Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen.
• • •• • • •• ■ •
• -••
• •
•• • •••-. •••• ••
• • • • ••_ • •••«• • '
■ • • ■ ■••_ ■ •••••••
•>•
)• • • •!
• •
• "•
• ^m
■ • •
• • •
• • • •
ISiiüti
Inhalt
Seite
Elsafz
Aas Hebels Briefwechsel mit den Strafzburger Frennden
Gcor^r Länjrin 69—79
Elsäfzlsch: Sprachliches, Weisheit aas Geiler von Kaisers-
berg, Soldatenpredigten aas der Reichsveste Kehl
Antou IJiilinger 168—182
Volkstümliches aas dem Elsafz August Stoeber 229—261
Rechtsrheinisches Land
Asketische Traktate aas Aagsbarg Anton Birliueer...
Der ffeistliche Tofirelffesans Wilhelm Crocelius
193—211
geistliche Vogelgesang Wilhelm Crocelius'. 219—229
Sebastian Franck von Donaawerd III Der Artist in Ingol-
stadt Franz Weinkauff 1—66
Beiträge zar Geschichte des Hamanismns in Schwaben and
Elsafz und des Erwachens der klassischen Stadien im
15. und 16. Jarhundert Wilhelm Crccelius 184—189
Alachmannen oder Allemannen? Johannes Meyer 261—288
Die Hohenzollerischen Orts-, Flnr- und Waldnamen Anton
liirlin^rer 91—94
Zar Wortforschung Derselbe Richard Bück... 86—91 189—192
Zur Alemannia Anton Birlinger 94—96
Jesua Ulshelmers Reisen nach Guinea und Beschreibung des
Landes Wilhelm Crocelius 97—120
Volkstümliches Aberglauben Sagen Rechtsalterttimliehes
Karl Doli Joh. Üaptist iSchöttle Anton Bir-
MufTitT 80—86 137—158
Sehwabenneckereien IV Karl Doli 67—69
Dichtungen von M. Kurrer. Aus dem Lateinischen Der-
selbe 120—136
Eine Mannheimer Theaterhandschrift des Götz von Ber-
lichiujcen Gu:> tav Wen dt 182—184
Zu Schillers Wallenstein Anton Birlinger 211-219
Daß Pranck des Lateinischen vollständig mächtig war, wenn
wir auch keine Reden und Verse von im besizen, bedarf keines
Beweises. Die von im aufgestellton Parcidoxa^ sowie die Sprichwort
ter treten zuerst lateinisch, dann deutsch auf. Von seinen lateini-
schetp Briefen ist nur der an Campanus nachweisbar.
Zugestehen kann man, daß Franck nicht eu den Humanisten
im engeren Sinne der Partei gerechnet werden darf.
Denn diso rückten die philologische Lesung und Erklärung
der ^jheidnischen^^ Schriftsteller in den Vordergrund und stellten
neben den lezten Endzweck, nemlich die Anregung und Förderung
sowol des wissenschaftlichen Sinnes als des sittlichen Lebenswan-
dels, als höchste Aufgabe und Krone der humanistischen Studien
hin, daß die Schüler mit Verachtung irer yfiarharischen^^ Mutter-
spräche ire Gedanken und Geföle in wol durchdachtem Giceroni-
schem Periodenbau und in gewälter Latinität des goldenen und
silbernen Zeitalters darstellten oder eigene poetische Versuche^ in
antiken Versmaßen wagten und den klassischen Vorbildern nach-
eiferten, wozu sich ein reichlicher Stof bot im Lob und Leben
der Freunde und hohen Gönner, zumal der Fürsten (Gratnlazionen,
Kondolenzen, Panegyriken etc. etc.), in der Verherrlichung der Vater-
stadt oder des Wonortes, in der Zeichnung des eigenen Lebens-
ganges, in der Schilderung mannigfacher Liebesabenteuer, in epi-
grammatischen Verhönungen der Widersacher und Misgünstigen,
in patriotischen Vorgängen und religiösen Ueberliferungen oder
kirchlichen Festen.
Daß Franck aber nicht bloß von dem Geiste des Altertums
berürt war, sondern auch üniversUätsvorlesungen gehört, dafür
gibt es einen urkundlichen Beleg, den ich der Güte meines Freun-
des Prof. Dr. Attgust Klucklwhn in München verdanke.
Daß Franck vor seinen theologischen Studien im Heidelberger
DominikanerkoUeg (darüber im Abschnit IV) sich die allgemeine
humanistische Vorbildung „in artibus^*^ auf einer Universität er-
worben, hielt ich längst für warscheinlich. Seinen Namen konnte
ich jedoch in den Matrikeln von Köln, von Tübingen, von Frei-
bürg im Breisgau^ von Basel für die Jare 1515 — 25 nicht auf-
finden.
1) Die £oZn^ Matrikel wie die Tübinger habe ich selbst, diel^et-
burger hat mein Freund, der Oberbibliothekar Dr. Julius Steup, nach-
g eschen. In Basel ist, wie ich der gütigen Mitteilung des Prof. Dr. E.
[autzsch entneme, weder in der aügenieinen Matrikel der Universität
von Anfang an (die noch vorhandene theologische Matrikel beginnt erst
mit dem Jare 1597) noch in den FaktUtätscäcten in den Jaren 1515 — 25
der Name Franck zu finden. Daß Franck, wie Wald p. 9 aus einem Brief
Melanchtbons schloß, gar in Wittenberg studirt habe, ist grundlos.
Denn der Brief Melanchtbons, der einen Philologen Sebastianus Francus
(villeicht nur „aus Franken") empfilt, föllt ins Jar — 1544, also nach
unsers Seb. Franck Tod.
deutsch: Bayersche Chronik) erschin zu Äventins Leheeiten nur ein
^^Kureer Auszug'', Nürnb. Fr. Peypus 1522 (Aventin f 9« Jan. 1534).
Aach Franck hat nur Doch eine Schrift Äventins erlebt:
Chronica Von yrsprung, herkomen vnd thaten der vhralten
Teutschen etc. durch Johannem Auentinum fleissig zusameDbracht,
und yetzt erstmals durch Casparum Bruschium in truck verferti-
get. Nürnb. Job. Petrejus 1541 4^.
Auf eine frühere Anfrage in Betref Francks erhielt ich aus
München zur Antwort, daß man auf der Universit&t, welche die
vollständigen Matrikelbücher beware, zwischen den Jaren 1515 — 25
unter den Ingolstädtern vergebens nach Seb. Franck gesucht; da-
gegen heiße es 1519 Oktober: Job. Turmair ex Abinsperg.
Auf neuliches widerholtes Ansuchen erhielt ich (am 1. Dez.
1878) zur Antwort:
Die älteren Matrikeln der Universität Ingolstadt ligen nur
in einer im 16. Jahrhundert gefertigten Abschrift vor. Darin findet
sich unter dem Rektorat^) des Artisten Thofnas Eamlspack 1614: —
15 eingezeichnet: J26. Märe 1515 Sehastianus Frannck de Wer-
dea 1 gr. (die Nobiles zalten 6 gr.). Also ein Tag nach Annun-
ciatio Mariae (25. März).
Daraus ergibt sich, daß Franck schon vor dem Heidelberger
Klosterstudium in direkte Berürung mit dem Humanismus kam,
der gerade damals durch Männer wie Locher (1497 poeta laurea-
tus), Aventinus, Joh. Eck, ürban Rhegius (poeta laur. 1518),
Böschenstein f Joh. Agricola (Ammonius oder Peurle, Prof. des
Griechischen 1515), Matthias Kr et z u. A. in Ingolstadt seine höchste
' Blüte hatte. In diser Glanzperiode der klassischen und der he-
bräischen Philologie suchte Aventin durch seinen Einfluß als
Priuzenerzieher die geiertesten Männer Deutschlands an die Uni-
versität zu bringen; in seinem Auftrage hatte (freilich vergeblich)
U. Rhegius den Erasmus mit hohem Gehalte dorthin eingeladen,
hatte Herzog Wilhelm im Jare 1520 EeucJdin dort die Professur
der griechischen und hebräischen Sprache übertragen. Reuchlin
wonte in Joh. Ecks Hause (Geiger S. 462).
Im Abschnit IV werden wir darstellen, wie Francks wei-
tere Entwicklung unter dem nachweisbaren Einfluß Wimphelings
und seiner Schule (oder Gesinnungsgenossen), sowie Meuchlins
und endlich des Erasmus stand, aus dessen Werken er lebenslang
lernte und schepfte. Ein getreues, gerechtes und verständliches
Lebensbild eines Mannes läßt sich nur entwerfen, indem sich das-
selbe auf dem in kurzen Umrissen angedeuteten Hintergrunde sei-
ner Zeit abzeichnet. Man muß wissen, in welcher Umgebung , in
welcher geistigen Atmosphäre er sich bewegt, an welchen wissen-
1) Vom Jare 1507 — 1515 einschließlich war die Amtsdauer des
Rectors und der Dekane ganzjärig ausnamsweise, sonst halbjärig für
den Winter vom 18. Oktober, ftir den Sommer vom 24. April.
