- 
redt het." 

„Vnd was Petrus hab oonsecrirt zfi diser zeit, weil der leib 
Christi am creutz ist gehangen** (quid consecrasset, si consecrasset 
eo tempore quo etc.). Und 

„Ob dise zeit (eodem tempore) Christus hab mögen ain 
Mensch genennet werden?*^ 

„Vnd ob nach der vrst&nd essen vnd trincken zimlich zft- 
künfiftig sein werd" (post resurrectionem — fas sit futurum). 

Auch in der kleinen Schrift: Das päpstliche Rundschreiben and 
die 80 verdammten Sätze erl&utert durch Eernsprüche von Män- 
nern der Neuzeit, sowie durch geschichtliche und statistische No- 
tizen Duisburg 1865 S. 162 finden sich einige „Lieblingsthemata 
der Scholastiker**, nach Ludov. Vives, in pseudodialecticos 1519 '): 

1. Philosophische Säze. 

Cujusvis hominis asinus non est animal. 



1) Vgl. F. A. Lange, Vives in Sehmids Pädag. EnqyolopMie. 



52 

Zeit als gültige Beweise von Versiandesvencirrung und Narrheit 
aDgesehen werden würden, waren (im Mittelalter) die ausgezeich- 
netsten Oeisteskräfte gewidmet/' (J. Liehig y Chemische Briefe, 
3. Aufl. Heidelberg 1851 S. 72.) 

Zum Schluße sei noch auf die seit Petrus Lcmbardus Til be- 
handelte Frage hingewisen : 

Was hatte eine MauSj die eine geweihte Hostie gefressen, 
zwischen den Zähnen? 

Lombardus tröstet sich mit: Dens novit (Strauß, Olaabens). 
II 572). 

Genaueres über disen Skrupel der Transsubstantiationslere in 
der von Wilhelm Holder (aus Stuttgart, Abt in Maulbronn, f 1609) 
verfasten köstlichen und gelerten Satire : M%is exenteratus (die aus- 
geweidete Maus^). Tübingen 1593. 

Ein anderer Schwabe belert uns über eine verwandte Frage : 
C. M. Pfaify dissertatio de stercoraneis medii aevi tarn lat. quam 
graec. Tübingen 1750 4^ (Vgl. auch Cani^M^ lect. antiqu. T. IL) 

Francks Sprachstudien 

Gerade zur Zeit, als Franck nach Ingolstadt kam, war zu 
dem Latein und (seit 1505) dem Hebräischen auch das Griechi- 
sche als neuer Lergegenstand getreten. Somit war wol die Ge- 
legenheit geboten, besonders für die Wolhabendern, ein ^^trilinguis^*' 
zu werden, wie es Erasmus war ,,in dreyen sprachen ein fürbin- 
dig gelert mann, sonderlich der Latinischen vnd Grichischen, deß- 
gleichen zu seiner zeit nit gefunden warde'* (Franck). Die meisten 
Studenten trösteten sich mit Franck Sprichw. II 40a: Wir kAnden 
nit all Erasmus sein, oder in die guldin Insel [El Dorado] vber 
meer schiffen. 



1) Der Titel lautet, wie mir Dr. Gerhard, Custos der Bonner 
Bibliothek mitteilt, vollständig also: Mus ezenteratus, Hoo est, Trac- 
tatus valde magistralis, super quaestione quadam Theologieali, spinoss, 
& multum subtili, ut intus. Scriptus pro redimenda vexa (zur Ledi- 
guDg der Qual) ad Magnificum, Scientificum, Doctrinativumqne, & Ca- 
tholico zelo igrnitum virum, Johannem Pistorium Nidanum (Nidda in 
der Wetterau) : Theologum sicut abyssi maris profundum. Per fratrem 
Wilhelmum, de Stutgardia, Ordinis Minorum. — Virum malum vel mus 
mordeat. Tubing. 1593 4^ Ed. II Tub. 1668 8^ juxta exemplar Tubingense 
Lips. 1677 12®; nach dem Vorwort von J. A. S., welches die Historica 
de ortu et progressu haeresum in Germania, praesertim Augustae Vin- 
delicorum, Relatio, quae ex antiquis Annalibus Mss. cuiusdam contem- 
poranei fideliter descripta erschinen (superiore demum) anno MDCLIV 
Ingolstadii cum facultate superiorum erwänt und verhönt, muß es eine 
Ausgabe von 1655 geben. Die gegen den ,, Apostaten^' Pistorius, den 
Fabulista Caesarius Heisterbachensis und die Calvinisten gerichtete Con- 
sistorii Eoclesiastici in Ducatu Wirtenberg^ico praefatio ad leetorem 
ist unterzeichnet von M. Joh. Magtrns, Lac. Oslander, Andr. Osiander, 
M. Foelix Bidembach. 



54 

Rheghis war darch Ecks Empfelung vom Kanzler mit einer 
philologischen Professar betraut worden (oratoriae publicitos do- 
cendae praefectus). 

Hat Franck dise Lerer gebort? Hat er Lochers des be- 
geisterten Hamanisten Vorlesungen besucht? welchen ein Zeitge- 
nosse M. Carolus Reutherus Franco (vgl. Fulgentius) als Zierde des 
lAitetianum cantubernium (in florentissimo Boiarorum gymnasio) 
preist, der zuerst die trefflichsten Klassiker hervorgezogen, zuerst 
historicos veraces, rhetores suaviloquentes, vates iucundos der stu- 
direnden Jugend vorgefurt. 

Locher hatte die berümtesten Hochschulen Italiens besucht, 
um sowol die klassischen Redner und Dichter, als auch die pla- 
tonische Philosophie zu studlren. Noch 30 Jare nach diser fröli- 
chen Zeit preist er in einem Danklied seine Lerer, den Philippus 
Beroaldus ^) in Bologna, den Kreter Mttsurus in Padua, und andere 
in Pavia, Rom, Florenz etc. Er gedenkt in der Widmung des 
Fulgentius an seinen Studiengenossen in Italien, Wolfgang von Tan- 
berg, Kanonikus und Dechant zu Passau, jener einst gemeinsam 
verlebten genußreichen Tage und der wissenschaftlich geselligen 
Kränzchen (sodalitium), wo sie nicht bloß am Quell der Poesie sich 
erlabt, sondern auch bei lustigem Gelage manchen Becher geleert 
(naso Signum tangentes Liberi patris, crateras) oder nach den Stu- 
dien an Spazirgang, Tanz, Bad und Schwimmen sich erfreut oder an 
Karten und Würfel (chartis adfabre pictis: astragalis, fritillo atque 
alea inter corymbiferi amplissima vasa Ly^i ludebatur), insbeson- 
dere sind es zwei Scenen, die er mit Lust schildert, einmal wie 
sie des Nachts den Son des Podestä und die Nachtwächterschar, 
die „albernen Verächter der Deutschen^' (Alemannorum derisores 
ineptissimos) durchgehauen und entwaffnet, dann die lustige Meer- 
fart von Ferrara nach Venedig in heiterer und zugleich erlauch- 
ter Gesellschaft, als sich inen von Bologna kommend der Mark- 
graf Jakob von Baden (Marchio Badensis ac Spanhamensis Comar- 
chus nobilissimus Ärchipresul Treverensis^) mit glänzendem Ge- 
folge (cum eleganti familia) anschloß; welch interessante Unter- 
haltung, welch reicher Gedankenaustausch! Man kann ein fideles 
königliches Gelage feiern, das Schiff gleitet durch ruhige See, die 
Reisenden lassen Leier und Zither erklingen (testudines et cythar^ 
eburnis ornat^ plectris consonabiliter pulsari coeperunt), bei disen 
harmonischen Klängen stet Locher auf dem Steuerteil des Schiffes, 
musizirend ein zweiter Arion, nach Pythagoras irriger Palingenesie, 
und siht die Orte und Inseln der Adria auftauchen ; das Matrosen- 



1) Den Aeltern, nach Hehle S. 13 den Jüngeren. 

2) Geboren 1471, seit 1493 Koac{jutor des Erzstifts Trier, 1503 
auf Wunsch des Kaisers Max zum Erzbischof gewält, f 1611, gelert 
und liderlich. Fr. W. Ebding, die deutschen Bischöfe II 600. 



66 

Troia aaß besnnderer gunst ynd liebe jre büätniß in den Tempel 
ließ setzen. Bald gab der Teufel auch red vnd antwort darauß, 
aoß dem das volck bewegt dret/ gMin darauß macheten'' sucht 
man vergeblich bei Boccaz oder Gryraldus^). Woher mag sie ent- 
lent sein? 

Von den Schriften Omds, der unter andern Bildern der Klassi- 
ker auf dem Titelblatt der Guldin Arch figurirt, scheinen im aus 
selbständiger Lektüre die Metamorphosen bekannt zu sein, yilleicht 
in einer Äuswal^)\ die Schrift De arte amandi zitirt er Paradoxa, 
Vorrede. 

Virgil — „sein b Acher seind zum teil vor äugen" Chronik 
112b — erscheint noch ganz als der mittelalterliche Zauberer^), 
Ea ist möglich, daß er die mit Recht berümte, von Locher^) be- 
sorgte Ausgabe des Horaz (die erste die in Deutschland gedruckt 
wurde) einmal in der Hand gehabt. Was er aber aus disem Dich- 
tern zitirt, hat er aus Sammelwerken, 

In der Chronik 113 (aus Schedel) fügt er eine aus Väler. 
Maximus entlente Anekdote bei, wobei Horatius Flaccus mit 
Horatius Pulvillus identifizirt wird. 

Die Lerer Francks verfolgten offenbar im Gegensaz zu Locher 
die Richtung des Wimpheling und des MurmelUus und irer Ge- 
sinnungsgenossen, die nur eine Fortsezung der Deventerschen Schule 
ist. Man suchte sowol christliche Lere als heidnische Moral und 
Gelersamkeit den Schülern beizubringen. Wimpheling^ zumal in 



1) Jo. Bocatii negi yfvealoyiag deorum, Basel 1511, erschin auch 
c. annot. Jac. MicyUi. Eiusdem de montium, sylvaram, fontium, la- 
caum, fluviorum, stagnorum et marium nominibus Basel, Joh. Hervaff, 
Sept. 1532; dises geographische WB ist von Franck im Weltbuch Bl. 
17a zitirt. Lil. Greg. GyraMus aus Ferrara, de diis gentium varia et 
multiplex historia Basel 1518, sowie Basel, Oporin 1548 fol., wozu 
1549 ein Band kam: Hyginas, Palaephatus, Fulgentius, Albricus, Ära- 
tus, Proclus. Die Stelle über den Priapua Chronik Bl. 98 kann aus 
Gyraldus (1548 p. 405 Fascinum pro Priapo) sein, warscheinlicher ist 
sie aus Ludov. Vives Commentar zu Augustins De civ. Dei (VII 2) Basel, 
Frohen 1522. 

2) Es ist mir dise Sammlung nicht bekannt, ich schließe aber 
darauf aus Joh. Pauli, welcher widerholt sagt: Man liset in fäbtdis 
poetarum. Franck orwant oft den Dedalus, Icarus vnd Phaethon, Ly- 
caon, Midas, Tantalus. Sisyphus, Hercules, Charontis Schiff etc. 

3) F. W. Genthe, Virgils 10 Belogen übers, mit Einl. über V. 
Leben u. Fortlehen. Magdeb. 1840. lieber die 4. Ekloge, auf Sprüche 
der cumäischen Sibylla (Guldin Arch Bl. 43b) gestüzt und von Leuitanz 
auf Christus gedeutet, vgl. J. H. Voss Anraerk., sowie Piper, Virgil als 
Theolog und Prophet des Heidenthums in der Kirche, Ev. Kalender XIII 
1862 S. 17—82. 

4) Dise Straßburg 1498 erschinene Ausgabe wird von Bentley 
gerümt : „non ex exemplaribus Italis iamdudum editis , sed ex manu- 
scriptis Germanicis expressa «sf 



68 

dem Evang. Job.) oder vilmer lesuis Ton Hieranymua de vallibaB 
oder de Padua. Ascensius gab diß in Hexametern verfaste spraeh- 
licbe Meisterwerk mit Argumenten und Scbolien zum Sehalgebrauch 
heraus (Paris 1510); in der Vorrede dankt er seinen Lerem, den 
frommen und gelerten Hieronymiten in Gent 

Auch Dominikus Mancini (1494) hatte die Leidensgeschichte 
Christi in elegischem Versmaß besangen. 

Das Gedicht De passione domini nostri J. G. erschinen in 
vilen Ausgaben^) war ebenso beliebt wie das andere De quattuar 
virttUibus earundemque officiis (Paris 1488 4^ u. ö.; c. aliis Basel 
1543). 

/ Den ^yKreuzessieg^^ oder die Himmelfart Christi von Maca- 
rius Mutius^ eques Camers (aus Camerino in Umbrien, Freund 
Pölitians)j Carmen de triumpho Christi edirte Joseph. Horlennius 
Segenensis zu KölHf Martin. Werdenensis 1515 mit Titelepigram- 
men von Buschius^ Murmellius, Tunnicius und Widmung an den 
sacerdos Jacobus Montanus Spirensis. (Auch in Basel etc. ge- 
druckt.) 

Ich übergehe die vilen Mariendichtungen und Heüigen'Hymnen 
oder Gden der Humanisten und bespreche den ^^eweiten YirgW^ 
(wie Trithemius u. A. rümten), den gefeiertsten Dichter zu Anfang 
des 16. JarhundertSy den 1448 geborenen^ als KarmeUtengeneral 
1516 gestorbenen Job. Baptista (Spagnuoli) aus Mantua — Man- 
taantts. 

Von seinen vilen Dichtungen, der fruchtbare Mann hat über 
50000 elegante Verse fabrizirt, waren die Eclogen (Eglogae oder 
Bucolica) am meisten in den Händen der Schüler und Stadenten. 

Es sind Idyllen, die sich von denen Theocrits und Virgüs, 
wie Geßners arg unterscheiden; es treten nicht Schäfer und Schäfe- 
rinnen in einfacher Naturliebe auf, es sind vilmer Dialoge über die 
Gefaren der Liebe, die Bosheiten der Weiber und die Glückselig- 
keit des gelerten Klosterlebens. Seitdem Mantuanus 1498 dise 
Jugendgedichte revidirt und mit zwei (Schluß) Idyllen vermert, 
wurden sie von Jod. Badius Ascensius kommentirt und in Leipzig 



Wol auch die schönen Sprüche über Freundschaft u. Religion. Spriohw. 
I 8a: Amicus amico pracco et testis. I 9a, 56b: Amor amore, amicitia 
amicitia venditur emiturque. II 65b: Neoessarius (= amicus) est ne- 
cessarius. Die Freundschaft des Dämon und Phicias Chronik 27 114b 
(Schillers Bürgschaft). I 119: Impietas contusa exit, pietas incipit. 
I 56a: Virtus oppressa altius surgit, obfuscata clarius emicat. I 109b: 
Iniuriae magnanimo spernendae, non ulciscendae. 

1) Mir ligt vor eine in Deventer bei Rieh. Paffraed erschinene 
Ausgabe o. J. mit dem Titel: Quem iuvat horrendos Christi meminisse 
dolores Paucis: nunc parvo comparet ere sibi. Vgl. Freytag Adp. III 
8 sq. De quattuor virt. neu hg. von ii, v. d. Hardt, HelmsUtdt 16918. 
Pie Jesuis mit Mancvnis Poemata von Th. Pulman. Antw. 1559 12. 



60 

sondern anch des tugendhaften Inhaltes halber (Warnung vor Weib, 
Vergnügen und Müßiggang), so daß er dieselben ebenfalls adOer- 
manicae iuventutis gratiam (Straß bürg 1508 bei M. Scbürer) her- 
ausgab. (Andere Ausgaben bei Suringar Erasmus p. XXXII.) Von 
dem Pariser Theologen Job. Ärhoreus Landunensis wurden dise 
Epistolae kommentirt, sowie Salomonis praverbia, Paris, JeanRoigni 
1549. 

Des Ascensiiis poetische Blumenlese war Franck wol bekannt : 
Süvae moraleSf in zwölf Büchern, 1492 klein fol., in Lyon bei 
Job. Trechsel. Die aufgenommenen Stücke sind: fünf kleinere (tin- 
echte) Gedichte Virgüs (auffallender Weise aus dem echten Virgil 
nichts 1), Auszüge ^) aus Horaz^ Persius, Juvenäl, Ennius^ ein 
Gedicht des Earmeliten Baptista Mantuanus, die Tisebzacbt des 



Guilleaume Budi aus Paris (1467—1540), dem „eigentlichen Begründer 
der humanistischen Studien, besonders der griech. Sprachkenntnis in 
Frankreich.** Von Andrelinus (f 1518) spricht Frasmus Adagiorum 
opus Basel 1533 p. 414 s. v. Syracusana mensa, — Unde Fanstus An- 
drelinus Foroliviensis poeta, non solum laureatus, verumetiam regius 
atque etiam si diis placet Regineus. vetus congerro meus, qni plus quam 
triginta iam annos in celcberrimaParrisiorum Acaderaia poeticen doeet, 
in carmine quod de pavimento Parrisiensi inscripsit, adagionem in 
Anglos derivavit: Mensa, inquiens, Britanna placet Et haud scio 
ande natum sit hoc vulgatissimum apud Gallos proverbium, ut cum 
hominem vehementer cibo distentum velint intelligi, dicant, tarn scUur 
est quam Änglus. Yerum, iidem ut illis attribuunt noXvipayiav, ita nobis 
noXvTioaCttv adscribunt. (Also: edacitas Anglorum, bibacitas Germa- 
norum.) 

1) Die „Figurae litterae pythagoricae" abgebildet fol. 22b. Aus- 
gewält sind Horaz Od. IV 7, II 14. 3. 18. 10. 16. 2, I 31; Per«u« Sat. 
II 61 fg. und Juvenal X 346 fg. (Gebet); Ennius (Anual. VII Freund- 
schaft) aus Aul. Gellius XII 4; Horaz Od. IV 8. 9, III 2, Epp. I 18. 
Jut?ewal XIV 1—86, 107—140, 179—246, 288—321 (Eltern- und Kindes- 
pflichten); dabei f. Il2b flgurae et nomina der 24 griech. Buchstaben; 
sodann XV 139 fg. (allgemeine Menschenliebe); Baptista Mant%Mnu8 
contra podas impudice loquentes Carmen (f. 128a handelt Asc. vom Pria- 
puSy Franck hat noch eine andere Quelle benuzt Chron. 98); Jo. Sul- 
pitii Verulani (aus Verulum in der Campagna, humanistischer Lerer zu 
Rom unter Innocenz VIII, erster Herausgeber des Vitruv und Erklärer 
der Kriegsschriftsteller Vegez, Aelian und FVontin) De moribus pue- 
rorum Carmen iuvenile, oft einzeln oder mit Anderm gedruckt. Älanus 
(vgl. Alemannia VI 72) hat manches Sprichwort versifizirt, was man 
one die Quelle zu kennen noch heute zitirt, z. B. f. 208: 

De nuce üt corylus: de glande fit ardua quercus, 

De parvo puero saepe peritus homo. 
Franck Spr. I 75a, II 92: Auß kindern werden auch alt leut. f. 220: 
Bos semel est vitulus, semel est canis ipse catellus. f. 224: Mille viae 
ducunt homines per secula Romam (allegorisch für Himmel). Vile Weg^ 
füren nach Rom. f. 117b: non minor est risus de servo quando leva- 
tur In dominum — asperius nihil est humili dum surgit in altum. 
Franck Spr. II 93b. 



61 

Sulpwins Verulanus^ die moralischen Distichen des Cafo und die 
Parabeln des Alanus. Er begleitete sie mit einem ausfiirlichen 
Kommentar, worin die Metra erklärt und eine Fülle sprachlicher 
and sachlicher Gelersamkeit mitgeteilt ist. 

Die psetido-virgilischen Stücke : Vir bonus, De ludo, De livore, 
De Venera et vino, De litera Pythagorae, galten, auch als Virgilii 
epigrammata ethica betitelt, bis in die Mitte des 16. Jarhanderts 
als echt; Sebastian Brant hat am Ende seines Narrenschiffs den 
„Vir bonos'' übersezt, „der wis man'' {2jamche S. 114), den uns 
in seinem Oedicht gezeichnet „der hochgelobt Virgilius." So zitirt 
Franck im ^^Laster der Trunkenheit^^ 1528 das Gedicht De Venere 
et Tino : ,,Das laster hat Virgilius gehaßt, ein aygenn Carmen da- 
nonn gemacht." 

In den Paradoxen 1534 No. 58, 59: „alle ding ist gespal- 
ten ynd ain gabel, wie das ypsüon^ der buchstab Pi/thagore, y^ 
welches Yirgüius ftir die wegschaid, vn zwen weg anßlegt, nem- 
Kcb der tftgent vnd vntugent." 

Der Erläuterungen des Ascensius zu Cato erinnert sich Franck 
bei Abfassung der „Ouldin Arch" 1588 Bl. 166b. 

Aus Wimphelings Adölescentia Straßburg 1500 4^, c. addit. 
1505 (die ich benuze) u. ö., stammt nicht bloß die Bezeichnung: 
Proverhia Senecae in Francks Spr. 1 Bl. 63b (vgl. Adol. f. 60), 
obwol er die Erasmische Ausgabe benuzt und den Publ, Mimus 
Spr. II 39b wol kennt, sondern auch mancher Spruch, z. B. 

Laster der Trunckenheit 1531 Bl. 12b Ovidius spricht: Die 
Nacht, der wein, vnd die lieb rattenn nichts rccbtschaffens. 

Adol. f. 51b aus Ovid.: 

Ck>ntra amorem, noctem et vinum. 
Noz et amor vinumque nihil moderabile suadent. 

Ula pudore caret, Liber Amorque metu ^). 
Spr. II 147b: Occasio facit furem = Ad. Bl. 78a. 

Spr. II 91b: Non est tu tum scribere in eos qui possunt pro- 
sdibere. 

I 145b: Es ist bdß wider die schreiben, die mftgen ver« 
treiben *). 



1) Adol. fol. 75: Carmen Phüomtm (Locher) ex Plautino dicterio 
in Bacchidibus translatum; istoc illecebrosius Heri nihil potest, Nox: 
▼inum: mulier: homini adulescentulo , quod pius auditor et rationis 
compos sepius perlegat, am Rande die Bemerkung: 

Nox noctis nocti noctem nox nocte nocebunt 
Per casus omnes animi sententia quadrat. 

2) Macrob. Sat. II 4 med. Temporibus triumviralibus PoHio, cum 
fesoenninos in eum Augusius scripsisset, ait: at ego taceo; non est 
enim faoile in eum scribere qui potest proscribere, Laur. Vatlo bestrei- 
tet gleich im Anfang des Libellus de donatione Constantini den Saz: 



62 

Adol. Bl. 79 aas den Sententiae FranciBci Petrarche: Non 
est facile in eum scribere qai potest proscribere; und 
Ad. Bl. 78: Calamitas raro sola venit. 
Spr. II 63a, 143a: Nulla calamitas sola. 

Kein vnglück (kompt) allein. 
Ad. f. 79b: Veritas amittitur niminm altercando. 
0. Arch Vorr. : Nimium altercando v. a. 

Wimphelings Adolescentia ^) war ein bedeutender Schritt hin- 
aas über Seb. Brants Schulbücher Cato und Facetus, jener in an- 
tiken Hexametern, diser in mittelalterlichen Leoninen; sie gab 
prosaische und poetische Stücke aus altern und neueren Autoren, 
und nur ganz vereinzelt noch einige Leoninen; sie veranlafite ins- 
besondere die Münsterer zu neuen Schulschrifben. 

Sie bot auch biblische Sprichwörter, und zwar des alten Testa- 
mentes, ex Proverbiis Salomonis, ex Ecclesiaste = Eoheleth, ex Ek^cler 
siastico = Sirach. 

Polydorus Vergüius Urbinas (f 1555 in Urbino), berümt durch 
die Schrift De rerum inventoribus Venedig 1499 u. ö., hatte die 
neutestamentalischeu {Proverbiorum libellns Venedig 1498), Erasmus 
die klassischen Adagia (Paris 1500) gesammelt. 

Buschius edirte zunächst für die Schule in Wesel, dann ad 
studiosorum quorumque utilitatem Diciata — ex Proverbiis sacris 
et Ecclesiastico. Köln, Conr. Cäsar 1518 4^. Die leoninischen Denk- 
verse der Proverbia communia, die schon den Bebel zu einer pro- 
saischen Sammlung deutscher Sprichwörter (bei Franck Spr. I 75b 
fg.) gereizt hatten, wurden von dem Münsterer Anton Ikinnicius 
(Tunniken) in klassische Hexameter umgewandelt und fast um 
das doppelte durch westfälische Sprichwörter vermert. Der £pi- 
logus an die Schuljugend weist durch seinen Inhalt auf Adol. f. 
76b Moralitates pro pueris. Auch MurmeUius nam in seiner 
Fappa puerorum esui atque usui percocta, Köln Mart. v. Werdena 
1513, lat.-deutsche Sprichwörter auf (bei JVawcÄ Spr. I 74). Ueber 
Fcibri de Werdea vgl. Suringar, Erasmus Einl.; Alem. V 140. 

Wimpheling hatte bloß aus Ovid Excerpte gegeben, flores 
excerpti de operibus Ouidij: cuius opera cum pueris et adolescen- 
tibus non sint integre tradenda: utile tarnen est honestiores sen- 
tentias non preterire preeipue que ad mores attinent : et que apud 
sacros doctores et ipsas legum glosas passim inveniuntur. 

Murmellius Chrestomathie, deren Ueberschriften mit denen 



Nolo scribere in eos qui possunt proscr., da es die höchste Tagend sei, 
wie es den höchsten Rum und Lon verdiene, zur Verteidigung der War- 
heit und des Rechtes das irdische Leben aufzuopfern und das himm- 
lische Vaterland zu erreichen. 

1) Vgl. F. A. Lcuige, die Schlettstadter Schule in Schmids Pädag. 
Encyd. 



64 

I 74a Amor amaror (aus Bapt. Mant.). 

B. Plaut, ex Cassina: Amare occipere amarum est. 

I 28b Pudor seni pudor, iuveni decor (wol von Franck in 

diser prägnanten Weise). 
B. PL Decet verecundum esse adulescentem. 

In adulescentibus indicium e8t probi ingenii verecim- 
dia, in senibus vero nullo modo. — Diogenes: mbor 
est color virtutis. 

II 23a Gaudii moeror est comes. . 
B. PI. Voluptati maeror comes. 

Franck hatte demnach, wie wir sehen, aus den Quellen la- 
teinischer Poesie eifrig schon als Student geschepft und merte auch 
später seinen erworbenen Schaz. 

Wie sah es aus mit seiner Kenntnis des Hebräischen? 

Chronik Bl. 2 : Gottes zehen namen in der heiligen schrifft, 
der erst Hl laut stark, der ander FAoe dz laut forcht, der iij. 
Sabaoth^ das' ist ein Fürst der himmlischen h6rscharen, der iiij. 
Zelion oder Bamathel^ das laut der hoch gott, der v. Eyd das 
laut, der da ist, der vj. Adonay, das laut der Herr, der vij. heißt 
Tay das laut heiliger geist, der viij. Tetragrammatofiy das ist der 
vnaussprechlich namen, dauon oben, der ix. Saday dz laut AU- 
mechtig, der x. Eloym dz laut die götlich maiestat vnd drey 
einigkeif . Ebenso Quid. Arch 39b: die vier vnleslich buchstaben — 
deuten nicht dann ein ploß, ist^ oder sein, dann Hih laut bey den 
Juden sein, dauon der vnleslich nam Gottes herkompt, Jhuh^ so wir 
Jehouah lesen, sonst hat er von seiner art vnd krafft neun nam- 
menn — — Elpim (1. Eloym) laut die allwissend Göttlich Ma- 
yestet. 

Man sieht, daß er die Buchstaben Ajin :? und ^ Zade ver- 
wechselt, denn es gibt kein Zelion^ sondern yvis^ LXX o vtf^WTog; 
der andere Name ist aus Psalm 149, 6 : *^N niüQ'n Vulg, exal- 
tationes dei. Da die Hebräer von der Rechten zur Linken lesen, 
so ist Eyel falsch : "»n bwV, 6 9ebg ^(Zv. Statt eloe (elohej) = stat. 
constr. von elohim war der Singular eloah zu sezen ; niC<niC '^•1-^ 

in LXX oaßßawd- und navwxQdnoQ = Schaddaj "^ip; demnach 
kann von grammatischer Gr&ndlichkeit nicht die Rede sein. 

Vom Griechischen kannte Franck mer als bloß die Buchstabeny 
,er gebraucht vile neutestamentlicho und rhetorische Ausdrücke] den 
Inhalt griechischer Schriftsteller jedoch hat er nur mittelst latei* 
nischer Uebersezungen erfaren. 

Einem Melanchthon gegenüber war Franck in beiden Sprachen 
ein indoctus^ wenn er auch nicht den Spotvers und Professoren- 
wiz verdiente, vor Studenten verhönt zu werden als Indoctae Fran- 
cus conditor historiae; ein gerechtes Urteil mäste auch die Vor* 
zügo und Verdienste hervorheben.. 



M 



Die Gurrende in Süddeutschland, Nachtrag zu Alemannia 

VI 80 Anmerkung 1 

Daß auch in Süddeutschland — wenigstens nach Luthers 
Auftreten — der Currentgesang gepflegt worden, hat Archivrat 
Dr. Gmelin in Karlsruhe nachgewisen in Fleckeisen-Masius , Neue 
Jahrbh. für Phüol. und Päd. 1870 II. Abth. Heft 10 S. 504 bis 
508 : Gurrende in Speyer 1540, und in der Zeitschrift für Gesch. 
des Oberrheins Bd. XXVI S. 471 — 76: Weihnachtsgesang der 
Waisenhausschüler in Pforzheim 1738. 

Ich verdanke dise Nachricht der gütigen Mitteilung des ge- 
lerten Verfassers beider Artikel. Dr. Franz Weinkauff 

Köln Gymnasial-Oberlerer a. D. 



Ortner^ Schulrektor in Ulm 1521, vor der Ausgabe des Falgentius): 
Si de commeatu necessario queris? In agro nostro Bavario Cererem co- 
piosissiraam habes, reliqua vitae necessaria abundanti gremio natara 
suppetit; piscosos lacus, fluenta amenissima, Danubiialveum foecundissi- 
mam in foro obsanario sentimus; praeter Cerevisiam, Aegyptiorum in- 
ventum, Orientalis Franoia, Athesina vindemia, Rhenana ac Neccharea 
plaga, et vitis indigenaf nostros cados, nostra dolia, cellasque vinarias 
gratiose replet. Quid de amenitate loci dicam? Si prata, camporum 
planiciem, hortorum iucundissimum situm, vicoram ac platearum spa- 
tiosissimam latitudinem, popuii simplicitatem ac credulitcUem consideras, 
nullum in Germania Gymnasium comparari poterit. 

Zu S. 30. Franck redet nirgends von Sttccuben; bei den Römern 
wie im MA. war succuba = adultera, pellex. Im Hezenhammer: Quo- 
modo incubi procreent? Incubi (iunt succumbi etc. Diefenbach: sac- 
cubus, eyn alpe der mannen; eio vnder, incubus ob-liger in coeundo; 
erst der Jesuit Delrio (Löwen 1599) spricht von daemones succnbae. 
Der Zürcher Wundarzt Jak. Rueff (De conceptu et generatione Tiguri 
1554 4., recogn. Francof 1580 4. c. figg.) erzält p. ^ nach Vincentius, 
Nat. Spec. III 26. 27 von einem succtäms daemon; die Lohengrin-SaLge 
lautet bei im: Affert Coloniae Agrippinae in palatio quodam ad Rheni 
littus mnltos primates quodam tempore consedisse, qui dum forte in 
aquas despicerent, vidisse militem quendam parva navioula vectnm, na- 
viculam cygno praenatante, argentea collo iniecta catena, trahente, di- 
misso cum navicula cygno in littus exiliisse, ibidem uxorem dnxisse 
multosque ex illa liberos procreasse. Aliquot autem annis exactis re- 
natante vacua navicula et praenatante ut prius cygno eundem in navi- 
culam se denno recepisse neminique porro apparuisse, liberos autem 
illius illic ad multam aetatem advixisse. Hunc autem incubum daemo- 
nem foisse crediderunt molti, qui viri forma tot annis foeminae coha* 
bitans, tantis usus praestigüs simolatos uteri tumores simulatosque par- 
tns suppositis alinnde furto sublatis infantibus ediderit. 



68 

Beiname Säue zu Teil. Die Dachtlemer nennt man auch Stein- 
krättle wegen der steinichten Berggegend. 

Der Unname der LieheU^erger ist Beatshira (Reinhardsbirnen), 
derjenige der Stammheimer Tannenzapfen^ weil dise vilfach dem 
Sammeln dises Walderzeugnisses nachgehen. Die von Schmieli 
sind Gerstentoänste f ganz änlich wie die Pleidelsheimer im Mar- 
bacher Amte von einem Hanptnarungsmittel derselben Hirsenbäueke 
genannt werden. Die Deckenpfronner haben zwei Uebemamen, 
sie heißen Haberbreitvadel, was daher kommt, daß sie den Haber- 
brei in sogenannte Sutterkröge, Wasserkrüge mit engem Hals, 
eingefüllt und solchen dann nicht mer herausgebracht haben sollen, 
und Berläbengel, weil sie vil Kuchen, dort Berta (beda) genannt, 
verzeren. Die Gechinger sind die Hasen^ auch Schuppd, was so- 
vil bedeutet, als auf iren Wiz eingebildete Leute. Die Manakamer 
werden Häffeler genannt, von irer Aussprache, Häffele ^ Häfe- 
lein (alte Quantität); die von Unterhaugstett Knarringery ein Un- 
name, welchen sie dem Pfarrer Barth verdanken, welcher den Ort 
in seiner Erzälung ^die Drei im Brautstnhl^ Knorringen benannte. 
Die Neuhengstetter endlich, Waldenser welche am Anfang des 
vorigen Jarhunderts sich hier ansidelten, werden vermöge irer Ab- 
stammung in der Gegend allgemein als die Welschen bezeichnet. 
Aus der nächsten . Umgebung des Bezirks mögen angefElrt sein die 
von EUingen bei Leonberg, welche Eselsoren heißen sollen, und 
die von GüUlingen Oberamts Nagold, die man Deinsen nennt; beim 
Ort gibt es einen Deinselgraben, dessen Benennung lebhaft an das 
in Ulm befindliche Deinselsgäßle erinnert. 

Ganz eigentümlich ist die Benennung, mit welcher sich die Be- 
woner zweier hart an den Bezirk anstreifender Striche des Neaen- 
bürger Oberamts gegenseitig belegen : die der nordwärts gelegenen 
Orte Grunbach, Salmbach, Kapfenhardt, Engelsbrand und wol auch 
noch Waldennach sind die Keßler, die in den südlicher gelegenen 
Ortschaften Biseisberg, Ober- und Unterlengenhardt, Söhömberg, 
Schwarzenberg, Zainen, Maisenbach (und Igelsloch?) die Zumpfeür 
oder Zumpfelhansen, Dise Benennungen sollen wol auf die Her- 
kunft und ursprüngliche Lebensweise der früheren Ansidler hin- 
deuten, wornach wir dort nomadisirendes Volk, „ Keßlers volk*', hier 
bäuerische Bevölkerung hätten. Zumpfder werden in Ulm die- 
jenigen Leute genannt, welche aus dem Entleren der Abtrit- 
gruben ein Gewerbe machen und würde somit unser Scheltname 
dem Nachtkönige in Baiem entsprechen. Augsb. Wb. 287. 440 ff. 

Ein Neckreim, welcher drei arme Gemeinden des Nagolder 
Amts, hart an der südlichen Grenze des Calwer Bezirks gelegen, 
illustrirt, lautet: 

Wenden, Warth und Ebershardt * 

Holt der Teufel auf ^iner Fahrt. 

Ein anderer zimlich verbreiteter Scharsreim hmmjt 



70 

deutsche nnd romanische Sprachwissenschaft verdient machten und 
den Arbeiten der Gebrüder GrHmm und der neuern Sprachforschung 
«wesentlich vorarbeiteten, ganz besonders den Historiker Daniel 
Schöpflin^) (1694 — 1791), welcher einen mächtigen Anziehungs- 
punkt für Ausländer bildete. Im Badischen geboren, ^n Basel und 
Straßburg gebildet, hat er seine praktische Wirksamkeit an der 
elsäßischen Universität gefunden. Er verband in sich eine Reihe 
der seltensten gelerten Eigenschaften und der versohidenen For- 
schungsrichtungen. Um eine vergangene Zeit zu rekonstruiren, 
bediente er sich aller Mittel der heutigen Archäologie ; Schriftsteller, 
Inschriften, Baureste, Grabsteine, Altäre, Skulpturen und Münien : 
alles muß im dienen um ein Gesamtbild zu schaffen. Für das 
Mittelalter werden nicht bloß die Eroniken, sondern auch die Ur- 
kunden, Wappen, Sigel, Eunstdenkmäler herbeigezogen. Schöpfiin 
schreibt die Geschichte jedes einzelnen elsäßischen Adelsgeschlechtes, 
jedes einzelnen Ortes biß auf seine Tage. Landschaftliche Ansich- 
ten, Stadtpläne und Illustrationen unterstüzen die Erzälung. Außer 
Elsaß wandte er seine Forschungen auch dem rechten Rheinufer, 
Baden zu. Er war in disem Sinne ein Lokalhistoriker, aber seine 
wissenschaftliche Autorität reichte über das ganze gebildete Europa. 
Auf seinen Reisen wurde er überall von am ts wegen empfangen und 
geert wie ein Fürst. Er hat Berufungen nach Petersburg, Leiden 
und Wien ausgeschlagen, selbst die Ere, den künftigen Kaiser 
Joseph II zu erziehen, lockte in nicht von Straßburg weg. Die 
Akademien der Wissenschaften zu Mannheim und zu Brüssel wur- 
den unter seinem maßgebenden Einfluße gegründet'). Auch zu 
diplomatischen Aufti*ägen ward er von der französischen Regierung 
und von seiner Vaterstadt verwendet. Es war unzweifelhaft die 
Persönlichkeit Schöpflins, welche der Universität Straßburg einen 
neuen Glanz verlieh nnd zalreiche auswärtige Besucher anlockte. 
Durch die Nähe Frankreichs und die bequemere Gelegenheit fran- 
zösisch zu lernen war Straßburg noch unter deutscher Herschaft 
gerne von der vornemen Weit aus allen Teilen Deutschlands be- 
sucht. Seit der Annexion hatte diser Besuch abgenommen, hin- 
gegen seit der Mitte des 18. Jarhunderts fanden sich wider eine 
Anzal Prinzen und junge E^elleute ein, um sich im französischen 
zu vervollkommnen und die Völkerrechtskurse zu hören, die hier 
regelmäßig gelesen wurden. Zu gleicher Zeit waren auch die 
Naturwissenschaften durch tüchtige Kräfte vertreten. 

In Begleitung solcher reisender Großen kamen Herder (zu 
Anfang Sept. 1770) und Lenz nach Straßburg. Am 2. April 1770 
folgte Goethe nach und blieb bis Ende August 1771. Er trägt 
sich da mit Stoffen der deutschen Geschichte und faßt erst recht 



1) Alem. n 191 ff. 

2) Lorenz und Seberer, Geschichte des Elsaßes. 2. Aufl. 387 ff. 



72 

kleinbürgerlich beschränkten Wesen, wie es sich in den Erzälungen, 
Gedichten and Fabeln desjenigen spigelte, der bis in die neueste 
Zeit als das Haupt der Els&ßer Dichterschale betrachtet ward, 
wir meinen Conradin Pfeffd, Sie legte ire Geisteserzeognisse in 
dem von Ehrenfried Stoeber, dem Vater der beiden Stoeber, her- 
aasgegebenen alsatischen Taschenbach nider, an dem auch Hebel 
Mitarbeiter war. Eine der yier Melodien, welche den CMichten 
Hebels beigegeben waren, war im von Kolmar zugesendet worden. 
Welche Vererung Hebel im Elsaß genoß, mögen uns die 
Worte sagen, mit denen Ehrenfried Stoeber bei der Nachricht yon 
Hebels Tode (22. September 1826) der Trauerstimmnng Aas- 
druck gab: 

Die III an die Wiese^) 

Was hawwi gheert, i bin ze Straßburrj gsinn, 
Der Hewel todt! ... I weiß nit wo i bin! 
Der Hewel; ach der gueti liewi Mann, 
I mueß halt grine^), was i grine kann. 
I ha, Gott weiß, ne n-arri') viel geliebt, 
Nurr^s Pfeffels Tod het mi so hoch betrüebt. 

wen er kumme-n-isch ins Elsaß her, 
Hawwi gelustert^) noch 're neue Mähr, 
Noch-e-me Spässel, emme neue Lied, 
Bis Mitternacht war i nit worre müed. 
Vom Yrenli, Agathli, vom Morjestem 
Un au vom Zundel frieder beer i gern. 

Jetz ischs verbej, jetz kummt er nimmi meh. 
Wie bobbels ^) 's Herz, wie duen mer d'Aue weh ! 
Gern het er's g'sehn, wen sich e Flüssel dräjt 
Durch d'Blueme hien, er het es nit verschmäiht. 

gueti Wies*! o du, sie liewes Kind. 

1 wott jo gern daß i di tröste kinnt! 



scheint auch dieses wieder verliegen zu bleiben oder einen sehr lang- 
samen Gang wie alles zu gehen, da die Königin mit Hartmann den Ka- 
lender nun selbst redigieren will. Es versteht sich, daß er auf nichts 
Politisches ausgeht, Belehrungen fürs Volk u. s. w. Sollte man aber 
die Sendungen Hebels nun unbenutzt lassen — so wäre es mir leid, da 
ich ihn für die Sache zu gewinnen suchte. So scheint dem Land im- 
mer ein Frühling zu blühen — aber er kommt nie zur Reife, weil der 
Teufel mit seinem Schwanz immer wieder über alles herfahrt." Wir- 
temb. Vierteljahrschrift I 222. AB 

1^ Elsäßer Schatzkästlein^ Straßburg 1877 bei Schulz S. 62. u. ö. 

2) weinen. 

8^ arg d. h. ser, superlativisch allgem. oberrh. 

4) nachgeforscht. 

5) kloprt. 



74 

ander, fließen in einander über. So schreibt Hebel unterm 7. Angnst 
1818 nach einer wie es scheint kleinen Verstimmung an Frau Haufe: 

9 loh finde etwas so Liebliches in der Aussöhnung mit Ihnen, 
daß ich nicht gut dafür stehe, ob ich nicht noch in diesem Brief 
zum zweiten Mal mit Ihnen anfange, wie Gmelin ^) in Valencia sich 
von seinen Strapatzen so angenehm erholte, daß er allemal wünschte : 
»wenn ich nur schon wieder müd* war«. Wenn ich nur schon wie- 
der Verdruß mit Ihnen hätte!'' 

Gleich darauf folgt eine überaus reizende Ausfürung über 
eine religiöse Frage, die teilweise selbst wider ins Humoristische 
überget. 

„Hiemächst wäre ich Ihnen auf Ihren Brief auch eine schöne 
Vorlesung über die Vorsehung schuldig, die sich freilich im Garten; 
unter lieben freundlichen Menschen besser halten ließe. Denn wenn 
ich steken bliebe, fiele Ihnen vielleicht ein schöner reifer Apfel 
vom Baume herab, wo noch viele Hundert hängen, in den Schooß, 
oder ein lastiger Vogel begänne auf dem nächsten Aste seine Lob- 
rede auf die Vorsehung in lebendigen Accenten, odeji ein Kindlein 
schaute eine Blume au und lächelte. Sie haben wol Recht, daß 
der Mann, der das Bedürfniß eines Aufschlusses über den Zu- 
sammenhang der Dinge allermeist im Kopfe hat, am Ende zu 
einer ganz andern Vorstellung vor der Vorsehung kommen kann, 
als ihr Geschlecht, dem das Bedürfniß mehr im Herzen li^t, und 
ich wollte keinen Anstand nehmen, Ihnen meine Vorstellung mit- 
zutheüen, die mich sehr beruhigt, und hauptsächlich dahin ausläuft, 
daß wir nicht viel von der Sache wissen, und das Ende abwarten 
müssen, wie wenn wir zum erstenmal ein Haus bauen, oder einen 
Schuhmacher ein paar Stiefel zuschneiden sehen, zumal, wenn wir 
vorher noch keinen Fuß gesehen hätten. Allein, wenn mich meine 
Vorstellung nicht mer beruhigen wird, so wollte ich doch lieber 
zu Ihnen kommen und Sie um die Ihrige fragen; denn es ist mir 
nicht zweifelhaft, daß in einer so geheimnißvollen Sache das Herz 
eines frommen Weibes der Wahrheit durch Ahnen näher ist, als 
der Kopf eines Mannes durch Spekulation. Oder ist nicht eine 
fromme Mutter selber eine göttliche Vorsehung im Kleinen, wie 
das Wachslichtlein eine Sonne, und gleichwohl fragen Sie noch 
einen Mond? Doch davon einmal mündlich, aber die nämliche 
Vorsehung weiß, wann'' *). 

Auch die politischen Umgestaltungen, der Krieg der Allirten 
gegen Frankreich und die mit dem Krieg verbundenen Unannem- 



1) Der bekannte Botaniker und Verfaßer der Flora Badensis, 
der damals im Auftrage der Regierung nach Spanien geschickt wor- 
den war. 

2) Aus Hebels Briefwechsel, Freiburg 1860 Wagnersche Buch- 
handlung, S. 26 ff. 



76 

läßt. Man sollte das nicht glauben, daß Karlsruhe so wenig Bo- 
taniker habe, da doch die Botanik so sehr begünstigt wird, daß 
ausser den botanischen Gärten noch mehr als 50erlei Pflanzen des 
Feldes auf dem Marktplatz and in allen Gassen wild wachsen, 
was sich sonst in großen und volkreichen Städten nicht wol aus- 
führen läßt und es wäre keine Sache, wenn einmal Köllreuter, 
den er doch noch für den dritten will gelten lass^, eine Flora 
der Stadt Karlsruhe herausgäbe, mit Kupfern so schön, als sie das 
französische Werk da hat. Letztere findet der Ghurfürst, nemlich 
der Hofrath Gmelin, selber schön und will übrigens nicht behaup- 
ten, (ia/l er das Werk selber schon besitze^ wol aber die andern^ 
aus welchefi dieses größtentheüs abgeschrieben sei, wie alle franglh 
sischen^ ^). 

Eine andere Familie, mit der Hebel in freundschaftlichen 
Beziehungen stand, war die Familie Schneegans» Daniel Schnee- 
gans ist der Großvater des als Publizist bekannten August Schnee- 
gans. Hebel war zweien seiner Kinder Pate. Er wonte auf dem 
Waisengraben, wärend die Familie Haufe auf dem Fischmarkt 
wonte (beide zusammen nennt er gerne Klein-Straßbnrg). Zwansig 
Briefe Hebels an dise Familie und drei an den Schwesterson der 



Ausschmückung stehen — eines „Gehülfen des Öausfreundes^^ zu be- 
richten, der in seinen Gedichten und Erzälungen widerholt als ,^hlangen' 
fänger^^ und „Steindoktor^^, oder als „Ghruterma vo Bademler^^ vorkömmt. 
Es ist Karl Christian Omelin, geb. zu Baden weiler den 18. Merz 1762, 
t 26. Juni 1887 zu Karlsruhe; der jüngere Bruder des Kupferstechers 
Wilhelm Friedrich G. Studierte in Straßburg und Erlangen Medizin 
und ganz besonders Naturwissenschaft, promov. 1784 zu Erlangen, prakt. 
Arzt und Lerer am Gymnasium in Karlsruhe bis 1884, also volle 60 
Jare! A. 1786 Direktor des fürstlichen Naturalienkabinets und Inspek- 
tor der botanischen Gärten. 1789 wissenschaftliche Reise nach Spa- 
nien, 1794 geleitete er die wertvollen Sammlungen nach Ansbach. 
Später Visitator, Examinator der Aerzte und Apotheker. 1797 Hof- 
rat. 1814 Mitglied der Bergwerkskommission. Sein Hauptwerk ist die 
Flora Badensis Alsatica. Alljärlich machte er zur Sammlung seines 
Materials Reisen im Lande, wozu im von der Regierune Urlaub und 
Geldmittel verwilligt wurden. Als Lerer ward im die Freude einen 
Alexander Braun aus der Zal seiner Schüler hervorzuheben und disen 
Lieblingsschüler zum vilbewärten Freunde werden zu sehen. In dem 
wachsenden Reichtum des Naturalien-Kabinets lagen die Beweise seines 
überlegten Sammeleifers deutlich vor; der seiner Leitung anvertraute 
botanische Garten stand in den Kreisen der Naturforscher in hohem 
Ansehen. Wenn im Urninge des gewönlichen Lebens etwas Ernsthaftes 
den Grundzug seines Wesens bildete, so hinderte in diß nicht, zur ge- 
selligen Unterhaltung recht vil und meistens mit großer Lebhaftigkeit 
aus dem reichen Schaze seiner Erfarungen und seiner Reiseerlebnisse 
beizutragen. Stammbaum der Familie Gmelin für die Mitglider und 
Freunde der Familie dem Druck übergeben (von Archivrat Dr. G.) S. 
LI ff. Ebenda noch weitere litt. Nachweise. AB 
1) Längin, J. P. Hebel S. 211. 



78 

geweeen ist. Ich laafe keinen DreipMndern nach; Ja, ich traae 
mir 2u, daß ich aus dem Wege gehen würde , wenn mir einer 
nachlief.^ 

Andere Briefe geben einen Einblick in seine litterarische Be- 
schäftigong. So schreibt er in No. 8: 

,,Znm herzensfreondlichen Ghruß habe ich an das Klein- 
Straßbnrg einen Kalender, Yoriänfig und einsweilen im Werth tob 
20 Thh*.. geschickt. 

Bekanntlich ist die ganze Auflage des Kalenders anter das 
Siegel der hohen Poliseibehörde gelegt nnd ist obige Strafe darauf 
gesetzt, wer einen aosgiebt, wer ein Exemplar hat, und es sehen 
läßt, maß sagen, von wem er es bekommen hat. Der ,fromme 
Rath^ war ein böser Rath, der irgend Jemans, wers beaahlen maß, 
die Kosten des Umdrucks von 2mal 40000 Blftttem kosten wird. 
Ich habe an dieser Sache keine Sünde, darüber will ich mich ridi- 
ten lassen ohne Furcht yor der Ghorgemeinde der unfehlbareD 
Liebfrauen Kirche, die da ist in Klein-Straßburg.*' — 

Dise Bemerkungen beziehen sich auf die Erzälung im Kalen- 
der vom Jare 1815 „der fromme Rat^, in welcher ein Jüngling, 
dem auf einer Brücke zwei Oeistliche mit dem „Allerheiligsten" be- 
gegneten und er nicht wüste vor welchem er niderknien sollte, von 
dem einen Oeistlicben den Rat erhält, zum Himmel aufzuschauen. 
Auf die tadelnden Bemerkungen einiger angesehenen Katholiken 
schrit die Regierung ein und unterdrückte die Erzälung; später 
kümmerte sich sogar der päpstliche Nuntius um dise Angelegenheit 
Oefter liebte es Hebel seinen Freunden gereimte Episteln 
zuzusenden. Die nachfolgende Probe bezieht sich auf den Ge- 
danken Hebels, von Karlsruhe wegzugehen und die neuerrichtete 
evangelische Pfarrei Freiburg zu übernemen; ein Plan^ der la 
merlei Nachreden one Orund Veranlassung gab. Er redet von der 
Verleumdung, dunklen Wolken, die einen Straßburger Freund um- 
hüllten, und endlich der Sonne der Warheit weichen musten and 
färt dann fort: 

Also erginge vor lützel Zeit 

Mit meiner eignen Wenigkeit. 

Denn als er (der Ghurfürst) zu mir sagen thät: 

Ich hör sein Sinn nach Freiburg steht, 

Bleib er hienieden wenn*s beliebt, 

Allbier es auch noch Batzen giebt ; 

Bald hieß es in der ganzen Stadt : 

Der Hebel wenig Gönner hat. 

Absonderlich der Ghurfürst ist 

Ihm gar nicht grün zu dieser Frist: 

Ist sonnenklar! der leichte Spatz 

Muß machen einem andern Platz, 

Und während dieser Emdte hält, 

Der Nachles' pflegen in dem Feld. 



80 



Volkstfimliches : Aberglauben 

IV 

Aberglauben l Der Mann oder die Fraw sol trincken den 
schäum j so ein hose zwischen dem maul hat^ wenn er kraut isset 
oder kewet — von stund an empfahet sie. — Vgl. Gesner-Forers 
Tierbuch ßl. 71b: „so ein weyb die hasenhöden zum end irea 
flusses isset, so empfacht sie einen sun. — Die M&ter der Hasen 
gedert ynd das bulver in wein getruncken gibt ursach der em- 
pfengnuß.'' Bl 72a. 

2 So ein Fraw jr zeit zuuil hat — brenn laubfrösch £U 
(iscJicn^ hencks der frawen in einem secklin an den hals« — Vgl. 
Gesner-Forer 168a: „die äschen von den gebrannten fröschen 
(Wasserfröschen) ist ein be warte blutstellung zu allem bluotfluß, 
von wannen er komme.' ' 

3 Das ein Fraw leichtlich geber — bind jr an die linck 
hufft bilsenhraut wurtz^ also das du den knöpf bald wider aoff- 
ziehest wenn sie gebiret und die wurtzel hinweg werfest. 

4 Das geblüt ncuih der gehurt von einer Frawen ze treiben 

— capaunen hirnschal zft puWer gestoßen, gib es jr ze trincken. 

— Von dem Schinbein der Capaunen heißt es bei Gesner-Forer 
85a: „etliche vermischend sie under die arzneyen so wider den 
weißen fluß der Weiber bereit werdend." 

5 Die beller (Zanfleiscb) der kinder, die zahnen, sol man jn- 
reiben mit hctöerüdm und hennenschmalz oder mit hundsmilch^ 
wann jr eygenschaft ist ze milten den aufifgang der zen. — VgL 
Gesner-Forer 71a: „So den jungen kindern jre bilderen mit ge- 
kochtem oder gebratnen hasenhirne bestrichen wirt, so sollend 
jnen ire zän on allen schmerzen hierfür schlieifen; dann sein krafit 
ist gleich dem honig und ancken in solichem faal." Von der 
Hnndsmilch 88b: „Eschen von den gebranten Hundszänen mit but- 
ter die hüderen gesalbet macht one schmerzen zanen. Hundsmilch 
an die ort gestrichen da man wil die außgerauiten haar nit wide- 
rumb wachsen ist gut vnd in die oren getröu£Pt, nimpt hin jren 
schmerzen.' ' [So einer das kindt vor der zeit abgeht: Man soll jr 
ein lebendig zerstossenen krebs in altem wein zetrinken geben. 
Orecelius.] 



Basel C. Detloffl879. Meine Alemannia, Alemannische Sprache kennt er 
nicht. Es wird den Käufern des Buches noch eine Formenlere nachgelifert. 
Ich habe selbst seit 10 Jaren ein Wörterbuch der Heberschen Sprache 
angelegt und es vor kurzem nebst Grammatik zum Abschlüsse gebracht. 
Ich will es demnächst in der Alem. veröffentlichen. Bitte aber die 
Leser noch etwaige Beitrage einzusenden. AB 



81 

Dr. Barthol. MerUngers der Weiber ntMrUche HemUchkeUen 
Alb. Magni {Augshwrger) Frankf. 1531 4\ 

6 Vom Cyclamen, Säubrod: „aber die Weibsbilder sollen ferne 
dsTon bleiben, weil, waun ein Schwangeres Weib nur darüber 
gehet oder darauf tritt, sie großen Schaden dayon empfangen kan, 
dahero sie am sichersten, weilen sie ohne das unachtsame nieder- 
trftchtige Blümlein tragen in Scherben oder Kästlein oder sonsten 
in einem solchen Ort gepflanzet werden, da sie nicht leichtlich 
Schaden nehmen können." Lonicerus und Lonic. Uffenbach warnen 
die Weiber wol vor dem Linsenkraut, wenn sie schwanger sind, 
-vor dem Gyclamen keineswegs. 

DeUciae Hartenses 8. 77^). U. Bock-Sebiz 714 (1630). 

7 Vom Laurus, Lorberbauim\ „die Weibsbilder sollen sich 
tempore menstrui gar nicht zu ihnen nahen" ebenda 155. Vgl. Alem. 
III 133 ff. Davon wißen die bekanteren altern Pflanzenbücher 
nichts. 

8 Vom Capillus Veneris, Mauer-Bauten: „das Kraut hinter 
■ich bei abnehmendem Mond angehenkt ziehet die Flüsse der 
Augen zurück und hilft ihren Gebrechen ab'' 215. Die Kraft und 
Wirkung außer- und innerhalb des Körpers wird vilfach in den altem 
Pflanzenbb. angegeben, unseren Gebrauch kennen sie nicht. 

9 Von den Zisererbsen: „Andere wollen, man solle sie im ab- 
nehmenden Mond Stupfen, wanns neun, zehen, oder eilffe schlägt 
und geben vor, je mehr es schlage, je mehr Erbsen in einer Hül- 
sen werden, aber da heißt es wohl vanitaa vanitatum et omnia 
vanitas'' 297. 

10 „Die Alten, wenn sie etwas säen wollten, observirten, an 
wdehem Tag der Christiag gewesen, an selbigem hatten sie ges&et 
vor dem Neuen: An selbigem Tag haben sie auch ihre Stock ver- 
seilt, .ihre Zwibel ausgenommen; ist ein altes einfältiges Gläub- 
kin, auf dessen Observation sie doch vill gehalten haben." 305^). 



1) Das ist Blumen- Artzney- Küchen- und Baumgartens -Lust. 
In Zwey Theile verfaßt deren der Erstere an die Hand gibt 1) Einen 
Blumengarten u. s. w. Erstmals herausgegeben von M. I. G. Müllern 
P. S. Nun aber bey dieser Siebenden Auflage zum drittenmal um ein 
Großes vermehrt und mit Modellen gezieret von M. G. F. K. P. M. 
Stuttgardt, bey Benedikt Metzlern und Christoph Erhardt Anno 1734 8^ 
Das Gartenbüchtein erschin zuerst 1675 unter dem Namen: Coropen- 
dinm triplicis Horticulturae das ist: Kurzer Entwarf eines dreyfachen 
Gartenbaues zum erstenmal an das Licht gegeben worden von Wey- 
land Herrn M. Johann Georg MüUem Pfarrern zu Stetten im Rems- 
thal (8 Bogen 12»). 

2) Unter Cap. XXXll „Von den Wurzelgewächsen" stet: derVrf. 
habe för geringe Leute geschriben und zwar noch dazu wie die 
Küchengew&chse auch zu kochen seien „weilen ich öfters wahrgenom- 
men, 1) Wieviel Studenten und Schreiber gefunden werden, so sich im 

Birliiiger, AU>in>nni> VII 1 6 



82 

11 Von dem Amethyst^), In dem Werke: j^AdeUche Weyd- 
toercke \ Das ist^ | Aufifährliche Beschreibung vom Jagen^ 
anjeteo von neuem an Tag gegeben und zum \ Druck be- 
fiedert. I Franckfurt am Mayn \ Bey Joh, Wühelm Anmon und 
Wilh. Serlin Buchh. | Im Jahr 166 1^ C4.) stet 8. 257 i^er die 
Wunderkraft des Amethystes folgendes zu lesen: Daß ein Jäger 
gut Glück zum jagen habe. Wiewol Glück und alle Güte allein 
von Gott kommen, so schreiben doch soDsten die Naturkündiger 
vom AmeÜUBten, wann den die Jäger und Waydlenthe bey sich 
tragen, so sollen sie zur Jagt und zum Streit gut Glück haben, 
und Barth. Anglicus vom Lipparo Lapide: wer den hat, and da- 
rein sihet, zu dem kombt alles Wild, und sihet ihn an. — Kurz 
vorher (8. 253)^ unter der üeberschAft: „Daß einem die Hirsch 

biß in die Netze nachfolgen ^ Es schreibet Barth. Angli- ' 

cus vom Lipparo Lapide, wer den hat, und darein sihet, zu dem 
kombt alles Wild, und sihet ihn an. So schreiben sonst die Na- 
turkündiger vom Araethisten, daß, wann den die Jäger und Weyd- 
leute bey sich tragen, so sollen sie gut Glück zur Jagt, und zum 
Streit haben (Erk). In K. von Megeffbergs Buch der Natur (Pfeiffer 
432) heifit es: der stain h&t die kraft, daz er der trunkenhait 
widerst^t und macht den menschen wächig und vertreibt die poe- 
sen gedänk und pringt guot Vernunft u. s. w. Das biblisch Edeh 
gesteinbüMein^ das ist Abcontrofähurg , beschreibung und Geist- 
liche bedeutung der 12 Edelgestein ti. s. w. durch Jacöbum 8chop- 
perum 1614 8. 171: machet den Menschen wacker und sittsam 
vertreibet die trunckenheit und so er auf den Nabel gebunden 
wird, soll er die Trunckenheit verhindern und au£Fhalten, auch mr 
Jagt und zum Streit grosse Krafft haben, das Gedächtniß schär- 
pffen vnd den Schlaff wehren, auß vrsachen, daß er die Dünste 
zum Haupt nit steigen last. Man achtet auch darfür, daß er dem 
Gift widersteht. - 

12 rfGibt es auch aufiernatürliche Kranckheiten und ZufäUe 
und was ist von den Bezauberungen zu halten? Daß die ganze 
Machina Menschlichen Leibes dem Leibe nach aus lauter natür- 



Hearathen also blind übersehen, daß sie zum öfteru Weiber freien, die 
nicht einmal wissen, wie die Küchen-Kräuter wachsen, geschweige daß 
sie gelernet hätten wie sie es kochen sollen, dahero oft einem besser 
wäre er gienge mit manchen Schweinen als mit solchen Herren zu Ta- 
fel. 2) Andere haben gewont so köstlich zu kochen und zu essen, daß 
sie es im Anfange ihrer Ehe also übermachen, daß sie es bis ans End 
schwerlich hinausbringen , sondern froh werden wann sie hernach aus 
dem Garten nur etwas Gutes kochen können*' u. s. w. 

1) Nach Weigand> DW I MO (1873) sollen die Griechen dem 
Amethysten die Eigenschaft, daß er den Rausch stille, beigelegt haben. 
Griech. lat. afjii&vatog, amethy stus, franz. am^thyste, darauß mittelhochd. 
der amethiste, amatist, ammetiste. Vgl. Lexer 1 51. (Erk.) 



83 

liehen Tbeilen suBanimengesetzt seye, lig^ klar genug am Tage« 
Ob aber also das natürliche mit wahrer Aasser-NatürJichkeit werde 
und könne überfedlen werden, davon lasse einem jeden seine Mei- 
nung frey nnd sage allein, daß, wann es aossernatürliche Krank- 
heiten oder ZnföUe gäbe und geben sollte, die van Teuffeiischen 
Säften herrühren und daß solche zu curieren ein bloß natürlicher 
Henech gans untauglich seye. Daß es aber heMuberte Zufälle gebe^ 
geben habe und noch geben könne, das will ich nicht sog^ wider- 
sprechen, ob ich schon davon in meiner vier- und dreißigjährigen 
Praxi kein wahrhaftes Exempel gesehen habe und noch keines zu 
sehen verlange/ Instituiiones Chirurgiae — kurze und cdlgemeine 
Lehre von der Wund-Ärteney — von Franz Widenmann^ der 
tayserl. freyen Eeichs-Stadt Augsburg — Augen- Schnitt- und 
Wundarzt. Augsburg Lotter 1734 S. 81 ff. ABirlinger 



Volkstümliches: SittengeschicIitlicheSy Rechts- 

altertfimliches 



1 Ein Instrumenium Notariatus iJÜber die beschehene solenne 
Pössessionsergreifung deß an Seine Herzogl. Durchl, zu Württem- 
berg von dem Freyherm von Bouwinghausen käuflich überlassenen 
AfUheüs an ÄUburg (bei Calw) und Weltenschwan vollzogen den 
25. und 26. Junij 1759 — enthält folgende Bestimmungen. Bei 
langer formel voller Besizergreifung des Schlosses durch den wir- 
temb. Cüommissar ward der Schloß- und Gartenschlüßel nebst au- 
thentischem Lagerbuche, Documenten und Lit'teralien „tradirt und 
übergeben*'. »Wie nun der herzoglich württembergische Herr 
Commissarius sothane Tradition sogleich feierlichst acceptiert und 
somit durch Aufmachung eines Feuers im Schloß, Malerei und 
Jägerey Haiuß deren Possession in toto complexu et pleno jure er- 
griffen.*^ Nach einer Ermanungsrede dem neuen Landesherm Un- 
tertan zu sein, erhielt jeder Bedienstete eine Gratification : 1 Maß 
Weiii und vor 2 Krz. Brot zu einer ^ Ergötzlichkeit*'. Nach di- 
lem Besten sich beide Gommissarien mit dem Notar auf die Pferde 
und ritten in die Waldungen, wo die beiden Forstknechte sich auf 
Anordnung dos Forstmeisters von Wechmar in Neuenbürg einfan- 
den^ sowie ein Dorfschüze. Nach den geschäftlichen Vorbereitungen, 
Berechnen der Flachen u. s. w. gieng es zu der von Bouwinghausen 
angelegten Hirschsulze (Lecke), allwo von dem v. Bouwinghausi- 
■chen Mandatario ein Zweig von einer Eichen abgehauen^ dem her* 
Mogk württemb. Herrn Commissario in Händen gegeben, von denen 
heeden Forstknechtent weU man, um der angeblümten schönen Fd- 



84 

der wiUen, nkht treiben lassen können, sich auch s<msten kein Witd- 
hrett sehen lassen ^ ewei Schüfie geihan — womit die Besieergrei- 
fang der Jagd angezeigt war. ^Anf dieses kamen wir wieder in 
Altbarg an, ni^hmen im Wirtshaase die Mittagsmalzeit ein and 
darnach bekam dieser ganze Aktns ein yergnügtes Ende/ Pap. 
Abschrift in Altbarg (Doli). 

2 Kleidung der Gericbteboten Sic in h&o incltOa JRepw 

blica Argentoratensi apparitores sive noncii utuntar- speciali ha- 
bita , cam bacalo , allhie tragen die Gericht-sboten oder die Her- 
rendiener, wie man sie nennet, einen halben weissen n^d rothen 
Rock and einen silbernen Stab in der Hand, quem, si tempore cita- 
tionis non habent praesentem, citatio est inefficax et nallias mo- 
menti; similiter Norimbergae nantii speciali atuntur habitu cum 
bacalo, alda sie blawe Röcke und Stäblein in der Hand tragen 
quod et alibi est receptam, maxime tarnen in Helvetia, da man 
sonderliche Stattbotten und Gerichtsbotten hat, qui majori digni- 
tate quam alibi fulgent. In Italia portant infulam rubeam vel 
baculum depictnm, seu aliud Signum ut birretum. In regno Burde- 
gallensi per civitates defernnt Testes ex rubeo et viridi disparatas 
sicut defernnt coosules et jurati civitatum. 

Gerhardt Meyhusch, Essendä-WestphcUus Disptäatio inaugu- 
rälis De JRegali Fostarum jure, ex jure civüi, Publico et Historicis 
deprompta — Ärgentorati, Literis Johannis Welperi 4^ 1667, 

3 Schwäbische Tracht 

a) Die muter ir ein rock oder drei, | zwen mentel, ein schwer 
bisch schüre auch dabei, | Wezker, schwebisch emd, güldn gürtl, 
schnür und zopf | u. s. w. 

0. Schade y Satiren dt FasquiUe I 168: Ein gesprech des 
Herrn mit S. Petro u. s, w. 1587 o. Ort, warscheinlich schlesi- 
scher Heimat eigen, 

b) £Hn Zwilchgyppen , zwen Bundtschuoch vnd ein Filtzhat 
ist jr Kleidung. Seb. Münster, Kosmogr. 4 bj. Vgl. in Alem. 
I 95 die bekante Stelle. 

c) Die Geyßf&l gäbend auch guot beiz und gefull, welche in . 
Schwaben von Weyberen gebraucht und getragen werden fär Frost 
und Kälte. Gesners Tierbuch 59a. 

d) Als aber nu die bauren (Rieß) also in irem regiment ja- 
bilierten und inen wol gefü^l, daiß sy edel wasen worden, weit 
kainer kain kütel mer tragen oder zwillichin hossen, liesen sich 
in weiß beclaiden und die hosen abgeschniten und allenthalb 
zerschniten und mit blauem underfuetert und aiu groß huetlin auf 
und ain federn darauf. — Wiewol nit vor langen zeiten auch edel 
bauren im Rieß warend, die wurden also erkent, dan an Feyr- 
tagen so trugen sy 4 Stiefel und 4 hosen an, darnach die im 
Thonental betten styfel byß zu der gürtel und die andern so nit 
edel wasen, beten nur stifel byß zu dem knie. 



86 

waren statt der Äbtissin von Kreoztal Oberschirmhoren und 
Malefizrichter bis 1719). Die malefizischen Wanden sind auch 
leimige, beinscbrötige, bogende, dann Abbauen von roer als einem 
Finger oder so das Blut auf die Erde rüsset. Andere kleinere sind 
nicbt malefiziscb, sondern nidergericbtlicb (Bück). 

6 Seewein: d. 27. Jan. anno 1547 scbreibt der Weingart. Abt 
Gerwick yon Ulm aus: es werde ser gut sein, wenn der Abt Ton 
Ochsenhausen dem Herrn Vicecansler von Naves einen Karren mit 
Hennen und Gapaunen oder mit Haber und eip Fäßlein Seewem 
schicke. Weingartn. Missivbüch. XIX 293. Hieronymus Schrecken* 
stein, Monographie y. Schreckenstein 59 (lo78). Abt Gerw. schickt 
dem Bürgermeister von seinem besten Seewein, sagt Dr. Has, der- 
selbe greife nicht nur das Gedärm an, sondern würde sogar eine 
eiserne Rüstung zerfressen oder besser: er wolle den Wein lieber 
nicht trinken, gesund bleiben und kein Grimmen haben. S. 89. 
„Der Seewein ist zwar von ungleichem Werte und wird geringer 
als der Reintaler geachtet, weil er neu meistens sauer ist; aber 
er hat den Vorzug vor dem Rheintaler, daß er ser lagerhafb ist 
und seine Herbe ganz verliert und dann selbst dem Rheinweine 
vorgezogen wird.*' Kleine Konstanzer Chr. 1798 S. 41 ff. 

7 Aus der Reicheheerzeit ^) Als der schwäbische Kreis 
1793 zur Gestellung seines Gontingents zum Schuze der Cordons- 
bildung am Oberrheine — Linie Kehl, Stollhofen und Rastatt — 
aufgefordert worden und die betreffenden Truppen unter dem Be- 
fel des damaligen Kreis*Generals Fürsten Anton Alois von Hohen« 
zollem- Sigmaringen ire Stellungen eingenommen hatten, ereignete 
es sich, daß auf Grund eines falschen Allarms eine biß tief ins 
Schwabenland hinein einreißende Panik plözlich Plaz grif. 

Ein Kloster Salem'soher Offizier, Lieutenant Sutor, ward 
derart davon impressionirt, daß er satteln ließ, seinen Posten auf- 
gab und mit verhängten Zügeln talaufwärts der Kinzig über 
Donaueschingen biß Salem rit, allenthalben in den Dörfern und 
Städten schreiend: die Franzosen kommen! sie kommen! feuijö 
helfet! springet! rettet Euch!!! ABirlinger 



Znr Wortforschung^ 

XI 

1 J&rbauin m. Baum, der schon vile Jarringe hat, in 
der Prosalegende des hl. Brandan bei Schröder (St. Brandan 



1) Vom Fürsten Karl Anton von HohenzoHernKgl. Hoheit mitgeteilt. 

2) Vgl. Aiem. VI 42 ff. 



87 

1871 Erlangen) S. 187, 22 £f.: Do spraeh Sant Brandon: „was 
gbd die waldscfaratten und schratzen mit den sy betten den weg 
and straasen verlegt?*' Do sprach der tewfel : „das sind jarpaum^ 
damit haben sy die weg verzogen, das wir in grösser not nie mer 
kommen sind seit wir vom himel Verstössen seien worden.** Schrö- 
der weiß das Wort nicht zu deuten (S. 195) und erinnert an die 
Dryaden. Unsere altdeutschen Wörterbücher schweigen, kennen 
das Wort überhaupt nicht. Heyne im DW IV, 2, 2238 (No. IV 3) 
färt Jare aus Jacobsson und Maaler au: „das Holz das ein Baum 
in einem einzigen Jahre allenthalben nach der Dicke des Baumes 
ansetzt.*' Basilii Fabri Sorani (ed. Buchner) Thesaurus Eruditionis 
aeholasticae — Leipzig & Francf. 1672 s. v. Pecten Sp. 172: in 
srboribufl vero pectines, fibrae sunt seu linea, die Jahr, Striemen 
im Holz. — Martini Rulandi Medici Dictionariolum u. s. w. Augsb. 
1586 S. 64a: die jar an bäumen oder im holz, pecten, didtpvaig. 
8. 352b : die Jar im Holtz, die sireymen so sich der länge nach 
ziehend, pectines. Nemnich : Jahre, Jahrringe, circdii, strata truncL 
Engl, ihe grain of the wood, franz. veine ou fil de bois. Frisch 
I 483o : Jahr im Holz annuli circa centrum meduUae arboris. Die 
Ringe im Stammholz, wann es nach der Quer durchsäget, daran 
man sehen kau wie alt ein Baum ist, weil- er jährlich um einen 
solchen Ring dicker wird. Ebenfalls bei Schönsleder. Ausfürliches 
im Allgem. Oeconomisch. Lexicon 1731 S. 1117 ff. 

2 K6888I m. In der altem Kriegssprache ist es 1) der in- 
wendige lere Horizontalraum eines Bollwerkes; holes oder leres 
Bastion „ist dasjenige, an welchem das Profil des Walles vor 
Plane und Facen der innerlichen Böschung parallel lauffet und in 
der Mitten einen Platz, den man den Kessel nennet bis auf den 
aatflrlichen Horizont leer lasset.*' Fäsch, Kriegslex. 2) Der Ort 
entweder in die Erde gegraben oder auf gleichem Horizont vorne 
mit einer starken Brustwer versehen, darhinter die Feuer-Mörser 
gepflanzt werden, einen belagerten Ort damit zu bombardiren. 
8) Bisweilen = Lauf des Mörsers. Fäsch 487. Zum DW V 622. 8c. 
Spftth*s Konstanzer Ej*. „ire Flanken und einen Kessel herumtraben ^ 
S. 123 ; „starke Prustwehr und Kessel^ S. 143. 

3 Kindidin. Die beste Vermehrung dieses mehr raren und 
kostbahren als nützlichen Garten Gewächses (Artischocken) ge- 
schieht durch seine Wurzel - Beysätze , so man Kindlein heißt. 
Ebenda 286 ff. DW V 768. 3. 

4 KrisgdVOgt m. in dem Oeffinger (badischer Seekreis, Baar) 
(Serichtsbuche (angefangen Okt. 1768 zu Oefingcn in der Baar) ein 
ganz gewönliches Wort, das aber im Volksmunde und in der dor- 
tigen amtlichen Rede ausgestorben ist; alte Leute erinnern sich 
des Gebrauches noch. Den Weibern zu Kriegsvögten, — Marianne 
Solsmänni Wittib nebst ihrem Kriegsvogt, — so wurde der Kriegs^ 
wogt gerichtlich confirmirt und sodann von dem Eheweib nach vor» 
harj gar Belehrong in dieser Schuldsache der Verzicht der weih- 



88 

liohen Freiheiten durch Angeloben an Eidesstatfc abgenommen 
u. B. w. DW V 2298 : curator bonorum. Ejriegisoher Vormund 2259. 
Die Bedeutung ist die des VormündeiB über die Witwe und deren 
Güter. 

5 Laubfrosch eine alte Speise. „Man füllt den Mangold auch« 
so man Laubfrosch nennet, man nimmt die schönste gröste Man- 
goldbl&tter, dunckts in ein siediges Wasser hinein, biß es weich 
wird, alsdann tbut man die Fülle darein, nimmt ein gebacken Ey, 
etliche Mangoldblättlein darzu und ein Stuck Wecken, so zuvor in 
einer süßen Milch oder Fleischbrüh eingeweichet worden, hackts 
klein untereinander, thut Imber und Salz, andere auch Muscat^ 
Blüth darzu, rührets mit einem frischen Ey an, legt darvon, so 
viel genug, auf ein jedes Mangoldblatt und überschlägts, thuts dar- 
nach in eine Kachel-Pfannen oder gefußneten Hafen, schütt Fleisch- 
brüh daran mit frischer Butter, Pfeffer und Salz, läßts also kochen 
und wann es genug, rieht maus an und stellts auf. Solche 2^ii5- 
f rösch macht nfttn auch aus den grossen Binetsch-Blättem.*' 

JDeliciae Hortenses 1734 Stuttg. 8, 285, Bise Spinatkrapfen^ 
Spinatgehäcksd in Taigtascfien sind heute noch in Oberschwäben 
bekannt Feit im DW VI 295. 

6 Zur Sprache des Post- und Botenwesens Post und 

seine Zusammensezungen : Gallis poste cursus et officium currendi, 
germ. Kayserlicher Erb-Land- Hoffpostmeister ^ Post^ Fostlauf, Fosti- 
lion: supremus rei cursoriae Praefectus. Caesaris enim postarum 
Magistri vocantur Postmeister (Principum expeditores Dicasteria- 
les Bottenmeister y Givitatum tabellarii et Dromi jurati geschwome 
Botten). A cursu dicuntur Gursores, ut Postae, Postbotten, Ca- 
merae imperialis Cammer-Boiten^ judiciorum Gerichtsbotten, — Tem- 
pore necessitatis et ubi urgente hello, equorum copia haberi ne- 
quit, etiam alia animalia in equorum vicem substituantur, quae 
Posta Asinina (asinaria) die Eselspost ^ Eselspostilion dici potest. 
Quod autem postae bovinae Ochsenpost a quibusdam fiat mentio; 
metaphoricam et iropropriam potius locutionem esse, ad indigi- 
tandam et describendam inanem tarditatem unde proverbium or- 
tum : Es gehet als wann man mit Ochsen rennete, — Dicitur qu6- 
que de hominibus sine necessitate festiuantibus et quasi currenti- 
bus: Er gehet als wenn er auf die Post gienge^). Privatae et 



1) Aus Gerhardt Meybuschs Dissertation, sih oben Volkstüml. 64. 

2) „Hat der Advocat dem Thäter alsobald zugesprochen, daß er 
Fuß und sich mit Haut und Haar davon mache und dabei das Pairo- 
cinium nirgend anderwärts als bey seinen schleunigen Pöst-FOssen 
suche." Abele, Seltzame Gerichtshändel 1654 8.70. Als Vergleichung: 
„Wie würden die Teutsche Poeten mehr carminisirn und Vers oder Reimen 
scheiden können? wann sie ihr l\)stpferdf den Wein, verlieren?" S. 119. 
„Hast du nicht gehört, daß Freande-Hülf auf der. Ochsen- oder Krebs» 



89 

CSTitatam postae: Mezgerpost and Nehehbotten. Garsas provin- 
ciales die Landposten j cursus sacri romani imp. civitatnm Statt' 
posten^ Nebenposien^ Metsgerposten; Yocantor alio nomine etiam 
Sebenhatteny Landbotten^ Kaufmanns-Fosien, Cammerbotien, Pe- 
dellen^ qaonim officium est, nt suaram rerum satagant n. s. w. 
Haitis enim in locis hoc obserratur ut nuncii ludiciorum ordinarii 
et Inrati certa gestent insignia, ex quibns cognoscantur, quod sint 
nuncii publici hajus vel illius Domini, aut civitatis, quibus etiam 
prae aliis creditnr tabellariis, modo pixidem cum insignibus sui 
Domini portent, ein Boiten-Büchß oder ein Boteti- Zeichen, . Cur- 
sores plemmque tribus condecorantur signis 1) Toga cursoria, cui 
oomicnlae cursoriae, das Posfhörnlin figura lutei coloris k pectore 
et tergo est insuta. 2) Ipsa corniculae inflatio, quam inflant ubi 
ad oppidam tempore noctumo vel diumo rescratis portis veniunt, 
nt illiB ita apertis, liber transitus praebeatur, in quem finem porti- 
calae nocturnae die Nachtpforten sunt inventae ; uti Augustae Vin- 
delicomm, Goloniae, Francofurti et aliis in locis. 3) Est schedula 
enrsoria itnlice BoUeto, seu Bollettino vocata, ex qua personae cer- 
titudo coUigltur. — Rheda Germanis est eiti Gutsche^ Landgutsche. 
,Zq wißen hiemit, daß die Ordinari- GtUschen und Güterwagen 
von Pariß auf Straßburg hinfüro continuiren und über Metz gehen 
Q. 8. w.** Hl currus germanis Landgutschen^ Bollwagen dicti, vul- 
giribas plemmque solent esse longiores ut eo plures consideant, 
limulque vehantur ad eundero locum. — Qnibusdam in locis ut in 
Oalfia et Lotharingia cisia Gutschen und Kugelwagen sunt in usn, 
qoanquam et in paucis Germaniae locis. Navigia militaria : Kriegs- 
oder Orlogsschiffe, Von den Postscbififen : hie cursus nobis non 
adeo frequens imprimis in Germania superiore, non videmus hos 
corBiis exerceri, quo autem infrequentior in superiori eo usitatior 
et frequentior in Germania inferiori et plaga septentrionali. In 
qnibus regionibns vocati Fehrschütten, Treckschüiten% Jagtefi, 
OaUiotten', quomm saluberrimo remedio singulis horis ad certa 



IM reite?^ S. 131. „Und sich (Aristoteles) habe von seiner jungen 
Frauen bereiten und statt eines abgematteten Postpferds gebräueben 
lasten.'' S. 176. 