Den Doktoren der drei höhern Fakultäten standen die Ma'
ffister der Artistenfakultät, die Meister der freien Känste, gegen-
über. Alles wissenschaftliche Treiben beschränkte sich auf die
Interpretation der y^auctorUates^'' : die Theologen hatten den Xom-
bardus und die Bibel, die Juristen das Corpus iuris canonici
und civilis (die Pandekten waren noch unbekannt), die Mediziner
den Avicenna, Tpocras und Galienus^ die Artisten den Aristoteles^
PorphyriuSy Alexander und Priscianus.
Die deutschen Universitäten waren im Ursprung wesentlich
kirchliche Anstalten, exempt von weltlicher Gerichtsbarkeit, begabt
mit allen Vorrechten des Klerus, daher Lerende wie Lernende
clerici genannt wurden; die Gehälter der Professoren^ welche iCZß^
riker sein musten, waren außer geringen Besoldungen der Fürsten,
den etwaigen Honorarien (pastus) der Studenten und den Emo-
lumenten der Promojsicnen anfangs meist auf kirchliche Probenden
gegründet; der ganze Unterricht stand im Dienste und unter der
Aufsicht der Hierarchie. Die Theologie marschirte an der Spize
der Fakultäten 1).
So stand es auf den ältesten Universitäten: Prag 1348,
Wien 1365 (1384), Heidelberg 1386, Köln 1388, Erfurt 1392,
Würjsburg 1403—16, Leipzig 1409, Rostock 1419.
Nur ser allraälich und anfangs unmerklich kam ein neuer
frischer und freierer Geist in die deutschen Hochschulen.
Die Reformpläne der beiden großen schweizerischen Konzih'en
(Konstanz 1414 — 18, Basel 1431—46) wie der Unionsversuch mit
der griechischen Kirche (Konzil zu Ferrara und Florenz 1439)
waren mislungen: Gerson^ der Kanzler der Universität Paris, starb
(12. Juli 1429) als Lerer einer Kleinkinderschule im St. Pauls-
kloster, einer Vorstadt Lyons ; Gregor von Heimburg^ nicht bloß
„als Syndicus in Nürnberg durch die trefflichste juristische Rheto-
rik in deutscher Sprache'^ (Prantl 17) berümt, sondern auch
durch seine Studien in Würzburg als humanistisch gebildeter
Wortfürer der deutschen Nation gegen die Anmaßungen der römi-
schen Kurie, er starb in der Verbannung (zu Dresden, August
1472). Aber seit und mit disen Konzilien hatte der Humanismus
seine Wanderung nach Deutschland angetreten und jener Enea
Silvio (Piccolomini , als Papst 1458 Pius II), der die ruhige und
gesezliche Reform der Kirche an Haupt und Glidern zu vereiteln
wüste durch italienische Schlauheit^), ist gerade in Deutschland
1) Kant, der Streit der Fakultäten 1798. In dem Vorwort die
Zensur- und kulturhistorisch wichtipfe Vorhaltung WÖÜners (Schöpfer
des Beligionsedikts 1788) und Kants Verantwortung 1794.
2) Franck Kronik Bl. 811b: Diser „Walch, in der kunst des
zierredens, poeterey vnn andern künsten hochgelert'^ „Frumm weil
(so lange) er Eneas Silvius hieß, wirt er vmbkeret im bapstumb, würt
aus eim Poeten ein Tirann", der Teutschen, durch die er erhöoht ward,
8
[1520], durch die Buchdruckerpresse mit reißender Geschwindig-
keit überallhin verbreitet, die ganze deutsche Nazion vom Nord-
und Ostseestrande bis in die fernsten Gegenden Tirols und Steier-
marks zu jubelndem Enthusiasmus erregte, er hörte noch, wie in
Worms [1521] der Reformator kün sein Beginnen rechtfertigte vor
Kaiser und Reich'^
In dise Periode fallt die Gründung neuer Universitäten :
GreifswcUd 1456, Fretburg im Breisgau 1457, Basel 1460, Ofen
1465, Trier und Ingolstadt 1472, Mainz und Tübingen 1477,
Wittenberg 1502, Frankfurt a. 0. 1506.
Der klerikale Charakter der Universitäten wurde bald alterirt
durch die Mediziner und Humanisten,
Die Arzneikunde wurde in Paris wie sonst von Geistlichen
gelert; erst 1452 hob der Kardinal von Touteville das Statut auf,
wornach die Baccalaureen der Medizin unverheiratet sein musten
(Hautz I 445). Auch in Heidelberg war auf Drängen des Kur-
. fürsten Phüipp L (1476—1508) durch eine päpstliche Bulle 1482
gestattet worden, daß auch Laien und sogar verheiratete als. or-
dentliche Professoren der Medizin angestellt werden konnten
(Hautz I 340 fg.).
Die Artisten wie die Schul-Rektoren^ „die Meister der freien
Künste'^ waren im 15. Jarhundert zu einem großen Teile Welt-
liche, Laicfi, seitdem die fratres communis vitae (Gerhardiner nach
Geirt Groot, Gerardus Magnus, 1340 — 84 Vorsteher des ersten
Bruderhauses in Deventer; Hieronymianer oder Gregorianer;
Gollatien-Brüder (collatio religiöse Versammlung), gute Brüder oder
Brüder vom guten Willen; auch Cucullati = Kappenherrn, Gugel-
oder Kogelherrn), one Gelübde und kirchliche Weihen, also one
priesterlichen CJiarakterj daher vilfach von den Bettelmönchen an-
gefeindet) sich dem Schulunterrichte gewidmet und dabei sich
verheiraten konnten. Nach Deventers Vorbild gab es bald solche
Schtdbrüderschaften nicht bloß in Zwolle, Utrecht und fast allen
bedeutenderen Städten der Niderlande und Westfalens, besonders
Münster in W., sondern auch in den Rbeinlanden bis nach Schwaben
hinauf, in Norddeutschland bis Rostock^ in Mitteldeutschland bis
Merseburg. Dise Brüder waren eifrige Pfleger und Förderer der
Mystik wie des Humanismus, der Muttersprache, in welcher die
Bibel gelesen und das Gebet gesprochen wurde, wie der Lektüre
der Kirchenväter und der heidnischen Moralisten, welche als Unter-
richtsstof benuzt wurden.
Aus disen Schulen stammten die ersten humanistischen Ver-
treter und Lerer, ein Graf Moriz von Spiegelberg, Ludwig Bringen-
berg (in Schlettstadt), Rudolf Agricola (in Heidelberg), Alexander
Hegius (in Deventer), Rudolf Lange (in Münster), Hermann von
dem Busche (in Köln), Desiderius Erasmus von Rotterdam.
In gleicher Abneigung gegen den Klerus unterließen die Hu'
manisten an den Universitäten seit Mitte des 15. Jarhunderts auch
10
rum dapes (Praef. in panegyricum Lipsiensis theologi sermonetn
1514, in Versen vgl. Buhkopf Schulwesen S. 247). So hatte be-
kanntlich schon Hieronymus behauptet: Daemonun cibus est car-
mina poetarum, secularis scientia, rhetoricorum pompa verborum
und das Lesen der „Codices seculares*' (= antike Litteratur), als
eine Art Gottesleugnnng gebrandmarkt: Quid facit cum Psalterio
Horatius, cum Evangelio Maro, cum Apostolo Cicero? simul bi-
bere non debemns calicem Christi et oalicem daemoniorum.
Ein Franke, der erste deutsche ^^poeta *laureattts^^
Seitdem der ehemalige Florentiner Bibliothekar Tammaso
ParentuceUi als Nicolaus V (1447 — 55) den päpstlichen Tron be-
fitigen, hatte der Humanismus einen gewaltigen und gewichtigen
Gönner: an seinem Hofe fanden die griechischen Flüchtlinge seit
Eonstantinopels Fall 1453 Zuflucht, Ere, Honorar und Beschäfti-
gung. Die griechischen Litteraturschäze wurden durch Vorträge
und Unterricht bekannt, durch lateinische üeberseeungen allen Ge-
bildeten zugänglich.
Noch verbreitete der Humanismus seine Stralen nur ser spar-
sam nach Deutschland.
Seltsam genug, daß ein Italiener in Deutschland als Verfech-
ter und Apostel der ^^alten Dichter und Redner^^ auftrit und für
die antike Welt Propaganda macht. Fnea Silvio de* Piccolomini aus
Siena, seit 1462 Sekretär der Reichskanzlei in Wien, von 1458 —
64 Papst Pius H.
Noch verachtete Italien „die nordischen Barbaren", die „sau-
fenden und stinkenden Deutschen" : da brachten im zwei Deutsche
die erste Druckerpresse, Konrad Schweinheim und Arnold Pannartz,
die in Subiaco schon 1465 und zu Bom 1467 druckten. Der Buch-
druck der sich von vornherein als eine publizistische Waffe ^) die
1) In dem Streit um den Mainzer Bisohofstul zwischen Diether
wm Isetiburg und Adolf von Nassau, an dessen Hof zu Eltville Chttten-
herg 1464 lebte. — Die ersten Druckorte:
1450 Mainz, Erfindangf und erste Drucke 1451 — 57.
1461 Bamberg. Albrecht Pfister, erster Buchdrucker außerhalb
Mainz (und Eltville).