1) „Schute ein allgemeiner Name für alle Farzeuge, die vorn 
spiz una vorne und hinten gleich hoch gebauet und nicht zum Segeln 
sondern bloß zum Schieben und Ziehen bestimmt sind. — So sind z. B. 
die TreekschtUen in Holland Farzenge die auf den Kanälen als Wasser- 
pasten dienen und bequem für Passagiere und Güter eingerichtet sind: 
gewdnlioh werden sie von Pferden gezogen. Man hat überhaupt viele 
Arten Schuten in Holland als Wei-Scbuten, Schin-Schuten, Vloot- Schu- 
ten, Krabbe-Schuten, Togt-Schuten, Steiger-Schuten, Tent-Schuten, Seil- 
oder Segel-Schuten, Fährschuten, Fischer-Schuten.^' Allgem. Wb. der 
Marine v. J. Heinrich Röding, Hamburg bei Nemnich, Leipzig bei 
Böhme II Bd. 628. Fftsch, Kriegslex. 789. 



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QobiB propoBita loca exiguoqüe pretio perTonire possumna et niri 
exercitor navis ad sonitam campanae navem solvat, maltator o. s. w. 
— Ordinaria navigia vulgd: die Marckschiffe, quorum adminicnlo 
cnrsus publicus Ordinarius perficitur, haud inconcinne affioibos an- 
numerantur; hi certis septimanae diebus et horis consuetis, loco 
alio ad alinm locum tendentes ordinariae Postae viam qoandoque 
fiumine eecundo supplere possant. Talia nayigia cottidie Mognn- 
tift Francofurtum et vice Yer8& yeninnt, germanice vnlgo : MkkUeer 
Markschiffe. Papier: carta sicca, tenuis et laevigata per aquam 
glutinpsam ducta planiert Papier nobis vocata, melior, imprimis 
Charta angusta das JPost- oder Regal-Papier reliquA est aptior, 
cum ob puritateub) tum ob bonitatem et ad parcendum sumpti* 
bus utilitatem. Franco, Frankieren: Literae vocula Franco vel 
Franca rubricatae sine nummorum exactione destinatis ad quoa 
spectant, extradantur, dicitur autem franca k franc: sie francus^ 
a, um Über, a, um, itisi franco pro tutto i. e. über per omnia loca 
et francare le lettre, franquiren est literas a solntione liberare, 
hinc Franci liberi et adhuc hodie Germanis in usu est: das ist 
frei und fraock. Dem franco auf Briefen muste früher stets z. B. 
per Nürnberg, Waldmünchen, Rheinhausen beigefügt werden, wenn 
nicht der Empfänger daraufzalen solte. 

Poststrafien : yiae publicae quas Germani yocant Landstraßen^ 
Heerstraßen, Königsstraßen unde italicum Strada u. s. w. Poetis 
via publica dicitur strata viarum, posteriori autem seculo simpli- 
citer strata nuncupata est. Ex italico Strada et nostrum Straße 
non improbabiliter dictum putant. Inclyta haec civitas Argentina 
germanice Straßburg vocatur vel a platearum numero et capaci- 
tate — vel k p]ate& quod olim Attila Hunnorum Rex destmcta 
civitate amplam per eandem dederit platcam, daß er eine große 
Straße dardurch gebrannt habe, quam opinionem communem esse 
teatatur : wie dann noch heutiges tags eine lange Straß durch 
die Statt ist, von der Weissenthurmpforten an biß zum St. Andres 
Thörlein. — Untaugliche Postrosse: die so hager und mager sein, 
daß man jhnen die Rippen im Leib z&len kann. Die Wirte 
halten sich auch nicht allezeit zum besten, ziehen ihnen bißweilen 
eine Herren unter, die einen stattlichen Trab hat wie das primum 
mobile, so mager, daß man ihnen alle Bein darzälen möchte and 
den Wadsack an die Hü£fte hängen dörfte, ohne gefahr, daß er 
könnte herunterfallen, also daß sie auf halbem Wege in einem 
Graben mit abgeschnittenen Ohren oder geschlitzten Naßlöchem, 
damit sie ein andermal mögen kantbar sein, müssen liegen lassen. 
Es sei notwendig, daß ein Postpferd gallopiren könne. 

An Sprüchen finden sich in der Disputatio Meybuschs : dann 
ein Land hat nicht alles zur Hand. — Unrecht Gat faselt nicht, 
hat Adlers Federn, kompt selten auf den dritten Erben und übel 
gewunnen, übel zemmnen. Die Dissertation, woraus obige Beiträge 
stammen, ist verfaßt von Gerhardt Meybusch aus Essen in West- 



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ialeii 1667, sieh oben Seite 84. Herrn Postdirektor Reinhard- 
Hormuth vordem hier, jezt in Meiningen, verdanke ich die Schrift. 

7 SsrrBtl p1. hölzerne Gittertore womit Wege und Gassen 
^egen eindringendes Vieh gescbloßen wurden, sonst Falltore und 
echt alemannisch Fadden, Pfadden genannt. „Auch uff alle ge- 
beüw, sonderlich uff prucken, weg und steg, serren, werren und 
lehußbretter g&t uffsehens haben, daß die zu allen zeyten in eren 
nnd gfitem bauw gehandhabt werden. ** (werren, alem. stat weren 
mod Wasserstanungen wegen Fischerei oder Malen; Schußbr^tter, 
Schleussen bei der Wisenwässerung). Rastatter Gemeindsordnung 
bei Mone, Bad. Archiv 1826 I 264, 10. „Auch alle nacht umb 
9 nren die serren beschließen und morgens zu bequemUcher zeyt 
wider offschließen.*' S. 171. 17. In einer Rastatter Feuerwachen- 
Dotifl vom 28. Mai 1510 in der Zeitschrift für Geschichte des 
Oberrheins (von Weech) stet: „brücken, wege, serren^ werren, hege 
und siege. ** Eisinger in seinen Beiträgen zur Topographie und Ge- 
schichte von Rastatt 1854 (Mayer) nennt Serren Tore von Flecht- 
werk. S. 28. Frisch II 265b fürt Serien an : ein langer Trämel, 
den man überzwerch an die Häg oder Zäune legt, Stangen wo- 
durch man ein Quergehäge macht, longurius. Der Zusammenhang 
mit Serren (alem. für Seren) leuchtet ein. Synonym dürfte sein 
$perb^ venantibus aptum. Diefenb. Gloss. Nov. s. Sorbum. — 
Die Herkunft von Serre ist fremd. Ducange II 819 (Frankf. Aus- 
gabe): Serra pro Sera qua januae occluduutur — ; S. quae voca- 
tor porta pendens — ; clusurae, clausurae. Vgl. das lat. obserare 
und sera, serae f. Türverschluß in Rigelform, der angestemmt 
and abgnommen wurde. Klotz Wb. s. v. ABirlinger 



Die Hohenzolleriscben Orts-, Flur- und Waldnamen ^) 



Bevor ich die zweite kleinere Hälfte der Oi*tsnamen fort- 
före, was in den zwei folgenden Heften geschiht, trage ich zu den 
faißherigen folgendes nach: 

Alem. VI S. 7, 2 : Bilfingen bei Pforzheim : Binölfingen Wü 
n 402. S. 8, 3 und S. 129 Bingen: Hans der Büninger 1391 
Zoll Zt. 11, 81. -- S. 9, 6 Burdleidingen 772. Sept. 17. Cod. 
Laurescfa. 8. 10, 8 : Tettingun WU II 409. — S. 10, 8 : in pago Äm- 
phinge für looo, villa A. 792 Cod. Laur. 3802. S. 12, 10: in Viski' 



1) Alem. I 263 ff. ü 78 ff. VI 1 ff. 129 ff. 



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nm Wü II 896. 8. 12, 11 GammerHngen, Der ON Gemmrigheim 
bei Begigheim 1138—52 im Reicbenbaoher Schenkimgsbacbe WU 
II 392: Villa Gamertincheim. 8.401: Gamertencheim. Gamber {nih 
in Sugambern, 8ygainberD), abd. = strennaH und sagax, schnell 
von Begrif, in Wort nnd Tat. Vgl. Mällenboff Zt f. DA 
23, 27. — 13, 12 Gatiselfingen liB 772. Sept. 17. st. 8. seo. 
14, 14 liB Hahhingun 786 Neug. No. 97. 8. Gall. ÜB I 101 ff. — 
16 Zeile 1: daz Bürgle bei Jangnau Zoll. Zt. 11, 77 Anmk. 7. 
— 17 Z. 7 Hb 777 Cod. Laur. 3640 (16. Nov.). — 

8. 19 ff. Sigmaringen. Ueber die ältesten Nachweise mit 8igi 
zusammengesezter oder davon abgeleiteter Namen bandelt Müllen- 
hoff im neuesten Hefte der Zeitsch. für DAltertum Bd. 23, 158 ff. 
Der Cheraskerfürst Segestes (Sigist) hatte einen Bmder Segimerus 
Tac. Annalen I 71. Armins Vater hieß SigimertiS Vellejas II 118. 
Signum Sigemäri 652, Urkd. von Le Maus bei Pardessos I 225 
No. 238 n. s. w. Zu den alten Nachweisen des Sigfridnamens 
S. 160 ff. wären die Monumenta Blidenstadensia edd. Böbmer- 
Will noch zu vergleichen gewesen. 

8. 27, 4: Thalheim. Ze Tamein 1321 ZoU. Zt. 11,. 56. Das 
war auch der frühere Name für Rosna. — 28, 1 : WHdorff 1 399 
Zoll. Zt. 11, 32. Der Indiculus Arnonis, ed. Keinz 1869, hat ein 
Salzburgisches Wildorf und ein Wila jezt Weilkirchen a. d. Rott; 
jenes ist das heutige Weildorf bei Teisendorf. — 29, 2: Bern' 
wiler 1303. 1350 Zoll. Zt. 11, 55. 65. S. 33, 2 de Betenhüsen 
Wü II 419. Vgl. Patinga villa, Indic. Arnonis. — 38, 8: Laefis- 
willer 1352 Zoll. Zt. 11, 64. — 36, 6: Ovthekofen 1282 Mona 
Zt. 6, 411. — 38, 1 Affaltirherc (vgl. S. 129). In Sievers Kl. 
Beiträgen zur Deutschen Grammatik (Beiträge z. Geschichte der 
deutschen Sprache und Lit. von Paul und Braune V 3. Heft) 
S. 523 ist der deutschen Baumnamen auf 'dr-, -tr- Erw&nung ge- 
tan. Sie wurden bis jezt nach dem Vorgange von Gramm. II 332. 
350 gewönlich als verstümmelte Composita mit triu, Baum aufge- 
faßt. Es sind diß altnord. apaldr angels. apuldre abd. affoltra 
Apfelbaum, angels. mapuldre abd. mazoltra acer; abd. wehholtra 
juniperus, hiofeltra Hagenbuttenstrauch ; altsächs. holondar abd. 
holuntar sambucus. Von einer Composition mit trewo, sagt Sie- 
vers, kann schon wegen des d^ wie man sibt, keine Rede sein. 
Das Gemeinsame aller diser Bildungen ist offenbar Antrit des 
Suffixes 'tra, das in unbetonter Silbe sein a verlierend bereits ge- 
meingermanisch durch l Bonans hindurch sich zu el, öl entwickelt 
hatte. — Die Bedeutung von apholtra ist etwa der Apfelträger. — 
38 ff. vgl. Thitehach ON (Deubach?) WU I 395. S. 39, 3 vgl. 
FrunthcHz^ Frohnholz ON im Salzburgischen. Indic. Arn. 

S. 131 ff. vgl. Puoren., Puorun^ ad Buriom, ad Burones, 
Beuem bei Michaelbeuern, Salzburg; Neubeuem, südl. von Rosen- 
heim. Indio. Arnonis. Eaufbenren: Buron WU II 421 (1130). 



98 

8. 183: Zmmem, Das BestimmtmgBwort Borgen- get auf 
ahd. horawig scbmuzig, kotig zai*ück : horo n. coennm, lutum, limns, 
nlgago, paluatre. Ein anderes Adj. ist horawin, hurwin. Vgl. 
Oraff IV 1000 ff. Horgen- ist Dativ Plur. Eine alte Fane in H. 
enthält inschriftlich noch den frühern Namen. Horgenzell ON 
Horinguncdla 1151 WU I 440. Hieber? — Vgl. Hartbreth de 
Omberenf Herrenz. bei Rotweil. WU II 394. Reichenb. Schenkungs- 
brief. — 

S. 138 wäre ein ON Bdidesberg bei Ruelfingen, jezt ver- 
schwunden, einzureihen nach dem Habsb. Urb. 277 ; ob an Bälden- 
stein S. 142 No. 14 zu denken? Ferner gehört dahin KäUenherg 
im DonauUle 1253. Callinberc 1256 Mone Zt. II 81. 96. Bac- 
meister Alem. Wanderungen S. 147 Anm. 3 lent es an Galpbe, 
Calava, Caleva (kelt.) äußerlich an, fürt e^n Källenberg in der 
Gegend von Münsingen 1334 (Eßlinger Lagerb.) auf. S. 143 : Ilonp- 
siein. YghHomingen im Blautale, heute Herrlingen 1130 WU II 
421. S. 144 Wekkenstein. Es gibt einen Waldnaipen Weckenhart. 
Wildberg-Naislach. — S. 146, 22 : das nördlichste -schieß aus der 
ipätem Zeit begegnete mir in einem Gemsheimer (Bergstraße) Wein- 
bergnamen des 17. Jhds. „im Hüfierschieß^ . Im Elsäßischen kenne 
ioh Scheißmaxier als Flum. was dem dortigen Idiome entspricht. 
Ich wage kaum auf die niederrh. uralten ON mit -seit zu ver- 
weisen, die sich später in die überwuchernden ON -scheid ver- 
loren haben. Zu Bittet-^ Butel- vgl. Buielingen, Pietling im Salzb. 
Indic. Arn. — S. 149 ff. Berental A. Letsch, Chronik Mone Quellens. 
II 4Sb. Vgl. Berinpah heute Birnbach nördl. vom Einfluß der 
Alz in den Inn. Indic. Arnonis. Femdorf ^ Perndorf, Landger. 
Uattsee. Ebenda. S. 155 vgl. Wangin, alt. Instrum. Wengi, Wang 
am Wallersee; es ist altes cus schon weggefallen. Indic. Am. Offen- 
bar noch = Campus überhaupt. — 

S. 154, 9 vgl. Chruchunperk, Ckruchinperck, Kruckenberg bei 
Begensburg. Indic. Am. Nach den altbair. Lautgesezen ist c/»=k 
und somit der Zusammenhang mit Erauchenwis nur scheinbar. 

S. 157 Neufra, vgl. in Nifer(^n juxta Enze fluv. WU II 397. 
In Niuferon jaxta Waldacha ebend. 400. Altnuifra bei Nagold. 

Scher II 78 ff. 204 vgl. Wittenweilers Ring S. 142: 
Die m&r die chament so ze band u. s. w. 
In Prettengö und auf die Alben 
Auf die Scherr und allenthalben u. s. w. 

Im Unter-Engadin an der Waßerscheide des Spüllflußes und 
dem in das Gebiet der Adda gehörenden Livignertale, unweit des 
Ofener Passes, bildet ein Berg, la Scherra genannt, einen beide Tal- 
gebiete scheidenden Rigel (Mittig. des Fürsten Karl Anton von 
HohenzoUern). 

Zu Heuberg II 81 ff. vgl. mons Houu^erc rechts über der 
Marg. WU II 400. 8. 7 Alem. VI Anm. Bildveshusa hat Bau- 



94 

iDann jezt (ich bin im in seiner Angabe als ob es dem angab. 
Schwaben angehöre willig gefolgt) dem Oberamte Göppingen an- 
heimgegeben wie die wirtemb. Vierteljarschrift 1878 8. 21 es richtig 
erkannte. Zeitschrift des Bist. Vereins für Schwaben nnd Nenbuig 
IV S. 255 ff. (1877). ABirlinger 



Zur Alemannia 

I 167 ff. III 67 ff. Uchtblume: Colchicum Orientale, orien- 
talische Zeitlosen: deren gibts frühe und florieren gleich im Mer- 
tzen ; spathe florieren gleich im Herbst. Deliciae Hortenses, Stuttg. 
1734 S. 62. 

II 259: Tiroler: Kropfer sih Schmell. «I 618: „Tirol**. 

II 259: Nobishrug. Abele, Seltz. Gerichtshändel 1654 429: 
So machen auch fürwar die Schmeichler mit Betrug 
Manch Feuer, das sie dann selbst bringt in Nolns-Krug. 

II 265: Schweieerhosen : Flos Mexicanus yel FIos mirabilis 
de Peru : Diß ist zweyerlei, einfach und gefüllt, werden auch Mira- 
bilia, allerlei Farben und von etlichen Schiweuserhosen nnd Rabel- 
len genennet. Deliciae 114. 249. 

III 186: Judenspiefi. Spott auf einen neuen Adeligen: nnd 
könne man ihre Bildnussen auf einer gemahlten Baum Kirchweyh 
finden, aber in keinem Turnier, als mit dem Ebr^ischen Spieß, in 
keinem Krieg als in dem Krueg u. s. w. Abele, Seltz. Gerichts- 
händel 751. 

in 274. 279: Schwarzer Caspar: daß die Märlefärber und 
Hinderkläffer fär ein giftiges Natergezicht gehalten werden, so ver- 
stellen, beduDcklen und verhexen alle Ehrbarkeit und wie der Zan- 
berer den schwarzen Casper bey sich hat, also trägt der Nach- 
reder den Meisterbämmerlein auf der Zungen. Abele, Seltzame 
Gerichtshändel S. 302. 

III 277: Braifschaften sind der alten Eriegssprache ge- 
mäß Wachtschiffe. In Fäschs Kriegslexicon, Dresden-Leipzig 1735 
s. V. Piquet : Bereitschaft, excubiae castrorum noctnmae, statio ex- 
cubitorum anterior, ist eine extraordinaire Wache S. 635 ff. Es 
galt aber auch für den Schiffsdienst. Späths Gonstanzer Kronik 
(Alem. VI 286, 5): in Bereitschaft gehaltene Markschiff 84. Die 
Königische zwar in die Bereitschaft beim Creuzlingertor S. 104. 
Zeitw. in einem zierlich bereiteten schiff = ausgerüstet, kampfbereit 
gemacht. S. 331. 

III 282: Rumormeister. Bildlich: mit Zauberern, mit Fried- 
stürmem, Aufwiglem nnd Ru$narineistern u. s. w. Abele^ Seltzame 
Gerichtshändel 302. 



95 

m 157 ff. Nie. V. Ochsenbach kennt Herr Prof. Dr. Theodor 
Sehott in der Wirtemb. Yierteljabrsschrift I 210 ff. nicht. S. 283 
nodlV 240: Strempfel^ Strumpf el. Ein Außgang oder Außlaß eines 
See, Weyers oder wassere, das man ablast vn mit dem Strümpfl 
beschleust emissarium, di(iQv\, Mart. Rulandi Lexicon, Augsbg. 
1586 44b. Im Bremischen and Holsteinischen heißt der Orand- 
pfal zam Stauen and Ablaßen der Teiche Mönh. Stürembiirg s. v. 
Krause Oerm. 1871 S. 305. 

ni 288: Stüneen: Zwei silberne s^flnxren mit Wein. Späth 269. 

III 295: Hoppenzer: Frosch oder Hoppazger, Späth S. 243. 
Vgl Germania 1871 S. 301. A. 1275 ist der ON Hoppetenzell 
(Baden) mit Gella ranarum widergegeben: also das Wort im 13. 
Jhd. volkstümlich (Bück). 

IV 167: Clairon, Qoethe, der dise an den kleinen Höfen 
umgehende Klatschgeschichte (aus einem französ. Unterhaltungs- 
hlatte) in Schillers Hören „Erzählungen der Ausgewanderten ** mit- 
teilte, bekam warscheinlich von Frau v. Stein einen jstarken Yer- 
weifi; sie erkannte die Geschichte gleich wider und wunderte sich, 
wie Goeihe dazu komme das in die Hören, ein so respektables 
Blatt, zu bringen. Vgl. Goedeke : Goethes Leben u. Schriften 303 ff. 

IV 258: Höllküchlein: „Ihr thnts aber darumb, das jhrPur- 
gieigeldt habet und Apotecker Hellküchlin , sonst ist kein Nutz da- 
rinn.'' Theophrastus Paracelsus opp. V tom. Basel 1589 Appendix 
8. 98. R. Bück. In Aulendorf heißt ein Brot Höll-loable, auch 
Bdlaloable. Vgl. Rochholz in Pfeiffers Germ. IV 101 ff. der annimmt, 
der Name sei auch in Alemannien üblich gewesen, was verfelt ist, 
nh Alem. a. a. 0. Ich bezweifle sogar die myth. Grundlage auch. 
Tbeophrast und Fischart sind in irem Wortschaze vil internationaler 
deotach als man zu glauben gewont ist. 

IV 260: Vogel: Vogelbua, Vogelbube heißt in der Baar, in 
Seitingen z. B., der Junge der bei Bauten Handlangerdienste tut, 
im Lahnsteiner Zollbuche Mitte 15. Jhd. Opperwerker. Am Nider- 
rhdne ist „ Vogd " ebenfalls üblich in der Ziegeleispracbe für höl- 
lerne Trage, welche als Last auf dem Nacken des Mannes ruht; 
dann aber mit zwei Flügeln sich über dessen 2 Schulten legt, 
dessen Hände sie faßen. Aus Süchteln. Was wir in Alemannien 
ftber Vogel nennen, heißt Backj ein allgemein gebrauchter Name: 
Gerißback, Speiback, Futterback u. s. w. 

V 151 ff. 287: Kur f es. Im Allgäu, unter bairischer Krone, 
Tom Bodensee biß Weiler hin, sagt das Volk allgemein ^s Zigerle 
dalikr. 

V 285 ff. Lortanne. In Straßburg noch kürzlich üblich : Nachen 
*u Tannenholz, Tannenholzkan , Kanalschif, vorn abgeschniten, 
^ Transporten von allen Geweren rheinabwärts gebraucht. Kilian 
I^ttfflaei Diction. ed. Gerardus Hasselt Trajecti Batav. 1777 4<> 
S* 60a Anmerkung: inter antiqua navium genera recensentur 



96 

Lordennen^\ Hoochbaerden, Dootslegers^ GasthuyBenif Yloetacheepen, 
Swartescheepen , et qoae huo feMsiant BeyUlschepen. WeiBtümer 
II 223 : Beitgelschif n. nayigium oblongnm et angastum, zu Beytel, 
Beißel. Diefenb. Gloss. s. v. Pristis. 

VI 52: Wan du tvilt das Töchterlein ^ han sib VI 159 ff. 
wo eine Variante stet. — S. 173: 8L Huberti Schlüßel vgl. Alem. 
ni 265. V 62. 

VI 177 Judaskuß : Judas Kuß ist worden neu, | Gute Wort 
und falscbe Treu? | Lach mich an und gib mich hin | Ist jetzund 
der Welt ihr Sinn. | — Weist du nicht ? | Daß treuer Freund, ein 
seltzam Gast | den Melonen gleich zu scheteen; | Fünfzig Körner 
must du setzen. Eh dann du einen guten hast u. s. w. Abele, 
Seltzame Gerichtshändel 1654 S. 131. 

VI 201 ff. 206 V. 236 ff. Ueher das Schüeenfest eu Wem- 
felden 1558 list man in den Eidg. Abschieden Bd. IV 2, 1012: 
„Lucas Ulmer Vogt zu Weinfelden hatte ebne Bewilligung des Land- 
vogts an gemeine Orte der Eidgenossenschaft u. a. m. ein Frei- 
schießen aasgeschrieben, welches stark besucht worden; da der- 
selbe aber durch Schinderei und Allefanz die Sache so getrieben 
hat, daß er für seine ausgesetzten Gaben wohl lOfach entschädigt 
worden ; da er ferner in seinem Einladungsschreiben an den Fugger 
in Augsburg denselben Herr zu Weinfelden genannt hat, so >iirird 
der Antrag, daß in Zukunft niemand mehr in den gemeinen Vog- 
teien sich solches ohne Bewilligung der Obrigkeit erlauben dürfe, 
in den Abschied genommen. Auch wird Ulmer auf künftige Tag- 
satzung citirt, um sich zu yerantworten. " JMeyer 

V 92: Verena- JBeuilinsloch. „Der Antiquarius des Nekar- 
stroms, aus welchem meines Wißens zuerst Rochholz in seinen 
drei Gaugöttinnen die Nachricht von unsrer schwäbischen Verena 
geschepfb hat, ist keineswegs die älteste Quelle ; yilmer erzält schon 
CrusiasAnn. Suev. Paral. 10 die Sage vom „Frena-Beutlinsloch^ aus- 
fürlich. Aus im schepften, zum Teile abändernd (wol nach ungenauer 
Erinnerung), zum Teile zusezend, Sattler (historische Beschr. etc. 
2, 98 ; topographische Gesch. 366) , Schwab (Neckarseite 146), 
Griesinger ( Universallex. etc. 1483). An Ort und Stelle ist die 
Sage erloschen, selbst die Hole war in Vergeßenheit geraten und 
nur der schlotartige Ausläufer, der oben auf der Bergfläche mün- 
det, unter dem Namen Fronenloch bekannt, biß im Anfang des 
vorigen Jarzehnts nach Crusius' Angaben die Hole wider aufge- 
sucht und die gelbe Sickererde, womit sie erfüllt war, daraus ent- 
fernt ward." Vgl. Ausftirliches darüber in des Verfaßers obiger 
brieflicher Mitteilung schönem Buche „Nebclsagen^ von Ludwig 
Laistner Stuttgart Spemann 1879 S. 292 ff. worüber die Alem. 
noch näheren Bericht geben wird. ABirlinger 



1) „Zur Lordannefi, Laurdannen" einst Name eines Hauses am 
Markte zu Bonn. Lagerb. ed. Pick. 



97 



Josna ülslieiiiiers Reisen nach Guinea nnd 
Besclireibnng des Landes^) 

Ich teile ans der Handschrift die Fortseznng der Reisen 
Dlsheimers mit, indem ich für dißmal ans dem zweiten Teile der 
Seisebeschreibnng diejenigen Kapitel answäle, welche sich anf 
Guinea beziehen. Der Rest behandelt die Reisen Ulsheimers nach 
Ostindien and wird später veröffentlicht werden. 

Zar Vergleichung habe ich die folgenden gegen Ende des 16. 
nod zn Anfang des 17. Jarhunderts erschinenen Beschreibungen 
Ton Gkiinea herangezogen, welche indes Ulsheiroer selbst kaam 
hei Ab£Mi8ang der seinigen benuzte. Johannes Hugo Linscotanas 
W seiner Navigatio ac Itinerarium — in Orientalem sive Lusita- 
ooinm Indiam (Hagae-Comitis 1599) eine Descriptio totius Guineae 
tractos, Gongiy Angolae, et Monomotapae beigefügt, dieselbe be- 
rfirt Ober-Gninea nur kurz und verweilt hauptsächlich hei Congo 
und Angola. Ausfürlicher ist die „Warhafftige Historische Be- 
ichreibang deß Gewaltigen Goldreichen Königreichs Guinea, sonst 
das Ck)ldgeBtad von Mina genandt — Auß Niederländischer Ver- 
leichnaß, in Hochteutscher Sprache beschrieben durch M. Gotthardt 
Arthus von Dantzig. Alles — mit schonen EupfferstAcken ge- 
lieret, vnd an Tag gehen. Durch Johann Theodor vnd Johann 
Israel von Bry, GebrAder.*^ (Franckfurt am Mayn, In Verlegung 
Wilhelm Fitzers, Anno MDCXXX.) Es bildet den 6. Teil der 
großen Sammlung von Reisebeschreibungen^ die unter dem Titel 
«Der Orientalischen Indien '^ herauskam. Der 12. Teil derselben 
Sammlung (Gedruckt zu Franckfurt am Mäyn, bey Caspar R5tel, 
In Verlegung Wilhelm Fitzers 1628) enthält einen „Anbang der 
Beschreibung deß Königreichs Congo. Innbaltend, FAnff Schif- 
&rien Samuel Brauns Burgers vnd Wundartzt zu Basel, so er — 
b vnderschiedliche weit entlegene frembde Königreich vnd Land- 
sehafiFlen glücklich gethan" etc. Braun gibt eine genaue Beschrei- 
bang von Nider-Guinea und von der Goldküste, welche leztere er 
1617 unter der Expedition des Generals Calancio besuchte. 



Der Ander Thaü. Das Erste Capittd. Von der Ersten Beiße 
m Africam und erstlich hiß auf Bio de Benin, 

Alldieweil ich nun den früling zue Amsterdam zu brachte, 
waren von Genuesischer Compania zwey schif zu gericht, nacher 
Giiwea anf die Qoldkust zu fahren (welche in Africa ligt und ihren 
Anfang su Capo Baimas ^) 4 Grad von der Linea Equinoctiali 



ü 



1) Alem. VI 90 ff. 
POmea Hs. 

VU2 



9d 

nemet biß nacher kust Acora ob Monte ^), alß in die 120 meilen 
sich erstreckht). Dariber ist Scbifherr geweßt mein alter Capitani, 
mit dem ich zuvor 2 mal in Westindia geweßen bin, Namens 
Cornelius Hanßen. Auf dißer Schifffart nun hab ich mich aber- 
mahlen für einen wundartzet gebraueben lallen. Seind demnach, 
alß wier auß gefertiget geweßt, von Amsterdam in Anno 1603 im 
Mayen ausgeraißet, und haben unßern Curs auf die Goldkust von 
Nova Guinea genommen. Alß wier under Engellandt kommen, 
seind wier von einem Contrari wind nach Pleymuie*) getriben 
worden, alda wier zwen Monat still ligen und auf den wind haben 
warten mießen. Da wier nun guten wind bekhommen> seind wier 
in Gottes Nammen fort gesegelt und erstlich hinder der Barbari 
kommen auf G. Verde 13Va grad oberhalb der Equinoctial Linea 
gegen uns hero gelegen. Daselbsten haben wier eine Schlup *} 
(welches ein klein Schiflein von ungefähr 12 lasten ist) aufge- 
setzet, und sein fürter die kust längs geseglet, auch endtlich in 
die Grrem oder Graan kust*) khommen, aber in keinen Hafen ge- 
lofen, sondern immer vort gesegelt, doch seind die Schwartzen 
oder Moren mit Lemonen an Bortt khommen, und haben anß 
Bomerantzen, Lemonen, Ziteronen, Benanes und sonsten allerhand 
fruchten, auch EUephanten zän gebracht und eingetauschet, son- 
derlich brachten sie vil Mäloget^) daß ist reß ®) wie pfeffer, und 
gut in der speiß zu brauchen. 

Darnach seind wier [an] die kust C Palmcts wie auch Quak- 
qua (das ist Teutsch souil alß wiUkhome) kommen ^). Dißes ist 
ein heßliches volckh, sie feilen die zftn spitzig, wie die hundszen ^), 
und seind Menschenfresser. Daselbsten hept es an Gold zu geben. 



1) unten JJcra genannt. 

2) Plymouth. 

3) Schaluppe (chaloupe), die von ülsheimer gebrauchte Form 
schließt sich enger an das Niederländisohe sloep an, woraus das fran- 
zösische Wort erst entlent scheint. 

4) Kömerküste (Pfefiferküste), von engl, coast of grain. 

5) Ein Gewürz, welches bereits vor der Entdeckung Guineas aus 
der Berberei nach Italien eingefürt wurde, die sogen. Paradieskörner. 
Es stammt von einer Art Ingwer (Amomum Grana Paradisi L.), den die ^ 
Portugiesen Malagheta (Melegueta Manigueta) nannten. Weil man in 
für eine Art von Pfeffer hielt, bekam die Küste den Namen. 

6) räß (mhd. raeee) =x scharf, herb von Geschmack, von einem 
Verb, das in der Ableitung ratzen (kratzen) noch vorkommt. 

7) Auf der Zan- oder Elfenbeinküste y welche am Cap Palmas be- 
mnnt, unterschid man früher die Küste der bösen und der guten Leute. 
Die lezteren sind die Quaquanegefj welche von irem Gruß „Quaqua*', 
den sie bei jeder Gelegenheit hören lassen, disen Namen erhielten. 

8} Diß wird auch sonst von einigen Negerstämmen der Zanküste 
berichtet und als Beweis der Anthropophagie angesehen. Freilich würde 
es zu der Bezeichnung der Quaquaneger als der guten Leute nicht 
passen, wenn es auch von inen gälte. 



99 

• 

Dtmach seind wier imer fordt gesegelt, auf das C. de S puntas^ 
an welchem ort sich der recht Goldkust anhebt. Endtlich haben 
wier SU Commenda^) (ist ein dorff) das schiff an einen anckher 
gel^^, nnd haben daselbst eili Zeitlang mit den Schwartzen ge- 
htndlet. Darnach sein wier anff C. de Corsa ^) geschifft, ligt eine 
meil ander dem Gastel^), daselbsten ist das schif etlich Monat lang 
gelegen, nnd haben wier mit den Schwartzen gehandelt. 

Weil wier alda gelegen, ist anf ein zeit ein Schif zn uns auf 
die küst kommen, welches von Graff Moritzen auß Niederlandt selb 
ander anßgefertiget worden, aber auf dem Meer durch ein fortnn 
fon seinem zngebnen schif verworffen, und ein orlochschif das ist 
ein hollendisch Kriegschif genent worden. Derselbige Gapitani hat 
ooßem General angesprochen, daß er imme ein Man oder dreyssig 
gebe, er wolt das Castel ^) einnehmen, solches verwilliget im nit 
allein nnßer General sondern zog auch selbsten mit ans landt, da 
sie sich dan in 130 Man starckh mit mußqueten hämisch und 
langen spießen und ander notturfft zum streitt wohl armiert be- 
landen. 

Alß sie aber von Gommenda auf das Castel zue marsierten, 
begegnet inen etlich taussendt Schwartzen, in meinung die nnßem 



1) Cap der drei Spieen (de tres puntas), von den Portugiesen 
10 benannt wegen der drei kleinen dicht neben einander ligenden 
Spiien oder Berge, aas denen es bestet. Andere beginnen die Gold- 
töste etwas westlicher bei dem Assinie-Fluß. — Hs. puntes. 

2) Commenda oder Commendo (Portugiesisch Aldea das Terras), 
ein Dorf und Hafen, noch im westlichen Teil der Goldküste, auf wel- 
chem die Holländer die Forts S, Sebastian und (1688) Vredenburg an- 
legten. 

8) Cap Corso, jezt gewönlioh in der engl. Namensform Cape Coast 
genannt. 

4) Gemeint ist das Castell Elmina, welches etwas westlicher als 
Gip Coast ligt. Das auf dem lezteren befindliche Castell wurde erst 
1663 von den Schweden angelegt. 

5) Das Castell Elmina wurde auf dem Grunde einer zwischen 
1388 — 86 von Normännern aus Rouen und Dieppe angelegten und um 
^ Mitte des 16. Jarhunderts verlassenen Ansidelung im Jare 1484 
von den Portugiesen erbaut, welche, wie Arthus S. 90 erzalt, zu disem 
fikrhtbenden Bau etliche Schiffe mit Kalk und Steinen, neben' andern 
Inatramenten und allerhand Werkgezeug aus Portugal verschriben. Von 
(^i>em befestigten Punkte aus versuchten die Portugiesen, allerdings 
▼ergeblieh, sich das Monopol des Goldhandels auf der Küste zu ver- 
"cbaffen ; besonders die Niderländer wüsten sich einen Anteil daran zu 
^ifthenu Gegen dise nun wurde von Elmina aus der heftigste Kampf 
S^fört, als Philipp n. von Spanien auch Herr über Portugal geworden 
^. 8. Arthus S. 92 — 99, wo sich auch eine Abbildung des Castells 
findet. Deshalb legten die Niderländer zum Schuz ires Handels 1612 
Y^ Meüeu östlich von Elmina das Fort Nassau an (s. über dise Grün- 
daiiff den Bericht von Samuel Braun in dessen Fünff Schiffarten S. 25 f.), 
^wSch gelang es inen 1637 Elmina selbst durch List wegzunemen. 



100 

sramckh zatreibeD, und zu schlagen, derowegen wier, alß wier 
solchen großen hauffen gesehen, ein Ordnung gemacht, and einen 
halben Mon hoch von Sand vor ans aufgeworffen, wie aach die 
schif, welche nitweit von land gelegen seind, mit schießen 
dapffer af die Schwartzen getroffen haben. Indeßen begieng anßer 
General xind besagter Hauptmann ein gantz unbedechtlich stuckh, 
darumb sie auch daß leben geben mießen, dan sie giengen sampt 
einem jungen zun Schwartzen hin, und vermeinten sie wolten den 
Schwartzen* bereden, das dieSchwartze (weil wier nun des Castell 
begerten) zu friden sein und uns ziehen laßen solten. Aber die 
Schwartzen verstunden den handel nit recht, dan der General bil- 
det im hohe sachen ein, kundte auch zimlich schwatzen, dardurch er 
zum General worden war, aber nit der Man darnach, wie sich hie 
befunden. Dan indem sie zue den Schwartzen giengen, winckhet 
er inen mit der handt und schreyet paish paish paish, ist Spanisch 
pas pas pas, Frantzösisch paix paix paix, Teütsch Frid Frid Frid, 
meinet nit änderst dan sie wurden alß kinder oder alß seine an- 
dergebene gleich auf sein fridbot geben, und ihre wehr niderlegen. 
Aber sie achteten seiner Narey eben so wenig, alß in Anno 1601 
die belagerten Türckhen, in Canischen, des Cappuciners Münchs 
meß, der dardurch der Türckhen geschütz beschweren oder ge- 
stellen wolte, das sie nit mer darauß auf die Christen schießen 
köndten. Dan wie selbige Türckhen den Münch von seinem altar, 
den er vor der vestung hat laßen aufrichten, hinweg und sampt 
dem a|tar zu trimern verschoßen, also haben diße wilde Morön 
dißen unßern General sampt dem Hauptman und Jungen unge- 
achtet ihres fridbots ergriffen, und inen die köpff abgeschlagen, 
auch hernach außgehület, und noch ehe wier von daneiv gezogen, 
daraus getrunckhen, den jenigen, der den General erlegt, ward von 
den Schwartzen ein kusten oder truchen voller messer spiegl und 
gläsierene korallen oder poterlen für seine riterliche thatten ver- 
ehret. Auf solches meinten die Schwartzen, sie beten unß schon 
gantz erlegt und geschlagen, lieffen derohalben mit einem grew- 
lichen geschrey auf uns, alß derfften sie nur die beit holen, aber 
es ward sie zu bald gerewen. Dan unßere Mußquetierer fiengen 
an fewr zu geben, dardurch gar bald vil Schwartzen zu boden 
erlegt worden, rißen derohalben aus, und gaben die flucht, der 
eine da* der ander dort hinaus, und weil wier keinen General und 
jene keinen Hauptman mer baten, zogen wier unverrichter sachen 
wider von landt ab, über diß besorgten wier auch, die Spanier 
mochten noch einen hinderhalt haben. 

Nach solchem verordneten und erkivßeteu wier einen andern 
General, Adrian vmi Oust genant, derselb schickhto mich mit 
einer wohl außgerüsten, und mit mußqueten, groben geschütz 
und andere zugehör woll armirter Schlnp selb vierzehendt nach 
Benin. 



101 

Bas Ander Capittd. Wie ich in Benin kommen und was sich 
dornen eugetragen. 

Da wier nnn also außgefertiget waren, segleten wier von Cap 
Gore anß nacher Ackra^)^ alda man das beste Gold findet, von 
dannen anff Arden^)y daselbst haben wier ein Portogallisch schiff 
angetroffen, and mit inen ungevärdb 2 stundt geschütz geverdt 
gebalten. Endtlich aber weil sie uns zu starckh geweßt, sie 
wfidemmb verlaßen, und seind vort gesegelt, nacher Rio de Logo *), 
da wier eingeloffen. Im einlaufen seind wier mit der Schlup auf 
den grund khommen, und in gevahr leibs und guts gestanden, 
wier dan yil kessel und beckhet aus geworffen, die Schlup leicht 
ni machen, endtlich seind wier aber mit Gottes hilff wider darab 
khommen, und der Statt zu gesegelt, welche dem König von Benin 
(der in die sibenhundert weiber hat, und ein mechtiger könig ist) 
20 gehöret. Es begab sich aber eben zur selben zeit, das ein an- 
dere seiner Statt rebelliert, die er, weil die Statt umbmauret war, 
und sie daselbsten kein geschütz haben, so leicht nicht zwingen 
kente, ließ derohalben der König uns ansprechen, wier solten ime 
helffen, dieselbe Stat wider zu gehorsam bringen, welchem wier 
wflforten, und zogen unßer zwelf mit 2 stuckhen großes geschützes 
mit den Schwartzen, deren in 1000 waren, für die Stat umb- 
ligerte man. Wier aber stelleten das geschütz für ein thor. Deß 
andern tages schickht unß der feldobirster ein gaiß und zwuc 
bennen, begerende wier solten solches unßerm Gott opffern, welches 
Opffer wier gleich ime wider schickhten, und ine beandtworteten, 
das außer Gott weder gaiß noch hüener esse, derohalben er uns « 
biten laßen, wier wolten unßern Gott auf unßere weiße ehren. 

Sie opfferten aber denselben tag dem Teufel (den sie daselbst 
*ftr einen Gott halten) zwen Menschen, siben hundt, drey ochßen, 
swelf gaißen und über die hundert hüener. Alß solches volbracht 
war, fiengen wier an auf die Statt zue schießen, einen halben tag, 
biß wier das thor hinein geschoßen haben, nach welchem die 
Schwartzen mit aller macht hinein gefallen, die stat überweltiget 



1) Akra ist ein Landstrich im östlichen Teile der Goldküste, wo 
jeat die Fort James (engl.), Crevecoeur (holl.) und Cbristiansburg (engl.) 
ligien. 

2) Ardra auf der Sklavenküste, 10 Meilen westlich vom Rio Lage, 
fgl. Arthus, welcher S. 100 berichtet, die Küste vom Rio de Yolta an, 
welcher die Ostgrenze der Goldküsto bildet, werde weg^en der gofar- 
liehen Sohiffart selten besucht „biß an Bio de Ardra. Diß Revier oder 
Oegendt wirdt sehr von den Portugesen besucht, und ist weit und breyt 
beunt» nicht zwar als wann es so ein gut Land were, sondern wegen 
der Hänge der Schlaven oder Leibeygenen, so daselbst verkaufft 
werden''. 

8) Der Lagos, ein bedeutender Küstenfluß der Sklavenküstc, un- 
gefiur auf der Grenze nach Benin gelegen. 



102 

und erobert, auch alle wehrhaften manspersonen darinen niderge- 
hawen, die weiber nud kinder aber gefangen, ander sich getheilt, 
auch unßerm yeden ein weib gegeben, Endtlich aber die Statt ver- 
brendt und in boden gesohlaifft haben. 

Endtlich seind wier mit großem Triumpf wider nach er Sio 
de Lago gezogen, da uns dan der König nit allein finff lest pfeffer 
geschenckht, sonder auch durch sein abgeordnete uns auf allerley 
weiße groß ehr hat anthun lassen. 

Von danen zogen wüer auf Benin die große stat, da der 
König sein Residentz hat^, daselbsten die schlup vollendt mit 
pfefPer zuladen. Alß wier nun dahin khommen, ließ uns der König 
dapffer empfangen, wie er dan uns zu gefallen sein Königlich fest, 
welches er alle jähr nun einmahl (daran sich also jährlich der 
König nur einmal von dem volckh sehen laßt) begehet, gehalten 
und sonst groß Ehr erzeigt hat. Weil wier under deß nun mehr 
pfeffer geladen, nammen wier unßern abschaide. 

Das drit Capittel. Wie toir von Benin unfier Schlup weiter 
auf Cäbo de Lopo Gonzalva, auch endtlich auf die hast gefahren, 
und was unß begegnet. 

Alß wier zu Benin fertig geweßt und abgesegelt, haben wier 
unßern Gurs genommen auff Bio de Camerones ^) und Bio de B^ 
ungeyahrlich 7 oder 8 grad ober der Linea Equinoctiali gegen uns 
hero gelegen, da wier Ellephanten zän umb unßere waren einge- 
tauschet haben. 

Da wier erstlich ankhoromen in Bio de Camerones^ seind die 
Schwartzen mit sechtzig Canoen^) (das seind ihre schiff) auf uns 
zu gefahren, m. meinung uns zu überfallen, derhalben wier uns in 
der schlupp mit tuechem und schantzsegel woU verschantzt, auch 
das geschütz fertig gemacht, aber mit dem Ipßbrinen verzogen 
haben, biß sie gar nahe khommen, das wier mit gutem vortheil 
anheben fewr zugeben y ab welchem ungewöhnlichen und un ver- 
sehenlichen feur und donnern, sich zu salvieren, under das wassei 
gestürtzet, und die flucht gegeben, dan wier ihrw vil erschossen 
haben. 

Deß andern tags seind wier zu zwuo Canoen^) khommen. 
Die Schwartzen hielten von fernen, taucheten imer mit einem finget 
ins Wasser, und hielten in also naß über das rechte *aug. Wiei 



1) Eine genaue Beschreibung der Stadt gibt Arthus S. 101. 

2) Der Camerun mündet unter 4° n. B. in die Bai von Biafrs 
gegenüber Fernando del Po. Westlich davon fließt nach der Karte bei 
Linscotanus der Bio Beal ins Meer. Samuel Braun S. 14 freilich hat 
eine andere Beibenfolge: Auf .solches (von Benin aus) sind wir nach dem 
Land von Ambosy und Camarona, Rio de Anikare und Rio del Ree 
gefahren. ' 

3) Ganonen Hs. 

4) Hs. Ganonen. 



108 

kundten du wißen was sie damit meinten (sie wolten aber damit 
orknndigen, ob wier frid halten und handien wolten oder nicht). 
EndÜich sagt ich wier wolten es auch also machen, wie geschehen. 
So bald wiers nun auch also gemacht, seind sie gleich zu uns an 
bort gefahren, und haben gefragt was wier wolten. Weil wier aber 
nit mit inen reden kundten, zeigten wier inen Messer Beckheter und 
falsche Corallen, mit glaß gemacht, haben inen beneben mit deu- 
ten und wiockhen zuverstehen geben, was wier dargegen beger- 
then, bliben also in die drey wochen bei inen, und handelten 
mit inen fümemlich mit Ellephanten zän. Sie aber thetten nit 
dergleichen einmal, das ob sie wüsten, alß sie uns zu überfallen 
heten wollen. Nachdem wier nun in dißen dreyen wochen vill 
EUlephanten zän bekhommen, seind wier weiter vort und erstlich 
wad Rio de Qangra^), von danen aber auf Capo de Lopo GonzcUva^) 
gefahren. Dißer ort ligt schon einen g^^tzen gradum über die 
Equinoctiali Lini oder Mitl Lini der weit, und muß man sich da- 
•elbsten schon des poli antarctici (dan man unßem polum nicht 
mehr sehen kan) uf den schifen gebrauchen. 

Wier drafen aldort ein Frantzösisch schif an, waren aber 
Freybeiter und brachten unsBrott, aber wier traweten nicht, son- 
dern macheten uns bald von danen, und segelten strackhs durch 
den Equinoctialem wider der kust von Ghiinea zu mit pfeffer und 
Ellephanten zän wolbeladen. 

Derwegen unßer General ein schif mit Ellephanten zän und 
Benenischen Pfeffer auch (weil die kust von Guinea jährlich fünff- 
lehen oder sechszehenhundert pfund golds liferte) mit 1600 Pfd. 
golds laden ließ, nacher haus in Hollandt zu seglen, auff solches 
WBT ich vom General doch mit einem guten willen auch geordnet. 

Das Vierte CapUtel. Wie ich von Gmnea wider nacher Hol- 
landt gereißet und ich underwegen von den Menschenfressern ge- 
fangen^ aber endüich glickhlich zu hatifi ankhomen seye. 

Alß wier nun von unßem General abgefertiget geweßt, 
haben wier unßem weeg nach hauße ^nommen und seind erstlich 
nf Rio de Gangra gleich ob Rio Cambo^)^ nit über 3 grad von 
der Equinoctiali Lini gegen uns herwerts gelegen, zu gesegelt, alda 
etlich kupffere ring und messen beckhet, die wier noch übrig 
haben, vollend znverhandtlen. Da wier nun in die Refier khom- 
men, haben wier unßere schif in anckher gelegt, und einen schuß 



1) Der Rio de Angra mündet unter 1^ n. B. in die ßai Corisoo. 
y,Die Insel Corisco bat den Namen von den Portugesen bekommen, da- 
mmb daß es auf derselben viel Ungewitter gibt, mit Donnern, Blitzen 
oder Wetterleuchten, und großen Uegen, daß es also daselbst nit gut 
wonen ist.*' Arthus S. 105. 

2) Cap Lopez, l^ s. B. Hb. Cape delopo Gonzxda. 

8) Rio de Gahom bei Arthus S. 106» Köniffreioh Caponu bei Sa- 
muel Braun S. 16. Es ist die Bai von Gaben oder Gabun Vt^ ^* ^* 



104 

auß einem großen stuckh gethan, mit welchem wier den Schwär* 
tzen ein zeichen geben, das sie an bort kommen solten. 

Alß sie kämmen, brachten sie Ellephanten zän ^) nnd roten 
Sandel, die haben sie mit nns gegen kupffere ring nnd messine 
beckhen verstochen. Weil sich nun die Schwartzen gantz freindt^ 
lieh gegen nns stelleten, tribe mich der f&rwitz, das ich den Ga- 
pitan ansprach mich mit den Schwartzen nacher landt fahren, nn- 
gevahr ein meilwegs vom schif. Da mich ihr König freundtlich 
empfangen nnd in sein hüten gefüehret, anch brott von Benaxines 
gemacht (dan sie haben sonsten keines, weder was 'sie von geder- 
ten Benannes machen) wie nit weniger Wein de palm gegeben,' 
also mit mir gezeret und gnts mute geweßt. Inn dem wier also 
frölich waren^ kämmen ein hänfen Schwartzen dahin, f&r des Königs 
hüten gelofen, die stellet sich gar zornig, und sagten spanisch zu 
mir, es heten sie mein volckh betrogen, dan dieselben inen ring 
zu kaufifen gegeben, die kein niitz seyen, angesehen dieselb sie 
entzwey brechen kennen, wie auch an im selpst war geweßen. Es 
seind aber nit wier, sonder die Kupfferschmid die sie gemacht 
daran schuldig ' geweßt, nichts desto weniger weiten sie von mir 
haben und mich zwingen, ich solte dieselben wider machen, oder 
sie weiten mich nicht mehr an den bort laßen, sondern fressen, 
und redeten mir gar spöttisch zu, ja die weiber tantzeten schon 
umb mich her, ireweten sich und sungen, nammen mich bey der 
band, und steleten sich alß weiten sie mir drein beißen, sie grifen 
mich auch ferer an den leib, ob ich faist sey, und bestellet schon 
ein yedwederer theil an mir. Hie laß ich ein jeden verstendigen 
selbst judicieren wie mir zumuot geweßt seye. 

Ich versprach inen aber die Ring wider zu machen, wan sie 
mich in das schiff ließen, dan da selbst, sagt ich, het ich den 
werckhzeug darzu. Aber sie weiten es nit thun, sonder ich solte 
es bey inen machen, oder sie weiten mich freßen. 

Derwegen ich nochmahlen zu dem König begert. Den bat 
ich er solt zu dem schiff schickhen, und mir den werckhzeug 
hellen laßen, so woldte ich die zerbrochne ring wider machen, 
sagte beneben ich wolt inen ein Wortzeichen mit geben, das sollen 
sie dem Capitan zu stellen, so werde er inen die Sache, dar mit er 
inen die ring wider machen kenne, Ufern, die sagte er mir zue. 
Es kam aber selben tag kein Cannoa mehr an bort, mieste ich 
also warten biß an Morgen. Ueber nacht füehren sie mich in 
ein hüten, gleich hart an des königs hüten, darinen muste ich 
zwischen zweyen weibem, die mich bewareten, ligen, und wa ich 
gieng, da giengen sie neben mir her. Ümb miternacht hub der 
König an, auf eim eißern gemecht wie ein Schell klopffen, redete 



1) Arthus S. 106: und wirdt viel Elffenbeyn daselbst (zu Angra) 
vertauschet. 



105 

imd sung auch durcheinander, ungevahr ein viertelstund. Darauf 
erhub sich ein grosser grewlicher wind, der wehet des Königs 
hüten ZQ, alß wolt er alles zu häufen wehen. Auf solches fieng 
der König an, noch lauter zu singen und zu schreyen, so lang biß 
es wider still war. Da höret ich in schier ^ie gantze nacht mit 
dem Teüffel reden, ich konte aber nichts verstehen, so sagten die 
zwey weiber zu mir Eybo Eybokewa ist sovil „Du Weißer, der 
Teüffel ist beim König', damit erfrewet sie mich also, das vor 
angstschwaiß kein truckhner fad an meinem leib gebliben. Wan 
dißer König zu rath sitzet, so sitzen seine weiber mit ime zu 
rath, und seh wetzen vilmehr alß der König und seine obristen, in 
maßen sie auch in der urtheil den verzug haben. 

Alß nun Gott den tag gab, darnach mich hertzlich värlangete, 
kam der König zu mir und sagte. Er wolte an das schiff schickhen, 
was sie sagen miesten, und wa ich das Wortzeichen het. Da gab 
ich inen ein zedel (dan ich bete alzeit papir und schreibblei bey 
mir gehabt, und solches zu dem Ende, das wan ich etwan etwas 
sonderlich oder seltzams gesehen, ich das selbig verzeichnet oder 
reißen^) kendte) an den Capitani, darinen ich kurtz geschriben, 
wie mein sach stunde, das nemlich die ring kein nütz*) und 
derentwegen ich gefangen lege, auch da er mich nit liberirte, weil 
ich die ring nit machen kendte, gewiß gefressen würdte. Mit 
dißem brieffe schickhet der König etliche Schwartzen, darunder 
auch sein Sohn war, an bort zu meinen Capitani, sie nichts wi- 
derigs versehendt, dan sie verstunden sich umb die schrifft nichts 
noch umb das leßen. Da sie aber an bort kommen, und der Ca- 
pitan den zedel geleßen hat, behüelt er des Königs Sohn sampt 
den andern Schwartzen gefangen, biß an zwen, die sohickhte er 
wider zu dem König, mit dem beschaid, wan sie mich an bort 
lifem werden, so welle er diße auch loßgeben. 

Da die Schwartzen diße zeitung empfiengen, schrien und 
hielten sie zusammen und wurden bald retig ^), mich wider an 
bort lifem. 

Derowegen der König selber zu mir kommen, zeigt mir sol- 
ches an, und sagte ich solte mit denjenigen, die sie mir zu geord- 
net, wider zue meinen Weißen ziehen, und sehen das sein Sohn 
sampt den andern gefangnen gewiß ledig gelaßen würden. Bene- 
ben gab er mir einen schlißel, dem war das blat oder hart abge- 
brochen, und bat mich, ich solte denselben im schiff wider machen, 
und bei seinem Sohn im wider zu schickhen, welches *) ich ime gleich- 



1) reißen in Umrissen entwerfen. 

2) schon mbd. das Adj. keinniUze (untauglich). 

3) schon mhd. raetec raetic = Rat gebend ; raetic werden = einen 
Ratschluß fassen. 

4) welche Hs. 



106 

woU zusagte. Aber da ich wider in meim ficbiff war, wnrfe ich 
denselben über bort, und nachdem wier den Schwartzen die haut 
voll geschlagen, haben wier sie wider ledig und heim ziehen 
laßen. Nach solchen saumeten wier uns nit lang mehr daselbsten^ 
dan sie baten kurtz zuvor, ehe wier hin kommen sein, etlich 
Weißen überfallen und gefressen, welches wier noch an etlichen 
umbständen merckhten, sie wolten es /aber nit gestehen, sondern 
legten solches auf die in Rio Cambo, so .zunechst an inen ligen. 
Segelten wier derowegen unßers weeges vort auf C. de Lopo^) 
QcnzaXva. Da wier uns mit holtz und wasser versehen. 

Darnach seind wier zuruckh der heimet zu fiir die insul 8t. 
Thomae geschifft, und haben bey derselben ein Barka, die mit 
zuckher geladen geweßt, angetroffen. Die weil es aber spanisch 
war, und Li^a Bona^) zuschiffen wolten, haben wier sie geblen- 
dert^), und ihres wegs wider fahren lassen. 

Der gleichen beit ist auch uns eben in dißem unßem umb- 
keren und heimfart zum ander mahl an die band gestoßen. Dan 
alß wier' auf der hechte ^) gehn der Flamischen Inaulen (welche 
auf die 40 grad von der Equinoctiali gegen uns her oberhalb der 
Insuien Canarien ligen) kommen seind, haben wier ein ander schif 
auß grofi Canarien (welches auf Westindiam seglen wolte, und in 
die 70 Personen, weih und kind, darauf waren) angetroffen, wel- 
ches wier auch wie daß vorige eingenommen und geblindert, her- 
nach aber ohne einige leibs oder lebens gefahr oder beschedigung 
wider haben vort faren lassen. 

Nach solchem seind wier wider mit reicher beit nach heimet 
in Holland geschiffet, und in kurtzem, benandtlich in Anno 1604, 
zwischen Bartholomei und Michaelis, alß ungevahr seohszehen 
Monat nacher unßer ausfart, zu Rotterdam an der Maaß oder 
Mosa gelegen glückhlich ankhommen, dan die Rotterdam und Am- 
sterdam in einer Companei seind. Von danen bin ich wider nacher 
Amsterdam gezogen, hab also mein Guineische Raißen beschloßen, 
und zu bemeltem Amsterdam auf ungevahr 4 Monat mich aufge- 
halten. Eben umb selbige zeit da wier heimkommen, haben die 
Staden die Statt Ostende ^ nachdem sie drey jar und acht monatt 
belegert geweßt, und sich darauß gantz Riterlich biß auf das eü- 
ßerst gewehrt gehabt, dem Feind, der noch darvor und durch 
solche belegerung mehr verlohren alß gewonnen hat, gantz ver- 
derbet überlassen. 



^! 



Lapo Hs. 
Lissabon, 

3) geplündert; 16. bis 16. Jarhundert hlundern und hlündern neben 
plündern von Plunder Blunder (Bettzeug, Kleidung und Gerät beson- 
ders ärmerer Leute). 

4) Höhe. • 



107 

Das Sibendt Capittel, Von LandUart ufid Fruchtbarkeit 6rta- 
neaej auch Rdigian BegmcfU Handihierung und andere Siten der 
Gmneser. 

Guinea ist ein großes Land und Königreich in Africa hinder 
Barbaria und Interiore Libia, abendtwerts gegen America über 
oder an dem Atlantischen Meer, der mitel Lini der weit zuge- 
seglet, fJEihet nortwerts an sohald man Übern fluß, Senega genant, 
von uns gegen mittag reißet, gegen Morgen stoßet es an Rio de 
Logo und das Königreich Benin ^). 

Zue Ccibo Verde ^ 14 grad von dem Equinoctiali nordwerts 
gegen nnß hero, hebet sich die kust von Guinea an. Die inwoh- 
ner seind schwarize Moren^ mit denen ist nichts zu handien, alß 
Ambragräfi ^) (ist ein bißen Gummi der von einem Wahlfisch her- 
kommen soll), aber es ist ein großer betrug darinen. Sie machen 
vü Vieh, machet Buter, aber nit Keeße. Es gibt auch daselbsten 
^1 Viach , und so man weiter ziehet , khomet man uf die Rechte 
Goldkust, die Tanget an zu Quaqua und C, de tres puntas^), dar- 
nach Yolget Atshin^), das ist ein kleines Castel, dem König in 
Hiipania zugehörig. Daselbsten haben uns die Spanier ein Schlnpp 
mit Man genommen, welche sie biß an zwen (die man auf das 
Csitel a Mina gefüert hat) nider gehawen haben. Von daneux 
komet man auf das dorf Commenda^)^ da ist ein großer handel 
fon Leinwat, Beckhetem, Kesseln, Messer, Eyßen vilerlay sorten 
und färben, glaßerine Corallen, kupfiferene Ringen, grob wulen- 
thnch, Spiegel und dergleichen Sachen. Diße Goldkust höret auf 
bei Rio de Logo gegen Benin zu. Die beste und reicheste Gold- 
koit aber erstreckht sich von C. de tres puntas^) biß auf Akra. 
Die fürnembste ort auf der Goldkust, da man handelt, sonderlich 
die Hollender, seind erstlich Quaqua und Commenda, darnach Cape 
äe Corsa''), Maurra^) und AJcra, 



1) Hs. Berim. 

2) Engl. Atnber-griSf grauer Ambra, soll eine krankhafte Goncre- 
tion oder Sterooralverhartung des Cacbelot (Physeter macrocephalus) 
•ein. Er warde hauptsächlich aus Ostindien und von der Ostküste 
Africas eingefürt (auch Arthus Beschreibung S. 6 gibt an, daß man 
am grünen Vorgebirge damit bandle). 

8) Hs. puntes. 

4) Atshin (Axim), der westlichste Teil der Goldküste, mit dem 
gleichnamigen Orte, bei dem die Portugiesen schon unter König Erna- 
nael das Fori Antonius anlegten, welches die Holländer 1642 eroberten 
und seitdem besizen. 

6) Vgl. oben S. 99. 

6) puntes Hs. 

7) Gap Gorso s. o. S. 99. 

8) Mourre (Arthus S. 100), More (Braun S. 25 f.) oder Mauri 
im Königreich Sabu. 3 Meilen östlich von Elmina, seit 1612 durch das 
niederländische Gasteil Nassau gedeckt. — Hs. Maurra. 



108 

Es ist diß landt fruchtbar von Wein de palm ^), so haben 
sie gut Brottf welches sie machen aus einer Frucht, die sie Mille *) 
haißen, ist rundlccht und unßerm hanfsammen nit gar ungleich, 
item auß Türckhischem Korn, deCen es bei inen vil gibt, sie neuen 
es Mais^)^ nicht weniger haben sie auch vil Zuckherried^ und 
sonsten allerley stattliche Fruchten. Des gleichen mangelts inen 
nicht an guter schnabelwaidt «und Hiener Aper auch Visch den 
Überfluß, also das man umb ein ring ding, alß etwan nur umb 2 
oder 3 Ellen Leinwath, auf einen gantzen tag lang fär das gantze 
schiffvolckh fisch gnuog kauflen kau, dan es ein große fischerey 
daselbsten hatt. Eben sowenig haben sie auch Mangel an Wild" 
hreU doch seind die Hirsch ^) nit so groß alß bey uns und haben 
weiße strich, einen an dem andern, durch den gantzen leib, son- 
sten seind sie rott, haben aber keine hörner. Die RechböckMen 
seind bey inen größer nit, alß die Haßen bey uns, seind graw 
von färben, und haben Jdeine hömlen. Femers gibt es bey inen 
Papagayen und Merkaizen den hauffen. 

Sie haben aber hingegen mangel an Waßer und kein ander 
sießes alß das Regenwasser, das samblen sie in große gruoben bey 
der Regenzeit. Es witert seltzam bey inen, wie in Ostindien^). 
Im Maio Junio Julio biß in Augustum regnet es schier alle tag, 
von selbiger zeit an regnets nit mer biß in Januarium, sondern 
ist gar haiß wetter, also das alles vor großer hütz außdoret. Im 
Januario heben die travado an, da khommen fast alle tag zwey 
oder drey wetter, das wehret biß in Majum, wie in angefangnen 
sibenden Capitels gemelt worden ist. Und dahero komet es, das 
sie ihre Früchten im Apprillen säen und gleich im Augusto also 
in vier Monaten nach dem Aussehen wider ein ernden. 



1) PaJmwein wird aus verschidenen Palmenarten und zwar auf 
ser manigfaltige Weise gewonnen. Den meisten liefert Rapbia vinifera, 
die in den sumpfigen Niderungen vorhersehend ist. 

2) Hirse (portug. milhio) werden einige Grasarten (Holcus sorghum 
und H. bicolor) genannt, die man in Senegambien und Guinea anbaut 
und aus deren Korn ein gutes Mel gewonnen wird. 

8) Auch der Mais wird in Guinea stark gebaut und gibt vil- 
fach zwei Ernten järlich. Der Name ist übrigens aus America einge- 
drungen. 

4) Unter den Hirschen und Rehen werden von den älteren Rei- 
senden häufig auch die verschidenen Antilopenarten mit einbegriffen. 

5) Vgl. Samuel Braun Anhanpf der Beschreibung deß Königreichs 
Congo S. 4: Auff solchep harten Wind ist es in einem augenblick so 
still worden, daß wir vns darüber verwundert. Es hat auch offt in 
einem tag drey oder viermal mit grossem Gewalt angefangen zu reg- 
nen, vnd bald darauff widerumb mit grosser vngestflmigkeit zu winden, 
oder wähen. Welche Wind und Ragen Travada genennt werden, so 
jhre gewisse zeit haben im Jahr, nemlich im Mertzen, Aprillen vnd 
Meyen. Die vbrige zeit aber gibt es keinen Ragen, dargegen grosse Hits. 



109 

Auf irem Marckht haben sie ein heüßlen stehen. Wan nan 
efiender speiße etwas nt den Marckhte kommet, so opffern sie zn- 
Torderat dem Teü£fel (den sie Fiitiße ^) nenen) darvon. Ihr König 
(den sie in ihrer sprach Aura, aber spanisch Rey nenen, und der 
drey meil inerhalb landts in einer statt Futta^) genandt wohnet) 
that änderst nichts dan das er alle tag sein Fiitiße (das ist sein 
Tefiffelsbeschwerang und zauberey oder Gottesdienst) machet, das 
Terricht er mit allerhandt narisch und zauberisch Ceremonien, mit 
nogen, schellen und klinglen, auch murmeln, und sich hin und 
her wendet, nahendt allerdings wie die Papisten ihr meß halten. 
Dod ist eben durchaus bei inen ein Barbarisch werckh, dan es hat 
bey uns ein dorfschultheiß mer Authoritet alß ein solcher König. 
Wan er trinckhet, so nemmen im sein edellent das trinckhgeschir 
Torm Maul hinweg, und saufens auß. 

Wöchentlich am dienstag^) (den sie wie wier den Sontag fey- 
ren) muß man dem König allen Wein auß seinem gantzen gebiet 
bringen, den muß er hinwiderumb zum besten geben, hat derselb 
Til gelt, und gibts nit zum besten, so schlagen sie in zu todt, und 
nemmen alles was er hat, und versauffen es, dan sie behalten 
nichts übernächtig. Wan auch einer under inen ein schätz hat, 
nnd denselben nit zum besten gibt, so schlagen sie in, wan sie 
deßen inen werden, zu todt. Iren König tödten sie umb einer 
Bchlechten ursach willen. Wan ihr König stirbet^) so mießen alle 
seine Edelleüt, die bei im im Rat sitzen, -auch sterben, deß gleichen 
tnch alle seine Sclayen. Sie zerhacklien sie zu kleinen stückhlen, 
ond werfen selbige hin und wider auf das veldt, mit dißem für- 
geben, wan ihre leüt sterben so kommen sie in der Weißen landt, 
daselbst mieße der König auch leüt haben, die auf in warten. 
Darumb mießen sovil mit im sterben, und deßwegen machen sie 
alle ihre Todten vor der begräbnus gautz weiß, ihr begrebnus ist 
sovil als des gemeinen volckhs, des Königs halten sie rein, und 
alß, damit der verstorbene täglich umbgangen ist, das legt man 
im auf sein grab, damit er auch etwas zu schaffen habe, nnd das 
er nach seinem todt nit etwan erst huuger sterb, so bringt man 
im alle tag 2mal eßen und trinckhen auf das grab. 



1) Fetisso bei Arthus. Fytysi bei Braun. Die heute bei uns ge- 
bräachliche Form Fetisch ist aus franz. feticlie hergenommen. 

2) Am nächsten stimmt hierzu der Name des Reichs Fetu, nur 
ligt die Hauptstadt gleiches Namens an der Küste; landeinwärts ligt 
die Residenz in Commendo (Guaffo), welches westlich, und von SabUj 
welches östlich an Fetu grenzt. Weiter nach Osten wonen, früher in aus- 
gedenteren Sizen, die. Fanti, welche in neuerer Zeit durch die Aschanti 
svückgedrangt sind. 

8)Jedoch halten sie denselben (den Feiertag) — am dritten Tage 
in der nochen, nemlich am Dienstage, Arthus S. 31. 

4) Vgl. aber das Begräbnis der Könige Arthus S. 81 f. 



HO 

Wan sie den König zu grab tragen, so tantzen und schreyen 
sein weiber vorher, weißt aber keiner ob es gesungen oder geweint 
ist, uf solches volget der ander Comitat. Sie die weiber des ver- 
storbnen Königs tantzen, und schreyen also auf dem grab, und 
von demselben wider heim. Wan sie wider heim kommen, so 
schlupffet sie durch ein viereckhet ding, welches die FtUisa hai- 
ßen, darnach sitzen sie zusammen in das hanß, und heilen gleich 
wie die hund auf einen halben tag lang, sagen darzu „£y wanimb 
bistu gestorben, was hat dir gemangelt, hastu nit weiber gnuog 
gehabt ?*^ 

Daß treiben sie woU bei drey Monat lang, alle tag. Wan 
solches furüber ist, so nemmen sie alles was er verlaßen hat, und 
versaufen dasselb, sie kaufen auch kie oder ochßen darzu, die 
freßen und reiben sie auf, mit dermen und kath (wie auch von 
andern thieren), seind eben mit tantzen und springen gar lastig 
dar bei. 

Sovil sonsten ihr Policey anlangt, haben sie, wan sie etwas 
mit einander beschließen -wollen , ein sonderbares hauß darzu, 
gleich unßem ratbheußem. Im berathschlagen schreyen sie so laut, 
das einer meint, sie wellen eihander schlagen, wan sie nun des 
handeis eins worden sein, so schlagen sie zugleich mit einander 
auf die brüst, und laßen darzu einen jetweder ein lauten hochtzer. 

Den Obristen in einem dorf haißen sie uf portugellisch ein 
Capitain. Der nach ime haist Metrini, ist der henckher oder nach- 
richter, doch einer von den Obristen und fümembsten geschlech- 
ten, mer alß ein Edelman. 

Es darf einer sovil Weiher bey inen nemmen und haben alß 
er will, wan einer eine nit mehr haben mag, so darf er sie von 
sich jagen, wie sie auch irer Kinder nit vil nach fragen, sondern 
dieselben verkhaufen und versetzen. 

Sie seind Ehrgeitzig und trachten nach hohen Tituln. Seind 
auch Edel, welche sie bey inen FilgcUga oder spanisch Hidalgo 
neuen, und umb geschenckht und gaben machen. Dan wan einer 
ein kuoh zum besten gibt, so machen sie in zu einem Eklelman ^), 
wan er schon sonst ein Betler wer, und darnach beederseits woll 
content, thut im auch das volckh sein ehr an, wan er nun den 
namen Hidalgo hat, und nun einer gern ein Edelman wer, so 
kaufPt er ein kuo oder stier, gibt inen dieselben zum haßten, so 
machen sie auß im einen Edelman. Biß sie in zu einem Edel- 
man machep, füehren sie ein wunderlich spil, so hie zu erzehlen 
zu lang were. Allein wan daß närisch Faßnachtspill fürüber ist, 
so tregt man letstlich den newen Edelman in deß Capitans hauße, 
da nemmen sie wein de palm, schiten denselben auf den boden, 
und rieren etwas« darunder, biß es ist wie leimen, damit schmieren 



1) Vgl. über den Adel auf Guinea bei Arthos S. 78 ff. 



111 

sie in über den gantzen leib, das er lauter kotb ist, alßdan tragen 
sie ine alß kotig durch das gantze dorff, die weiber tantzen vor 
ime her, singen und loben in, wie er so ein stattlicher Edelman 
sey, und sovil zum besten gegeben habe; so es uns geschehe, 
wurde man* sagen, es were ein Saw, die sich in einer pfitzen umb 
gewaltzet hete. Wan nun alles fürüber und der Edelman ge- 
macht ist, 80 hat er nit sovil, das im ein blendt Pferd in seinem 
hauß schaden thun kendt. Den köpf von der kuoh henckhen sie in 
des Capitans hauß zur gedechtnus auf, und welcher zum mehe- 
sten kieh köpff hat, der ist der greste herr. Sie achten keiner 
kostticheit oder sondern zierdt, dan ihre heüßer seind nur hüten, 
und nit groß, nur von riedt gemacht, so klein das sie darin nur 
schlaffen. Darinen haben sie bey nacht ein fewr, und ligen auf 
der erden nnder einander, wie das vich, jung und alt, darumbher, 
sie deckhen sich nicht zu, und haben nur dene seckhlen^) under 
inen auf dem boden. 

Alle tag waschen sie sich dreymal, darnach salben sie sich 
mit unschlitt oder mit Oel de jpo/ma'), welches ein köstlich Artz« 
ney, und gelb ist, so sehen alß Saffran. 

Der Mäner geschmuckh ist, das sie sich mit schlißein be- 
hengen, tragen dieselben am halß, an den seitenwehren, ja sie 
henckhen kleine schlißelen an die berth. Die Weiber haben ihre 
zierd und hofart im har, welches sie mit QcHd zieren. Selbige 
tragen auch woU gautz güldene Ring umb den halß. Diße Wei- 
ber seind beneben gar hierisch, und frembder Nation Mäner sehr 
begirig, jährlich halten sie zwen dentz^ einen wan sie außsohen^), 
den andern wan sie einerndten. Daß treiben sie 4 wochen lang, 
und fangen al wegen mit dem vollmon an, bey der nacht dantzen 
sie am mehresten. Da geth es dan hierisch gnuog zu. Wie diß 
Yolckh sonst in seinem thun Barbarisch ist, also seind sie auch 
unfletig und mchisch im essen, dan sie eßen alles flaisch, küeh 
schaff gaiß und gewild, mit dermen und sampt dem koth. Wan 
sie uns ein schaf oder gaiß an bort zu kaufen gebracht, so haben 
sie alweg das eingweid außgedingt, solches beten sie für ein heren- 
oder schleckheßen, und sprechen wier seyen Narren, und wißen 
nit waß gut sey. 

Eß hat dißes volckh nit gar ein gesunden lufft, dan es gibt 
bey inen vil hitzige pestilentzischo fieber^ und sonderlich ist es 
gar ungesund im Mayen, das, welcher vil an land ligen wil, nichts 



1) dünne Säcklein. 

2) Palmölj ans den zerstampften und über langsamem Feuer ge- 
kochten Früchten der Oelpalmo (Elaeis guineensis) gewonnen, welches 
in Africa zur Zubereitung der Speisen benuzt wird. In neuerer Zeit 
ist et ein Uauptgegenstand des Exports für den Handel nach Europa, 
wo es zu Seifen und Maschinensohmiere verarbeitet wird. 

3) aussäen. 



112 

gewißers alß kranckheit hat. lieber diß werden die inwohner 
he£Ftig geblagt oder gequellet von den Wurmen^), die sie in gli- 
dern bekhommen, und auf zwey klaffter lang, auch offib woU lenger 
sein. Es hat offt einer sechs oder zehen, ja mancher weil mehr, 
in den glidem. Wan diße Wurm herauß wellen, so machen sie 
Bleterlin, alß weren sie gebrent. Daß selbig briofat endtlich auß, 
und komet der Wurm mit seinem schwartzen. kopff herfür. Alß 
dan muß man gut sorg haben, das man sie nit abbreche. Dan wan 
einer bricht, so macht er gleich ein inflammation und großen 
schmertzen, biß er gantz und gar herauß, so thnn sie nit mehr 
wehe, bringen auch keinen weitem schaden. Darumb muß man 
groß achtung drauf haben, und ein sonderbare artzney darzne 
brauchen. 

Es bekommet auch underweylen unßor volckh solche Wurm, 
und thun denselben ofift große Plag an. 

Diße inwoner haben auch ein seltzsamme weiß zu kriegen, dan 
wan sie in krieg zu streiten kommen, so machen sie also balden, 
wan nur auf irer oder ihres feindts Seiten zwen oder drei man 
umbkhommen seind, frid halten^). Ihre wehr seind wie kleine 
spießlein, die haißen sie Hasagayen, sie brauchen auch Flitsch- 
bögen und große schult, darunder sie sich gantz verbergen kön- 
den ; ihre Seitenwer seind einer gantzen band brait, daran hen- 
ckhen sie eine klupert schlüßel, und binden darauf einen Hundts- 
khopff, das stehet bey inen gar soldatisch. 



1} Es ist diser Guinea- Wurm (in Aetbiopien Fertit, in Ostin- 
dien Naru oder Narumbu, in Buchara Reshter) die Fäaria medinensis. 
Sein Vorkommen ist nicht auf die Westküste von Africa beschränkt 
(hier erscheint er vorzüglich in Senegambien und auf der Pfeffer-, Zan- 
und Goldküste), schon frühe wurde er in Aethiopien beobachtet, weit 
verbreitet ist er in Indien an der westlichen Küste und in Nord-Dekan, 
ser häufig in der Stadt Buchara, einzeln kommt er selbst in America 
vor z. B. auf den Inseln Grenada und Cura^ao. Die uns erhaltene 
älteste Beobachtung der Krankheit rürt von Agatharchides her, wel- 
cher unter Ptolemaeus Philometor lebte (Plutarch. Sympos. YIII, 9). 
DerWurpi erscheint fast nur in dem üntorhautbindegewebo und zwar kaum 
anders als in den untern Extremitäten und wandert warscheinlich von 
außen ein, ob durch die Haut oder mit dem Trinkwasser durch den 
Magen ist bis jezt noch nicht entschiden. Vgl. A. Hirsch, Bandbuch 
der historisch-geographischen Pathologie U S. 523 ff, Arthus in seiner 
Beschreibung von Guinea (1630) widmet der Krankheit ein ganzes Ca- 
pitel (48). Auch der Wundarzt Samuel Braun aus Basel bespricht die- 
selbe in seinen Fünff Schiffarten (Frankf. 1625 S. 33). loh. Hugo Lins- 
cotanus (Navigatio ac Itinerarium — in Orientalem sive Lusitanorum 
Indiam, Hagae-Comitis 1599 S. 11) fand sie auf Ormuz. . Die beim Zer- 
reißen des Wurmes entstehende Entzündung wird durch den scharfen 
Saft des Tieres hervorgerufen. 

2) Es seyn aber ihre Kriege nicht so grawsam, als sie wol schei- 
nen, sintemal sie nicht lang waren, sondern gar bald ein Ende nemen. 
Arthus S. 44. 



113 

Nun folget auch kurtzlich von ihrer handthiening. In der- 
selben brauchen sie auch gewicht^) und maß, Ein Untz haißen sie 
ein BindOy ein loth Besä, ein quintlin Äche, ein halb quintlin 
Fäbä hrtta^ das aller kleinest nenen sie Gaera, ist fast ein Gran. 
Die Leimcat mißet man mit einem stab oder siecUicn aus, der ist 
ungefähr unßer IVs halb ehlen lang. Man gibt 40 auch 42 und 
etwan 43 steckhen duch minder oder mehr (nachdem vil schif 
endthalben seind) für ein Binda. Daß kupffer wigt man mit pfund 
•nß, 12 oder 20 pfund für ein Binda^ darnach eß kupffer ist, der 
Bing gelten 24 ein Binda. Ein stah eyßen gilt einen halben . . . , 
leehe acht oder mer scheuer glaßener Corallen werden verkaufit 
nmb ein Beeß oder umb drey AchUj darnach der Spiegel ist. 