1465 hei Rom im Monasterium Sublacense; 1467 in Rom selbst.
1466 Köln, die dritte deutsche Stadt nach Mainz und Bamberg.
Üdalricus ZeU von Hanau (aus Schöffers Offizin).
1468 Augsburg. Günther Zainer von Beutlingen etc.
1469 Strassburg.
1469 Venedig. Joh. de Spira (Speyer).
1469 Mailand,
1470 Nürnberg.
Vgl. Chr. Friedr. Harless, die Litteratur der ersten 100 Jahre
nach der Erfind, der Typographie. Leipzig 1840.
12
Aldus Manutius und den Redner and Geschieb taforscher Marcos
Antonius Sabellicua kennen gelernt.
Heimgekert ist Celtis in rastloser Wanderlust der fleißigste
Sämann humanistisches Geistes in allen Orten und (regenden
Deutschlands gewesen; er ist der Gründer der Gelertenvereinej der
die zerstreuten Förderer und Freunde des Humanismus in einen
fruchtbaren Verker bracbte; durch in kam nicht bloß die Rheto-
rik Ciceros und neben Terene die Poesie des Horcus und die Nach-
bildung seiner Metra in Aufschwung, sondern auch die den Do-
minikanern so verhaßte Philosophie Piatos \ von im wurden über-
all in den Klöstern Handschriften aufgespürt. ' Zum Unterschid
von den übrigen deutschen Humanisten bat er auch um Land und
Leute zu verstehen in Böhmen und Polen die Landessprache er-
lernt, wie auch von Agricola als Unicum dastet, daß er eine fra/n"
Bösische Schrift in's Latein übersezte: den Brief des Arnauld de
Lalaing über die Zusammenkunft des deutschen Kaisers Friedrich III
mit Karl dem Künen, Herzog von Burgund, in Trier 1474 (bei
Freher^ Rer. German. Script, ed. Strud. Argentor. 1617 II 302 sq.).
Celtis stiftete nach dem römischen Vorbilde geHerte Gesell"
schoflen^ die alten Sprachen wie die römischen Altertümer zu er-
forschen und zu irer Pflege anzureizen: so 1488 in Krakau die
Sodalitas litteraria VisttUana, 1489 in Ofen die Sod. litt. Hunga'
rorum^ seit 1494 nach Wien verlegt als Sod. litt. Danübiana^
1490 in Heidelberg die Sod. litt. Bhenana oder Celtica^ die in
Maine unter dem Vorsize des Wormser Bischofs Johann v. Dal-
berg eröffnet ward, 1491 in Lübeck die Sod. litt. Baltica oder
Codanea, die aber früh wider eingieng. In Ingolstadt lerte Celtis
vorübergehend 1492, 1494 und 1497. Für seine Zuhörer edirte
er eine Epiioma in utramque C^^eronis Rhetoricam, cum arte me^
morativa, et modo epistolandi utilissimo s. 1. a. (Ingolstadt 1492)
4^ mit einer Widmung an den um die Pflege der Wissenschafben
hochverdienten Kaiser Maximilian. ImJarl496 lebte er vorüber-
gehend als Prinzenerzieher am Hofe zu Heidelberg, wo er die Söne
Philipps Latein und Griechisch lerte.
Der Rektor der Wiener Universität und der Sekretär des
Kaisers IHerius Gracchus (Krachenberger aus Passau ^) veranlaßten
die Berufung nach Wien, woselbst er .nach einer zehnjärigen vil-
seitigen, gesegneten und einflußreichen Tätigkeit, als erster Pro-
fessor der Beredsamkeit und Dichtkunst und Direktor der Uni-
versitätsbibliothek 1508 starb.
Erweiterung der Universltäts-Studien
Celtis^ vom Kaiser berufen als Lerer der alten Philosophie
1) Diser Hamanist plante zuerst , eine deutsche Chammatik zu
schreiben; der Tod verhinderte die Ansförung des Planes.
18
und der klassisohen Litterator, war der erste, der die gried Us eke
Qramnuxttk dozirte and den Homer inierpretirte, der nicht bloß
Cieeros Rhetorik lerte, sondern auch mit seinen Schülern Rede*
Übungen yeranstaltete (iln/an(7 eines phüologiscJien Seminars); auch
begnügte er sich nicht mit der Erklärung des Uaraz und des
Terem^ er verlangte auch metrische Uebungen und ließ einige
Komödien des Terene wie seinen eigenen Versuch „Ludus Dianae*'
durch seine Zuhörer auffüren.
Die Lere Yom Kosmos erörtete er, indem er die Schrift des
„philosophus Platonicus*' ApptUeius De mundo zu Grunde legte
und von ir eine Ausgabe veranstaltete (L. Apuleii de mundo seu
Cosmographia Memming. 1494 fol. Yienn. 1497 fol.).
Die Geographie in Verbindung mit der Astronomie trug er
vor nach Claudius Ptolemaeus; Landkarten, Erd- und Himmels-
globen halfen dabei den Gegenstand veranschaulichen.
CeUis hat das Verdienst zuerst nicht bloß WeligeschicJUe (von
Ninus bis Maximilian), sondern auch deutsche Geschichte auf der
Universität vorgetragen zu haben; eine Geschichtsprofessur gab es
erst auf der ersten protestantischen Universität, welche Philipp
von Hessen zu Marburg 1527 errichtete. Für Deutschlands Urzeit
legte er die Germania des Tacitus zu Grunde, welche er in Wien
1500 4^ edirte (zugleich cum Conr. Celtis carmine de Germa-
nia; Vadianus besorgte Wien 1515 davon eine neue Ausgabe);
für die Zeit der Hohenstaufen das historische Gedicht Liguri-
nus sive de gestis Imp. Gaes. Friderici I Aug. libri X car-
mine heroico conscripti nuper apud Francones in silva Ilercynia
et Druidarum Eberacensi coenobio (Cistercienser -Abtei Ebruch
bei Würzburg) a Conr. Gelte reperti. August. Vind. 1507. fol.,
dabei Conr. Peutingeri de ortu, genere et posteris Imp. Caes. Fri-
derici I. Tractatio.
Nationdlgefül der deutschen Humanisten
Ein Volk, das seine Geschichte, Helden und Großtaten nicht
kennt, kann auch kein Nation algefül, keinen Stolz, keine Selbst-
achtung haben ; one höhere Ziele und sichere Leitsterne verläuft
dann das Leben des States wie der Einzelnen.
Einige der deutschen Humanisten empfanden, wie Kaiser
Max, schmerzlich disen Mangel in irem Volke, zumal wenn sie
unter Italienern weilten.
„Johannes Stabius des hoch löblichen Kaysers Maximiliani Ma-
thematicus, hat mir offt gesagt — erzält Magister Job. Carion
in seiner Chronica 2. A. 1534 4^ Bl. 109b; in Francks Germania
Bl. 102 — wie Kayser Maximilian vber die Teütschen Historicos
geklagt hat, das sie der hohen, weysen vnd von Gott begnadeten
Fürsten handel vnd thaten so vngeschicklich bschriben vnd cor-
14
rampiert haben, vnd hat befolhen fleyssig aUe Historicos zusamen
sa bringen, vnd auß allen ein leydliche Cronica zu machen. Wie
on zweyffel geschehen were, so er lenger gelebt, oder dnrch an-
dere grösser gesch&ffb nicht verhindert were."
Es sollte noch Jarhnnderte dauern, ehe nach den Sammel-
werken von Schard, IHstorius, Eattber, ürstisiuSy Freher^ Mei-
bom^ Le&mUz^ Eccard^ eine des deutschen Volkes würdige voll'
ständige Sammlung seiner Historiker bis zum Jare 1500 zu Stande
kommen konnte:
Monumenta Germaniae historica — auspiciis societatis ape-
riendis fontibus rerum Germanicarum medii aevi edidit 0. H.
Pertz Hannov. 1826 ff. Daraus Einzelabdrücke „in usum scho-
larum scriptores rer, Germ, Hann. 1840 ff." und in deutscher Be-
arbeitung die Geschichtschreiber der deutsckenYorzeifBevhX^^^Q.
Hierzu kommen neuerdings die von der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften herausgegebenen ^^Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis 16. Jahrhundert".
Celtis Verdienste um die vaterländische Geschichte sind schon
berürt. Außer dem Ligurinus entdeckte er im Kloster St. Em-
meran in Regensburg das noch ältere Werk einer sächsischen
Nonne, welches den Italienern beweisen konnte, daß in Deutschland
schon unter Kaiser Otto I die humanistischen Studien gepflegt
wurden: Oper &HroSintae^)^ iUustris virginis et monialis Germanae,
gente Saxonica ortae, nuper a Conr. Cette inventa. Norimb. 1501
fol. mit einer Widmung an den Kurfürsten Friedrich von Sachsen
(den Gründer der folgereichen Universität Wittenberg 1502) mit
Lobepigrammen auf die sächsische Nonne von Gandersheim (um
980, die iren Namen Hrotsvita in Clamorvälidus übersezt) von
verschidenen Mitglidern der Rheinischen Gesellschaf t in Heidelberg.
Besonders wichtig wurden die sechs dem Terenz nachgebil-
deten geistlich- moralischen ^fiomoediae sex^^ der Hrosvitha für die
Pflege und Richtung des deutschen Schuldramas^),
Der patriotische Sinn der Humanisten zeigt sich, nach disem
tapfern Anfang des Celtis, besonders darin, daß sie den Wünschen
des Kaisers und der Wißbegir des deutschen Volkes dadurch ge-
1) Vgl. Dahlmann-Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte.
Göttingen 1875.
2) Neuerdings herausgg. von Barack, Nürnberg 1858; vgl über
die HrosvithaUtteratur Gödeke Grundr. S. 14. 1150 u. Koberstein LG.
I 376, sowie Prantl U 484.
8) Neu herausgg. von Bendixen, Lübeck 1858, verdeutscht als
jydas älteste Drama in Deutschland*' von ebendemselben Altona 1850 —
58. Vgl. über lat Schuldramen Otto Franck^ Terenz und die lat. Schul-
comödie in Deutschland, Weimar 1877, und meine Recension des Buchs
in der Jenaer Lit. Zeitung. Juni 1878.
16
der erste deutsche Hamanist, der eine allgemeine deutsche Oe-
schichte verfaßt hat (1602), mit Bennzang der Stadien seines
Freundes Sebastian Murrho (Ganonicus in Golmar f 1495): Epi"
tome rerum Germanicarum usque ad nostra tempora. Straßburg
1505 4^ (Wimphelings Vorrede an Thomas Wolf, Sept. 1502,
läßt eine noch frähere Ausgabe vermuten).
Die von Wimpheling 1496 als Prediger zu Speier unter-
nommene Bearbeitung der Kronik Ottos van Freisingen wurde nicht
zu Ende gefürt.
Wimpheling veranlaßte seinen Freund den Benediktiner-Abt
Job. Trithemius (von Trittenheim bei Trier 1462 — 1516) zu Spon-
heim (bei Kreuznach) zur Abfassung der ersten deutschen lAterär-
geschichte. Sein Liber de scriptoribus ecclesiasticis Basel (J. Amer-
bach) 1494 fol. Paris 1497 4<>, dem Bischof von Worms Joh. von
BaXberg gewidmet, ist troz des Titels eine allgemeine lAterärge-
schichte; BB sind vile Philosophen, Redner, Dichter, Mathematiker,
Astronomen, Mediziner, Historiker und Juristen eingeschmuggelt,
weil „auch die Werke weltlicher Schriftsteller zum Verständnisse der
h. Schriften etwas beitragen können'' {Silbemagel, Trith. S. 60);
die Ergänzung und Fortsezung, welche Johann Butzbach^) aus
Miltenberg (am Main, Piemontanus), Prior des Klosters am Laacher
See abfaßte, ist erst neuerdings durch Kr äfft und Crecelius (Zeit-
schr. des Berg. Gesch. -Vereins VII) und Böching (Hütten, Suppl.
II 2 437 fg.) bekannt geworden.
Auf Wimphelings Wunsch und im gewidmet verfaßte er
„zum Lobe Deutschlands** den Catalogus illustrium virorum Qer-
maniam suis ingenüs et lucubrationibus omnifariam exornantium
s. 1. 1495 40 Trai. ad Rh. 1495 4» Mogunt. 1497 4» u. ö. Schon
1491 konnte er einem dünkelhaften Italiener, welcher außer von
Albertus Magnus von keinem deutschen Gelerten je etwas gehört
haben wollte, triumphirend disen Oatalog aus seiner Bibliothek
zur Beschämung vorzeigen. Trithemius machte noch handschriftliche
Zusäze Ende Juni 1509, worin u. a. Joh. Piemontanus (Butz-
bach)^ der Lobredner Trittenheims, Jakob Locher von Ulm, poeta
laureatus^ Schüler des Seb. Brand und Lerer am Gymnasium zu
Ingolstadt, Heinr. Bebet, Dichter, von Justingen in Schwaben, der
eine Gosmographie schrib, Conrad Peutinger Dr. utr. juris,
kaiserlicher Rat' zu Augsburg erwänt sind. Silbernagel 67.
Von Trithemius Frankenkronih 1515 soll später die Rede sein.
Konr. Peutinger hat nicht bloß römische Inschriften, Kunst-
werke, Münzen, Altertümer und Urkunden gesammelt (berümt ist
1) Vgl. O.Jdhn, Populäre Aufsätze von der Alterth. Wiss. Bonn
1868 und J. WegeUr, Kloster Laach. Bonn 1854. D. J. Becker, Chro-
nica eines fahrenden Schülers oder Wanderbüchlein des Joh. Butzbach.
A. d. Lat. Regensb. 1869.
18
ragend vor den Völkern durch Tapferkeit und Treue^ die Stamm-
Y&ter nicht hloß der Franken, Schwaben, Bargunden, Gothen, Ge-
pideu etc., auch der Normannen, Pikten und Skoten.
Seine Kenntnis des deutschen Yolksgeistes zeigt die Samm-
lung der Opuscula, Straßburg Gröninger 1508, worin, außer den
Facetien (Buch I und II) und einer Epistel De lattdibm et phHo'
Sophia veterum Germanorum (Spruchweisheit), Froverhia germanica
in latinitatem reducta und eine Ganiio vemactda enthalten sind.«
Die Proverbia oder Sprichtrörler werden in kammeniirier Ausgabe
mit proverbialen Parallelen von Dr. Suringar als Gegenstück seines
Erasmus nächstens erscheinen; das einen Liebesabschid behandelnde
Volkslied: „Ich stund an einem morgen gar haimlich an aim ort*'
ist mit der Bebeischen Elegie in der Alemannia IV 1 42 — 44
wider abgedruckt.
In der 1501 erschinenen Sammlung der hymni (159) in SS.
Trinitatis laudem, sanctorum et sanctarum, quibus eoclesia Rom.
singularem cultum exhibet, honorem a diversis auctoribus, diverse
metri genere compositi sind auch VersicuU (Zapf S. 135), d. h.-
deutsche Sinnreime mit entsprechenden lateinischen Distichen ein-
gereiet.
Es wäre freilich verdienstlicher gewesen, die damaligen Volks-
lieder und Sprichwörter in der naiven Form des Volks zu sammeln,
als sie durch die Latinisirung und gelegentliche Versifizirung an-
scheinend elegant zu machen.
Der Erzälung der Facetien (Buch III) De guerimonia lupi
super sua infelicitate ligt der Meistersang^) ,,die Wolfsklage'' (etwa
1510) von Heinrich Schmier (Agricola Sprichw. Hagenau 1529
No. 664 unrichtig: H. Schmier) zu Grunde.
I^ie Wolfsbeichte (Buch II) Lupi confessio et poenitentia et
vulpis et asini ist wie Bebel selbst angibt ex Hugone Trimpergio
egregio in vernacula nostra poeta. Auch das Asini iudicium de
cantu philomelae et cuculi wird wol auf einem alten Volksliede
beruhen; vgl. das Lied aus dem Jare 1580 abgedruckt in Docens
Miscell. I 284.
Vom Pfaffen vom Kalehberg sagt er: Sacerdos Calvimontia
in Austria, de cuius facete urbaneque dictis integri UbeUi per-
scripti sunt.
In der Ausgabe der Opuscula, Straßburg 1512, ist sowol
ein 3. Buch der Facetien als auch ein Gedicht In laudem Ger-
manorum quod sint artis impressoriae inventores (worin schon der
Italiener BerocUdus im zu vorgegangen) bei Zapf S. 190. Schließ-
lich ist noch zu bemerken:
Bebel war der erste, der die schwirige Frage über die
deutschen Gaue und zwar seines Stammlandes behandelte:
1) Darüber weiter unten in diser Zeitschrift.
20
Plautus Menächmx und Bachides (samt der ^^Fhüogenia
TJgolint\ ein Lustpil des Rechtsgelerten Hugolinas Parmensis 1437,
woraas ein Fragment in A. v. Eybes Margarita poetica), als
.^Spiegel der sitten*'^ verdeutscht von Albrecht von Eyhe (inWürz-
burg), Augsburg 1511.
Virgils Aeneis von Thomas Murner ^ Straßburg 1515.
Wimphelings Schüler, Bingmann Fhil^ius, übertrug (mit
einer Widmung an Kaiser Max) Cäsars Krieg mit den Galliern etc.
samt Flutarchs Cäsar und Lucuins (10) Totengespr&chen , Straß-
burg 1507 u. ö.
Wimphelings Freund, Job. Gallinarius (Henner) „der freien
Künste Meister'*, übertrug Lticiani Palinurus „vß kriechiscber
sprach durch das latyn in tütsch'\ Straßburg M. Hupfuff 1512.