Es seind diße Schwartzen so ein verstohlen volckh, das wa 
de etwas enzuckhen kenen sie nit feüren. 

Diejenige welche das Gold bringen kommen bey 30 oder 40 
neilen auß dem )and herauß zu den schifen. Wier haben sie nit 
Tentehen khönen. Sie gehen gantz nackhendt biß umb die miten, 
da binden sie ein tuoch umb, und bringet manchsmal einem bei 
•eehs oder zwelf pfund auf ein mal herauß. Darfür kaufen sie 
Leinwat mehrertheils. Wan sie mit einander an bort kommen, so 
geben die kauffleut dem nnderkaufer daß Gold, und laßen in da- 
ait handien. Alß ligt der ßaur oder kauffraan (dan die bauren 
besitzen die Goldgruben, und seind in den ortten, da es gegraben 
wirdt, keine Edele) ins schiff, kan das Meer nit leiden, und etwan 
dirinen weder gehen noch stehen. Wan der Für oder Under- 
kiofer vil Gold hat, so muß man inen wein zu trinckhen geben, 
rack ehe er den Contract machete, mit inie der Dasche^) (daß 
ist ein Verehrung) halber zufriden werden, wievil man nämlich 
dasche von iedem Binda ime geben wollen. Wan er nun zufri- 
den ist, so macht er mit den kauffleüten den Contract, wie vil 
ne ime steckhen Leinwat für das gelt geben sollen. Wan das ge- 
tebehen und zu beederseits zufriden sein, so wigt der underhänd- 
hr daß Gold dar, hingegen mißet man inen die Leinwat heim, 



1) Die Bawren, so vom Lande kommen, haben ihnen Gewicht von 
floltx gemacht. Deßgleichen haben sie rothe und schwartze Bonen, da- 
^it lie sich behelffen, und wissen einem bald zusagen, so viel rothe, 
V]^ 80 viel schwartze Bonen machen so viel Pesos, oder so und so 
^1 Benda — welches dann ihr gröstes Gewicht ist, und macht bey 
iQtt zwey Untzen. Benda Affa ist ein halb Benda, bey uns ein Untz, 
Aiauwa ist 2Vs Pesos, E^geba ist 2 Pesos oder ein halb Untz, Sirou 
^y 1^1 Pesos, Ensanno ist ein Pesos oder ein Loth, Quienta ist '/i 
ßJÄCi Pesos, Agiraque ist ^l^ Pesos oder Va Loth, Mediataba ist ^4 
^nea Pesos oder 1 Quint, dann ein jedes Peso ist 1 Loth. Arthus 
S. 28. 

2) lieber die Entstehung diser Sitte, dem Unterhändler oder Pi- 
■®^n nnd Dolmetscher ein Dache zu geben, handelt Arthus S. 22 f. 

Blrlingar, Alemannia VII 2 8 



114 

man kan im fast von ieden stab oder steckhen ein halben stab 
wider endtziehen, ja man kan sie aocb mit dem zeblen nberror- 
theilen. Und was man inen also am meßen oder zeblen nemet 
oder abtregt, dasselbig gibt man inen hernach zu für die dasdU 
oder verehr ang. Und gibt solcher betrug* oder Tortheil dammb 
gegen inen, weil sie nit allein über zehen nit, und zwar daaselb 
nit woU zeblen können, sonder auch dieweil man, da solchen vw 
theil nicht gebraucht würde, man mit denen kaufflenten nit be- 
stehen könen. ^ 

Wan nun dißes füruber und verrichtet ist, so gibt der kanff- 
mau dem Bauren etlich ehlen thuoch, messer, Spiegel oder gl&ßeiie 
Corallen, damit ist der Baur gar wohl zu friden, und meinet er 
habe eben gar wohl gefißet, da doch der gut tropff am wenigsten 
dar von bringt. Dan der underkauffer gibt ime nit mehr, alß den 
halben theil, daß ander theil stilet er ime. Wan sie dan wider 
an land khommen, so schenckhet ime der underkauffer ein Ellen 
thuoch oder 4. So meint der gut kauffman oder Baur, er habe 
gar redlich mit ime gehandelt, also tregt der gut kauffman oder 
Baur, der das Gold so mit grosser gefahr so einen weiten weg 
hergebracht, am wenigsten war darvon. 

Wo sie das Gold graben, da darf ein geschlecht in zehen 
Jahren nur ein mal in die gruoben, und wie sie sagen so soll ein 
große Summa Goldts dort sein. Dan sie bringen es nngeschmeltst, 
gleichwie sie es auß der Erden graben, ie kleiner das Gold ie 
beßer es ist, sein bringen auch auf einmal 2 oder 3 pfund schwer. 

Am ufer des Meers schöpffen die künder daß sand nnder 
den felßen her für und schüten den von einem geschir in daß an- 
der hin und her, daiinen findet man gar guot Gold, und kan ei- 
wan ein kind deß tags auf ein Quintlen kommen. 

Das ÄcJUe Capütel. Guineser Gott kan in der Christen- 
menschen beisein nüt reden. 

Zum beschluß der beschreibung Guineae kan ich ungemeldet 
nit laßen, das, gleichwie Papisten järlich an Fronleichnams tag 
umb ir Esch oder velder gehen, und dieselben vor ungewiter seg- 
nen, also khommen die Guineser järlich in alle und yede derfer 
im Aprilen auf einen gwißen tag zasamen, da machen sie ihre 
Futise oder Teüfelsbilder oder Abgott, dem Teufel zu ehren ihre 
Futise. Ist nichts anders dan ein häufen zusamen getruckhten 
kats. Darzu brauchen sie, wie oben gemeldet, fast solch Cere- 
monien, wie die Papisten bey ihrer meß. Wan solche Futise fer- 
tig sein, so fragen sie den Teufel, wie selbiges jähr das körn und 
ander fruchten gerathen würde, waß für frembd schiff ankommen, 
was für kranckheiten volgen, wie ihre schwangere weiber der kün* 
der abkommen und was sich für krieg erheben werden. Ist den 
etwa ein Christ darbei, der den Teufel verspottet, und denselben 
heißet herliegen, oder nur laut redet, and in gegen den Schwartzen 
verlacht, oder einen Ligner haißet, so schweiget er stockhstil, 



116 

redet nichts mehr, so lang der Christ darbey bleibt. Wan sie 
dirmit wider fragen, ond andtwort haben wollen, so befihlet er, 
mao soll zuvor die gezeichnete (damit meinet er die Christen, 
TÜleicht umb deß h. Taufs willen) ab weißen und hinweg schaffen, 
Knuten woU er nichts reden. 

Schweiget aber der Christ anfenglich stil oder gehet hinweg, 
80 andtwortet er durch den kathau fen auf ihre frag, otwan gehet 
ei wie er gesagt hat, etwan weit änderst. Solche Futisa steckhen 
lie hin und wider auf ihre güeter, auf das veld. Darvou soll das 
veld beschirmet werden, und gehet ihrer keiner hin zu, der es 
•or^e. Dan welcher ein solches weckh thut (außerhalb der 
Christen) der stirbt alsobalden. Wan es nun änderst ergangen ist, 
wflder inen der Teufel durch die vorige Futise gesagt hat, und 
wier sie dariber vexierten, sagten sie, FtUisa ynetUis, das ist tinßer 
6oU hat gelogen; spottet wier dan ihrer weiter, das sie an einen 
Lugenhafften Gott glauben, so fragten sie uns, ob dan unser Gott 
nit auch lieg, und weiten schlecht nit glauben, daß unßcr Gott 
nit auch lieg. Darauß zuvernehmen, waß es für blinde verstockht 
lUkd arme leüth sein mießen? 

Der Ouineser weiber in der gegen Ackra haben hinder ohne 
Mäner. 

Ferners ist zu merckhen, das wie die weiber sonderlich in 
Ackra sehr hierisch seind, also bereden sie ihre Närische Mäner, 
wiD eine nur ein mal mit einem Man zu thun hab gehabt, sie 
kenen hernachtmer, so lang sie alters halber taugenlich seyen, zu 
geboren , und die Mäner glauben es und seind iu dem Narischen 
Wahn, das, gleichwie ein hen ein ayerstockh, also hab auch ein 
weih so zu reden ein kindtstockh. 

Ich achte aber, das es volgender gstalt zugehe. Gleichwie 
bey uns die Minch also gibt es bey inen starckhe und faule gaile 
icblingel. Die geben sich gleichsam in ein orden, sprechen, nun 
wellen sie nit mehr Mäner sein, sondern Weiber, binden dcro- 
wegen wie die Weiber tQechlen umb die schäm, thun auch allerley 
weibergeschefiPb, und flechten denselben ihre haar. Die Narrechten 
M&oer halten solche schlengel für heilige leüt, glaubten sie aber 
irendt halben, waß ich glaub, sie thätten solchen falschen Münchs- 
orden bald ab. 

Das Neündte Capittel von Landts art Fruchtbarkeit Beligion 
Segiment und Sitten des Königsreich und Statt Betiin auch der 
Stadt Lago. 

Dißes Königreich ligt gleich au Guinea gegen ufgang der 
Sonnen. Das wirdt beherschet von einem m echtigen Köni<u^ , der 
•ein Residentz hat in der Statt Benin auf die 8 grad von der 
Eqninoctiali gegen Norden. Es ist ein große Statt mit einem 
>tarckhen zäun umbfiochten wie mit einer Mauren. Darinen hat 
der König einen pallast, auch mit einem zäun umbgeben, welcher 



116 

pallast ungefähr so groß ist, alß die Statt Tübingen oder großer ^). 
Er hat auch darinen sibenhundert ^) weiber, deren ein yedeci ein 
sonderbares gemach hat. So hat er auch nicht allein yil diener, 
die auf in warten, sonder auch sehr vil Soldaten, die tag and 
nacht vor des Königs hauße ein starckhe wacht halten. 

Dißer König laßt sich daß gantze jähr nur ein mal sehen, 
und geschieht auf solche weiße ^). Auf seinen geburtstag körnet 
er in die Statt herauß geriten auf einem pferdt. mit rot schar- 
lachen gezieret und mit roten Gorallen behengt. Darauf sitzt er 
scheßlingen ^), wie ein weih, auf ihre weiße mit eim scbarlachtuoch 
stattlich geklaidct, und uit allein mit roten Corallen sondcm auch 
mit andern seltzam Sachen umbhenckhet. Darzu henckbet er 
über den köpf und rockhen biß auf die gangadern hinander einen 
weißen Roßschwantz, alß das einer, der in ansichtig würdt, dar- 
von erschrickht. Auf yeder Seiten gehen zwen mäner neben im 
her, deren die zwen in heben, die andern zwen platz machen. Dan 
das Yolckh laufifet sehr getrenckht zu, und wil ein iedweder den 
König sehen, gleichwie zu Rom am jubeljar den Papst. Sechs 
taussendt man ziehen vor im her, und wan er komet, so feilet 
alles volckh uider auf die knie, und klopfifen in die band, damit den 
König grießende. Der thut hin wider mit der band, eben wie der 
Papst zu Rom, wen er daß volckh segnet, und danckhet inen. 

Darnach füeret man in fort, nach einem hauße, deß Königs 
hauß genant, daselbsten kommen alle seine kriegs obirsten in sei- 
nem gantzen köuigreich zusammen, und opfifern dem Teufel, mit- 
sampt dem König, uf nachvolgende weiße. Sie opfifern zwen Men- 
schen, drey kieh, etlich gaißen und hund, wie nit weniger auch 
vü hiener, und schilkrotten. Die gaißen hund und hiener steckhen 
sie an spitz, und hin und wider auf die gaßen. Da laßen sies 
also steckhend verweßen, die statt steckhet allenthalben voll, und 



1) Des Königs Hof ist sehr groß, und hat innwendig viel große 
viereckete Plätze, die rings herumb mit Gängen oder Vorhöfen ge- 
zieret seyn. darinn mau allezeit Wacht belt. Es ist so ein großer Hof, 
daß mau sein kein Ende sehen kan, und wann mau meynet, man sey 
jetzunder zum Ende kommen, so siebet man durch ein andere Pforten 
noch auf ein weitem Platz oder Hof. Arthus S. 102. 

2) und 3) Es hat auch der König viel Weiber, und helt alle Jahr 
zweymal seinen ümbgang, daß er sich nemlich auß dem Hof begibt, 
die Stadt hin und wider zu besehen, und zu besuchen. Als dann ver- 
sammlet er seine gantze Macht, und was er immer kau für lustige 
Sachen oder Kurtzweil erdencken und berfür bringen. So wirdt er 
auch begleytet von allen seynen Weibern, die wol über die 600 seyn 
mögen. Arthus S. 104. 

4) d. h. Schößling. Vgl. Arthus S. 103: reiten sie (die Adelichen) 
alle auf Pferden, auf welchen sie sitzen, wie bey uns die Weibs- Personen, 
und haben auf beyden Seiten ein Manns Person neben ihn herlauffen, 
an welchen sie sich halten, hinter ihnen aber haben sie viel Knechte. 



117 

geben emen großen gestanckb. Die kieb bawen sie zu stuckben, 
and legen die stuckh für die tbor binaus. an das gestad, daselb- 
sten sie Ton den vögeln gefreßen werden. Darnach füeren sie die 
Henschen an ein sondern ort in der Statt in ein heößlen, Obawan 
genant, daß ist sovil alß des Teufels oder Gottes heüßlen, darinen 
opffern sie die Menschen, und bawen selbig erstlich den köpf ab, 
naehgehendts voUendts zu stuckben. Die laßen sie also ligen, und 
qKreehen, Also wollen toier deß König Feind mit einatider eer- 
lackhen. Da scbreyet des volckb mit lauter stim Sarramena ha 
ofta Sarramena "ba oha Sarramena ha oha und stanipfifen zugleich 
mit den füeßen auf den bodon. Dißes ist sovil zusagen, der König 
Amce allen seinen Feinden den kopff ab. Sie machen seltzamme 
Go'emonien und beschwerungen darbei. Dan wan sie opfifern, so 
reden sie leibbafftig mit dem Teufel; Sie haben vilerley Sachen, 
dimit sie Futise machen. Der König ist der öberst Teufel be- 
•chwerer under inen, sie halten in nahcndt für ein Gott. Den er 
iit sehr großer Autbontet« bey iederman, also, daß wan sie einan- 
chr fluochen so fluochen sie bey dem König. 

Wan nun obgedachtos Opffer ein end hat, so setzet sich der 
Ktoig außerhalb deß haußes nider in ein Sessel, vor dem kniebet 
«Des volckb zu sammen nider, auch die obirste. Alß dan hept 
Bum an zu pauckhen, und klop£fen, auf großen schellen, und 
blaßen auf Ellephanten zänen. Damit machen sie ein solches ge- 
temmel, daß man es auf ein viertel Meil wegs hört, dißes weret 
nngevabr 2 stund lang. Darnach schreyet daß gantze volckb 
daherisa oha cada hoba oha, daß ist sovil sef/ gegrüefit du Gottes 
König. Dariber sagt der König Außafe daß ist ich dancklic euch. 
Darnach reitet der König wider in seinen pallast. Daß volckb 
aber inet, und trinckbet, tautzet, und springet, iederman ist frew- 
lieh und guter ding. 

Daß volckb aber laßet sich auch beschneiden, wie die Juden. 
Wan ein knab 3 jähr alt ist, so beschneiden sie in, opffern aber 
laTor, und haben vil gefäß darbey. 

Der König füehret einen stetten Krieg, und füehret auch 
Krieg wider die weilte Maren y das ist ein volckb die bei tag 
nichts sehen, und nur bey nacht, wen die Son undergehet, sehen 
sie. Und obwol dißes ungieüblich scheinet, so ist doch in höchster 
*arheit also beschaffen. Dan wier haben es offt an zweyen jungen 
Knaben probiert, wan wier inen gelt für geworfen haben, kundten 
*>e es bei tag nicht finden, sie erwischeten es dan ungefehr. Diße 
Weiße Moren kennen den kopff auch nit stil halten wan es tag 
lat, sondern zwitzen alzeit mit den äugen, so bald aber die Sonn 
^er gehet, so halten sie den kopffen still, und sehen. Sie seind 
*<^neweiß und haben schneweiße haar, aber gantz krauß wie die 
^(omi. Die Beniner brauchen diße weiße knaben auch zu ihrer 
«•«bewy. 

8otU ihr Bifgiment anlangt, so ist daß selbig gar ernsthafft. 



118 

Sie seind alle mit einander deß Königs Leibaigen. Waß er ge- 
büetet das muß geschehen, und darf sich Niemand darwider setzen, 
er sey groß oder klein hanß. Es mag einer leicht etwas wider 
den König thun, er last im den kopff abhawen, und wer er gleich 
sein nehester rath oder obrister, da sihet der König nit an. 

Vierzig Meil von Benin ligt ein große Statt, genant LagOj 
gehört auch dem König Benin zu, ligt auf einer Insnll, ist ein 
Frontier ^) Statt, und mit einem starckhen zäun umbgeben. Dari- 
nen wohnen lauter Soldaten, und vier kriegsöberste. Die halten 
sich gar stattlich, sie khommen altag in des Königs hauß zusam- 
men, und opffern all morgen. Nach dem opffer halten sie Ge- 
richt, under dem freyen himel, vor des Königs hauß. Wer etwas 
zu clagen hat, der clagt, sie fallen alle auf die knie, wan sie ihr 
sach für bringen, und wan einem recht gesprochen wirt, so dan- 
ckhet er der obrigkeit, und dem König. Es stehen auch alzeit 
zwen gesandte bey dem Richter, die vom König her seind, und 
hören was man handelt. Die^elbige schickhen alletag post hin 
weg zu dem König, den avisiren sie, was selbiges tages die Rich- 
ter gehandelt haben, solches treiben sie durchs gantz jar, und 
dißes wirt nicht allein zu Lago, sondern auch in andern Stätten 
deß Königs wie auch zu Benin selbsten also gehalten. 

Genante Statt Lago hat einen großen zugang zu wasser und 
landt, mit ihren kauffmanschafft, und scheuer gewirckhten flug- 
neiten baumwollen düechern von allerley färben und figuren. Eis 
wechßet in dißem Königreich vil Pfeffer, doch etwas kleiners den 
in Ostindien, hat stil wie Cübeben, ist ^) denselbigen auch in der 
greße gleich, aber gar scharpff. 

Es gibt auch Ellephanten zän, und schwentz von EUephan- 
ten, die seind auf der Goldkust von Guinea so theür, daß einer 
daselbsten gilt ein Binda Golds, das ist ein üntz Gold. 

Für Gold brauchen sie kleine schneckhen heüßlen, und eben 
die jenige, welches die Jacobs Brüeder uf den hüeten tragen, sel- 
bige haißen sie Bufchir, Man kau auch darumb kaufen, was man 
will, sie achten kein Gold, wie auch kein Silber. Daß (so!) hal- 
ten sie aber so hoch, wie auch alles was rot ist, darumb darf 
auch keiner keine roten Coralien oder roten Scharlach tuoch, 
deßgleichen kein Hollandisch leinwat tragen, der König erlaub 
ime dan solches, und demnach nit mehr, alß ime vom selbigen 
erlaupt wirdt. 

Allerhandt victualien, und gute schnabelwaid, kan man bei 
inen wohl überkommen^ wie nit weniger stattliche visch, sovil man 
derselben begert. Der König hat uns drey monat von dem land 
gespeißet, mit allerley guten fisch, und mit gutem flaiß. 



'^ 



Hs. Fontier. 
Ha. in. 



119 

Dißeg land bat und gibt vil allerley gute frücbten, alß Be- 
ntimes Baconas Indiammes Betattas Lemoneii Gitronen Pomeran- 
tien Ananaßen, und dergleicben wie man sie dan uf der gantzen 
ku8t langf findet. 

Wan sie ibr todten begraben, so tragen sie znvor ihre leich- 
oam in einer Barn gantz in der Statt berumb, vor der Bar her 
nogen sie, nnd tantzen, deß verstorbnen weiber, sein rechtes weib 
ist die necbste an der Bar, sie bat ein scbiflein mit wasser, und 
an grienes lanb in dem manl, dantzet also darmit vort, sie tra- 
gen anob ein gaiß, nnd einen schwartzen steckben vorher in der 
bind. Wan sie nur schier zu deß verstorben hauß khommen, so 
stoßen sieTdie gaiß dreymal mit dem steckben auf den kopff, und 
frechen dreimal also, Äfe zing gete. Alß dan stechen sie der 
gtiß die gnrgel ab, und ziehen den steckben dreymal durch den 
stich, biß er gar blu ottig ist, damit spritzen und sprentzen sie 
ibo das bluot uf ihre weiber , darnach graben si^ in in seine 
bmmer, da er geschlaffen hat. 

Sein eltester Sohn, der ime succediert, hat sein bet bert an 
seinem vatter, der da begraben ligt, und wan er etwas ißet oder 
tiinckbet, so gibt er den ersten bißen seinem vatter. Wan man 
Ä^ fragt, waß sie darmit meinen, so sagen sie, wan sie eßen, und 
ihrem abgestorbnen vatter nit auch darvon geben, so mache ibr 
vatter, das sie weder glückb noch segen baten, darumb geben sie 
alzeit von aller cost am ersten. Wan wir dan weiter sagten, er 
eBe doch *nit, sonder ihre büener, so lachen sie und andtworten, 
ir vatter esse zwar, das man so vor äugen sehe, nicht, sondern 
nur die crafft darvon. Auf selbigem wahn bleiben sie und laßen 
sich nit darvontreiben. Sie beweinen ihre todten drey monat lang, 
ille tag zwey mal, und in demselben hauße, da der verstorbne 
vatter ligt, hat der Sohn, der ime succedirt. alle köpf von den 
ihüeren, alß küe gaißen Schweinen büener schaffen etc., die sein 
vatter geschlachtet und geßen halt, umbber aufgemacht, sihet eben 
wie ein altar. Sie haben auch große Ellephanten zän darbei lai- 
nen, sie machen auch sovil hiltzene kdpff herumb, sovil der ver- 
storbne vatter bei seinen lebzeiten im kriegsweßen feind umbge- 
bracht und erschlagen hat. 

Dan es gpite dapffere kriegsleüt, ein streitbar volckh, aber 
beileben from, aufrecht redliche leüt, die nit stelen wie die auf 
fer Cust. 

Ihre Marckht halten sie bey nacht, und gibt große Marckbt ^) 
'öy inen, da etwan vil hundert weiber auf, und haben vil Wein 
^o palm fail, den gibt es daselbsten so gut, das man in uf der 
Cost nit besser findet. 



1) Vgl. darüber Arthus S. 104. 



120 

Von dißem Königreich und desselben inwohner, sonderlich 
von der Justitien Ordnung und gesatzen, krüegsweßen, heürathen 
und dergleichen, were noch vil zu schreiben^ weil es aber itzunder 
wegen kürtze der zeit zu lang, als laß ichs auf ferner gelegen- 
heit verbleiben. Prof. Dr. WCrecelius 

Elberfeld am Gymnasium 



Dichtungen yon M. Knrrer') 

Aus dem Lateinischen 
1 Tot und Begräbnis 

■ 

Schon wider, sih, mit einem Schreibebriefe komm 

Ich dir: der Menschen Schwachheit fordert mich heraus. 

Du schreibst, du hörtest gerne, was vom Kranksein, von 

Altweiberkuren dir ich mitgeteilt und hast 

Xach mer dergleichen Appetit. Der Stof erschepft 

So bald sich nicht, reicht biß zum Weltenuntergang. 

Wer dringt in jedes Labyrint, in jeden Schlupf, 

Wo seinen Schrit die Brut, die schensslich finstre, hemmt? 

Und welch ein Kampf! besigtest ehien Gegner du. 

Vergebens! gleich umzischen irer vile dich. 

So schlug der Vorzeit Heros einst der Schlange Haupt 

Vom Rumpf — zehn andre, schlimmre, schössen auf dafür. 

Herakles' Wiz und W^a£fen sind dir not, denn sonst 

Gibst, von Gefaren übermannt, du Fersengeld. 

Es haben alle Dinge Mass und festes Zil, 

Doch nur das Volk, unweise, weiss von Masse nichts; 

Grossmütterlicher Aberwiz, dem Enkel dünkt 

Er und der Enkelin ein Evangelium. 

Mit Kopf und Hand und Zunge streiten sie dafür. 

Hartnäckig, dass ir Göze ja nicht kommt zu Fall. 

Willst kampflich du den alten Wan besten, so nimm 

Dein Augenpar und deine Haut du wol in Acht! 

Lass Kindern ire Nüsse! Nimm sie mit Gewalt 

Nicht selben ab; es regnet Schmuz und Steine sonst. 

Nichts ist so unversönlich, als ein Weib auch, das 

Sich spöttischem Gelächter preisgegeben siht. 

Wie wütet die gekränkte! kampfesmutig get 

Sie vor mit allen Wafien, und bald kommt Succurs. 

Was meinst du? hältst du der vereinten Rotte Stand 



l) Alem. V 269 flf. 



121 

Der Weise schweigt. Du schweige, so du weise bist! * 

Warum denn schweigen? Vorwärts will ich auf dem Pfad, 

Den ich betrat, die Klinge kreuz ich one Furcht. 

Doch wo beginnen, enden wo ? Wenn all das Zeug 

Ich rügen will, das tolle, reicht die Zeit mir nicht. 

Seis! aus dem Quark etwelches greif ich denn heraus: 

Komm mit zu meinen Kranken wider, wenn's beliebt. 

Wer will nicht aUes helfen, wen empfilt man nicht 

Als Doktor und als Doktorin! zum Lachen ist's. 

Und wird die Krankheit ruchbar, welche Basenzunft 

Rückt schwazhaft nicht dem Dulder ringsher auf den Leib! 

Da wird mit Lebenshoffnungen er aufgeregt, 

Mit waren und erlognen, Jede weiss etwas. 

Das Wörtlein Tod, von keiner Lippe, war es noch 

So leise, wilFs, und stünde diser vor der Türe schon. 

Dem Arzte, der den Ausspruch tut, geförlich "Bteh* 

Die Sache, keine Hoffnung sei mer, ist man bös, 

Man zögert mit dem Priester, hält vom Bett in fern, 

Dass in das Amt der Sippe nicht er übergreift. 

Und kommt er, weicht vom Flecke keins, damit der Mann 

Nichts beichte, was den Seinen schlimm bekommt hernach. 

Dagegen weiss das Völkchen Alles was den Tod 

Anzeigt und sorgsam auf die Zeichen achtet es ; 

Sie sind ein Wink von oben ja dem Menschen, heisst's, 

Dass sich zum Tod bereitend er sein Haus bestellt. 

Willst näher du die Zeichen, die der Volksmund nennt, 

Dir ansehen, gut, ich künde dir die wichtigsten. 

Nachts auf des Hauses Dachraum hört man einen Fall, 

Dass von dem Hall erschütternd drönt der ganze Bau. 

Der Baum, des Gartens Zierde, den als Knabe noch 

Der Kranke pflanzte, welchen er als Mann gepflegt. 

Stet plözHch ab, und keiner weiss den Grund davon ; 

Sein Laub, jüngst frölich grünend, welkt, dann stet er kal. 

Gebell durchgellt die Nacht; im Holze pickt der Wurm; 

Das Käuzchen schreit; in Stücke klirrend springt ein Topf; 

Im Hause zirpt ein Grillchen ; an die Fenster schlägt 

Die nur im Zwielicht flatternde, die Fledermaus^); 

Der eine Fnss der Lade, drin der Kranke ligt, 

Reisst, angebort von Würmern, ächzend mitten durch. — 

Ei, was ist da Besondres, wenn eiu Ziegel fällt. 

Der unter Regen, unter Schnee verwitterte? 

Und wenn, derweil ein Käzlein auf der Mäusejagd 



1) Volucris quae de vespere nomen habet: Das Tier hat nur im 
Lateinischen, nicht aber im Deutschen, seine Benennung (vespertilio) 
vom Abend. 



122 



Vom Balken büpfb, am Dache der Bewnrf sich löst? 

Und wenn ein Baum vertrocknet und zu Grunde get, 

Weil seine Wurzel eine Wülroaus bat zernagt? 

Oft kommt es vor, des Baumes Blätterkrone welkt, 

Der aber, der in pflanzte, blieb gesund und friscb. 

Dem Hund ist voller Mondschein, Glockenklang verbasst; 

In hungert und ein Stückchen Brods beschwichtigt in; 

Von einer läufgen Hündin hat er Witterung 

Und schlägt nun an, in engen Stalles Haft gebannt. 

Erscbine stets, wenn Hundgebell dein Or vernimmt, 

Der Tod dir, traun, zu jeder Stunde stürbest du. 

Des Holzwurms Picken ängstet dich, als kündet' es, 

Dass ablief deines Lebens zugemessne Frist. « 

weit gefeit! Das Würmlein denkt: allein zu sein, 

Tut nimmer gut, und klopfend die Genossin ruft's. 

Nun, schreckt dich ^ses Klopfen, das Gebälke brich. 

Das alte, weg und ziehe neu des Hauses Wand! 

Das Eäuzchen macht dir Sorge: Wald und Flur entlang 

Der Jäger mit dem Hunde zog im Morgengraun; 

Den Vogel hat sein Trit verscheucht, hinweggehuscht 

Vom sichern Orte krächzt er um so kläglicher. 

Den Topf, der fiel, zu spizig hat, noch nass, die Magd 

Aufs Bret gestellt und nun er trocken, kippt er um; 

Villeicht ein Mänslein streifte gar zu nah vorbei, 

Brosamen suchend, wenig feite, stürzt der Topf. 

Ein Grillchen zirpt: im Kleide trugst du selbst es wol 

Vom Feld, da du spazierend dich ergingst, nach Haus, 

Wenn nicht im Gras es heimgebracht die Scbaffnerin; 

Der Wärme get, behaglich zirpend, dort es nach. 

Wer, brächte jede Grille gleich den Tod herbei. 

Wer träte dann noch in die Reihen der Bäckerzunft? 

Die Fledermaus, im Dämtnerlichte schwirrend, merkt 

Den Schein im Fenster, flattert hin und prallt daran. 

Stürzt auf die blanke Klinge sie nicht ebenso. 

Mit Gier, wenn deiner Stube Nachts Besuch sie macht? 

Der Fuss des Bettgestelles birst: das ist der Weg 

Für alles Fleisch, und altes Holz zernagt der Wurm. 

Gib stat der mürben Füsse neue dem Gestell 

Der Lade, drin die Mutter schon den An gepflegt. 

Und dünkt das würdige Möbel neuer dir nicht wert, 

So schlag es doch zusammen, schafi^ es neu dir an. 

Und solche Dinge sollen Todesboten sein? 

Weib, o Weib, das glaube dir ein Anderer! 

(So gleicherweise lecket Bart und Pfote sich 

Die Zimmerkaze Morgens, weil sie gern sich puzt, 

Erscheint es dir ein Merkmal, dass Besuch dir, kommt, 

Du fegst das Haus und köchelst wacker darauf loß). 



128 

« 

Zafällig starb aach einmal Einer bald bernach, 

Doch wer, der noch bei Sinnen, sucht ein Omen drin? 

Wol bricht, erstet die Sonne, manch ein Aug im Tod, 

Ist dmm ein Todeszeichen auch die Sonne schon? 

Doch einen Kranken manchmal schreckt ein solches Nichts, 

Das Leiden steigernd, bis zum Tod es wirklich fürt. 

Starr blickt er schon, der Odem ringt mer kaum sich durch. 

Blau färben sich die Nägel, zuckend klafft der Mund. 

Nun unterm Haupt das Kissen zieht sein Weib hervor, 

Dass sanfter in das Jenseits er hinüberschläfb. 

Gebete spricht in sein verschlossnes Or sie noch, 

Auf dass die Seele gehe stracks zum Himmel ein; 

Auch trägt sie Grüsse sorglich an die Teuren auf. 

Die vordem schon zum Himmel eingegangen sind. 

Inzwischen wird, dass im sein Stündlein nahe, kund 

Und Alles drängt, ein ganzer Tross, zum Sterbehaus. 

Nun ist er tot. Sie drücken Mund nnd Aug' im zu. 

Ein reinlich Tüchlein breitend über sein Gesicht. 

Was aber soll das vile Reden? Welch Getös 

Verworrner Plauderstimmen füllt des Hauses Raum? 

Schnell aufgemacht die Fenster! ruft ein altes Weib, 

Gesperrt ist der befreiten Seele sonst der Weg. 

Die andre ruft: die Binenstöcke rückt vom Ort, 

Damit der Schwärm nachsterbe nicht dem toten Herrn. 

Den Essig, seufzt die Dritte, nemt vom Kellerbret, 

An Schmack und Ruch verwässernd, leicht sonst zieht er Kan. 

Die vierte forscht der Leichenstarre schweigend nach, 

Dann breit erklärt sie, weiter sterbe Niemand mer. 

Doch findet schlaff, beweglich sie die Glider noch, 

So heisst ir Spruch: ein Andrer folgt von euch im bald. 

Die Wonung räuchert^ eine fünfte, was in Sarg 

Dem Toten mitgegeben werde, zält sie her. 

(Vor Zeiten dem Verstorbnen Hess man, was er sonst 

Gewont und was im Leben im das Liebste war. 

Selbst Sklaven, jenseits im zu dienen, Waffen, sich 

Damit zu schirmen, Speise, sich zu sättigen). 

Sinkt in der Jugend Rosenzeit ein Haupt dahin, 

Das wird mit holdem Blütenschimmer mild umkränzt 

Und Rosamaschen lächeln auf dem Sterbekleid 

Und über der Citrone faltet sich die Hand. 

Dem Adel wird sein bunter Anenschild gesellt — 

Den Anen ist sein drittes Wort ja stets geweiht — 

Und ists ein Kriegsheld. Schärpe noch und Schwert und Sporn, 

Sein Schlachtross auch, auf welches manchmal er sich schwang. 

Mir, scheid' ich, geben sie villeicht die Bibel mit. 

Mich hüllend in den Kirchenrock, den oft ich trug. 

Warum jedoch, wenn eine Wöchnerin entschl&ft, 



124 

# 

Ir Nadel, Schere, Faden mitgegeben wird? 

Ich weiss es nicht, und niiiCkmer kam ich auf den Grund. 

Wer das erklärt, mir warlich gilt er ein ApolL — 

Die sechste drückt ein Rasenstück, damit er nicht, 

Nachziehend Andre, widerkert, im auf das Kinn; 

Sie heischt, bestatten soll man in von Jenem fern, 

Der, ach, in der Verzweiflung Hand an sich gelegt. 

Hört, wie sie schilt: o ruhte hier der Frevler nicht, 

Nie träfe Hagel unsrer Feldmark frohe Sat! 

Weiss nicht, wie der Gemeinderat sich so vergass 

In seiner Gutheit; anders war^s in frührer Zeit. 

Verscharren sollte Solche man abseits, ja dort, 

Wo man den Galgen baute, so gehört es sich ! 

Soll da, wo der Gerechten iische selig ruht, 

Des erlös schwarzen Missetäters Stätte sein? 

Lasst ja, so ruft sie, morgen wärts die Leiche schaun ! 

Pflichteifrig eine sibte weist die Träger an, 

Dem Grab verkerter Richtung nicht zu nahn, dass recht 

Er ligt und gleich vom Grabe kann dereinst ersten, 

Weil, wenn der Weltehrichter kommt am jüngsten Tag, 

£r, wie sie glaubt, von Sonnenaufgang nahen wird. 

Die achte spricht, wie sich die Witwe tragen soll. 

Wie um des Hauses Vater sich zu trauern ziemt, 

Wann und in welcher Ordnung sich der Zug bewegt, . 

Wer singen soll und welche Strassen man passirt. 

Zwei Tage füllen dise Klatschereien aus. 

Und weder eine Zunge ruhet, noch ein Or, 

Denn durcheinander schnattern Alle — wer verstet's ? 

Oft auch, was die gebeut, verwert die andere. 

Auch wird, dass nicht der Rede Flnss ins Stocken kommt, 

Die Kur bekrittelt, die dem Kranken ward zu Teil. 

Schlug er nicht aus die Mittel, so die Schwieger im 

Empfolen, weil sie solche stets probat erfand, 

Nam einen andern Arzt er an, er lebte noch. 

Der, den er hatte, leider, was verstand denn der V 

Zum Aufbruch mant die Glocke nun den Trauerzug, 

Da — mitten in's Geläute trift der Stundenschlag. 

Die ganze Schar Leidtragender, sie horcht bestürzt 

Und hält im Schreiten inne, wie vom Bliz gerürt, 

Ergrübelnd, wem sein leztes Stündlein jezo naht, 

Denn Stundenschlag im Grabgeläute weist auf Tod. 

Erst keinen Grabeskandidaten weiss das Volk, 

Keins ist ans Bet gefesselt, in das Haus gebannt. 

Doch hört es: der ist unwol, schlüssig ist es gleich: 

Der wird der Nachbar dessen, den man jezt begräbt. 

Entrüstung gleichwie Lachen zu verbergen, ist 

Dem Klügern schwer, dem Unsinn steueru, eitles Müh*n. 



125 

Habt ir mich lieb, so haltet das Altweibervolk, 
ßeschlennigen möcht' es meinen Tod, vom Lager mir, 
Und bist bei meiner Leichenfeier du dereinst, 
So kennst du meinen Willen, Freund, in disem Stück: 
Die Meinen tröste 1 scheuche fern den Plaudertross 
Und Niemand, denn die Totenfrau, berüre mich. 
(Auch die, mir scheint es, ist znvil. Ein Leichnam ist 
Ja niemals schön und wird es auch durch Waschung nicht). 
«Mag es geschehn, bestatten lass mich one Prunk 
Und mich geleiten sollen irer Wenige nur! 
In Leinen, nicht der Amtstracht Würde, den Talar^ 
Hüllt mich und lasst das heiige Bibelbuch beiseit! 
Nicht Schülersang, noch Glockenklang ertöne ! still 
Bringt, wenn des Abends Sterne flimmern, mich zur Ruh! 
Wo, gilt mir gleich. Schönreden soll kein Priester mir 
Und kein gekünstelt Denkmal drücke mein Gebein! 
Das ist mein Wunsch, nun achte du darnach, dir soll 
Glückseiger Jare schönste Zal beschiden sein, 
Und wenn sich alt, ermattet, einst dein Auge schliesst, 
Ins Grab du sinket, leicht werde dann die Erde dir! 

2 Wandelgeister 

Nein, sie sind kein W an die Geister, noch der Tod das lezte Zil; 
Nicht ins Nichts zerrinnt die Seele, wenn auch schon der Leib zerfiel. 
Mühsal beugt oft den Gerechten , drückt so lang er lebt in schwer. 
Tage, lange Nächte gänen öd in an und trostesldr. 
Ha, so hat dahin die Tugend iren Lon? so war ein Spott 
All mein Leben vol Beschwerden, meine Liebe selbst zu Gott? 
Färt ins Nichts dahin die Sele mit dem Tode, wer noch spricht, 
Dass der Mensch ein höhres Wesen, denn das Tier? ich fass' es nicht. 
Die Vernunft, wer sagt wozu sie für die kurze Spanne Zeit? 
Warum für mein redlich Streben ernt* ich sovil Bitterkeit? 
Müsst ich nicht, wenn jedes Hoffen mit dem Sterben abgetan. 
Klagen, dass ein Gott? ja glauben, dass die Gottheit nur ein Wan? 
Reizte mich es nicht, den Bösen, welchen alles herrlich glückt, 
Gleich zu handeln, zu volfüren einzig was das Herz entzückt? 
Oder bliebe mir nur Jammer, nichts was Labe mir verschalt, 
Ein erlösend Zil mir winkte dann der Abgrund, der da klafft. 
Sihe, diser sammelt Schäze, zu befrid'gen sein Gelüst, 
Alles was das Herz begeret, dient im biß der Tod in küsst; 
Mir dagegen, aller Mühsal, aller Tätigkeit zum Hon, 
Wird der Sorgen Bürde, wird der Fluch der Armut nur zum Lon. 
Dort beharrlich wird gehätschelt von dem Glück ein schnöder Wicht 
Und in hohen Eren prangt er, und das Unglück kennt er nicht. 
Nichts von Krankheit weiss ein Dritter, von der Seinen Schmach 

und Pein 



126 

Und in quälen keine Menschen — und nur ich soll elend sein? 
Wozu nüzt mir noch das Lehen ? war es hesser nicht fürwar, 
Wenn ich nicht gehören wurde, denn zu leiden immerdar? 
Seis! Bezäme deine Klage! Denn es ist Verwegenheit^ 
Sich zu keren wider Gottes Allmacht und Gerechtigkeit. 
Harre mannhaft aus! dein Ringen füret sicher einst zum Heil 
Und, wills Gott, ein neues Lehen wird, ein schönres, dir zu TeiL 
Wer in seines Vaters Arme widerkeret, fürchtet der 
Je sich vor Gewitterschauern, vor des weiten Wegs Beschwer? 
Zwingt durch sturmgepeitschte Wogen nicht der Schiffer seinen Kan, 
Unentwegt, und grinst der Tod auch jeden Augenblick in an! 
Fest gerichtet ist sein Hoffen auf den lang ersenten Port 
Und sein Mut verlässt in nimmer, denn die Hoffnung ist sein Hort. 
Hoffe du nicht minder ! Lieblich aus dem dunkeln Schoss der Nacht 
Bricht ein Stral oft, und die Wolke schwindet vor der Sonne Pracht. 
Sprich, wenn dir der Fride lächelt nach so mancher dumpfen Qual, 
Hat für dich er im Geleite nicht der Freuden reiche Zal? 
Und wenn durch dein Erdenleben Finsternis dich auch umringt, 
Helle wird es um dich werden, wenn der Tod die Fackel schwingt. 
Elend schäz ich, glücklich keinen, eh des Lebens Form zerbrach, 
Solon gleich, der einst zu Krösus dises Wort, das weise, sprach. 
Die Entscheidung deines Lößes trägt der lezte Tag im Schoß, 
Lief erst diser ab, entrückt ist dann des Zufalls Spil dein Loß. 
Der ein Leben lebte voller Trübsal, jeder Freude bar, 
Dessen Leib voll Beulen, dessen Armut all sein Reichtum war, 
Lazarus, als er das Auge schloß, er für zum Vaterschoß 
Abrahams empor und seine Seligkeit ist grenzenlos. 
Doch dem Reichen, dem das Glück sich treu biß in den Tod erwis, 
Der im Taumel der Genüsse lebte wie im Peradies, 
Färt dahin er aus dem Leben, aus der Pracht und Herrlichkeit, 
Im ist, wie das Feuer brennend, ewigen Schmachtens Qual bereit. 
Also ging zu Himmelswonnen Jener aus der Leidensnacht, 
Also haben Erdenfreuden disem ew'gen Fluch gebracht. 
Lebe neidlos! das gesteckte Zil erstreben, sei dir Pßicht, 
Aber wirst du sterben, etwas bleibt von dir, das stirbet nicht. 
Die dem Leib gebot, der Sele bleibt bewusst das irdische Sein: 
Guten Geistern winkt der Himmel, böser harrt die Hellenpein. 
0, das sind die alten Märchen, die des Dichters Hirn gebar. 
Nicht ein Einziger der vernünftig, hält dergleichen je für war. 
Lüfte doch der Dichtung Schleier, sihe da, geschriben sten 
Findst dahinter du: nicht Alles- soll im Tod einst untergen! 
Geh, schlag auf die frommen Bücher, Gott zu danken, der dich lert, 
Dass ein neues, bessres Leben nach dem Tode dir beschert. 
Fragst du, wo die Seele weile, wenn der Leib zerfiel zu Staub, 
Wenn in Todes Haft verfangen er dem Grabe wird zum Raub? 
Wallt sie. Grabeswacht zu halten, luftgewoben um die Gruft 
Oder schwebt sie, unermessne Räume messend, durch die Luft? 



127 

• 

Wo sie weilt, ich weiss. es nimmer, die villeicbt, wenn sie entwallt, 
Schon sich hüllt in eines künftigen Leibs beginnende Gestalt. 
Wo sie weilt, ich weiss es nimmer. Doch ich weiss, dass, wo sie weilt, 
Ans dem Mond des Weltenricbters sie das Machtgebot ereilt. 
Denn, vereint dem Körper wider ruft er sie vor seinen Stul : 
War sie fromm, sie wallt gen Himmel, war sie bös, zum Flammenpful. 
Die da Scblimmes einst im Leben übten, lassen im Moment 
Ab davon, sobald die Seele sich von irem Leibe trennt. 
Erde wird der Leib einst werden, ob er nun die Raben närt, 
Oder ob in sengt die Flamme, oder wohin sonst er fart. 
Ist er Erde doch! Zur Erde kert er, wie der Herr verheisst, 
W&rend seine feste Wonung angewiesen ist dem Geist. 
Ist er selig, warum sollt er wechseln seinen Aufenthalt, 
In die Heimat seiner Leiden widevkeren mit Gewalt? 
iBt er ein verdammter, darf er wider an die Oberwelt, 
Die da leben hundertfältig^ ängstend, wie es im greföUt? 
Ueber wen der höchste Richter seines. Urteils Spruch verhängt. 
Darf der wol dem Zwang entrinnen, der den Büssenden umfängt? 
Mag von Geistern und Gespenstern man auch hören noch so vil. 
Warlich eitel Träume sind es, müss'ger Köpfe müssig Spil. 
Freilich, als ein Knabe glaubt ich auch daran in meinem Sinn 
Und der Amme, die mich hegte, dank ich das, der Schwazerin, 
Die mir, dass ich munter blibe, oft wenn schon zu Bett ich lag, 
Manche grause Spukgeschichten ernsthaft zu erzälen pflag. 
Darum ging auch nie zur Nachtzeit aus der Kammer ich allein, 
Oder one Leuchte, draussen, meint^ ich könnten Geister sein; 
Mid, sobald es dunkel worden, und des Nachts die Kirchhof wand, 
Fürchtete mich vor den Häusern, drin ein Toter sich befand. 
Jeden Pfad, der sich verästelt, denn man nimmt oft dort in Acht 
Lichter, welche gern den Wandrer irre leiten in der Nacht; 
Auch den Anger, drauf der Fallknecht die verlebten Rinder schleift. 
Wo den toten Küh'n und Stieren über^s Or die Haut er streift. 
Diso Furcht, die knabenhafte, lag dem Jüngling noch im Sinn, 
Wie den Duft ein Fläschchen festhält, war einmal Essenz darin. 
Oft hab ich ir ausgeboten, immer wider kerte sie 
Und es brauchte, sie zu bannen, endlich Mannesenergie. 
Nichts mir mach ich jezt aus Geistern, allenthalben kann ich gen, 
Furchtlos, ob es noch so finster ; nicht«, auch gar nichts lässt sich sehn. 
Sihst den Mann du? Manche Fabeh hört* er aus der Ane Mund, 
Leicht nach Hause kam er, eh die Sonne sank am Himmelsrund. 
Gläser blinken, Brüder winken, und so trit er, Weines voll, 
Erst um Mitternacht den Weg an, der in heimwärts füren soll. 
Was nun schaut er? einen Schimmel, auf dem Schimmel sizt ein Mann 
One Kopf und one Füsse, der als Rumpf nur gelten kann. 
Trägt den Kopf im Arm und hurtig ehe dass er sich^s vurHah, 
Weg und aus den Augen ist er, dann auf einmal widur da. 
Voll Entsezen eilt er weiter, und der Ruf der Unke hallt 



128 

• 

Dumpf nnd tranrig wie ein Grablied, schaurig rauBcht es in dem Wald. 
Und der Mond hat sich entschleiert, zauberhafte Schemen haucht 
Er Yor's Auge, bis er plözlich hinter das 6e wölke taucht. 
Schuf im erst der Reiter Grausen^ dann das grelle Schattenspil, 
Aengstet nun das jähe Dunkel in erst recht, es ist zuvil. 
Was er einst vernaro als Knabe, Niemands Freundin sei die Nacht, 
Wird im klar und sein Alleinsein fällt im auf das Herz mit Macht. 
Immer wider die geschauten Bilder siht er vor sich sten 
Und im ist, als ob er müsse noch vor heller Angst vergen. • 
Zitternd an dem Leib, von Schweisse triefend, keucht er durch 

den Wald, 
Drausseu endlich, trabt er weiter durch die Heide nass und kalt. 
Sih, da glimmen Lichter, tanzen in dem Räume hin und her, 
Taumelnd stürzt er und im zähen Schlamme fast ermattet er. 
In dem Frührot kennt er endlich, das im Ost erglüt, sich aus, 
Rafift sich auf und triefend, klappernd trit er in sein ärmlich Haus. 
In umringen Weib und Kinder und verwundert forschen sie, 
Was im zustiess, denn sie schauten so voll Schrecken in noch nie. 
Also hebt er zu erzälen an, was er leibhaftig sah. 
Weit aufsperrend Mund und Auge, stet sein Büblein vor im da. 
Was es hört, es get gewaltig mit im um und offenbar 
Wird der Wald dem Son so schrecklich, als er es dem Vater war. 
Auch die Base kann nicht feien, die drei Menschenalter zält, 
Denn sie muss doch auch erzälen, wenn man ir etwas erzält. 
Und so spricht sie: Nicht geheuer ist schon seit dreihundert Jar 
Diser Wald, verirrt ist Mancher Nachts darin, und das ist war. 
£in gewaltger Räuber hauste dort, gefürchtet rings umher, 
Biß er, von der Märe stürzend, brach den Hals von ungeflär. 
0, gar vile Dinge weiss ich, könnte Kreuzweg* nennen dir, 
Wer zu Nacht auf selben wandelt, dem erget es übel echier. 
Hier ein £ichbaum. Dran im Nebel fand man Einen einst erhängt, 
Den nun nach Gebür ein Haufen Steine dort als Grab umfängt. 
Dort abseits ist eine Grube, die sich kaum dem Blick verrät 
Und die sich ein Dieb, gestolnes Gut zu bergen, klag erspäht. 
Dort im schattendunkeln Wäldchen fand ein schlimmes Par sich ein, 
Seiner schuldbewussten Liebe dort sich ungestört zu weihn. 
Dort begrub die Rabenmutter ir gemordet Fleisch und Blut, 
Doch das Schwert des Henkers sünte später solchen Frevelmut. 
An des Feldes Jerner Grenze Ward ein Markstein arg verrückt, 
Wer der Täter, keiner weiss es; Niemand hat die Tat erblickt. 
Doch am Orte, wo der Täuscher jene Missetat vollbracht, 
Siht man feurig als Gespenst in manchmal umgen in der Nacht. 
Alle dise Pläze mid ich, als ich noch ein Mädchen war; 
Zalte man mir tausend Gulden, nimmer wagt' ich die Gefar. 
Mer noch: dise Geister schweben selbst umher am lichten Tag, 
Biß man, fromm drei Kreuze schlagend, irer sich erweren mag. 
Ja, sie schweifen durch die Felder, durch die Wälder nicht allein, 



130 

Drum den Freundesband zu brechen, iren Vorteil, ire Macht 
Fest im Auge, sann die schlaue Gamarilla Tag und Nacht ; 
Aber da gerade Mittel, Weiberteufelei sogar, 
Nichts yermochten, also namen ganz besondrer Kunst sie war, 
Und frohlockten schon, als wäre der gewisse Sig ir Teil 
Und als wäre der verstockte Herrscher schon bekert zum Heil. 
Plözlich einstens vor dem Bette, da der Kaiser lag und schlief, 
Flammenzischend, kettenklirrend stand ein Teufelsbild und rief: 
Heisst das Frömmigkeit, o Kaiser? einem Kezer hängst da an? 
Soll, verfäret, deine Seele wandeln des Verderbens Ban? 
Ich auch war bei Leib und Leben gleichen Sinnes. Ruhelos 
Tausend Jare büsst der Oeist schon, ligt der Leib im Erdenschoß. 
Warlich bitten nicht die Heiligen, beten Andre nicht für mich. 
Eitel dann ist all mein Hoffen, wandern muss ich ewiglich. 
Reiss dich los von disem Freunde, der der Höllen einst verfallt, 
Oder, stirbst du, sei demselben auch im Schwefelpful gesellt! 
Oftmals Hess der Spuk sich schauen, stiess noch oft die Drohung aus. 
Und der Herscher bleich und seufzend irrte durch das Königshaus, 
Biß der Freund, ein Prinz von Sachsen, nach dem Grund der 

Blässe frag 
Und dann, seinem kummervollen Freund zu helfen, Sorge trug. 
Unbemerkt zur Nachtzeit schlich er in des Kaisers Schlafgemach, 
Legt sich hin an dessen Stelle, wolgefasst, und hält sich wach. 
Und der Unhold naht sich plözlich. Feuer sprät aus seinem Mund, 
Brüllend, mit den Ketten rasselnd macht er seine Drohung kund. 
Doch die Täuschung war am Ende und des Trugs Vergelter nah, 
Nicht der Herscher, der geschreckte, Friedrich selbst, sein 

Freund, ist da. 
Unerschrocken von dem Lager springt er, stürzt mit Donnerlaut 
Auf das Scheusal sich, das nimmer mor zu rüren sich getraut, 
Greift^s und hält es fest umklammert, reisst ein Fenster auf und hört 
Nicht das Winseln, nicht das Bitten, wie der Geist in auch beschwört, 
Den mit Risenarmen fasst er und er wirft in one Wal, 
Gleich als war' es nur ein Aeffchen, in den Graben am Portal. 
Ein Vermummter mit zerschundnen Glidern bot dem Blick sich dar. 
Als es graute — dran ersah man, was es für ein Teufel war. 
Der gebeugte Kaiser aber, ob sein Zorn auch war entloht, 
Muste lachen, bald auch wider kerte seiner Wange Rot. 
War der Freund, dem das gelungen, wert im erst, so ward er jezt 
Im noch werter. Sagen lasst mich nur noch das zu guter lezt: 
Kunde get, aus deinem Volke stund ein Mann ^inst, Friedrich, auf, 
Der wie du dergleichen Geister überwältigte zuhauf. — 
Wer kein Tor, der nüzt die Lere und sobald ein Spuk sich rürt 
Und das Volk in seinem Wane der Dämonen Walten spürt, 
Weiss er, dass Betrug im Spile. Bofih das Volk, es wird berückt, 
Wird misbraucht, dass ja den Herren keiner in die Karten blickt. 
Denn sie brüten nnermüdlloh Trug und Arglist und Verrat, 



131 

Im Yerboignen still erlauemd die Gelegenheit zur Tat; 
Prägen Geld, so keinen Wert hat, von geringem Korn nnd Schrot, 
Dem Gesezeswort entgegen, das mit Strafe diß bedroht; 
Mit dem sündigen Gewinne nach Beschüzem schauen sie. 
Was die einen lustig raubteu, decken und verbergen die; 
Ires Raubs Gewinn zu teilen, halten sie Zusammenkunft, 
Neue Ränke, neue Plane schmidet hier die saubre Zunft. 
Wer da klug nicht will er wissen, was sie treiben im Verein, 
Nein, Befridigung gewärt im, solchen Leuten fern zu sein. 
Aber wollen seines Hauses heiPger Schwelle Geister nahn, 
Allenthalben spürt und späht er, Wachehaltend auf dem Plan, 
Daas bei Nacht und Nebel keiner, welcher einem Geiste gleicht, 
Stele seiner Tochter Liebe, noch die Gattin im beschleicht, 
Noch im raube seine Schäze, noch, dieweil bestürzt das Haus, 
Tief im Keller supfe seine weingefüllten Fässlein aus. 
Nimmer sind im solche Freunde, solche Schwigersöne wert 
Und hinweg mit Geisseihieben scheucht er sie von seinem Herd. 
(Geister, die mit hochgeschwungnem Knüttel er bewältigen kann, 
Daaa sie gerne ferne bleiben, fürchtet nicht der brave Mann. 
Waa man sonst von Geistern redet, die da gen um Mitternacht, 
Himgespinnste sind's, worüber, fem von jeder Furcht, er lacht. 
Seine Kinder unterweist er, dass kein Graun sich schleicht hinein 
In die zarten Kinderherzen und sie hält in langer Pein ; 
Denn wem solches Zeug als Kind ward in den Kopf gesezt, es bleibt 
Fest dort haften, dass kein Mensch es je so leicht daraus vertreibt, 
Und wenn Mäuse, Ratten, Kazen galoppieren durch das Haus, 
Noch als Mann im allenthalben bricht der kalte Angstschweiss aus. 
Er verbeut, dass seinen Kindern man den Namen Satans nennt, 
Hält von jenen seiner alten Köchin sie drum auch getrennt. 
Alte Bücher^ abergläubisches Zeug enthaltend, Band um Band, 
Wandern in den lezten Winkel, wirft er in den Feuerbrand. 
Wenn die Ane, wenn die Tante, der die Welt voll Geister scheint, 
Ob das Kind sich auch entseze, nur damit es nicht mer weint, 
Nach dem Wauwau, nach dem Nacht-Rab, nach dem bösen 

Ruprecht ruft, 
Welche manches schlimme Kind schon Nachts entfürten durch die Luft, 
Dahingegen gute Geister denen, die gehorsam sind, 
Zackerwerk und Obst bescheren, Kleider selbst zum Angebind; 
Wenn sie von den wilden Sehwärmen reden, die mit Saus und Braus 
Rittiings auf der Ofengabel rasen durch die Luft ums Haus, 
Welche sm des Satans Festen eilen durch die Nacht dahin 
Und kein Fenster offen dulden, würend sie vorüberziehn ; 
Wenn sie dann von armen Sündern plaudern, die als Feuerschein 
In dem Kirchhof gen, von Hunden, welche Glut und Flammen spein: 
Laut nun zürnt er: wigt in Schlummer anders meine Kleinen ein, 
Sorget dass auf bessre Weise mag gestillt ir Weinen sein ! 
Kufen aber aus dem Orte seine l'iüchten in hinaus. 



13^ 

Dann mit Sonnenuntergänge treibt es in gewiss nach Haus, 
Und wenn auf verschlongnen Wegen durch die Nacht er 

wandeln moss, 
Sorgsam wacht er, dass der Wein im nicht berücke Kopf und Foss. 
Wärend Jener nun im Dunkel, ranschumfangen, sinnverwirrt, 
Schemen, Geister, Hexen schauend, hierhin, dorthin schwankt 

und irrt| 
Lang vor Tag auf allen Wegen taumelt in die KreoE und Quer 
Und zurecht sich endlich findet bei der Sonne Widerker, 
Siht der Andre nichts von allem, wandelt seinen Gang in Rah, 
Und gesund und fröhlich wider trit er auf seid PfSrtchen zu. 

3 Die Zigeuner 

„Sah in einer Gasse 
Einen Galgen hübsch und fein; 
Sprach zu mir der Galgen: 
Hüte dich, Zigeuuerlein 1^' 

Zigeunerlied 

Ich gieng einmal im schattigen Wald, es stund der Tag so sonnig, 

Mein Möpschen folgte meinem Schrit, mir war so wol, so wonnig. 
Beim süssen Sang der Vögelein ich hatte wenig £ile, 

Eichhörnchen hüpften zierlich froh, stillstand ich manche Weile. 
Tat sich der grüne Vorhang auf, dass vor mir lag die Ferne, 

wie durchflog der trunkne ßlick den lichten Raum so gerne. 
Wol mocht ich so gekommen sein biß in des Waldes Mitte, 

Und weil ich eben müde war, so hemmt* ich meine Schritte. 
Ein hoher Eichbaum schattend stand, ich sezte mich darunter. 

Ich sass und zog mein Buch hervor, so blib ich wach und munter. 
Ich las Odysseus Heldenmär, des schlauen, vilgewandten. 

Des durch dein Lied, o Sängerpreis, Homer! so weltbekannten. 
Derweil bald da, bald dort spaziert mein Hündchen in den Loden, 

Rings um mich her nach Hundebrauch und schnuppert auf 

dem Boden. 
Auf einmal aber schlägt es an, aufschaut' ich von dem Buche, 

Springt zu mir her und schmiegt sich an, als ob es Hilfe suche. 
Und winselnd zupft es mich am Rock, als wollte mich es bitten: 

Auf, auf! und rasch erhebe dich und folge meinen Schritten! 
Ich denk' im Gen: was hat das Tier? Ein sonderbar Betragen! 

Von Reh'n ein Rudel hat es wol erschreckt in seinem Jagen. 
Was sah ich? Prasselnd loht ein Brand, rings lagernde Gestalten: 

Die Körbe 1er, der Kessel singt; bald gilt's das Mal zu halten. 
Tiefbraun ir Angesicht, den Leib beschwert mit irer Habe, 

Zerlumpt ir Anzug and zerfezt, ir Har schwarz wie ein Rabe. 
Ein Bursche pustet in die Gibt, indes den Topf zmn Brande 

Zusezt eih Weib und Reiser aucht der Bubmi laiito Bnde. 



183 

Der streift des Katen Balg, und die bringt nm mit kaltem Blute 

Die Tauben, und ir Bratspiess ist die derbe Haselrute. 
Ein and'rer stellt ein Jagen an auf seines Kindes Köpfchen. 

Im aber flicht die Frau das Har und bindet's fest in Zöpfchen. 
Dum sest sie breit sich hin und beut die straffe Brust dem Jungen, 

Dm dessen Blosse kaum zur Not ein Lappen Tuch geschlungen. 
Ans winer Qmge quetscht ein Bursch die schauerlichsten Töne, 

An irem Böcklein aber flickt daneben eine Schöne. 
Ein Büblein angeritten kommt auf einer langen Stange, 

Dem Schiftger streut es Bröselein in seines Käfigs Zwange. 
Nun trollt es sich und rennt umher und wen es kann erschleichen, 

Den zupft er hinten, dann geschwind siht man den Schalk 

entweichen. 
Gleich ist er aber wider da und treibt das gleiche Necken. 

Und kriegt ein Schlftppchen er einmal, muss in die Mutter decken. 
Dort unterm hohen Tannenbaum ligt Einer, halb sich lenend, 

Hit langem Bart und weissem Har, die Glider träge denend. 
Des Haufens Ffirer ist der Greis, im hängt die Pfeif im Munde, 

Er sieht und wirbelt in die Luft den Rauch aus irem Grunde. 
Ich sah so hin, da schlug aufs neu mein Hündchen an. „Ich glaube, 

Sprach ich zu mir, am besten ist, du machst dich aus dem Staube. ** 
Doch hatten sie mich rasch entdeckt. Heran schon lief ein Knabe, 

Der bat fftr seine Leute mich um eine kleine Gabe. 
Ein Uebrigs tat ich: solchem Volk trau' Einer, der alieine. 

Yeignflgt, wie soyil Geld er sah, von dannen sprang der Kleine. 
Zur Matter lauft er, hält ir hin, was er von mir erraffte 

Und Jeder lief und ruhte nicht, biß er es auch begaffte. 
Da dankte mir der ganze Tross, mir ans der Feme winkend, 

Den Schlapphnt zog der Alte gar vom Scheitel silberblinkend. 
ESn altes Weiblein aber hub vom Size sich zur Stunde, 

Die Haut voll Runzeln, grau der Kopf, kein Zan mer in dem Munde. 
Am Leibe war sie spindeldürr, ein Kropf am Hals ir schwappte, 

Ir Rücken hdckrig wie ein Berg, ir Fuss, der rechte, knappte. 
Zu den Genossen kert sie sich, drauf nimmt sie mich zum Zile; 

Nun galt es, dass der Hexe braun nicht in die Hand* ich fiele. 
Doeh wie sie sah, dass ich vor ir vom rechten Weg ablenke. 

Da greift sie aus, und auf dem Hals ist sie mir, eh* ichs denke. 
,0 haltet, ruft sie, lieber Herr, zu Dank Euch wird^s geschehen. 

Zu fftrchten warlich brauchet Ir Euch nicht, o bleibt doch stehen ! 
Niemanden je, so alt ich bin (die Hundert schon beschrit ich) 

Hab ich gekränkt, o zeigt mir doch, Herr, zeigt die Hand mir, 

bit ich. 
Ir schlagt es ab, da doch ich Euch glückselige Kunde bringe? 

Nichts brauch ich ja, denn P2ure Hand : Kund sind mir vile Dinge! 
Bin anch zu lügen nicht gewönt — was ist da zu bedenken? 

Wsui ich nichts Gutes prophezei, braucht Ir mir nichts zu 

schenken. 



134 

Nor Gutes, ant mir, sag ich Euch; in Minen und Geberden 

Les* ich's nod Euer Herz verdient das schönste Glück auf Erden. 
Wer gerne teilt sein Scherflein mit, und nicht zu karg, den Armen, 

Wol get es dem sein Leben lang, Gott wird sich sein erbarmen." 
In*s Auge fass^ ich sie: Mir ist ein Grausen aufgegangen, 

Vom Kopf biß zu dem Fuss hinab war sie von Schmuz umfangen. 
Ich schloss mein Cr, so gut es gieng, vor irer Zunge Pfeilen 

Und weiter schrit ich, sprach kein Wort; hier galt es kein 

Verweilen. 
Wie so nun, taub mich stellend, ich von ir mich abgewendet, 

Fortwandelnd, one dass ich nur ein Wort an sie verschwendet, 
Zur Bander humpelt sie zurück. Doch weil sie nichts erwischte. 

Ward sie von Allen ausgelacht, sie aber flucht' und zischte. 
Ir widersprachen Andre laut, darunter auch der Junge, 

Den ich beschenkte; still jedoch stand nimmer ire Zunge. 
Ein Häuflein Weiber hat sich ir mitbelfernd zugewendet, 

Und nun entbrennt ein Kampf, der wol mit blauen Malern endet. 
Ich nam es aus der Ferne war, mir moclit^ es wenig frommen: 

Den Heimweg hab ich, langsam nicht, durchs Blachfeld d'rum 

genommen. 
Ein Bauernburseh kommt hinter mir denselben Weg gewandelt, 

Gar froh gestimmt vom jungen Wein, den er beim Wirt erhandelt. 
Er bringt, weil bald die Hochzeit ist, dem Bräutchen hübsche Dinge, 

Manch lustig Liedlein singt er, dass der Marsch im bas gelinge. 
Er steuert heimwärts von der Stadt, wo zu bestimmten Tagen, 

Und heut' auch so, die Krämerschafb ir Marktzelt aufgeschlagen. 
Wie freut er sich, dieweil der Sinn des Vaters nun erweicht ist, 

Dass sein das Mädchen und das Zil, das holde, bald erreicht ist. 
Wie Die mit irem Hinkebein in schaut in irer Nähe, 

Sie grüsst in, forscht, woher des Wegs? wohin die Reise gehe? 
Da bleibt er sten und schwazt, das ist ein Reden und ein Lachen! 

Und gibt zulezt noch gar die Hand dem wüsten, alten Drachen. 
Hierauf er zieht das Beutelein, die Alte zu begaben 

Und hebt sich weiter mit Gesang, um vollends heim zu traben. 
Und als er mir zur Seite war, ich frug in: „sprich, mein Lieber, 

Was wüste denn das alte Weib? Was giengst du nicht vor&ber?" 
„Sie hat, er sprach, ein schönes Weib mir profezeit, nicht minder 

Ein langes Leben, heilen Leib, dazu gar hübsche Kinder, 
Und manche schöne Dinge noch.*' — „Du glaubst der schwarzen Alten 

Und zalst dein Geld noch, dass sie schön zum Narren dich gehalten?'' 
„Nicht trauen sollt ich irem Wort? Sie hat mir kundgegeben 

Von meiner Mutter selig vil, aus meines Vaters Leben. 
Fremd war sie mir, die Augen mein sie nie zu sehn bekamen, 

Und dennoch kannte sie mich wol und nannte mich mit Namen ! 
Wer sagt ir, was ich selbst nicht weiss? Wenn all das ir bekannt ist. 

So glaub ich, dass die Zukunft sie zu schauen auch im Stand ist.*' 
Mich kam darob das Lachen an: „So glaubst: ^«^ ^m Erlogne? 



135 

Nur ml doch hab wol Acht, du bist ganz sicher derBetrogne! 
Kein Zweifel, die Zigeunerin ist über dich im Klaren, 

Auch wftr's zu wundern, wüstest du, wober sie das erfaren. 
Mir aber danket schier, du bist zu rasch im Glaubenschenken, 

Dich hat das alte schwarze Weib berückt mit iren Ränken. 
Noch kennst du dise Rasse nicht: willst du sie kennen, höre! 

Grat iat's villeicht für später, dass ir Trug dich nicht betöre. 
Sie schleichen in die Dörfer ein, um alles au&uspüren. 

Was tauglich scheint, um iren Plan .gehörig auszufüren. 
Noch ledig bist du. Wäre dir die Braut auch nicht verbündet, 

Die glücklichste Verbindung doch dir hätte sie verkündet. 
Was anch erfüllt den jungen Mann, dem um die frischen Wangen 

Der erste Flaum wie Schatten spilt, mit süsserem Verlangen? 
Der Jongfr« get ea anders nicht, und wenn'« die frömmste wäre ; 

Drum beiden wer von Hochzeit singt, er bringt willkommne Märe. 
Du bist begütei*t. Dein Gewand schon gibt es zu eiTaten, 

Das zeichnet dich vor manchem aus von deinen Kameraden. 
Verl&ssest du das Haus, du bist bei vollem Beutel immer, 

Dein Vater gibt dir, was du willst, zu knapp dich hält er nimmer. 
Und wenn es ein Vergnügen gilt, engherzig sparst du selten. 

Schlecht finden lassest du dich nicht und Keiner kann dich schölten. 
Das wüste sie, mit Schmeichelton hat sie dich eingenommen 

Und freut sich jezt, dass sie so leicht zu deinem Geld gekommen. 
Oft hat sie schon dein Dorf besucht und strich durch seine Gassen 

Und durch die Fluren rings umher, du darfst dich dVauf verlassen. 
Du hast, weil in der Schule du, villeicht sie nicht gesehen; 

Du mustest.Vor- und Nachmittags ja stets zur Schule gehen. 
Du warst, weil eben auf dem Feld, wol nicht zu sehn im Staude, 

Wie sie zu deines Vaters Haus die flinken Schritte wandte. 
Sie selbst auch sah villeicht dich nicht, obschon des Vaters Züge, 

Den sie schon manches Mal gesehn, bekant ir zur Genüge. 
Wer kent in nicht? Du weisst ja selbst : wer ist im ganzen Flecken, 

Dem er, in Geldnot, nicht bereit, ein Sümmchen vorzustrecken? 
Selbst aus der Ferne mancher kommt nach eurem Haus gewandelt, 

Der Holz von deinem Vater bald, bald Vieh von im erhandelt. 
Und oft auch gieng er über Feld, Ausstände zu kassieren: 

An Minen bist der Gleiche du, am Gang und an Manieren.^ — 
gSie wüste doch, wie alt ich bin, dass ich als kleiner Knabe 

Das Füssohen brach und dass ich dann schwer krank gelegen habe ; 
Sie wüste, dass der Vater sich mir .zürnend abgewendet 

Und dass er jezt mir widerum die alte Liebe spendet." 
„0, jedes Hauses Heimlichkeit mühn sie sich zu erschleichen, 

D^rum kent sie dich, *s ist ire Art, zu schleichen und zu streichen. 
Dass von des Nachbars Enkelin das Herz dir eingenommen 

Und nun des säubern Mädchens Hand du wünschest zu bekommen ; 
Dm8 erst dein Vater Nein gesagt, bis endlich die Begerte 

Sein Herz, von deiner Liebe Macht bewältigt, dir gewärte; 



136 

Da88 er bereits mit Feldern dich, mit Wisen reich bedachte 

Und dir sein Hans, mit schwerem Geld erst neu erbant, vermachte ; 
Dazn den halben Yihbestand, den Wald nicht zu yergessen, 

Und einen Haufen baren Gelds, nichts spärlich zugemessen; 
Dass, wenn die Scheunen all im Herbst beginnen anzuschwellen 

Vom Elrntesegen, er dir selbst die Hochzeit will bestellen: 
Das weiss das ganze Dorf — und sie, sie sollte nichts erfaren 

Von Dingen, die doch lange schon in aller Munde waren? 
Ja, das ist ein verschmiztes Volk ! Es will einst von den Borden 

Des Nil vertriben worden sein von grimmen Feindeshorden. 
Nichts ist es, als verlaufoes Pack; nur Schlechtigkeit, dieg^osa ist, 

Der Hang zur Zügellosigkeit schuf, dass es heimatlos ist. 
Arbeiten? Nein! Die ganze Welt durchbetteln, ist erquicklich 1 

Auch lässt es, wenn es nichts erhält, mitlaufen was im schicklich. 
Es spilt sein ganzes Tun, solang des Sommers Tage wären. 

Im Wald sich ab, sein nächtlich Ruhn, sein Zeugen und Geb&ren. 
Doch wenn es get dem Winter zu, wenn kalt die Fröste schaaern, 

Der Wälder Bann verlässt es dann, kriecht unter bei den Bauern. 
In unsrer Gegend bringt zumeist die Zeit es zu, die kalte, 

Hier, weiss es, feit es nicht an Holz und sonstigem Unterhalte. 
Das Mausen aber hat es hier sich abgetan — weswegen? 

Weil so nur Unterschleif im wird, woran im vil gelegen. 
Doch zauberhafter Künste vil sich rümt es vor den Leuten 

Und weiss auf dise Weise fein den Landmann auszubeuten. 
Gern bannt es Geister aus dem Haus, und Hexen aus den Ställen 

Und doktert an dem lieben Vih herum in Krankheitsfällen. 
Besprechen will es Feuersbrunst, Geraubtes widerbringen. 

Behilflich dem Verlierer sein zu den verlorenen Dingen. 
Die ganze Zukunft lige hell, so pralt es, vor dem Blick im. 

Und doch ligt tief in Finsternis sein eigenes Geschick im. 
Grossvater kam und Vater einst durch Schwert und Strang ums Leben, 

Doch keiner weiss, dass Gleiches auch mit im sich wird begeben. 
Stet schon das Zuchthaus hinter im, der Scherge mit der Rute, 

Der Henker mit dem glflhnden Mal, er merkt es nicht, der Gute. 
Und, altgeworden, ruht er sich im Wald und auf der Heide 

Und merkt nicht, dass der Tod nach im ausstreckt die Arme beide. 
So haben — nimm es übel nicht! — gefoppt dich ire Künste, 

Und was die Alte dir verkauft, sind eitel blaue Dünste. 
Nun lerne künftig klüger sein durch disen kleinen Schaden 

Und trau dem Hokus pokus ja nicht wider, möcht ich raten. '^ 
Wie wurde da der Junge rot, schalt wacker auf die Alte : 

Sich blicken lassen soll vor im nicht wider sie so balde!^) 

Stuttgart KarlDoU 



1) Uro dem Leser eine Probe des Urtextes zu geben, welche d^^* 



137 



Yolksffimliehes : Sagen 



VI 



1 Btr tritoclMM fitlfl 



In Augsburg sei es geschehen, daß ein Jesuit eine evangeli- 
ioiie Bäckermagd anm waren alleinseligmachenden Glauben be- 
keren woUte und diß versuchte in Oestalt eines Gespenstes. Er 
Seite dem H&dchen dermaßen zu und erschreckte es so f&rohter- 
lieh» daß es gar su arg war: wenn sie nicht vom Kezerglauben 
ablafi6| würde in der folgenden Nacht der Teufel selbst kommen 
und sie holen. Eis habs die Magd dem Knecht geklagt und ge- 
beten ir beizustehen. Was geschieht? Die folgende Nacht ver- 
steckt sich der Knecht in der Magd Kammer. Der Geist kam 
wflrkfioh und hub ein mächtiges Gepolter an. Der Kuecht nicht 
&11I, wischte herfOr mit seinem Gewer. „Der Geist, diß ersehende 
hob seine vermeintlichen Teufelskrallen beide in die Höhe, geht 
auf den Knecht loß und will in erschrecken, der in aber in den 
Leib stieß, daß der Geist niderfiel und starr tot war. Der Knecht 
wedite behende jedermann im Hause auf, mit Vermeidung wie er 
den Geist erstochen habe.^ 



selben zuirleich in den Stand sezt, über die Treue der üebersezung sich 
eimgermaften ein Urteil zu bilden, sei es vergönnt, die schönen Schlaß- 
▼erse des Gedichtes Tod und Begräbnis im Original hier mitzuteilen: 
8i me diliffitis, vetulas arcote cubili, 

Ne me languentem promptius ore necent. 
Sique meas vmquam tibi, Gare! licebit adire 

Exsequias, nosces iam mea vota prius. 
Consolare meos! Turbam depelle loquaceml 

Nemo, cave, tangat me nisi membra lavans. 
(Non opus esse tarnen statuo lotrice. Cadaver 

Semper erit foedum nilque valebit aqua). 
Si poteris, qua vis siue pompa trade sepulcro 

M e, paucosque meo funeri inesse sine t 
Lintea me cingantl Signum talare facessat 

Ofßcii, maneant biblia sacra domi! 
Sint pneri mnti! Sileat campana! Feratur 

Corpus, cum coelum sidera prodit, humum! 
Quilibet aptus erit locus! Absit praeco disertusi 

Nee mea caelatus contegat ossa lapis! 
Sic, opto. facies, et sie mea vota beatam 

Annorum seriem Te superare volunt, 
Sique senex, vitaeque satur, tua lumina claudens, 

Ingrediaris humum, sit tibi terra levis! 



138 

2 Ein Spiler and Flacher verirrt 

„Zu Eßlingen ward järlich am Tag St. Gatharinä ein Markt 
gehalten, auf welchem, als einsten ein Edelmann verreiset, geriete 
er zur Spil-Gesellschaft. Es kam aber dazu, daß der Edelmann 
all sein Geld verspilet und da es nun dunkel worden, befale er dem 
Knecht die Pferde zu bringen und ritte auch noch selbiges Abends 
darvou. Unter Wege aber gedachte er fort und fort an sein ver- 
spiltes Geld, dessen denn vermutlich nicht wenig gewesen, daß er 
also ergrimmet, einen Finch und Gottslästerung über die andere 
herauswarf, daß auch der Knecht darwider zu reden begunte, mit 
Vermelden, daß sie nun im Wald wären, auch Gott leichtlich ver- 
hängen könnte und so fortan, der Edelmann aber nur noch greu- 
licher gefluchet. Indessen stoßen im etliche Reuter auf (welche 
freylich lauter Gespenst« gewesen) mit großem Geräusche und Ge- 
tümmel, dise salbeten den Edelmann mit Stößen dergestalt, daß 
er halbtot vom Pferde fiele, welchen doch sein bescheidener (sicli 
auskennender) Knecht nach weniger Zeit wider zu Pferd brach te« 
ritten aber doch die ganze Nacht irr, bis sie Morgens früh in das 
Kloster Bebenhausen kamen, ganz matt und kraftloß und was den 
Edelmann betrlift so krank und schwach, daß er auch allda nach 
3 Tagen sein Geist aufgeben wie Manlius berichtet in Collectan.^ 

3 Der Zaaberer Hasch 

„Glaubwürdig ist von etlichen berichtet worden, wie daß vor 
etlicher Zeit iü dem Würtenberger Land ein großer Mörder um- 
gegangen sey, der dabei ein überaus großer Schwarzkünstler ge- 
wesen und kundte sich unsichtbar machen, wenn er wollte, mit 
Namen Nusch^ für welchem sich jederman entsezte, wenn man 
nur seinen Namen nennen hörte. Diser zauberte sich auf eine 
Zeit bei Schorndorff zu einem alten verdürten abgehauenen Stock 
oder Trumm von einem Baum. Als nun eine gute arme Frau 
hinaus in den Wald, Holz aufzulesen gangen war, fände sie unge- 
fehr diesen Block am Wege liegen, dachte bald, ich will ihn 
nehmen und zu Hause schon zerhauen, nähme ihn auch, lüde ihn 
auf und trüge ihn mit sich. Als sie aber nahe an das Thor kam, 
finge der Nusch an zu reden und sprach: alte Hur, stehe still, 
laß mich gehen, du hast mich lang genug getragen! Die arme 
Frau erschrack hefftig und ließe den Stock, unangesehen daß sie 
so hart und schwer getragen hatte, daß ihr der Schweiß darob 
ausgegangen, fallen, lieffe darvon, Nusch aber verschwand." 

4 Von einem Schaze 

„Es ist auf eine Zeit ein Pfarrherr zu Dontzdorff, oberhalb 
Gemünd gesessen und in seinem Garten einen Baum gefället, da- 
runter er Kohlen gefunden, die glitzerten etlichermaasen, darob er 
sich verwundert und darvon etliche in seinen Sack eiogesteoket. 



189 

Als er nnn nacher Hans komen und die Kohlen wollen heraus- 
thoD, siehe da waren es soviel Goldgulden, so viel nemlich er 
Kohlen hineingeleget und mit sich heimgetragen hatte. Er lieff 
bald wieder dem Garten zu, in Willens deren mehr zu holen, aher 
da war nichts mehr anzutreffen." 



5 Den Teufel Terschriben 

„A. 15S7 ist eine Hex zu Dillingen gefänglich eingezogen 
worden, die soll 31 Jahr in ihrem Wittihstand gelehet hahen als 
eioe Hehamme; dieser hat der Teufel versprochen, sie in keiner 
Armut stecken zu lassen. Nun ist der Teufel zum andern mal zu 
ihr kommen und hegehret, sie soll sich ihme ergehen und mit 
ihrem Blut unterschreiben: da sie aher sagte, wie sie nicht schrei- 
ben könte, da hat er ihr einen Ritz oder Riß an den linken Arm 
gemachet, ihr eine Feder in die rechte Hand gegehen und mit 
dem aufgefangenen Blut die Feder gefüllet, welche er ihr ge- 
fÜhret und damit üher das Papier gefahren; jedoch sei nichts 
darauf geschrieben zu sehen gewesen (wie sie hernach in der Tor- 
tor bekant und ausgesagt), welche Schrift denn der böse Geist zu 
eich genommen habe und wenn sie hernachmals etwan zur Kirche 
gehen oder ein Gebet verrichten wollen, zur Stunde sei der Teufel 
BQ ihr kommen und bah ihr solch ihre vermeinte Yerschreibung 
vorgehalten.^ 

Dise fünf Sagen sind dem bekannten 1695 zu Nürnberg in 
Verlegung Wolfg. Moritz Etutters erscliinencn Volksbuclie entnom- 
men: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende des vielberüch- 
Ugien Ertz- Schwarzkünstlers D. Johanni<i Faiisti, Erstlich vor 
vielen Jahren fleißig beschrieben von Georg Jiudölph Widmann — 
— durch Joh, Nicolanum Pfitzer med. Doct, nebst vorangefügtem 
Bericht Conradi Wolfgangi Plaizii und einem Anhange u, s. w. 
(8. 30. 74. 114. 234. 405.) Vgl, BcichUn-Meldeggs Faust 2. Heft- 
chen S. 75 ff. und Anmerkung. 

Genanntes Werk sagt S. 254 über den Begang : Und warum 
solte eben allein des Hasen, Wolffs Begegnen etwas Böses bedeu- 
ten und andere Thiere oder Menschen nicht, da sie doch eben 
▼ielleicht auf diese Weise begegnen, wie diese? Zu dem ists eine 
große Sünde aus dem Begegnen eines alten Weibs oder sonst eines 
Menschen, der gebrechlich, einäugig, oder gar blind und lahm ist, 
etwas Böses bedeuten, weil es ja Christen seind u. s. w. Die 
Heldensage figuriert S. 267: Sonsten schreibt man von dem Ifil- 
debrandt, von dem starketi Dieterich von Bern^ vom starken Eck^ 
dem Hürnen Segfried (welches Rüstung man zu Worms in dem 
Tbnrm zeiget) und andern grossen ungeheuren Riesen mehr viel 
Wvader DingS; welches aber alles mag in seinem Wehrt beruhen. 



140 



6 Eine Tergrabene Glocke 



Bei Oefingen (badisohe Baar) heißt eine Flor, ein Ackerfeld 
^im Flachtkirchle". Da ist eine silberne Glocke vergraben. Die 
Leute finden sie nicht, es kommt aber mal ein Schwein and wird 
«ie heraoswülen. Mündlich 

7 fiehOmte Hasen 

seien gekommen, sagten alte Leute wenn die Hirtenbuben „Hängetlis^ 
spilten, und manchmal einen loszubinden vergeßen ward. — Hai 
mit dem lepus cornutus bei Forer 69a nichts zu tun. Seitingen 

8 Ein onterirdlecher Weg 

gieng vom Kloster Reuthin bei Wildberg durch die Nagold bis zum 
Forsthaus. 

9 Kinderholen 

In Vöhringen OA Sulz holt man die Kinder im Aisch' oder 
Eischbachy der durch die Ortschaft fließt, oft wasserarm ist, aber 
doch dümpfelartige Stellen aufweist. Da sind unter den großen 
Steinen Laden, zugedeckt. Die Hebamme lüpft die Deckel und 
fängt die Kinder heraus. 

In Bregenz sagt man: die Kinder kommen von Lindau aus 
dem Lindauer Brunnen. 

10 Die PelxUsel 

Teuffstetten gehörte vor mer als 130 Jaren einigen Fräulein 
V. Trezel, von denen es dann auf die v. Holz, dann v. Pfeil und 
durch eine Tochter des wirtembergischen Ministers v. Pfeil an den 
Herrn Alexander v. Seckendorf, Gutendischer Linie in Oberzenn, 
kam, der noch vor 20 Jaren in dem alten Schlosse des Orts 
wonte, und von dessen Sone Barth. Carl v. S. ich folgende Notiz 
habe. (Christoph Carl Ludwig v. Pfeil, der 1783, 74 Jare alt, 
gestorben.) Geistergeschichten sind nicht vile im Dorfe, aber seit 
langen Jaren pflanzte sich eine Spukgeschichte in und bei dem 
Schlosse fort, die der Tradition zu Folge von einer ehmaligen 
Fräulein v. Trexel herrürt, die ein grünes Corset mit Pelz ver- 
brämt und einen Bund Schlüssel tragend öfters sich noch sehen 
ließ. Vor etwa 17 Jaren erschin sie dem Mädchen des Schäfers 
zum erstenmal Nachts beim Schlosse und forderte sie auf, einen 
Schaz im Keller zu heben. Das Mädchen gieng Nachts 1710 wirk- 
lich von dem damaligen Hofmeister des Herrn v. S. und anderen 
herzhaften Leuten begleitet, in den Schloßkeller, fiel aber in Un- 
macht. Nachher erschin die Pelzlisel ir an irem Bette und um 
eine Abzerung zu verhüten, tat der Schäfer seine Tochter in einen 
andern Ort, wo sie wirklich mit den vorigen Visiten verschont 



142 

weil er eine Monstranz zam Sanktissimam anf dises Fest in Augs- 
burg bestellt hatte, heimkeren wollte, so sagte Fraa Margarethe 
zu im, er solle deswegen nicht so eilen, sie hätte eine silbeme 
Monstranz und dise wolle sie im leihen. Er wollte sie nun zuTor 
beschauen. 

In einem Nebenzimmer war sie aufbewart, in welchem aber 
Fräulein Regina v. Echenheimb eine Vorschürze gefältelt und den 
oBbenannten Judenstein auf den Falten ligen gehabt hatte. Er 
nam den Dom aus der Monstranz heraus, um zu sehen, was er 
wäre und da gewarte er auch den Stein. Er wollte nun den Dorn 
am Steine erproben. Plözlich befiel in ein Schrecken und Zittern, 
er tat den Dorn wider in die Monstranz und wollte dise nicht 
mitnemen; denn am Steine sah er Blutstropfen, tropfenweis be- 
sprengt. Unbedächtigte Menschen wollten diß Blut wegwaschen 
und wegkrazen, aber sie vermochten es nicht. 

So die Sage, wie sie Frau Margaretha v. Wembding in Ge- 
genwart irer Kinder etc. etc. einem Berichterstatter erzälte, am 
14. Mai 1571. Durch irer Sönerin Vater Wolf Dietrich von und 
zu Stadion, Arneck und Alberweiler, kam diser Stein sodann nach 
Stadion. Schöttle 

12 Die drei Herrgottstritte im Hardt 

Zwischen dem Pfarrorte Hartheim und dem Marktflecken 
Stetten am kalten Markt (auf dem Heuberge, badischen Teilt) 
zieht sich eine langgestreckte Nadel waldung mit mäßigem Trocken- 
tale 'fast zwei Stunden hin. Die Gegend ist öde, der Eindruck 
druckend fürs Aug und Gemüt. Fast am Ausgange des engen 
Tales, unweit einer Ziegelhütte, eine Viertel Stunde von Stett.en stet 
eine kleine Kapelle, von Stationen umringt und ein Par Kreuze 
daneben, das ist der ganze Schmuck diser Waldpartie. Was aber 
gab Veranlassung, in dise verborgene Oede, wo ehedem die Füchse 
und Hasen sich gute Nacht sagten, eine Kapelle zu -bauen? Die 
Volkssage erzält also : Ehedem war diser Ort der gcwönliche Weide- 
plaz für die Rosse aus Stetten. Die kleinen Rossbuben fürten da 
nicht selten ein ausgelassenes, mutwilliges Leben und verwilderten 
im Herbste allemal arg. Darunter war einer, dessen Zunge das 
Fluchen geläufiger war, als das Beten. Als er einstmal wider so 
grausam fluchte, stund plözlich der liebe Herrgott in Menschen- 
gestalt mit aufgehobenem drohenden Finger vor im. Aber was 
half es? Er fluchte noch ärger, erhob seine Geißel, um den lieben 
Herrgott zu geißeln. Da sprang diser über drei Steine hinweg, 
der Bube im nach; aber der liebe Herrgott verbarg sich jezt vor 
im in ein Gebüsch und man sah in nie mer. Auf disen drei Stei- 
nen ist nun der Fußtrit des Herrn eingesenkt und nicht wider 
wegzubringen. Die Sache wurde bald ruchbar. Von der ganzen 
Umgegend strömten Leute, besonders mit Fußübeln behafbeta, herbei 
und stellten den kranken Fuß in dise Herrgottstritte. Eio altes 



143 

Pfarrherrle yoii Stetten sezto seinen kranken Fuß auch hinein und 
•kbald war er von seinem Fußleiden befreit. Aus Dankbarkeit 
liaß «r nun eine Kapelle über disem Stein erbauen. Von Zeit zu 
Zeit wird eine hl. Messe da gelesen. Die anderen zwei Steine 
dnd außerhalb der Kapelle. Vom Frühjar bis Winter-Anfang ist 
ne ser besucht. In diser stillen Waldeinsamkeit, wo man kaum 
ein Vögelein singen oder einen Specht in seiner Tätigkeit als Baum- 
hacker yemimmt, ist es übrigens ungestört zu beten. Schreiber 
Jessen war schon zweimal dort auf seiner Reise nach Hartheim. 
Schöttle. Mündlich vom Vizemesner von Hartheim 

18 Die Sige vom Pudel xn Hochdorf 

Hoobdorf war noch im 12. Jarhundert ein adeliges Schlößlein 
auf einem m&ßigen Kreiden-Hügel der Alb zwischen Dächingen 
and Mandingen. Von Ruinen siht man nichts nier. Der lezte 
dioes Geschlechtes, Junker Hans v. Hochdorf hat im 14. Jarhun- 
dert fdar sich und seinen Ocbsenknecht Hans einen ewigen Jartag 
in die Pfarrkirche zu Granheim gestiftet. Schon seit alten Zeiten 
gieng die Sage, daß im Schloßkeller eine volle Geldtruhe sich be- 
finde, aber Niemand getraute sich, disen Schaz zu erheben, da ein 
schwarzer Pudel mit feuriger Zunge und feurigen Diamanten-Augen 
auf der Kiste size. Es mag von jezt ab circa 80 Jare sein, daß 
13 Banren den Mut faßten und nach dem Keller gruben. Wol 
kamen' sie biß zu im hin; allein alle ergrif unsäglicher Schrecken, 
einer Namens Link wurde sogar wansinnig und starb nach wenigen 
Tagen. Schöttle. Mündlich von Ziegler Koch in Dächingen 

14 Die Ersobeinimgen am BachstOckle 

In- der Mitte zwischen Dächingen und Alt-Steußlingen dem 
Piarrorte befindet sich ein kleiner „Burreu" am Fußwege, wo ehe- 
dem alte Buchen gestanden haben sollen. 

Vor Jaren stand noch ein altes verwittertes Bildstöcklein da- 
selbi^t und nicht weit davon ein uraltes steinernes Kreuz, wie man 
solche nicht selten an Wegen trift, ein sogenanntes Doloser-Krcuz, 
5' lang und 5' breit, solche Höhe und Länge niuste jedes messen. 
Wo ein solches stet, ist jedesmal eine Untat begangen worden und 
mnste der Missetäter zur Süne ein solches Kreuz sezen und Gottes- 
dienste für den Ermordeten abhalten lassen. Als Knabe gieng ich 
hundert und hundertmal daran vorbei, war aber, zumal am Abende, 
herslich froh, wenn ich vorüber war. Es ist nämlich da nicht 
ganz geheuer. Zu bestimmten Zeiten kommt es vor, daß ein Hund 
und besonders ein Wachtelhund lange Zeit neben einem daherlauft. 
Schon Hunderten kam diß vor. Bißweilen aber wälzt sich auf 
dem Wege immer eine lleisbuschel vor dem Wanderer her, one 
daß diser sie erreichen kann. Gefarlich ist, ir zu folgen, denn in 
disem Falle wird man jederzeit arg irre gefürt und kommt nicht 
beim and kennt sich nicht aus, biß die Gebetglocke im „Käppele^ 



144 

in Dächingen läatet. Es ist diß eine alte 1465 gestiftete Kapelle 
außerhalb des Ortes gewesen, die aber anno 1848 in den Ort hinein 
verlegt wurde. Welche Bewandtnis und welchen Zusammenhang 
die Stiftung der Kapelle mit dem Doloser-Kreuz, dem Bildstöekle 
und der Erscheinuhg hat, konnte ich noch nicht ermitteln. 

Schöttle. Mündlich von Loch und den eigenen Oroßeltem 
16 Des Konstauer Bisohofs Fre?elrit 

Stumpf in seiner Schweizerchronik (V, 394b) erz&lt: „im 
1503 jar reidt der Bischoff von Costentz im Klättgow den pau- 
ren durch das körn mit seineu Reutern und dienern, do schl&g der 
donder vnder sie vom himmel, ein rossz zu tod vnd sunst 7 oder 8 
rossz vnd mann zu boden, doch one Verletzung j res l&bens.^ Daau 
fügt Martinus Bohemus in seinem Kirchen-Kalender, Wittenberg 
1608 S. 440 folgendes: Ob nun auch schon Gott der Herr nit aUa 
zeit solchen Mutwillen mit dem Donner strafft, so siebet er doch 
solchen Frevel woll und wirds ihnen zu seiner Zeit woll zu ver- 
gelten wissen, das solche Gesellen entweder zu armen Leuten und 
Hungerleidern werden u. s. w. 

16 Sohax bei Unterreicheabacb ^ 

Am Thannberg bei Unterreichenbach sind von den Leuten 
zu verschidenen Malen bald einzelne Schafe, bald Pudel gesehen 
worden, weswegen man glaubte, es lige ein Schaz dort begraben. 
Im Jare 1845 oder 1846 fand denn auch wirklich eine Frau 
(Barbara Bohnenberger valgo Mätzebäbe) alte Münzen in einem 
Topf, man sagt bei 800 fl. im Wert, beim Ausgraben von Steinen 
an jener Stelle und von da an hat man auch keine Tiergestalten 
mer daselbst wandeln sehen. Unterreichenbach 

17 Spuk In ünterreicbenbacb 

Nach dem Tode der Mutter des Schmids Kl. in Unterreichen- 
bach war es im Hause nicht mer geheuer. Besonders zur Advent- 
zeit rumorte und klopfte es im Hause, die Wige wurde geschau- 
kelt, daß die Kinder fast herausfielen u. dgl. Auch sahen Nach- 
barn, wie die alte Frau zum Büneladen heraussah. Mitten in 
der Nacht rief einst der Schmid, ir Son, um Hilfe und als die 
Leute herbeikamen, sahen sie die verstorbene Frau bei dem Spinn- 
rade sizen. Später fand ir Son auf der Büne 50 fl. Geld, das 
versteckt war. Von da an hat der Spuk aufgehört. 

Unterreichenbach 



1) Die folgenden Sa^en sind ans der Calwer Gegend; eine kleine 
Anzal sih Alem. VI 161 ff. Karl Doü, 



145 



18 Dtr OelMhligw 

In Unterreicbenbacb, wird erzält, lebte ein frommer Oel- 
miUler, welcher allabendlich die Engel singen hörte. Die Sonn- und 
Festtage feierte er ser gewissenhaft. Einst aber hatte er sich an 
Äwm Samßtag Abend beim Heuet verspätet und als er mit dem 
Henwagen durch die Nagold für, blib er mit dem Wagen darin 
stecken, denn es war 6 Ur vorüber. Er hörte nun an disem 
Abende die Engel nicht singen und aus Kummer darüber gieng er 
hhk und erhängte sich. Unterreichenbaoh 

19 Dtr Ortsiame DoBidlcht 

Der Name des unterhalb Liebenzeil am Bergabhange gegen 
die Nagold gelegenen Orts Dennjächt bedeutete one Zweifel nichts 
anderesi als Tännicht, Tannengebüsch, im Gegensaze zum Tann, 
welchen Namen einer zu disem Ort gehörigen, aber entfernt auf 
einer Bergecke gelegenen Häusergruppe zukommt. Die Dennjächter 
selbst leiten die Benennung von „denen acht** ab, d. h. von den 
acht ersten Ansidlem, welche den Ort gegrründet haben. 

ao Unterliaigftett und ■onakam 

Zwischen beiden Orten soll einstens ein Dorf gestanden haben, 
dessen Einwoner in den Kriegszeiten so ser zu leiden hatten, daß 
salezt nur noch zwei Männer übrig bliben, Hang und Mona mit 
Namen. Schließlich haben auch dise beiden die Stätte des Elends 
verlauen und hat sich der eine zur Rechten, der andere zur 
Linken der alten Heimat nidergelassen. Aus den neuen Won- 
sisen, welche sie gründeten, entstanden nach und nach die jezigen 
Orte Unterhaugstett, auch kurzweg Haugstett genannt, und Mona- 
kam, welch lezteres übrigens nachher seine Lage wider verändert 
hftben solH). Mündlich 

21 Fud foa Wekerskaiisen *) 

Von dem abgegangenen Ort Wekershausen bei Unterhaugstett 
iit noch ein mit einer Steinplatte bedeckter Brunnen vorhanden. 
Auf diaem Deckelstein, get die Sage, habe mal Einer ein Säckchen 
mit Geld gefunden und zu sich gesteckt. Als er das Säckchen da- 
heim öffnete, fand sich eitel Rossmist darin. Ursach, weil er, wie 
man glaubt, unterwegs „beraffelt** (beschrien) worden ist. 

Mündlich von Unterhaugstett 



1) Alem. VI S. 12 Nro. 5. 

2) Alem. VI 162, 6. 

Blrliager, AlemumU VU 2 10 



146 



22 Glaube an alte Rechte 



Wie in den Klosterorten des nntem Schwarzwalds, so lebt 
auch in andern Gemeinden der Umgegend der Glaabe, daß die im 
Besize des State befindlichen Waldangen auf der Markong eigent- 
lich inen gehören würden. So heißt es in Unterhaagstett yon 
dem Statswald „Allmand*', in welchem der Gemeinde nor noch 
ein Brennholzuuzongsrecht „aasser Gnaden" eingeräumt ist, man 
sei halb des Glaubens, daß derselbe Gemeindewald war und kaum 
anzunemen sei, daß er seine Natur verändert habe. Ebenso „straii- 
chelt" man bei dem Statswalde „Bruoch", ob es nicht ein Ge- 
meiodewald war. Man erzält sich, der alte Simme von Nenhaosen, 
welcher mit einem Körbchen umhergieng und Gaben sammelte und 
jezt über 100 Jare alt wäre, habe oftmals gesagt: Wenn ir wüß- 
tet, was ir für Rechte hättet, ir wäret die reichsten Leute. In 
Monakam änlich. Dort habe im zweiten Jaraehnt dises Jarhun- 
derts ein Pfarrer (Laib oder Ergenzinger), der des Kameralverwal- 
ters Tochter gehabt, geäußert: Wenn sie im den Eleezehenten ein- 
räumten, so sage er inen, welche Rechte sie hätten. E^ soll nämlich 
der Statswald Klingenwald zur Kapelle gehört haben. 

23a Sage von Unterhaagstett 

Es get hier die Sage, vor etwa 100 Jaren habe der soge- 
nannte Badwald einem reichen Herrn gehört; derselbe habe sich, 
weil im das Wasser nicht gut genug war, immer in Wein geba- 
det, nachher aber sei er mit dem Bettelsacke in den Ort gekom- 
men. — Auch spricht man davon, es habe sich vor Zeiten ein 
Graf in Unterhaugstett aufgehalten und bezeichnet das Haus des 
David Rexer als dessen Wonstätte. Mündlich 

28b Nenbengstetter üeberllfemng 

Die Einwoner von Neuhengstett sind die Nachkommen ein^r 
im Jare 1700 gegründeten Waldenserkolonie, die man deshalb 
heute noch die Welschen heißt und die jezt noch ire französisch- 
piemontesischen Familiennamen (Ayasse, Baral, Charrier, H^ritier, 
Jourdan, Soulier, Talmon, Talmon Tarmöe etc.) tragen. Dise Wel- 
schen schiden sich ursprünglich in die vom guten Blute und die 
vom bösen Blute, welch leztere man für Hexenmeister und Hexen 
hielt. Der Ort ist so angelegt, daß er aus zwei rechtwinklig auf 
einander stoßenden Straßen bestet, in deren Kreuzung die Kirche 
ligt. In der einen Straße, der gegen Simmozheim, wonten die vom 
guten Blute, wäreud die vom bösen Blute ausschließlich die andere 
Straße, gegen Althengstett und Calw, bewonen musten. Diser 
äußerlichen Trennung entsprechend bestand zwischen beiden Teilen 
lange Zeit auch kein Connubium. Noch länger hat sich dise Eagen- 
tümlichkeit in den übrigen Waldenserkolonien Wirtembergs, wie 



147 

b Pinache und Serres erhalten, nameDtlich in dem lezteren Orte, 
wo sich dieselbe heute noch nicht ganz verwischt haben soll. 

Mündlich von Neuhengstett, Ortsvorsteher 

24 Die Slmmoxlielmer Glocke 

Die Simmozheimer haben eine große Glocke, die mit der Figur 
«ioes Pabstes geziert ist. Dieselbe soll umgegossen worden sein 
nnd scheint nach den Dimensionen des Kirchturms für disen an- 
iängÜch kaum bestimmt gewesen zu sein. Von discr Glocke get 
die Säge, sie sei nach den Eriegszeiten auf dem Felde aufgefunden 
worden nnd da habe sie nicht anders geläutet, als: „Susanna, 
g^Simmozheim do muß i hanga.^ Daher wurde sie auch auf den 
Glockenstul des Kirchturms zu Simmozheim gebracht. Die von 
dem nahen Weil der Stadt, welche die Glocke gern gehabt hät- 
'ten, boten sovil kleine Taler dafür, als man, Stück an Stück, auf 
dem Wege von Weil der Stadt nach Simmozheim legen könnte. 
Ale aber beide Teile des Handels eins wurden und die Glocke zu 
Weil der Stadt aufgehängt war und läuten sollte, blib sie völlig 
stumm, so daß der Handel wider rückgängig gemacht und die 
Glocke nach Simmozheim zurückgebracht wurde, wo sie iren Dienst 
biß auf disen Tag getreulich versiht. Mündlich, Simmozheim 

Vgl. die Glockensage vom Wunnenstein bei E. Meier S. 342. 

25 Der Ortsname Dachtel 

In alten Zeiten soll da, wo der Oii; stet, eine große Schlacht 
geschlagen worden sein, die für den einen der streitenden Teile 
eine bedeniende Niderlage zur Folge hatte. Damals hat es, sag- 
ten nun die Leute, Dachtel, sovil als Schläge, gegeben und nannten 
den Ort darnach. In der Nähe des Orts, auf dem Widdumacker, 
fand man zuweilen verrostete Pfeilspizen. Nach einer andern Sage 
war da, wo der Ort stet und ringsumher, dichter Wald, in welchem 
one Zweifel geweidet wurde. (Auchtweide, Auchtel, d^Auchtei, 
DIchtel.) 

26 Wald bei Dachtel nicht gehener 

In dem Walde Gfloßrain , in dessen Nähe auf Gärtringer 
Harknng eich der Walddistrikt Edelburg mit Trümmern eines zer- 
üJlenen Schlosses befindet, soll es nicht mit rechten Dingen zu- 
gte. Der Schultheiß Eisonhardt, ein ernster und vollkommen 
glaubwürdiger Mann, war einmal im Jare 1877 noch biß zum spä- 
ten Abend auf seinem unterhalb des Gfloßrains ligenden Felde be- 
leh&ftigt. Als er eben im Begrif war, das Feld zu verlassen, sah 
er ans dem verrufenen Walde eine weiße Gestalt hervorkommen, 
die sich, im entgegen, dem Wege zu bewegte, den er selbst ein- 
nachlagen hatte. Eb schin eine männliche Gestalt zu sein, die 



aussah wie wenn sie ein Chorhemd über sich geworfen hätte, so 
zwar, daß vom Kopfe sovil wie nichts zu sehen war. So etwas 
war dem erlichen Schultheiß noch nie Yorgekommen. Keugirig, was 
das für eine Erscheinung w&re, sezte er seinen Weg fort. Eine 
Zeit lang benamen im Bäume die Aussicht. Als er nachher wider 
das freie Feld gewann, war von der weißen Gestalt nirgends eine 
Spur mer zu sehen Dieselbe konnte im nicht vorangekommen 
sein und doch kam sie auch nicht nach, so oft 'er auch sten 
blib und sie erwartete. 

Aus dem Mund des Schultheiß Eisenhardt in Dachtel 

27 Kegelnder fielst bei Darmsheim 

In einem Feldhäuschen zwischen Darmsheim und Maichingen 
(bei Böblingen) kann man Nachts oft kegeln hören. Ein Bauer 
von Althengstett, der des Nachts von Darmsheim sich auf den 
Heimweg machte und dort passiren muste, wurde vor dem kegeln- 
den Geiste von dem Wirt gewarnt, worauf er dieWarnubg lachend 
und mit den Worten ausschlug: er seze im nicht auf! In der 
Nähe des Häuschens angekommen, sah er, daß im Innern desselben 
Licht brannte. Als er aber herzutrat um da hinein zu sehen, war 
das Licht auf einmal erloschen. Althengstett 

28 Schaz im Bnrgstal bei DOflIiigen 

Auf der bewaldeten Bergspize bei der Stegmüle unweit Döf- 
fingen stand der Sage nach eine Burg, von welcher noch spär- 
liche Ueberreste vorhanden sind. Die Waldparzelle daselbst heißt 
heute noch der Burgstal. In den Trümmern diser Burg soll ein 
Schaz geborgen sein, welchem schon zu verschidenen Malen nach- 
gestellt wurde. Vor etwa 20 Jaren stellten einige beherzte Leute, 
darunter ein gewisser Raich, nächtliche Nachgrabungen daselbst 
an, und stießen endlich in einiger Tiefe auf einen Gegenstand, 
den sie als eine große Kiste zu erkennen glaubten. Im Begriffe, 
derselben sich zu bemächtigen, bemerkten sie auf einmal einen 
schwarzen Pudel auf der Kiste sizen. Entsezt machten sich die 
Schazgräber so gut es gieng davon. Dem Raich aber sprang der 
Pudel auf den Rücken und sezte im so zu, daß er, an allen Gli- 
dern zitternd, nach Hause getragen werden muste. Acht Tage 
darauf war der sonst kräftige Mann eine Leiche. An einer an- 
dern Stelle, ganz in der Nähe von der vorigen, im Teufelsloch ge- 
nannt, hatte eine andere Partie Grabungen angestellt, wobei sie 
auf einen tiefen Schacht stießen. Einer der Leute wurde an einem 
Seil in die Tiefe hinabgelassen ; derselbe hub jedoch mitten in dem 
Schachtloche zu schreien an und muste, ehe er auf den Grand 
kam, wider hinaufgezogen werden. Auch schon Lichter sind aaf 
dem verrufenen Plaze schwebend gesehen worden. — Später kam 



149 

es vor« daß ein par junge Männer in Folge einer Wette sich mit- 
ten in der Nacht anf den ßnrgstal begaben, disen begegnete aber 
sieht das geringste. - Mündlich aus Döffingen 

29a ÜBgeheide Frioleift 

Im Edelburgwald zwischen Gärtringen und Deckenpfronn, wo 
jeit noch eine Burgruine stet, laufen Fräulein, die sich den Leu- 
ten schon gezeigt haben. Dieselben werden als eine blendende 
Erscheinung geschildert, alles an inen habe „geschättert und ge- 
Uiit". Es soll im Walde, wo sie gehen, ein Haufen Geld ver- 
graben Bein, welchen sie hüten müssen. Das Besiztum gehört der 
adeliehen Familie Biller von Gärtringen. 

Mündlich von Deckenpfronn 

29b Die Barthenschlacht 

Auf dem Felddistri^te Bartha der Markung Deckenpfronn soll 
in a]jben Zeiten eine bedeutende Schlacht, die Barthenschlacht, ge- 
leUagwi worden sein. Ganz in der Nähe diser Flur zieht sich ein 
kftnstlich aufgeworfener Dammweg in der Richtung gegen den Hob- 
widy einen runden, schanzenartigen Erdhügel hin, welche Werke 
fibrigens beide den Franzosen zugeschriben werden. 

80 Pidel bei fflnau 

Auf dem Sil|>erwislesbuckel , einer Anhöhe zwischen Hirsau 
nnd Liebenzeil, gegenüber dem Dorf Ernstmühl, hat man oft einen 
ad) Warzen Pudel Nachts laufen sehen, der aus der Nagold ge- 
kommen sein soll. Merere Leute sagten bestimmt aus, daß er 
inen begegnet sei. Seit die sogenannte Wilhelmsstraße, die der 
Nagold entlang fürt, dort gebaut worden ist, hat man von dem 
Honda nichts mer gesehen. Mündlich aus Liebenzell 

81 Erdmännohen auf dem Hof Lütxenliardt 

Auf den Hof Lützenhardt bei Hirsau sind früher auch Erd- 
mftnncben glommen, kleine Leutchen wie Zwerge mit wildem 
Aenßern und aerfezten Kleidern. Sie kamen aus der nahen Bruder- 
höle, in der sie ire Wonung hatten. War in dem Hofe etwas zu 
■chaffen, so hatten es die Erdmännchen über Nacht geschafft. Sie 
Inunen, unsichtbarer Weise, wärend der Feldarbeiten auch auf das 
Feld nnd legten Kuchen für die arbeitenden Menschen dort nider. 
Die Lente rochen denselben plözlich und fanden dann die will- 
kommene Labe in irer Nähe. Aus Mitleid mit den kleinen, ärm- 
lich gekleideten Männchen und um sich inen dankbar zu erweisen, 
ließen die Bewoner des Hofs inen einmal neue Kleider machen, die 
sie yoT vret Hole niderlegten. Damit aber hatten sie dieselben 
"fertriben, denn von da an kamen sie nie mer auf den Hof. 

Mündlich von Oberkollbacb 



150 



32 Der Hasarensprnng bei Teinach 

Zehn Minuten hinter Teinach, am Wege nach Breitenberg, 
jedoch auf Liebelsberger Markung, da wo das Rindenhäuschen 
stet, ist die Straße durch eine Stüzmaner gegen den steilen Ab- 
hang geschüzt. Die Stelle heißt der Husarensprung. In Folge 
einer Wette die es galt, oder, wie andere sagen, zur Strafe, vil- 
leicht auch um sich einer Strafe zu entziehen^ sezte dort einmal 
ein Husar mit seinem Pferd in den Abgrund. Der Sprung aber 
glückte nicht; Ros und Mann langten zerschmettert unten an. 
Vor 60—70 Jaren stand in der Nähe ein Wirtshaus, das einen 
Tannenzapfen im Schilde fürte. Mündlich von Liebeisberg 

33 Spuk in Teinach 

Im Hause des Mezgers L. in Teinach hat es vor etwa 20 
Jaren nicht unbedeutend gespukt. In einem Dachbiegel befanden 
sich allerlei Geräte aufbewart, darunter auch ein dreifüßiger Stul 
mit einem runden Polster. Auf disen Stul und in die Kammer, 
glaubt man, sei ein Geist gebannt gewesen, den man für den eines 
gewissen Stabsrichters (Schradi) hält. Als der Stul in Folge 
eines Auctionsverkaufs aus dem Hause kam, vemam man im ganzen 
Hause, in jener Dachecke beginnend, ein merkwürdiges Gepolter, 
es wurden Gegenstände von irem Plaze gerückt, im Oem hörte man 
ein Schlucken und änliches, one daß man übrigetis den Geist zu 
Gesicht bekam. Der Spuk soll noch nicht ganz aufgehört haben, 
doch ist die Sache nicht mer so bedeutend wie firüher. 

Einige bringen die Sache auch damit in Zusammenhang, daß 
einmal ein Wansinniger aus einem Zimmer des Hauses über das Dach 
zum Backofen stig, in disen, der eben gefeuert war, hineinkroch 
und darin verbrannte. Mündlich, Teinach 

34 Otter leistet Kindern Gesellschaft 

Landleute, welche im Felde arbeiten, nemen häufig die Kin- 
der mit hinaus, die sie dann an einen Rain sezen und dort meist 
sich selbst überlassen. Oft läßt man einem solchen Kinde wol 
auch einen Topf mit Milch zurück, die es verzeren darf. So ge- 
schah es auch in Sommenhardt, auf dem Felde zwischen disem 
Ort und Zavelstein. Allein sobald ein Kind dort allein war, kam 
regelmäßig eine Otter ans dem Büohenlaub, einem Buchwäldchen, 
das jezt in einen Eichwald umgewandelt ist, um an der Malzeit 
dos Kindes Teil zu nemen. Die Leute kamen oft dazu und sahen, 
wie die Schlange von der Milch trank und^ wie die Kinder ab- 
werend sie auf den Kopf schlugen mit den Worten : Du, iß et no 
Milch, iß au Brooka ! Uebrigens hat die Otter den Kindern nie 
etwas zu leid getan. (Häufig.) Mündlich yon Sommenhardt 



151 



85 mida Jagd bei Heabnlach 

Der wilde J&ger mit Treibern und Hunden jagt auch bei 
Neabnlach. Mit lautem Lärm und Getöse für er einst dahin, da 
beobmehtete in ein Banernknecht vom Dachladen aus und wachte 
den Lärm nach, worauf ein Eselskinnbacken zum Dachladen her- 
einflog, damit er auch von der Jagd etwas habe. 

Mündlich, Neubulach 

86 Stdikreua bei Heabnlach 

Wol kaum finden sich auf einer Ortsmarkung so vile Stein- 
beiaammen, als auf der Neubulacher. Außer mereren ein- 
seinen Kreuzen an verschidenen Stellen der Markung macht sich 
l>«Bonder8 eine Gruppe von fünf alten Steinkreuzen unterhalb des 
SUdtohens an der Straße nach Oberhaugstett bemerklich, auf wel- 
clien meist eine Pflugschar eingegraben ist. Hier sollen, wie im 
Orte die Sage get, die Untergänger der Earchspilsgemeinden zu- 
BAmmen gekommen, und in Streit geraten sein, in welchem alle 
Sebliben seien. — Auch mit dem Schwedenkrieg hat man die 
Kreuze schon in Verbindung bringen wollen. 

Mündlich aus Neubulach 

An ein anderes, an der Straße nach Oberhaugstett stehendes 
Krena, auf welchem eine Kunkel mit Spindel abgebildet ist und 
das im Volksmunde die Spinnerin heißt, knüpft sich gleichfalls eine 
Sage, deren auch die Oberamtsbeschreibung Erwänung tut: Es 
sali hier eine Spinnerin geäußert haben, heute müsse sie noch 
einen Knnkelhalter haben und wenn es auch der Teufel wäre, wo- 
rauf sie richtig der Teufel holte. 

87 Der Raieb 

In Oberhaugstett bei Neubulach erzält man, daß bald dat 
bald dort der Raich sich hören lasse, indem er plözlich au, au 
laut rufe and disen kläglichen Schrei oft biß zu dreißigraal wider- 
hole. Der Ruf klinge wie ein Rehruf, daher auch der Name des 
Geistes, Raich oder Rehgeist. Der Schultheiß Claus hat den Raich 
in einer klaren Mondnacht einmal in seinem Hofe bei dreißigmal 
rufen hören, aber nichts gesehen, auch habe sich der Uofhund 
Wlkommen ruhig verhalten. Einmal hörte ein noch in später 
Stande im Walde beschäftigter Besenbinder plözlich den Schrei des 
Raich neben sich, one das geringste zu sehen. Im Unmute über 
dise unheimliche Störung stieß er ein Scheltwort aus und machte 
sich gleichzeitig auf den Heimweg. Der Raich aber ist auf dem 
ganaen Wege nicht von im gewichen und hat in beständig mit 
seinem Rufe verfolgt. In neuerer Zeit läßt sich der Geist nicht 
mer so häufig vememen, wie früher; doch treibt er namentlich in 



152 

den Adventsnächten seiD Wesen zuweilen auch jezt noch. Es 
ist übrigens ein harmloser Geist, der Niemanden ein Leid zufügt. 

Mündlich aus Oberhaugstett 

38 Matesheer In lariinsmoos 

Hart an Martinsmoos, an die Häuser des Orts anstoßend, 
stand in früheren Zeiten ein Schloß, von welchem jezt nur noch 
Sparen des Burggrabens ersichtlich sind. An diser Stelle hat man 
früher oft einen gewaltigen Lärm vernommen, den das Mutesheer 
dort verursachte. Zuweilen ist dises wilde Heer auch mit lautem 
Getös über den Ort weg, an den Leuten vorüber gefaren, aber 
one jemanden zu beschädigen, wenn man sich stille verhielt i^nd 
die Geister nicht beschrie oder verhönte. Einst sah eine Hanf- 
brecherin das wilde Getümmel an sich vorüber jagen und bemerkte 
hinter dem Zuge eine Weibsperson, die nicht nachkommen wollte. 
Auf den beherzten Zuruf der Bäuerin, sie solle machen, daß sie 
nachkomme, habe jene erwidert, wäre sie gegürtet und geschürzt, 
so käme sie schon nach. Die Hanfbrecherin band ir nun Werg 
um die Mitte des Leibes, worauf die Nachzüglerin dankte and 
dem wilden Troß nacheilte. Mündlich aus Martinsmoos 

89 Der wilde Jäger 

In der Umgegend von Martinsmoos auf dem Schwarzwalde 
bei Calw lebte einst ein leidenschaftlicher Jäger, welcher nichts 
weniger als fromm war. Auf das Krankenlager geworfen, ließ er 
einen Geistlichen rufen. Als diser sich bemühte, in ernstlich zum 
Reiche Gottes zu bekeren, gab im der Kranke trozig zur Antwort: 
Unserem Herrgott soll sein Reich verbleiben, nur aber soll meine 
Jagd verbleiben bis zum jüngsten Tag ! — Nun so fare hin ! rief 
der entrüstete Priester und verließ in. Bald darauf starb der gott- 
lose Mann und musto nun als~ wilder Jäger umgen. Die Leute 
haben in schon, hoch zu Roß, mit drei Hunden jagen sehen ; auch 
ist es zuweilei^ geschehen, daß er mit Pferdefüßen nach den Leu- 
ten warf. Seit einiger Zeit hat man nichts mer von im bemerkt : 
das macht, es soll seine Zeit, die 1000 Jare, die er zu g^n hatte, 
abgelaufen sein. Mündlich aus Martinsmoos 

In dem benachbarten Oberhaugstett hat das Gespenst den 
Namen des wälschen Jägers. 

Weiter oben im Gebirg, in Agenbach, haust der wilde Jäger 
auch als Förster, indem er im Walde die Tannen auszeichnet. 

40 Erdmänncben und Erdweibcben in ■artinsmoos 

In das Haus des Bäckers in Martinsmoos sollen früher immer 
zwei Erdmännlein gekommen sein, welche im Haus und im Stalle halfen 
arbeiten. Sie hatten ganz zerrissene Kleider an, worüber der Bäcker 



153 

rieh erbmnnte und ioen neae Kleider gab. Von da an bliben sie aber 
tos, denn jezt, wie sie beim Weggen sagten, seien sie ausbe- 
zalt. In dasselbe Bäckerhaus kamen zuweilen auch zwei Erdweib- 
ehen snm Tanze. Dieselben kamen aus einer nur zeitweise fließen- 
den Quelle, einem sogenannten Seltenbrunnen auf der Wise im 
Brügel« Als sie einstmals beim Heimgange sich verspäteten und 
in die Quelle tauchten, kam Blut aus derselben geflossen. Die 
Erdweibchen aber hat man von dort an nie wider gesehen. 

Mündlich aus Martinsmoos 

41 Der Kommesser 

Auf dem Boden der Martinsmooser Kirche hat ein Kommesser 
g^geistet, warscheinlich ein Kastenverwalter, welcher in seiner Ver- 
waltung unredlich war. Man hörte dexitlich, wie er Korn abmaß 
ond dabei rief : Mer Spreuer als Korn, mer Spreuer als Korn ! 
Jflit ist es ruhig. Mündlich aus Martinsmoos 

42 Dil Wilde Heer bei Liebeisberg 

Derselbe Spuk, der in Martinsmoos vorkommt, scheint sein 
Wesen über Oberhaugstett bis nach Liebeisberg hin zu treiben. 
Ein Schmid, Namens Gottlieb Steinle, der 1812 den russischen 
Feldzug mitmachte, geriet zweimal in das Getümmel des wilden 
Jägers. Das einemal auf der Laite, einer hochgelegenen Flur bei 
Liebeleberg , als er ' von Teinach herkam. Auf einem Pferd one 
Kopf gewarte er einen Jäger mit einer großen Schar von Hunden, 
vdche in umringten. Eingedenk der Warnung, daß man bei einer 
sokhen Begegnung „nicht in der Lufb schnaufen darf, sondern in 
den Boden gucken muß", legte er sich flach zur Erde, worauf die 
wilde Jagd über in weggieng. Das zweitemal war er im Buhler- 
stich, einem Walde zwischen Warth und Oberhaugstett. Auf einmal 
rollte eine Chaise heran, hielt an, Diener sprangen ab und öfihe- 
ten den Schlag, aus welchem nun vile Hunde herauskamen. Mit 
einammal aber waren weder Chaise noch Bediente mer zu sehen ; 
dagegen hub sofort ein ' merkwürdiges Jagen an , wovon zwar 
nichts zu sehen, desto mer aber zu hören war, denn die Hunde 
verfürten ein arges Gebell. Chaise und Hunde sah außer Steinle 
am nämlichen Ort auch ein gewisser Wurster von Neubulach ; der- 
selbe flüchtete sich und rannte nach Hause, wo er vor Schrecken 
drei Tage lang sprachlos zu Bette lag. 

Mündlich von Liebeisberg 

48 Udergelst 

Von alten Leuten in Liebeisberg wird behauptet, auf dem 
■ogensnnten Laitengarten habe man oft nach Ave Maria ein Reh 
bald gjMhon, bald schreien hören. Es sei das der Mädergeist, 



154 

der die Vorübergehenden vom Weg abzuziehen suche, sonst aber 
noch Niemanden etwas getan habe. Mündlich, Liebelsberg 

43a Schwebende Lichter 

Von Breitenberg aus siht man in den Winterabenden oft ein, 
oft zwei Lichter über der jenseits der Teinach aufsteigenden Berg^ 
wand, auf Liebelsberger Marknng. Sie kommen näher und rücken 
ferner, „gaiern*' (schweben) auf und ab ; auf einmal sind sie weg, 
auf einmal wider da. Der Schultheiß Kühler in Breitenberg hat 
denselben schon stundenlang von seinem Fenster zugesehen, er be- 
merkte sie namentlich „bei* wüstem, stürmischem Wetter". Auch 
hörte man vor ^ bis 6 Jaren von Leuten, welche Abends von 
Liebeisberg nach Teinach zur Hanfreibe giengen, sagen, es seien 
inen Lichter auf irem Wege begegnet. 

Mündlich aus Breitenberg und Liebeisberg 

Auch im Walde Plinkhardt auf Breitenberger Markung get 
ein Geist in Gestalt eines blauen Lichtes, der Plinkergeist; schon 
vile Leute haben in beobachtet, wenn sie aber demselben nahe zu 
sein glauben, sehen sie auf einmal nichts mer. 

Mündlich aus Breitenberg 

44 Das Fleekenhockerle und das Schorchangesle 

In frühern Jaren sah man oft, meist in der Adventszeit 
in Scbmieh bei Calw ein Licht, das von den Feldern, zwischen 
den Hecken hindurch in den Ort hereinkam, und bald auf dem 
Weg, bald auf einem Brunnenstein sten blib. Es war oft nur 
zwei, drei Schritte von Einem entfernt und die jungen Leute 
liefen im manchmal nach, um es zu haschen, was aber nie gelang. 
Er war ein harmloser Geist, der wie er kam, auch wider ver- 
schwand. Die jezigen Bewoner des Ortes haben die Erscheinung 
häufig gesehen; in neuerer Zeit zeigt sie sich weit seltener. 

Ein anderes Gespenst ist das Schorchangesle (Agnes), das in 
dem Wald Schorch bei Scbmieh sein Wesen treibt und die Leute 
gern irrefürt. Mündlich aus Scbmieh 

45 Die Angelsan 

In Oberkollwangen sah man früher öfters in den Advents- 
nächten ein schwarzes Schwein mit seinen Jungen. Es kam vom 
sogenannten Angel, einem Weideplaz außerhalb des Ortes, biß in 
den Ort herein. Dasselbe richtete sich von einem kleinen Hause 
in der Nähe der Kirche auf und sah zum Fenster hinein. 

Oberkollwangen 

46 Der Eisenkarch 

Leute, welche Nachts unterwegs waren, haben vor OberkoU* 
wangen oft den Elisenkarch gehört, der an denselben mit einem 



156 

Ger&uflche vorüberfnr, wie solches ein schwer mit Eisen beladener 
Kirren Ternrsacht. Zu sehen ist das Furwerk aber nicht. Unter 
andern ist der Karch auch dem Vater des Gemeindepflegers Han- 
lehnann begegnet, der dann in großem Schrecken vollends nach 
Hanse eilte und oft von diser Begegnung sprach. Oberkollwangen 

47 Der HaN Im Sack 

Ein Bauer von Oberkollwangen, Namens Hanselmann, gab 
nch damit ab, Hasen in Schlingen zu fangen, die er dann Nachts 
Tom Felde nach Hause trug. Einst hatte er auch einen Hasen ge- 
bogen, ließ in in seinen Sack springen und trug in der Heimat 
nu Als er an einem Walde vorüberkam, rief eine Stimme in dem 
Walde: Hick^ hackl Aus dem Sack! — antwortete es sofort: „Undi 
fam in's Hanselmanns Sack", worauf der Mann im Schrecken den 
Sack 2nr Erde warf und atemlos nach Hause rannte. Als er am 
oiehBten Morgen hinausgieng, um seine Beute zu holen, fand er 
den Sack noch am Boden: der Hase aber war fort. 

Oberkollwangen 

46 Strassengntle 

In der Nähe des Eronenwirtshanses in Hofstett, eines aus 
wenigen Höfen und Häusern bestehenden Weilers auf der Höhe 
Unter Calw, hat sich schon oft eine Frauensperson gezeigt, welche 
mitten auf der Straße ein Kind hin und her bettete und die man 
das Straßengretle neont. Welche Bewantnis es mit derselben hat, 
iit nicht näher bekannt. Von den eine halbe Stunde weiter berg- 
aufwärts ligenden Weilern Hünerberg und Meistern aus hat man 
das Straßengretle als helles Lichtchen auf den sogenannten Straßen- 
ickem bei Hofirtett gesehen. Mündlich von Aichelberg 

Mit dem Straßengretle wird eine Erscheinung, die man im 

Wald Vögelesrain auf der Markung Oberkollwangen, eine Stunde 

fon Hofstett entfernt, beobachtete, in Verbindung gebracht.' Es 

soll dort, unweit dem sogenannten Igelslocher Brunnen, wo vor 

Zeiten der Ort Igelsloch gestanden haben soll, nicht geheuer sein. 

Vor etwa 30 Jaren befur der alte Lutz von Hofstett die durch 

disen Walds ziehende uralte Weinstraße mit einem Wagen Holz. 

Obwol es bergab gieng, so war der Wagen auf einmal nicht mer 

weiter zu bringen; kein Rad drehte sich und es war dem Manne, 

als ob der Wagen in hellen Flammen stünde. Seinem Mädchen, 

dam bei im war, schin es sogar, als ob der ganze Wald brenne. 

Erst nachdem der Bauer einen kräftigen Fluch ausgestoßen hatte, 

seste sich der Wagen mit Gerassel wider in Bewegung. 

Mündlich von Neuweiler 

49 TtBUDde Uoliter bei Wünbacb 

Auf dem Maneracker, hart am Dorfe Würzbach, hat man noch 
YOt 20 Jaraa nm die Adventzeit fünf, sechs Lichter sehen können, 



156 

welche hin and her und wie tanzend aneinander Yorfiberstreifien. 
Der Schaltheiß Pfrommer hat dieselben oft beobachtet. Seit diser 
Zeit aber hat man die Lichter nicht mer bemerkt. 

Mündlich von Würzbach bei Calw 

60 Der Geist bei der Havelsbnrg 

Der Hirschwirt Eeppler von Würzbach hat dise Erscheinang 
mermals gesehen. Er sagte mir: als ich selbige das erstemal sah, 
kam ich von Calmbach her auf dem sogenannten Föhrbergsträßle, 
hatte mein Fnrwerk bei mir und einige Fäßchen Bier auf meinem 
Wagen, an der Straße saß aufgemachtes Scheiterholz. Da es nun 
Nacht war, kam ich etwas ab dem Weg und mein Furwerk ge- 
"Tiet an eine Holzbeige. Ich gieng ab dem Wagen und sah dar- 
nach, und da ergab sich, daß an meinem Furwerke eine Achse ge- 
brochen; muste dann meine Pferde abspannen und one Furwerk 
nach Hause. War villeicht noch hundert Schritte von dem soge- 
nannten Talweg, welcher das Würzbachertal iüneinfürt, bei dem 
Bergabhang. Auf einmal sah ich eine Weibsperson den Weg her- 
aufkommen, ungefär vier biß fünf Schritte in der Nähe gegen mich, 
80 wie man sagt hemdärmelicht. Ich gieng meinen Weg weiter, 
dachte : wenn du rechter Art bist, wirst du mich schon anreden ; 
hat aber nichts gesprochen. Sah sie nachkommen biß an die^) so- 
genannte Rothenbach , auf einmal nicht mer, und kam mir ein 
solcher Graus und Furcht, daß ich bereits nicht mer heimkam. 
— Ein andermal gieng ich mit noch mereren Bauern das Tal her- 
aus. Auf dem nämlichen Plaze sah ich die Gestalt wider, fragte 
die, die bei mir waren, ob sie nichts gesehen hätten ? da gaben 
sie zur Antwort, sie hätten nichts gesehen. Ich aber sah daa 
Weibsbild im nämlichen Gewände wie das erstemal. Hatte sie auch 
schon in meinen jungem Jaren dort gehört. Als ich noch zur 
Schule gieng, muste ich öfters mit dem Viehhirten dorthin. Um 
die Mittagszeit hörte ich mermals eine Weibsperson in diser Gegend, 
in der Richtung gegen die sogenannte Havelsburg, die fortwärend 
jammerte und weinte. — Ebenso hörte man auch schon von älteren 
Leuten sagen, daß in der nämlichen Gegend eine Weibsperson 
einem Mann begegnet sei ; sie hatte den Schurz aufgehoben und 
immer gefragt : habt Ir meinen Mann nicht gesehen ? habt Ir 
meinen Mann nicht gesehen? dann gab diser zur Antwort: Da 
Strähl-Maukel, was werd' ich denn deinen Mann gesehen haben! 
Wie er das sagte, kam auf einmal ein Brausen und ein Wind, daß 
man glaubte, alles Holz falle auf in herein, und habe bereits sein 
Haus nicht mer erreicht. 

Aufzeichnung des Schultheißen Pfrommer in Würzbach 

Die Havelsburg ist ein Bergkopf in der Richtung gegen Calm- 
bach, welche Spuren menschlicher Ansidlung zeigt; es muß, wie 



1) Schon fränkisches Warzeichen, Speierer Bistamsgrenze ? 



157 

unser Gewärsmann sich ausdrückt, dort einmal etwas namhaftes 
gestanden sein. 

51 Erdmämiclieii bei Aichelberg 

Nach Aichelberg fürt ans dem kleinen Enztale ein steiler Fuß- 
weg durch den Wald. In dem Gestein neben disem Wege finden 
sich merere Löcher, welche man schon zugestopft hat. Hatte man 
dieselben aber heute zugemacht, morgen waren sie wider offen. Und 
das hat nach der Sage der Leute Niemand getan, als die Erd- 
männchen, die in disen Löchern gewont haben. Gesehen hat die 
Männchen freilich Niemand. Mündlich von Aichelberg 

52 Erdm&iinohei 1b Kapfenbardt 

In die Müle zu Kapfenhardt bei Neuenbürg kam Abends 
nach dem Betläuten ein Erdmännchen. Es sezte sich hinter den 
Ofen, hat Nachts auch oft in der Müle gemalen. Einst paßte der 
Müller im auf, als es weggieng und warf mit einem Prügel nach 
im, worauf das Erdmännchen im zurief: 

Hättst du den einiga Wurf net thaun, 
Deine Eindskinder würdet's gnossa haun. 
Verschwand darauf und kam niemals wider. Unterreichenbach 

53 Spuk in GniAbacb 

Im Jare 1854 machte eine sonderbare Geschichte in Grun- 
bach vil von, sich reden. Im damaligen Schulhause erhob sich mit 
einemmal ein solches Gepolter, daß man es in den Nachbarhäusern 
über der Straße hörte. Das Geräusch gieng von der Bettlade, in 
welcher zwei Töchter des Schulmeisters lagen, und nur wenn die 
Mädchen im Bette lagen, aus; die Lade wurde dabei in die Höhe 
gehoben und mit Gepolter wider zurückgeworfen. Alle Bemühungen, 
der Sache auf den Grund zu kommen, waren one Erfolg: Land- 
jäger bewachten das Hans, fremde Personen übernachteten darin ; 
Niemanden aber gelang es, etwas zu ermitteln, biß etwa nach Jares- 
frist der Spuk von selbst aufhörte. Das Gebäude ist bei dem 
lezten großen Brande nidergebrannt. Unterreichenbach 

54 Der LOwenwirt von ScbOmberg 

Der Löwenwirt Burckhardt von Schömberg hat auch mer als 
Brot essen können. Als im auf dem Felde einmal eine Pflugschar 
wegkam, brachte er es mit seinem Beschwören dahin, daß der 
Dieb sie wider brachte. Dabei sezte er disem so zu, daß er später 
selbst sagte, er möchte es nicht noch einmal tun. Einst mähte 
er Beine Wise, ließ aber einen runden Fleck ungemäht. Ein 
Bauer der das stSn geblibene Gras sah , mähte es nun heim- 
lich ab, band es in ein Tuch und wollte damit nach Hause. Wie er 
aber aus der Rundung hinaus wollte, fand es sich, daß er gebannt 
war; er muste die ganze Last biß zum andern Morgen halten, onc 



158 

weder dieselbe abwerfen, noch yon der Stelle zu können, biß die 
Wirkung des Bannes vorüber war. Mündlich von Monakam 

^5 Der Hirschwirt von lonakam 

In Monakam waren einst die Rotmäntel im Quartiere. Man 
nannte sie nur die Kaiserlichen. Da war im Hirsch einer, der 
befestigte seinen Säbel an den Ofen und rannte wider denselben, 
one daß es im möglich war, sich zu schädigen. Nun sagte er zu 
den Anwesenden, wenn Einer da sei, der machen könne, daß in 
die Klinge verleze, der solle es tun. Da war aber ein stärkerer 
da. Der Hirschwirt, der still hinter dem Ofen saß, sagte, er solle 
das nicht noch einmal sagen. Als er es aber zum zweitenmal 
sagte und wider an die Klinge rannte, drang im solche in den 
Leib, daß er sich elend verwundete. Mündlich von Monakam 

Stuttgart KarlDoll 



Elsäfzisch 

Spraohlioheti 
I 

■ 

Grammatik, Text, zum Wortschaze 

Die folgenden Mitteilungen sind einer Handschrift entnommen 
die Herr Gymnasiallerer Schtdfs in Schleiz in der Alem. IV 282 
anfürte und aus der er eine kleine Probe gab. Ich habe den Text näher 
angesehen und gefunden, daß er dem Oberrheine und warschein- 
lich dem Elsaße angehört. Geschriben ist er von Franenhand, 
man glaubt sogar sprachliche Schattierungen herausfinden zu kön- 
nen. Entweder lebten die Schreiberinnen in einem elsäßischen Kloster 
oder es haben elsäßische Nonnen im rechtsrheinischen Lande das Er- 
bauungsbüchlein abgeschriben. Die Vorlage und die Abschreiberin- 
nen gehörten also nicht ein und derselben Landschaft in Alemannien 
an. Ist auch die Mitteilung von besonders großem Werte nicht, 
immerhin ist sie eine Bereicherung für eine künftige Grammatik 
des Alemannischen am Oberrheine; auch das mittelhochdeutsche 
Lexikon get nicht one Gewinn ab. Ich glaube alles, was taugt, her- 
ausgehoben und verwertet zu haben. Ich spreche auch Herrn 
Schtdts meinen Dank aus, daß er mich auf den alem. Schaz im 
mitteld. fränkischen Lande aufmerksam machte und es mir ermög- 
lichte in zu benüzen. — Der Beitrag H ist für den ersten Augen- 
blick nicht unter Elsaß unter zu bringen; bei näherer Betrach- 
tung stellt sich das Straßburger Hochdeutsch der ersten Hälfte des 
16. Jarhunderts heraus, und nicht bloß das, auch eine Taschen- 
ausgabe der damaligen Satiriker haben wir in dem wenige Blätter 
umfassenden Drucke. 



159 



1 Lautiere 

Vocale. A kurzes: hirenschall, zall. Vgl. Alem. 1 303 An- 
merkg. 5. Echte alem. Denung stäl, Stall. Alem. Sprache 47 ; a = 
n : warden, wurden. Der Umlaut des a bietet nichts aaiTallendes. 

Ä langes: neben & wie in rdt, yemdmest und den fremden 
trinitdt, majestdt treffen wir das platt-alem. dem elsäßischen Idiome 
kaum geläufige au, dafür bekanntlich elsäßisch 6: gaub (des hl. 
Geistes), aubent, aubentessen , leztes Abendmal; audem, Adern; 
▼erlaußen, begaubt, entschlatiffen , schlat^ffen, gewaupnet^). Sih 
übrigens Weinhold Alem. Gr. § 128 S. 102. Der Umlaut ijst e: vers- 
mechnus, ibelt^tig , ge^der, ingeeder, unbertigs. ä ^ai: rdnigen, 
hdlsam. 

Andere ä begegnen für ou : junckfirä, weyrekh ebenfalls mit 
dem Umlaut ^; jonckfralich. Dazu bemlin, erfrelich, glebig, zer- 
stret, getreet, fre (freue), frede, geseget (gesäugt) u. s. w. 

E kurzes, Umlaut von ä: semffmietig, hellisch merr (mare) 
n. s. w. Umlaut von o: gettlich, (divinus) blutstrepflin, gespett, 
merder (mörder). Vgl. Weinhold Alem. Gr. S. 93. e = ü bei fol- 
genden Liquiden: ungestemm, seufzen für st^nfzen, seufzen. 

E langes, Umlaut von ä, au sih oben. Umlaut von ö: beß, 
höchsten, gressten, großer, dettlich, traten, tresterin, getrest, heren, 
erher neben erherr, imper. entplest, aufheren, sch^ni, Schönheit; 
netten, erlösen, m ertlich, geted, sacr. der elung, krenung u. s. w. 
^=a»; geschlich, flesch u. s. w. Weinhold § 122 S. 98. e = te, 
(iu, io): verdenen, verdenst; denst, denerin, dener, verdenlich, ver- 
dent, nemant, lemut, geng u. s. w. S — üe, ü: versend, versünt, 
dend, facite, verseneu. Weinhold S. 98 § 122. 

I kurzes = ü: tberfltssig, »berwunden, ibeltStig, triftig st. 
türftig. Zegen, in lezten, erf»lt^ sinder, gltck, erztrnet, zichtigen, 
ktnig, 1/fft, Lüfte ; dtrstet, sindig, bristen (mamillae), schtssel, dir- 
nin (krön), dirr, getncknet, verkind (verkündet), migen, vermiger 

u. 8. w. Weinhold §115S. 94. %•=€&: erhirr, exaudi. 

I langes = ü: natirlich; =t2e (uo): grin, miterlich, gem^ (Ge- 
müt) u. s. w. Uebergang des f in ei, ey in Wurzelsilben: mey- 
den, feynden, leib, weilen, zeiten u. s. w. In den Bildungssilben 
-lin, erhalten : bdmlen, fieslin, diechlin, glidlin, herzlin, kindtlin, 
büschelSn u. s. w. I^ie: fliehen. 

IE=üe: wtedent (schar), wütend; wietrich, senftmietig, diech- 
lin, erktelen, betriebt, trtebsall, fies, fieslin, bießer, Büßer ; sies, 
süß; gegriest, behiet (mich), gnugthier, Genugtuer; ir diet, tuet, 
tut; mied, müde; blieender (leib), gtetigst, wiesch, conj. praet. thief- 
fel, thieffelhaftig , riegen u. s. w. Richtige Schreibung: betrieger. 



1) Alem. Sprache 48 



160 

ie = lat. ^ : sptegel, specala wie nenhocbd. ie = rom. f : clari- 
üciereu, jubiltereD, glorificieren a. s. w. 

ÄI=ei mhd. trifaltigkait, ewigkait, engstlichatt, weyschaitf 
afoem, bewaHid, schwais, belaitter; auch ein anderwatd begegnet. 
ei = ü mhd. eu nhd. fraiotlich, fratnden u. s. w. 

El^ä: dein, den, eam; in deim, in dein, in hoc; deinsel- 
ben, sogar armein. Vgl. Alem. I 255^). Weinhold S. 103. ei = ie^ 
(iu, io) sih oben e: detnerin, verdeinen. Weinhold S. 104. ei=^üe: 
beissen, büßen, feuß, Füße. Alem. Sprache 57. 70. 81. Alem. I 255. 
III 185. ei = mhd. ü: se^nfzen, seufzen. 

wie mhd. ; geschärft dorren, Domen. 6= au yersomlich ; 
ö = on: frdleichnam. 

Ü erhalten: frum, volktimen; ü=u: andwtirten, di^rch, ab- 

gründt, äü a. s. w. Weinhold S. 97. Ich möchte u ansezen. üsü: 
>^ 

cr^tür; ü = ut: htitte, heute. 

Ul^iu (ö, eu): rui Reue, rtiien, ttiir, huit, fuir, tnalichen, 
tniies (herz), getm, getruilichen, gezuikniß, nuigeboren, vernut-ren, 
erzutgen, fluist, üuich u. s. w. 

Consonanten. Der Consonantenbestand weist einige Fälle 
auf, die für Elsaß sprechen. Metathesen wie bume, borne für 
brunne u. s. w. finden sich keine da. Mit verbunnen äugen ist 
elsäßisch und rechtsrheinischem altem Straßburgischen Bistams- 
gebiete eigen. Allgemein oberrheinisch und bei Hebel gewönlich 
sind Denungen des alten ä, e vor r, Z miren (Myrrhen), stäl, Stall; 
zerzert, zerzerrt ; Formen wie hiren, deren, toren = Hirn, Dom 
sind auch schwäbisch. Alemannisch sind hofnüg (Hoffnunff), setinf- 
zen, se^nfzer, begengnet (begegoet), besengnet, feisten (mit Fäa- 
sten). Das Streben alte Quantität zu bezeichnen unterstüzen r, 1, 
selbst in Fällen, wo langer Wurzelvocal ursprünglich stet: trieb- 
sa22, hirenscha^ was obiges stal wider aufhebt; wirr (nos), merr 
(mare), Bellig, se^Zigkait, erherr (exaudi), herrt heu, dorren u. s. w. 
n ist ausgefallen in hofnti^, froleichnam, wie man heute noch am 
obem Nekar sagt ; oft eingeschoben, wie wir bereits gesehen, in 
seufzen, Faust u. s. w. in lebifigen zuckt noch altes lebendec nach, 
wiewol die -in^- Endungen dem nordschwäbischen im Rieß ganz 
eigen sind. 

Die Labialen weisen anlautend p und b in bunter Abwechse- 
lung auf: perg, pitterst, pischof, prunnen, pluot u. s. w. was bei- 
nahe in der späten Zeit der Handschrift bairische Vorlage verrät. 
Das fremde „Punkt'' erscheint im Dat. pl. Punkten. Auch bei den 
Gutturalen treffen wir spät bairischen Schriften eigenes ch] fimf- 
zec^en, sec^n, verzeic/f, werley ch, u. s. w. g = j: maigestät, = A: 
besehe//; cfi^k: erschricAt, gedancAen. Denungs-/» scheint schon ini 



1) Alem. Sprache 53. 59. 



161 

Auiige, auch ih im Anlaute ist schon da : thief^ fAailhaftig, ^^on, 
gefAon, ^Aier n. s. w. -A^ait wechselt mit -c^ait. Die Zungenlaute 
weiaen beinahe durchaus s=ß, niderd. t auf, gerade wie das 
Ahkölnisch-Hochdeutsche : verladen, gro^n (neben großen, magnum) 
nrgie^n, gegoren, gesehen, vergib nit, schwai^, hus, wi^n, wißen 
0.8. w. 8dl =8, 8t: geischlich^ wey^-cAait; auch 5 = ^c^ ; ge^ech, 
gwchech; ygl. Alem. III 185. Wechsel von c2, t bezeugen nichts 
neheres hinsichtlich der Heimat: vere^ilgen, endlos, unen^ich, bal^ 
akendj gemend, gewainJ, bewainc^. Ausfal: semffmietig, holselig 
0. B. w. Bei der Declination der Substantive begegnet Flexions- 
loogkeit : dreier person, Genet. pl. ; für sein feind (pl.) ; aller mei- 
ner sünd, sind; umb ir sind u. s. w. 

Bei den Adjektiven treffeu wir die niderrheinisch- fränkische 
starke Flexion: der kristenlichcr kirchen, der allerinnbrinstiger 
lieb, also bei Femininis. Die Superlative keunen nur -ist, nicht 
oit. Die JPariic. praet. lauten öfter verkind, geted = verkündet 
Q. 8. w. Die alte Weise: er was bitten, besitzen, das ich 
dich bitten bin — allgemein noch üblich. Die Praet. der I-Conjug. 
3 pers. erschtn, schrl, vertrib alter Sprache entfremdet; dagegen 
WM = war noch da. Oesncht zu dSten, zu verstoßen = getötet zu 
Werden. 

2 Textproben 

1 Herr Jhesu Ghriste, du hast mich gebiZf nach dir: das 
?ergis nit an mir! Herr du hast mich kaufft mit deinem rosen- 
fi^ben blfit, das heihaM an^) mir! 

Herr Jhesa Ghriste, du bist mein vatter, ich bin dein kind: 
wie gco8 mein schuld ist, so ist doch dein barroherzigkait ßl gr^ 
•er: darum bitt ich dich lieber herr durch dein gettliche gnad vnd 
durch dein grundlose barmherzigkayt und deiner heiligen marter 
willen, das du dich über mich armen s/nder arbarmest. 

Herr Jhesu Christo ich birg mich hutt in den bach deynes 
rosen färben bläta vor deinen zoren, den ich verdoit hab mit mei- 
nen Btnden! herr ich fltiich hti»t vnder den schilt deiner barm- 
hendgkait vor deinem gericht. herr ich senck mich ht<?'t in die 
tieff aller deiner wunden vor allen meinen feynden, die mir scha- 
den mtgen an leyb und an sei ! 

Herr ich stand vor dir als ein mensch der seynen herren offt 
entmet hat vnd bit dich lieber herr um ainen steten frid zwischen 
mein und dein, herr ich stand vor dir als ein mensch fra/ntlichs 
troflta wartet und gnadenreiche barmherzigkait und bitt dich das 
da mir zu trost kumest an leyb und an sei. 



1) laA aeine erlösende Kraft an mir wirksam sein. 

ilft VII 2 11 



162 

2 Daz send die finfzechen salve, wer die all samfitag spricht 
der wirt nit verladen u. s. w. da genedig vnd wirdige janck- 
fraw Maria, bis ingedenck der grosen lieb vnd iberflissige gnad 
da mit du dein sud gottes vom hiroel gezogen hast in deinem 
junckfrelichen key sehen (rainen) leyb. ich bit dich vnd begers 
auch von ganzem hertzen, das du mir wellest mit taillen dein ver- 
ddnst deiner großen lieb vnd genad das ich mtg erfolgen ain gnä- 
dige erforderung der lieb an meinem lesten end. ich beger aach 
von ganzem meinem hei-tzen das du mich wellest verantworten vnd 
tresten in meinen großen leyden vnd netten, so ich wirt vmb- 
geben mit dein schmertzen vnd engsten des tods, das ich in kai- 
ner anfechtung iberwunden werd. 

3 Fre dich du gebererin gottes, du vnbefleckte iunckfraw! 

Fre dich das du hast von dem engel hed enpfangen! 

Fr^ dich die du geboren hast die klarbait des ewigen liechts ! 

Fr^ dich du hailigist m&ter gottes, du hast geboren vnd 
bist vnuersert beliben. 

Fre dich m&ter, dich loben al creatur: gebererin des liechts! 
wir bitten dich, bis ain firbitterin ftr vns gegen vnsern 
herren Jesu Christo. 

Bis gegn'est') du klare gilg der scheynenden wunsamen tri- 
faltikait! bis gegriest du bli^nde ros himlischer wollustikait ! bis 
gegriest von dir geboren vnd von deiner iunckfrelichen milch ge- 
sagt vnd ernert wlt werden der ktnig der himel: erner vns auch 
du m&ter aller barmherzigkait mit dein einflu^ göttlicher st^ig- 
kait ! Amen. 

4 Von allen ewelf polten ain gebet. ir besundem ausser- 
welten von got : ir hailigen zwelff hotten vnsers lieben herren Jesu 
Chiisti der warhaftigen stim seliger bredig in alles ertrich auß- 
gangen vnd z& end aller weit euir wort erhoUen^) send wie gar 
mit besundem wtrden ir von got geziert aller cristenhait «her an- 
der hailigen so nutzlichen erscheynet, wan ir send die zwelf Pa- 
triarchen, durch der fieysigen der des hailigen ewangelii die kind 
von Israhel das ist alles cristenfolk im wasser und im geyst nni 
geboren worden ist. ir send die zwelf brunnen zuhebin durch die 
alle cristenhait z& gnadenreicher frucbtberkait ersetter ist. ir seyt 
die zwelf edelgestain an dem bischoflichen klaid Aaron, die aUe 
cristenliche ortnung so kosperlichen zieren, ir seyt die zwelf hot- 
ten der s tat Jerusalem, wan euir zungen send schlissel worden des 
reiche der himel. ir seyt auch zwelf leon des ktniglichen trons 
Salomonis, wan ir mechtiklichen wider die ungläubigen und stn- 
der an dem längsten gericht mit dem höchsten Salomon Christo 
Jesu alle dise weit richten werden u. 8. w. 



1) Vgl. Alem. n 223 ff. IV 86 ff. 

2) gedrangen sind; mhd. erh^üen, intr. ertönen, erschallen. 



168 

Van meine lieben ztcelf hotten ain gebett. ir würdigen 
himelftraten, mein lieben zwelf botteo vnd ftrsprecher vor dem al- 
mechtigen got, wan ir mit andern himelfirsten an dem iungsten 
tag in gegenwirdigkait des himlischen kaisers vnd obristen richters 
vrtail geben werdent iber al menschen: darum so bitt ich euch 
mnb die barmherzigkait als euch der barmherzig got hie auf ert- 
rioh bewisen vnd mitgetailt hat, das ir von dem himlischen kaiser 
vnd herren aller weit mitt euirem andechtigen gebett wellent er- 
werben sollich gnad, dz ich auf disem ertrich so tugentlich leb 
vnd dem almechtigen got in behaltung seiner gebot so fleysigklich 
d^e vnd mich vor sinden biet, das ich durch die gnad gots vnd 
eair hilf in dem iungsten gericht also erscheyn, das mich die bal- 
ligen engel mit andern ausserwelten menschen frelich fieren vnd 
belaiten in die immer werend frM des himelreichs. Amen. 

5 Ain costlich gebet gii got dem sun, iM gar haUam jeru 
sprechen. Herr Jesu Christe, ich sag dir von ganzem herzen danck 
deineß vnschuldigen totds, den du um mich erlitten hast vnd bitt 
dicby laß dein leyden an mir nit verloren werden, sunder bis mir 
gnedig vnd barmherzig iber mein sind, wan si mich von herzen 
mien, si seyent ddttlich oder teglich, wie du das an mir erkenst. 
lob bitt auch, bestetig mich in g&tem willen vnd werken. Auch 
danck icb dir das du mich z& christenlichem glauben vnd tailhaff- 
tig deiner marter vnd Sterbens vnd gnaden hast erschaffen vnd 
mich der hailigen sacrament hast entpfenglich gemacht u. s. w. 
Herr ich bitt dich, erbarm dich iber al betriebt ellent haufiami '} 
menschen: kum inen zfi trost in irer triebsall, das si nit von ar- 
mftt wegen in verzagtnus in uogedult vnd sind fallen u. s. w. 

gietiger vatter, erbarm dich iber all stend der heiligen 
Christenhait vnd iber al ortnung geystlichs vnd weltlichs stan^ 
vnd iber alles das darumb du gebett en wilt werden und iber al 
gl^big seien und sunder iber meines vatters vnd muter sei und 
alle die ans meinem geschlecht verschaiden send vnd alle die mir 
Ynd den meinen gutz haben gedan : dail in mit deyn barmhei*zig- 
kait nnd verleich in das ewig leben ! Amen. 

6 der aller zertest solt und wolt bissen den sieseu bis 
des apffels vnd wolt versuchen die bittem getranck; da er in ver- 
steht, da sprach er : es ist alles volbracht ! als ob er Sprech : alles 
das ainem liebhaber zimlich ist zu thon, das hab ich geton, ich 
hab alles daß getan, gelassen vnd gelitten, damit ich den menschen 
hab roigen erlesen; ich hab im die gresten lieb in allen dingen 
enaigt. merck wie ainen fraintlichen tugenthafften herren haben 
wir, der sich ganz dem vatter in allen schmerzen wolt geben, nit 
wolt sich selber nit behelffen in allen leyden, noch wolt nit das 



1) Auch der kein Haus und Obdach hat. Vgl. Laxer I 1400. 



164 

im dariDnen weder eDgel noch menscheD zi hüff kern, Docb auch 
sein Viitter. hett er noch mer blats gehabt: er bett eß aucb ver- 
gossen, vnd wer eß miglioh gewesen, das er nocb mer bett mtgen 
leyden — er het es begirlicb dän ; die lieb ist in im on maffi ge- 
wesen, die er zfi dem yatter vnd dem verlornen menseben hat ge- 
habt: die hat in verwunt vnd ganz getedt vnd im sein herz ge- 
brochen und dem aller sterckest Samson sein leben genumen! 
wie hat den aller girlicbsten auß hicziger begir seines inbrinsti- 
gen inhiczigen fuirigen herczen so herzlich nach vns gedtrst vnd 
hat so inniklicb begert, das er vns ganz in sich zäg mit allen un- 
ser n krefften, begirten vnd gedancken, wan er vns das aller pess- 
ten gut, er west wol was uns das nnzest vnd pest was, das wir 
in im und bey im beliben; er mag nit geleyden, das wir von im 
werden geschaiden nocb er mag sich nitt von uns schaiden, noch 
schaiden lassen. Er hat sich genaigt in den see vnser Verfluchung 
vnd in der hiz der lieb vnd in der person vnser gebrechlichait mit 
so groser arbait vnd leyden hat er gesucht vnd gefodert das an- 
gesiebt des vatters, da er sprach: mein Gott, mein Gott, warum 
hastu mich verlassen! und meine glider, die da send die zal mei- 
ner ausserwellten, die da sendt mein ganzer leyb, darfir icb dir 
gehorsam bin worden bis in den töd des creyz. den tod klagt die 
'ganz wellt : sunn und mon in mitleyden, das si in nit tragen oder 
erleyden migen. herr, vatter, wie lang heldtst du auf den 
schmerzen meines herzen, durcb den tag in dem ich gearbait vnd 
gelitten hab von dem ersten tag der Übertretung deiner gebot bin 
ich verwunt mit groser lieb. Wie lang verbirgst vnd abkerst dein 
angesicht von mir? als in ainer verzeichung scheubst du auf das 
hau menschlichs geschlechts, nach welliches erleßung ich mit hiczi- 
ger begirt durstig bin, in der hoffnung des bin ich frolocken in 
den peynen zu gleycher weyß als in den wollusten. Aber nun 
herr, erh^ mich, wan ich dein ainniger sun bin; erh^ mich und 
bis versenlich dich zu erbarmen, das nit verderb, das da gepflanzt 
hat dein gerechte handt. Da der edel herr also in den vnbetracht- 
lichen schmerzen h^ng und kain gesunde statt bett von der solen 
bis in die schaittel vnd sein mund und hals waß ganz versert mit 
dem bittem dranck: aber zu aller seiner nott arbait er sich mit 
gebett vnd als die lerer mainen so betet er C und L verß an dem 
creyz, wan er bßng drey stunt lebentig am t« was nott ver- 
lief sich da? er mocht wol sprechen: ich hab in den angsthafften 
vnd uniberwintlichen streit gestritten vnd gekempfb und durch 
fechten bin ich kumen in die thief des wtedenten mers und das 
vngewitter deiner Verfluchung hat mich versenckt in die tieff dei- 
ner verdamnus : wan ich bin umbgeben mit den angsten des tods; 
aber es ist nun alles verbracht, wan das ich nit verschult noch 
eingenumen hab, das hab ich geb«cst und vergollten und icb, der 
da stirb frr dich, schrey zu dir, leg mich als ain zaichen auf dein 
herz, wan die lieb, die ich au dir hab, ist starck als der tod. Der 



165 

herr hat in im aufhanffen lassen alle pein, das er ans volkumen 
maeht in allen eren. waß groser not, leydens vnd schmerzens 
▼erlieff sich die drey stund, die er lebendig am creycz heng ; er 
oipiant doch aines ieden schmerzens insnnderheit wa er sich hin- 
keret oder hingedacht oder wo er sich hin wendet: das was alles 
mit leyden erftlt. fragen wir in und sprechen : o herz lieb wie 
iat dir? warum ist dir so wee? So mag er wol sprechen: da hab 
ich die schweren räch, bus vnd burdin deiner sind auf mich ge- 
nnmen vnd allain getragen in allen leyden und ist nemant mit mir 
gewesen mit kainer hilff: darumb ist mir gebrochen aller meiner 
erafft bis in den tod. Da sich nun der vatter wolt beniegen lassen 
Yon dem son vnd er iezunt solt sterben: o wee des schaidens! o 
wee des Sterbens! das waß änderst dan das sterben aller men- 
schen! o wee, leyden ob allen leyden, da sich ieczunt der tod 
mit aller crafiFt wart nachnen und so grimigklich wart stossen in 
das edel herz, da das leben der weit innen lebt, vnd nun sich die 
alleredlest sei solt schaiden von *dem vergotten leyb, in denr si kn 
mail oder sind so begirlich hett gelebt, da ward sich der herr er- 
scbitten nnd wart erzittern und bidmen und wart sich an dem 
G^bycB mit kleglicher gebert winden und ließ auß die allerkleg- 
lichest stim mit aenffzgen und von tedlicher angst und nott wart 
er auch seinen rucken stossen an das creyz. 0, er mocht wol 
rieffen : o tod wie bitter ist dein gedechtnus den der frid hat in 
seiner snbstancz. wee, wie thett das bitter schaiden in im sel- 
ber, da er nun von seiner gedechtnus schwizt blutigen schwais 
a.8. w. 

7 Wer der herr in seiner gotthait beliben — wer het sich 
getirren*) z& im genaden? Aber er hat sich so tieff genaigt vnd 
hat im ftr den himlischen sal die engen krippen vnd den sehne- 
den stal erweit vnd hat sich vns ganz auff daz ertrich gelogt, da 
ist er an der ofiFhen stat gelegen vnd ward als ain anders vnver- 
ntnfiigs kind, daz ieder man mag hantlen^), wie er wil vnd dz 
aft jeder man g&t vnd nemant verschmecht. was hat der herr 
gelitten, da er also ain nuigebornes zarts kintlin auf der kalten 
herten erden lag vnd kleglich wainet! wer het gemaind, daz 
des eilend verstosen vnd vertrungen auß allen herbergen in den 
stal aA den thieren dz ami escherlegelin^) dz klain kindlin wer 
gewesen die scheni gott des vatters, vnd der da wainet wer die 
nnentlich fr^, vnd den da hungert dz er all creatur speyst; und 
der nit mocht gftn oder stän der himel vnd erden auifenthelt^)^ vnd 



1) wagen. 