Wimphelings, Celtis und Reuchlins Freund, der in Italien
mit Rudolf Ägricola und Job. von DaJberg gebildete Kanzler des
Kurfürsten Philipp von der Pfalz (dann 1512 Gesandter des Her-
zogs Älbrecht von Baiem beim schwäbischen Bunde), Dietrich von
Pleningen^ „Ritter und Doctor", übersezte sowol den Sallust und
Ciceros Rede gegen Gatilina, Landshut 1515; Plinius Lobrede auf
Kaiser Trajan, Landshut 1515 (mit einem Holzschnit von Albr.
Dürer) und aus Seneca einen ^^außeug^^ über Kindererziehung und
Lebensplan, Landshut 1515, als auch Lucians Gespräch Somninm
seu gallus, Landshut 1516, Lucians Von Klaff ern und Ohren-
bläsern und eine gleiche Schrift des Poggius, Landshut 1516.
Hieronymus Emser übersezte Plutarchs Schrift, Wy ym einer
seinen veyndt nutz machen kan (1519) 4^ und Xenophon, Von
der haußhaltung (Dresden) 1520 4^.
Emser hat sich auch als Dichter versucht: Eyn deutsche
Satyra vn straffe des E^bruchs Lpz. 1505 4^ (der Herzogin von
Sachsen gewidmet) und (aus Baptista Maniuanus) Wider die an-
fechtung des Todes Lpz. 1517. Sein Lied gegen Luther 1525 ist
bekannt; vgl. G. £. Waldau, Nachricht von H. Emsers Leben und
Schriften. Anspach 1783.
Georg Spalaiin (Burkhardt aus Spalt, im Bistum Eichstädt),
auf der Sebaldusschule in Nürnberg gebildet, auf Mutians Em-
pfelung 1509 Erzieher des Kurprinzen Job. Friedrich, seit 1514
nen weg wyter sy zelero (Gottsched, Nöthiger Vorrath zur Gesch. der
deutsch, dramat. Dichtkunst, Leipz. 1757 S. 40). Von demselben Yer-
i^sser ervfJknten Strubel und Panzer Ann. S.266 ein kirchenrechtlicbes Werk
in deutscher und lateinischer Sprache, das den sonderbaren Titel hat:
Der Jieiligen Kircl^en und des Römischen Reichs Wagen fur^ lateinisch:
Quadriuium Ecclesie Quatuor prdatorum (d. h. Papst, Bischof, Pfarrer,
Kaiser) officium Quibus omnis anima subijoitur, beide heiGrüninger in
inclitissima Helueciorum urbe Argentina 1504 erschinen, „in welchem
er sich über das Verhältnis der £rche zum Stat und andere wichtige
Punkte mit großer Freimütigkeit äußert*^
22
von . den Humanisten ins DeaUche übertragen. Außer Alexander
dem Großen war im Mittelalter ein besonders beliebter Stof der
Kampf um Troja. Nach der Mitte des 15. Jarhnnderts wurden
vil gelesen die Schriften des Franc. Petrarha^ Äeneas Sylvius (Papst
Pins II), Felix Hemmerlin (Chorherr in Zürich), Foggim von
Florenz.
Besonders drei Süddeutsche haben sich durch solche Ueber-
sezungen Verdienste erworben : Hans Hartlieh von München, Niclas
von Wyle und Heinrich Steinhöwel. Nicht bloß ftb: Herren, Fürsten
und Fürstinnen, auch für den Bürger ward Ergezung und Unter-
haltung geboten.
Das nach dem Roman des Vaendo'CälUsihenes ^) gearbeitete
Werk Liber Äleaandri de prelüs, gedruckt Utrecht 1473, Straß-
burg 1486 u. ö., übersezte „der hochgelert Doctor (Arzt) Johann
Hartlieb zu München^* (auf Wunsch des Herzogs Alhrecht III
von Bayern^ der nach dem Tode der Agnes Bemauerin 1435, sich
im Jare 1436 mit Anna von Braunschweig vermählte, f 1460),
als ^^Hystori Eusebij von dem Grossen Künig Aleaander^% Augs-
burg 1472 (mit Holzschnit), 1473, 1478 u. ö.
Die Historia Troiana Guidonis (de Columna^ Messanensis ')
ers^hin als „erstorung der edeln — statt Troia*^ o. 0. u. J. Augs-
burg 1474 (mit Holzschnit), 1488. Straßburg 1489 u. ö. Der Ueber-
sezer ist nicht genannt.
Harilieb übertrug auf Wunsch der Herzogin Anna aus dem
Latein ,^die hunst Ciromantia^^ (gedruckt Augsburg o. J.) und „sant
Brandons buch was er wunders erfaren hat*^ (o» 0. u. J.). '
Ferner auf Wunsch herczog Albrechts, sun des Erczherczog
Ernsten in Oesterreich ^^das buchOuidy von der lieV^^\ d. h. den
Tractaius Amoris des AndreckS Capellanus (Andreas, Presbyter
von Regensburg, von Aventin als ^fiairischer Titus Livius^' ge-
rümt) und den des Albertanus (Richter in Brescia 1235—46) o.
0. u. J.y Augsburg 1482 (mit Holzschnit), Straßburg 1484 u. ö.
Ueber disen y^Hans Hartlieb ^ genannt Walsporn^', gebürtig
von der ^^Neustatt uf der Hart am Rhein der Churpfalz gehörig",
habe ich in Crecelius Zeitschr. XI 119 urkundliche Naclu'icht ge-
geben (darnach ist Zarncke, Universität, im MA. S. 245 zu ver-
bessern) ; von seinem Enkel Jakob Hartlieb von Landau und dessen
Scherzschrift De fide meretricnm (bei Ludwig von Hohenwang ge-
druckt) wird im Abschnit IV die Rede sein.
% 1) Neue Textaasgabe von J. Zacher, Pseudokallisthenes. Halle
1867. H. Weismann, Alexander, Gedicht des 12. Jarh., vom Pfaffen
Lamprecht. II voll. Frankf. 1850.
2) H. Dunger, die Sage vom troj. Krieg in der Bearb. des MA.
etc. Leipz. 1869.
3) Wichtig wegen der darin enthaltenen ältesten Aussprüche der
Minnegerichte, vgl. v. Aretin : Aussprüche der Minnegerichte 1803 S. Y.
24
drich^ zu Ulm bei Joh. Zainer „von RAtlingen** 1473 heraosge-
geben, übersezte das Speculum vitae bumanae Rodarici fipiscopi
(um 1470) Zamorensis (2^mora am Duero in Spanien) s. 1. a.
(Augsburg Güntber Zainer 1471) als „Der Spiegel menscblichs
lebens^, Herzog Sigmund von Oestreicb gewidmet, o. 0. u. J. ; Augs-
burg 1479, 1488 (mit Holzscbnitj.
Weil die Stadt darf ebenso stolz, wie auf iren Johann
Kepler (f 15. Nov. 1630 in Regensburg), auch auf iren Stein-
höwel sein, welcher für die deutsche Litteratur ein Banbrecher
und Wegweiser geworden ist durch seine Uebertragungen lateini-
scher wie italienischer Geschichten, Novellen, Erzälungen, Schwanke
und Fabeln. Er ist der erste Deutsche^), der aus dem Italieni-
schen übersezte. Er hatte in Padua studirt und sich dort 1442
die Würde eines Doktor der Medizin erworben.
Spccaccioß jjDecamerony daz ist cento noueUe in welsch vn
hundert histori oder neue Fabel in teutsche*^ Ulm o. J. (J. Zainer
1472), ist unzweifelhaft von Steinhöwel übersezt, wenn er sich auch
nicht genannt hat. Andere Ausgaben: Augsburg 1490 mit Holz-
schnit. Straßburg 1509, 1519, 1540 etc. mit Holzschnit. Diß
Werk il Decamerone (1352), welches den grösten Einfluß auf die
europäische Romanlitteratur^) übte, erschin zuerst o. 0. u. J. ; da-
tirt (Venedig) bei C.Waldarfer 1471; Mantua 1472; die freimüti-
gen Bemerkungen über Papst, Pfaffen, Mönche und Nonnen ver-
schafften im die erende Auszeichnung in Florenz 1497 öffentlich
verbrannt zu werden; schon früher veranlaßte die klerikale Rück-
sicht Buchdrucker zu verstümmelten Ausgaben (dei deputati Flor.
1573 u. ö. ; vgl. Marcus Landau, Giovanni Boccaccio^ sein Leben
und seine Werke Stuttg. 1877).
Die Schrift des Jo. Boccatius (Boccaccio) de Claris MuHeri-
bus erschin unter dem Titel : Von etlichen frowen, Ulm Zainer 1473
u. ö., der Fürstin Eleonora, Gemahlin Erzherzogs Sigmunds von
' Oestreicb gewidmet; die Fäpstin Johanna ist nicht übergangen.
Gronick von Gottfrieds von Boallion Heerfarth ins gelobte Land, so
D. Guido lateinisch beschrieben.
1) Aus dem Italienischen übersezten im 16. Jarhundert Peter
Wemher die „fast senliche vnd erpermliche mitleydente hystoria von
Phylocanio des Kunigß sun auß Portigal. Vnnd von der schonen Eu-
genia des Kunigß tochier auß Engellandt" geteutscht auß welscher
Zungen in Teutsche. Nümb. Jobst Gatknecht 1515 4 mit Titelholz-
schnit ; Christoph Wirstmg die (aus dem Span, in welsche Zunge über-
tragene) Hipsche Tragedia von zwaien liebhabenden menischen ainem
Ritter Cdlixstus vnn ainer Edtn junckfrawen Mdibiaf Augsb. 1520 4
mit Bchäzbaren Holzschnitten.
2) J. Dunlopy Geschichte der Prosadichtungen von F. Liebrecht,
Berlin 1851 S. 214 — 54. Simonde Sismondi, die Literatur des südl.
Europas von L. Hain, Leipz. 1816 I 321 fg.
26
tor des hoffs Costentz) Facetiae (latein und deutsch 1486), (ans
der Handschrift monasterii Weingartensis) herausgegeben von A. y.
Keller, Tübingen 1874.
Bebeis Facetien, zu denen Adelphus Mülich in der Margm-
rita facetiarum 1508 Facetiae Adelphinae als Nachtrag Uferte,
sind schon besprochen; sie erschinen bis tief in das 17. Jarhnn-
dert vermert mit den Facetien des Nioodemus Frischlin u. A.
Romanhaften Unterhaltungsstoff brachten „ Diocletianus (und sein
Vater Pontianus) oder die siben weisen Meister^' ^) und die Gecta
Romanorum«).
Die Quelle, woraus besonders Seb, Franck seine Kenntnis der
Dichter und Denker des Altertums geschepft hat, ist die Schrift
des Walther Burleigh (Burley, Burlaeus, f nach 1337, eines Schü-
lers von Duns Scotus)^ „Doctor planus et perspiouus'^ zn Paris und
Oxford (1337): De vita et moribus pküosophorum poetarumque
veterum (c. autoritatibus et sententiis aureis eorundera annexit).
Ed. princ. o. 0. u. J. (Köln, Ulr. Zell von Hanau); Köln 1472
u. ö. verdeutscht als: Das buch von dem leben vnd süien derhayd'
nischen maister von newem getrucket. Augsb. 1490 u. ö.
Nach Lessing XI 299 ist ^^ Anton Sorg einer der gelerte*
sten Buchdrucker'^ der Uebersezer; bei im wurde gedruckt in
Augsburg seit 1476.
Die .Verdienste der Freunde Wimphelings als Uebersezer anr
tiker Schriftsteller sind schon berürt. Sie haben auch Neulateiner
verdeutscht :
Dietrich von Pleningen eine Schrift des Poggius (s. oben);
Wimpheling selbst die Declamation des Berodldus: De tribus fror
tribus^ Heydelberg 1600 (mit Widmung an Friedrich Gamerer
von DoZ&er^ 1518, Straßburg Reinh. Beck), und Joannis Pici von
Mirandel Sendbrief an seinen Vetter „yn zu ermanen zu christ-
lichem leben vnd zu lere der heiligen geschrift vnangesehen erger"
nufi*^, Straßburg 1509 4^. Widmung an Hans von Schönner, Fri-
burg (um Pfingsten) 1509.
Wimpheling hat auch eine Homilie des GhrysosUmus über-
1) Schön Cronick vnd histori aus den geschichten der Römer
o. 0. «u. J.; Augsburg Bämler 1473; Augsburg Sorg 1478. Historia
calumniae novercalis Antwerpen, Ger. Leeu um 1490 u. ö.; Oeeterley,
Johannis de Alta Silva Dolopathos sive de rege et Septem sapientibus
Straßburg 1873. D.vocletianns Leben (in Versen) von Hans v. Büchel,
herausgeg. von A. v. Keller. Quedl. 1841. Hans der Büheler war Dietast-
mann des Erzbischofs von Köln, zu Poppeisdorf bei Bonn 1412.
2) Verdeutscht Augsburg 1489 klein fol. (Lessing XI 2 98). Oesta
Rom. das ist der Romer Tat, herausgeg. von A. v. Keller. Quedl. 1841.
Gesta Rom. (lat.) herausgeg. von A. v. Keller. Stuttgart u. Tübingen
1842. Uebersezung von Grässe, Dresden u. Leipzig 1842 II. Getta
Rom. ed. Oesterley U fasc. Berlin 1871—73.
28
litisiren und als Kannegießer^) mit Worten die Welt verbessern
ist ja jezt noch das Labsal der Bierbänke und Weinschenken.
Francks Zunge ist wol auch durch solches Vorbild gespizt wor-
den ; er hörte manchen edeln Spruch uod manches treffende Sprich-
wort; die Neutestamentliche Forderung : Seid vollkommen (in Liebe
und Warheit) wie euer himmlischer Vater traf tief sein Herz und
entzündete einen schroffen Idealismus, in vilen Stücken /dem Schü'
lers verwandt.
Zu disen Eindrücken der Wirtsstube kamen die Einflüsse
des häuslichen Herdes^ wo noch heutzutage vom Gesinde das phan-
tastische Reich des Aberglaubens wol gepflegt und gehütet wird.
Die ganze Welt glaubte damals, die Gelerten erst recht, an Geister
und Gespenster^ an Hexen und Unholde^ an bedeutsame drohende
Eimmelserscheinungen und Zeichen^ an Astrologie und Horoskope
(Nativität), an Wunder und Mirakel.
Francks Sinn für das Wunderbare und Mysteriöse blib im
als Erbteil seiner Zeit und seines Volkes, selbst als er durch
Agrippa von Nettesheim über das Heaenwesen freier denken
gelernt (Weltbuch Bl. 134b). Betrachten wir die in Francks
Schriften noch erkennbaren Spuren. In Erasmus Moria Bl. 33:
Solcher Tandtmkr vnd fabel — — von den trügnüssen, gespen-
sten, gesiebt, von dem Bockelman, mit Poltergaistem^) vnd vmbff-
lauffeden seelen, vn dergleichen tausend wunder.
Im Latein: nee uUa satietas talium fabularum, cum porten-
tosa quaedam de spectris, de lemuribus, de larvis, de inferis, de
id genus millibus miraculorum commemorantur.
Moria Bl. IIa erklärt Franck (nach Listrius Kommentar):
j^Pan würt geacht der Gott sein, der die leüt erschreckt vnnd
f5rchtig macht bei den Poeten", und sezt hinzu: „den die kinder
Bockelman oder bercht heyssen."
Grimms DW s. v. erklärt : terriculamentum popelmann, butze-
mann, popanz. Bockelmann erscheint als eine stehende Schreckge-
stalt pädagog. Art in Augsburg. Birlinger Augsb. Wb. 68b. Li
Merks Lat. Serm. Castellum, Ulroae Suev. 1646 Sp. 534b: Man-
1) Das Wort ist modern zuerst von iJoftener gebraucht ; es stammt
aus des Norweger Professors L. v. Holberg Lustspil „den politiske
Kandestöber" 1722; vgl. Danske Skueplads, Kopenh. 1731 fg. Deutsch
von Oehlenschläger, Leipz. 1822 fg. Büchmann, Geflügelte Worte 11. Afl.
S. 173. Hildebrand im DW V 167.
2) Guld. Arch 80b: von den rumpd Gayater — — dauon vü
fabel bücher vmbfaren, als Tundali, Cassianus vnd Jacobus de paror
diso ein Carthewser. Visio Tungdali ed. Oscar Schade. Königsberger
Univ.-Progr. 1869. — Joh. Cassianus, Zeitgenosse Angustins and Hiero-
nymus, Collationes Patrum. Basel 1485 u. ö. — Jacob Junterbuck (von
Jüterbock, Prior in Erfurt f 1465, Mystiker mit Reformplänen) de po-
tesbate daemonum ; Sermones etc.
so
Incfibus ist nach Diefenbaohs Glossar: =' mare, der tewfbl,
der die frawen reyt; nach dem Noyum Glossar, allgemeiner =
nachtmännlein , schröttlein, alp, nachtmare, trat, elb. — „Die
Tenfel Succubae halten sich in Weibsgestalt zn den unflätigen
Träumeren, verursachen inen leichtfertige yenerische Tr&ume, als
wann sie unzüchtige Weiber beschlieffen, beschlafi^en aber in sol-
chen Träumen eben dise Succubae oder Tenfelshuren, welche den
Mannessamen auffassen, sich alsbald zu iren Unholden und Teufels-
bräuten Terfagen, dise als Incubi in J^nnsgestalt auch beschlafen
und was sie anderswo aufgefaßt inen in irer unreinen abschenli*
chen Vermischung beibringen/ Barthol. Anhorn Magiologia Basel
1674 S. 662.
Auf Lieder und Schwanke scheinen mir die Ausdrücke Düitig-
heim und Schlauraffenland hinzuweisen.
Sprichw, II 49 Cescon habitas: Du bist von JDiUiicheym^)^
da die Dannzapfen wachsen. Ein grober dlb bawer. Ein grobs
hMzlin. Es were gut sewtrög auß jhra zu hawen. Du bist auß
dem Schlauraffenland (vgl. I 48b 162a).