2) bebmdeln. 



8) Vffl. Alem. III 10: Eschengrüdd. 

4) sä unten „enthalt^^; der Haltung, Bestand, Festigkeit gibt. 



166 

der nit reden kun^ dz der aaff hett gethon die münd der profiThe- 
ten, vnd der ain kindt erscbin dz er allen ding in himel und er- 
den erkent vnd west vnd alle verlorne ding durch in wider bracht 
solten werden. wie hat er sein hochen almechtikait verborgen 
vnder die klainen kindtlichen person! Es ist wunderlich gros, dz 
sich der almechtig so thieff ^genaigt hat vnd thailhafbig wellen 
werden aller unser armfit. Mit zarten gHdem ist er geklaidt, mit 
arbeit genert, von jugent auff mit fil angsten vnd aller maisten 
leyden gepeinigt, alzbalt durchecht, vertriben vnd gesucht zu d^ 
ten. lieber herr, warum bistu kumen in dise weit alz ain armer 
vnd eilender, der kain ru vnd beleybent stat finden mag, snnder 
du wardest vmb getriben alz ain eilender fremder gast! Dich hat 
mit uns gefroren vnd dir ist mit unß haiß gewesen und du hast 
dir in allen dingen durch dein gancz leben dz aller hertest vnd 
pittrest er weit! Du wolltest nicht dz dir nemant wich! herr, 
du woltest ieder man weychen vnd under ieder man dich demie- 
tigen, alz ob du der aller minst werest vnd als ob dir nit zfi m&tt 
wer, dz du Gott unser herr werest! Spricht Bemhardus: alzbalt 
der herr auß seiner werden mutter kam, da gab er seinen ionck- 
frdlichon leyb zu dem leyden; er wolt kain ru haben: alzbalt gab 
er uns den schacz seines hailsamen plnts vergiessens vnd ließ sich 
als ainen sinder beschneyden, under wellicher beschneydung er sein 
rainickait hat verborgen. Alles sein leben hat er zu leyden vnd 
verschmechnus geben: wan dz klain nuygeboren kindÜin noch 
nit auff seinen bainlin vnd fieslin mocht gestan und noch lag 
an den bristen seiner muotter, da ward es durchecht vnd ges&cht 
zfi deten, vertriben, verstosen in dz fremdt land under die hai- 
den ! was hat er in dem eilend gelitten mit sampt seiner zarten 
muter? die herten schweren weg! durch alles ungewitter m&sten n 
fliechen den unsinnigen wietrich ! All sein tag hat er vnser sind 
betracht vnd bewaindt! wee, wie manigen bittern haissen zeher 
und grundtloßen seynfisger hat er auß seinem gruntlosen getrnien 
herczen gelassen ! wan auß seinem milten herczen ist uns geflossen 
der hailsam prun der Hechten zeher, die uns gerainiget vnd ver- 
send haben vor dem strengen richter. Es was kain wunder, das 
er seynfzet und wainet, wan dz zart herczlin entphant alles iamers 
vnd herzenlaidts, dz alle menschen ye haben entpfunden, wan er 
erkant aller menschen sind u. b. w. Alles leydens dz noch an im 
solt verbracht werden, dz was im alwegen gegenwirtig vnd west 
baß wie es im wurd thon, dan kain mensch der es alle die weyl 
leyd ; sein zarten hendtlin vnd ermlin, den nemant widerstan mag, 
die alle ding vermigen in himel und erden, dip sendt gewunden in 
die klaine diechlin, vnd die zarten glidlin, die entloßer ere vnd wir- 
dikait werd send, die send gelegt in die krippen auf dz herrt hew 
vnd im ist berayt dz aller hertest und arbeitseligest dz auff ert- 
rich erdacht mag werden u. s. w. Darumb ist er selbert vmbge- 



167 

UxdbaUf mied und heUig ^) mit eilend und hertikeit z& s&chen dz 
▼erloren Bohefflin, seine glider, die entloßer ere vnd wirdikait ward 
waren, die sind fir unß gemied worden, er arbaitet stetz getniilich 
naeh unserm hail, mied und hiczig, lieff hin vnd her barf&s die 
herten and schweren weg iber berg und tal an alle ru, dz im wol 
sein fieß erschrunden n. s. w. 

3 Znm Wortsehaze 

Anjsigen: o wie senlich hat er gebart! o.wie kleglich hat er 
gea$Ufiget and gewintzlet von den unmenschlichen schlegen! Heute 
aisgaf aXusga stönen, ächzen vor Schmerz. .Vgl. Schmid 31. 

BeUUter^ Begleiter: zu einem belaiter haben. Das Subst. feit 
bei Lexer I 172. 

Buschj Büschel : and si flachten ain krön von scharpfen dicken 
dorn als ainen husch und seczten si dem herren auf. Zu Lexer s. v. 

EnthäU m. Anhaltspunkt, Hilfe: on allen enthalt und behilff 
ligt auf der erden (Jesus) u. s. w. Alem. TU 41. Hebel hat ein 
Snbst. Habung in disem Sinne. 

Emidersifiken: er sank ernider; ernider = nider. Lexer II 69 
(oben). 

Ersehrindeni Schrunden, Risse bekommen: daz im wol sin 
fies erschrunden. Zu Lexer I 670 wo es feit. 

jFirvme: Herodes entpfeng den herren als ainen von dem er 
etwas nois vnd firwice wolt sehen. Mhd. virtoUf, Wißbegirde, Neu- 
girde Lexer III 868. Beovulf: fyrvi/t in der Scene mit dem Strand- 
wart bei der Landung. 

OeSdcTj Ingeeder (zu äder) d. h. Haut und Adern: in das 
hiren and geeder in allem sinem ingeeder verwunt. Mit ineider 
inaeder ahd. mhd. gehört es lautlich zusammen, bedeutet aber 
hier nicht Eingeweide. 

Hartsäigkeit infelicitas ; Mühsal, Elend : der für uns nix er- 
weit hit dan leiden und unser triebseligkait, hartseliglcait, arbait, 
leyden and schmerzen u. s. w. Zu Lexer I 1190 wo nur das Adj. 
bäegt stet. 

Hintun^ hinrichten: ieder man veracht und verschmecht dich 
and Bohreydt das man dich hitithi^ und tedt. Neben hinrichten: 
das man hinricht die schedelichen menschen. — Zu Lexer I 1301 
wo es feit. 

Hinwirfling von Jesus: als ein hinuirfling und wurm. Vgl. 
mhd. hinwerf bei Berthold v. R., unsere Bildung feit bei Lexer I 
1301. Mein angsb. Wb. 231b. 

Kegd: o waß ungeherter schmach, pein, marter leget daß 
beft Tnrain folck dem herren an und zugent in, der da ist ain ere 



1) Mhd. hellec, hellic, ermüdet, erschöpft, ermattet. Lexer 1 1283. 

4 



168 

u. 8. w. — , und als ainen hegd VDder iren anrainen fießen! da si 
emplesten sein ere und in aaf der erden umbzugen als ainen kegd. 
Geiler v. E. Pauli gebrauchen Kegel für einen groben, rohen 
Bengel. DW 5, 387. Als Syn. v. knollen: die groben K. Postill 32a. 

Lemui, Leumund, Ruif : der Umut des heiligen wandeis u. s. w. 

Lugi Schlupfwinkel, Versteck, Lauerwinkel, -pl&ze: haben sie 
im (dem Herrn) lugi gelegt ; mhd. luoc, gen. luoges stn. slm. Lexer 
I r985. 

Menenj treiben: und hat uns auch geben das mitell seyns 
leydens vnd hochen verdenens, daz wir in dajrbey mechten ergreyf- 
fen; er ist dazu gemend vnd getriben auß grosser lieb, daz es halt 
geschech u. s. w. Mein Wbl. z. Volkst. 63. Frisch I 228a. DW 
III 483 s. V. enk. Augsb. Wb. s. v. Kuhn Zeitschr. Y 20 (Max 
Müller). 

Nieten sich, sich Mühe geben, angelegen sein lassen: vnd si 
nament her den herren an den si sich die ganzen nacht schänden 
ynd lasters geniet betten vnd bunden inn u. s. w. als si sich nun 
aller schänden und lasters an dem herren geniet betten etc. da 
sie bosheit und schänden an im geniett betten u. s. w. Alem. II 
14. 220. 

Stehen c. acc. zu stehen kommen, kosten, mhd. gest&n: da- 
rumb si uns mer ist den wer si unser leybliche muter, wan wir 
haben si mer gestanden und send ir seyrer worden. Lexer I 926. 

Trmk vnd Getreng formelhaft: o ain grosser martrer ist er 
in seiner mutter leyb gewesen, wan er on truck vnd getreng ainen 
augenblick nie was. — in das abgrunt aller leiden und schmerzen 
trucks und getrengs von innen und aussen, was der inwendig 
schmercz truck vnd getrang seiner sei so gros. — Mit ungemessem 
trtfck und getreng. Mhd. druc, druckes. gedrenge stn. Bedrängnis. 

Uneren enteren, beschimpfen, schänden : dz folk — die lieffen 
im al nach und schmechten und tmerten den herren. allgemein 
mhd. veruneren oberd. heute. Das gunSrt stat gnurt, wie man 
lesen wollte, als Eigenschaft eines Fisches sih Alem. I 288 7. 

üfibertig ungeziemend, unsittlich: nix ufibertigs sach man ir. 
Mhd. ungebaerde stf. übles Benemen und Befinden. Lexer II 1829. 
unbaerdic st. ungebaerdic ist vulgär; vgl. oben gebart s. v. An- 
zigen. 

Verfällen von Jesus: dem Gericht, der Todesstrafe verfallen : 
eins verfallen ibelt^igen menschen. 

Vermiger : und da wart die ewig weyßhait vnd der vermiger 
aller ding geschetzt fir ain thoren. Mhd. vermügenheit, kraft, 
macht zu vermügen = durch körperliche Kraft, durch übernatürliche 
Kraft schaffen. Dnser Subst. feit bei Lexer III 183. 

Weile formelhaft : in allen meinen tagen stunden, weiten und 
Zeiten. 



169 

Wirdschaft^ himmliBches Gastmal, Abendmal : zu deiner wird" 
Schaft U.8. w. Alem. II 102: Einsezang des Abendmalee und das 
Abendmal selbst. ABirlinger 

IM) 

Abplatten swv. ab-, dorcbblättem, umschlagen: 

Vnd wirt (der böse Richter) gen jm als tieff einwatten 

Das er die loic muß abplatten 

Die streut er do den schöpfen für u. s. w. 

Absaugen swv. 

So sey er (der Kaufinann) gen im also streng 
Vnd saug jm ab sein bluotig schwaiß u. s. w. 

Aneannen swv. die Zäne weisen, zornig anfaren, davon 
sahst, ntr. 

Der hindersäß clagt übern amptman: 

Wann er sein Herrn gn&g hab than , 

Mit Zins vnd gilt vnd allen spannen — 

So komm er erst mit seim aneannen u. s. w. 

Vom kauifman clagt der hantwercksmann 

Wie seer vnd fast er mit im eann 

Wenn er jm sein arbeit haim breng u. s. w. 

DW I 523; ahd. zäunen, ringere (dentes versus aliquem) 
Schmell. II 1127. Mein Angsb. Wb. 487. Teufels Netz 397: unz 
das er in an wurd eennen und öfter. 

Außkimen swv. 

Recht als den allerbesten kern 

Den ich mit knnst hab außgekimt u. s. w. 

Ersdten swv. sättigen, befridigen: 

Er werd dann Thumprost oder Techet 
Vnd steig noch ainer sprössel höher 
Das Bischoffampt macht jn noch fröer: 
Noch künd in das nit alles er Seiten u. s. w. 

Hder bildlich: 

Wann er Sprech vonder, sprach sy z&der 

Scheit er ain maß, sy flhch ain fnder 

Nem ers beym zäum: sy faß den zigel 

Mach er ain faust, sy nem ain prigel u. s. w. El. 2b. 



1) Clag etlicher stand, gantz kurtzweilig zu lesen. Zu dem Leser. 

Wer mich thut lesen ist mein bit 

Das er mir hab für übel nit 

Ob er hie wurd begriffen schon 

Ich hon es in dem besten gthon. 
Titelholzsohnitt- Umrandung 6 Bl. 4^ one Druckort und Verfasser (Re- 
form. Zeit.). Els&ßisohe Merkmale scheinen vetr = vier, kneu, Knie 
moincher, mancher zu sein. Vgl. des Teufels Netz und die Satiriker. 



170 

Grendh, comp, genäherj genau, scharf: 
Das hat der wirt wol gifferirt 
Sein messer vil genaher schirt 
In herten härten ungenezt 
Dann nie kain scharsach neugeweczt. 
Ynd wiewol er genah hauß hat u. s. w. 

HasCy Red. Art: für Misten und Fronen heim Amtmann: 
Word jro ain süpplin z& Ion daraaß 
Er mainet jn hct der haß geleckt 
Solch miltigkeit in Amptlenten steckt. 
Vgl. DW IV 2, 258; wenn einem seltene Gnade ssn Teil wird, 
ehenso selten als man einen Feldhasen zum Ahlecken der Hände 
oder des Gesichtes oh seiner wilden scheuen Katur hringt. Mir 
seihst gelang es doch hei einem aufgezogenen Exemplare a. 1848/ 

Hausmaid f. Hausmagd, Dienstmagd, zweideutig : Die gemai- 
nen Weiher clagen üher die haimllchen Mezen : 
Ir waid sey vil z& mager worden 
Die winckelweiher und haufimaid 
Veretzen teglich ah jr waid: 
Wann die jn ir narung z& trfigen 
Die ainfältigen vnd die cl&gen 
Die hahen sy jn ahgespent u. s. w. 

Källefi, erzälen, Märchen predigen: 
Sein predig w61 nyemandt gefallen 
Er thA dann sdtzam fahlen hallen: 
Sy fröwe nur ain neuer sit u. s. w. 

Gewönliches Wort in des Teufels Netz Zt. 1609. 5607. 5922 
u. s. w. 

Korrockskittel, Chorrock, der in trägt, uneigentlich : 
Die Layen clagen ühern korrocksJcittel 
Dem seyen zu klain die suppenschnittel : 
Wann er hat zw& pfrtind oder drey u. s. w. 

Loner, m. Longeher 

Sein lidlon hleih auß üher nacht 
Und wöl nit komen hey sonnscheyn 
Wiewol es der loner hat im schrein u. s. w. 

Pracht stm. Lärm, Geschrei : 

Dann komm er haim z& mitter nacht 

Vnd füer ain grausamlichen pracht. 
Mhd. braht häufig, zu hrechen stehend. 

Sit zu Alem. I 5 : 

Wie er jm (sich) thA gefall ir nit ; 
Sy sprechi das jn angaog der rü, 

Schaube swf. langes Faltenkleid, Ueherkleid für Männer und 
Frauen : 



171 

Aach wol sy sein nit warten schon 
Ain schaüben nach der andern hon 
' Darz& vil schöner schlayr und rock 
Wol sy sich nit strecken nach der dock u. s. w. 
Mhd. Schübe swf. Lexer II 808 ans ital. ginppa, wozu Jope 
stet Wolfdietr. ed. Holtzmann. Zamcke zn Brant 9, 1 S. 317. 
247, 1. Franenrock, Mantel, Schaüben^ palla. Rnlandi Lexicon 
Augsb. 1586. 224b. Alem. n. schwäb. als schaoppa und in Kauf- 
benren schoapa, dim. scheaple. Mit Schaubhnt : großer Strohut hat 
obigeB Wort nichts zu tun. Vgl. Falke Trachten I 207 ff. 301. 
Mein Aogsb. Wb. 391. 

ScMauchen swv. austrinken, anssaofen ; von einem Kazen- 
jämmerigen: 

Vnd clag sein haupt vnd auch sein ruck 
Vnd haiß jm pringen ain früstuck 
Ain süplin und gepraten würst 
Vnd Sprech denn: o wie ser mich dürst, 
Und ^lauch so bald zw& kanten aus u. s. w. 
Mhd. slüchen, schlingen, schlucken MHW 11* 415. Lexer 
II 989. 

Seide gwimen^ Seide spinnen, bildlich; der Dichter sagt: 
Vnd het ich eiftel seyden zwirnt — 
Vnd hüb ich an grob werck zu spinnen 
So ward ich mer zilhörer gwinnen u. s. w. 
Tätz: 
' Der pforrer klagt ab seinn pfarrleüten 
Er künd noch müng (müg) kain sünd außreiten, 
Hoffart,- eebruch, neu schwur und tätz 
Die ding man nymmer für sünd schätz u. s. w. 
Verquenten^ swv. hinterhalten, verbergen : 
Wann jn der arm vorm recht sol nützen 
Vnd er jm wol hülff treulich hinüber 
So stürz er jm ain hütlin darüber 
Wie wol der arm das recht auch kennt 
Mit hüpschen werten er jms verquetU u. s. w. 
Des Teufels Netz 272 : mit luginan verquanteti. 
ZUen swY. seine Dienste anbieten, sich antragen : 
So denkt der arm: wan du nit wilt 
Vileicht hat jm der ander züt u. s. w. 
Vgl. Teufels Netz S. 388 : Lieber maister nun zil, bedarf ich 
vil z& disem ding? (gib an, bestimme, mach einen Ueberschlag). 
Zwispilden, Zwispelten die doppelte Gült nemen: 
Noch hab er daran kain benügen 
Sein (Ghorherm) pauren er ir gilt zwispelt 
So sein zinßp&ch das nit inhelt u. s. w. 
Vgl. Schmeller IP 667 wo vile Beispile gesammelt sind. 

ABirlinger 



172 



III Weisheit aus Geiler von Kaisersberg 

1 Meer, Welt. Zam ersten, so ist das mör ain wasser, das 
da hyn vnd wider fleußt. Also die weit and alles, das darinn ist, 
ist anders nichts, dann ain hin- und wider fliessendes wasser. 

Schiff der Penitens oder Hails. Bl. 3a. 

2 Das mör ist unstät, jetz hoch, jetz nyder: wann es ist 
allezeit in emssiger bewegung; jetz würt es erhdcht, jetz emidert; 
also ist auch die weit nymmer gerüwig: jetz erhebt syetlich, dar- 
nach undertruckt sy dieselben, als man augenscheinlich mag sehen 
an dem Glücksrade, wie jetz der ain erhöcbt wirdet vnd aufgeet, 
der ander emidert, der ain wolgestalt, der ander ungestalt nach 
dem Lauff des selbigen rads. Ebenda. 

3 Das mör ist auß würfig, wann die todten cdrpel würffet 
es auß an den staden: also die weit würffet auch anß die da tod 
seind der weit vnd nit volbringen die weltlichen werk. Ebenda. 

4 Das möre ist verschlündig ; wann also ist es in dem mör| 
dz die grossem visch die klainen verschlinden vnd also ist es auch 
in der weit, das die mächtigsten und reichesten verschlinden und 
peinigen die armen. Ebenda 3b. 

5 Wie die Welt urteilt. Ich sag dir, wölicher hie verachtet 
wirt, der wirt dort größlich geert vnd herwideramb, wann das blat 
¥drt sich herumbkern nach dem tode, als wir sehen wie daßs geschieht 
mit dem habich vnd der hennen. Der habich, so er lebt, wirt er 
in großer eer gehalten, er sitzt auf der band seines herren oder 
auf ainer stangen darzuo berayt. Aber die henn herwiderumb 
würt verachtet, kompt sy in die stub, so schreit alle weit über 
sie, man würfet ir nach schüssel und teller vnd treibt sy auß. 
Aber was geschieht nach dem tod? denn so nympt man den 
todten habich den schelmen, man würfft jn zum fenster auß auff 
den mist und laßt jn die würm freßen. Aber die henn würt her- 
lich berayt vnnd zwischen zwayen silberin blatten getragen auff 
den tisch für fürsten und für herren mit großen eeren u. s. w. 

Ebenda 12a. Alem. III 129 ff. VI 46. 

6 Welt Lon. Betracht darnach den angel vnd die bitter- 
kait die da verborgen ist in dem lust der Sünden. Betracht was 
lones die weit gibt. Sich, wenn ain junckfraw jr junckfrawschaft 
verleurt, so wirt sy ettwan mit ainem kind gon und wirt aller 
weit zu schänden ; so hat sy dann ain nagen vnd kratzen und ain 
beissen in jrem herzen vnd allen schmerzen, kumer und angst 
vnd not, die sy leyden muß. So ist das meer traurigkait dann freud, 
meer gift vnd gallen dann honigs und triakers (d. h. Theriak). 

Gaistl. Gunkel. 

7 Weise nicht geachäzU Nun beschicht es gar oft dasBala- 



173 

am besobach, des esel weiß was, das menig warlich esel seind nnd 
anweiß geschätzt seind in den angen der weit. 
Von dem Anßgang der Juden. 

8 Crebrauch der irdischen Güter, Die Menschen sprechen: 
6ot hat alle ding umb des menschen willen gemacht, alle ge- 
Bchöpfft ander sein füß geworfen : die visch, thier, vogel vnd alle 
ding: was sollen sy sonst, weder das man sy essen soll. Diso 
torbayt kompt yon blinthayt nnnserer verstentnus. Got h^t alle 
ding ans geben z& unserm braach vnd nit zu mißbrauch, das du 
davon essen solt, das dir diene zuo dem end, das ist, das du dein 
natar mögest damit enthalten in der stercke, das du mögest thuen 
das wölches dir Got beyolhen hat: jm dienen, ewige seligkait er- 
langen. Also bat Got nit alle ding darum gemacht, das sy in dir 
za mist sollen werden — laß joch s)ein, das dir alle ding zu 
braach seyen geben, aber nit darum, das du sy alle sampt essen 
müssest. Man brauchet gelt auch, du brauchest dein hauß nitt 
darnmi das du das gelt vnd das hauß müssest essen. Die hüp- 
schen yisch, thier vnd vögel die stern am hymel vnd alle ding 
seind dem menschen zu nutz und braach geben. Ain hüpsch 
distelvögelin, das Got so fein gemacht hat vnd auff das aller- 
schönest aasgestrichen mitt hüpschen färben, nit darumb das es in 
deinem bauch za dreck würde : aber darumb hat Got alle ding für- 
derlich gemachet, das in jnen erglöst sein allmechtigkeit weißhait 
vnd gütigkait 

Von den sieben Schwerten. 

9 Irdische und himmlische Freude. Der essich muß vor 
allen dingen auß dem faß, soll gutter wein darein gefüllet wer- 
den; denn so wenig als feur und wasser mit einander gemein- 
schaft mögen haben, so wenig ist es müglichen, das dißi zwo froi- 
den uff ein zeit in einem menschen statt gewinnen mögen. 

Seelenparadis 121a. 

10 IrdiscHie Crüicr. Vögel, die zu viel federn haben, die 
mögen nitt allso hoch fliegen, als die die nit zu vil haben, als 
ain gannß oder ain pfaw, die habent vil federn, die beschwären 
sy, das sy nit hinauff komen mügen. Ain küniglin ist das aller- 
klainest vogelin, das man findet vnd fleugt doch höher dann kain 
anderer vogel, es fleugt biß an die sper hinuff (d. h. Spähre). 

Gaistl. Gunkel. 

11 jReichtum. Gedenck das die reichtumb gleich sind als 
ain pach, ain fliessent wasser, das selbig wie es herfleußt, allso 
fleußt es widerumb dahyn vnd der pach der da aus dem Rcyn 
fleußt itUr diso statt ist nit diser statt. Si mag aber wol darvon 
nemen zuo jr notturft, also das man die hende darauß mag weschen, 
die matten darmit wässern und der geleichen : allso ist es mitt dem 
reichtumb. Ainer der mit dem ganzen leib in dem wasser steet 
vnnd allain das haubt herauß hatt, der ertrinkt nitt. Aber wide- 
nimby ist er mit dem ganzen leib auß dem wasser und hat den 



174 

köpf allaiD darinneD, mag er nicht lang beleiben: er muß er- 
trinken. 

Schiff der Penitens 102b. 

12 Nun ist der kot vnd mist nit nütz im haus Ja er ist 
auch schad: es stinkt das ganz haoß davon; würfb man aber den 
mist auf die äcker, die macht er fruchtbar und &ißt. Allso die 
reichthumb. 

Ebenda. 

13 WeUwerk — Spinnenwerk. Wen du hie müssig geest 
und dich nit übest in guten werken, du legst dein herz auf gau- 
ckelwerk vnd zerest dich auß wie ain spinn, die nur mucken &cht 
vnd spint sich ganz auß vnd im winter hanget si dort vnd ist 
nichtz dan ain läre haut. Also geschieht dir, wenn du an dein 
letzstes ennd käropst, so hast du dich außgezeret, das ist, du hast 
den zeitlichen dingen allain gelebt. 

Haß im Pfeffer. 

14 Weltliche Lieb. Weltliche lieb ist der leim, darinn du 
gefangen bist. Wenn ain knab ain spetzlin gefacht, so binndt er 
es an einen faden, ettwan ains arms lang oder zwaier oder dreier 
vnd laßt das spetzlin fliegen vnd behellt den faden in der hand, 
so fleugt das spetzlin auff und meint, es wöll hinweg fliegen, so 
zeucht der knab den faden zu jm, so feit das spetzlin herwider 
ab. Allso die seele wolt geren hinauf, wan von art ist si sich 
über sich zu richten, aber die weltlich liebe laßt si nit, si 
zeucht si immerder wider herab. Ain beer, der an ainer ket- 
ten ligt, er ist starck genug zu lauffen, aber die kettin zeucht ihn 
hinder. sich vnd hebt jn, das er niendert kommen kan. 

Gaistl. Gunkel. 

15 Von der Welt Herrlichkeit. Olaub mir, welcher mönsch 
sich also übet der komet bald darzu, das jm aller weit herrlich- 
keit scheinet ein kinderspiel zu sein und wen er höret sagen von 
gewalt, von herrschaft oder von reichtum, darab ist jm jetzund 
nit änderst, denn als ob er die kinder uff der straßen sehe mitt- 
einander spilen. 

Seelenparadis 40b. 

16 Bas Glück dem Göppinger Sauerbronnen gleich. Begab 
es sich etwen, das mich ettwas glück anlachet, so verdroß mich 
darnach zu greifen vnd das zu erwüschen, wenn gar bei ee das 
ichs erwüschen vnd ergreifen wolt, was es zerflogen und ver- 
schwunden wie der saurbrunn zu Göppingen, so man darauß trinkt, 
so bitzelt und zippert er ein wenig im mund, aber es ist gleich 
nit me darhinder vnd schmackt als waßer. Also ist es auch mit 
der weltfroid u. s. w. 

Seelenparadis 229b. 

17 Vom Kinde und dem falschen Weisen. Wann die jungen 
kinnder schätzen ain klaine gab als ainen apfel oder ain schellen 
höcher dann die ganntaen weit. Sy achten auch nitt was künfftig 



176 

Mj: wann sy liaben nit verstentnnß. Sy haben sin leichtz ge- 
mütt; allflo thuond die weisen diser weit, die das zergängklich 
hdoher schätzen und lieber haben dann das iewig. 

Von anhebenden Menschen Bl. 3a. 

18 Oleich als ein träum seind alle zeitliche ding; nit än- 
derst dann ain tranm; der da schlaft, dem träumet, wie er da in 
grossen eeren sei, da ist er in grossem lust ynd freuden, da geet 
er mit grosser reichtumb vmb vnd wenn er erwachet, so ist es 
nichts. Also und nicht änderst ist es mit und umb alle kinder 
diser weit. Sy geend hie als in ainem träum ymermeder hin in 
grossen eeren und in des leibs lust u. s. w. Und weun sy er- 
wachen, das ist, wenn si gesterben, so juen die äugen aufgeend, 
so sehen si das es nichts i^t gewesen, damit si umb seind gangen. 
Aber aUe die weil si hie seind, so sehent si es uitt, si haben die 
aogen zno, als ainer, der im schlafif geet, ettwan der selb geet 
imermeder anhin ; wenn man jn aber beschreit, so feit er, ist er hoch 
so feit er er zu tod. Also geschieht denen menschen auch, sy 
gond hin im schlaff der sünd, aber wenn da wirt komen der 
forchtlich tag so si Got be8chre^en und sprechen wirt: ite male- 
dicti, denn werden si fallen in den ewigen tod, das ist, in die 
tieffe der hellen« 

Gaistliche GnnkeL ABirlinger 

IV Soldaienpredigten aus der Reichsveste Kehl 

Am I Adventssonntag. (Auszüge.) 

Ach so soltet ihr auch jetzt, von dem ersten Tag dieses 
neuen Kirchen* Jahrs an, den Willen GOttes ToUbringen, und gleich, 
wann ihr vom Lesen und Hören aufstehet, euch ansehen lassen, 
daß ihr hingehen, und seinen Willen vollbringen wollet. Voll- 
bringet ihn aber, wie es der HErr JEsus befohlen hat. Saget 
Dicht: Ich muß thun, wie andere thun, das ist grand mode, so 
machens meine Oflficier, so gehts in andern Stuben zu, wir wollen 
dannoch alle seelig werden, und einen guten Eampff kämpfien. 
Gehet gleich hin, und weigert euch nicht, dann auch von dem 



1) M. Johann Friderich Flattichs, | Evangelischen Garnison- 
Predigers in der | Reichs -Vestung 7{ehl | Soldaten-Postille, | Darinnen | 
Die Sonn- Fest- und Feyertags - Evangelien | deutlich erkläret, | Die 
Pfliebten der Kriegs- Leute | daraus bewiesen, | Und | Die Atheisten, 
Naturalisten, Indififerentisten, Frey- | Geister, und andere Höhen, die 
sich wider GOttr und Chri- | stum in Lehr und Leben erheben, | Aus 
Gottes Wort, der gesunden Yernnnfft, den | H. Kirchen -Y&ttern, und 
den Symbolischen Büchern | der Evangelischen Kirche bestritten wer- 
den. I Mit einem | Nöthieen Yorbericht, | Historischen und Systemati- 
iohen Begister, | und | Zugabe einer Commendanten- Predigt. | Erster 
TheiL | Tübingen, | Auf Kosten des Auctoris, im Jahr 1738. 



176 

Wirth hat der HErr JEsüs gesagt, wann seine Jünger sprechen 
würden : Der HErr bedarff ihr, so bald werde ert die Eselin lassen. 
Entschuldiget euch nicht mit eurer angebohrnen Schwachheit und 
andern Geschafften, dann muthwillige Schwachheit and GOttes Be- 
fehl leidet keine Entschuldigung. Machet keine Auswahl unter 
seinen Geboten, sondern thut, wie euch JEsus befohlen hat, dann 
auch die Jünger habens so gethan, und nicht nur die Eselin, son- 
dern auch das Füllen, aufgelöset und ihm zugeführet. Gewiß der 
Hauptmann zu Capernaum würde nicht zufrieden gewesen sein, 
und auch unsere Hauptleute zu Kehl würden nicht zufrieden sein, 
wann ihre Fonrier- Schützen und Soldaten nicht thun wolten, wie 
sie ihnen befohlen haben ; wann der eine Knecht sagte : Ich weiß 
zwar, daß ich kommen soll, aber jetzt ist mirs nicht gelegen ; und 
der andere : Ich solte gehen, und könnte gehen, aber ich will jetzt 
nicht. Ich hab, spricht er, unter mir Kriegs-Knechte, noch wann 
ich sage zu einem: Gehe hin, so gehet er; und zum andern: Komm 
her, so kommt er; und zu meinem Knecht : Thue das, so thut ers. 
Matth. 8. 

was vor einen seeligen Hingang kan der Soldat hernach 
in seinem Tod haben, wann er auch zuvor in seinem Leben hin- 
gegangen und gethan, wie ihm JEsus befohlen hat. 

Ich erinnere mich, daß vor einem Jahr, eben an diesem ersten 
Advents-Sonntag, von dem Durlach. Graiß- Regiment ein Soldat ge- 
storben, und daß ich darauf bei seiner Beerdigung die Gelegen- 
heit genommen, aus den Worten des Evangelii einige gute Rührungen 
den Leich- Begleitern zu geben. Mitternacht hieß bei ihm die 
Stunde, da sein Adveots-König JEsus kam. Er machte sich am 
Abend das Bett im Lazareth noch selber, und legte sich ohne 
sonderliche Anzeigen seines Todes darein: Aber um Mittemacht 
war ein Geschrei: Siehe der Tod kommt! Ach wie fürchterlich 
muß es aussehen, wann dieser König des Schreckens kommt, wie 
ihn Hiob heißt, und wann nicht auch zugleich der König zu Zion 
kommt, und der jenige nicht zu unserer Rechten stehet, der dem 
Tod die Macht genommen, und das Leben und ein unvergäng- 
lich Wesen ans Licht gebracht? was ist es für eine schwere Reis, 
wann der Held in Israel einen so unvermuthet anderswohin com- 
mandirt, und in der Nacht seiner Sünden fortgehen heißt, ohne 
Licht des Glaubens, darüber er gleich bei dem ersten Schritt in 
das Todes-Thal in die äusserste Finsterniß fallt? Da ist kein 
Aufenthalt, sondern man muß fortgehen, und der Tod muß thun, 
wie ihm JEsus befohlen hat. Ruffen wir endlich dem Sterbenden 
zu : Siehe, dein König kommt zu dir ! so ist es ja freilich ein 
Lebens -Woirt. Aber ich will den Fall setzen, eine solche Seele 
sei kein Zion gewesen, sie hab den HErrn JEsum nicht vor ihren 
König erkannt, sondern dem Fürsten der Finsterniß in ihren 
Lüsten gedienet, und sich davon auch bei ihrer leiblichen Züchti- 
gung und Kranckheit nicht loßgerissen, so muß ja ein solches 



178 

nicht, wann der HEtr des Hanses kommt, auf daß er nicht schnell 
komme, and finde euch schlaffend. Was ich aber each sage, das 
sag ich allen: Wachet! lanten hin und her die Weck-Stimmen der 
heiligen Männer GOttes, und nnsers Heylands selber. Matth. 26, 
40. 41. Marc. 13, 85 etc. 

Simon nnd Andreas waren auch männlich bey ihrem damah- 
ligen Beru£P, dann sie wurfifen ihre Netze ins Meer, welche nicht 
ohne Mühe wieder ins Schiff konnten gezogen werden. Auch Ja- 
cobus nnd Johannes mit seinem Vatter Zebedäo, ob dieser gleich 
ein alter Mann schon mag gewesen seyn, warteten ihres BerufFs, 
und weil sie durch das offtmahlige Auswerffen und Züehen ihre 
* Netze zuYor zerrissen und schadhaft gemacht, sassen sie und 
fiicktens, damit sie dieselbe wieder brauchen konnten. Noch männ- 
licher, wie es auch die Würdigkeit des Amts fordert, waren sie 
hernach, da sie aus dem Nehr- in den Lehr-Stand kamen, und 
durch die Predigt Göttlichen Worts, als mit einem Netz, die See- 
len der Menschen aus dem wilden und wüsten Welt^Ldlien heraus 
ziehen und fangen müssen. Also soll auch in dem Wehr-Stand 
der Soldat seyn. Sein Beruff ist sein Netz, das er auswerffen, 
ziehen und flicken muß, und dabey soll ihn keine Mühe Ter- 
driessen, und zu schwer fürkommen, sondern diejenige Kräfiten, 
die ihm GOtt gegönnet, nach allem Vermögen dazu anwenden, daß 
man tou ihm sagen könne : er sey ein männlicher Soldat. Männ- 
lich soll der General und Christ seyn, sein Befehl auctoritätisch, 
seine Hand tapffer, und sein Hertz unerschrocken, nicht wie jener 
Obriste beym Terentio, welcher, nachdem er seine Soldaten ange- 
frischet, sagte: Ego hie ero post principia, Ich will hier im Hin- 
terhalt bleiben: sondern wie £leasar, der Sohn Dodo, welcher die 
Philister schlug, biß daß seine Hand müd am Schwerdt erstarrte, 
und der HErr ein groß Heyl zu der Zeit gab, daß das Volck um- 
wandte ihm nach, zu rauben. 2 Sam. 23, 10. Männlich die Officier, 
nicht, daß sie ihre Stärcke und Mnth bey Duellen, unnöthigem 
hazard und dergleichen zeigen. Diß sind keine Andrea, und Jünger 
Ton des HErm JEsu Gesellschafft, sondern so zu sagen ein über- 
bliebener Saamen von dem Andreas-Orden in Schottland, davon 
das Zeichen war eine güldene aus Disteln bestehende Kette, an 
welcher das Bildnuß St. Andrea mit seinem Creutz hieng, nebst 
der Ueberschrifit: Nemo me impune lacessU, Es greifft mich nie- 
mand ungestrafft, und ohne seinen Schaden an: sondern daß sie 
Fürsten und Ständen zu Kriegs- und Friedens-Zeiten fleißig die- 
nen, derselben Feinden mit Leib und Blut, es sey im Feld, Be- 
satzung, Stürmen, Schlachten, oder durch was Gelegenheit es son- 
sten geschehen kan und mag, tapffem und männlichen Widerstand 
thun, die desordres verhüten, gute Disciplin halten, die Laster un- 
partheyisch abstraffen, ihr gutes Ansehen durch kein unmäßiges 
Leben verlieren, den Weibern nicht ihr Vermögen geben, noch die 
Wege gehen, darinnen noh die Könige verderben, Sprfichw. 81, 3 



179 

nnd an ihrer leiblichen Dbung, Reglement und Ezercitio eine Frend 
haben, dann dnrch Gewohnheit bekommt nnd behält man auch 
hier gefibte Sinnen, wird männlich, nnd bleibt männlich, wie Hn- 
Bai an Absolon yor seinem Vatter David sprach: Du kennest dei- 
nen Yatter wohl, nnd seine Leat, daß sie starck sind, nnd zorni- 
ges Gemüths, U7D3 '^'iXi wie ein Bär, dem die Jnngen anf einem 
Feld geranbt sind. Dazn ist dein Vatter ein Kriegs-Mann, nnd 
wird sich nicht sanmen mit dem Volck. 2 Sam. 17, 8. Ein Gbunison- 
oder Feld -Prediger hat zwar einen gantz andern Bemff als ein 
Soldat, dann ob wir wohl unter euch im Fleich wandeln, so strei- 
ten wir doch nicht fleischlicher Weiße, nnd die Waffen unserer 
Ritteraohafit sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor GOtt, zu 
verstören des Teufels Beyestigungen. 2 Gor. 10, 3. 4. Doch muß er 
aneh männlich seyn, sein Amt mit Beweisnng des Geistes nnd der 
Krafft thun, den Teufel, der so wild offt unter dieser Gemeinde 
thnt, nicht Herr nnd Meister seyn lassen, die gottlose Wider- 
sprecher dabey nicht achten, sondern ehren die GottsfQrchtigen. 
Bekommt er da und dorten einen Stoß, (daran es freylich nicht 
fohlen wird, wann er das Reich des Widerwärtigen mit Ernst an- 
greifit,) so sage er mit David: Man stosset mich, daß ich fallen 
soU, aber der HErr hilfift mir. Der HErr ist meine Macht, und 
mein Psalm, und ist mein Heyl. Ich werde nicht sterben, sondern 
leben, und des HErm Werck verkündigen. Der HErr züchtiget 
mich wohl, aber er gibt mich dem Tode nicht. Ps. 118, 18 etc. 
Wann die Vestung belagert, oder eine Schlacht gehalten wird, so 
sej er männlich, halte seine Bettstund unerschrocken, und lasse 
Ae darauf mit diesen Worten in den Streit ziehen: So seyd nun 
getrost und Männer, daß ihr nicht dienen müsset euren Feinden. 
Seyd Männer, und streitet l 1 Sam. 4, 9. Absonderlich aber soll der 
gemeine Hai^ der Soldaten männlich seyn, alle ihre Schuldigkeit 
than, und keine feige Memme darunter seyn, die aus dem Glied 
irette, durchgehe, und durch ihr böses Exempel andere auch nach 
neh nebe, wodurch schon manche Schlacht verlohren gegangen. 
Die GHedmassen seines Leibs müssen starck seyn, (die Gebrech- 
liehe taugen nicht in Krieg,) die Natur hart, der Arbeit gewohnt, 
die Wind, Regen, Schnee, Staub, Hitz, Feuer, Dampff und was sich 
Sonaten zuträgt, ausdauren kan, und dadurch noch mehr gehurtet 
wird. Männlich muß er seyn, so offt er des Morgens aufstehet, 
und sich mit Gebett waffnen, damit sein Feind, der Teufel, sich 
dfli Abends nicht rühmen könne, er sey sein mächtig worden. 
Männlich, wann er auf die Wacht und seinen Posten zieht, daß 
er darauf nicht schlaffe, oder trincke, oder ihn unabgelößt ver- 
hwse, nnd durchgehe. Männlich, wann er in die Kirch, und ans 
der Kirch gehet, nicht immer ein Kind zu bleiben in der Erkannt- 
niß der Wahrheit zur Gottseeligkeit, sondern ein vollkommener 
Mann an werden, nach dem Maaß des vollkommenen Alters 
Christi. Eph. 4, 18. Männlich, wann er in das Lazareth gehet, daß 



180 

ihn keine Trübsaal, Schmertzen und der Tod selber nicht ab- 
treibe, daß, wann er schwach wird, er doch za der Zeit seye wie 
David, ein rüstiger Mann, und streitbar, und verständig in Sachen, 
die die ewige Seeligkeit betreffen, und der HBIrr mit ihm 
sey. 1 Sam. 16, 18. So ist kein Zweifel, daß der HErr JEsus 
werde Wohlgefallen an ihm haben, wie ers auch an diesen vier 
Fischern im Evangelio gehabt, und in Ansehung ihres Fleisses und 
Treu, die sie bey ihrem Handwerck erwiesen, sie zu einem wichti- 
gern Amt befördert. 

Ich sehe aber leicht zuvor, daß die Feinde des Soldaten- 
Stands dagegen einwenden werden: An diesen Fischern hat der 
HErr JEsus Wohlgefallen gehabt, weil sie in einem ordentlichen 
Beruff gelebt, und sich der Arbeit ihrer Hände still und ohne 
jemands Schaden genähret. Aber ein anders sey Fisch fangen, 
und ein anders Menschen umbringen, nach dem Bilde GOttes ge- 
macht, Felder verwüsten, Stadt anzünden, da frag jnan nicht nach 
Erbarkeit, nach Zucht, und nach Gericht etc. Wie dem Friede- 
Fürsten der Krieg, und dem sanfiPtmüthigen Lamm, das der Welt 
Sünde trägt, die lieblose Folgen des Kriegs können angenehm 
seyn? Ich will ihnen, als euer Prediger, die Antwort geben, und 
die Sach kürtzlich aus einer Schrifilb Lutheri : Ob Kriegs-Leute 
auch im seel. Stand seyn können ? erläutern und vorlesen. „Die 
„Frag ist, ob der Christi. Glaub, durch welchen wir für GOtt fromm 
„gerechnet werden, auch eben sich leiden könne, daß ich ein 
„Kriegs -Mann sey, Krieg führe, würge und stehle, raube und 
„brenne, wie man dem Feind in Kriegs-Läufiften nach Kriegs-Recht 
„thut? ob solch Werck auch Sünde oder unrecht sey, davon Ge- 
„wissen zu machen sey für GOtt? oder ob ein Christ müsse der 
„Werck keines thun, sondern allein wohl thun, lieben, niemand 
„würgen oder beschädigen?" Darauf sagt D. Luther: „Ob es 
„wohl nicht scheinet, daß Würgen und Rauben ein Werck der 
„Liebe ist, derhalben ein Einfältiger denckt, es sey nicht einChrist- 
„lich Werck, zieme auch nicht einem Christen zu thun, so ists 
„doch in der Warheit auch ein Werck der Liebe. Dann gleich- 
„wie ein guter Artzt, wann die Seuche so böß und groß ist, daß 
„er muß Hand, Fuß, Ohr, oder Augen lassen abhauen oder ver- 
„derben, auf daß er den Leib errette, so man ansiehet das Glied, 
„das er abhauet, scheinet es, er sey ein greulicher unbarmhertzi- 
„ger Mensch; So man aber den Leib ansiehet, den er will damit 
„erretten, so findet sich in der Wahrheit, dass er ein trefflicher treuer 
„Mensch ist, und ein Christlich, so viel es an ihm selber ist, Werck 
„thut. Also auch, wann ich dem Kriegs-Amt zusehe, wie es die 
„Böse strafft, die Unrechten würget, und solchen Jammer anrich- 
„tet, scheinet es gar ein unchristlich Werck seyn, und allerdings 
„wider die Christliche Liebe. Siehe ich aber an, wie es die Fromme 
„schützt, Weib und Kind, Hauß und Hof, Gut und Ehre und Friede 
„damit erhält und bewahret, so findt sichs; wie köstlich und gött- 



^lich (las Worck ist, und merrko, daß (»s* juicli oiii Bfiii oder Hand 
„ddiauet, aul" daß der gantzi* Lcil) nicht V('r;]fi'li»\ Dann wo das 
-Schwerdt nicht wehrote, und Fried hielte, so müßte es alles durch 
, Unfriede verderben, was in der Welt ist. Derohalben ist ein sol- 
f^cher Krieg nichts anders, dann ein kleiner kartzer Unfriede, der 
seinem ewigen nnmäßlichem Unfriede webret, ein klein Unglück, 
gdas einem grossen Unglück wehret. Daß man nnn viel schreibt 
,imd sagt, welch eine grosse Plage Krieg sey, das ist alles wahr. 
„Aber man solt anch daneben ansehen, wie vielmahl grösser die 
„Plage ist, der man mit Krieg wehret. Ja wann die Lent fromm 
„wären, un4 gern Fried hielten, so wäre Kriegen die gröste Plag 
„auf Erden. Wo rechnest da aber hin, daß die Welt böß ist, die 
„Lent nicht wollen Fried halten, rauben, stehlen, todten, Weib 
3,nnd Kind schänden, EHire und gut nehmen? Solchem gemeinen 
«aller Welt Unfrieden, daf&r kein Mensch bleiben könte, muß der 
«Udne Unfried, der da Krieg oder Schwerdt heißt, stenren. Da- 
„mm ehret 6 Ott anch das Schwerdt also hoch, daß ers seine ei- 
^gene Ordnung heißt, und will nicht, daß man sagen oder wähnen 
^soll, Menschen habens erfunden oder eingesetzt. Dann die Hand, 
^die solch Schwerdt fahret, und würget, ist auch alsdann nicht 
^nnr Menschen-Hand, sondern GOttes Hand, und nicht der Mensch, 
^sondern GOtt hencket, rädert, enthauptet, würget und krieget. 
,^Es sind alles seine Werck, und seine Gerichte. Summa: man muß 
„im Eriegs-Amt nicht ansehen, wie es würget, brennet; schlägt 
i^and fahet etc. dann das thun die einfältige Kinder-Augen, die 
93 dem Artzt nicht weiter zusehen, dann wie er die Hand abhauet, 
^odei* das Bein abseget, sehen aber, oder mercken nicht, daß um 
9,den gantzen Leib zu retten zu thun ist. Also muß man auch 
«„dem Kriegs- oder Schwerdt-Amt zusehen mit männlichen Augen, 
«„wamm es so würget und greulich thut, so wird sichs selbs be- 
>„ weisen, daß ein Amt ist, an ihm selbst göttlich, nnd der Welt so 
,„nÖth]g und nutzlich, als Essen und Trincken, oder sonst kein ander 
«„Werck. Daß aber etliche solches Amts mißbrauchen, würgen und 
»„schlagen ohne Noth, aus lauter Muthwillen das ist nicht des Amts, 
«„sondern der Person schuld, dann wo ist je ein Amt, Werck oder 
«„irgend ein Ding so gut, das die muthwillige böse Leut nicht miß- 
«,bnmchen? Solche sind gleich wie die tolle Aerzte, die eine ge- 
«jSonde Hand wollen dem Menschen abhauen ohne Noth, aus lau- 

<«ter Muthwillen.* 

Was siebet dann der HErr JESUS, wann er, wie ehmals an 
f]em Oaliläischen Meer, also an dem Rhein-Ufer, auf der Glacis in 
der Vestang, Ober- und Unter-Homwerck gehet? Brüder siebet 
er, und wann er ein wenig fürbaß gehet, siebet er wieder andere 
Brflder, aber nicht in dem Schiff ihres Beruffs, oder über einer 
Arbeit, die ihn erireuen könte, sondern bey dem Wein ligen, und 
aossanffen, was eingeschenckt ist, und haben Pfeiffen, Geigen, Ley- 
ren und Psalter bey ihrem Wohlleben, auch am Tage der Rnhe 



182 

des HErrn. Brüder siebet er bey den ausgelanffenen Dina- 
Scbwestem, die sieb nur nm des Harens willen bie verdingen, und 
den Soldaten nacbzieben, von denen man die Worte des Propbeten 
sagen kan: Du bist nicbt ¥rie eine andere Hure, die man maß mit 
Geld kaoffen, nocb wie die Ebebrecberin, die an statt ibres Manns 
andere znläst, dann allen andern Haren gibt man Geld, du aber 
gibst allen deinen Bnblern Geld zn, (benckest ibnen deinen Lobn 
an,) and scbenckest ibnen, daß sie za dir kommen allentbalben, 
and mit dir Hurerey treiben, und findet sieb an dir das Wider- 
spiel für andern Weibern, mit deiner Hurerey, weil man dir nicbt 
nacblaufft, sondern du Geld zugibst , und man dir nicbt Geld an- 
gibt, also treibest du das Widerspiel. Ezecb. 16, 31 etc. Brüder 
siebet er, die in einer losen Gesellschaft ibren Mund übergeben 
lassen von faulem Gescbwätz, scbandbaren Worten und Narren- 
tbeidung, oder solchem Scbertz, der keinem Cbristen-Mensoben 
ziemet. Epb. 5, 4. Brüder siebet er, die sieb zusammen koppeln 
mit losen Stricken, unreebt za tbun, und mit Wagenseilen, zu sün- 
digen. Es. 5, 18. Die über ibrem Brüderscbafit saaffen, und un- 
glückliebem Spielen, zuletzt Händel miteinander anfangen, rauffen 
und einander verwunden. — Fortsezung folgt. ABirlinger 



Eine Huiiheinier Theaterhudschrift des Göti 

von BerliehingeB 

Nacbdem der von mir besorgte Druck des Heidelberger 
Manuskripts von Goetbes Bünenbearbeitung seines Götz ersebinen 
ist, stellt sieb beraus, daß aueb die Mannbeimer Tbeaterbibliotbek 
in Besiz einer Handsebrift dises Werkes ist. Naeb einer Mittei- 
lung des Mannbeimer Journals, die dann in andere Blätter über- 
gegangen ist, entbält das Mannbeimer Manuskript mer als das 
Heidelberger Exemplar: ja die Zeitungen bebaupteten, jenes zeige 
die größere Korrektbeit. Die Angelegenbeit ist immerbin interessant 
genug, nm zu genauerer Prüfung aufzufordern. Auf der einen Seite 
Ufert unzweifelbafb das Mannbeimer Exemplar eine willkommene 
Bestätigung desjenigen, was dureb die neue Ausgabe zum ersten 
Male bekannt geworden ist. Aueb ist riebtig, daß an einigen 
Stellen, wo der Sebreiber des Heidelberger Manuskripts sieb ver- 
scbriben bat, in dem Mannbeimer das Riebtige stet. An einigen 
Stellen babe icb in der Ausgabe bereits unter dem Text die Ver- 
besserung unzweifelbafter Feier gegeben. So verstet es sieb von 
selbst, daß Olearins beim Bisebof von Bamberg vom corpus juris 
bebauptet, es sei darin alles, was in den Gesezen abgängig oder 
dunkel wäre (p, 46, 2L 22 d. Ausgabe), dureb Glossen ersezt. 
Hier ist abhängig sieber Sobreib- oder gar Druokfeler (was icb von 



184 

Als Götz den yerstimmten Weisungen nicht aufzuheitern vermag, 
kommt der kleine Karl und ruft: „Zu Tische, Vater! zu Tische! 
Wie steht ihr da, wie schweigt ihr? habt ihr euch verzürnt? Nicht 
doch, Vater, das ist dein Gast! Mann, das ist dein Wirth^. Darauf 
kert sich Weisungen nach einer Pause um und sag^ indem er das 
Kind in die Höhe hebt: „Du bezwingst mich, lieber Kleiner **. Götz 
get dann auf Weisungen zu, faßt das Kind an, so daß es beide 
in die Höhe halten und ruft: „Bote des Friedens, du erinnerst 
mich an meine Pflicht ''. Karl aber beschließt den Akt mit den 
Worten: „So tragt mich zur Mutter, so tragt mich zur Tante. 
Euch yersöhnt, verbunden zu sehen, ist ihr einziger Wunsch. Das 
habe ich ihnen lange schon abgemerkt^. 

Wenn Goethe das in der gewönlichen Theaterbearbeitung ge- 
ändert und, um den Knaben nicht gar so altklug erscheinen za 
lassen, die Aufforderung zur Versönung Marien in den Mund ge- 
legt hat, so war diß jedenfalls eine Verbesserung. — Aber alle 
Warscheinlichkeit spricht dafür, daß das Mannheimer Exemplar 
hier Goethes ursprüngliche Fassung der Stelle darbietet. 

Abgesehen davon müssen wir der Heidelberger Handschrift 
die größere Zuverlässigkeit beilegen. Es ist unbestritten, daß der 
Dichter sie eigenhändig durchkorrigiert und in die gekürzte längst 
bekannte Form umgewandelt hat. — Damit aber nicht ein fal- 
scher Name in die Goethelitteratur komme, bemerke ich schließ- 
lich, daß — nach dankenswerter Mitteilung eines mit Frankfurter 
Verhältnissen bekannten Gelei*ten — der Name des Senators, der 
auf dem Titelblatte des Heidelberger Manuskripts die Echtheit von 
Goethes Handschrift bescheinigt hat, nicht Dr. Heuburg, sondern 
jYeuburg ist. Der Mann hatte die Unart so viler Menschen, sei- 
nen Namen undeutlich zu schreiben. Daher der Irrtum. 

Karlsruhe Dr. Gustav Wendt 



Beiträge nr Geschichte des Hvnanismas in Schwab» 
und Elsafz und des Erwachens der klassischen Studien 

in 15. und 16. Jarhnndert 

Die Zeit, in welcher die klassischen Studien jene mächtige Be- 
wegung der Geister hervorriefen, die befruchtend auf eine Regenera- 
tion der Wissenschaften nach allen Seiten hin einwirkte, hat zwar 
schon manche Darstellungen gefunden. Allein zu einer tieferen und 
eingehenderen Kenntnis sind wir noch nicht gelangt. Dazu bedarf es 
einer weit vollständigeren Herbeischafiung des Materials, welches 
in Handschriften und alten Drucken verborgen ligt. Ich hebe zu- 
nächst einen scheinbar unwichtigen und vilfach übersehenen, aber 
durchaus nicht zu unterschäzenden Punkt hervor. Wir haben noch 



18S 

■ 

keine enehepfende Darstellnng der Lermittel d. h. der Grammati- 
ken, Vocabularien n. dgl., deren man sich bei dem Unterrichte be- 
diente. Und allerdings sind die meisten so selten geworden, dafi 
es nnr bedeutenderen Bibliotheken — nnd auch disen kaum — 
rei^gCnnt ist, eine größere Zal davon zu besizen. Wie sollte es 
aaeh anders sein ? Wie wenige unserer heutigen Bibliotheken geben 
neh damit ab, Schulbücher aufzuheben! In der älteren Zeit war 
man in diser Hinsicht kaum sorgfältiger. Diejenigen Exemplare 
aber, welche der lieben Jugend in die Hände gegeben wurden, 
hatten ehemals dasselbe Schicksal wie heutzutage : sie wurden zer- 
ri&eDy beschmirt, verklext und — weggeworfen. Ich kann an einer 
Beihe von solchen Schulbüchern aus dem 15. und 16. Jarhundert, 
welche ich selbst besize, ad oculos demonstrieren, wie auch damals 
der Spruch galt: Jugend hat keine Tugend. 

Yen welcher Bedeutung gerade die Frage der Schulbücher 
flir jene Zeit war, get augenscheinlich schon aus dem ^nen Um- 
stand hervor, daß der unermüdliche Vorkämpfer des Humanismus, 
Hermann Buschius, bei seinen Angriffen auf die Gegner desselben 
in Köln besonders darauf drängte, daß der Donat statt des 
Alezander Gailus gebraucht würde. Es scheint uns kaum begreif- 
lidiy wenn wir den Streit verfolgen, wie eine solche Frage mit 
dner Erbitterung und Leidenschaft one Gleichen verfochten wurde, 
wie BOgar die Kanzeln, namentlich von Seiten der Dominikaner, 
dam benuzt wurden vor den „poetae et oratores", als den Vor- 
gängern des Antichristes, zu warnen : was in Köln wirklich vorge- 
kommen ist. Richtig bemerkt in diser Hinsicht Cornelius (die 
Hüneterschen Humanisten S. 26): „Will man billig urteilen, will 
man beiden Richtungen ir Recht widerfaren lassen, so muß man 
sieh auf ire Weltstellung, wenn ich es so nennen darf, besinnen. 
Der Orden der Dominikaner war eine der Blüten, welche die ältere 
christliche Zeit getriben hatte; er hatte der Welt den Thomas von 
Aqnin, dem deutschen Volke den Albertus Magnus gegeben: auch 
jeit waren sie die, wenn gleich ser ungenügenden, Vertreter der 
älteren christlichen Weltanschauung. Andererseits sind die Huma- 
nisten aus dem Prinzip der neueren Geschichte geboren und die- 
nen im. Beide Teile sind natürliche Feinde: was Wunder, daß 
sie sich schaden? Nicht als ob sie selbst irer Stellung sich klar 
bewnst wären. Es sind vilmer die Vorposten zweier Heere, die 
einander nahe rücken: sie kennen den Plan nicht, welchen sie als 
Glider des Ganzen voUfuren helfen, sie wissen über die dis- und 
jenseitige Stärke und die Elemente derselben keine Rechenschaft zu 
g^ben — nur eins wissen sie, daß es Feinde sind, auf die sie 
seUagen^. 

Ich habe diß vorausschicken müssen, damit man es nicht auf- 
fidlend findet, wenn ich auch Notizen über solche Männer, welche 
sich fast ausschließlich mit dem elementaren Unterricht im Latein 
abgaben, unter die Beiträge zur Geschichte des Humanismus auf- 



186 

neme. Der gewaltig und aiianflialteam vOTdringenda, einem glftii- 
zenden Meteor vergleichbare Sturm des Hamanismus, der rasch die 
Feinde allerwärts niderwirft, erregt mit Recht unsere Bewunde- 
rung; allein möglich war er nur durch die vorangehende stille 
Arbeit einer Reihe von Schulen und Männerui die über den blen- 
denden Erfolgen irer Nachfolger sum Teil völlig vergessen sind. 

Eine eingehendere Darstellung diser Schulen des 15. Jarhun- 
derts, welche eine rationellere Betreibung des Sprachunterrichts 
und ein anregenderes Studium der alten Klassiker anbauten und 
förderten, sowie eine Charakterisierung der hierbei benuzten Schul- 
bücher, ist eine Aufgabe für die Geschichte der klassischen Philo- 
logie, welche noch nicht annähernd beeidigend gelöst ist. 

Eine nicht unwichtige Quelle fär die Kenntnis derjenigen 
Werke und Männer, welche am Schluß des 15. und zu An&ng des 
16. Jarhunderts für die Ausbreitung der klassischen Studien tätig 
waren, besizen wir in dem Auctarium des Priors im Kloster Laach, 
Johannes Butzbach, (f 1526), welches nach der Absicht des Ver- 
lassers eine Ergänzung zu dem Werke von Trithemius „de scri- 
ptoribus ecclesiasticis" bilden sollte. Ea ist zu disem Zwecke be- 
reits von Böcking im Supplement zu Huttens Werken (Tomi poste- 
rioris pars altera) für die Biographien deijenigen Männer ausge- 
beutet worden, welche in den Epistolae obscurornm viromm vor- 
konmien. Ich gebe hier eine Reihe von Artikeln daraus, und zwar 
hauptsächlich über Schüler von H. Bebelius und solche, die ans 
dessen Kreis hervorgegangen sind. 

(foL 115b.) 

[3^)]Äcdbu8 Henricfnan, patria Sudelfinensis natione Sueuus, 
homo in secularlbus litteris excellenter institutus, grammaticua et 
poeta insignis, discipulus quondam Heinrici Bebelijj poete laureati, 
cuius supra memoriam habuimus'). Scripsit pro vtüitate puerorum, 
quorum in grammatica preceptor erat, satis notabilem grammaticam 
M. ig „Grammatica est ars recte*^^). 

Garmina quoque et diuersas epistolas cum nonnullis al^s edidit. 
Viuit adhuc. 

[J^Oannes HUbrant^ natione Teutonicus, familiaris predioti 
Jacobi fautor, et ipse quidem bonarum litterarum discipliniir sat 
eruditus, qui et nonnuUa ingeni|j sui edidisse fertur monimenta. 



1) Für die AnfangsbucbBtabon ist in der Hs. freier Raum ge- 
lassen, um Biß später hineinzumalen; diß ist aber unterblibeD. 

2) Ich lasse die Biographie des H. Bebelius nicht abdrucken, weil 
dieselbe bereits von Böcking a. a. 0. mitgeteilt ist. 

8) Bei Anf&rang der Werke eines Autors befolgt Butzbach im 
Auctarium die Ordnung, daß er vom auf der Linie den Titel, in der 
Mitte die Ansal der Bü<^er und am Schluß die Anfangsworte des Wer- 
kes angibt. 



187 

■ed nichil eonun adhno ad noticiam meam pernenit. Legi episio- 
lam eins damtazat in grammaticam prememoratam. Vioit adhac. 

[S]^(u/iaiittö .Ee/^, auditor anpramemorati Jacobi, a quo 
iam in grammatica quam in ceteris humanitatis litteris apprime 
eraditoB est. Scripsit et ipse pro recommendatione operis pre- 
ceptoris sni instmctnm carmen, quo satis acutum suum prodidit 
ingeninm, sed et aüa plura scripsisee didtur nondum mihi cog- 
mta. Vinit adhuc cepto insistens studio. 

[M]Aihia8 Erets^ natione Alamanus, patria Landspergensis, 
predicti Sebastiani sub eodem preceptore quondam con&scipnlus, 
metro et prosa exercitatum habens ingenium, de onius scriptiB 
nichil hucnsqne Tidi preter carmen illud quod in grammaticam ma- 
giatri sni compoBuit. Viuit adhuc. 

(foL 116a.) 

[J^maindus MecMingius, homo studiosus et excellenter satis 
emditus, versu prosaque yalens, qnedam vtroque stilo scripsisse 
jierhibetor, quibus nomen suum et Studium ad noticiam posteritatis 
transmisit, sed nichil ex eis hucusque ad meam peruenit lectionem 
preter epigramma vnum grammatic^ Henricmanni, cuius auditor 
ihit oUm, prepositum. Viuit adhuc 1509. 

[X\0anne3 HdberkdU cum predictis ab eodem in litteris phi- 
losophicis institutus preceptore, ingenio clarus et sermone comptus, 
ligata solutaque exerdtatus oratione, quibus etiam nonnuUa fertur 
ingenij sui cudisse mooimenta, que nondum videre potuj. Scripsit 
«t ipse in preceptoris sui grammaticam instructum epigramma, quo 
«i acceptum referre voluit, quicquid sub ferula illius philosophice 
«roditionia acquisierat. Viuere adhuc dicitur plura scribens. 

[T]0atme5 Webery natione Sueuus, sub sepememorati Jacobi 

^rammatid doctissimi cum antedictis in triuialibus scientijs egregie 

imbntns, sicut aperto p. (patet ?) iudido in epigrammate illo, quod 

in laudem crebro nominate grammatic^ composuit. Si quid aliud, 

mihi necdum innotuit. 

\C]AspefU8 Hamd^ vnus ex preceptoribus Jacobi Henricman, 
^prammaticus excellens, a quo grammatice institutionis non mini- 
mam partem se idem Jacobus in epistola ad eundem accepisse in- 
^^ue fatetur, quem etiam plura scriptis reliquisse ad vtilitatem 
•tudentium non dubito, quorum noticiam non habeo. 

\yf^0lffgangu3 Bcbelius, natione Sueuus, patria lustingensis, 
£rater Henrid Behelf hominis litteratissimi, homo et ipse eque ac 
germanus in litteris humanitatis excellentissime instructus, ingenio 
pollens et eloquio. Scripsisse dicitur quedam ad incitadonem fra- 
tris sui pro explosione barbarie et insätutione puritatis latine lin- 
gne, que nondum videre merui. Legi tamen eins instructum epi- 
gramma, quod in libellam fratris de arte versificaudi condidit. 
Viuit adhuc, ut audio, cum germano Tubingp philosophiam pro- 
fiten«. 

[L]E(mardtis Clemens^ natione Sueuus, patria Vlmensb, pres- 



188 

biter ibidem, vir in sacris litteris competenter institntas et secn- 
laris b'tterature non ignaras, metro exercitatus et prosa, scripsit 
gemino stilo erudite lectionis quedam sintbemata, e quibus com- 
plura feruntnr carmina et ad dinersos instmcte eleganti^ epistole. 
Legi ipsins in stychologiam Bebelianam Carmen. 

[W^Endeliniis Sueans, patria Pborcensis et ibidem in pbi- 
losopbia lector, bomo studiosus et emditus in secularibus litteris, 
qoi et carmine et prosa qnedam scripsisse dicitor, e quibus extät 
in laudem Bebelij Carmen saphicum. Viuit adbnc' 

Eine Reihe von Süddeutscben, welcbe als Verfasser von Bar- 
barolexen und Disputationes quodlibeticae bekannt wurden, beban- 
delt gleichfalls Butzbach; icb babe die Biographien bereits in der 
Zeitschrift des Bergischen Geschicbtsvereins 7 S. 282 ff. yeröffentlicbt. 
Unmittelbar hinter denselben stehen auf fol. 83b die folgenden: 

[l]Ohann€S CharisfeuSf cuius patrie vel nationis nomen ignoro, 
bomo equidem in secularibus litteris egregie doctus et diuinarum 
non ignarus, ingenio excellens et sermone disertus, Greci peritus 
sermonis atque latini, philosophus et orator insignis, fertur non- 
nuUas lucubraciones edidisse, quas tamen nondum memini me vi- 
disse, de quibus feruntnr 

Orationes plures li. j. 

Et quedam alia. 

Quo autem tempore hie damit similiter ignoro, puto tamen 
eom ynum ex supramemoratis fore neotbericis et forsitan adhue 
viuit 159 [d. i. 1509]. 

[C]Ratho Vdemhemiiis, natione Teutonicus, vir in liberalibos 
soiencijs excellenter emditus et diuinarum non expers litteramm, 
peritia artium quippe magister ogregius et Sletstatinis scholis pre- 
fectus famosus, ingenio cultus et sermone clarus et tarn bone- 
state vite quam doctrina auditoribus suis venerabilis, plura scri- 
psisse perbibetur, sed nil adhuc ad [fol. 84a] lectionem meam 
peruenisse memini, lector mens studiosus illa inquirat. Mortuas 
est ante paucos menses cum magna auditorum suorum querela et 
pulcbro cuiusdam epitapbio bonoratus sub Maximiliano anno do- 
mini 159 [1509]. 

[tjOhannes HiU Rotwylensis, natione Teutonicus, bomo bo- 
naram artium oppido studiosus et diuinamm scripturaram noticia 
sufficienter imbutus, philosophus acutus et Heidelbergensis gym- 
nasij decus insigne, ingenio subtilis et acer, sermone clarus et dis- 
putator de quolibet acutissimus, fertur scripsisse aliqua lectione 
digna sc. 

Questionum disputatamm li. j 

Quodlibeta varia li. j 

Orationes plures li. j 

Et nonnulla similia, quorum tituli me fugiunt; puto quod 
viuit adhuc. 

Als Grammatiker wird aufgefärt fol. 151 : 



189 

[W]EnUefilaus Brack^ natione. Alemanus, homo in studijs 
litteralibos continue exercitacionis, liberaliura artium professor et 
examinator rectorque scholarnm apud Constaniiam vigilantissimas, 
metro yalens et prQsa. Scripsit ad Ttilitatem et profectum scho- 
lipetamm suorum de significatione reram opas graramaticnm quod 

Vocabularium rerum prenotare voluit li. j „Malta ad te 
prestans iauenia" 

Et alia quedam. Glarait sub Friderico 3^ apud Saeaos fa- 
moaiBBlmas. 

Als Astronom wird auf fol. 155 behandelt: 

[t]0anne8 Liudllius, natione Germanus ex oppido Heilbronensi 
alias fons salutis dicto oriundos, homo certe quam in dioinis tum 
in secolaribus scienqjs et vel maxime in astronomia stodiosos et 
doctos, izigenio simüiter et sermoue prestans, coios opera et stu- 
dio scripta loannis de Monte Regio in lucem producta sunt. Scri- 
psit et ipse in astronomiae scientia nonnnlla quibus nomen et em- 
ditionem soam claret scilicet Ephemeridem nouam li. j „Cum supe- 
rioribos annis non paucos". 

Alia eins opuscula nondum videre (ergänze „merui"). Claruit 
statim post prefatum Joannem Regimontanum. 

Elberfeld WCreceHns 

Zur Wortforschung 

XII 

1 Deutelkolbe m. typha zu Alem. VI 155: Deuttvang. Dios- 
coridis, de medicinali materia — Francof. 1543 S. 265 : typha ger- 
manice: moßkolben, narreokolben, Deiitelkolben^ liesknoi^en. Im 
Bagister: dytteUcolben. Tabemomont. ed. Bauhin 1664 S. 559: 
DeUelkoU)m. Zwinger, Ki'äuterbuch Basel 1694: typha niederl. 
Dodde, Lischdotte, Densen. In teutscher Sprach: Ließkolben, 
Narrenkolben, Wasserkolben, Ließknospen, Weyerkolben , Maur- 
kolben, (Morkolben? Bück), Dietelkölben S. 313. Die merfachen 
Leüdbä^ sten zum ON Tatilinpach nicht Tutilinpach. Vgl. auch 
den Namen Deutelmoos in Schwaben, den Familiennamen DetUd- 
Moser in Riedlingen. In Fischers Statistisch-topogr. Beschreibung 
des Borggrafthnms Nürnberg u. s. w. 1787 I S. 176: TeichMben^ 
lieBohkolben. Zu Bölsier = typha stimmen die Sumpf -Flur- 
namen: Bolster, Bolstern, aber nicht die beiden Bolstemang, die 
nie sumpfig waren, noch es sind. Im 9. Jarbd. saßen da noch 
einaelna Romanen, sollte bostar Rinderhütte hereinspilen?^) 

2 Gnsel adj. subst. geil, aufgeregt. „Ein new abentürlich 
Practica Docktor Johannis Roßschwantz von Langen Lederbach ** 

1) Die Lesart Bo^ernang kommt im 13. Jh. widerholt vor. In 
derlei Namen ist wol allerhand zusamraengeronnen. Man denke an 
die naheligenden : ahd. pulstar (pelta), püliz (boletus), häristal (Vieh- 
stelle) und an die alten CoUectiva auf -erach (em) z. B. hcislerach (has- 
kren); gerteraeh (gertren) ; längerrach, lengrach, lengem u. s. w. (Back) 



190 

• 

(alem.) Cap. XIV: Die münchnrerden dis jar vil keß samlen, wann 
das ffiter ist wo! geraten, das wirt sie faßt stechen and gusd 
machen, Toranß die noch schopff nnd schwantz haben. Mittig. von 
Crecelius. Willing (Alem. VI 87 Anm.) in seinen Predigten 9Sb : 
„dieweil unser fleischlicher Adam so gusel und geil ist — so ist von 
nöten, daß der mensch sein fleisch mit seinen glüsten täglich lerne 
abwürgen und tödten — dem halsstarrigen alten esel sein gnü<^ 
brechen u. s. w.'' „Die Maulesel springen au£P die stfttten, so ge* 
laden, beyßt sy in die mänin und in rugken; daß jm diser gusd 
vergange sol man sy ein weyl eynspannen und das mülinrad ziehen 
lassen: das selbig machet jn etwas zämer.** Gesner-Forer Tier- 
buch 1563 Bl. 49b. Gii^e^ m. Gänserich. Baar. Sunthausen. Am 
Bodensee hört man strichweise güs^penis, güsen = coire. R.Back 
schreibt mir : Ertinganis (Ertingen, Oberschwaben) est güs puden- 
dum, mentula; güH 1) homo lascivus, luxuriosus 2) qui puellas 
frequentat 3) homo hilaris et garrulus et gestaosus (= Geck auf 
der Zwifalter Alb). CHisen cohabitare; nackgüsele n. puerulos 
nudus, qui pudenda non tegit; parentes hoc basiatura dicunt. Pro 
güsen etiam nunc quibusdam in locis verbo güslen utuntur, unde 
giisel detraham. Eadem yocabula reperi in valle Lutrae Munigi* 
singensium (Münsingen, Lautertal). Altorfenses pronuntiant gosm 
pro ludere lascive, uti aliud verbum gopen. Verbum gtisi sonat 
simile alter! pro basiatore scilicet fusi, Wangensibus alpinis : htisi. 
Schmid Schwab. Wb. 250 kennt Ous, Gusel = Gans; in der Kinder- 
sprache. Sohmeller V 951 gusel adj. sich g. machen, lustig machen 
(1456) Frisch I 384c nennt ein Güselsross, ein Pferd das den 
Reiter abwirft, offenbar zu unsrem Worte oben gehörend. Seine 
Belegstelle ist Altenstaigs Vocab. entnommen: strenax, frisch, gails 
gusds Roß das einen bald vber ab würflet. Diefenb. Gl. 551. AB 

3 Zu Sebastian Bfirster ^). Zu den von Birlinger allbereita 
besprochenen Wörtern aus Bürsters Chronik erlaube ich mir in fol- 
gendem nachträglich einige Bemerkungen zu machen: 

S. 12 ist nach uff röhr ein Fragezeichen gesezt, stat dessen 
wäre die Silbe -en anzuhängen, uffrören = in Fülle zusezen; 
anfrören = Pulver auf die Zündpfanne schütten, dann zusezen, 
reichlich geben überhaupt, ist in dem wirtembergischen Donantal 
noch volksüblich. — 251 hrüdtertrager ^ Brettertrager. Ober- 
schwäbisch Britt = Brett (in Lindau damals schon derselbe Bretter- 
handel wie in Ulm). S. 24 heisch ist wol der heisch =■ klatschen- 
der Hieb, Schlag, oberschwäbisch bätsch. Zeitwort: bätschen, 
klapfeu; schlagen, daß es klatscht. — ängeri (Engerling) heißt in 
einem dem Freyherrn von Freyberg- Justingen gewidmeten Auszug : 
Caii Plinii bist. nat. von Heyden. Frankfurt 1505 : emgerichi (tds 
Barbenköder angefOrt). — anspeniger in Thomas Weißenhorner 



1) Sih Alem. Ol 276—285; IV 286—244. 



191 

Giiroii. ed. Banmann. S. 19 : etliob edel und ainspenig, S. 29 da- 
ni ein raysiger sswispeniger knecht. — S. 99 hsckaidt^ zwischen 
wagnerbanß, scheyren und anderen Geb&nlichkeiten des Kl. Salem 
genannt: wol = Bescheidstabe. Eine solche fand sich nach den 
Anlendorfar Yerbörsprotokollen nm 1680 im Schloß zn A. — 
hräisckig. Im Donantal ist brätschen = ausklopfen, fionen aus- 
brfttachen = reifs Bonenkeme ans den Schoten schlagen (vgl. brU' 
sdien). — baeize f. ist noch üblich ftlr Pflasterboden, bes. vor 
St&Uen« — dachsgäbel heißt in Oberschwaben auch die zweizackige 
ESsengabel mit der die Garben auf den Wagen gehoben werden. 
— dmmer jest noch = dämmerig, halbdunkel. — erfileen. Ein 
Anlendorfer Protokoll von 1717 sagt: der Pfarrer werde ihme 
Metmem einen braffen Filz geben haben = Verweis (Band 1717 
8. 862b). — erworgenj jezt verwargen, ersticken. — groppe ist 
goUo Tulgaris, dagegen gründet cobitis barbata und taenia, welche 
aneh das Volk nnterscheidet. — Ob grudel m. nicht von grudeln ? 
Lflctera bedeutet beute brodeln, sieden. Wir sagen ja noch „der 
Siedige und der Heiße ist mir den Buckel hinaufgelaufen.*' — 
kkdge nacM ist in der Ravensburger Gegend als kin^t noch vor- 
handen. — - kOr ^ Keller, jezt noch ; die sogenannte Klingenberger 
Ohron. ed. Henne sagt S. 140: hattend dadurch (die Stadtmauer) 
in einen ^jgegraben. — Die Heggbacher Chr. (ed. Baumann) 
a. a. 0. S. 289: mnker, müleeren. — der schwarze Kaspar = Ten- 
hl ist noeh übliche Bezeichnung. — kastspuolen; hier in Ehingen 
karspuel = Spülicht, Spülwasser. — hrogen voU, jezt groglet voll 
und grMet sowie groppet voH^ scheint eher zu einem Zeitwort 
rebeln » rebeln, wuseln, wimmeln als zu krock (Rize) zu gehören. 
Vgl. punlet voll, gruselet voll, gwuselet voll, alles mit derselben 
Bedeutung = wimmelnd voll, g und b wechseln ja oft genug. — 
Lidi f. Lastschiff. Richentals Chronik (Aulend. Codex): Item das 
holti • . . ain guoÜ arger ledi vmb ain pfond heller . . . vnd ain 
minder arger ledi vmb XYIII ßd^, — Klingenb. Chr. S. 852: fuor 
ain acheff als ain schitterledi (Scheiterlastschiff). — laichen. Wenn 
die Geistlichen und Lerer Ferienreisen machen, sagt der Bauer: 
die hearro l&ichet. Der zuckende Bliz one hörbaren Donner heißt 
W^MtarlSich. — rofienbrüderische Knnrst: Anspilung auf die bekann- 
ten Rosenkreuser. — latzfnan: 1) in Laub oder Reis eingekleide- 
ter Frflhling^buz. Von im singen die Kinder: stilla, stilla, it so 
loat| der latsma h£tt o dicke hont, eor hätt o h^te wäf», eor ist 
heont nftoht verschläft und wenn men hett it gweckt, so lag er 
00 im bett 2) Schelte = Lümmel. — einen schnee herlegen ist 
noeh gebränchfich. — lozen heißt man in Oberschwaben auch die 
Anhiebe (der Zimmerleute) am Randholz, das man zu beschlagen 
snftngt und die ovalen Holzabfälle davon. — lückem, verlUckem 
% entdeoken, ausfindig machen, ist in ganz Oberschwaben ge- 
brftnohUoh. — niauderig 1 = betrübt eingeschüchtert. 2 trüb (vom 
Wetter) in ganz Oberschwaben. — ölherger = Schlafhaube, fauler 



192 

Mensch (in Friedberg OA Sauig.). — schapper. Was ist der alte 
Ulmer Familiename Schaprunius? ^) — schick: — er hette einen 
gegenständ und so es einen schick abgebe, wolte er solchen zur 
Ehe nemmen. Aldf. Protok. 1672. — schidwein. Disem entspricht 
unser oberschwäbisch schidwecken, m. = Abschidsessen; wird stets 
Abends gehalten. — zu schnapp wird wol uoser yerschnappen = 
sich unbesonnen verreden, gehören. — alß hueren, schnuaren soll 
man usser der herrschaft bieten. Aldf. Maigebot von 1609 S. 5 — 
schöpfen (schöpfen ), der Sinn ließe auch unser schwäbisch schöpfen 
= abfangen zu. — segi: — 1416 vnd sol man alweg mit der 
segy uff gemaynen kosten Tischen. Eönigsegger Orig.-Urk. — In 
Buchau sagt man für Sege, die 2!ögi, weil es, wie Fischer KnoU 
meint, von ziehen herkomme (sagena). — thürgerichi Türpfosten 
noch allgemein. — trom Balken, trömen mit Balken decken, unter- 
ziehen: das irämt Gebälke (Aulendorf). — unglü^er^ in Ertingen 
heute das aangleinster. Ebendort heißen die Feuerfunken gleinster 
neben glaneinster und glanäisten. Einige sagen auch granäisto 
und sogar granlaiste. — verdössen vgl. die Stelle aus Forer^ 
Gesners Tierbuch (19) bärenschmalz mit räbenaschen . . . duscht 
alle geschwulsten. — verwarlosen, noch üblich = durch Unachtsam- 
keit zu Grunde richten. — zu weite möchte ich bemerken, dafi es 
in der Schweiz als schwette wider vor kommt. Vgl. watt: wette; 
Schwad: schwader(-loch). Vgl. Rochholz A. S. 1, 16ä. — A. 924 
(locus) Uuat beiRümlang. !Neug. — Langwatt ist die BachmuttBr, 
welche als Farweg benüzt wird. A. 1 194 villa Langata, Geschichts- 
freund 4, 262. — 13. Jh. Waetfluo ib. 17, 251. — 1346 in dem 
wat (an der Albe) Ettlingen. Moqe Ztsch. 6, 341. — WaUgafi 
bei Tobel (Schweiz) Grimm, Wst. 4, 406. wadegaß ib. 5, 648. — 
1324 Languat. Steichele, Bisth. Augsb. 3, 1275. — Schon im J« 
987 heißt der Rehbach bei Speier Lancwata. — 1393 item sie 
haut ein langwatt in dem Ebach (Gemeindebach), Grimm Wst. 4, 
303. — untz an die Langotten (bei Wiedikon) ib. 1 342 die laut- 
wat (das Wasser bei Villingen). Mone a. a. 0. 8, 121. — 1458 
(das Wasser) die Langweg bei Vendenheim ib. 8, 166. — im gwatt. 
Zuggen, Geschichtsfir. 25, 135. — 1219 Wanbrehteswate. Wirt. 
Urkb. 3, 78. — 1420 uff der langwatten. Habsthaler Urkb. S. 41. 
— der Watpach 1714 zu Merxheim. Grimm, Wst. IV. — Wie Bie- 
der zu slat, so verhält sich swader zu swat. J. 1266 swaterlo. 
Ztsch. f. G. des Obr. 28, 386. — 13. Jh. swaderleg (Schwader- 
mühle an der Zusam) Steichele 3, 845. — 12. Jh. swadirouua. 
Geschichtsfr. 17, 250. — 1375 schwaterlo. Mone 6, 359; dort 
S. 360 ein Mann der Swaterler. — 1516 swaderloch by zell an 
der Schüssen. Vanotti Gf. v. Montfort S. 625. — Schwatterloch 
bei Lauffenburg etc. etc. 

Ehingen a. d. 1). Dr. RichardBuck 

1) Wie verhält sich der schapper (das Vließ der Sofaalay tent 



194 

vnd zeittlicher siessigkait. Die sibent Staffel entziechung gött- 
liches drostes leiplicher vnd m&tlicher empfintlichait. Die achtet 
Staffel verlengerung des einganges ewiger Äred vnd entlicher selig- 
kait. Der jedliche hat ain besunder zu geaignet fred, in die sy ver- 
wandlet wirt, als dise nach geschriben materi anzaigen wirt. 

Die erst Staffel gaistlicher drawrigkait ist pitter schmerz- 
liche rew der boswlrtikait, die peniget den waren rewer schmerz- 
lichen, den so er sieht vnd erkent in dem liecht der gnaden, das 
er durch sein begangenn sind sein edle seil so hartt verwundet, 
die drew vnd das gelipt des gelabes an got gebrochen vnd got 
so groß dar durch belediget vnd erzirnet hat. Dise ermesung 
vnd bedrachtung machent schmerzen vber schmerczen in dem gemAtt 
des warens rewers: disse drawrigkait wechst vnd nympt z& in 
dem herzen des menschen, so er in embsigen gemytt vnd sieht vnd 
bedracht die hailsameii gietter der genaden vnd dngeten, der er 
sich durch seinn sintliches leben, so er in zeit gefiert hat, sdbs 
ber&bt vnd vntailheftig gemacht, auch die penen zu dem er sich 
durch begangen sind vnd versimpten g&tthat verpfändet hat vnd 
got so seh warlich belöget ; vnder den ieczgemelten drawrigkait ist 
die edelest vnd hechst die den entspringt auß göttlicher belonung. 
Der barmherczig giettig got, so er sieht vnd erkent disse draw* 
rigkait mit abgrunter dieffer rew, kan er sich nit lenger enhaiten, 
sunder er güst jm ein die genad verzeichung aller begangen sind, 
durch die dann alle drawrigkait auff gehept vnd hin genamen 
Wirt vnd in gaUtlichen fred verwandlet vnd bekert: dar vmb die 
erst Staffel gaistlicher fred ieczgemelter drawrigkait in grossen hoff- 
nung, göttlichen genaden, verzeichung begangner sünd, vers4mpte 
g&tthat| veterliche barmherczigkait, so gott jm gaist von inen zu 
dem menschen rett wie z& Maria Magdalena: dir werdent abge- 
lassenn dein sünd, stand auff vnd gang im frid Jhesn vnsers 
herren. 

Die ander Staffel gaistlicher drawrigkait mit irer tu geaigne- 
ter gaistlicher fred ist erkantnus aigner bruchselligkait ^)* So nun 
der mensch enpfint die erlangte gnad gottes ee er in im selbe 
nymt war: d& bist gesund, bis fursichtig vnd beh&ttsam, das dir 
nichs ergers begegne, seczt vnd nympt vestigclich für sich, Got 
vleisigclich in ennzinter andacht zu ddnnen vnd die vberigen ver- 
lichne tag in göttlichem lob vnd zu verzeren vnd enden; in dem 
so begegnet vnd stand dem menschen zu merckliche hindemus vnd 
grosse beschwemus im auß gang der sinden im ein gang der ge- 
naden. wan der feind aller seligkait, so er seiner herberg vnd ein 
wonung durch die ersten Staffel Verstössen vnd verdriben ist, so 
brucht er alle sintlichen aigenlistigkait wider den menschen» wie 
er wider besiezen mecht sein alte herberg, behusung vnd ein 



1) HinmUigkeiL A4j. in Weist. 2, 569. 



IM 

wirft vnd vber in verhengt, die er nit änderst an nympt wan ab 
ain zaichen vnud merokliohes anzaigen göttlicher vngeiüideii, auch 
etwas schwerer ynnd peinlicher ist weder die vor gemelta draw- 
rigkait. Wan nach dem vnd der mensch in gaistlichen dugetsamen 
gietter zi nympt vnd aofif steigt, also wechst auch vnd steigt 
auff die driebseligkait, die fiäst z& zeitten als wmi das der in 
göttlicher straff sich selbs vrt&lt zfi sein in der zall der verdamp- 
ten menschen vnd acht sich selbe in aigem vrtal als ain aoß ge- 
dretten vnfruchber stock der dem für werden sol, sprechent in im 
selbs: ach got du ewiges gut, all obgemelten genade hab ich ver- 
sdmig schlefferlich lassen hin gan vnd mich nit darin nach mei- 
nem vermügenn vnd deinen gnaden geibt vnd die za fruchten bracht, 
darvmb billich da mir die als dem himel regen, donner wider en- 
zogen hast. Also murmlet er vnd zimit nit wider got, besundor 
allain beschuldiget er sich selbs vnd sein aigne sftmseb'gkaü. So nun 
aber der brun aller barmherczigkait Jhesu der giettig erkent vnd 
sieht selliche dise diemüttigkait des menschen, so verwandlet er 
zfimal aber dise drawrigkait in grosse fred, als vns das geldb- 
lich anzaigt der erlich prophet Dauid jm buch der psallem also 
sprechent: nach der vnzalberlichait der schmerczen meines heraeim 
habent gedrest dein süsse drestung mein sei. Darvmb die viertt 
Staffel gaistlicher fred gemesne verleichung zeittlicher driebsalig* 
kait durch die drostung göttlicher süssigkait. 

Die fünft Staffel gaistlicher drawrigkait ist zeweiffel des 
Stands aigner weßlichait zewissen den grad göttlicher straff auß 
der er besorgt sich zfi sein in der zaU der abgeworffen verstoasne 
von den genaden gottes vud der verdampten stat der menschen 
in grossen zeweiffel der hoffunng an ainem vnd der forcht am an- 
der tail, ob er sey in genaden oder vngenaden gottes; wan als die 
geschrift sagt, so waist der mensch nit gewislich ob er sy in ge- 
naden oder vngenaden gottes. Durch sellichen zweiffei feit der 
mensch in grosse drawrigkait, auß der er kunt in grossem die- 
müttigkait, auß der er wider kumpt zu göttlicher drostung, von 
der den grosser fred erstat den die vor gemelten fred der gena- 
den gottes; den so lernet er den fred zft haben vnd suchen in 
aller leiblichen vnd gaistlichen driebsaligkait, sprechent mit dem 
heiligen sant Pauls: vberflissig bin ich in frewd in aller drieb- 
saligkait, bedenck wie Gristus sein crücz mit freden hab gedragen zft 
der »tat der marter vnd durch sein leiden bese«»» sein aigen glori ynd 
himlischcn erbschaft zu der kain mensch kumpt den durch leiden. 

Die sechst Staffel gaistlicher drawrigkait ist wider sagen vnd 
ganz abkerung in irdischer drostung vnd zeittlicher süssigkait. Die 
andecbtig begirlich sei auß gemelten gnaden erkent sy wollkumenlioh 
das irdisch leiblich drostung zeittlich süssigkait^) vnd gaistlich 

1) Dise zwei Zeilen sten doppelt in der schlechten Handschrift. 
Die cz sind durchaus mit s hier gegeben. 



198 



II 



Van den syhen iebung des menschen herczen auf die grtuU 
vnd geseez ist alle ghthaU vnd volhumenhaU des innem menschen. 

Beraittent ewr hercz dem herrenn, also etat geschriben «ni 
ersten b&ch der küng am sybentem capitel Tnd send die wort dei 
hailigen propUete Samels zfi den kinder yon Israhel; mügent b& 
gel^tt werden ainem ietlichem cristen menschen, der dem herreo 
begert z& machen vnd bawen aiu herberg gaistlioher zfi kunft. Die 
hailig geschrifb zaigt vns an vnd weist auß syben iebnng des 
herczen, anff den gruntt vnd geseozt ist frey ledigkait aller g&i- 
hait vnd wolkumenhait des inern menschen, die aofi den sybea 
gaben got des hailigen gaist entspringent vnd waehsent. Die erst 
iebung ist vleisige beraittong, kampt auß der gab göttlicher 
forcht. Die ander ernstlich behiettung, entstat auß der gab gött- 
licher kunst. Die dritt schnelle offnung, wechst auß der gab 
göttlicher giettigkait. Die viert veste sterckung, entspringt anfl 
der gab göttlicher' sterckin. Die fünft hiczige vber gebung, flttsf 
auß der gab göttliches rattes. Die sechst begirliche erhebung^ 
zAcht sein außgang auß der gab göttlicher verstentnus. Die sibent 
diemüettige abdötung, nimt sein grund auß der gab göttlickei 
weißhait. 

Die erst iebung des herczen ist vleisige beraittung. Z& vlei« 
siger beraittung des herczen send nott drw ding: das erst auß 
dreibung verganger beganger sind durch pittern rew vnd pein« 
lieber driebsaligkait vnd bäßwirdigkait; das ander abzng ^e^w 
wirtiger sünd durch vleissige virsichtigkait. Durch disse drew 
ding wirt dos menschen hercz gerainget vnd zfi vnschuldigei 
rainigkait beraitt zfi gaistlicher zfikunft des herren durch die gal 
göttlicher forcht. Die ander dan die sind krefUgklich außdribt 
vnd das hercz mit rainer warer vnschnld ziert. Die andre iebuog 
des herczen, auff der dan statt die volkumenhait des inerin menschen« 
ist ernstliche behüettung. So nun das hercz durch die ersten ie* 
bung mit vleiß ist beraitt dem eingang vnd gaistlicher zfikunft dei 
herren, so sol es durch die iebungen der behüttung drwlich behüi 
vnd bewart werden, da mit die außdreibung sintlicher vnseyberkail 
durch semige vnbehfitsamigkait nit wider einflus, als vns dai 
lernet der weiß am bfich der sprich am vierten capitel, sprechent 
mit sunderm vleiß behütt dein hercz, wan von jm fiüst das leben, 
aller stand vnsers lebens, gfit oder beß, wirt geurtailt auß den 
herczen, von dem dan als auß der wurcz vnser werck gfit oder böC 
geurtailt werden. Sollich erstelichen behiettunge wirck der menscl 
nit auß aiger craft, sunder auß der gab göttlicher kunst. Die driti 
iebung des herczen ist schnelle effnung: des menschen hercz, mü 
vleiß beraitt in der ersten iebung, mit ernst behüt in der andren 
sol schnei dem herren vnd dem edlen cosperlichen schacs gAttüMm 
genoden in gaistlicher zfikunft geöffnet werden, das (vnd) er von a^faiei 



MO 

ger ewiger liebin ynd in . der ofihung an dem stam des haillg 
crücz sein heroz vor an vnnerdent geben im leben vnd jm tod, 
gSttlich vnd menBchlich, dar vmb als der hailig saot Bembart 
schreibt: berr, icb waas vnd erken wa dein bercz lei, da ist dein 
scbaca, dein heroz ist bey vns, so seyen vnd wir dein schaos. Dar 
vmb der bilUohait halb nach, so geben wir biloh vnser hearca nye- 
mant dan got; sollichem vbergeben floß aoß der gab g6ttliohs 
rattes, nit anß aigner verstentnus, dar vmb wir vnstrefflich standen 
vor aUem himlischen hdr. Die sechst jebnng des hercaen ist begir- 
liehe auff erhebong zS Oot. Zfi dem eingan der gnaden ist nit 
gnog herczlich beraitung behietung offnnng vestenoag vnd vber- 
gebang, sunder der mensch m&ß das begirlich sn got aofferheben 
in vier weg : s& dem ersten in der verstentnns der warhait, z& dem 
andren in lieb habender begirliohait, z& dem dritten in dngetsam 
Wandel der zichtigkait, zu dem vierten in geformeter maynung der 
gerechtikait. Von den awaien zu dem ersten erhebungen schribt der 
hailig sant' Bembart vnd spricht: als vil der mensch got erkent, 
als vil liebt er im, wann es ist vnmüglich, das der mensch got er- 
ken vnd nit lieb hab; sellich erhebong des herczen wirckt der 
mensch dan wirdigclich, so er aller lielbdn begirlichen ding diaer 
weit verordnet in gottlichem liebin ; solliche erhebung der liebin in 
got ist das hftchst klainat vnd der beschloß menschlicher volko- 
menhait aof erde, durch die der mensch got eingelibt verainiget 
vnd ain gaist mit im wirt, als das eyssen im fewr aigner form ledig 
stat, also statt der mensch form- vnd pildlos aller zeittlichen ding. 
Zu dem dritten sol das hercz in got erhebt werden in dugetsamen 
wandel, das der mensch mit sant Pauls müg sprechen: mein wo- 
nung ist in den himlen; das beechioht dan, so der leichnam allain 
leiplich lebt auf erde vnd alle inwendige krefb des menscbln wonet 
^y gotf dar mit der mensch sprechen mag mit der lieb habenten 
sei: ich schlaff leiblicher außwendig syn vnd kreft halb, aber mein 
hercz mit dem ersten innem menschen wachet in gott. Z& dem 
vierten sol das hercz inn got erhebt werden in ^erierter rechter 
mainung der gerech tikait; des beschicht, das alle wort, gedencken 
vnd werck gaistlich vnd leiblich in ainer rechten mainung auff vnd 
in got geordnet werden. Sollich erhebung des gemyttes in got 
wirckt göttlich verstentnns, durch die der mensch flucht irdischen 
vnd suchet die himlischen guter. Die sybent jebung des herozen 
in got die ist diemüttige abdotung, des nicbs anders ist den die 
diemuttigen abdotung des herczen von aller leiblicher vnd nottorf- 
tigen begird vnd von allem dem, das den menschen hindert vnd irt 
ann der genaden gottes; sollichen abzug wirck göttliche weishait, 
die dan ain jedlichen menschen lert alle ding an zu nemen als 
sy send: got als got, duget als duget, die synd als sind. Seiich 
herzlich iebung vnd wirck in vns der edel gaist Jhesu der mylt 
durch farbittung vnd beystand Maria vnd alles himlisch hör. 
amen. 



202 

klayder tragen. Wen ains ain hoflariig klayd an legt vnd eich ein- 
prfst vnd so hept den ains an vnd gefeit jm selber vnd beschanweat 
dich vnd so kumpt den dir die ynkeuschaitt dar anß, geleich als 
ain kart die^ da rawoh ist vnd des dnoh hipsch. -Also auch rauche 
klayder sollent ir tragen vnd sollent auch diemiettig sein, die 
macbent den den leib gelatt, das ist kewsch: das ist die dritt. 

Die viert Staffel das ist: dein red sol veminftig sein vnd be- 
schaidenlich, als sant Ambrosins schreipt von den jnnckiVawen: uner 
jnnckfrawen red sol sein vernünftig vnd ainfeltig vnd sollent mit 
•soham geziert sein. Das ist veminftigklioh r6d, wenn du etwas reden 
wilt, so lauß vor von der vemnnfb gerechnet werden, ob es nit 
schaden pring vnd ob man dein failmit nit dar bey mereke vnd 
was dn r^en wilt, das lauß vor für die Yemünfk knmen ee das 
es in den mnnd kn« vnd solt nit fßl schwecera ; wen ains also tu 
anszerichten hat vnd zeschweczen so gednnckt mich das geleidi 
das nit ain rechter gmnd da sey. Dar nach sol sy sein ainfeltig, nit 
das man Sprech: ey wol kan das mensch so recht wol reden wm 
dn bey den lefitten bist gewesen vnd das dn haim knmest, ey das 
hett sich recht wol daranff ge6egt vnd fachent den an vnd nmet 
wider sich selbs vnd anff ain yetlichs wort so kumet sy ain naaS 
seczlin des sol vberal nit sein, snnder sy sol ainfeltig sein. Dar nach 
so sol sy sein selten, das ist ain (entberliche Person) ftnnot vnd da 
nit nucz anß entspringt vnd nit fSl gefSrts machen, schlecht: Oot 
grieß dich! vnd da mitt anff vnd dannen; dar nach sollent sy ge- 
ziert sein war mit die schäm soll geziertt sein ainer junckfhiweo 
red, die schäm nit mit zierlichen werten. 

Die fanfb stapfei, das ist : dn solt dich bieten vor schencknngen 
vnd vor kramen, was (wan) das pringt oft ainem menschen grossen 
schaden. Ey, sprichst dn, was solts den schaden, wenn man schon 
ainem etwas schenckt? Ja werleicb, es pringt M vnkensohait, wen dir 
schon ainer etwas kramet, so mainstn nit allain das kramet sunder 
auch den kramer, nit den kramer der vnder dem ladenn syst, den 
der dir das kramat gefit; wen d& z& im kumpst, so m&stn im 
dancken vnd mtst sprechen: Gnad herr oder Gnad jnnckherr vnd 
beost den im die hannd, den so kumpt das ander her nach, das ich 
dir woll sagen wollt; vnd hebelst den also schon als sey es hayl- 
tum vnd wen du am morgen anff stast, so beschawest in am aller 
ersten vnd erspringt den aines nach dem andren. Dar vmb so biet 
dich dar vor. 

Die sechst stapfei das ist ain gutta cristenlicbe vnd göttliche 
fraintschafft solt d& haben, das ist, bist du ain man vnd lanß aine 
sein wie gaistlich sy woll so hab sy lieb mit dem gaist vnd nit 
mit leiplicher bey wonung; des geleichen ain junckfraw sol ganoi 
kain bey wonnung haben bey den mannen vnd solt erschrecken wen sy 
ainen man ausech, aber sy erschrecken geleich als ain essel, dem 
ain sack empfelt, nitt das es in gottes namen angefangen ward vad 
in (Hs. im) des teüffels namenn ain auß gang hab oder des (dase es) itt 



203 

gotiet Damen gezetlet werd vnd in (Hs. jm) des teüffels namen aaß 
gewindet werd; nit leit die Cristenlich fraintschaft^ das man ain 
ander ob dem tisch für leg vnd aio ander ere machen — nun weit 
dar TOD» wann es kampt etwa ftil vngemachs dar von. 

Die sibent stapfei, das ist diemüttikait. wen die janckfrawen 
ye sprechen, wen man gen in spricht: fraw, so sprechent sy: dein 
mftter ist ain fraw, vnd mfigen nit leiden daß man gen in sprech — 
vnd die aller rainest jonckfraw Maria ztt der man spricht: Fraw; 
man sprich nit: vnser liebe janckfraw, man sprich vnser lieben fraw — 
vnd sprechent den: ye got sey gelopt, ich bin ain janckfraw, vnd 
vberhebent sieh irer jnnckfrawschafft also vast, vnd da sprich ain 
lerer von den selben janckfraw mein liebe gesponß gottes, seyder 
min die jnnckfraw dem lemlin nachvolget, so ftircht ich nun die 
hoffurt vnd die geschwalst mach das da nit nachvolgen mfigest 
dem lemlin darch die engenn porten noch kindest volgen jnn ewige 
sftligkait, das ist wen ains ain hoffart in im hatt vnd das es also 
aaff geschwelt ist vnd höcher der hoffart in im hatt vnd sich 
böseer gedfinckt den ander leüt vnnd sich selber ako groß macht, 
das es nit dem lemlin nach kan volgen vnd darch die engen por- 
ten kan kamen in die ewige säligkait, wann aaß hoffart kampt 
vnkeüsch. ye sprichst da, wie kan vnkeüschait aaß hoffart kamen? Nan 
hat es doch kain geleichnas, ich gelaab wol ee e» kam vnnlauter- 
kait aaß essen vnd drinckenn. merck: wen man die zw& sind immer 
sdber ansieht so kampt aine nit aaß der andren, aber got ver- 
hengt ye Über ain menschen von hoffart wegenn vnlaaterkftit. merck : 
da hast etwenn ain solich hoffart jn dir, aber da merckst vnd hast 
nit dar f^, das es sind ist, vnd vber nimbst dich deiner janckfrawen- 
sdiaft also vast vnd da dos nit roercken wilt, so kampst da dan 
dar vmb vnd feilest in vnlaaterkait vnd merckst den, das es den 
sind ist; vnd also hast da den das für ain sind vnd waist das es 
sind ist. dar vmb sollen die janckfrawen diemüttig sein, das sy nit 
vmb ir janokfrawenschaft kamen vnd sollent sich des nit über- 
nemen, das sy nit vor der geschwalst kannen einkamen in ewige 
siligkait durch die engen port, vnd sol gedencken an ir arben- 
aeligkait, das sy doch ir selb so gar nit trawen darff, das sy nit 
wajst was got über sy verhengt vnd sol nun döster diemütti- 
ger sein. 

Die achtet stapfei das ist: behüt deine sinn das ist des ge- 
fleht vnd des gehör vnd des greiffen vnd die andrenn. Zam ersten 
so hab dein gesiebt inn hatt vnd lag nit vast vmb, vnd ersieh 
nit alle ding, wan du magst uff ainmal sechen das du dar nach 
wol fier wachen zeschaffen hast, biß das du es nyder truckest ; wann 
wenn da als vast vmb wilt sechen vnd alle ding beschawen wild, 
so geschieht dir geleich als ainer die in ain frembs land kern vnd 
wöltmin beschawen, wie die frawen in iren schlayren giengen, die 
WM'd irr des ganges vnd ward gefeit von ainem, dar vmb so sollen 
Jmekfrawen ire aagen in beh&tnuß haben. Z&m andren des ge- 



204 

hör: wan man an hept dich ze loben vnd etwas lobHch Besagen, 
so ker dich dar von vnd merck nit auff vnd nym dich des nit an. 
Zum dritten so l&g das du dich nit vngeschafifenlich an greiffest, nit 
wen du ainn morgen auff wachest, das da den dem teüffel an der 
ketten vmb treibest vnd gedenckest: also ist es ain ding vnd an 
hebest dich selbenn an gezegriffen vnordenlich: da biet dich, vor 
anß ain junger mensch wenn er auß schlaft, das er nit lang in dem 
bett lyg, wen es hebent sich an beß gedencken in im auff se gan 
vnd greift den sich selber an schantlieh. Dar vmb ir müttereo, hast 
du ain doehter die also lang lefit vnd nit auff will, so nim ain 
prigel oder ain tremel vnnd tremel sy auß dem bett. Ey, sprichst 
du, sy ist noch jung, wer sy alt so bederft es nit. vnd dfür vmb 
sprich ich : wen du erwachest, so stand auff vnd halt dein hend be- 
hntsamlich bey dir vnd lauß dir es sein als ob ich des sech oder 
dein engel der ist alwegen gegenwirtig vnd Oot vor an, dar sieht 
alle deine werck, vnd dar vmb so halt ewre synn in beh&tsamkait 
oder mach dir ain erbermiß gegenwirtig. 

Die neundt stapfei das ist: du solt nit lang verharren auff 
vnlauttem gedancken oder einfellen, als wen dir etwas einfeit: also 
leyt der eeman vnd die eefraw mit ainander. vnd also wer es wen 
dir etwas soUichs oder anders einfeit, so verhar nit dar in vnd ker 
dich geringe darvon auff etwas anders, es sey arbaitt oder was es 
ist; so Schutt den köpf, das dein hercs mit etwann andrem bekft- 
meret sey. vnd es wil dasselbig dennocht nit helfenn : du gedenckest 
den nach dar an, wie wol du arbaist — wen es mag dennost ains 
etwas annders auch gedencken wen auff die arbait, wann es firsaca 
des heroz nit als samd ; seltenn die frawen wircken was sy im köpf 
betten, die weyl sy neend, sy ddrsten es nit iren mannen sagen 
noch saigen^; desgeleichen auch die janckfrawen, selten sy ir gedenck 
die sy ob der arbait band dar ein wircken, sy dörsten es die v&ter 
vnd die mAter nit vast sechen lassen — dar vmb so soltu etwas ton, 
das dir dein hercz gancz vnd gar vast vnd das dn nichs anders 
dar neben gedencken künnest : das ist ain starck mechtig gepett des 
dir das hercz gefasset, aber das muß eryebt werden, wan es dir 
schon wider ein feit, so ker dich wider dar von vnd das treib ymma 
darfur, bys das du in ain g&tte gewanhait kumbst. die alt vetter 
sprechen: es sy geleich vmb des menschen hercz als vmb ain müll, 
wan man g&t koren auff ain müll schitt so melt sy, kument dann 
fluigen dar ein vnd andren vngeschaffne ding, das melzs auch; ist 
dan nichs dar jn, so verzert sy sich selber: also ist es auch vmb 
dein herz. Kurz es mftß gedacht haben: so lag vmb gfit koren 
vnd gedenck als mer etwas g&ts als etwas args, so du ye ge- 
dencken mftst, so Ifig das dfi gfit koren habest, das send gfit ge- 
denck vnd gewen dich an gfit gedenck die von göttlichen dingen 
send vnd so melt dein herz das gfitt koren wen frölich gfit ge- 
denckt dar ein schizst; aber wen du das gfit koren nit hast, das 
send die gftten gedenck, so m&ß es dennocht malen, so ksmaa dm 



206 

etwas zftaiatt, das in el^n ist, so beleibent sy ain (an = one) man; den 
geschieht geleioh als ainem federlio, des also schwept, es mag leicht 
ain windlin kumen, so feit es auff den ortt; knmpt den ain klaines 
windlin so feit es auf disen ort. Gleich t&nd sy auch also: wann 
in nit ettwas za statt, das sy maynen das in ehen sey, ye sprechen 
sy, ich mag mich nit in das kott myschenn vnd heleibent ee an 
man. das soll nit sein, du solt dich gancz Got ergehen vnd nit also 
getailt sein, das du Got wollest gefalle vnd der weit, das sy nit 
leiden mügen, wen nun ain schlayr nit recht pryssen (nesteln, ein- 
hängen) ist, es tatt sich nit also. 

Die dreyzechen Staffel das dn solt ainen Spiegel haben. Die 
junckfrawen han Spiegel, dar jnn sy sich sechentt ob sy mt meler 
oder masen habenn vnder den äugen, vnd muczent sich dar vor anff 
vnd lagent wie in das lachen anstand vnd macheu also ain äffen 
spil: also soltu auch ainen spiegel haben, dasistCristus vnser herr, 
in dem sollen mir vns beschauen. Der spigel ist auß glaß gemacht 
vndweylnun das lauter glas da ist, kanst du nicht dar jnn seohen, 
man macht aber pley binden an das glaß, so kan man sich darin 
soeben. Das lautter glaß ist die Gotthait, das kinden mir nitt 
Sechen, dar jn hatt er an sich genommen die balligen menscbait, daa 
ist das pley, das mir ainem spiegel an im betten, das wir alle in 
sechen. Wen ich in sich an demCreücz in aller gedult, so sich ich 
mich in aller Tngedult, ynd sich in in aller armfit, das er nit bett 
das er sein baupt auff nayget vnd ich han aUe reichtung vnd 
sich das er hie auff disem erdtreich nie kainen gutten tag bat ge- 
heptt ynd ich leb in allem wollust, vnnd* find mich selbs ganos 
brechenbaft vnd das mein leben seinem leben gancz yngeleicb 
ist vnd das laß dir den zi herczen gan vnd erseufczge den vnd 
bittgot, das er dir vergeh, wa zeigt man mir den spiegel? da gang 
an die predig vnd wen du den baym kumpet vnd so gedenck was 
dn gehört habest: das vnd des sey vnrecht vnd erken also dein 
sind vnd dein mausen, als die med ye den junckfrawen sagen: da 
band ir ain melin vnd so weschst sy es dan ab. was helf wen sy 
(ver)langt das man ir das^ sagt vnd sy that es nit nacher oder 
wasch abher ? Dar vmb so sol maus abher weschen. 

Die vierzechen Staffel ist das zum dickeren mal beich- 
ten, dar mit weschst man ab die massen das send die sind; 
dar vmb so sol man zum dickern mal beichten vnd da 
weschen vnd die alten lumpen her färziechen vnd auß weschen, 
auch sol in der beicht sein der gelaub vnd die boffnung vnd auch 
die lieb, das send der zecher, das ist das du wainest mit jamer* 
lieben äugen. 

Die funfczecben Staffel das ist verbarrlicbait. Der teufel der 
last dich anfachen, aber er hatt acht deiner fersen, das ist er Ikgt 
erst ob er dich an dem Iftsten end verfdrete vnd darvmb sol man 
verharren. Was wer es wen da die XV stapfei auff gangen werest 
vnd wider dar voun liesest, als ye die junckfrawen irend, wen sy ye 



206 



IV 



Dpß nachgeschriben red ist am predig van der j% 
gemachelschafl vnsers herre Jesu Eristi. 

„ Veni in ortnm menm, soror mea, spoosa mem et veni" kam ia 
meinen garten mein Schwester vnd mein gemaohel. Also spricht der 
jonckfrawen s&n z& dir ynod deinen geleichen jn dem b&ch der 
gesang aller gesang. Vnder allem dem, das menschlich heroa Tnd 
gemüet erfreen mag in diser zeit, so ist zä zergenoklichenn Ynd li 
gaistÜchen dingen eins der allerfrelichosten ding wenn ains Tn- 
bedacht g&tt neye fröliche m^r hdrren wirt. £ya nun ist mir eokr 
pfolchen worden, das ich dir Tnd andren an schimpf die aller* 
pesten mer yerkinden sol; nun wer mich hat aoßgesant an swet- 
ffel mit grossem ernst nit ain ritter oder ain graff, nit ain irdi* 
scher küng oder kayser, die all d&ttlich send, wer mich hatt aoA- 
gesant der den himel ynd erd geschaffen hatt, der gewaltig herr, 
der die weytenn weit mit ainer hand yerfacht, der, des reyehtom 
nymer zerrinnen mag, des weyßbait nyemannt laichen mag, des gtttte 
aUe ding yber wint, des wesen kain annfang noch end hat, der 
himlisch yater, der doch an din yerdiennen dich barmherzigk- 
lieh beschaffen hatt, der dir z& dem cristenlichen dAff barmhersigk- 
lichen geholffen hatt, ynd der aller barmherzigklichest yon dem 
ewigen tod dnrch seinen allerliebsten snn erlöst hat: dise^ groMW 
herr hatt mir enpfolchen zewerben an dich die fröliohen bottsohaft, 
die ich yor dir weil ich bey dir was nit werben dorst ynd ist 
das die: Er haut ainen lieben snn der ain m&tter hatt anff «rd 
an einen yatter ynd jm himel ainn yatter an ain m&tter. Sein 
matter ward sein schwanger ynd gepar in jnnckfi:aw, jn sein ant* 
lit beeret zesechen die engel, seiner schonij wandert sidi sanen 
ynd monn, seynen schacz mag niemannt erschepffen, sein gewalt 
hat kain end, sein land ist anmessigklich weyt, seiner diener ist yn- 
mäsigklichen yil, wan der haylig Daniel sach das im dienet ae taa* 
sentmalen tausent ynd bey im standen ze zechen tausentmalen hau- 
dert tanset englisch gaist. Disen leutseligen jangling, — gib mir das 
frölich bottenprot — wil dir der himlisch yatter z& ainem gemachel 
gen ynd hernach zfi seiner ee, wilt auch du, wenne da nnn in ia*- 
genten grosser wirst? wie sälig dein yater ynd miter ist, das in 
got ye ain solliches gebott yerUchen hatt. Sälig send dy fraind, 
vber aller saliger bist da das da ain sollichem herre macht getailt 
werden. Doch hat mir der edel jangling entpfolchen dir ynd allen 
rainen herzen ze sagen, wie wol das sy, das er geren wone in dem 
hanß elicher keuschait mit XXXfeltigem Ion ynd noch lieber aaff 
dem grenen feld witemlicher lauterkait mit LXfeltigem Ion, noch so 
feü er niendert lieber sein den in dem plienden garten mägtlicher 
rainkait, die da dret hundertfeltig frncht; l&g er hat yecz ain woll- 
gefallen an deinem keuschen leib, den er z& seinem laoteren diewi 
berait hat: seinen gdttliohen äugen gefeit das da jm dMa 



210 

in iod, du mostest wagen ob er wnrt ain zerer oder ain eepredier 
oder sin drincker oder ob er nymer gutten tag mit dir gelebt, dein 
h&zzig, dein veind, vnd die burdin musest nacht vnd tag ze bött ynd 
ze disch bey dir habenn. Gewonneetn den kain kind, so hett er kai- 
nen irid mit dir Ton der ynfrachtperkait deines leibs vnd hetteat 
ftn ewigs belangen vnd sennen nach kinder; gewonesta den kind, so 
wirt dir sorgen nymer paß, du wordest deinen ynwiderpriiJdi' 
eben schacz des plomen der magtlichait verlieren vnd alle jar 
ainest deins todXs wartenn, in nnlust vnd bledigkait vil monat 
schwerlich tragen, mit sterbender not schmerczlich geberoo, mitt 
grosser müe sägen vnd vber deine kind nimer &n sorg b^eibeiL 
Waffen! almechtiger Got mit wie maniger bitterkait eelicher leyt 
s&ligkait vberlat ist! Solt ich dir der eeleit druckt, angst vnd 
nott erzelen, so zenmn mir papir vnd federen, vnd darvmb, mein 
liebes kind, wirt wiczig an fremden schaden, folg mir vnd vberhebt 
diqh der hörten eeleüt angst vnd nott, ergib dich allaui dem herren, 
der allain herozen firid mag geben, dem, der da spricht: mein por- 
din ist ring vnd mein joch das ist siVßi nim war des rata sant 
Pauls, der spricht: nit, das gepotten sey von demm herren 
junckfrawe ze beleyben, aber ich ratt es, wan ich wolt, das alle 
menschen werent als ich, leg hin all vngeamott forcht vnd ain 
weyplich gemüt, merok ¥rie manlich ful der junckfrawe den sig irs 
Streits behalten haben, darvmb leg an ain manlich gemütt, gedenck 
wie dick du bis herr müUest absterben yecz füll jar deinen sund- 
lichen begirden, die dir weret dein muter, vnd das biUich, der ich 
hoff, du habest nun, denn grossen tcdl vberwunden mit manigem 
willen prächen ; war aber, das der veind alles g&ten * willen ymermer 
kumen wurt vnd deinem keuschen gemüt ainen man furhaben, so 
sprich als ze ainem mal sprach die haylig sant Agnes: gang von 
mir, du brand des tods, du merer der bofihait, vnd du r&ber aller 
rainikait, wan ich pin für kumen von ainem anderen mann der edler 
ist den du, sein vatter weiß vmb kainen sun, seine mutter vmb kainen 
man, die engel diennet jm vnd ab seiner scheny verwundert sich 
alles himlischs hör, von seinem r&ch werden lebentig die dotten, 
von seinem angreyffen werden gesunt die syechen, sein lyebin ist die 
edel keüschaitt, sein angreyffen ist ain lautter hayligkiut vnd sein 
veraingung ist magtlich rainikait. Aber das dich yemant wolt aie- 
chen mit werten oder wercken von deinem gutten fursacz, so 
sprich die wort der hayligen sant Agaten da man derselbe vil 
verhieß vnd fül darnach drewet, das sy aiuen man nem, do sprach 
sy also: mein gemüt ist gefestnet auf ainen starcken felsen vnd in 
Gristo Jhesn gestifb vnd gewitmet vnd darvmb so sent ewr wort 
der wind, ewrer trewon der regen, ewer erschrecken send wasser, wie 
wol ir an das hauß meins herzen stiment noch so muget ir es 
nit vmbwerffen. Diser saligen junckfrawe folg nach, so hab ich 
mein potschaft wol geworben. Nun laß mich au ainer kurcae wiasaiif 
was deinn maynung aey den Worten, da« ich meinem alten kemp 

.1 ■ ■■ .1 



212 

ans nicht. Den höheren Aberglanben, des WallenBteinB Astrologie, 
verstanden seine Soldaten nicht, die wie Pachhelbel höchstens noch 
von einem onheilvollen Kometen etwas wissen mochten. Wenn die 
zwei Mörder Deyeroox und Macdonald als Hauptlente ans „ Ge- 
frorensein ^ glauben und es offen aussprechen (W. Tod Y 2), so kann 
man das den abergläubischen Fremdlingen noch gestatten: Schiller 
streift aber damit hart an die Grenze des Unerlaubten in seinem 
Drama, das wol verlangt, dass schon im Lager auf die traurige 
Katastrofe, wiewol kaum bewusst, noch in weiter Feme angespilt 
wird. Wenn der erste Jäger dem Aberglauben, als sei der Genera- 
lissimus stich' und hiebfestj entgegentrit mit der Elendshaut: 

Er trägt ein Koller von Elendshaut 

Das keine Kugel kann durchdringen 
so streift dises Koller doch ser nahe an Aberglauben, wenn auch 
gerade bei im nicht. Das stich' und hiebfestsein konnte der ge- 
meine Mann und Soldat nicht recht von der Elendhaut trennen. 
Wallenstein trug ein solches Koller, das stet in mereren Berichten 
über in und so fand es Schiller. Terzky trug auch eines, auch er 
sei fest oder gefroren gewesen, erzält Antonio Paullini's Gurieuses 
Bücher-Cabinet, dritter Eingang, Göln und Frankfurt a. M. 1711 
S. 544, er muste zulezt mitMusqueten tötgeschlagen werden. Die 
Vomemen nur keimten solches Ledercollet tragen, für die andern 
war es zu teuer. Daher ist wol auch eine Reimerei aus jener Zeit 
„Elendhaut*' aufschlussgebend. Von einer Schönen aber Stolzen, 
Aufgeblasenen heißt es: 

Mein Fleisch und meine Haut ist einig für die Reichen, 

Es kann kein Leder sich mit meinem Leder gleichen. 
Vgl. den Bericht Forer-Gesners im Tierbuche XLa (1562): «Seyn 
haut aber gribt (von den weißgärbern mit häring- oder anderm 
Fischschmalz zubereit) gar gute leibgöller^ das sy ragen, so auch 
stich- und schwärtschläg aufhebt vnnd etwan an statt eines harmr 
sches eu vnsem eeiten angelegt wirt. Ein EUendshaut gilt etwan 
drey biß in vier Ducaten vnd wirt als vnderschidlich von einer 
Hirzenhaut erkent u. s. w.^ Im Norden sind die Hosen aus Elend- 
leder ser geschäzt. Der Aberglaube mit den ElendskUmen war im 
16. 17. Jhd. allgemein und volkstümlich: was konnte den Soldaten 
oder Bauern hindern in gleichfalls aufs Leder überzutragen? Man 
muß nur die Akkommodationsweise des gemeinen Volkes kennen. 
Zum Belege des Gesagten diene z. B. was Aberglaubens Forer und 
Tabemamontanus bringen. 

„Ellendsklawen wie N. N. schreiben, so man die am blossen 
halß vnd brüst hencke, dz'sy den fallenden siechtagen heile vnd 
den so da emider gefallen, schon schäume, z& stund erledige.*' In 
Polen sollen die Presthaften gefeilte Klauen im Wein zu trinken 
bekommen. „Etlich tragen ein ganzen klawen bey jnen, etlioh 
machen jnen ring darauß, die sy ansteckend.'' Gesner meint «was 
also der arzney gebraucht werde, da etwas Aber^^anbeD bey aein 



213 

innfi.^ AsBtat der „Ellendklawen** hätte man schon damals von 
Seite der Betrüger dem Volke Kuhklanen angehängt. Taberna- 
montanns (Ausg. 1592 S. 167a) sagt: „Es ist ein gemeiner Wahn, 
ein Ringlin von Elendklaw an die Finger gesteckt oder sonst wie 
man wöll, bey sich getragen, helffe für das Vergicht und fallenden 
Wehetagen. Ich h^bs oft versucht, aber keinerley hülff befan- 
den.* Der Glanbe verdankt dem Anblicke eines verendeten Elends 
mit den langen steifen geraden Beinen den Ursprung, heute noch 
üUioh. 

2 Wenn der Kapuziner sagt: drum kann er (Wallenstein) 
den Hahn nicht hören kr ahn — » der Wachtmeister : wenn der Hahn 
hrähtj so machis ihm Grauen — , der erste Jäger : das hat er mit 
dem Löwen gemein — so begegnen wir darinn wider einer altem 
volkstümlichen Anschauung. Bei Forer 102a stet vom Löwen : 
dises thier hat auch eine große forcht vnd schräckcn ab dem gügel- 
hanen vnd seinem geschrey, dermaßen, daß er von seinem kamben 
vnd gesang gantz erstaunet u. s. w. Vgl. dazu Boxbergers An- 
merkungen in seiner Ausgabe Schillers III 36, wo eine darauf Jse- 
lügliche Grabschrifb stet. — Ueber die Wal des Kapuziners stat 
Augustiners ein andermal. 

3 Das Drama fordert eine Vorgeschichte, eine kurze Schilderung 
der Persönlichkeiten die bei der Katastrofe in erster Linie beteiligt 
sind; änlich wie das Volkepos den Hagen Sigfrids Jugendzeit und 
Drachengeschichte erzälen läßt. So macht uns denn der bidere, an alte 
Mannentreue lebhaft erinnernde Wachtmeister mit dem traurigen 
WaUer Buttler^ dem heimatlosen Iren, bekannt. Der erste Jäger 
muß uns auch etwas Vorleben des Haupthelden Wallenstein erzälen 
und sa dem gehört ganz besonders das Studentenleben, wärend 
uns Gordon, der Wallenstein seine Stellung verdankte, aus der 
Burgaaer Pagenzeit , wo er mit im zusammenlebte , Mitteilung 
macht, auch ein Beitrag zur. Würdigung seines Benemens bei dem 
Morde. Also zur sog. Carcergeschichte in Altorf. Mich erinnert 
sie an die Teufelssagen des Mittelalters. Der Altfeind schließt 
einen Vertrag: er baut über Nacht eine Kirche oder Brücke; sein 
Lon ist die erste Seele, die hineintrit. Der Tag bricht an, das 
Werk stet fertig da : sih, da schiebt einer einen Hund, einen Bock 
oder gar ein Schwein vor und der betrogene Teufel fllrt aus Zorn 
mit davon. So habe W. seinen Hund in den Carcer geschoben, da- 
mit alter Sitte gemäß derselbe nicht seinen, sondern des Hundes 
Namen für alle Zeiten erbalte: daher er auch Hundeloch benannt 
ward. Antonio Paullini S. 485. 

Wir begegnen hier einem Studentenhunde wie im Faust dem Ma- 
gisterhund. Schiller und Goethe gebrauchen den Namen Pudel, was 
durchaus nirgends früher zu lesen ist. Das Halten der Studentenhunde 
adieint nicht einmal der Kraft- und Geniezeit vor 100 Jaren ent- 
^mngon zu sein. In Tübingen ist wol von Jagdhunden der Studenten 



214 

kurz die Bede, alleio in dem Sinne, wie wirf heute zu nemen gewont 
sind, begegnen wir nichts Aenlichem. Ich redete von der Kraftseit : der 
große Hund ist germanisch, sächsisoh, englisch, nordisch; der kleine 
Hund mit allen seinen Lastern romanisch. Der germanische Hund 
ist der Hofwart, er hat meist nur gute Eigenschaften, der kleine 
romanische schlechte. Pudel heißt in Alemannien der Hund schlecht- 
hin und anderwärts, besonders in den Volkssagen, jeder Hund 
mit zottichten Haren wie in Goethe im Faustbuche vorfieind. „'s 
Puddili ist yerkarret'' sagten die Bauern als mir mein junger 
glathariger Hund überfaren ward (Wurml. Tuttlingen). Die Doggen, 
die Bernhardiner haben den sog. Studenten-Pudel verdr&ngt. Aber 
wo studentische Verhältnisse in Rede kommen ist „ Pudel ^ üblicher 
und, möchte sagen, höfischer. Lessing und Schiller (Räuber) ge- 
brauchen „Budel''. Weigand Wb. H 403 belegt Pudelhund, Pudel 
seit 1678 und sagt, „es ist eine kraushaarige, gelehrige leicht zur 
Wasserjagd abzurichtende Hundeart **. Daher „budelnaß". Zeid- 
lers Lexikon XHI 1186 nennt Jagdhundenamen: Weydemann, Wald- 
mann, Euckebusch, Stockebusch, Elöckner, Küster, Cantor; die 
Wasserhunde: Budel^ Schütze, Spion, Taucher. Die rauhen und 
zottigten sonst Budel-Hunde genannt (S. 1183). „Diese Art Hunde 
lasset sich zu allerhand Künsten und Sprüngen am besten ab* 
richten.*' Daher als Studentenhunde beliebt; es sind warschein- 
lich die schon im 16.Jhd. gesuchten englischen Wasserhunde. Ich 
ziehe ganz keck das mittelniederd. und mitteld. bodele, Wasser- 
blase auf wallendem Wasser an ; pudeln schüttelnd und plätschernd 
schwemmen oder waschen. 

4 Zu der gelungenen Scene mit dem Bauer im Lager möchte 
ich den gewichtigen Zeugen aus der Zeit des SOjärigen Krieges, 
J, Ristf etwas sprechen lassen. Ich muß die wenigen Reime, deren 
Titel auch Goedeke, aber unbestimmt, anf%Lrt, aus Martin 2^eillerB 
Handbuch, Ulm in Verlegung Oeorg Wild Eysens a. 1656, 1. Teil 
S. 4 fiP. nemen, da mir das Original nicht zu Händen ist. Zeiller be- 
merkt vorher: zwar mancher Bauer, der doch sonsten wol fromm 
und einfaltig blieben wäre, zum wenigsten ein Bubenstücklein für 
sein Lehrgeld, so er den Soldaten geben im nächsten (gegenwärti- 
gen) Krieg, gelemet hat und viele so verschmitzt worden, daß 
man sie nicht für j^auersleute u. s. w. Von welchen Einer 
Reimen gemacht hat: 

„Man darfP nicht weit Soldaten suchen 
die Bauren können besser fluchen ^), 



1) und wo hört man mehr blasphemieren 

Ali hier in den Friedländisohen Kriegsqaartieren ? 

Und wo steht denn geschrieben sn lesen 

Daß sie (Josoa, Davm) solche Flnohmäuler gewesen? 



215 

als die nur reden frfth and spat 

was sie der Kri^ gelehret hat. 
Was sag ich femer vom Betrag 

vnd andern Schindereyen, 

die man nicht lehren (lernen) kann heim Pflag 

Und wo die Hirten schreien? 

Der Krieg kann bald in diesen Sachen 

aoß Baaren solche Künstler machen, 

and daß mancher der sonst viel versteht, 

sehr schwehrlich ihrer List entgeht. 
H. J. B. in Holsteins erbärmlichem Klag- and Jammerlied.*' 
6 Wenn der Kapuziner am Schlaße seiner Bede Wallensteins 
eigne Worte gebraucht 

Er müsse haben die Stadt Stralsund 

Und war sie mU Ketten an den Himmel geschlossen 
so war das damals eine gewönliche Bedensart, die bei Konstanz 
and Ueberlingen widerkert. Ich füre dahei noch an: „der Hom 
habe zu Gonstanz nicht in das Paradieß und zu Ueberlingen nicht 
in die Höll kommen können **. Von gleicher Allusion (sagt die 
Sehatikammer des Bosenkranzes, Kempten 1690 S. 278) ist auch 
liaoh dem ersten Sturm die Scherzred kommen: der Teuffei hab 
aoa „der Höll die Stadt Ueberlingen stürmen wollen**. Höll ist 
eine bekannte Stadtörtlichkeit in Ueberlingen, Paradies eine Vor- 
stadt in Konstanz; Teuffei war der Name eines schwedischen Offiziers. 
6 Zu der Gehässigkeit gegen Wallenstein, die alle Katho- 
liken in Deutschland besonders die Klerisei erfüllte und gleichsam 
volkstümlich war, (sih Kapuziner: 

Ja freilich ist er uns allen ein Stein 

Des Anstosses und Aergemisses usw) 
will ich aas Salem und Augsburg einen schlagenden Beleg mitteilen. 
In dem von einem Augsb. Benediktiner verfassten Buche : Summarischer 
Verlaofibegriff oder kurze wahrhafite Historia Schwed : Augsburg : 
denkwürdigen Sachen a. 1653 Augsb. Aperger, 4^ S. 67 wird frei- 
lioh irrig schon zum Jare 1533 bemerkt: „Entzwischen wäre die 
Wallstainische Conspiration wider Ihr Kays. May. vnd das Hoch- 
löUiche Hauß Oesterreich, ja wider das gantze Bömische Beich, der- 
^eichen keine bald zu finden, auß göttlicher Verhängnuß in Bö- 
heimb entdeckt und die interessierte oder zusammen geschwomen 
mit ihrem Haupt oder Bädelführer, dem Wallstainer selbsten, umb- 



Der Oaildorfer Pfarrer Georg Albreoht in seinem Fluch ABC Schwab. 
Hall 1644 klagt: vor Jahren war das Fluchen nicht so gemein, es 
flachten allein die Krie^sgargeln , die man darum Marterhansen ge- 
nennet — aber jetzo — flachen nicht nur die Männer u. s. w. — Goties- 
listem hat in Limpurg, in Geildorf überhand genommen, dermassen, 
daß fut nit ein Hauß, nit ein Mensch vnder uns zu finden, der nit mit 
denselben angestecket wäre u. s. w. 



216 

gebracht ynd zu verdienter Straff hingerichtet. Daß solche Gon* 
spiration denen Ängsburgem nicht gäntzlich unbekannt gewesen, ist 
aoß deme leichtlich zu erkennen, daß sich ein sonders wol jeder 
man bekandter ohngeferd zwo Monat vor, ehe solche Lasterthat 
entdeckt wurde, öffentlich in deß (schwed.) Statthalters B^hansong 
zusagen nicht gescheuchet: Es wären etliche newe Anschlag ob- 
handen, welche, da sie in das Werk solten gericht werden, wurde 
der römische Adler nicht mehr hoch fliegen/ (Reginbald Möhner 
hieß der Mönch.) 

Sebastian Bürster aus Salem (ed. v. Weech) drückt sein Stau- 
nen über das schöne wolgepuzte Eriegsvolk im Salemer Tale aus: 
„waß großen nuz hätten die kenden schaffen und verrichten wan 
kain betrug und fabchhait darbei wer gsein, hetten die Suedische 
alle zuemahl uff das kraut hinweg kenden freßen und in dem. 
Boden See kenden verseufen. So ist aber nichts wenigerß gedacht 
worden, dan eß ihnen zue schlagen vom Wahlstein verbotten ge- 
weßen, daß mier ain rüdtmayster Golinidsch sagte und auch vil 
andere, eß gange nit recht her, eß werde etwaß underm häÜem 
gespüU, sie hetten schon kenden schlagen, man wöll doch nit 
schlagen u. s. w. kayßer, soltest doch ain mal greufen, wie an- 
trew man mit dier umbgehet und so fälschlich underm hüetliii 
mit dür spült! Solutio: die hier ist zeitig worden und die kraid 
ainist an den tag komen, dan, wie volgen wird, ist der Wahl- 
stainer oder Früdlender erstochen und nach und nach die rädle- 
füehrer gefangen und eingezogen!" 

7 Wir finden Wallenstein im Verkere mit Seni vom Äherglau' 
ben befangen, der aber unvolkstümlich ist und sich auf die Astrth 
logie bezieht; volkstümlich ist, wenn auch nicht durchweg, die Ge- 
schichte mit der goldenen Kette, die in dem Augenblicke zerspringt^ 
als der Kammerdiener im Mantel, Ringkragen und Feldbinde ab- 
nimmt: „Aus Gewohnheit trug ich sie bis heut, — Aus Aber- 
glauben, wenn ihr wollt — Mir muß fortan ein neues Glück be- 
ginnen — denn dieses Bannes Kraft ist aus." Ich erinnere an: 
„das Ringlein sprang entzwei" im Volksliede und in Sagen, an das 
Glück von Edenhall, das in altadelichen Familientraditionen West- 
ÜBilens sich noch vorfindet. Ganz volkstümlich ist in der Unter- 
redung mit Pachhelbel, dem Bürgermeister von Eger: — Ihr saht 
doch jüngst 

Am Himmel die drey Monde? 

Davon sich zwey in blutge Dolchgestalt 

Verzogen und verwandelten u. s. w. 

Bürgermeister: Wir zogens auf den Türken. 

Wallenstein: Türken! Was? 

Zwei Reiche werden blutig untergehen 
Im Osten und im Westen, sag ich euch usw 
Dise Seite des auch aus dem Götz v. B. Goethes bekannten 
abergläubischen Wesens des 16. 17. Jhds. ist in den Historien, mer 



217 

ftb anem lieb, betont. Eine Anzal bieher gehöriger Waraeichen 
bringt Martin Zeillor Handbuch 1. Teil Ulm 1655, die ich, weil 
es gleichzeitige Mitteilnngen, hier abdrucken lasse. 

„Siehe meine 825. Epist. ynd viel wunderliche Exempel, die 
sich nur beym nftchsten Teutschen Krieg, die 30 Jahr über, auch 
etliche wenig Jahr suvor, ynnd seithero begeben, in den getruckten 
Relationen, vnnd sonderlich dem 6. Theil deß Europsischen Schau- 
platz, in Verlegung Herrn Matthiei Merlans, seeligen Angeden- 
okens, imd seiner Erben, am Franckfurt außgangen. Ich wUl nur 
atlich wenige allhie erzehlen. Als daß deß Jahrs 1643 über der 
Cihiir-Sftohsiisohen Festung Eönigstein, ein groß streitend Eriegs- 
heer su Boß ynd Fuß ist gesehen worden. 

Anno 1625 den 8. Maij, zu Mittag vmb zwey Vhr, hat man 
ma Leiptzig in der Luffb weisse Würmer sehen fliegen, in grosser 
Jf enge, ynd sehr dick in einander. Ghron. Lips. 

Anno 1628 den 3. August! ist in der Hinder-Pommerischen 
Statt Schlawe gegen dem Abend ymb 7 ynd 8 Vhr ein ynge- 
^^rohnliches weisses 'Greutz in der Lu£ft gesehen worden, darüber 
mUh m&nniglich hat yerwundem müssen. Es ist yom Norden kom- 
anen, ynnd hat sich dem Süden gewendet, daß es den gantzen 
JHorisont ymb die Statt, so wol nach der Länge als Breite, be- 
^prifiim. Ob es nun ein Vorbott der Pest gewesen, die darauff deß 
Orts gefblget isti oder ob es noch ein grössers bedeute, ist Gott be- 
gannt; saget Microlius lib. 5 Pomer. p. 215. 

Anno 1648 den 20. Jenner, seyn bey dem Stättlein Seelow, 
Sn der Marek Brandeburg, Abends zwischen 7 ynd halb 9 Ybren, 
^bnty Wnndersteme gesehen worden. 

Anno 1642 den 24. Brachmonats, ist zu Piritz in Pommern, 
^fachts, eine Todtenbaar im Mond erschienen, welche etliche Stun- 
den gestanden, ynd yon vielen Leuten gesehen worden. 

Anno 1629 hat man zu Brück an der Leytha, in Nider- 
Oesterreich, im Felde zwey grosse Kriegsheer miteinander streiten 
Igeaohen. 

Im Jahr 1643 hat es yngefehr vmb den 10. Jenner, hinder 
dem Schloß Bobenhausen, in der Wetteraw, ein vngewohnliohes 
Teaentralen Schiessen gehabt, vnnd ist auch Fewer davon auff die 
Srden gefallen. 

Anno 1647 den 12. Mertzen, Abends vmb 7 Vhr, istzuBuchau 
sun Federsee, ein halbe Stund lang, Fewer, so klein, wie Regen 
irom Himmel gefallen, daß die Schiffer auff dem See vermeynt, sie 
würden mit den jhrigen verbrennen. 

Anno 1645 den 17. vnd 27. Aprilis, Abends zwischen 5 vnd 
6 Yhren, hat man zu Dinckelsbühl, vor dem Segeringerthor, die 
Sonnen gantz Blntroth gesehen, daß auch auß denselben ein vn- 
nhlbare Meng blaw, schwartz vnd fewrige Kuglen, wie Granaten 
gefahren, die sich hin vnd wider vertheilt, viel über vnd in die 
Stett, in der Gegend deß weissen Thurns, gefahren seyn. Hernach 



218 

den 9. — 19. Henmonats, ist die besagt« Statt voller kleiner weissen 
Yögelein geflogen, welche, ausser daß sie Flügel gehabt, vnd etwas 
grösser gewesen, den Omeissen gleich gesehen haben. 

Vmb das Jahr 1622 ist ^e Statt Oroßglogaw in Schlesien, 
fast gantz abgebronnen. Niemand hat recht wissen können, wie 
das Fewer außkommen. Die Hirten anf dem Felde haben damahls 
über der Statt, in der Lofft, zween grosse Männer miteinander 
ringen gesehen, vnnd ist darau£P das Fewer wonderbarlich, von 
einem Ort zum andern, über Eck gesprungen, vnd femers an* 
gangen. Antor tom. 4 Theat. Eorop. fol. 974a Anno 1646 nach 
Eingang deß Wintermonats, Hesse sich allhie zu Glogan, am Him- 
mel, wider ein merckliches Wnnderzeiohen sehen, in Gestalt zweyer 
gegen einander streitenden Heeren, woranff endlich sich , eine grosse 
Rnten herfür thate, die sich gegen Polen gewendet hat 

An dem Tag, an£P welchem deß Jahrs 1633 den 1. Wdn- 
monats, der Hertzog von Friedland, den Schwedischen General Du- 
balden, vnnd den alten OrafiEen von Thnm, bey Steinaw, in Schle- 
sien geschlagen, vnd sie gefangen, hat man über Golberg in Pom- 
mern, ein groß förmliches schwartzes Grentz, an den rothen Wol- 
cken gesehen. 

Anno 1644 den 18. — 28. Wintermonats, hat sich zu Minden 
in Weetphalen, Nachts, der Himmel Creatzweiß eröffnet, daß das 
Fewer über gedachter Statt gestanden, vnnd die Sohildwacht vor 
deß Herrn General von Königsmarck Hof hell vmbleuchtet hat. 

Anno 1654 den 24. Hornung, frühe zwischen 4 vnnd SVhr, 
ist in der Lufft es hin vnd wider gefahren, vnd gezischet, welohes 
endlichen bey hellem Himmel gegen Nordosten sich gesetzet, vnnd 
anzusehen gewest, wie von obenher eine grosse gewundene mit 
einem krummen langen Schwantz sich erstreckende Schlange, so 
fast eine Stund gestanden. Dergleichen Wunderzeichen haben sich 
mehr hin vnnd wider begeben. Augustin. Limmer, in der Rela- 
tion, von der Leiptziger newen Jahrs- biß Ostermeß dieses 54. Jahrs 
pag. 37. 

Zum Beschluß, will ich noch einer sonderbaren Geschieht, auß 
deß Adelarius Erichs Gülchischer Ghroniok gedencken, obwohln sie 
eygentlich vnter den obgesetzten Titul nicht gehörig ist. Der 
schreibet nun, im 6. Buch am 14. Gap. daß deß Jahrs 1592 wenig 
Zeit, nach deß Hertzogen Willhelms zu Gülich vnd Cleve Todt, im 
Mertzen, der Sturmwind zu Emerich am Rhein, im Fürstenthumb 
Gleve, im Kloster S. Hieronymi ein Esche auff dem Stamm mitten 
von einander gebrochen vnd als man sie zu schneiden vnnd zer- 
scheitem ließ, habe man in einem jeden Schnitt vnd Spalten et- 
liche Hauffen Kriegsvolck abgebildet gesehen, darunder Trummel- 
schläger, Fenderich etc. gemeine Soldaten etc. allerdings, als ob sie 
mit Fleiß also abgemahlet wären, zuerkennen gewesen etc. Was 
hierauff, als hocbgedachten Hertzogen Herr Sohn Anno 1609 her- 
nach gestorben, vor Krieg vnd Ynmhen in selbigen Gülohischen 



819 

Landen vnd noeh Ynlftngsten erfolgt, daa ist noch zum Theil in 
frischer Gedächtnaß. ^ 

Dasn füge ich einen Bericht des Hauptmanns Bemal Diaz 
del Gastillo über die Eroberung Neu-Spaniens (ed. Ph. J. von Reh- 
fiief, Bonn Marcos 1838 8 Bd. S. 284): 

„Die Mexikaner erzählten Folgendes, was sich kurz vor unsrer 
Ankunft in Nen-Spanien zngetragen hatte. 

Am Hinmiel erschien ein Zeichen in runder Oeetalt, wie ein 
Wagenrad, dessen Farben zwischen grün und roth spielten. Kurz 
darinf erhob sich ein zweiter ähnlicher Kreis, der sich gegen Osten 
in Bewegung setzte, und mit dem ersten vereinigte. 

Moteousuma, der damals schon das große Reich regierte, ließ 
ssine Priester und Wahrsager vor sich kommen, und gab ihnen 
auf, dieses nie gesehene Himmelszeichen zu beobachten und zu 
denten. 

Die Priester fragten ihren Ck>tt Huitzilopochtli, und erhielten 
die Antwort, daß das Meteor große Kriege und schwere Pestilenz 
bedeute, und daß man Menschen-Opfer anstellen müsse. 

Kurz nach diesem Himmelszeichen erschienen wir in Neu- 
Spanien, und zehen Monate darauf kam NarvaSz und brachte einen 
N^ger mit, der die Pocken hatte. Dieser Unglückliche steckte 
simmtliche Einwohner von Sempoalla an, von wo aus sich die 
ftirchtbare Krankheit, wie eine wahre Pest, über ganz Neu-Spanien 
▼erfareitete« 

Wie wir nun in der Nacht der Trübsal den blutigen Rückzug 
ans Mexico machten, auf dem uns von dreizehenhundert Mann, 
die wir in diese Stadt eingezogen waren, fünfhundert und fünfrig 
getödtet und den Götzen geopfert wurden, fand man die Deutung 
jenes Himmelszeichens vollkommen bestätiget. Diese Sache erzähle 
idh wörtlich den Mexikanern nach, wie sie das Meteor in ihren 
kieroglyphisehen Schriften abgebildet, die wir immer als zuverlässig 
belnnden haben. 

Folgende Erscheinung habe ich aber mit meinen eigenen 
Augen gesehen, und Jeder, wer wollte, hat sie sehen können. Im 
Jahr 1527 wurde bei Nacht ein Zeichen am Himmel sichtbar, 
welches vollkommen die Form eines langen Schwerts hatte. Es 
stand zwischen der Provinz Panuco und der Stadt Tezcuco und 
blieb ganzer 20 Tage hindurch anveränderlich. Die Mexikaner 
deuteten es auf eine Pestilenz — was auch eintrat.** ABirlinger 



Der geisüiche Vogelgesang 

Im 17. Jarhundert entstand im südwestlichen Deutschland ein 
Lergedicht, welches an den Gesang und das Oebaren der Vögel 
HHry^ Betrachtungen und Vorsehriften der Lebensweisheit an- 



220 

knüpfte. Bereits 1650 erschin es in Angsborg im Dmck. Seit- 
dem muß es vilfache Verbreitung gefunden haben. Aus dem 18. 
Jarhundert sind merere Drucke und handschriftliche Anfeeichnungen 
erhalten. Die Herausgeber des Wunderhoms namen es in dem 
dritten Band, der 1808 erschin, unter die Einderlieder auf. Eü» 
sorgfältige kritische Behandlung erfur der Text durch W. Wacker- 
nagel (Yoces variae animantium 2. Aufl. 1869 S. 112 ff.). Zulert 
ist diser geistliche Vogelgesang in der Ausgabe des Wonderhoms 
von Birlinger und mir II S. 455 ff. abgedruckt. 

In änlicher Weise, aber in breiterer Ausfurung, hat bereits 
1593, ebenfalls im südwestlichen Deutschland, ein mir sonst nicht 
bekannter Dichter, Johann Jakob Gugger^ die Stimmen von yier 
Vögeln geistlich ausgedeutet und Warnungen vor Oottesyeracbtung, 
Kezerei, fleischlicher Sicherheit und Sünden aller Art daraus h^ 
geleitet. 

Obgleich das Gedicht Guggers in Freiburg gedruckt ist, könnte 
der Verfasser doch ein Baier sein. Er hat jenes nemlich dem 
Probst zu Bayrdiessen gewidmet. Diessen aber, zum ünterschid 
von Schwabdiessen auch Bayerdiessen genannt, ist ein Marktflecken 
am Ammersee, wo sich ein Stift regulirter Ghorherm befand. Da 
die Sprache des Gedichtes sich an die damals bereits durchge- 
drungene neuhochdeutsche Schriftsprache anlent, so läßt sich da- 
raus über die Herkunft des VerfSsissers nichts bestimmen. 

Der Druck in 4^ bestet aus 7 Blatt, jede Seite ist mit einer 
reichen, bald schmälern, bald breitem Zierleiste eingefisJ^t. Titel: 
Vier Chriftliche an- \ zeygungen vnd bedeütungeti, In \ difer 
frftlichen angehenden Somers zey- | ten luIUg zubeher- 
tzigen : Warumb der liebe Allmechtige | Gott den vier nachfolgenden 
Vögel, dem Gnckguckh, der | Ganß, dem Raben, vnd der Eulen, 
jr angebome ftimm al- | fo angeordnet vnd erfchaffen habe, alles 
in Teütfche Rey- | men verfaffet, vnd zu vnderthenigem wolge- 
fallen, | auch gebürenden Ehren dediciert, | vnd zugefchriben, || IjSm 
Ehrwürdigen in Gott Geift- | liehen Herrn, Herrn Baltha- 
farn, Probfte | deß würdigen Gottshauß vnd Elo-jfters 
Bayrdieffen. Meinem | Gnedigen Herrn. || Durch: | Johann 
Jacoben Gugger. | Getruckt zu Freyburg, im Jar M.D.XGHL 

Auf der Rückseite des Titels stehen folgende Verse: 

Vier Vögel hie, nit alfo fchlecht, 

Wie man Ce licht, merck mich jetz recht, 
Anschawen folt, gantz wol betracht, 

In folch jr Gfang, Gottes Allmacht, 
Dann die all vier, erinnern dich, 

Wie diß Leben fey zerg&ngklich, 
Das künfftig aber Ewig werdt, 

Wol dem der Chriftlich darnach fibrebt. 

Mit Aij b^nnt darauf das Gedicht : 



221 



Zum Chriftlichen Lefer 

Nach dem ich hewr in Sommers zeit 

Hit einem Mafi durchs feld hinfchreit 
Vnd kommen thet wol in das holtz, 

Hdrt ich gar manchen Vogel ftoUz 
5 Singen mit ftimm nach jrer art, 

AUda ich eiogedencken wardt 
Des lieben Gotts AUmechtigkeit, 

Der folchs gefchaffen weyt vnd breit, 
Himmel vnd Brd, Menfchen ynd Thier, 
10 Die Flfoh im Meer vnd Yftgel hier, 
Die Loben oR nach jrer art 

Mit jrer (timm den Sch^pffer zart, 
On zweyffel Idagen fie auch Gott 

Ir Jammer, trAbfal, angft vnd noth, 
16 Wie folchee Damd auch bekennt, 

Vnd die Baben mit Namen nennt, 
Darzn Paulus der heylig Mann 

Zun Römern am achten zaigt an, 
Das alle Creatoren fich 
20 S&hnen vnd &ngften Mttiglich, 
Diß als ich in bedencken nam, 

Vnd aufiP die vier Vögel kam. 
Doch nicht wie die Egyptier, 

Oder die Gottloß Z&uberer, 
25 Die all jr Glück vnd Vnglück frey 

Stellen auff der VAgel gefchrey 
Vnd ander Aberglaubens mehr, 

Daruon Ich hiemit ProteXtier. 
Sonder diß alles Geyltlich bdacht, 
80 Darzu mich Peters Han hat bracht, 
Der Han das zettergfchrey volbracht, 

Bald Petrus an fein Sund gedacht, 
Sah fich bald vmb gantjs trawriglich, 

Vnd beweinte fein Sund bitterlich. 
85 Alfo folln wir vns all anfehen. 

So offt wir hören den Hanen kr&hen 
Vnd andere Trawrzeychen mehr, 

Derhalb vns in der zeit bekehr, 
Von vnfem Sünden laufen ab, 
40 Die Bfiß nit fparen biß inns Grab, 
Sonder wend dich zu Gottes Son, 

Deinen Heylandt vnd Gnaden Thron. 
Zweyffel auch nicht an Gottes Gnad, 

Wie Judas der Verr&ther that, 
46 Erhenckt fich felbft, vnd praft entzwey. 



222 



Laß dirs ein fchrAck Exempel fein. 
Vnd halt dich veßt an Jefam Chrift, 

Der nach vns ficht zn aller frift, 
Naiget fein Haupt gegen vns fehr, 
50 Zu hdm vnfer Bitt vnd beger, 
Zaigt vns auch feine Wanden rodt, 

Damit er vns erlftffc vom todt, 
Sein Arm auch außgeftrecket f indt, 

Zu vmbfahen vns Arme Kindt, 
55 Drumb ich Dichter dich fleifßg bitt, 

Wilts nit loben, I&ftera auch nit, 
Vnd merck mit fleiß wie ichs jetz mein, 

Mein lohn ift gring, Welt danck ift klein, 
Gott aber erkenn das Hertze mein. 

Vom Guckguckh 

60 Der Guckguckh fchreyt zur Lentzes zeit, 
Vnd vermeldt vns des Sommers freüd, 
Vnd rftfiFt gwikh guekh on vnderlaß, 
Merk auff was da bedettttet daß. 
Weil aU drey Ständt wol in der Welt 
65 Sich aU zu vU gantz lAffig fbelt, 
Da rAffet er all Q-epftUchen^ 

Das fie follen ftndieren gern, 
Vnd guckhen in die SchHfft wol vmb, 
Auch geben acht auff Ghrifti füm, 
70 Der jn gibt recht Inftruction, 

Das fie in ^feinem Namen fchon 
B&ß vnd Vergebung Predigen folln, 

Weh den, die es nicht hdren wolln, 
All jrrthumb, Sect, vnd Eetzerey 
75 Zu wider legen fleiftig fey, 
Auch Oberkeyt vnd Vnderthon 

Auß Gottes wort berichten fchon, 
Loben auch felbfb in Ewigkeit, 
Das gefeit Gott zu yeder zeyt. 
80 Darzu rMt auch der Guckguckh fein 
AUr Oberkeyt^ groß, hoch vnd klein. 
Das sie seinr ftimm folln nemmen war, 

Vnd guckhen in jr hmpter zwar. 
Das es recht gehe zu jeder zeit, 
85 Vnd nicht befchweren Arme LeÜt, 
Sehen auch auff jr Dimer eben, 

Was fie für gfchwinde Ffactick geben. 
Mit aufflatz vnd befchwerung vil, 

Welchs doch den Herrn nit ttvtMn will, 
90 Vil Vdgte^ Schreibir vnd Amptfifel 



228 



Haben hieuon die befte Beut, 
Darüber vil Herrn werden Arm, 

Die Diener Reich, welche Gott erbarm. 
Deßhalb fo riUQPb der Gackgnckh recht, 
95 Du Oberkeyt guckh aiuff dein Knecht, 
Halt auch ein Vifitation 

Mit deinem Hoffgefindt gar fchon, 
Schreib an£P was er f&r 6&t so klein 

Hat, ehe er ward ein Diener dein, 
100 Darzu addier Tein DienXtgelt zwar. 

Das du jm gibft ein gantzes Jar, 
Snmmiers vnd halts gegen leim G&t, 

Ynd gnckh wie er Haoßhalten th&t. 
Der Guckgnokh rAfit auch jedermann 
105 Mann, TFetd, Vnd wie ichs nennen kan, 
Das jeder guckh in feinen Standt, 

Brauch jn mit Ehm ohn alle fchandt, 
Hab Glaub vnd Lieb auffrichtig fein 

Gegen Gott vnd dem N&chilen Tein, 
110 Furcht Gotty halt Oberkeyt in Ehm, 

So wirdt Gott Glück vnd Heyl berchem. 
Das ift des Qwikgucka Vogdgfcmg: 

Der Widhopff jungt im koth vnd ftanck, 
Alfo wir auch empfangen werden 
115 Im koth der Sflnd au£P difer Erden. 
Drumb guckh gantz wol das eilend leben, 

Daruon man miß Gott rechnung geben, 
Das will ich dir jetz rathen eben. 

Von der Ganß 

Die Arm dürftig Ganß fchreyt. Ach, Ach, 
120 Solche bedeüt gwiß groß vngemach 
Vber die ffroffe Sicherhetft^ 

Darinn die gantze Welt jetz leyt, 
Vnd will vns hiemit zaigen an, 

Was Gott der Herr im Ann th&t han, 
125 Das er vmb der Welt boßheit zwar 
Wirdt ftrafTen gwiß gantz ofiFenbar 
Mit Peftilentz vnd Thewrung gfchwindt, 

Darzu mit Kriegen, wie fie fingt; 
Dann weil der fromme liebe Gott 
130 Trewlich vns warnet one fpott, 
RiUft vns mit V&tterlicher Xtimm 

Zur Bfißy ich bitt mich recht vernimm, 
Das mehrfte theil gehnt aber hin, 

Es hdrts, vnd fchlegts bald auß dem finn, 
186 Veracht die Geyfblich Oberkeyt, 



224 



Vnd lebt in Sünden alle zeyt, 
Laffet die Gnadftand laii£Fen auß, 

Schl&gt Zeichn vnd Wander in die paoft, 
Nimbt auch der ftraffen keiner wahr, 
140 Erf&afit in allen Laftem gar. 
Rennt mit gewalt der Hdllen zfi, 

Ynd macht im felbft Ewig Tnrh&: 
Dramb fchreyt die Ganfi bilHch, Ach^ Äch^ 

Das wir dem End nit dencken nach. 
145 Derhalb Cch yederman befinn, 

Wa er zu letzt will fahren hin, 
Dann weil yetznndt vil Ketger fein, 

Die Wort Yhd Sacramrat gantz rein 
Verf&lfchen wollen Tnuerfchampt, 
150 Ynd fich doch rAhmen allefampt, 
Als das Ae rechte Ghriften weren, 

Welche doch nnr die Leat verf&hren 
Mit jrer falschen Lehr gefchwindt, 

Ach Gott Xtra£P folch Teüffels Oefmdt. 
155 Auch fchreyet die Ganß Ach ynd Layd 

Vber OwaU vnd YngreehHghayt^ 
Darza vber den Bekihm itfam», 

Der nun fein aygen nutz ficht an, 
Ynd fehindt der Annen fleifch vnd bl&t, 
160 Das marckt auch aoß den knoden gut. 
Die Lieb vnd hilff will nit mehr fein, 

Es wird verßlfeht Bier vnd der Wein, 
In Elen^ Maffen^ vnd Gewicht 

All BAberey ifb auffgerioht, 
165 Vnfauberkeit man mifchen Ihfit 

Ynder das fchftne Trayde git^ 
Ynd gibts au£Ps theürfb dem Armen Man, 

So ers in feiner Noth foU han. 
Ach, Ach vnd wehe^ vnd aber wehe, 
170 Wie will man doch vor Gott beftehn, 
Wann man fiftr fein Gericht foll gehn. 

Yom Raben 

Der alte fchwartz vnachtfam Rab 

Der Ichreyt on vnderlaß grab, grab, 
Ynd obs gleich ilt fein Aygen ftimm, 
175 Die Gott der Herr hat geben jm, 
So ift fie doch vergebens nicht 

Yon Gott dem Herren fo zu gricht, 
Dann difes Yogels Gfang zaigt an, 
Das fich bedencke jederman, 
180 Das er einmal hie fterhlich fejß^ 



225 



Vnd keiner von dem Todt fey frey, 
Wie vns die Schrifft anch kl&rlich meldt, 

Den Todt vns für die Nafen ftelt. 
Noch fAbrt die Welt ein dnmmen fin 
185 Vnd lebt in allen Laftern hin: 
Die Ketzer f&lfchen Gottes Wort, 

Vnd richten an groß Seelen Mordt, 
Der Türgkifch Hundt ft&ts einher bricht 
Ins Teütfche Beich, wie man wol ficht, 
190 Wider die Arme Ghriftenbayt, 

Vnd th&ndt jn an groß Hertze laydt — 
Das grab, darzu das Jüngft gericht, 
Wirdt bey jnen betrachtet nicht. 
Alfo geht es mit andern anch, 
195 Welchen der Gott nnr ift jr Banch, 
Die Epicurifi^ Mhftfchtoeiny 

Die Leben in den fanß hinnein, 
Als wer kein ander Leben nicht, 
Verachten Gott vnd fein Gericht, 
200 Der Name Gottes wirdt gefchendt, 
Sein Wort veracht an vilen Endt, 
Vngehorfam nimbt vberhandt, 

Haß, Neyd, Vnzucht will fein kein fchandt, 
DiebstaU, Geytz, vnd der Wncher groß, 
205 Liegen vnd das groß Affterkoß, 
Verleümbden, Schmehen, falfche klag, 

Nimbt vberhandt, merckt was ich fag. 
Derhalben rAfft billich der Reib: 

Bedenck dich Mehfch, fchick dich zum grab, 
210 Vnd Xteh von deinen Sünden ab. 

Laß dirs layd fein, vnd Glauben hab 
An Chriftum Jefnm Gottes Sohn, 
Den Einigen Genaden Thron, 
Der vnferthalb auch lag im Grab, 
215 Darmit er vns zuuerftehn gab, 
Das wir auch alle Iterblich fein. 

Weil wir von fleifch, haut vnd von bein 
Von Adam alle kommen her, 

Beladen fein mit Sünden fchwer, 
220 Chriftus aber all vnfer Sündt 

Befcharren in des Grabes grundt, 
Er wider Aufferstanden ift, 

Ein ander Wohnung zugerüfb 
Denen fo an jn Glaubig fein, 
225 Vnd abfteheut von Sünden fein, 
Solchen Ibll fein das jrdifch Grab 
Nor ein SoUaffkamer, wie ich fag. 

mt 15 



226 



Vnd wie ChriTt anflPerftandeii iH 
Alfo follen fie zq der £rift 
230 Aach widemrob reizi anfferXtelm 
Vnd in das Ewig Leben geho, 
Die fiob aber beke&en nicht, 

Fragent nicht nach Gottes Gericht, 
Die werdent aoß dem Ghrab hinnein 
285 Gehn wol in die Ewige pein. 
So offt du nun th&Xt hdren fein, 

Den Rabn das Grab anßfohreyen fein, 
So bedenck dein Endt ynd Ichick dich drein, 
Tracht nach der Frewd, hAt dich vor pein, 
240 Das Rath ich dir von hertsen mein. 