Gescos ist ein stat Pamphilie, da so grobe leut woneten,
wie inn Teutschland die Bintzger kr6pffeten Baum, daß dauon
ein sprichwoH entstund: Du bist ein mann von Gescon, wie mans
auff der Alb ( Alem. I 96) hat, gleich wie man spricht : Es ist ein
stat wie Heuhach^ da frassen die wolff den Schultheiß auff dem
marckt, Wolt einn groben d&lpel vnd fantasten damit anzeygen.
Wir brauchen die oberzelten, Itevn^ Ein grober^) Algewer bauer.
Ein blinder Schwabe^) etc.. Ein rechter dummer Jan, der teutach
Michel, Ein teutscber Baccalaureus.
Aus der satirischen Volkslüieratur waren unserm Franck be-
kannt die Wechselreden des Bauern Markolf und des Königs
Sähmo (Alem. V 55). Der gemeine Mann muste sein Vergnügen
an einem Büchlein haben, worin das Sprichwort: „Die Gelerten,
die Verkerten'' praktisch illustrirt wird, indem der grobe und häß-
liche Bauer Marcolfus mit seinem gleichgeschaffenen Weibe JPoU'
cana in seinen treffenden, freilich oft unflätigen Antworten, in sel-
statt Tuvitium, Tuitium (Deutz) yerstanden haben. Beatus Bhenanus
redet von dem coenobio Divitensi coatra Agrippinam, vulgns Tuitium
vocat corrupte.
1) Ein gemachter Ortsname wie Finsingen Alem. II 257 st. Mun-
derkingen, Schnerkingen Alem. IV 150; Ort wo man starke Brüste hat;
Grimms Wb. dumme dutten -= Risen, nngescblacbte Menschen. Grimm
315, Simrock 408. Die ist von Ehingen, d. h. hat gar keine Brust,
Volkswiz Schwaben. Schlauraffen vgl. Zamckes N. S. 455 fg. Vgl.
Germ. 17, 305 (Latendorf), ebenda S. 93 (Birlinger).
2) Alem. I 100 ff.
3) Alem. IV 205 nnten.
32
(Prof. Dr. A. y. Keller in TübiDgen machte mich auf die Stelle
aufmerksam), findet sich die Bemerkung^).
„Der Pfaffe Amis ist eine der Formen des yilgestaltigen
Helden der Schelmenstreiche nnd Schwanke, des Lügens und
Leutebetrigens , der im deutschen Volke seit vilen Jarhandertem
unter mancherlei Namen umgegangen ist, als Amis*) und Pfaffe
vom Kälenherg^ als Peter Leu und Bochart^ der zulezt seine Pro-
teasnatur in Till Eulenspiegel abgelegt hat, und in diser Gestalt
noch heute unter uns umget.*'
Von Paul Wüst (Alemannia IV 181 ff.) kannte Franck nicht
bloß seine (oft rohen) Schwanke, sondern auch ernste Sprflche.
Mancher Reim in den Sprichtoörtern Francks wird von Meister»
Sänger-Lindem herrüren.
Widerholt wird der Tahulatur^) gedacht Spr. 1 125b, II 208a
und oft in Moria und Paradoxa. Spr. II 87a : Du mußt von
schalckshausen sein. — Der diß nit kan abgefürt wie ein würffei
(II 165 Burghauser würffei) — der ist ein einfeltigs schaf, singt
nit vil meyster gsang in seinem hauß, ist ein narr, vnd kan nicht
dann fromm sein.
Auf die ritterliche Poesie findet sich nur Sprichw. II 62b eine
Anspilung :
„Er helt einn freien tafel, offen hoff, Es geht zu wie an
hönig Artus hoff, Die hund tragen gantz köpff dauon."
Es darf nicht gefolgert werden, daß er die Artus- Dichtungen
kannte (Parzival war schon 1477 o. 0. u. J. gedruckt worden)
oder das von dem bairischen Dichter und Maler Fürterer für
Herzog Alhrecht IV (1475, f 1508) in der Titurelstrophe ver-
faßte Werk über die Tafelrunde-^ er referirt nur ein im Volks-
munde lebendes Sprichwort, auch in Agricolas Sprichw. No. 668:
Es gehet zu wie inn Künig Artus hofe^); das gleiche gilt von der
1) Lappenberg Ulensp. 853 widerlegt Vilmars Saz quoad Bochart
aber vollständig. B. ist ein weiser Narr. AB.
2) lieber Strickers (der Strichäre = vagas, Zeitgenosse Rudolfs
von Ems um 1250) Pfaffen Amis vgl. H. Kurz. L. G. I 427. Gödeke
Grundr. S. 32; über Philipp Frankfurters (zu Wien, Ende des 14. Jh.)
Pfaffen vom Kaienberg Kurz S. 667, Gödeke S. 116; über Widmanns (von
Hall in Schwaben kämpfte mit gegen die Armengecken 1480) Peter Leu
Kurz II 85, Gödeke S. 117.
3) Alem. I 289.
4) Agricola berichtet daselbst von der Taffei runde oder Messe'
ney und den Helden WigloiSf Pareifal, Titurel und Tristrant und dem
„roten Ritter** Grafen von Manßfeldt, sowie von „König artus bmn"
und „König Artus gassen** hart vor Eißleben. Agricola war wol be-
lesen in deutscher Litteratur, vgl. Vorr. Bl. 2b. Franz Pfeiffer/ hat in
der Germ. X 94 ff. alle seine gelerten Kenntnisse in diser Art mitge-
teilt. Daraus Grimm Heldensage 2. Aufl. S. 318. Vgl. Alem. I 263.
34
christlichen Widerstand des in disen Berg entrückten Ritters nnd
dieTreae des treuen Eckart schildert^ (Vilmar); von Wimphdings
Freund Joh. Ädelphi48 (Mülich), Phisikus in Straßhurg, 1512 hei
J. Grüninger edirt. Herrn, v. Sachsenh. hg. v. £. Martin Tüh. 1878.
Auch einiges aus dem Sagenkreise Dietrichs ') war im hekannt,
und zwar der Eiese Sigenot Grermania 1538 Bl. 56: j^Dieterichs
vcnBern^) histori", wie er, nach dem Siege üher Odoaker, König
von Italien geworden und fridlich 32 Jare regirt. „Daher seindt
die lieder, so man in TetUsch vonn jm singtj gemacht. Die Bisen
seindt die Barbari. Dann Odoacer war einn Barbarus aoß RAgenn
— — Er ist aber Dieterich von Bern genennt, dammb das er
zu Verona oder Bern — hoff gehalten.'
Der erste Druck hat den Titel :
Herr Dietrich von Bern oder von dem allerkAnesten Wey-
gand Herr Ditterich von Bern vnd von Hütebrand seinen treuen
Meyster. Wie sy wyder die Byefien gestryten auch viel grolVer
Sachen erstanden vnd erlytten haben. Sagt das bAchlein, das gar
kurzweilig tzu lesen, tzu hören, vnd tzu singen ist. Heydeiberg^
Henr. Enoblochtzer 1490.
Am Schluße des Gedichts ist noch „der Bosenkrane unserer
lieben Frauen*^ angehängt. Panzer Ann. S. 187.
Auch in Straßhur g 1505 und 1510 wider gedruckt.
Um die gleiche Zeit war „das Heldenbucfi mit synen Fi*
guren*' (Holzschnitte) erschinen, d. h. der auch Franck (sih unten)
bekannte Wolfdietrich, o. 0. u. J. ; Augsburg, Schönsperger 1491;
Hagenau 1509; und des ^ Ecken Äußfahrf^y Augsb. Hans Schawr
1491; Nürnberg 1512. Vgl. Karl Oödekes Deutsche Dichtung im
Mittelalter, Hannover 1854.
Auf das Bolandslied ist offenbar die wunderliche aus Garion
entlehnte Notiz in der Germania Bl. 85a zu beziehen über „Garo-
lus Magnus^* : „von seinem v&tter Boland hat er zimlich gut verß
gemacht.'^ Mit Stolz weist Franck nach, daß Garolus ein Franck
vnd Caroli gantz geschlecht eittel Teuische Francken gewesen
seind; daß er der alten teutschen ^Historias vnd lieder^ j sowie
„Bechtsbücher'^ habe sammeln lassen; mit Freude berichtet er^
daß es Beatus Bhenanus gelungen — vergeblich hatte Kaiser Max
die Gclerten mit Belonungen aufgefordert, altdeutsche Urkunden
aufzufinden — das Evangelienbuch Otfrids (von Weisseuburg an
der Lauter) und Notkers Psalmen „in fränckischer zungen*' zu
entdecken.
1) Oskar Jänicke in der Zeitschr. für Deutsches Altertham XV
326: Wie die Theologen, so verwerfen auch die Historiker des 16. Jh.
die Heldensage (folgen Stellen von Seb. Münster und Tschudi). Eine
rationalistische Erklärung der Heldensage gibt Seb. J^anck Germania
1539 Bl. 56a. AB.
2) Vgl. Alem. IH 132 296.