Von der Eulen 

Die groffe Eül man Hu Hu nendt, 

Air menfch anfF Erdt diefelbig kendt, 
Dife führt wol ein kl&glich jRimm 

Des Nachts, das man Xich f&roht vor jm, 
245 An wAXten Orthen fie Xich holt, 

Vnd dnrchwandlet die groffe Welt, 
Des tages fchlafft vnd ficher ift, 

Zur Nacht an heulen jr nichts gbrift, 
Vnd fchreyt on vnderlaß Hu Hu^ 
250 Der kl&glich Stimm hdr eben sn, 
Dann difes heulen zayget an, 

Wie es dem Gottlofen werd gähn, 
Der jetz den tag des Heyls verjbhlftfit, 

Vnd wartet nur der Sund gefch&fft, 
255 Lebet im Werkh der Finflemiß, 

So folget dann endtlich gewiß» 
Wann er all Warnung hat veracht, 

Vnd Gott mit jm ein Ende macht, 
Das er von difer Welt jetz fehrt, 
260 Das Hellifch fewr wirdt jm befchert, 
Da hebt fich an groß hertze laydt. 

Ach vnd wehe werdt in Ewigkayt, 
Das ift jamer vnd grolle noth, 

Vnd fchreyen in den flammen roth, 
265 Mit Zeenklappem man heulen thftt. 

Solches bedeüt der Eulen m&th. 
Dammb du lieber HenTch bedenok. 

In Sünden dich nicht willig fenck. 
Brich deinen bAfen lüften ab, 
270 Vnd merck wol draoff was ich dir XSftg. 
Thfi Bftß, vnd Glaub ftarok feft vnd rein 

An Jefam Gbrift den Heylandt dein« 



227 

Aii£F daB du nit kombft an diß orth^ 
Da Ach vnd wehe it&ts wirdt gehört, 
275 Sonder fchiok dich zum Himmels Thron, 
Da du mit GhriXto Oottee Sohn 
In Ewigkeit mftgft leben fein, 

Frdlich vnd g&tter dinge fein, 
Wünfch ich allen wol in gemein, 
280 Milsiiia meldt den Namen mein. 

Bemerkungen 

1 hewr hener, in diesem Jare. — 2 hinschreU^ ursprüngliche 
Form jes Praeteritnm, wofür jest hinschriü mit dem Vocal des 
Plnralis eingedrungen ist. — ^ ich ward eingedenken, eine sohon 
im Mhd. gebräuchliche Umschreibung des Verbs, welche dem La^ 
teiniachen ,,meminis8e coepi** entspricht; in nhd. Zeit besonders im 
Volkslied und überhaupt in vollütümlichen Schriften angewendet. 
Das von ingedenke (eingedenk) hergeleitete ingedenken findet sich 
schon mhd. als substantiviisrter Infinitiv (vgl. Lexer n. d. W. tn» 
bOden). Im DWB ist als Verb eindenken und ingedenken, aber 
nicht eingedmken verzeichnet — 18 eun (zu den) Bömem ad 
Bomanos. — 18 eaigt; der Diphthong ai findet sich noch in dem 
Verb jer«t^cn V. 51. 123. 178. 251, naiget 49, U^d oder laydt 156. 
191. 210. 261. mgrechiigkayt 156, aygen 158. 174, trayde 166, 
CkristenhafftX^O^ Ewigkatft 262. Sonst stet für mhd. ei bereits 
ei oder ey; es ist demnach in Freiburg zu Ende des 16. Jarh. 
die bairisch-österreichiscbe Lantreihe ei (U bereits durch die fränkisch- 
obersächsische e» et verdrängt. Vgl. Zarnke Narrenschiff S. 274. — 
20 shhnen, mhd. senen. — 21 als alles. — 21 in bedeneken nam, 
mhd. ein bedenken nemen, neben disem findet sich nhd. schon bei 
Luther in hedencken nemen s. DWB. n. d. W. — 23 frey, oft 
Tersioherungspartikel, und nicht selten als Flickwort im Reim ge- 
braueht; hier könnte es allerdings auch im Sinne von offen unge^ 
mert gemeint sein. — 38 bekehr^ des Reimes wegen für bekehm. 
So ist auch V. 75 im Reim sey für seyn gebraucht, obgleich der 
Diditer nicht überall im Reim genaue Uebereinstimmung im Schluft- 
consonanten verlangt, vgl. V. 169 ff. wehe: beaiehn: gehn, — 45 
fraet barst, von dem mhd. noch aligemein üblichen breeten, wofür 
seit Luther das nd. bersten zur Geltung gekommen ist. — 56 
wQta wolle es; hier ist wol eine Vertauschung der 2. Sg. Prites. 
(dm wOt) und des Imperativs weUe anzunemen. — 57 jetg so auch 
118. 122. 258. 259, jeder 84, jederman 104. 179, yeder 79, yeder- 
man 145, yeUnmdt 147. Die Aussprache ist wol die diphthongi- 
sehe (vgl DWB. IV, 2 Sp. 2275 n. d. W. je und 8p. 2317 u. d. 
W. jetst), obgleich in unserem Gedichte der Reim nirgends Anhalt 
fswftrt. Die Anwendung des j im Druck ist nicht entscheidend; 
isnn in allen Formen des Pronomens der 3. Person (jm jn jr) 

in jrthum und jrdisch ist j statt i gesezt, wogegen die Prä- 



228 

Position in (sowie im = in dem) ich nnd ist immelr mit i gedruckt 
werden. Vgl. zu V. 142. — 59 erkenn 3 Sg. Gonj. = erkenne, 
wenn nicht ein Dmckfeler für erkent vorligt. — 65 sieUf des 
Reims halber ist in einer Art von constrnctio xutä avvsoiv (all drey 
' Ständt = jeder der drei Stände) der Sing^ular für den Plnralis ge- 
sezt. Vgl. zu V. 133. — 71 schon altes Adverb, wofür wir jezt 
das umgelautete (adject.) schön gebrauchen. Es ist übrigens häu- 
fig, und zwar nicht nur in dem vorligenden Gedicht, Flickwort im 
Reim. Vgl. V. 77. 97. — 75 sey, vgl. zu V. 38. — 83 ewar för- 
war (aus ze wäre in Warheit), nicht selten Flickwort im Reim, so 
V. 100. 126. — 86 eben genau sorgfältig. — 87. gsckwind ge- 
schwind (ungestüm kün); Practick, wie franz. pratiques, Ränke, 
unerlaubte Kunstgriffe. — 89 auffsatz Auflage. — 90 rtfft^ so auch 
V. 104. 131. 208; es ist abzuleiten von dem schwachen Verb ahd. 
hmofjan, mhd. ruofen und rüefen, welches sich auch im Nhd. er- 
halten hat, vgl. Brants Narrenschiff 38, 43 und 65, 94, wo rüefft 
wol auch Praes. Ind. sein wird. — 105 ichs ich sie. — 109 gegen 
mhd. und auch noch im 16. Jarh. allgemein mit dem Dativ ver- 
bunden. — 113 ^un^ei} schon mhd. = jung werden, vgl. DWB. — 
118 eben s. oben zu V. 86; hier, wie auch sonst allgemein, Flick- 
wort im Reim. — 122 leyt, mhd. lit, ligt. — 133 gehnt, Plural 
nach das mehrste theil, — 137 lauffen auß, auch sonst in dem 
Sinne von ablaufen^ das Bild ist wol von der Sandur entlent, vgl. 
DWB. u. d. W. — 138 Schlägt in die pauß = schlägt in den 
Wind. Es ist kaum an das aus dem Lat. entlente Pause zu den- 
ken; eher an ein Subst. zu dem Verbum phnüsen pfüsen püsen 
(blasen) in der Bedeutung von „Wehen, Wind^. Allerdings kann 
ich ein solches in oberdeutschen Dialekten nicht nachweisen (das 
von Schmeller angefürte „nach der bauß oder pauß'', d. h. „in 
Fülle** gehört wol hierher, aber das zu Grunde b'gende Verb hat 
die Bedeutung „anschwellen** angenommen). Von dem entsprechen- 
den nd. pusten gibt es ein Subst. püsty gewönlich als atem ge- 
fasst, doch sollen auch Redensarten vorkommen, wie in de püst 
gän^zn Grunde gehen. — 142 im; sonst wird festgehalten, daß 
die Dat. und Acc. des Pronomens jm und jn gedruckt werden, 
s. zu V. 57. — 146 Wa wo. — 160 marckt felerhafl für Mark. 
— Enoden, man erwartet Knochen und ist geneigt das im Text 
stehende Wort als Druckfeier anzusehen. Da aber Knoden d. h. 
Knoten sich merfaoh mit Knochen berürt (s. DWB. u. d. W. Ktiote), 
so wäre zu untersuchen, ob hier nicht eine volkstümliche Wendung 
zu Grunde ligt. An Knote im Sinn von „Gelenkknochen** ist 
nicht zu denken, da dise gerade kein Mark enthalten. — 163 
Elen, mhd. de neben eUe und eine ein eilen, nhd. Elle. — 163 
Maffen = Maßen. — 166 Trcofde, auch mhd. einzeln treide statt 
getreide getregede. — 184 Noch trozdem dennoch. — 184 dummf 
ahd. und mhd. tumby bewart sonst im 16. Jarh. gewönlich die 
tenuis, selbst im 17. ist tkimib nnd tu/mm ser häofiff. Im Mhd, 



229 

hat es auch die Bedeutung jugendlich unerfaren, one Welt- und 
Menschenkentnis. Dise verschwindet im 16.*Jarh. allmählich und 
es bleibt nur die schlimme Bedeutung töricht stumpfsinnig^ welche 
übrigens schon ahd. vorkommt. — 191 thtnät] wenn hier kein 
Dmckfeler (statt ^^n^) vorligt> so ist es wider eine constructio 
Mtfo avvsciv (der Tärgkisch Hundts die Türken), — 197 in den 
sau/i hinnein leben, mhd. in dem süss leben (vgl. Lexer u. d. W.). 
198 t<7er= waere. — 205 Liegen, alte richtige Form, wofür später 
das unorganische lügen eintrat. — 205 das groß Affterkoß^ Nach- 
rede Verleumdung. Mhd. kommt dae afterkoese vor, daraus könnte 
Äfterkos mit Wegwerfung des umlautwirkenden e (i) und mit 
Bückumlaut entstanden sein. Im DWB. feit das Wort. Ist hier 
villeicht Abwerfen des n im Reim (s. zu V. 38) und der Infinitiv 
afterkasn (afterkosen) anzunemen? — 221 Befcharren\ entweder 
ist hescharret zu lesen oder das Wort dH (V. 220) in ml zu än- 
dern. Für befcharren gibt das DWB. Belege von Luther bis Opitz ; 
aafgefürt wird es noch von Frisch. — 262 wer dt wäret dauert. — 
Elberfeld WCrecelius 



Volkstiimliches ans dem Elsafz 

I Sprüche in Wirtsstuben 



Beim Trinken 

Wer will trinken und essen, 

Der darf Gott und den Wirt nicht vergessen. 

2 
Trink un iß, 
Gott nit vergiß, 
Sterwen isch gewiß! 

8 
Wer will trinken und essen. 
Der muß Gott und den Wirt nicht vergessen : 
Gott muß er sagen Dank für seine Gaben, 
Und den Wirt mit bai*em Geld bezalen. 

4 
Heut um^s Geld, 
Morgen umsonst! 



5 



. ( ,. 



Komm herein, mein lieber Gast, 
Wenn du Geld im Beutel hast; 
Geh' hinaus auf deine Straß, 



280 

Wenn da miob besalet hast; 

Denn es ist haut nioht der Tag 

Wo der Wirt dir borgen mag. Amen. 

6 
Seit der Oredit gestorben ist, 
Sind alle Lumpen mißvergnügt, 
Und stehen Durst and Hunger ans, 
Zum Borgen ist kein Wirt su Haus. 

7 
Solche Gäste liebe ich, 
Die erbor discuriren, 
Die gut und redlich zalen mich 
Und frölich abmarschiren. 

8 
Hier ligt in dunkler Nacht 
Ein Wirt den seine Schulden umgebracht. 

9 
Im Biärz mueß me trinke aß wie e Heb*, 
Im April aß wie e Geis, 
Im liai aß wie e Kueh, 
Do wird Ei'm 's ganz Johr d*r Wi nit thue. 

10 

Der Säufer zum Glas 

Ich beschwöre dich bei deinem Geist, 
Dass du mV nit in de Kopf 'nein steigst. 
Jetz mecht i awwer die Ursach wisse 
Werum du mich Naeoht in Grawe g'schmisse. 
Jetz was soll dein Straf sein? . 

Das Glas am Mund: 

Marsch mit dir ins Loch hinein! ') 

11 
Inschrift an einem Glase 

Bist du voll, so bin ich leer. 
Bist du leer, so bin ich voll. 

12 
Trink ich, so hink ich, 
Trink ich nit, so hink ich doch, 
Drum will ich liewer trinke 
Un hinke 
Als nit trinke 
Un doch hinke. 



1) Das Gemisch von SohriAdenisch und Mundart kommt häufig 
solchen Reimen vor. 



281 



II Nachtwäohterrofe 

1 

Um 7, 8, 9 ür 

Hänn Sorg zn^ Für nn Liecht, 
DaA euch Gott behüH. 

Um 10, 11, 12, 1, 2 ür 

Loset was ich euch will sage. 

Die Olock het sehni (n. s. w.) g*schlage. 

Bei Tagesanbmch (Sommer) 

Loset was ich ench will sage, 
Die Olock het zwei geschlage, 
Der Tag kommt anznschleiche 
De'n Arme wie de Reiche, 
Der edele Tag den Gott uns gab, 
I wünsch euch alle 'ne gate Tag! 

(Simdgaa) 

2 

Hört, ir Leut, ich tu euch kund! 
Es ist nnn die zehnte Stund ; 
Nemet Feuer und Licht in Acht, 
Gott geh euch eine gute Nacht. 

Hört, ir Leot, ich tu euch kund, 
Es ist um die 2te Stund; 
Die Morgenstund am Himmel schwebt, 
Und wer den neuen Tag erlebt 
Der lobe Gott den Herren! 

(Barr) 

3 

Höret was ich euch will sage, 
Die Glock hat zehni g'schlage; 
Bewaret Feuer und Licht, 
Daß Niemand ein Unglück geschieht, 
Und lobet Gott den Herren! 

(Bnchsweiler) 



Im Jar 1793 

Loeet was ich euch will sage, 
Die Glocke hat zehne g*scblage, 
Bewaret Feuer und Licht, 
Daß kei'm kei Unglück geschieht, 
Und lobet Gott den Bürger! 

(Münster) 



232 

5 

Scherzruf 

Höret, ihr Lait, was ich aich will sache, 
Die Glock hat seh' geschlaehe, 
Lesche Faier an Ample, 
Legen ins Bett an stnunple! 

(Weißenbarg) 

m Inschriften an Häasern, Ställen a. s. w. 

Der Segen Gottes komm über dieses Haas, 
Das h. Greatz treib alle Feind' hinaas. 
Unter dein' Schatz, o Maria, nimm es aaf, 
Sant Sebastian, wende ab alle Pest! 

(Sennheim) 

Sant Maariz, ein wachbarer Schildwacbt sei ! 
Sant Agatha, mach es frei von Feaers Branst! 
Sant Barbara, laß Keines sterben 
Ohne das Sacrament» noch verderben! 
Sant Andreas, mache weichen 
Und Sant Helena mit dem Crentz Zeichen, 
Treibt alle Hexerey von diesem Haaßgesind 
Und laß es fromm leben ohne Sund. Amen! 

(Sennheim) 

Ein reines Hertz S. Agatha hat. 
Freywillig war sie in der That, 
Die Ere hat sie geben ihrem Gott, 
Errett das Vatterland aas der Noth. 
S. Agatha, bitt für uns allesammen, 
Errette uns vor zeitlich und ewigen Flammen ! 
S. Agatha, bitt für ans in der Fears Gefar, 
Und aach in Leib and Seel Gefar, 
Darch Jesam Christam axisem Herrn! 
Amen. 1811. (Sennheim) 

Gedrackter oder geschribener Zettel an Scheunen- oder 
Stalltüren, meistens in Gebirgsortschaften : 

Mentero sanctam f spontaneam f honorem 
Deo t et patriae liberationem. Sancta 
Agatha. Ora pro nobis. C. H. B. ') 

(Rimbach-ZeU) 



1) Caspar, MeloMor, Balthasar. 



283 

Wer will bauen an die Staraßen 
Muß die Leute reden lassen; 
Es gibt der Neider immer sehr Tiel, 
Aber es geht doch wie es Gott haben will. 

fEschentzweiler) 

Am alten Oasthaas sur Traabe, unter den Bildern von Josna 
und Kaleb, die eine riesenm&ßige Traabe an einem Stock tragen: 

Wenn wir gleich hier zu Land nicht solche Tranben tragen, 

So bringen sicherlich auch kleine Trauben Wein, 

Dies werden Josua und Kaleb selber sagen, 

Wer es nicht glauben will kehr in dies Wirtshaus ein. 

(Hülhausen) 

Am Rathaus 

1) Non tarn pro moenibus, quam pro legibus pugnandum. 

2) Einerley Recht sey unter euch, dem Froembden wie dem 
Heimischen. 

3) Hier außen lege ab 

Haß, Freundschaft, Furcht und Gab, 
Gar oft sind Haß und Hohn 
Des frommen Richters Lohn. 

4) Integritas consilii non eventus reepidendus 
Deliberandum diu quod statuendum semel. 

5) Praemium et poena. Non sequere vota sed rationem. 

(Hülhausen) 

Am Rathaus 
1604. Renovat. 1846. 

Dem Heyligen Reich ist dieses havß 
Zuo lob vnd ehr gemachet avß, 
Darin die wahr gerechtikeit 
Gehalten wirt zuo jeder Zeit. 

(Kaisersberg) 

Im Beinerhaus bei der Pfarrkirche: 
So ist's recht, 
Da liegt der Meister bei seinem Knecht. 

(Kaisersberg) 

Auf einem steinernen Brunnengehäuse 

1618 

Drincks tu Wasser in dein Kragen, 
Ueber Disch erkftlt dein Hagen, 
Drinck mftsig alten subtilen Wein 
Rath ich und las mich Wasser sein. 
Mathias Hiffel MDCXVIII Elisabeth Birklerin. 

(Kaisersberg) 



284 

In der Hafitiergasse (HanrinBchrift) 

Jetzt bin ich als fremder Gast 
Herför gegangen ander dem Balast, 
Ach got wie geht es noch immer zu, 
Das die mich noch hassen wo ich nichts thu, 
Die mir nichts gönnen and aach nichts geben, 
Die mfissen doch leiden das ich tha leben, 
Und wenn sie meinen ich sey verdorben. 
So haben sie vor sich selbst za sorgen« 

Inschrift mit einem Feaerstein an einer Fensterscheibe 

desselben Haases 

Flache nicht in meinem Haas, 
Geh nar bald zar Thfir hinaas, 
Sonst könnte Gk>tt vom Himmelreich 
Strafen dich and mich sagldcfa. 

(Kaisersberg) 

Am Bathaas 

1) Concordia res parvae crescant, discordia maximae dila- 
bantar. 

Einigkeit aas kleinen Sachen 
Grosse yienderding ^) za machen. 
Wo die Hertzen s^ynt zertrennt 
In der Welt das Glück sich trent. 

2) lastida in se virtatem complectitar omnem. 

Gerechtigkeit begriffen that 
Was nar mag tagend heisen 
Verwahre sie in gaten Hat 
Deren sich than besohliessen 
Der Richter dieser lieben Stadt 
Der das Schwerd in banden hat. 

3) Initiam sapientiae, timor Domini. 

Vor alle Ding hab lieb dein Gott 
Im Glaab vertraa, werst nie za Gott 
Schmacht nicht sein Gnad, Foroht ihn allein 
Regieren laß ihn, dein Hertz behalt rein 
Nach Gott sollst da den Nächsten lieben 
Ihm Gats erzeagen and nicht betrieben 
Einem jedem tha wie da selbst wolt 
Das anderer halten solt 

4) Diligite jasticiam qoi jadicatis terram. 

Dem Rechten nach, kein valsche maas 
Leacks niemand za lieb oder Haß 



1) Feindsdiaften. 



285 

Die Ooties Furcht lern erBÜich eben 
Dadurch wird dir bestandnus geben 
Wie geschrieben recht billig und wohl 
Auch des Nächsten lieb verleben soll 
Und unser leben sey zu verzehren 
Zu Gottes Reich und jenem Ehren. 

(Schlettstadt) 

An einem Haus in der Eirchgasse 

1564 

In Oottes Namen geh herein, 
Der will mein gutter göner sein. 

(Zabem) 

Am ehemaligen Weißenturmtore i 

Gottes Barmhertzikeit 

Der pfaffen grytikeit 

Und der bauren bosheit 

Durchgründet niemanß 

Uf minen eit 1418. (Straßburg) 

Dise Inschrift bezieht sich darauf, daß die Bauern im ge- 
nannten Jare den Fruchtzehenden, den sie järlich an das Stift St. 
Thoma abzurichten hatten, auf dem Felde verbrannten, weil das 
Stift sich geweigert, inen „die gemeine Zech an brodt und wein 
auszurichten". — grytikeit, Geiz, Habgier. — Die Jarszal war die 
älteste in arabischen Zi£Pem geschribene in Straßburg. 

In der Draohengasse 

Wo Landsknecht sieden und braten, 
Pfaffen zu weltlichen Sachen rathen, 
Und d* Weiber führen das Regiment 
Do nimmt's selten ein guts End. 

158S. (Straßburg) 

Auf den verlierenden Krieg bezüglich, den die Zwistigkeiten 
unter den katholischen und lutherischen Domherren des hohen 
Stiftes bei der Bischofswal hervorgerufen. 

Am Speierbad, in der Alten Weinmarktgasse : 

Das Havs stot in Gotes Haut 

Vnd ist im Spirbad gnant. 

Do die Wand mit Gvadersteinen 

Gmacht war, zalt man 1576, 

In der Zit was es volent 

Do die Schwitzer von Zirch gnent 

Fvoren in dm Dag herab mit Gwalt, 

Brachten mit ihnen ein Hirsen 

In rechter Gstalt der war noch warm 



236 

Vnd sies do zuStrosbvrg war das Schiesen, 
Das sag ich onvermessen, 
Vf der Mvrer Stab war der gegesen. 
Die Schrift ist doran gemacht 
Wer do fir get das er bedracht 
Wan das Schiesen ward volent. 
Domit bring ich den Rimen zyiu Eod. qoo. D. F. B. 

(Straßbarg) 

Die noch vorhandene Inschrift bezieht sich anf das große 
Freischießen, zu welchem die' Stadt auch die Schweizer, ire alten 
werten Bundesgenossen eingeladen hatte, welche die Fart von 
Zürich nach Straßbarg zu Wasser In einem Tage zurücklegten. 
Job. Fischart hat sie in seinem „Glückhaften Schiff" verherrlicht. 

An der ehemaligen Kleinen Metzig: 

Im Ochsegässel bin i gebore, 

Zum Ochsemetzjer bin i erköre, 

Im Ochsekopf haw i feil, 

In der Viehgaß bin i daheim. (Straßbarg) 

Die Kleine Metzig, die in den Jaren 1838 — 1840 abgerissen 
and durch neue schöne Häuser ersezt wurde, bestand aus einer 
Reihe von Schoppen, in der Mitte nur war eine dieselbe über- 
ragende Behausung angebracht, an deren Dach ein großer Ochsen- 
kopf aasgehauen war, darunter standen die mitgeteilten Reime. 

IV Mülhauser Malefiz-Ordnung (Mitte des 

17. Jarhunderts) 

Ein Papierheft von sechs Folioblattern, weit geschrieben ; das 
Wasserzeichen trägt den sogenannten Baselstab. Die Kanzlei be- 
zog bis ins vorige Jarhundert beinahe sämmtliches Papier aus 
Basel, wo auch die obrigkeitlichen Mandate, Ordnungen, Statuten 
u. 8. w. gedruckt wurden. Gegenwärtiges Formular bezieht sich auf 
den endlichen Gerichtstag, nachdem vorher durch geheime Unter- 
suchung, beziehungsweise auch die Folter, das Geständnis er- 
folgt war. 

Der Blutvogt 

Sagt ehe man non sitzet und Jederman stehet: Dieweil nächst 
vergangenen Mittwochen Mein Gnäd. Hrn. Herren Bürgermeister 
und Rath erkant haben daß auff den heutigen Tag ein öffentlich 
Malefitz und peinlich Halß Gericht solle gehalten werden, so will 
ich Ew. Ehren Wht. (Weisheit) gefragt haben ob es dem Tag und 
lauten nach Zeit seye. , > 

Hierauff wird umgefragt 

Vom Hm. Burgermeister, und erkant daß es dem Tag und 
lauten nach Zeit seye. 



237 

Blutvogt 

Will dise Urteil Niemand wiedersprechen, znm Iten, zum 
2ten und zom Sten mahl? 

Hierauff setzen Bich die Richter und wird durch einen Amt- 
knecht das Gericht verbandt. 

Blutvogt 

N. Verbietet M. Onad. Hm. das jhr öffentlich Malefitz 
Gericht. 

Amtknecht 

Ich verbiet Meinen Gnad. Hrn. das ihr öffentlich Malefitz und 
peinlich Halß Gericht welches sie dißmahlen aus hochem obrigkeit- 
lichem Gewalt besetzt haben zum Iten mahl. 

Das wiederholt Er zum 3teu mahl. 

Daß Niemand nichts darein rede, handle oder fümemme denn 
dem es erlaubt ist und von Rechts wegen gebühret bey der Straff 
und Büß und Beserung so darauff gesetzt ist. 

Blutvogt 

Wer am Rechten zu schaffen hat, der melde sich an. 

Schultheiß 
Weilen meine Klag die ich im Nammen der Statt und mei- 
nes tragenden Amts thun solle schwär und wichtig ist, so bitte 
ich mir einen Fürsprech zu vergönnen. 

Fürsprech 

Demnach der Hr. Schultheiß meiner begehrt, so wäre mein 
Schuldigkeit zwar und guter Willen wohl Ihme bedient zu seyn: 
Indem es aber« eine so wichtige und beschwärliche Sach antrifft, 
hätte ich wohl leyden mögen, daß Er einen anspräche, der Ihme 
seine Klag besser wüßte vorzubringen als meine wenige Persohn. 
Jedoch weil Er mich dazu erneut hat, so will ich mir jeder Zeit 
vorbehalten haben, alles was die gewohnliche Rechte Inhalten und 
vermögen, auch wo ich etwas versäumen würde, daß der Hr. Schul- 
theiß seinen ordentlichen Absprung nemmen, und fahren möge vom 
ersten biß auff den 2ten, von dem andern biß auff den 3ten, und 
das so lang und viel biß Er einen überkombt, der Ihme seine 
Sachen genugsam vorbringe, und darthue wozu Er Recht hat. 

Blutvogt 
Der Beklagte kan sich auch um einen Fürsprech bewerben. 

Beklagter 
Begehret eines Fürsprechs, welcher Ihme zugelassen wird, 
und entschuldiget sich auff die weis und mit dem Vorbehalt, wie 
des Hrn. Schultheißen Fürsprech. 

Kläger 
Des Hm. Schultheißen Fürsprech sagt: Dieweilen unser Ge- 
gentheil sich um einen Beystand beworben, so begehre ich für 



238 

meinen Beystand Herren Bnrgermeister NN., bitt hiemit Ew. Ehrs. 
Weisheit wolle mir hierin eine gönstige Willfahr erweissen. 

(Es geschiechet auch etwan, daß der Kläger und Beklagter 
den zweiten Beystand erbittet über den vorigen.) 

Blutvogt 

Dieweil Ew. Ehrs. Wsht. und flbrigen Herren Räthe zu Bey- 
stand begehret worden, so können sie hiemit jhren Partheyen freund- 
liche Willfahr leisten, und zu jhnen stehen. 

Kläger 

Hieranff klagt des Hm. Schnltheifien Fürsprech wie folgt: 

Herr der Blutvogt, wie auch Edle, Ehretiveste u. s. w. 

Es ist so wohl in Göttlichen als weltlichen Rechten clar und 
heiter versechen daß .... (hier, eine Lücke). Dessen allem ohn- 
geaoht, so hat doch gegenwärtiger NN. sich nicht gescbeüet u. s. w. 

DieweO er nun dessen überzeugt und selbs geständig, so 
klag ich im Nammen des Hm. Schultheißen auff sein Leib und 
Leben, auff sein Out und Blut u. s. w. 

Und begehre dessentw^en, daß Er den Rechten und unse- 
rer Statt Gebrauch nach alles Ernst« abgestraffb und condemnirt 
werde. 

Beklagter 

bittet und begehrt durch seinen Fürsprech, daß seine Bande Uime 
geöffnet werden, damit Er sich desto besser gegen einer so wich- 
tigen und schwären Klag verantworten könne. 

Kläger 

Das wiederspricht des Hm. Schultheißen Fürsprech. 

Urtheil 
Hieranff wird erkant, dieweilen jhme seine Band so hart ge- 
bunden, schwer anligen, daß jhm dieselben auff sein Begehren ge- 
öffnet sollen werden, jedoch daß Er hiemit in guter Oewahraamme 
gehalten und den Rechten nicht entzogen werde. 

Blutvogt 

Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen zum Iten, 2ten 
and 3ten mahl? 

Beklagter 

Verantwortet sich durch seinen Fürsprech. 

Kläger 

An solche Verantwortung kan der Hr. Schultheiß nicht kom- 
men, dann • • • 

Hier folgt was dar wieder zureden sey . . . 

Begehre deßwegen, daß die Veijüchten '), welch der Be- 



1) Mhd. vergthtf vergicMj Geständnis, Bekenntnis. 



289 

klagte gut und peinlich^) gethan, vor dem ganzen Umstand ver- 
lesen werden solle. 

Beklagter 

bittet dnrch seinen Ffirsprech dafür. 

UrtheU 

Die Verlesung der Veijücht wird erkant. 

Blutvogt 

Will diese ürtheil Niemand wiederspreohen, zum Iten, 2ten 
und 8teo mahl. 

Stattsohrdber 

Verlieset die Veij&chten. 

Kl&ger 

Weil diese Veijücht verlesen, so begehr ich, daft man auch 
die sieben nnpartheyischen Mann') verhören soll. 

Beklagter 

Ist seiner Veijücht allerdingen geständig, und bittet daß die 
Verhörung der sieben nnpartheyischen Mann underlassen werden 
soll, weil es dessen nichts bedorfe. 

Kläger 

Dieweil der Beklagte der Klag allerdingen geständig, so be- 
gehrt der Hr. Schultheiß zu vememmen, ob Er nicht bessere 
Kundtschall*) geftkhret. 

Urtheil 

Hierauff wird erkant, daß der Hr. Schutheiß die bessere 
Kniidt8cha£ft geführet. 

Blutvogt 

Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen, zum Iten, 2ten 
und 3ten mahl? 

Kläger 

Weil dann meine Klag völlig erwiesen, und der Beklagte der 
allerdinges geständig, so begehr ich zu vememmen ob der Hr. 
Schultheiß das bessere Recht und der Beklagte Unrecht habe. 

Urtheü 

Wird erkant, daß der Hr. Schultheiß das bessere Recht und 
der Beklagte Unrecht habe. 

Blutvogt 

Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen, zum Iten, 2ten 
und 3ten mahl? 



1) Gütlich und auf der Folter. 

2) Die Siebner waren Bürger, welche vom Beklagten alt Schieds- 
richter, Expertem berufen und, wenn das Gericht es für gut fand, ver- 
hört werden konnten. 

3) Bessere Gründe zum Beweise der Sobald des Beklagten. 



240 

Kläger 

Dieweil dan der Hr. Schultheiß das besaere Recht geführet, 
and der Beklagte Unrecht hat, so begehrt Elr an einer Urtheil zu 
vernemmen, wie der Maleficant selbige Terbessern soll. 

Urtheil 

Hieraujßr treten die Richter ab. 

Alsdann wenn sie wieder sitzen fragt der BlutTOgt, was sie 
in dem Abtritt und Bedencken gut befanden. Wird demnach er- 
kant, daß der Uebelthäter solches Unrecht mit seinem Leib und 
Leben, Gnt and Blat verbesseren solle. 

Blatvogt 

Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen, znm Iten, 2ten 
und 3ten mahl? 

Kläger 

Nachdem £. E. Malefitz-Gericht hiemit erkant, daß der Uebel- 
thäter mit seinem Leib and Leben yerbessem solle, so begeret der 
Hr. Schaltheiß hiemit za vememmen, aaff was Weis and Form 
solches solle geschechen. 

UrtheU 

Hierauff wird erkant daß der arme Sünder von dem Schran- 
cken genommen, hinauß aaff die gewohnliche Richtstatt geführet| 
and vom Leben zum Tod hingerichtet werden solle, mit dem N 
and was demselbigen zugehörig. 

Blatvogt 

Will diese Urtheil Niemand wiedersprecheo, zam Iten, 2ten 
and 3ten mahl? 

Kläger 

Es begehret der Hr. Schaltheiß za wissen, wer diese Ur- 
theil an ihm vollstrecken solle. 

UrtheU 

Durch den geordneten Nachricht^ soll diese Urtheil an ihme 
vollstreckt werden. 

Blatvogt 

Will diese Urtheil Niemand wiederspreohen, zum Iten, 2ten 
and 3ten mahl? 

Dem Stdtthotten wird mit Namen geruffen, und befohlen den 
Scharfrichter zu holen. 

Beklagter 

In mitler Zeit bittet dessen Fürsprech für denselben, and 
um Fristnng seines Lebens so viel Dirne m^lich. 

Blutvogt 

Wann der Nachrichter an dem Schrancken sich erzeigt, wird 
Ihine des Gerichts letste Urtheil and Erkentnufi mündlich angezeigt, 



j 242 

Mülhausen hatte kein eigenes Oesezbnch; die Richter arteil- 
ten „nach Wissen und Gewissen*^ ; — „nach VerständniB nnd Gut- 
dünken ", wobei sie sich an Gebrauch und Herkommen hielten. Den 
Juristen unter inen waren der Sachsen- und der Schwabenspiegel 
nicht unbekannt'); im 15. Jarhnndert drang das römische Recht 
durch und bei Criroinalsachen fand im folgenden Jarhnndert Kaiser 
Karls y peinliche Gerichtsordnung (Carolina) vre Anwendung auch 
in Mülhausen, wie wir später sehn werden. Großen Einfluß flbte in 
disem, wie in manchem andern Bezüge, die eidgenössische Schwester- 
Stadt Basel auf die kleine Republik Mülhausen aus, deren Stadt- 
schreiber meistens auf der dortigen Universität studiert hatten oder 
selbst Baseler waren, wie Zichlin, Petri, Lauterburg, Wild, Gysier 
u. A. Uebrigens wurde vom 16. Jarhnndert an keiner als Stadt- 
schreiber angenommen der nicht Licentiaius tUriusque juris war. 

lieber die ausgesprochenen Strafarten und Strafwerkzenge soll 
hier nichts beigebracht werden, dazu wird sich, wo es nötig ist, 
bei den nun, nach der chronologischen Reihenfolge mitzuteilenden 
Verurteilungen bessere Gelegenheit geben. 

16. Jarhnndert 

1 

Mishandlung der Eltern. Hanß Jacob K. der sein Matter 
geschlagen und den Vater herauß gefordert, hat nach aoßgestan- 
dener Gefangenschafft und Abbitt des Malefitz, ein Urphed schwören 
müssen, daß Er außer seiner wacht kein gewehr mehr tragen, 
ferner sich aller Hochzeiten, Wirthshäusern und Thorstüblein '), aach 
anderer Gesellschafft müßigen wolle, außer der Schenke auf der 
Zunft 8). 1582. 

2 

Bürgerlicher Äufrur gegen die Obrigkeit^) in den Jaren 
1583 bis 1590. — Im Jar 1588 wurden etwa 400 hiesige Bürger 



1) P. Viron-RSviüe, les anciennes jurisdictions de TAlsace, p. 13 
und 14. 

2) Die TarstübUin waren ein Vereinigungsort, wo Frennde und 
Verwandte die auf der Wache befindlichen Bürger zu besuchen pfleg- 
ten. Es wurde da geschwazt, getrunken und gespilt; wegen Unfug 
wurde diß jedoch mermals von der Obrigkeit verboten. 

3) In Mülhausen bestanden biß zur Vereinigung mit Frankreich, 
im Jare 1798, sechs Zünfte: Becker, Schneider, Schmide. Mezger, Reb- 
leute und Ackerbauer; die vier ersten hießen die gro&enj die beiden 
leztern die kleinen Zünfte. Jeder Bürger muste sich auf einer dersel- 
ben einschreiben lassen. Die Zunftmeister sassen im Kleinen Rate. 

4) Die Verhör- und Oerichtsprotokolle umfassen merere Folio- 
bände und sind auf dem Stadtarchive aufbewart. Der Prediger David 
Zwinger, ein Augenzeuge, hat den ganzen Verlauf der Ehnporung in 
einem noch in Handschrift vorhandenen Foliobande aufgezeichnet. 
Kürzere Berichte darüber geben Mathias Graf und Mathias Mieg in 
iren Geschichten von Mülhausen. 



244 

6 

Selbstmörder, 6örg ß^s Erben geben 100 Thaler wegen dessen 
ErhenkoDg. 3. August 1637*). 

7 

Unbefugte Copulation, Herr Tb., Pfarrer von Zimmersbeim*), 
daß er in seiner Flöchtung ^) alihier, einen Soldathen mit seiner 
Köchin zusammen geben, ist in Thum gelegt, und umb 100 fl. 
gestrafift worden, vngeacht des Bischoffs Intercession. 23. August 
1637. 

8 

Knospen abgehauen, Hanß St. daß er Knospen *) in der Sin- 
nen^) gehauen, ward um 10 Pfd. gestrafft und gethürmt. 7. August 
1639. 

9 

Felddiebstal. Wegen eines Felddiebstahls soll eine yerbfir- 
grerte Person 4 fl. erlegen, und die Hintersassen aber mit der 
Trille^) oder der Geygen'^) gestraft werden. Mandat vom 25. August 
1648. 

Ein Kind soll 1 fl. geben ; Einer der es sieht bey seinem Eydt 
angeben, und die Wächter an den Toren visitiren. 18. Juni 1662. 



Yon der Kanzel herab und vor der versammelten Gemeinde seines Ver- 
brechens wegen g^etadelt und zur Buße ermant wurde. 

1) Disem Urteilsspruch ist von folgendem Zusaze, einer spätem 
Hand, begleitet: Wegen Caspar K. war der Frevel 50 Pfd. und dem 
Scharfrichter 20 Pfd. 26. August 1683. — Samuel P. 160 Pfd. 15. Au- 
gust 1714. 

2) Ein südöstlich von Mülhausen gelegenes Dorf, welches damals 
und biß zur französischen Revolution nebst dem größten Teil des Ober- 
elsaßes zum Bistum Basel gehörte. 

3) Flucht. 

4) Eine Art Schilf, dessen Blätter zum Verstopfen der Faßdauben 
dienen. Das an den Stadtgraben wachsende Gras und Gesträaeh machte 
einen Teil der Besoldung des Stadtschreibers und des Baumeisters aus. 

5) Ein Zweiggraben- der 111. 

6) Die Triüe war eine Art cylinderforroiger Käfig oder bestand 
ans zwei hölzernen dicken Sparren, die kreuzweise auf einem im Boden 
stehenden Holzblock ruhten, in der Mitte waren sie durch einen star- 
ken Eisenstift vereinigt und konnten im Kreise herumgedreht werden; 
der Delinquent wurde in die Trille gesezt oder, im zweiten Falle da- 
rauf gebunden und so lange herumgetrillt biß er, beti^ungsweise bei 
Obstdiebstal, das corpus delicti wieder von sich gegeben. Die Trillen 
waren gewönlich an den Toren angebracht. 

7) Die Geige bestand aus einem Brett, das man dem Felddieb 
mit einer Kette am Hals befestigte; zu beiden Seiten waren runde 
Löcher, wodurch die Arme heraus gestreckt werden konnten. Mit disem 
Strafwerkzeuge wurde der Dieb von einem Stadtkneebt an einem 
Markttage herumgefurt Manchmal ward im das Geetolene auf den 
Rücken gebunden. 



246 

15 
KirchendiebstcU^), G., Bürger der Stadt, so Geld ans der 
Bächae in der S. Stephanuskirchen genommen, auch andere Dieb- 
stähle begangen, ist zum Schwert verurtheUt worden. Ist den 3. 
August 1683 hingerichtet worden. 

16 
Sodomü ward mit dem Schwert gerichtet und verbrantU. 
18. Juli 1688 «). 

17 
Hülffe hey Kapueinem gesucht. Clade S. T. wurde des Nachts 
in seinen Laden gebrochen und etliche Stuck Tuch geraubt. Der 
ließ durch einen Schneider zu Lanßer') bey den Eapusinern Hülff 
suchen, darauf der Dieb sein Wahr^), theils für sein Hsoß, und 
theils beym Träubelgäßlein ^) des Nachts wieder ablegte, — (Clade) 
wurde um 85 Pfd. gestrafft, und der Bott^) in Thum gel^^ 
29. October 1690; 14. Merz 1691. 

18 
Duell. Als zwey frantzösische Capitain hier duellirt'^) und 
Einer todt geblieben, wurde der Frevel mit dem Major auf 100 
Thaler verglichen. 11. Merz 1691. 

19 
Teufelsbeschwörer. Peter Dax, daß Er ein Teufels Be- 
schwerer aus dem Solothurner Gebieth geholt, und mit dessen Hilff 
auf dem Münchs Berg ®) vergeblich nach einem Schatz gegra- 



oder schleppten eiserne Kugeln an den Füßen, wärend sie, unter Be- 
wachung der Stadtknechte, schwere Arbeiten zu verrichten hatten. Am 
Hut oder an der Müze waren ScheUen angebracht, die bei der gering- 
sten Bewegung klingelten. 

1) Hundert Jare nach diser Verurteilung wurde zu Colmar mere- 
ren Kirchendieben zuerst die rechte Hand abgehauen, hierauf wurden 
sie in mit Schwefel getränkten Hemden öfifentlich verbrannt. Ordon- 
tiances d^Älsace. 

2) Cf. Carolina Cap. CXVI. 

8) Landser, ein südöstlich von Mülhausen gelegenes Städtchen; 
ehemals Siz der Herschaft gleiches Namens, Besiztum der Grafen von 
Habsbur^, später der Erzherzöge von Oesterreich, als Landgrafen des 
obern Elsaßes; es gehörten dazu 25 im Sundgau gelegene Ritterdörfer. 
Das Kapuzinerkloster daselbst wurde im Jare 1664 gestiftet. 

4) Seine Waare. 

5) Trägt seinen Namen von dem darin gelegenen Gasthaus Zur 
Traube. Sih oben No. 12. 

6) Der Schneider. 

7) Wärend des Kriegs zwischen den Kaiserlichen und den Fran- 
zosen unter Ludwig XIV. 

8) Mönchsberg, volkstümlich Münzberg, gehörte „seit uralten Zei- 
ten dem baslerischen Hohen Tbumstifft, welches V4 des großen Frucht- 
und Weinzehenden bezog^S Den 10. Oktober 1682 kaufte Mülhausen 
die Rente um die damals bedeutende Summe von 8000 Gulden zurück. 



248 



18. Jarhundert 

24 
Feuer einlegen^), Anna Maria K. so zu Illzach Feuer einge- 
legt, mit dem Schwert gerichtet. 4. Juli 1703. 

25 
CrlminalfaU. Ein Weberknecht, Namens Joseph Karrer, aus 
fürstl. Sankt Gallischer Herrschafft, als er mit einem Andern, Na- 
mens Marx Meyer, von Langeuaa bey Angsburg, von Golmar nach 
Basel zu reysen abgangen vnd zimelich viel Gelt bey ihm vermerkt, 
nähme ihme vor denselben zu ermorden. Derowegen als sie za 
Battenheim^) übernachtet, und sich bey anbrechendem Tag, den 
19. October 1705, auff den Weg gemacht, ergriff er bey dem so- 
genannteu Entenloch, Illzacher Bahns, einen Stein, schlug ihn mit 
demselben zu Boden, nahm ihm sein eigen Messer anß dem Sack 
und schnitt ihm die Gurgel ab. Die göttliche Räch verfolgte ihn 
aber alsobald, denn da er vermeinte den Weg auffwärts nach Basel 
zu nehmen, nahm er ihn hinunterwärts, und traffe bald zwey Rix- 
heimer^) an, die auff Wildbrett in die Hart ^) gegangen waren und 
wieder heim wolten; solche fragte er, ob das der rechte W^eg nach 
Basel seye. Als sie ihme mit nein geantwortet, und ihn mit sich 
genohmen, traffen sie gleich den Toden Leichnam an. Weil sie 
nun an besagtem Menschen Blut sahen, auch sonsten seine Reden 
ihnen verdächtig vorkamen, führten sie ihn gefangen nach Rixheim; 
daselbst erkannte ihn bald ein Schweitzer Fuhrmann, der ihn die 
Nacht vorher in dem Wirthshauß zu Battenheim nebst dem £Ir- 
mordeten gesehen hatte, er auch unter dem Geld, so man ihme 
auß dem Sack gethan, ein Stücklein, so der Ermordete wechslen 
wollte, gleich kannte, worüber er gleich zur Bekantnuß gebracht, 
und nach Landser^) geführt worden, allwo der königliche Amt- 
mann, ungeacht der Mord auff dem Mülhauser Boden geschehn, 
sich gantz ernstlich unterfienge vnd Wächter auff das Orth schickte, 
den Leichnam zu bewahren. Hingegen wolte die Stadt ihr Recht 
auch nicht versäumen, sondern schickte gleich eine Fuhr samt 
einigen Deputirten den Ermordeten abzuholen, welche eben zu 
rechter Zeit noch ankommen, da die Rixheimer ihn schon auffladen 
wolten. Als auch ferner der Ambtmann, auff beschehenes Ersuchen, 



1) Nach Cap. CXXV der Carolina sollten die Mordbrenner leben- 
dig verbrannt werden. 

2) Dorf an der Departemental - Straße von Colmar nach Basel, 
nördlich von Mülbausen gelegen. 

3) Rixheim, großes Dorf, südöstlich von Mülbausen. 

4) Umf augreicher Wald, der sich von der Nähe von Basel, west- 
lich vom Rheine bis gegen Colmar erstreckte, jezt aber teilweise aus- 
gehauen und zu Ackerfeld umgewandelt worden. 

5) Sih oben No. 17 Anm. 3. 



250 

Außtritt^, and wider der Eltern Willen getroffenen Heyrath ge- 
holfen, Würde um 50 Pfd. gestrafft. 22. April 1722. 

28 

Die Bettelmutter^) im Spithäl so den Armen das Brod sam 
Theil entwendet und yerkaufft, wurde ans Halßeyfien gestellt nnd 
veruneßen^). 10. März 1723. 

29 

Harte Straff wegen Capuziner schlagen^). Ein Fuhrmann 
das er einen Franciscaner geschlagen, mußte deprecieren, alle 
Kosten, 80 sich hey 100 Liv. heioffen, ersetzen, 14 Tag gethümU 
werden, ein halb Jahr infam seyn und dem Convent 80 Li?, für 
Satisfaction zahlen. 19. Juli 1723. 

30 

Todschlag und Baüb, Der Metzgerknecht Johannes Seh., der 
seinen Kameraden Daniel Steffen mit einem Hammer erschlagen, 
den er in einem Wirthshaus gestohlen, den Leichnam in Stücke 
verhauen und in die Sinne^) geworfen, wurde vom Malefitz(gericht) 
so auf offenem Platze gehalten, condemnirt lebendig gerädert m 
werden, so daß wenn ihm die 2 Untertheil entzwey geschlagen, er 
mit einem Strick erwürgt^ sodann auff die Arme getroffen und der 
Hertzstoß gegeben; sodann der Leib an das auff der Landstraß 
auffgerichtete Badt geflochten. Die Execution soll auff dem Bahn- 
loch, rechter Hand so man vom Oberthor hinauß gehet, hey einem 



solches auch kein Itaub oder Baptus zu nennen." Das Ehegeriek^ 
welches für alle Ehesachen bestellt war, bestand aas den 8 Bürger- 
meistern, 2 Seckelmeistem und 4 Predigern göttlichen Wortes. Art 

I§ 1. 

1) Flucht. 

2) Aufseherin der Stuben, in welchen Bettler warend einem oder 
merern Tagen beherbergt wurden. 

3) Aus der Stadt verbannt. 

4) Fürstenberger, 1. c. B. XI Cap. 14, gibt nachfolgende nähere 
Umstände über die Begebenheit: „Es ist auch dieses Jahr das alte 
Sprichwort er fallt worden: 

Wer nichts hat zu schaffen, 

Der schlage einen Juden oder Pfaffen.*' 
„Es (nenge bey Modenheim bey starkem Regenwetter ein Franciscaner 
von Ruffach, der wohl zu Mittag gespeißt und dabey das Trinoken 
nicht vergessen, Namens Polycarpus, für Michael Sengelin, so neben 
seinem Wagen gienge vorbey, grüßete ihn, indem zwahr Sengelin ge- 
danckt, aber Regens halben den Huth nicht abgezogen, der hieße Uin 
einen groben Dölpel. Sengelin gab spizige Antwort, so daß es zu 
Streichen kämme, und der Franciscaner übel verwundet sich auf Mal- 
hausen führen ließe, und klagte es dem Bürgermeister, welchem gut 
Recht zu halten versprochen wurde, worauf er sich nach Buffach fahren 
ließe . . ." 

5) Sihe oben No. 8. 



252 

obrigkeitlichen Respect zuwider eingegebene Schrifft Yor Rath^ 
wurde von dem Ambtknecht öffentlich zerrissen und hinweggewarf' 
fen, der Author mußte sie revocieren und deutlich um Verzeihung 
bitten, auff 2 Tage in Thurn und 20 fl. Straff büßen. 10. Januar 
1731. 

35 

Schmachreden tcider den Kleinen Roth. Heinrich L — ch, so 
wider E. £. Rath und einige Herren des Ehrenregimenta ins be- 
sondere, injuriose Reden außgestoßen, wurde gethümt und mußte 
ürphede schweren^), 21, 27. Februar 1732. — Als er nicht nach- 
gelassen und gen Dornach ^) gezogen, wurde er ergriffen und in 
ewige Gefangenschafft condemnirt. 5. 16. Juli 1732. — Die Sache 
dauerte bis zum 28. November 1736, während welcher Zeit sein 
und seiner Frau um Gnade Bitten immer abgewiesen wurde. (Spä- 
terer Zusaz.) 

36 

Beligionssachen. Hans Georg Hammer, wegen irriger Mei- 
nung in Religionssachen, so er öffentlich außgebreitet, mußte vor 
Bann ^) revocireti, wurde in Thurn erkannt, und Vs «^^^r ins Hauß 
bannisirt^}, den Herren Pfarrern befohlen wieder dieses Laster 
öffentlich zu predigen, und ihne in der Gemeind nicht mehr anzu- 
nehmen biß er Proben seines bessern Glaubens von sich geben wird. 
2. Juni 1734. Die Hauß Bannisation <^) auffgehebt. 28. Juli 1734. 

37 

Vergiftungsverstich. Hans Georg Ermendinger, so seiner Frauen 
Spongrün^) auff die Linsen gezettlet, die sie aber nicht geessen^), 
wurde an den Pranger gestellt, mit Ruthen gestrichen und ^ofint- 
siret. 15. 18. Februar 1736. 



1) Eidliches Versprechen, nach bestandener Strafe sich nicht 
wieder dasselbe Vorgeben zu Schulden kommen zu lassen, noch sich an 
den Klägern oder Richtern zu rächen. Bei Landesverweisung musie 
der Verwisetio schwören das verbotene Land oder Gebiet nicht wieder 
zu betreten. Diso Versprechen musten manchmal schriftlich abgegeben 
werden. Sih Mülh. Statuten und Gerichtsordnung 1740 Art. XXX 
§ 5: Vom Stadt -Frieden und Urpheden. 

2) Zu diser Zeit besaßen die Edeln zu Rhein das bei Mülhausen 
gelegene Dorf Doruach als Lehen; da dieselben auch Bürger von Mül- 
hausen waren, so war die Stadt zur Gefangennemung des Delinquenten 
befugt. 

3) Vor Gericht. 

4) Dise Form für bannen, banniren wurde vorzugsweise im Ober- 
Elsaß angewandt; auch Moscherosch gebraucht sie. 

5) Diser Ausdruck feit in Grimm's Wörterbuch. 

6) Grünspan. 

7) Diso Form für „gegessen^' ist mir sonstwo im Elsaß weder in 
Uandschriften uoch in Gedrucktem vorgekommen, sonst aber gewönlich. 



254 

nnd Dieben eine hohe Obrigkeit geschöteUf snm Klappersiem con- 
demnirt; ex gratia zu 50 Pfd. und zweytägiger Thürmung miti- 
giert^). 7. Februar 1748. 

43 

lAiderliche Aufführung. £in Schandlader mit Trinken nnd 
unzüchtigen Anßgelaßenheiten in Johannes Geyelin^s Haus in lU- 
zach, wird mit V4J^^i^ig®°> ScheUemoerk bestrafil. 12. 19. Jnni 
1748. 

44 

Verleumdung des Vaters^), Eine Tochter die gesagt ihr 
Vater habe sich wollen erheuken, den Klapperstein zu tragen er* 
kant. 21. Mai 1749. 

45 

Beschimpfung der Obrigkeit, Jacob E., der ü. G. H.') 
meineidig geheißen, daß sie ihm wollen einen Vogt ^) setzen, 8 Tage 
in W(ü1centhum erkant; soll den Klappersiem an aUe 4 Thore 
tragen. 30. Juui 1749. 

46 

Wollendiebstäle, Eine Wollendiebin, obschon sie sich ver- 
glichen, wurde in den Kefig^) gelegt nnd an der Geigen an Me 
4 Thore geführt, mit einem Säcklein WoUe hinten anhangend. 
13. August 1749. 

Martin St. und seine Fran die ihrem Hausmeister sm nnter- 



oder der Schulden; später, und bis noch jezt im Sundgau, li'essboten 
genannt. 

1) Gelinder bestraft. 

2) Vgl. oben No. 10. 

3) Unsere Gnädigen Herren, d. i. Bürgermeister und Rat. 

4) Art. XXXVI § 2 und 3 der Statuten vom Jare 1740 sagt 
hierüber: „ . . . Ofifenbare Verschwender, die durch gütliche Vermah- 
uang sich von ihrem Lasterlehen nicht abhalten lassen, sollen vor E. E. 
Rath gestellt, ihre schandliche Lebensart ihnen öffentlich vorgehalten, 
und wann sie sich nicht besseren, auf kündbare Nachricht ihres schlim- 
men Wandels, mit der Thürnung, Schellenwcrck, Verweisung, und an- 
deren willkührl ich en Straffen, nach Größe des Verbrechens, und Ge- 
stalt der Umständen, andern zum Exempel, angesehen werden. — In- 
sonderheit solle, wann es die Nothdurfft erheischte, ihnen die Verwal- 
tung ihres Guts genommen, und gleich den Minderjährigren, Vögte ge- 
setzt, auch damit jedermann dessen berichtet seye, offentlieh als be- 
rüchtigte Verschwender ausgeruffen, und ausgekündet werden.'* Das 
öffentliche Ausrufen geschah, nach beendigtem Morgengottesdienste, 
durch einen Amtsknecht, von dem sogenannten Schreisteglein herab, 
welches neben der Haupttüre der Kirche an der äußern Mauer ange- 
bracht war und aus einigen steinernen Staffeln, oben mit eisernen 
Stangen eingefast, bestand. 

5) Auch Narrenhäuslein genannt, eine Gefangnisstube im untern 
Boden des Rathauses, wo man Nachtschwärmer, auf der Tat ertappte 
Verbrecher oder solche, welche eine andere Strafe verwirkt, provisorisch 
einsperrte. 



265 

sohiedlichen mablen über die Wollenkammer gekommen, zn einem 
namhafiften Ersatz und die Frau Va Stund mit der Geigen am 
Hals auf das JRathhatishänklein zu stehn, dann an nlle 4 Thore 
geführt, und V4 J^^^ ^^^ Schellenwerh geschlagen zn werden con- 
demnirt, der Mann aber so sich flüchtig gemacht, angeschlagen. 
27. August 1749. 

47 

Kindesaussezung. Elisabeth F. von Eglisau , die ihr unehe- 
liches Kind vor dem Spiegelthor im Schilterhäußlein exponirt, von 
Zürich abgeholt, an alle 4 Thor mit dem Strohkram ^) geführt, 
der Stadt ewig bannisiert und ihr das Kind mitgegeben. 18. Fe- 
bruar. 18. März; 8. April 1750. 

48 

Lüderlich Leben^). Johannes K., wegen seinem lüderlichen 
Leben ein Jahr in die Spinnsttibe auf Wasser und Brod erkannt. 
1. April 1790. 

Derselbe, der sich vom ScheUenwerk zu dem er nachher ver- 
urtheilt, flüchtig gemacht und catholisch worden, auch gottlose 
Reden gegen die Statt und Hrn. Bürgermeister Hofer ausgestoßen ; 
nachdem er wieder in die Stadt gekommen, eingesteckt, verhört 
und biß auf weitern Bescheid in des Lederleih* s Castell^) im Spi- 
tal aufbehalten. 13. November 1751. 

49 

Verleumdung, Anna Z. so gesagt Johannes Frank habe Hrn. 
Postmeister Rissler^s Scheuer angezunden und ihn einen Mord- 
brenner geheißen, zum Klapperstein condemnirt. 29. November 
1752. 

50 

Betterdiebinnen, Catharina St., Johannes B's Frau, und Anna 
Z. von nizach, so Better aus den Ställen mit einander gestohlen; 
die erste an Pranger gestellt, mit Ruthen gestrichen und verwie- 
sen; die zweite unten daran gestellt, ans ScheUenwerk erkant und 
soll mit einem Blech auf dem Rucken durch die Stadt geführt wer- 
den. 14. 21. Februar 1758. 

51 

Jarmarktdiebin. £ine Diebin die auf dem Jahrmarkt gar 
vielerley Articul hin und her gestohlen, 1 Stund an Pranger^ 6 
Streich und gebrandmarkt, 20. September 1756. 

52 

Veruntreuungen. Die Bettelmutter im SpitaP) wegen Un- 



1) In Colmar mosten die Delinquentinnen spizzulaufende Stroh« 
hote tragen. 

2) Vgl. No. 43 u. 45 Anm. 4. 

3) Vgl. No. 37 Anm. 2. 

4) Vgl. No. 28 Anm. 2. 



256 

treo mit der Geigen an alle 4 Thor geführt and 4 Wochen ans 
Seheüenwerk geschlagen. 5. Janoar 1758. 

53 

Marktdicbmnen an Pranger gestellt, mit Buthen gestrichen; 
die einte gebrandmarkt nnd verwiesen. 28. Jnni; 4. Jnli 1758. 

54 

Bigamie. Johannes M., ein Schirmsverwandter ^), wegen be- 
gangener Bigamie, da die Frau erster. Ehe conniviert '), ein Stnnd 
an Pranger gestellt, die Buthen hinten aufgesteckt und ewig ver- 
wiesen. 25. April; 2. Mai 1759. 

56 

Baumw6lldiehinnen% Junge Mägdlein die Baumwolle ge- 
stohlen, 14 Tag ins Castdl und mit der Kuglen zu schaffen con- 
demnirt; sollen auch alle 3 Tag oö^^priS^eU werden. 21. November 
1759. 

56 

Kleiderdiebin. Eine Landtfarerin, die 2 Kindern vor dem 
Thor die Kleidlein außgezogen, die zwar wenig werth waren^ 
1 Stund an Pranger gestellt, an 6 Orten mit Buthen gestrichen, 
gebrandmarkt und verwiesen. 26. Juli 1760. • 

57 

Indienne-Biebstul mit dem Strang bestraft. 21. November 
1760. 

58 

Leinen- und Wollendiebstal. Rudolff Sigrist, von Meister- 
schwanden ^), der ab dem Spithal- Graben einige Stuckh weiß leinen 
Tuch, und ab dahisiger Ramme ein Stuckh Wolleutuch gestohlen; 
Michel Spring, von Reitingen, Berner Gebiets, so ihm dazu An- 
leitung gegeben und an dem Diebstahl theil genommen, auch son- 
sten noch einige Diebstahl begangen, beyde peinlich befragt, and 



1) Schirmsverwandte oder Hintersiiß konnten das gefreite Bürger- 
recht erkaufen; sie musten aber wenigstens 3 Jare in der Stadt ge- 
wont, guten Leumund, drei Gewerfe abgerichtet und ir eigenes Haas 
haben. 

2) Damit einverstanden war; deswegen wurde er zu einer gelin- 
dem Strafe verurteilt; denn in der Mülhauser Ehegerichts -Ordnung 
Art XVII [ § 3 ist bestimmt: „Ein Mann der bey Lebzeiten seiner 
Frauen noch eine andere Frau nehmen, oder eine Frau die noch einen 
andern Mann nehmen würde, soll nach der Hals -Gerichts -Ordnung 
Kaysers Caroli V., peinlich, das ist am Leben oder mit dem Sltoufr- 
Besen gestraft werden." Cf. Carolina Art. CXKL 

2) Die erste Baumwollzeug- oder Indienne-Fabrik zu Mülhausen 
wurde im Jare 1746 durch Jacob Schmalzer, Samuel Köchlin und Johann 
Heinrich DoUfus gegründet. Es folgten ir bald merere andere, wo- 
durch nach und nach vile, auch fremde Arbeiter herbeigezogen wur- 
den. Diebstaie in denselben wurden aufs schärfste gestndft. 

4) Canton Aargau. 



257 

nach gehalteDem Gonsilit) zu Basel, obschon das Verbrechen groß, 
mit dem Strang verschont; für 8 Jahr auf die Galeerm oder den 
Galeeren gleiche Straff condemnirt; 1 Stund an Pranger gestellt, 
an 3 Thore geführt und wieder in die Gefangenschafft ; auf diesem 
Weg aber an 9 Orten scharf mit Buthen gestrichen. 11. 28. 
April; 28. May; 19. Juni 1760. 

Sind fiir obige Zeit allhier in Ketten und an den Karreti 
erkant worden. 3. Juli 1760; haben aber Mittel gefunden sich 
aus dem Gasteil über die Ringmauer flüchtig zu machen. 4. Fe- 
bruar 1761. 

59 

Weindiebin, Eine Magd die ihrem Meister Wein gestohlen, 
mit der Geigen herumgeführt , ein Krug hinten an ; hannisiert, 
17. Juny 1761. 

60 

Reinhard M. von Illzach, der im Wii-thshans gesagt, er 
wolle nicht in Himmel, und noch dazu Betheuerungen gebraucht, 
2 Tag in Walkenthurn gelegt, alsdann soll er zu Illzach in Thurn 
bleiben und allda ein Kirchenstand thun. 11. November 1761. 

61 

Kleiderdiebin. Eine fremde Frau die in Meister Theobald 
Steinbach's Hauß in Illzach ein Pack Kleyder gestohlen, so über 
200 Livres werth wäre, so man aber gleich wieder zu Händen ge- 
bracht; wegen dem Gesinde mit dem sie herumfart, die Daumen- 
Stock angelegt*), an Pranger gestelt, an 8 Orten der Statt mit 
JRiU?ien gestrichen und bannisiert, propter gravitaiem, mit dem 
Zeichenbrennen verschont. 13. 18. Juli 1763. 

62 

Kindesmörderin. Anna Maria G. von Fortschwihr, bei Col- 
mar, so bei einem Becker der Statt gedient, zum Schwert erkant, 
weil sie ihr Kind getödtet. 8. P'ebruar 1765. 

63 

Betrügerin, Rosina H. die in Commissionen von YerkaufiP und 
Pfandern allerhand Betrug ausgeübt, und eines unehelichen Kinds 
niederkommen, als ein lasterhafftes Mensch, Vi J&^^ ^"s Schellen- 
werk geschlagen, mit einem Blech auf dem Bücken. 16. April 
1766. Zum 2ten mal, 2. Novembris 1767. 

64 

Gottlose Beden, Hans Georg E., der Schneider, wegen gott- 
loser Reden und Fluchen, 1 Jahr ins Castell auf Wasser und Brod 
erkant. Indessen solle ihm durch die Herren Geistlichen zuge- 
sprochen werden. 22. Juni 1767. 

65 

Anzügliche Schriften. Hr. Johann Georg Seh. jgr., der an- 



1) gefoltert. 
Birlinger, AlemMmiA VU 8 17 



258 

stößige Schriften voll critisch politischer Boßheit gegen U. 6. H. 
die Schweizer und die Leder-Commission ^), auch gegen den Hm. 
Bürgermeister Hofer und den Stattschreiber aufgesetzt: 

1^ Zur schrifftlichen Äbbitt condemniert, 

2^ Die Schrift zerrissen, 

3® Drei Jahre seines Dreier- Amtes*) suspendirt, 

4^ Alles Libellieren ^) bey Strafif eines Stohrers der allge- 
meinen Ruhe ^) verbotten. 25. Jannar; 1. Februar 1768. 

66 

Lederstempcl verfälscht. Paulus Seh., so beim Lederbureau *) 
angestellt, hat mit einigen Andern falsche Lederstempel , nach 
einem Muster das er im Bureau entwendet, verfertigen lassen. 
Mehrere dieser Hämmer wurden bey dem Saffianer Peter E. ge- 
funden, welcher bannislert. Paulus Seh. zu 14 Tag Thurtn und 
3 Monaten ins Haus hamiisiert und sein Amt verloren. Seine 
Mutter soll 200 Livres Restitution zahlen und 300 Livres Geld- 
strafe. 10. 15. März; 19. April 1773. 

67 
Gelddiehstäl. Feißel Kabz, ein Betteljud, sich von Sept^) 
angebend, stiehlt im Kornhauß dem Metzger Schollen, von Batten- 



1) Die Ledercommission ^ auch Lederbureau genannt, wurde im 
Jare 1760 vom Magietrat eingesezt, um die Ausfur des in Mülhaasen 
fabrizierten Leders nach Frankreich zu erleichtern ; dasselbe war einer 
bestimmten Taxe unterworfen und muste gestempelt werden. 

2) Die Dreier waren je drei Bürger, die aus jeder der 6 Zünfte 
gewält uud dem Großen Rate beigegeben wurden. Sie waren im Jare 
1740 eingesezt worden, bei der demokratischen Umwandlung des Stadt- 
regiments. 

3) Ein obrigkeitliches Mandat vom 9. Dezember 1733 hat hier- 
über folgenden Beschluß gefast: 

„Wegen dem überhand genommenen PasquiÜen- Aussirenen, ist 
folgende Ordnung per mandatum auf den Zünften gemacht worden: 

P Jeder Bürger soll bey Ehr und Eid anzeigen, wenn ihm der 
Urheber und Verfasser der ausgestreuten Pasquillen bekant ist. 

2^ Wer es angibt soll verschwiegen bleiben und 100 Thaler Be- 
lohnung erhalten. 

3^ Wer künftighin eine Pasquille findet, soll sie gleich zerreissen 
und verbrennen und niemand etwas davon sagen, sonst soll er für den 
Thäter gehalten werden. 

4° Die Wächter sollen des Nachts auf diese Nachtvögel fleißig 
Achtung geben und die Verdächtigen gleich anhalten.*' 

4) „Wer wieder die beschehene Angelobung den Frieden bricht 
und Thätlichkeiten verübt soll als ein Stöhrer der allgemeinen Buh 
angesehen, und nach Befinden an Leib und Gut gestrafft werden." Sta- 
tuten der Stadt Mülhausen vom Jare 1740 Art. XXX § 4. 

5) Sih No. 65 Anm. 1. 

6) Die beiden Dörfer Ober- und Nieder-Sept ligen im Largtale, 
Kreis Altkirch. 



259 

beim^), eine Blatten mitt Lonisd'or, Silbergeld, nnd wirft sie bin- 
terdie Sack; 1 Stund an Pranger gestellt, an 7 Orten der Statt 
mit i^tt/^» gestricben, gebrandmarcki und ewig bannisiert 14. 15. 
20. Mart. 1775. 

68 

Biebstal und Hurerei, Barbara Mooß, von Ziramersbeim *), 
wegen Diebstabl und Uurerey mit dem Strohkranjs und der Geigen 
an alle 4 Thore geführt. 26. Mai 1779. 

69 

Lästerliche Beden. Chriscbona, von BibP), Niclaus V's Frau, 
wegen ärgerlicber, lästerlicber Reden, zum EJapperstein condem- 
nirt. 28. Februar 1781. 

70 

Diebstäle. In den Jabren 1780 und 1781 fielen zablreicbe 
Diebstähle in den Fabriken, Bleichen und dem Robrscbützenbause^) 
vor. Die Schuldigen , ^ 7 an der Zahl, wurden also gestraft: 20 
Jahre auf die Galeeren; lebenslängliches Zuchthaus und mit Eu" 
then gestrichen; Ualseisen und 20 i9,hT Baspelhau^\ Z id^hre Sehet- 
lenwerk. Einer der entwischte wurde in effigie an den Galgen 
gehängt; ein Anderer, den die Marichaussee ins Burgundische 
bringen sollte, wo er ebenfalls gestohlen, wurde bei der Ziegel- 
scheune zu Pfastatt^) erschossen, weil er entwischen wollte und 
ohne weiters durch Hrn. Amtmann zu begraben befohlen. 

71 

Fälsche Schriften, Charles Guerin, der Gärtner von Sie- 
rentz*), der zum Verkauf seiner Bäumlein falsche Brief gemacht, 
wird zum Ersatz condemnirt und zweimal ans Schellemverk oder 
an Pranger (gestellt) und die Btähen hinten aufgesteckt. 1. 5. 
Juni 1782. 

72 

Diebstäle auf den Bleidien, Am Ende 1782 und anfangs 
1783 kamen auf den Fabriken- Bleichen wieder zahlreiche Dieb-' 
stähle vor. Die Herren Köchlin entdeckten zu verschiedenen malen 
in Beifort verkaufte Waare; zwei solcher Verkäufer wurden noch 
Golmar geführt, Johannes Schneider und Johannes Heklin von Ge- 
venat bei Masmünster''). Sie werden den 12. und 21, Februar 
1783 ex capite criminis majaris reclamiert und nebst ihren Wei- 
bern ausgeliefert, den 5. März. Anton Heklin von Gevenat und 



1) Sih oben No. 25 Anm. 2. 

2) Sih No. 7 Anm. 2. 

3) Bühl, im Gebweilcr Tale. 

4) Vor dem Jungcütore, jezt eine Bierbrauerei. 

5) Dorf, welches damals zum Amte Brunnstatt gehörte; jezt im 
Canton Mülhausen gelegen. 

6) Großes Dorf auf der Straße von Mülhausen nach Golmar. 

7) Westlich von Mülhausen. 



260 

Johann Helg von Tranbach^) werden als Mitschuldige erklärt, 
reqnirirt und aasgeliefert, den 8. und 12. März. Den 81. März 
wird nnn, nach gehaltenem Criminal-llathe, wegen obiger Dieb- 
stähle erkant: Johann Schneider und Anton Heklin zum Strang \ 
Johann Heklin und Johann Helg, den Strick am Hals mit den 
Vorgenannten, nach gehaltener Malefiz, zum Galgen geführt^ mit 
Buthen gestrichen; der erste für ewig; der zweite fElr 20 Jahr 
zur Galeere verurtheilt. Ihre Weiber ans Halseisen gestellt, als 
Mithelferinnen, und mit Buthen gestrichen; doch die Eine, wegen 
Schwangerschaft, verschont. 

Den 4. April 1788 wurde Malefiz gehalten und die Urteile 
exequirt. Weil die Maleficanten katholisch, so wurden inen zwei 
Herren Patres Kapuziner von Landser^) berufen, die sie zum Tod 
bereiteten, neben inen im Malefiz sassen und mit ihnen biß zur 
Execution giengen. 

Dise Toleranz und Begleitung ist im Lande wol aufge- 
nommen und die Urteile gelobt worden. Golmar^) war sehr za- 
rieden. 3. April 1783. (Josua Hofer.) 

73 

Hausdiebstal, Barbara G., wehren gestohlenen Hauben, Man- 
chetten und Spitzen bei Hrn. Zunftmeister Cornetz, wo sie ge- 
dient, mit der Geigen an alle 4 Thore geführt und bis Johannis 
mit den Kugeln am Fuß in die Spinnstube gesetzt. 13. Februar 
1784. 

74 

Kirchendiebstal, Jacob D., der Todtengräber, bestiehlt zu 
mehrern malen die beiden Opferstöcke der französischen Kirche, 
indem er durclj die Oeffnungen ein Fischbein mit Pech beschmiert 
hineinsteckt und so Geld herauszieht. Diesen Diebstahl trieb er 
mehrere Jahre, und fährte sogar einen seiner Knaben dazu an. 
(Er hätte den Strang verdient.)^) Es wird gegen ihn erkant: 
Er solle den Strick am Hals vom Halseisen zum Galgen geführt; 
im Rückweg, an 9 Orten mit Buthen gestrichen, gebrandmarkt und 
für ewig auf die Galeere verurtheilt sein. So lange der Vater am 
Halseisen stand, wurde der Sohn Heinrich auf dem Bathliausbänk- 
lein ausgestellt; alsdann zu 6 Monat ScheUenwcrkarbeit verur- 
teilt, des Bürgerrechts verlustig erklärt und für ewig aus der 
Stadt verbannt. Der Ersaz des gestohlenen Geldes betrug 300 
Livres. 17. 30. März; 4. April 1785. 



1) Südwestlich von Mülhausen. 

2) Vgl. No. 17 Anm. 3. 

3) d. h. die Richter des Conseü souverain d*Älsaeef welches in 
Colmar seinen Siz hatte. 

4) Zusaz des Stadtschreibers Josua Hofer. 



261 

75 
Vagtibund. Joseph First, ein Judenstudent, aus Halle in 
Sachsen, wird als Vagabund an alle 4 Thore geführt. 25. Fe- 
bruar 1789. 

76 
Jahrmarktdiebin. Catbarina Beck, von Pfaffenheim ^), wird 
wegen Diebstahl in einem Laden, am Jahrmarkt, 1 Stund auf das 
Bathhausbänklein gestellt ; mit der Geige an alle 4 Thore geführt ; 
erhält 12 Prügel und wird bannisiert. 26. Mai 1790. 

77 
ungestüme Äuffürung, Peter St., der Kiefer, führt sich in 
Illzach gar ungestüm auf; für 8 Tag in Thurn und 1 Jahr eir- 
und wehrlos gemacht 13. Juni 1792. 

78 
Unbürgerliche Beden, Paulus M., der Vater, wird wegen 
unbürgerlichen Reden zu 600 Livres verurtheilt. 10. October 
1793. 

79 
Charivari '). Ein ärgerliches Gharivari vor Peter Reinhard's 
Haus bestraft. 27. August 1794. 

80 
Beschimpfung eines Zunftmeisters, Jacob W., der Färber, 
wegen Unbescheidenheit gegen den Herrn Zunftmeister auf der 
Ackerleutzunft, wird Vä Ja^^r des Dreier- Amtes ^) stillgestellt. 6. No- 
vember 1794. Aug. Stoeber, Mülhausen i. E. 



Alachmannen oder Allemannen? 

In den Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 16 S. 217 
bis 277 hat Herr Dr. Baumann in Donaueschingen einen Aufsaz 
unter dem Titel: „Schwaben und Alamannen, ihre Herkunft und 
Identität" abdrucken lassen, dessen vilfach beachtenswerte Resul- 
tate bereits von Andern gebürend hervorgehoben worden sind. 
Möchten auch nur einige derselben neu sein, so hat doch der Ver- 
fasser es verstanden , durch Zusammenstellung aller von im und 
von andern gefundenen Säze eine überwältigende Wirkung hervor- 
zurufen, und man darf im wol großen Dank für die umsichtige 
und fleißige Arbeit zollen, wenn man auch mit einzelnen Behaup- 
tungen, die er im Verlauf der Erörterung vorbringt, nicht einver- 



1) Dorf, südwestlich von Colmar. 

2) Eine Kesselmusik die, biß in die dreißiger Jare noch, vor 
einem Hochzeitsbause aufgefürt wurde, wenn eines der Brautleute oder 
beide Wittwer oder Wittwe waren. 

3) Sih No. 65 Anm. 2. 



262 

standen ist. Um den Eindruck diser gehaltvollen Abhandlung, die ich 
leider erst in lezter Zeit zur Haud bekommen habe, mir selbst and 
andern nicht zu stören, will ich die sachlichen Einwände, die ich 
gegen dise uud jene Argumente darin zu machen hätte, jezt noch 
zurückbehalten. Hingegen kann ich es nicht unterlassen, darza- 
tun, daß der Verfasser, wo er sprachliche Unterrsuchungen er- 
klimmt, sich zu weit auf die Aeste hinaus wagt. Die nachfolgen- 
den Blätter werden diß zu erweisen suchen. Der vilbesprochene 
Alleuiannen-Name bedurfte nach Herrn Baumanns Hypothese einer 
neuen Erörterung, die um so weitschichtiger angelegt werden 
musto, je ausgedenter und verwickelter das Nez von Irrtümern an- 
gewachsen ist, das sich allmälig um den Ursprung dises berümten 
Volksnnmens gelagert hat. Es wird dadurch den Lesern onehin 
zum Bowustsein gebracht werden, eine wie schwinge Sache es ist 
um die Erklärung altgermanischer Namen, deren Verständnis noch 
lange nicht dadurch nahe gebracht wird, daß man sie leidlich zu 
übersezen weiß. Meine Arbeit bedarf der Nachsicht ; auch bin ich 
befriedigt, wenn man ir nachsagt, sie habe wenigstens die richtige 
Karte getroffen. Die Hypothese von der Identität der Allemannen 
und Semnouen braucht dadurch nicht zu fallen; die Allemannen 
können Semnonen sein, wenn auch ir Name anders als mittels des 
heilfgen Haines erörtert wird. 

Es mag sich hier zuerst um die Frage handeln, was für eine 
Betloutung der zweite Bestandteil des Compositums Alamanni ge- 
habt habe. Neuere Erklärer dises Namens hielten sich arglos an 
di<» jo/.igü Bedeutung des Wortes Mann und übersezten entweder 
allorloi Männer" oder „ganze, tüchtige Männer, Helden^)". Mit 
IWht behauptet Dr. Bauraann, daß bei der Erläuterung des Na- 
mon« Alamanni das Wort man nicht in seiner virtuellen, sondern 
\n noinor humanen Bedeutung aufgefaßt werden dürfe; allein einer- 
n^itM wagt er dise Ansicht^) nur schüchtern zu äußern; anderseits 
ttutorläst er eine ordentliche Begründung derselben, und drittens ist 
or uioht. der erste, der dise Ansicht äußert, sondern bereits Jacob 
Orinnn hat im Wörterbuche seine frühere Ansicht in disem Sinne 

moiiiii/'ioi'^* 

Um die älteste Bedeutung des Wortes man zu ermitteln, 

^inlon wir gut tun, die synonymen Ausdrücke der altdeutschen 

;g|>raohe, welche den Sinn Mann und Mensch tragen, einmal zu- 

H^UiHnizuNtellen ; es sind diß hauptsächlich^): firahi, wer, charl, 

Ij^o, man. Von firah homo ist nur der Plur. firahi homines 

1) So Jacob Grimm in der Grammatik Bd. 2 (1826) S. 627. Gott. 
^^ AuK. 1835 S. llOo (Kl. Sehr. 5, 196). GDS. Bd. 1 (1848) S. 498. 
X|h|0I'" diiKegen Wörterb. Hd. 1 (1854), Sp. 218. 

2) I>aß man die Bedeutung Mensch gehabt habe, ist selbstver- 
gH^dlloh nicht erst heute entdeckt worden. Sih Grimm Gr. 8, 319. 

0) Andere sehe mau bei MüUenhoff u. Soherer, Deukm. 2. Afl. S. 253. 



268 

nachzuweisen; dises Wort scheint den Menschen von seiner leih- 
haftigen Seite aufzufassen, indem das Stammwort ferah Fleisch und 
Blut, Leih und Lehen hezeichnet; aus dem Nibelungenliede wird 
jedem der „verchwunde Sifrit", einfallen. Dem lat. vir entspricht 
buchstahlich gotb. vafr, ags. ver, altn. verr. Im Ahd. ist dises 
Wort nur noch in Zusämmensezungen enthalten: werikelt com- 
positio viri (verschiden von dem modernen preußischen „Wehr- 
geld^); weralt sevum, saaculum; werodheod complexus hominum; 
werwolf lycanthropus (muß schon ahd. oder altfränk. vorhanden 
gewesen sein, da das afr. garou in loup-garou darauf zurückfürt). 
Vildeutiger als diso beiden vorangebenden Wörter scheint ahd. 
charal charl gewesen zu sein, das im Sinne von vir, maritus und 
senex gehraucht wurde. Im Altn. bezeichnete karlkyo das genug 
masculinum und karldyr hieß mas. Die Angelsachsen sonderten 
ceorl von carl in der Weise, das carl den Mann als Helden, ceorl 
den Mann als Ehegatten bedeutete ; inen hieß carlfugel das Männ- 
chen der Vögel, und wie wir Allemannen beute noch das Verbum 
wib<> im Sinne des uxorem ducere vom Manne aussagen, so auch 
die Angelsachsen vifjan und die Engländer noch zu Shakespeare's 
Zeiten to woman: daneben sagten die Weiber in Altengland von 
irer Verehelichung ceorljan wie weiland die Römerinnen nubere. 
Bei so mannigfacher Concurrenz konnte das ahd.. gomo, gotb. ags. 
guma, altn. gurai auf die Dauer keinen sichern Bestand fristen; 
es ist bekanntlich nur noch in unserm „Bräutigam^ erhalten und 
wird wegen seiner formalen Urverwandtschaft mit homo doch eigent- 
lich auch den Menschen und nicht den Mann bezeichnet haben. 
Alle dise Wörter überlebte das uralte, in seiner mythologischen 
Verwendung (Mannus) bis in die Morgenröte deutscher Geschichte 
zurückreichende Substantiv man, welches im Laufe der Zeit eine 
mannigfaltige Anwendung in den deutschen Zungen gefunden hat. 
Ursprünglich den Menschen von seiner geistigen Seite fassend, be- 
zeichnete es in spätem Entwickelungsphasen der deutschen Volks- 
gesellschaft bald den unireien Menschen in allen seinen Abstu- 
fungen vom geknechteten Leibeigenen bis zum vornemen Dienst- 
mann, bald den Mann als Helden und als Ehegatten. Es ist mir 
nicht schwer nachzuweisen, daß das Wort man in altgermanischer 
Zeit und bis zu Ende der Völkerwanderung den Sinn von homo, 
nicht den von vir und conjux gehabt haben muß. 

Ich brauche nicht einmal auf Mannus, den Vater aller Men- 
schen (Grimm mythol. 319. 544. 52) hinzuweisen. Den ersten 
Beweis liefert die goth. Sprache mit irem man, Mensch ; gaman, 
Mitmensch ; manleika, Menschenbild ; manamaurthrja, Menschen- 
mörder; nianas^ths, Menschensaat ; manniskddus, Menschlichkeit, 
unmanariggus unmenschlich; dem entsprechend auch im Ahd. ma- 
naheiti, manalihho, manaperga, manchunni, manezzo, manslecco, 
manslaht: im Ags. manaeta, manböt, mancild, mancvealm, mancyn, 
manmägen, mauslaga. Den zweiten Beweis nfime ich her aas der 



264 

Verwendung dises Subst. als unbestimmtes Pronomen. Zwar braucbt 
der Gothe sein man oder manna dnrcbaus nur noch in der con- 
creten Bedeutung yon Mensch, gerade wie auch der Römer sein 
lat. homo nur concret verwendete; erst in der Verbindung mit 
der Negation gewann der Gothe sein Indefinitum ni man und der 
Lateiner' sein nemo (nehomo). Aber gleich mit den frühesten 
Aufzeichnungen anderer deutscher Zungen erscheint man als Pro- 
nomen: im ahd. Hildebrandslied, im altsächs. Heliand, im ags. 
^ Beövulf, in der altn. Edda, gleichwie homo auch im ältesten Denk- 
mal der franz. Sprache, in den Straßburger Eiden, auftritt (vgl. 
Grimm Gr. 4, 220; Diez Gr. 3^, 292). Wie wäre es nun möglich 
gewesen, dises Wort als Indefinitum zur Vertretung aller Personen 
und Geschlechter in abstractester Weise zu verwenden, wenn man 
als Subst. ursprünglich die Begriffe vir, heros, conjux bezeichnet 
hätte? Wie könnten deutsche Schriftsteller das Pronomen man anch 
von Frauen gebrauchen, wenn das Subst. Mann einst nur das 
starke Geschlecht in sich gefaßt hätte? Von wesentlicherm Be- 
lang für unsere Erörterung ist aber drittens, daß schon der Gothe 
aus seinem Subst. man ein Adj. manisk, und daß ebenso das ahd. 
mennisk, das ags. mennisk, das altn. menskr in evidenter Ab- 
stammung von man doch nur die Bedeutung menschlich (hnmanus), 
niemals die von männlich (virilis) haben, wie denn aus disem ahd. 
mennisk geradezu ein neues Substantiv, nämlich mennisko (Mensch), 
erwachsen ist. Nun wäre doch sonderbar, daß der Sinn des Ad- 
jektivs auf dise Bedeutung (Mensch) des Substantivs man zurück- 
füren sollte, wenn zur Zeit seiner Entstehung bereits die andere 
Bedeutung (Mann) die herschende gewesen wäre. Es lert uns 
viertens die Rechtsgeschicht«, daß ahd. man als Masc. den un- 
freien Mann, altn. man als Fem. das unfreie Weib, mithin man 
überhaupt den unfreien „Menschen", nicht bloß den unfreien 
„Mann** bezeichnete, und daß manahoupit den Leibeigenen gleich- 
sam als ,, Haupt Mensch** dem ,, Haupt Vieh" an die Seite stellte. 
Und wenn das alles noch nicht überzeugend genug wäre für die 
aufgestellte Neutralität des Sinnes, so mögen endlich noch Com- 
posita wie gomraan und charlman angefürt werden, welche neben 
dem ags. vifman (engl, woman) den .,Mannsmenschon'' dem „Weibs- 
menschen** gegenüberstellen. 

Aus diser Auseinandersezung hat sich ergeben, daß unser 
deutsches Wort man anfänglich den Menschen und nicht den Mann 
bezeichnete. Wir sehen uns daher gezwungen, das Wort manni 
in dem Namen Alamanni im Sinne von homines zu interpretieren 
und alle Deutungen, die auf viri, viri fortes, heroes u. dgl. aus- 
gehen, abzulenen. Zum Ueberfluß wird unsre Auslegung noch 
unterstüzt durch das bekannte Gitat des Agathias (um 550) aus 
Asinius Quadratus (um 250): ol de ^AXaf.iavoi "Evitikvitg (a. L. 
'E;vyxkv6bg) siaiv uvd-gwnoi (nicht uvSgsg) xat juiyaSsg^ d. h. die Alle- 
manneu sind zusammengekommene (nach der andern Lesart .: zu- 



265 

8am mengespülte, durch Zufall zusammengebrachte) und gemischte 
Menschen (nicht Männer). Hiczu stimmt auch der goth. Ausdruck, 
den die Skeireins VIII 11 bei Auslegung von Job. 7, 46 ge- 
braucht: sildaleikjandans fraujins laisein svikuntbaba in alläim ata- 
mannam fauravisan rahnidedun , d. h. ,,bei allen Allmenscben^^ ^). 
Disem Worte man^ welches nur Mensch bedeutete, will Herr 
Dr. Baumann mit Recht das goth. vair, ags. ver, ahd. wer als ein 
solches gegenüberstellen, welches den Sinn Mann gehabt habe. 
Wenn er nun aber dises Wort wer in dem zweiten Bestandteil der 
Völkernamen Angrivarii, Ampsivarii, Bajuvarii, Boructuarii, Chas- 
uarii, Ghattuarii, Ripuarii, Teutovarii wieder finden will und den 
sprachkundigen Jacob Grimm (GDS. 542, noto) darüber tadelt, 
daß derselbe dises varii zu goth. varjan, ahd. werjan defendere 
stelle, und daß er aus dem ags. vare, altn. veri (nicht weri) den 
Sinn incola folgere, da doch aus dem Begriffe des Verteidigens 
keineswegs one Sprung der des Bewonens hervorgehe — so 
werden unsere Leser das Grundlose dises Tadels ser leicht her- 
ausfinden, wenn sie folgende drei Wörter, die nicht verwechselt 
werden dürfen, auseinander halten. 



1) Da es wichtig ist, in welchem Zusammenhang diser Ausdruck 
sich befindet, so will ich in hersezeD. Im Evangel. Joh. 7 wird der 
gewaltige Eindruck geschildert, den die Worte Jesu auf das Volk mach- 
ten, als er wärend des Laubhüttenfestes von Galiläa aus plözlich im 
Tempel zu Jerusalem erschin und unter Anknüpfung au jene Ceremo- 
nie, bei welcher der Priester zur Zeit des Morgenopfers unter Musik 
und Gesang in goldener Kanne Wasser aus der Quelle Siloah in die 
Altarschalen goß, seine durchschlagende Rede über das Wasser des Le- 
bens hielt. Die Wirkung diser Rede muß überwältigend gewesen sein, 
da sie eine große Aufregung im Volke für und gegen in hervorrief. 
Die einen erklärten in für einen Propheten, ja sogar für den längst 
erwarteten Messias; die andern aber ärgerten sich an im und stießen 
sich besonders an seiner Herkunft aus dem verachteten Galiläa. Seine 
längst erbitterten Feinde aber, die Pharisäer, Schriftgelerten und 
Priester, welche mit Bangen seine Popularität zunemen sahen, erach- 
teten dise Gelegenheit für günstig, um in endlich unschädlich zu machen, 
in diser Absicht schickten sie Häscher aus, welche in fangen sollten; 
allein dieselben scheuten sich, Hand an in zu legen, „weil, heißt es nun 
in der Skeireins, seine heilige Kraft unsichtbar ire Bosheit noch un- 
schädlich machte und nicht erlaubte, vor der Zeit in zu greifen. Es 
kamen daher die Diener zu den höchsten Priestern und Pharisäern, und 
diso sprachen zu inen: Warum habt ir in nicht gebracht? Die Diener 
aber antworteten und sprachen, daß nie ein Mann so geredet habe wie 
diser Mann. Dise Antwort aber gereichte jenen zum Tadel, zur Ver- 
dammung ires Unglaubens. Denn die Diener antworteten auf die Frage, 
warum sie in nicht gebracht hätten, one Rücksicht auf die Bosheit der 
Fragenden, sondern vilmer weil sie über des Herrn Lere erstaunt waren 
und weil sie glaubten, dieselbe würde hei allen ÄUmenschen ofienbar 
werden. Doch jene ertrugen in irer Verdorbenheit die Antwort irer 
Diener nicht, sondern versezten voll Zorns, indem sie sagten: Seid ir 
auch verfürt ?* 



266 

T. Ooth. vasti Kleid (oder vilmer ein Terlomet Stammwort 
vaH Gewand), ahd. wer gaweri, mhd. wer gewer inTe«titiira fmit 
d<^m aus a umgelauteten e) : davon das schwache Verbom goth. 
vasjao, ahd. warjan, mhd. wem kleiden, bekleiden (wieder mit 
dem Umlaut e). 

II, Güth. Adj. vars behntaaro, ahd. stark. Fem. wara. mhd. 
wäre war Aufmerksamkeit, Acht, Obacht, Schnz (lat. r^-eor); da- 
von das schw. Verbum goth. varjan. ahd. warjan weijan. mhd. 
wern schüzen, verteidigen, ebenso ags. verjan verteidigen nnd altn. 
verja 1) verteidigen, schüzen: 2i hegen, im Arm halten (alles, 
wie man siht, mit dem l'mlant e) : davon ital. gnarire. altspan. 
guarir, prov. garir, 4*ranz. gnerir heilen. 

III. Goth. vair, ahd. wer der Mann (mit dem ans i ge- 
brochenen e); davon das schw. Verbum ahd. weren. mhd. wem 
gewern gewäreu, bürgen : davon mlat. warens, ital. gnarento, span. 
garante, franz. garant. prov. noch mit altem Stammvokal gnireu, 
Gewärsmann, hievon endlich garantir guarentire etc. 

Ks ergibt sich aus disen drei Wortgrnppen, dass die schwachen 
Verben unter I) und II durchaus nicht zum Stammwort der drit- 
ten Gruppe gehören, weil das schlechterdings der Vokalismus ver- 
bitet; es ergibt sich femer zur Evidenz, daß von dem Stamm- 
worte der dritten Gruppe das von den Römern in zusammenge- 
sezten Völkernamen überlieferte -varii nicht kommen kann, weil 
das wiederum schlechterdings der Vokalismns verbitet. Schon 
Jacob Grimm hat Grammatik 1-641 davor gewarnt, daß man vafr 
wer mit disem -varii zusammenbringe. 

Wie deutlich wer und -varii von einander geschiden sind, 
erhellt am besten aus der ags. Sprache. Dort finden sich von . 
ver Mann die Composita : folc-veras Volkmänner, leod-veras Leute- 
männer (dazu von veri>d turha, agraen, multitudo: eorl-verod, flet- 
verod\ Neben disen Substantiven weist jene Sprache aber fol- 
gende, mit -varii stimmende auf: burhvare Bürger, Cantvare 
Einwoner von Cantia« ceastervare castrenses, eordhvaras Erdbe- 
woner, ge>-ar:*n c:ves. flätvere Chattuarii (Beov. 4720. 5827. Scop. 
vids. 33 ■. hellevaraa Höllenbewoner, Rdmvare Einwoner v. Rom, 
sigelvare Sonnenlvwoner. Aethiopen, Sodomvare Einwoner von So- 
dom, svev^rdvei^ Schwertträger; ferner die Collectiva : buruhvaro 
Bür>ren?chal>. Cantvam complexus Cantuarensium, landvara pro- 
vinoia. ot'astervaru arx. Disem vare entspricht altn. veri, Plur. 
verjar in sk:pvori rauta. skogverjar qui silvam incolunt, Silvani, 
Rdinverj*^r Komani, eyverjai- insulani; fem. Hevör Gnnnör Eyvör; 
ahd. HeriuAra Guntwar* Albuera Frithawar Fnlcoara Haimoara 
ll^^iwam Hildi^vam l.eul>overa Leudovera Raginwara Sigoara 



l^ /a uaur^uchen bleiben noch die ags. OrUnamen: Billanora 



267 

Sovil ergibt sich , daß das -varii lautlich mit vollem 
Rechte zur zweiten Gruppe gestellt worden ist, wenn auch zuge- 
geben werden kann, daß die Bedeutung des Wortes uns noch 
nicht durchsichtig genug erscheint *). Für die wissenschaftliche 
Etymologie kann nicht dringend genug die Forderung aufgestellt 
werden: Man soll nicht zuerst eine Sach- und BegrifiPsableitung 
sich zurechtlegen und alsdann den Wortlaut darnnch meistern, 
sondern man soll bei jeder Etymologie, die man aufstellen will, 
zuerst die Lautlere und die Grammatik überhaupt in Betracht 
ziehen! Dise Forderung, welche alles Etymologisiren nach der 
alten Mode, und wäre es noch so geistreich, unbarmherzig unter- 
sagt, bildet eine Hauptregel der Sprachwissenschaft, wie sie von 
Grimm und Bopp begründet worden ist. 

Nachdem Herr Bauraann die Ansicht, als bezeichne der Name 
AUemanneu eine Bundesgenossenschaft verschidener an der Main- 
linie wonender Völker, zurückgewisen, und nachdem er angedeutet 
hat, es sei das Allemannenvolk von Anfang an ein Suebenvolk 
gewesen, sucht er die Identität desselben mit dem Semnonenstamm 
darzutun, jenem Kernvolke der Sueben (caput Sueborum), welches 
im lezten Viertel des 2. Jarhunderts von der Spree (oder der Lausiz) 
an den Main gewandert sei '). Den neuen Namen Allemannen hätten 
dise Semnonen hier im Süden von iren Nachbarn, etwa den Chat- 
ten, Heimunduren und Burgundern, mit denen sie sich widerholent- 
lich herumgeschlagen, empfangeu; besonders den Hermunduren, 
als unmittelbaren Nachbarn der Semnonen, sei der Hain des sue- 
bischen Nationalgottes Ziu im Semnonenlande gewissermaßen der 
Götterhain par excellence gewesen; sie hätten darum dem suebi- 



Boganora Bäccesora Bucganora Readanora Cumenora Boxora Toppo- 
sora Icenora bei Leo, Rectitudines 79. 80. 

1) Uebrigens sind die Begriffe verteidigen, weren, hegen, pflegen, 
vereren gar nicht so unvereinbar, wie Dr. Baumaun glauben machen 
will; man darf nur die Bedeutungen des altn. Verbums vorja und der 
romanischen Ableitungen ins Auge fassen. 

2) One Herrn Baumanns Schrift und Meinung zu kennen, habe 
auch ich ungeför gleichzeitig bei Abfassung und I)rucklegung des 3. 
Bogens ^1876) meiner Geschichte des Schweiz. Bundesrechtes Bd. 1, 39 
nach dem Vorgange von Jacob Grimm (GI)S. 1, 498. 518) die Vorstel- 
lung einer Conföderation verschidener Völkerschaften, die man gewön- 
lich mit dem Namen Allemannen verband („allerlei Mannen*'), abgewisen 
und die Herkunft der Allemannen aus Norddeutscbland und zwar aus 
der unmittelbaren Nachbarschaft der Angeln vermutet, indem ich auf 
die merkwürdige Einstimmung einer großen Zai englischer und alle- 
mannischer Wörter und das ags. Wanderlied hinwis, wornach Angeln 
und Schwaben neben einander zu einem Reiche verbunden waren (hcöl- 
don fordh siddan Engle and Svsefe, svä hit OfFa geslöh. d. h. fortan be- 
haupteten es, das Reich, Angeln und Schwaben, wie es Offa durch Kampf 
erfochten hatte). 



268 

sehen Kernvolke, nachdem dessen hieratischer Name durch den 
Auszug aus dem Zialande hinfallig geworden, keinen prägnantem 
Namen schöpfen können als den der Alahmann&, der Leute von 
Zins alah, der „Leute des Götterhaines ", wenn anders sie in dem 
neuen Namen auch die Herkunft irer Bedränger aosdrficken 
wollten. 

Es istf wie man hemerkt, hier wieder derselbe Gang etymo- 
logischer Untersuchung eingeschlagen worden, wie er sich so oft 
bei Geschichtsforschern findet: eine schon fertige Vorstellung von 
der Sache soll nun auch noch die philologische Weihe empfangen; 
einer historischen Hypothese zu Liebe, deren Annembarkeit ich 
jezt nicht näher untersuchen will, muste ein entsprechendes Wort 
im Wörterschaze aufgestöbert und so lange zurecht gehauen wer- 
den, bis es zu Paß kam. 

Durch solches Vorgehen, das immer noch seinen Beifidl fin- 
det, wird die philologische Kritik angereizt, die Frage zu unter- 
suchen: Ist die Ableitung des Namens Alamanni von alah mög* 
lieh? Es verstet sich von selbst, daß ich bei Elrörterung diaer 
Frage nicht von der Bedeutung, sondern von der Form des Ety- 
mons ausgehe. 

Alah kommt als selbständiges Wort im Ahd. nirgends mer 
vor, sondern nur in Zusammensezungen von Ortsnamen und Per- 
sonennamen wie Alahstat, Alahdorf, Alahesfelt, Alabesheim, Alah- 
swint, Alahwich, Alahwin, Alahfrit u. dgl. Länger erhielt es sich 
bei den alten Sachsen des Festlandes; denn im Heliand, wo doch 
christliche Dinge besungen werden, findet sich das heidnische Wort 
alah widerholentlich gebraucht. Im Angelsächischen biten gote 
Handschriften die alte Form alh; daneben aber kommt immer 
mer die umgclautete Form ealh eal in Gebrauch. 

Allen disen Formen stet das goth. alh gegenüber, welches 
feminini generis ist, wärend die vorhin genannten männliches Ge- 
schlecht an sich tragen. Dem Altn. scheint das Wort zu man- 
geln, müste aber dort nach Grimms Vermutung alr Gen. als lau- 
ten. Es ist auch niclit außer Acht zu lassen, daß dises Wort 
sich nahe berürt mit ahd. elaho alces alce, mhd. eiche, ags. eich, 
engl, elk, altn. elgr, das Elenntier. 

Käme nun der Name Alamanni von jenem alah, so mäste er 
gelautet haben: 

Sing. goth. Alhman Plur. Alhmans für Alhmannos 
ahd. AI ahmen « A lähmen ^ Alahmanni 
alts. Alahmau „ Alahman „ Alahmannoe 
ags. Ealhman « Ealhmen ^ Elalhmenni 
altn. Almadhr „ Almenn „ Almennir. 

Se/en wir die .Abstammung des Namens Alamanni von aUi 
mit Hrn. r>auniann vorläutig als richtig voraus, so entstet die 
Frage : Waren die Römer im Stande, in irer Sprache das analan- 
teude h des deutschen Wortes widerzogeben? Hr. Banmann vor- 



269 

neint dise Frage darch folgende Säze. Man darf sich, sagt er, 
an dem Feien der Spirans h in der lat. (^und griecb.) Form des 
Namens nicht stoßen ; denn 

1) Den Römern und Griechen, welche uns den Namen der 
Allemannen überliefert haben, verbot ire Sprache die Bezeichnung 
eines auslautenden h (sie konnten demnach, obwol man inen Alh- 
mannds Alahmannä vorsprach, mit dem besten Willen nichts an- 
deres nachsprechen als Alamanni). 

2) Wäre das auslautende a in alah nicht durch nachtönen- 
des h gestüzt gewesen, so müsten wir wenigstens hie und da bei 
den römischen Schriftstellern einer Form Alomanni, zu der das 
Analogen Marcomanni, Langobardi drängte, oder einem abgeblaßten 
Alemanni begegnen. 

Es wird erlaubt sein, dise Behauptungen auf Richtigkeit oder 
Unrichtigkeit zu prüfen. 

Ad 1. — Was die Aussprache des h bei den alten Römern 
betrifft, so hat Gorssen in seinem bekannten Werke dargetan, daß 
der Buchstabe h im Altlateinischen sowol die gutturale oder pa- 
latale Aspirata als auch den bloßen Hauchlaut der Spirans ver- 
sinnlichte, daß aber freilich bereits zu der Zeit, als die Italiker 
ire Alphabete aus Hellas entlenten, der Laut ch im Verschwin- 
den begriffen war und sich vilfach zu dem Hauchlaute h verflüch- 
tigt hatte. Spuren der altern palatalen oder gutturalen Aspirata 
lassen in der Tat die beiden Wörter trahere tractum (goth. threi- 
han, ahd. dringen), vehere vectum und weiterhin vectura vectis 
(goth. gavagjan v^gs vigs, ahd. wagan) noch durchblicken. Aber 
fremde Namen mit ch, wie z. B. die phönizischen Channibal Chas- 
drubal Chamilcar sprachen die Römer bereits mit h. Die Natur 
des lat. Hauchlautes war indeß so flüchtig, daß, obwol uns ein- 
zelne Grammatiker dessen richtige Aussprache zu veranschaulichen 
sich bemühen, die Volkssprache, ono die Theorie zu beachten, in 
mer und mer vernachlässigte und auch die litterarisch gebildeten 
Römer diser Nachlässigkeit allmälig nachgaben. Wenn daher schon 
in lat. Wörtern Aussprache und Schrift schwankte (man findet ja 
bereits seit Cäsars Zeiten eredes aruspex Ostilius oedos ircos ge- 
schriben oder gemeißelt), so darf man sich nicht wundern, wenn 
diß bei den Fremdwörtern ebenso der Fall war, die ins Latein 
aufgenommen wurden, wenn also neben habrotonum halleluja Ham- 
mon Hiberns Hister auch abrotonum alleluja Ammon Iberus Ister 
gelesen wird. Vollends im Inlaute und hier in lateinischen wie in 
fremden Wörtern verschwand der Hauchlaut zuweilen ganz : nehemo 
nemo, vehemens vemens, prehendo prendo, nihil nil, und im Aus- 
laute ist, soweit wir schriftliche Aufzeichnungen lateinischer Sprache 
kennen, nie ein h geschriben worden. In den Töchtersprachen 
des Lateinischen sind die h weiland lateinischer Wörter bis auf 
wenige Spuren im Französischen und Walachischen verklungen^ 
wenn schon die Orthographie sie immer noch zähe festhält. 



270 

"Eh stet nicht zu erwarten, daß die Rdmer Wörter der deiit- 
Mclion Zunge günstiger werden behandelt haben als diejenigen an- 
der«;r Zungen; behauptet doch Pomponins Mela (in der Mitte 
df!if 1. Jh. nach Chr.j von den Namen deutscher Berge: quorum 
ijofnina y'ix est eloqui ore Iloroano. Und gleichwol wenn wir die 
römischen Aufzeichnungen germanischer Namensformen mit den 
i;ritM|>recbendcn Formen unsrer ältesten Sprachdenkmaler Terglei- 
dum, so mÜBsen wir zugestehen, daß die Römer es nicht feien 
lii;ßc'n an Genauigkeit der Widergabe und nur da yon dem, was 
ifion vorgesprochen wurde, abwichen, wo die Eigentümlichkeit irer 
Hproclie sie abzuweichen zwang. Zumal mit den deutschen Aspi- 
rationen geriten sie in Verlegenheit, weil ire Sprache dergleichen 
HO gut wie gar nicht besaß. Wenn nun gleichwol in den deut- 
ffclien Namen, welche sie uns überliefert haben, bald ein h, bald 
Ntatt deKselben ein c oder ch erscheint, so sind die Römer in sol- 
chen) Wechsel der Bezeichnung erwisener Maßen nicht irer Will- 
kür, Fondern der dialektischen Aussprache, wie sie bei einzelnen 
d<;iitHcben Stammen schon für jene 2^it sich nachweisen läßt, ge- 
folgt und nur eins kann auf Rechnung der Römer gesezt werden: 
die L/nterdrücknng des h. Wir finden daher eine vierfache Be- 
handlung des deutschen Hauchlautes in den von römischen Au- 
iorim überlieferten deutschen Namensformen: Das h und dessen 
Unterdrückung nach römischer Weise einerseits, aber auch die 
Aspiration des h zu ch und dessen Verdichtung zu c. Beispiele: 
Ilariobaudes Halidegastes Hartomundus Harudes H^mli Hilderieus 
llilpericus Hunimundus Hunila Hermegisclus. Ariovistus l^gioyai- 
no<; *AQif.i6v& lldico lldigisel. Chariomerus Charietto Xagioßtiv&rjg 
(Ümmavi Chasuarii Ghatti Ghattuarii Cherusci XtXiiße^iog. Silva 
('aesia Cauchi Caucaland Caiioviscus Cariovalda Gatumeros Ga- 
tualdaGrocus; zur Bestätigung mag auch der Uunnenname hieher- 
gezogen werden: Xovvoi Ghuni Hnni. Aber auch mit dem inlau- 
tenden deutschen Hauchlaut verfur man so, daß man in bald an- 
deutete, bald unterdrückte, bald aspirierte: Araharius Gumoharius 
yfttO(A(jig ^Fi/ofAi()Tjg Ovdkdagog BavSaXagtog rofxaQiog Thusnelda 
(f. Thursinhildaj Theodatus (f. Theodahatus) Droctoveus Bructeri. 

Die wichtigste Frage für unsere Prüfung ist nun aber die: 
Wenn die Römer im Auslaut irer Silben und Wörter kein h dulde- 
ten, wie konnten sie denn l^ang und Form solcher deutscher Namen 
widergeben, welche disen Auslaut enthielten? Antwort: Nachdem 
h nicht möglich war, bliben noch zwei Arteu der Nachbildung 
übrig, nämlich mit ch und c, und obendrein konnten sie den Laut 
ganz unterdrücken. Beispile: Hunrich-us ^Ovcigi/'Og Malarich-us. 
Oherusc-i Aduatuc-i Bac-enis Triboc-i Peuc-ini Groc-us Harderic-us 
Hilderic-us Hilperic-us Theodoric-us Alaric-us XXw&ocuog Ghlo- 
dovens. 

Es ergibt sich hieraus, daß die Römer, wenn sie wollten, 
Im Stande waren, das in deutsohen Namen auslautende h als c 



271 

und allenfalls als ch widerzugeben. Ire eigene Sprache weist ja 
Wörter mit c im Anslaut: hie b»c hoc illic nee sie lac alec die 
duc fac. Und wenn wir urverwandte Wörter germanischer und 
römischer Zunge einander gegenüberstellen, so tre£fen wir dise Be- 
obachtung bestätigt: haibs csecus, salaha salic-, varah porcus, 
faihu pecu, faihs noix-iXog, nih nee, fraihnan precari, seh sec-are, 
taihun dec-em, veihs vic-us. Solche auslautende h werden schon 
in den germ. Sprachen bald festgehalten, zuweilen vergröbert, zu- 
weilen unterdrückt, z. B. goth. anafilhs traditio, gafilhs sepul- 
tura; ahd. elah alce, parah majalis, virah homo, walah peregri- 
nus; ags. bearch majalis, vealh peregrinus. Ahd. malaha pera, 
franz. malle, salaha salix, ags. sealh, voraha pinus, vuraha sulcus, 
ags. vurh. marah equus, varah porcus, verah vita, ags. feorh. 
Das Altnordische hat dise h im In- und Auslaute frühzeitig ver- 
loren, ^. B. mar equus, valr peregrinus, fiör vita, und zuweilen da- 
für media angenommen. 

Vergegenwärtigen wir uns nun noch einmal das Wort alnh 
in den verschidenen Formen, welche es in den germanischen 
Sprachen annam, so konnten die Römer das h in alah, wenn sie 
der Aussprache süddeutscher Völker folgten, unterdrücken und 
ala sprechen und schreiben; oder sie konnten es zu ch oder c 
vergröbern, wenn sie der fränkischen Aussprache nachgaben (alach 
oder alac); oder sie konnten sich der gothischen Wortgestalt an- 
lenen und dann gewannen sie alc. Demnach konnten sie, wofern 
man das Etymon alah als das einzig richtige zu dem Namen der 
Allemannen einstweilen annemen will, disen Namen dreifach wider- 
geben: Alamanni, Alachmanni (Alacmanni) oder Alcmanni. Die 
fränkische Form alach ist uns wol noch erhalten in dem alach- 
falthio der LSalica, und die an^s gothische oder angelsächsische Wort 
sich anlenende daueite in dem mlat. nlcha, d. h. penarium pars 
sedis, in qua sunt cupse, fort, worauf icli nachher noch einmal zu 
sprechen kommen werde. Zum Glück ist uns aber das Wort alh 
alah AUS römischer Feder und zwar aus der des Tacitus erhalten 
worden , wenn auch villeicht oder warscheinlich in misdeuteter 
Anwendung. Germ. 43: apud Naharvalos antiquse rcligionis lucus 
ostenditur: prsasidet sacerdos muliebri ornatu, sed deos interpre- 
tatione romana Castorem Pollucemque memorant. £a vis numini, 
nomen Älcis^): „Bei den Naharvalen zeigt man einen Hain von 
altertümlicher Heiligkeit. Vorstand ist ein Priester in weiblicher 
Tracht; aber als Götter bezeichnen sie, wenn man sich nach römi- 
scher Weise ausdrücken soll, den Castor und Pollux. Diß ist das 
Wesen der Gottheit, der (deutsche) Name aber Alken^\ 

Die Römer konnten also die Tenuis im Auslaute gebrauchen ; 



1) Der Symmetrie mit numini wegen und nach dem lat. Sprach- 
gebrauch (Gaio Mucio mihi nomen est) neme ich Alcis nicht wie Grimm 
als Gen., sondern als Dativ. 



272 

sie konnten neben Alacmanni auch Alcmanni schreiben, wenn das 
Wort alh alah zu Grunde lag; das so lautende Wort wäre inen 
gewiß ebenso wenig widerwärtig gewesen wie die aus dem Grie- 
chischen entlenten Namen Alcmseon Alcman Alcmene, oder der aus 
dem Deutschen entlente Name alces Elenntier, oder die aus dem 
Geltischen entlenten Wörter culcita coscnlium falco murcus olca 
orca porca. 

Aber die Römer schriben nun einmal nicht Alacmanni und 
auch nicht Alcmanni, sondern Alamanni. Ebenso kennen die 
Griechen keine AXanfiavol und keine ^Ahcfiavol^ sondern nur 
^AXa/navoi, Wer nun gleichwol behauptet, das Ala komme von 
alah her, der wird sich mit diser Tatsache abfinden müssen. 

Ad 2. — Herr Baumann meint: wäre das Ala in Alamanni 
ein deutsches ala, wie gewönlich angenommen werde, so müsten 
wir bei dea römischen Schriftstellern hie und da einer Foi:m Alc- 
manni, zu der das Analogon Marcomanni dränge, oder einem ab- 
geblaßten Alemanni begegnen. Das konsequent erscheinende a 
aber in der zweiten Silbe deute auf Deckung durch h. Verstehe 
ich dise Behauptung richtig, so will damit gesagt werden: Die 
Römer hatten die Neigung, auslautendes a in offener Silbe in o 
umzuwandeln; bei Alamanni konnten sie diß deshalb nicht tun, weil 
das auslautende a von Ala eigentlich durch h (alah) gedeckt war 
und niclit in offner Silbe stand. Die Yoraussezung zu einer sol- 
chen Folgerung kann ich nun durchaus nicht zugeben und muß 
daher beides, Yoraussezung und Folgerung, als grundlos zurück- 
weisen. Wir haben hier eine Zusammensezung aus ala und man 
vor uns. Die Teile einer Gomposition werden gewönlich durch 
einen Yokal vermittelt, von welchem frühere Grammatiker glaub- 
ten, er sei nach Willkür eingeschoben, um die Aussprache der bei- 
den Gorapositionsteile zu vermitteln, wärend die neuere Gramma- 
tik, gostüzt auf sprach vergleichende Beobachtungen zu dem Re- 
sultate gelangen muste, der sog. Bindevokal in Gompositis schließe 
sich genau an den dem ersten Worte gebärenden Flexionsvokalis- 
mus an. Nun ist Tatsache, daß die lat. Sprache einen Bindevokal o 
so gut wie gar nicht kennt; denn die wenigen Fälle albogalerus 
albogilvus merobibus werden anders erklärt: Bopp, vgl. Gram. 
§ 966 (Bd. 3^ 441). Wo also bei den Römern ein o ab Binde- 
vokal in einem Fremdworte zum Yorschein kommt, da haben wir 
den Ursprung davon und die Yeranlassung dazu nicht im Latein, 
sondern in derjenigen Sprache zu suchen, aus welcher das Wort 
stammt. Bekanntlich verwendet insbesondere die griechische 
Sprache das o f&r Nomina jedes Geschlechtes und jeder Deklina- 
tion: ^fisgotfvXai olxoSofxoq fÄVOfia/Ja tooßa&ijg dQOSvoyeyi^Q, Wenn 
nun die Römer uns componirte deutsche Namen überliefert haben, 
einmal solche mit dem Bindevokale o, wie Langobardi Marcomanni 
Tcutoburgiensis Malovendus Marobodnus Ariovistus InguiomeruB 
Cariovalda Hariobaudes Bucinobantes Ghnodomarius, sodann solche 



273 

mit den Bindevokalen i, u, e und a, wie Segimerus Segimundns 
Asciburgium, Catumerus, Ganinefates Halidegastes, Idisiavisus u. a.: 
so ist das alles nicht rön|i8che Willkür und fluchtige Nonchalence, 
sondern es ist anzunemen, diso verschidenen Bindevokale seien da- 
mals schon in der deutschen Sprache vorhanden gewesen und die 
Römer hätten sie einfach so nidergeschriben, wie sie dieselben 
vernommen; zumal bei dem Vokale o sind wir zu diser Anname 
förmlich gezwungen, indem wir dises o nur aus dem deutschen, 
nicht aus dem Lateinischen erklären können. Daß a bei den 
Deutschen in tonloser oder schwachbetonter Silbe zu o sich wan- 
delte, dafür haben wir merfache Beweise; ich will nur zwei bei- 
bringen. Goth. Eigennamen wie Attila Budila Totila Yulfila wer- 
den ahd. zu Etzilo Putilo Zuozilo Wulfilo, und den goth. schwachen 
Formen hana hanan, blinda blindan entsprechen ahd. hano hanon, 
plinto plinton. In fränkischen Namen erscheint der Bindevokal o 
ser oft: Dagobertus Vulfoleudus Gundobertus Karolomannus. Auch 
in appellntivischen Compositis finden wir in gar nicht selten: ar- 
beolaos spiloman samolih tagosterno. Dises o stet bald für a, wie 
in Marcomanni Teutoburgiensiensis (marca thiota), bald für i wie 
in Chnodomarius Gundomadus. Der Gothe hatte in solchen Fäl- 
len immer noch die alten Vokale; nur in Fremdwörtern verfnr er 
wie der Lateiner, indem er das o herüber nam: Aipafraüdeitos 
Airmogaineis Antiaükia Nikaüdemus Gazaüfylakion. In den uns 
überlieferten altdeutschen Zusammonsezungen mit ala( Grimm Gramm. 
2, 627. 650) tritt nun nirgends ^) statt des auslautenden a ein o 
ein, und wenn, was warscheiulich ist, diß auch früher nicht der 
Fall war, so hatten die Römer keinen Grund, Alomanni nachzu- 
schreiben, da sie doch nur Alamannds oder Alamann& hörten^). 
Ob die Handschriften des Aurelius Victor, der Script, bist. Aug. eto. 
einige Male Alemanni statt Alamanni lesen ''^), vermag ich aus 
Mangel des kritischen Apparates nicht nachzuprüfen. Wäre es 
aber auch der Fall, so ließe sich fragen, ob diß nicht Einwirkung 
späterer Aussprache und mittelalterlicher Orthographie sei. 

Aus disen Betrachtungen ziehen wir das Ergebnis: da die 
Römer Ala schreiben, so haben sie auch Ala aussprechen hören, 
und im Gegensaze zu Hrn. Baumann, der den Saz aufstellt, daß 
die Römer, obwol jenes Ala von alah stamme, dises alah doch 
nicht anders denn als Ala widergeben konnten, habe ich bewisen, 
daß, wenn Ala wirklich von alah stammte, die Römer gar wol 
Mittel gehabt hätten und zwar schon nach dem Vorgange deutscher 

1) Nur zwei altsächs. Beispile sind bekannt: alowaldant alomahtig. 

2) Einen andern Ursprung als unser ala hat natürlich das allo in 
dem keltischen Namen AUobroges. Der Scholiast zu Juvenal. 8, 233 
meint: Ideo autem Allobrogie dicti, quoniam hrogaGoWi agrum dicunt, 
äUa autem aliud; dicti igitur, quia ex alio loco fuerant translati. Cf. 
den deutschen Namen aliorunse bei Jornandes. 

3) Grimm 6r. 2, 624. Forcellini, Lexicon s. v. Unten S. 282« 

BIxUnger, AlenuumlaYIIS ^^ 



274 

Yolksstämme, den angeblichen Namen Alhmannos Alahmannft Alac- 
raannä durch die Formen Alcmanni und Alacmanni Dachzubilden. 
Dieweil sie dises aber nicht getan haben, so gewinnen wir daraas 
allen Anlaß anzuuemen, das Ala stamme nicht von einem Worte 
mit austönendem Kellaute oder Hauchlaute, also nicht von 
alah, sondern vilmer von einem Worte, das ein a in o£fner^ Silbe 
hatte. Der Einwand, es hätte ein solch offnes a sich die Umbil- 
dung in o gefallen lassen müssen, fällt, wie ich nachgewi8en,7&l8 
grundlose Vermutung dahin. Die Betrachtung der lateinischen 
Namensform Alamanni gibt uns also durchaus keine zwingende 
Veranlassung, den ersten Bestandteil dises Compositums yon^'dem 
Worte alh oder alah herzuleiten. 

Ich könnte mich nun mit disem Resultate begnügen, will 
aber, um nichts zu versäumen, sondern um alles . Beweismaterial 
vorbeidefiliren zu lassen, was man etwa bei solch einer Erörte- 
rung geprüft sehen möchte, auch noch den Blick werfen auf die 
Art und Weise, wie die deutschen Hauch- und Kellaute kurz nach 
der Völkerwanderung beim Niderschreiben behandelt wurden. Hier 
zeigt sich uns zunächst bei romanischen Schreibern und denen, die 
irer Schreibweise folgten, ganz dasselbe Schwanken in der Ortho- 
graphie des h in deutschen Namen wie bei den alten Römern. 
Wir finden im Anlaute: Charibert Cliaideruna Chardoin Chari- 
mund Charoald Chadulf Childemer Chilliswint Chilpericus Ohio- 
dochar Chrambert Chrodegang Chrodochilde Chugobert, und Cale- 
tricus Cardaricus Crodico Cochilaicus, daneben aber Hariperaht 
Haideruna Hartwin Herimunt Hariold Hathowulf Hiltim&r Hiltis- 
wint Helfrich Flluthari Hramperaht Hruotganc Hruothilt Hngu- 
peraht Halidrich Hardcrich Hugilaich, ferner one alle Spiration 
Aribert Arduin Arimund Lothar Robert Roland Rambert Arlindis 
Ildebrand Ildefons Ilderich Ugo Uncilen. Im Inlaut ist die Be- 
handlung ebenso mannigfaltig: Eccard Fulcaris Arnaida Adelaida 
Adalard Adalelm Badoildis Baldechildis Bernard Berner Berta 
Bertier Piliilt Prunild Ewrard Gerard Giseler Gundicarius Gun- 
dachar Ragnaris Raganhari Uliaris Wilihari ChlodovsBus Drocto- 
veus Ostfalahi Walahun. Und ebenso im Auslaut: Alaric Aldric 
Embrich Erarich Gaiserich Otloh Berinhoh Harderich Erowic Hlu- 
dowich Hugilaich. 

Wie nun heutzutage deutsch lernende Franzosen das deutsche 
h unterdrücken, wo es hingehört, und umgekert ein h vorsezen, 
wo es nicht hingehört („das Uhn at hein Hei hins Eu gelegt"), 
so taten auch romanische Schreiber mit altdeutschen Wörtern, 
z. B. erro üs undes agen agastalt, heber harbeiti helahun hachus- 
tim*), zumal mit langobardischen arimanni Aripertus Ildipert, scnl- 
dahis marpahis Ahistulf lahip Alpuhin. Im Altdeutschen, soweit 
es von deutschgebornen und deutschredenden Schreibern aufge- 



1) Zalreiche Beispile bei Weinhold alem. Gr. § 230—234. 



276 

durch Kriegsglücksgast Hartreich Scblachtkampf Risenkainpf Eriegs- 
glücksstreit Adler weit Volksschlange zu übersezen wüste. Nun, 
dise Weisheit hat allenfalls auch noch bei unser einem im Kopfe 
Plaz! Allein jeder fült, daß mit solchen Uebersezungen dise Na- 
men ebenso wenig erklärt sind, als wenn einer einem Lernbe- 
girigen den Begriff einer „Locomotive" dadurch erklären wollte, 
daß er im sagte, das sei „ein ßewegungsmittel, um vom Fleck zu 
kommen". Gerade so ist auch bei Völkernamen wie Marcoroanni 
Langobardi Burgundiones Franci absolut nichts erklärt, wenn ich 
sie schon übersezen kann mit „Grenzmenschen Langbeile Burg- 
winden Freie" ; sogleich kommen die Fragen: warum? wie so? 
Ein anderes Bedenken erhebt sich gegen die vilfach angenommene 
Meinung, daß, da die meisten Völkernamen nicht von iren Trä- 
gern, sondern von iren Nachbarn ausgegangen seien, sie notwen- 
dig einen nachteiligen Sinn, also Schimpf, Spott, Hon und der- 
gleichen in sich schließen müsten. Ich wenigstens zweifle daran, 
ob man alle Völkernamen von vorn herein von disem Standpunkte 
aus richtig deuten wird. 

Welchen Sinn hat nun das Wort alah? Vulfila übersezt mit 
alh die Worte vaog (Wonung Gottes, Tempel) und Ugov (Heilig- 
tum, heiliges Haus) im neuen Testamente. Da nun Tacitus den 
Germanen eigentliche Tempel von Holz und Stein abspricht und inen 
nur Waldkultus zuschreibt, so ligt es nahe anzunemen, auch alh 
bedeute eigentlich einen heiligen Gotteshain, und so faßt auch 
Herr Baumann den Sinn des Wortes auf. Allein bei näherm Nach- 
denken über den gothischen Sprachgebrauch in der Bibelüber- 
sezung muß dise Auslegung Bedenken erregen. Bekanntlich nennt 
Paulus den Leib einen Tempel des h. Geistes ; die Hauptstellen 
darüber 1 Gor. 6, 19. 3, 16 feien freilich in der gothischen Bibel; 
aber 2 Cor. 6, 16 und Ephes. 2, 21 bewegen sich ebenfalls in 
diser bildlichen Anschauung. Die leztere Stelle lautet: „Ihr seid 
Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, auferbaut auf 
dem Grunde der Apostel und Propheten, da der Eckstein Christus 
selbst ist, in welchem der ganze Bau zusammengefugt wächst zu 
einem Tempel heilig im Herrn (goth. in thammei alla gatimrjo 
gagatilöda vabseith du alh veihäi in frdujin)*^. Ich bitte um Alles : 
was soll der gläubige Gothe sich vorgestellt haben, wenn alh hier 
den Sinn Wald hatte? „Der Leib ist ein Wald des h. Geistes! In 
Christus zusammengefügt, wächst der ganze Bau (der Kirche) zu 
einem Walde heilig im Herrn!" Ich glaube, wenn alh jemals den 
Sinn von Wald oder Hain gehabt haben mochte, was ich bezweifle, 
so konnte diß Wort solchen Sinn zu Vulfilas Zeiten nicht mer 
haben. Bereits hat J. Grimm MytK 57 fgg, eine Reihe von 
deutschen Ausdrücken erörtert, welche künstlich erbaute Tempel 
bedeuten, und Belegstellen angefürt, die troz Tacitus deutlich dar- 
tan, daß die Germanen gebaute Tempel zum Kultus hatten. 

Etymologisch 3tellt sich alh zu dem urverwandten lat. arcere 



278 

müssen, der sich in der Limburger Chronik noch nicht voll- 
zogen hat. 

Hienach wäre alh ealh alah eher ein steinernes burgänliches 
festes als ein bloß hölzernes Gebäude gewesen, und von dem an- 
geblichen Begriffe „Hain^, „heiliger Wald*' ist weder bei Vulfila 
noch im Ags. noch in den übngen germanischen Sprachen auch 
nur eine Spur zu finden. Wollen wir also dises Wort in den Na- 
men Alamanni hineinzwängen, so dürfen wir denselben nicht, wie 
Hr. Baumann tut, mit „Leute des Götterhaines ^ übersezen, son- 
dern nur etwa mit „Menschen des Tempels, des Hofes, der Burg". 
Tempelmenschen, das kann heißen: Leute, welche zum Orte 
ires Kultus ein Tempelgebäude besizen, oder Leute, die einem 
Tempel dienstbar sind*), da ja man oft auch den unfreien 
Menschen des männlichen und des weiblichen Geschlechtes be- 
zeichnete. Die ÄUemannen wären sonach eine Art germanischer 
Lernten! Wie der Stamm Levi bei den Israeliten eigens für den 
Tempeldienst bestimmt war, so wären es nach diser. Erklärung 
auch die Semnonen-Alachmannen bei den Sueben zum Dienste 
des Ziutempels gewesen. Wie die Leviten zwar die Neben Ver- 
richtungen beim Gottesdienste versahen, sich aber dem Heiligtume 
nicht nahen durften, so durften es auch die Semnonen-Alachmannen 
nicht, außer in Fesseln. Und wie die Leviten 35 Städte zuge- 
wisen bekamen, so bewonten die semnonischen Tempelmenschen 
hundert Gaue. Wer Lust hat, mag diso Parallele fortsezen. 

Ich habe die Konsequenzen der Baumann*schen Etymologie 
auch in irem sachlichen Gehalte bis zur Grenze des Möglichen 
verfolgt und brauche den Leser kaum noch darauf hinzuweisen, 
daß der Sinn von „Teropelleuten, Hof- oder Burgmenschen*', den 
Alahmann& einzig haben könnte, mit Tacit. Germ. c. 39 durchaus 
unvereinbar ist. Recapituliren wir, so haben wir folgende Ergeb- 
nisse aus der vorangegangenen Erörterung zu verzeichnen: 

Angenommen, der Name Alamanni komme von alah und man, 
wie behauptet wird, so fallt auf: 

1) daß die Römer nicht Alacmanni oder Alcmanni schreiben, 
da inen diß doch ebenso nahe oder näher als Alamanni lag; 

2) daß auch die spätem Romanen durchaus Alamanni schrei- 
ben und nie zur Abwechselung, wie es doch bei Namen, die zu 
alah gehören geschiht, mit Zulassung des h, also nie Alahmanni; 

3) daß das Wort alah in keiner germanischen Sprache die 
Bedeutung des heiligen Waldes, des Haines hat, wie die Herlei- 
tung der Alachmannen von .den Semnonen als Leuten des Ziu- 
haines erfordert, 

und es ergibt sich, daß der Name Alamanni aus Gründen 
der Form und des Inhaltes nicht von alah abgeleitet werden darf. 



1) Wie etwa dor Name Electeo, ahd. Alahdio, gotb. Alhthius aus- 
drücken müate. Grimm GDS. 638. 



279 

Der Einwand : Warum bringen denn die Römer nie die Form Alo- 
manni, wenn ala etwas anderes als alah sein soll? beseitigt sich 
dadurch, daß sie nie Alo zu hören bekamen, sondern nur Ala. 

Jacob Grinini hat in seiner Grammatik 2, 447 einen Augen- 
blick, aber auch nur für einen Augenblick, den gleichen Einfall 
wie Herr Baumann gehabt. Er sagt dort: „Kann das h (bei alah) 
wegfallen, so dürfen auch Eigennamen wie Ala-reiks (Alaricus) 
u. a. hieher gezählt werden". Allein wenige Bogen später (S. 627), 
bei erster Gelegenheit, hat er disen Einfall wieder zurückgenom- 
men mit den Worten : „Die Vermuthung S. 447 ist falsch". 

Billigermnßen hätte dise Korrektur unsers grösten Sprach- 
kenners Herrn Baumann abschrecken sollen, einen alten etymolo- 
gischen Einfall wieder aufzunemen und aufzutischen, der sich nach 
allen Seiten hin als verfeit ergibt. 

Nachdem ich die Ableitung des Ala von alah alh in dem 
Volksnamen Alamanni als unmöglich zurückgewisen habe, komme 
ich auf das von Dr. Baumann verschmäte Adjektivum ala zurück, 
als auf dasjenige Etymon, welches bei der Erklärung dises Na- 
mens allein in Betracht kommen darf. 

Unsere alte Sprache hat in* zusammengesezten Nominibas 
zimlich deutlich zwei Adjektiva all und ala geschiden, die wol 
ursprünglich einem einzigen Worte entsprossen sind. 

I. all, — Goth. alls, ahd. mhd. alts. al, ags. eal, engl, all, 
altn. allr entspricht durch Urverwandtschaft dem griechischen oXogj 
dem lat. salvus, dem skr. sarva*). Es bedeutete, wie sich aus 
diser Verwandtschaft ergibt, zuei*st ganz, d. h. nicht zerstückelt, 
nicht verlezt, nicht verdorben, also totus. Da aber das Ganze 
immer auch eine Art Summe der zu im gehörigen Teile bezeich- 
net, so entfaltete sich aus disem Begriffe ser leicht der Sinn von 
all., integer. Ganz und all unterscheiden sich gerade so wie totus 
und integer ; totus wie ganz gehen auf die Einheit des Zusammen- 
gehörigen und auf deren Vollkommenheit; all und integer deuten 
auf die Unverleztheit, auf die Summe aller Bestandteile. Der 
französischen Sprache ist tout (totus) der Ausdruck für die All- 
heit geworden, wie uns das all, wärend entier (integer) den Sinn 
der Ganzheit hat annemen müssen. 

II. ala. — Gotb. ahd. alts. ala, ags. äl, altn. al ist eine 
jüngere Form des vorigen Nomens, dessen Consonanz vereinfacht 
worden ist wie oXoc: aus oXFog oder oskisch sollus aus solvus. 
Die Bedeutung ist aZ/, integer cunctus, universus, omnis, also im 
Sinne der Vereinigung aller Teile, der Gesammtheit, der Vollzälig- 
keit, mit Ausschluß alles Mangelnden, alles Vereinzelten, aller Aas- 
namen. 

Im Neuhochdeutschen hat sich diser Unterschid durchaus ver- 



1) L. Meyer, vgl. Gram. 2, 435. 



280 

wiflobt; wir unterscheiden weder durch die Orthographie^) noch 
durch die Bedeutung Worter wie AUod (alot) mere proprium von 
Allmacht (alamaht) omnipotentia; wir bedürfen schon einiges Nach- 
denken, um nur einen Unterschid herauszufinden. Dises Verwischen 
und Vermischen stammt aber nicht erst von heute. Schon den 
mhd. Wörtern diser Zu^ammensezung ist nicht mer anzusehen, ob 
nh aus all oder ala entsprungen ist; im Ahd. schwanken die 
Quollen ebenfalls zwischen all und ala, indem sie die Bedeutungen 
vormongon ; auch im Ags. gibt es Wörter, die bald so, bald so 
gesohriben werden, z. B. liest man älvihta und ealvihta, älvealda 
und (lalvealda, allic und eallic. Nur im Altnord, und Goth. sind 
iM^ldorlei Formen deutlich und scharf auseinander gehalten. Die 
VnrderbniH dises Unterschides muß also hoch hinauf gehen und 
trügt nicht wenig dazu bei, daß die Erklärung des Namens Alle- 
umnnun für uns so schwing geworden ist. 

Ursprünglich sollen Composita mit alls'al eal allr griechi- 
Hohen Wörtern, die mit oXo- zusammengesezt sind, entsprochen 
hnbun, z. B. goth. allbrunst oloxuvoioq^ Composita aber mit ala 
lil al griechischen Wörtern mit tzwito-; z. B. goth. alatharba nay- 
iiftfto(fo^. Damit wir uns aber den Unterschid der beiden Zu- 
Müninionsezungen eher verdeutlichen können, will ich nicht erman- 
guln, wenigstens die Reihe der so componirten Substantiva, welche 
J. (irimm Gr. 2, 650 verzeichnet, nebst einigen Ergänzungen hier 
vor/. u füren, indem ich die so componirten Adjektiva beiseits lasse. 

I. Composita mit all-, oXo-. Goth. allbrunst bXoxavowg. — 
Ahd. albrandopher v),6xui(nog, — Ags. eallofirung oXoxavaroc:^ eal- 
HUftlf ambrosia. — Altn. allgildi plenum pretium, allgiörvi panoplia, 
nllhysi integrum praedium, allkiötvi pancreas, allklsedhnadr integer 
vestituM, allvepni panoplia. 

II. Composita mit ala-, navio-, Goth. alamans nafinhj&sig 
tlyÜQdinoi, Alamods ii. pr. nufxxpv/pq^ alatharba navd&Xioq, — Ahd. 
Alaman, alewalto omnipotens, alenamo prsenomcn. Die meisten 
Ntohen in adverbialen Redensarten : a) mit in und dem Akkus. : 
in aladräti vehementissime, in alafesti firmissime, in alagahi citissi- 
me, in alagahün, in alahalba undique, in alahant undiquaque, in 
alaltchi omnimode, in aleinaht vehementissime, in alanot accura- 
ÜHHime, in alawar verissime, in alawisün omnimode; ß) mit in oder 
tfi und dem Dativ: in alagähe, in alahalbon, in alanahi proxime, 
In alerihte rectissime; zi alawilru, zi alawäre, zi alasperi omnino^). 

1) Mit Recht schreibt darum auch J. Grimm im Wb. 1, 218 un- 
lern VolksnamcD wieder nach altherkömmlicher Weise -4W€Wianwen, nicht 
AloODAnnen. Vgl. meine Geschichte des Schweiz. Bundesrechtes 1, 38 note. 
Atem. I 264 n. 

2) Wohin gehören alzuges coniiniio, alwec semper? Unter den 
iMllb. Glossen der LSul. finden sich alacharde tota virgula, alathagio 
OHl loqui non potest, niutus. Siho die Glossen der LSal. v. fl. Kern. 
Suir 1369 S. 104. 106. 




281 

— Agg. älfylce multitudo, älmiht omnipotentia, älnht omnis crea- 
tura. — Altn. Alflfa n. pr. GDS. 540, algleyroingr amnestia, 
alheimr macrocosmus, alhugi serietas, almsetti omnipotentia, al- 
mügi plebs, alrocmi fama vulgaris, alvara serietas, alvidra mollis 
undique aer, aludh beuevolentia, althing comitia, altbyda plebs. 

Unser Volksname müste in den yerschidenen germanischen 
Sprachen also heißen: 

goth. Sing. Alaman Plnr. Alamans = Alamannds 
ahd. Alaman Alaman = Alamanna ^ 

alts. Alaman Alaman = AIamann6s 

•■ •• •• 

ags. Alman Almen = Almenna 

altn. Almadhr Almenn = Almennir. 

Herr Baumaun glaubt nun nicht, daß Ala in dem Namen 
Alamanni das verstärkende Präßx sei; denn im zufolge 6ndet das 
Präfix ala nur Anwendung in Adjektiven, Adverbien oder zu Ad- 
verbien gewordenen substantivischen Formeln; nie aber verbindet 
es sich mit waren echten Substantiven. 

Es sind hier ebenso vile Unrichtigkeiten und Irrtümer als 
Säze ausgesprochen. Zunächst siht man aus der widerholten Be- 
zeichnung „Präfix", daß Herr B. das Wort ala nicht für das alte 
oben geschilderte Adjektivum, sondern für „eine an sich bedeu- 
tungslose Vorsilbe'' hält. Schon das ist bezeichnend. Was soll 
man aber dazu sagen, daß er behauptet, ala verbinde sich nie mit 
waren echten Substantiven? Was sind denn alewalto, alenamo, 
was sind die ags. und altn. Ausdrücke? Doch halt! Wenn ein 
Substantiv im Laufe der Zeit adverbial gebraucht wird, wie die 
übrigen ahd. Composita, die oben aufgezält sind, dann verlirt 
es ja nach der Meinung des Hrn. B. sein Anrecht auf den sub- 
stantivischen Taufschein. Weil heim^ ursprünglich ein Hauptwort 
von der Bedeutung Haus, Heimat, jezt nur noch als Adverb ge- 
braucht wird, das lediglich die Richtung einer Tätigkeit anzeigt 
(heim gehen), so hat es alles Recht auf seine substantivische Her- 
kunft verwirkt? Weil die Wörter überhaupt^ zufrieden im jezi- 
gen Sprachgebrauche iren nominalen Sinn von Flaupt und Frieden 
eingebüßt haben, so sollen sie nie Substantiva gewesen sein? Haben 
denn die französischen enfin, vis-ä-vis, derechef oder die lat. ex- 
templo, invicem, obviaro sich ires Rechtes, substantivischer Her- 
kunft zu sein, deswegen begeben, weil man im gewönlichen Sprach- 
gebrauch inen keine substantivische Kraft der Bedeutung mer an- 
fÜlt? Nein, sondern alle so gebildeten Adverbien sind einmal wäre 
Substantive gewesen. Das zufrieden war einst ein wirkliches ^n'c- 
den mit der Präposition zu , wie wir das noch halb und halb em- 
pfinden in der Redensart: einen Zornigen zufrieden (zu Frieden) 
stellen. Das überhaupt war noch im Mittelalter ein Fechteraua- 
druck (über houbet), welcher Luftstreiche über den Kopf weg be- 
zeichnete. So sind nun auch die oben aufgezälten ahd. Ausdrücke, 
wenn sie gleich adverbialisch gebraucht sind, von und mit waren, 



282 

echten Substantiven gebildet; ire adverbialische Verwendung tut 
irem Ursprung keinen Abbruch, und es ist daher vom Standpunkt 
der historischen Grammatik aus irrig zu behaupten, jene mit ala 
zusammengesezten Substantiva seien keine waren Substantiva. 

Wenn wir nun nach dem Sinn des Namens Alamanni forschen, 
80 stossen wir zunächst wieder auf eine alte Deutung. Da ist es 
ja freilich richtig, daß spätere römische und griechische Geschicht- 
schreiber oder Lexikographen deutsche Namen gedankenlos aus 
dem Lateinischen oder Griechischen deuteten; so z« B. Libanius 
3, 317 den Frankennamen: ii)^vog narfQuyiittvov nghq rä twv noksf-iCüv 
fQyu; so Dexippus nach dem Etym. magn. den Herulernamen: änb 
Jiov ixsias eXwy "EXovqoi xtxkTH'ua; so den Gepidennamen das £tym. 
magn. aus dem Griechischen: rrjnatisg oiovsi rerinai^egy ol rszuiv 
naiöeg^ Isidorus aus dem Lateinischen: Gipedes pedestri prcelio 
magis quam equestri sunt usi, et ex hac causa ita vocati. In die- 
selbe Kategorie der Gedankenlosigkeiten gehört nun auch die Er- 
klärung des Allemannennamens bei Servius (ad Virg. Georg. 4, 278): 
Populi habitantes juxtn Lemannum lacum Alemanni dicuntur, die 
auch Isidor^) wieder aufgenommen hat: Alemanni a fluvio (!) Le- 
mano, Worte, die uns höchstens die schäzbare Notiz auf indirek- 
tem Wege vermitteln, daß man zu Servius Zeiten schon Alemanni» 
neben Alamanni sagte, was mir oben (S. 273) entgangen ist. Aber 
neben solchen Albernheiten sind uns auch Erklärungen aus dem 
Deutschen aus alter Zeit auf bewart, welche den Charakter von 
Volksetymologien an sich tragen ; so wenn Orosius 7, 82 von den 
Burgundern sagt: hos Burgundiones quondam subacta interiore 
Germania a Druso et Tiberio per castra dispositos ajunt in mag- 
nam coaluisse gentem, atque etiam nomen ex opere praesuropsisse, 
quia crebra per limitem habitacula constituta, burgos vulgo vo- 
cant. Orosius, ein spanischer Priester, Schüler des h. Augustinus, 
schrib seine Weltgeschichte nm 417; er hat seine Etymologie nicht 
erdichtet, sondern offenbar aus deutschem Munde vernommen; sie 
ist auch, was das Etymon betrifft, richtig, nur die Begründung ist 
falsch. Eine Volksetymologie ist es, wenn das Etym. magn. den 
Namen AoyyißuQÖoi erklärt, roviaon ßa&Biav vni]i7jv (Schnurrbart) 
xal ^axgäv s/ovug, was Isidorus und Paul. Diao. widerholen. Eine 
Volksetymologie ist es, wenn Jornandes den Namen der Gepiden 
als einen Spottnamen ansiht, der dem Volke wegen seiner lang- 
samen Ueberfart aus Scandinavien gegeben worden sei; gepanta 
bedeute auf gothisch pigrum aliquid tardumque. 

Es fragt sich darum : Wie ist die Erklärung des Allemannen- 
namens durch Asinius Quadratus aufzufassen, als gedankenlose 
Flause oder als Volksetymologie ? Hat Quadratus zu seiner Den- 



1) Es ist mir unbopjrciflich, wie Hr. B. behaupten kann, im frühem 
. Mltt^'lalter habe je^dermann gemeint, der Volksname sei von Lemannus, 
•* — LimmatüuBse H). abflreleitet. 



288 

tung die lat. und griechische oder die deutsche Sprache zn Rate 
gezogen? Asinius Quadratus lebte im dritten Jarhundert nach 
Christo zur Zeit des Kaisers Philippus Arabs (244 — 249); denn 
er schrib eine römische Geschichte in griechischer Sprache unter 
dem Titel ^ Pw/naiKij yiXiag/iu auf das tausendjärige Jubiläum der 
Stadt Rom a. 248. Auch alle seine andern Bücher, so die par- 
thische und deutsche Geschichte, soll er griechisch abgefaßt haben, 
loh erwäne diß darum, weil Agatbias in sonderbarer Weise av^g 
^iTaXiwTTiQ und nicht "^Pcofidlog nennt. ^iTaXiciiTjg kann zweierlei be- 
zeichnen: entweder einen Griechen, der in Italien wont. besonders 
einen Bewoner von Großgriechenland oder Unteritalien, oder aber 
einen Römer, der griechisch schreibt und durch seine griechisch 
geschribenen Werke der griechischen Litteratur angehört. Da der 
Mann einen lateinischen Namen trägt, so trifft bei im natürlich 
nur das leztere zu. Mit diser Tatsache gewinnen wir zugleich die 
Anname, daß Agathias das Citat aus des Quadratus Geschichte der 
Deutschen warscheinlich wörtlich anfürt: ol di ^AXa^iavoi^ et ys 
ygil ^Aoivno) Kovadgaifo bjiso&m^ avSol IiakuirTj xai rä rsg/aaviyä 
hg To aKQißec AvaysyQafi^ivw^ ivvijXvdig (a. L. "^yxXvSbg) slaiv äv' 
&Qa)noi X€U fÄiyadsc^ xal xoiw dvvarair avwtg ^ iniowinla. Der 
lezte Zusaz deutet darauf hin, dass wir hier eine Volksetymolog^ie 
vor uns haben, d. h. eine Worterklärung, die Quadratus nicht 
selbst gemacht hat weder mit Hülfe einer klassischen, noch mit 
Hülfe der deutschen Sprache, sondern die im aus deutschem Munde 
als allgemein angenommene Erklärung der Allemannen überliefert 
worden ist: xai ravw dvvaxai avroig ff inwwfiia „und dises be- 
deutet inen die Benennung'\ Aus dem griechischen SXkoq konnte 
Quadratus den Namen Alamanni nicht so deuten, wie er es ge- 
tan hat; denn äXXo- heist in Zusammensezungen wie als Sim- 
plex ander, fremd, abgeneigt, feindlich; uv&gwnot äXkof/vXoi z. B. 
sind fremde Menschen, Leute von anderm Stamme, aber nicht „zu- 
sammengelaufene und gemischte* ^ Ebenso verhält es sich mit dem 
lat. alius und seinen Compositis. Also bleibt in der Tat nur die 
Anname übrig, daß wir hier eine interpretatio e vemaoulo ser- 
mone vor uns haben. 

Es ist nun nicht nötig zu glauben, daß die deutschen Ge- 
wärsmänner gerade das philologisch richtige Etymon ires Yolks- 
namens getroffen haben oder daß sie es, wenn sie auch das* rich- 
tige im Auge hatten, gerade richtig auslegten; die Volksetymo- 
logie kennt die philologische Akribie nicht; es genügt ir, wenn 
sie einen plausiblen Grund für eine Benennung anzugeben weiß. 
So mögen denn auch die etymologisirenden Allemannen in dem ala- 
ires Namens schon nicht mer den Begriff der Ganzheit, sondern 
den der Allheit gefült haben, und leicht mochte inen vorschweben, 
diso Allheit, dise Gesammtheit sei ein Allerlei, eine Vereinigung 
viler verschidener und mannigfaltiger Menschen, one daß inen da- 
bei, wie iren modernen Nachbetern, irgendwie die Vorstelluog 



284 

eines Yölkervereines yerschidener Stämme einfallen konnte, inen, 
die alle sich ires suebischen Geblütes so ser bewußt waren. 

Dem Ganzen und Vollkommenen stet das Halbe nnd Unvoll- 
kommene gegenüber. Wir besizen eine kleine Anzal altdeutscher 
Eigennamen, welche Mischlinge, Kinder gemischter Eltern bezeich- 
nen. Halbwalah bei Schannat, Halbdurinc bei Goldast und Schannat 
ans dem 8. und 9. Jarhundert. Halbinc Halbker Chalpaida mögen 
änliches bezeichnen. Die Ausleger sind über den Sinn nicht ganz 
einig. Mone im Anzeiger 1835 S. 389 meint, das seien Leute, 
die einen Thüringer und Welschen zum Vater, aber eine fremde 
Mutter haben; Grimin Gr. 2, 633 glaubt, dise Namen drückten 
Abkunft aus der Ehe einer Thüringerin oder Italienerin mit einem 
fremdem Manne aus. So wird auch der Healfdene Semidanus ^) 
im Beovulf 377 einen Mann bezeichnen, der nur von einer elter- 
lichen Seite her ein Däne ist, vermutlich so» daß die Mutter eine 
Ausländerin war. Der Halbinc mag ein Kind sein aus uneben- 
bürtiger Ehe, d. h. ein Kegel, ein Bastart*). Wir sprechen jezt 
noch von halben Geschwistern und halber Geburt. Man kann mit 
jenen Namen vergleichen gr. ^uißagßaQog ^fiiAXijy ^uuovdcuog 
^fuxQijg rif.iidovXw;^ lat. semibarbarus semigrascus semignecnlus se- 
mijudaeus semimedus seminumida semipersa semiplacentinus. 

Mischung bezeichnen offenbar auch Hazc6z Hessengothe, Diot- 
g6z Theotgot Theudgaud und Thendigotha Volksgothe Thentgothe, 
Hüngdz Hunnengothe, Snävegotha Schwabengothin (worüber ich in 
der Gesch. des Schweiz. BR. 1, 77 Note 4 eine Vermutung ange- 
deutet habe). 

Der Mischlingsgeburt stet die reine, Abkunft gegenüber; 
dise bezeichnet die alte Sprache mit dem Adj. erchan (allem, urcbe 
pnrus), z. B. erchanprnoder frater germanus. Darum werden wol 
auch die Eigennamen Ercangaud Erchanswäp Erkanwalh mit 
^reiner Gothe, Schwabe, Walche** zu übersezen sein. Heuteutage 
deuten wir dise unvermischte Nationalität bei einigen Stämmen mit 
dem Adj. alt an : Altbaier, Altengländer, Althesse (gegenüber dem 
Hanauer und Schaumburger). Altsachse (zwischen Weser nnd Elbe 
angesessen, gewönlich Nidersachse genannt). Schon fniher kannte 
man dise Namengebung : Altswftp Altturinc Altwalh Altbün'); das 
ags. Ealdseaxen meint auch die Sachsen zwischen Weser nnd Elbe. 
Beine edle Geburt mag ferner ausgedrückt sein durch Namen wie 
Adalgaud Adilg6z Edelgothe, Adalheit edle Person, Adalhün Edel- 
kwune, Adalsw&p Edelschwab, Adalwalah Ekielwalch, Adalman Edel- 
IMnn (dises zusammengezogen in Alman, wie Adalbero Adalberht 



1) Prof. Birlinger ül>er8ezt „Kleindäne'' aus Dakini, die wie die 
Qtikiui sich vom Hauptstamme trennten. 

2) Bastart lH»zcichnet urspr. nicht von unehehclter Geburt, sondern 
^ bento noch Kn Schweinen und andern Tieren von gemischter Race. 

8) Natürlich ist alter Hün im Hildebrandslied ganz anders ge- 



285 

Adalbrant Adalfrit Adalfuns Adalmuot Adalrich Adalwfn in Albero 
Albert Albrant Alfrit AlfoDS Alomot Alrich Alwin); änlich mag 
auch Mogangoz den reinen echten Gothen ausdrücken. So könnte 
denn in Alamanni die Reinheit des Volksstammes angedeutet sein; 
es würde dann das ala das Vollkommene und Reine gegenüber dem 
Vermischten und Unechten bezeichnen, — wenn es nur zu den Ala- 
manni analoge Alafranci Aladuringä Alagothi Alasw&pä gäbe. Da 
diß nicht der Fall ist, wird dise Auslegung abzuweisen sein. 

Noch kommt mir ein anderes Wort in die Quere, mit dem 
ich mich abzufinden habe. Bei den Langobarden gab es wie bei 
andern deutschen Stämmen einen zwischen den Sklaven und den 
Vollfreien mitten inne befindlichen Stand der aldii oder aldiones, 
welcher entweder durch Geburt oder durch Freilassung erworben 
werden konnte. Der Aldio genoß eines geringen Wergeides, das 
nicht einmal die Hälfte von demjenigen eines Freien betrug. Blib 
er auch seinem Herrn für immer zu gewissen Zinsen und Diensten 
verpflichtet, so galt sein Verhältnis doch nicht für ein servitium^ 
sondern nur für eine obedientia; nicht für Leibeigenschaft^ sondern 
nur für Hörigkeit, und sein Herr hieß darum nicht dominus, son- 
dern patronus. Der Aldio war nicht rechtlos, sondern rechtsfähig ; 
sein abhängiges Verhältnis beruhte nicht auf persönlicher Willkür, 
sondern auf dinglicher Uebereinknnfb ; er selbst konnte wie ein 
Freier Land und Leute zu Eigen besizen, konnte ein dominus sein. 
Aber selbständig war er darum doch nicht; seine Rechtsgeschäfte 
bedurften der Genemigung des Schuzherrn; sein im anvertraates 
Gut konnte er und die Seinigen nicht verlassen. Kurz, die Aldio- 
nen hatten einen Fuß noch in der Knechtschaft, den andern schon 
in der Freiheit. 

Das Wort aldii aldiones get in seinem zweiten Bestandteil 
zurück auf goth. thius Knecht, thivi Magd, thivan dienen (synonym 
andbahtjan, skalkiu6n), thivadi (wie skalkinassus) Knechtschaft, tÜa- 
magus Dienstknabe. Im Ahd. findet sich diu dio nur in Eigen- 
namen, von denen ich die merkwürdigen Adaldiu Erchandiu Lr- 
mindiu Thiotdiu und Aladin erwäne; selbständig ist das Wort 
diorna (eig. diuwarna) die Dirne, d. h. ancilla; dionon servire ist 
verkürzt aus diuwinon, dionust aus diuwinust. Die fränkische 
Form war vermutlich theo, wie sich aus der malb. Glosse und aus 
einigen n. pr. ergibt. Im Ags. bedeutete theöv den gänzlich un- 
freien Sklaven theöva ancilla, theövdoni servitus, theöyjan servire, 
theövboren serviliter natus ; nicht anders das altn. thyr scrvus, th^ 
ancilla, thiona servire, thia in servitutem redigere. 

Es kann kein Zweifel darüber walten: aldii und aldiones ist 
ein Compositum mit disem dio und mit al; aldiu scheint ursprüng- 
lich geheißen zu haben ein ganzer Sklave, ein echter Knecht, so 
gut als cUein ganz einzig, cUröt ganz rot. Die Germanisten scheuen 
sich vor diser Etymologie, weil der Sinn des Wortes im longo- 
bardiachen und bairiflchen Rechte damit in Widerspruch atet^ inr 



286 

sofern als die longobardischen und bairischen Aldionen keine völli- 
gen Sklaven, sondern yilmer Hörige mit persönlicher Freiheit und 
dinglicher Abhängigkeit waren. Diß könnte darauf f&ren, anzn- 
nenien, wir faßten jezt allgemein, wenn auch gemäß der Ueber- 
lieferung, das Wort dio mit seinen Ableitungen in vil zu hartem 
Sinne auf; dio sei urspr. nicht der Sklave harter Leibeigenschaft, 
sondern bezeichne wol einen freier gestellten Diener oder Unter- 
gebenen; das sehe mnn an der Ableitung diot und diota, das Volk, 
nämlich in seinem Verhältnis zum Könige ; niemals habe in Deutsch- 
land das Volk die sklavische Unterwürfigkeit orientalischer Unter- 
tanen geduldet, und doch gehörten diot und diota zu dio. Oder 
man müste die Ansicht aufstellen, der Name aldiones habe zwar 
ursprünglich Leibeigene der härtesten Knechtschaft bezeichnet; 
aber dise Leibeigenen seien beim bairischen und langobardischen 
Volksstamme entweder allmälig oder durch einen plözlichen Akt 
und jedenfalls in prähistorischer Zeit auf die Stufe der Freige- 
lassenen oder der Colonen vorg(Tückt ; man habe aber, wie das oft 
geschehe, den alten Namen bei disen Leuten fortgebraucht, und 
für die eigentlichen Leibeigenen wieder andere Bezeichnungen in 
Umlauf gesezt. 

Nun hatte, wie oben S. 264 gezeigt worden ist, auch das Wort 
fnan den Sinn des dienenden leibeigenen Menschen. Darum würde 
zu dem aldio ein alman als Synonyuum treten, wenn ein solches 
alman anderswie sicherer als aus den Ortsnamen Almansdorf Al- 
mansberg zu belegen wäre. Dagegen entspräche dem Alaman in 
diser Vergleichung jedenfalls der Name des goth. Feldherrn Ala- 
thcus (Alathius), und es wäre ser instruktiv, genau zu wissen, wie 
sich der Sinn 'zwischen Alatheus und aldio schide, da sich daraus 
auch die Differenz zwischen Alaman und alman ergäbe. 

Wie dem aber auch sei, wir werden die Erklärung des Wor- 
tes Allemannen kaum im Spiegel der Aldionen suchen dürfen; denn 
die Allcmannen waren keine Sklaven und keine Hörigen, man müste 
denn zu der bedenklichen Auskunft seine Zuflucht nemen, die Be- 
xeiohnung ,,Ganzknechte^^ ,,Alldiener^^ sei inen von iren gehässigen 
Nachbarstämmen als Schimpfwort erteilt worden. 

Es bleibt uns also nur noch eine Auslegung übrig. Die 
Nidurdeutschen brauchen das Wort allmann jezt noch im Sinne 
von jedermann. De van nSt kumt to et, dat is all manne verdret 
(Verdruß). G6d is g6d, man alto god is allmanns narr. Im Mün- 
iturlando heißt es : Sclve is en gud krüt, ower 't wäst nich in 
iJIvmanns g6ren. Frommann MA. 4, 143. 5, 429. 6, 430 (wo 
^ Herausgeber diß Wort als gen. plur. deutet, da doch 
llHi brem. Wb. 3, 123 einen nom. allmann kennt). Auch den 
lliandinavischen Sprachen ist diser Ausdruck noch geläufig und 
IfAr aIh Appellativuni ^) : schwedisch allmän, dänisch almeen (alle- 

%■■ 

Almonningon sind große Pläze in der Stadt Bergen in 




t 



287 

mands ven, i allemands munde); vgl. altn. allmennr vulgaris, com- 
munis; almenningr nniversitas. Holländisch alleman jedermann, 
Jan alleman Hans Jedermann. Unser Allmende, das jezt den Sinn 
von ausgedentem Heideland einer Gemeinde, Gemeinweide ange- 
nommen hat, get zurück auf ein ahd. alamannida, der Weideplaz 
der Allmenschen, die gemeine Trift. 

Die Allemannen sind etymologisch die Allnwnschen : daran ist 
formell kein Zweifel. Wie das aber in jenem grauen Altertum, 
das hinter aller Geschichte im Nebel stet, beim Aufkommen des 
Völkemamens gemeint gewesen sei, darüber kann man wol nur 
Vermutungen aufstellen. Eine solche Vermutung will ich hier an- 
deuten, jedoch mit allem Vorbehalt besserer Erkenntnis oder besse- 
rer Belerung. 

Gesezt, die Allemannen seien, wie Herr Baumann zimlich 
plausibel gemacht hat, identisch mit den Semnonen, dem caput 
Sueborura, so muste dises Volk nach allem, was wir von im wissen, 
ein festes Bewußtsein davon haben, daß es ein zähes statliches 
Ganze, eine universitas bildete; hegte es doch ein starkes Bewußt- 
sein seines eigentümlichen Kultus, wie Tacitus es bezeugt, und 
pflegte es doch eines ausgeprägten einheitlichen Rechtes, das erst 
vilo Jarhunderte nach der Völkerwanderung in die Brüche gieng. 
Die Mitglider diser statlichen tinivcrsitaSt wie man noch im Mittel- 
alter freie statliche Verbindungen gerne bezeichnete, nannten sich 
mit einem gewissen Stolze alamanna, Leute des gemeinen Wesens, 
gemeine Leute, Allraenschen, universi homines. Urkunden- Eingänge 
späterer Jarhunderte geben uns noch einen Widerhall von diser 
stolzen Benennung: universis hominibus vallis Uraniae, universitas 
hominum intramontanorum u. dgl. Nicht anders ist der Ausdruck 
lantliute von Ure, von Swits und von Unterwaiden gemeint. Wir 
dürfen in ja nicht, wie uns der jezige Sprachgebrauch verlocken 
will, im Gegensaz zu statliute fassen; das will er durchaus nicht 
ausdrücken. Land ist in alter Sprache das Vaterland, dessen 
(irenzen ein einheitliches Statsgebit einschließen; in Zusammen- 
seznngen wird damit bald die große Ausdenung, bald das Heimi- 
sche hervorgehoben (Landrecht Landesfürst Landesherr Landeskirche 
Landmark Landfriede Landsgemeinde Landgericht landläufig Land- 
pfleger Landsftsse Landschade Landstraße Landsturm Landtag Land- 
wehr Landschade Landzwinger; Landesart Landesbrauch Landes- 
tracht Landsknecht Landeskraft Landvieh Landwein u. 8. w.); so 
sind auch lantliute nicht Bauern, sondern Landeseinwoner, Land- 
sassen, Bürger des Landes; lantliute faßt die sämmtlichen Mit- 
glider der statlichen Gemeinschaft zusammen, die universi homines, 
alle Männer des ganzen Landes. Ebenso sind auch Alamanna die 

Norwegen; Almendingeu und Almiudingen sind norwegische Dörfer, 
deren Namen mit dem südd. Allmendingon homonym sind, nur daß 
lezteres ahd. Alamuntinga hieß. Ein Almandbjerg erhebt sich in Nor- 
wegen im Osten von der Stadt Aunc im Drivatal.