86
Im Krieg deß Prides 1539 Bl. 93a: Die alten haben gesagt
drey ding machenn einen M&nieh^ N&mlich, vnwiasenhaü, fauXka§i
vfi verzweyflung^ wann die Idioten nicht haben gelert, Tnod jr
jugent mit faalkayt vnd hartecken schiessen haben hinbracht, das
jnen ein schelmenbain im mgken ist gewachssen, vnd sie inn die
achdmenzunfft ^) seind geratten, darinn arbayten sünd ist, das sie
nicht mer haben mftgen graben, vnd sich doch die faulen starcken
hctchanten z& bettlen gesch&mpt vnnd die donm secure oder Jih
annes sme labore*)^ nicht haben gelernet dann ein nuß durch
einenn sch&lsaok auffbeissen, oder wie ein saw durch ein schftl ge-
lanffen, vnd ein stuck von einem schiilsack gefressen^ so seind sie
inn ein Verzweiflung gefallen etc.
Die sibpllinischen Orakel — erst von den Philologen des 17.
Jarhunderts als unecht erwisen — galten zu IVancks Zeit als
starke Beweise der evangelischen GeschidUe, WimpheUngs Freund,
der Stadtschreiber Jakob Köbel^) zu Oppenheim war der Heraus-
geber und Drucker eines lateinischen wie deutschen mit Holz-
schnitten erschinenen Volksbuches: Offenbarung der Sibyllen Weis-
sagungen 1516 4^, Opusculum de vatioiniis Sibyllarum s. a. (um
1516). Köbelf der sich auch selbst als Dichter versuchte (über
eine Hasen-Mißgeburt in Niederflörsheim 1505, vgl. Weller Rf^>ert.
No. 349), druckte auch des Ritters Job. von Marßheim^) (1497
verfaßtes) Lergedicht: Spiegel des Regiments in der Fürsten hüfe,
da Fraw Vntrew gewaltig ist 1515 (Ausgaben bei Weller No. 928
und im Neudruck Oödekes Stuttg. 1856). Spr. I 105: Von der vn-
trew vnd hinderlist der menschen sind all bücher voll.
In gleichem Geiste wie Brant und Mumer gegen die Sittenver-
1) Mein Freund Rektor IVanek in Edenkoben, von dem wir eine
neue Ausgabe der Ouaestiones fabuiosae oder Disputationes q^uodUbe-
ticae zu erwarten haben, vermutet darin eine Anspilung auf des Ma-
ffister Barth. Chribus Monopolium dier Schdmeneunft 1488; vgl. Zamoke,
Deutsche Universität, im MA. 8. 61 : seota aecwrorum vel conchaitamm.
Ueber die mittelalterliche Eselsbrücke für Prediger, des Minoriten Joh.
de Werdena Dormi secure, vgl. Abschnit IV.
2) Sprichw. 11 69b: Hans onfleiß vnd Contz onsorg; vgl. U 28b.
3) In dieem Volksbuch erscheint zuerst die ZwÖlfzal der Sibyllen,
ein Gegenbild zu den Aposteln. Franck erw&nt (nach 8chedel) 11 ; Quid.
Arch Bl. 48b: Lactantius von den zehen Sibyllis. Bl. 71 jedoch einige
mer. Im Mittelalter zälte man nach Oervasius von Täburg 10; vgL
Gödeke, Deutsche Dichtung im MA. S. 240. Verschiden von disem
Volksbuch ist die Schrift: Von SibyÜa weyssagung vfi von König 8a-
lomonis weißheyt was Wunders geschehen ist vnd noch geschehen soll
vor dem Jüngsten tag \ zuerst erschinen in rheinischem Dicdekt: Sybillen-
boich, Collen 1513 u. ö.; vgl. Wellers Repert. No. 1639.
4) Rektor Franck bereitet eine neue Ausgabe vor; einer brief«
liehen Mitteilung desselben entneme ich die Notiz, daß Morßheim
15. Januar 1516 als Großhofmeister der Pfais gestorben ist
38
Geschichten^ Lucians ^) zum Ergezen des Tiesers anfgetischt wird,
„Abenteaer zu Wasser und za Lande ** im Stile anaers Mundil'
hausen^), das wird im Brandan als glaubwürdige Tatsache und
volle Wirklichkeit dem Leser zugemutet.
Franck nennt sie auf dem Titelblat des Weltbttchs 158i,
wie in der Vorrede ^S. Brandons Histori*^, er hat also die Ulmer Aus*
gäbe (bei Hans Zainer 1499) gelesen, welche von andern Ausgaben
abweichend den Titel fürt: ^^Historia von St. Brandon*^ (Panzer
Ann. S. 243).
Was einst dem Knaben und Jüngling gewiß großen Genuß
bereitet hatte, war dem kritisch gewordenen Manne natürlich —
Lüge und Fabel. Gleich auf dem Titel des Weltbuchs heißt es:
„nit aus Beroso (des Dominikaners Annius von Viterbo), Joanne
de monte vtUa^ S. Brandons Histori, vn dergleichen fabeln", und
in der Vorrede : Wir haben auch nit die lugenhaffb hystori S, Bran-
don, reyß vnd m6rfart Dietrichs von Bern^) oder die poppen
(Pappen = Docken) Joannis de monte villa angemaßt (uachgeamt
= gefolgt) oder die Fabel Berosi hierein gesetzt.
Er gibt mit Berufung auf Martinus Ilacomilus (Hylacomi-
Jus) den Vorzug der Glaubwürdigkeit „den neueren weltbeschau w-
em, mdrherrn vnd gestrengen landtfarern als Marco Veneto^^
(Marco Polo) etc.
Die Wunderberichte des Johannes von Monievilla (John Man'
deville% „Doctor in der Artzney vnd Ritter, geboren vssz Engel-
land", der 1322 Asien durchzogen (f 1371), erschinen als: the
voiage and travaile, Westminster Caxton 1499; auch lateinisch,
französisch, italienisch, deutsch; zuerst von Michelfeld (Michel-
felser) verdeutscht, mit lächerlichen Holzschnitten. Augsb. 1481,
1482; dann von Otto von Biemeringen% Straßb. 1484 u. ö.
Eanst Oiromantia) ; handschriftlich in Nürnberg. Karl Schröder, St. Bran-
daD. Ein lateinischer und drei deutsche Texte. Erlangen 1871.
1) Des waokern Schulrektors Georg Boüenhagens Son Gabriel hat
aas Lucian, Brandan etc. seine „Ungleubliche Jndiam'^c^ Reysen, durch
die Lufft, Wasser, Land, Helle, Paradiß vnd den Himmel. Mit etlichen
warhafften, jedoch bey vielen Gelehrten glaubwürdigen Lügen" Magdeb.
1603 übersezt und zusammengestellt.
2) Gottf. Aug. Bürger ist der Uebersezer des von Baspe englisch
geschribenen Buches der Abenteuer des Lügenboldes; vgl. Heinrich
Düntzera Einleitung zu der bei Dyk in Leipzig erschiuenen Ausgabe.
8) Bezieht sich auf den Wolfdietrichy von dem ein Btich wider-
holt schon im Mittelalter angezogen vrird; vgl. Grimms Heldensage
S. 227 No. 88. AB.
4) In der Beschlußrede: Wann einsmales kernen von uil kunig-
rychen kauffleut gen Brugk (Brügge), die dies buch gern gehört hettcu.
Durch dem bet willen, ich obgenanter Otto von Demeringeny Thum*
herre (zu Metz), von latyn ynnd frantzoyscher sprach zu tutsoh ge-
bracht han. Vgl. Peschel, Geschichte der Erdkunde und HumboiuUs
iO
Schönspergers Chronick im truck 1487 außgangen'' (Oerm. Bl. 203b)
und Thomas Lirers (gesessen zu Rankweil) schwäbische ,yChronik'^
getrackt von Conrad Dinchmit in Vlm 1486 (Oerm. BL 206).
Meine Vermutung über Francks deutsche Lektdre im Knaben-
und JOnglingsaltor stüzt sich auf die unbestreitbare Tatsache, dafi
im ersten Jarhundert des Buchdrucks, der allgemein als eine Gnade
Gk>tte8 den Laien erwisen betrachtet wurde, ein gewaltiger Lase-
hunger auftrat, zumal in den Beichsstädten, und Alt und Jung
sich an Buch und Bild ergezte.
Franck hat in seiner Jugend gewiß nicht die Oewissens&ngste
eines dämonischen und genialen Menschen, wie Luther war, durch-
gemacht. In verlockte Wißbegrir, in erfreute Gottes wunderbare
Macht in Geschichte und Natur, in reizte Streit und Widerspruch
der Welt zum Nachdenken, er brachte es dahin „als ein unpartei-
scher vngefangner, ein yeden lesen zu künden,^*'
flinen andern Vorzug sehe ich in der gründlicheren humcmir
stischen Bildung; wobei freilich nicht vergessen werden darf, daß
nur die schroffe und kolossale Einseitigkeit Luthers den weltge-
schichtlichen Umschwung zu Wege bringen konnte.
Luther selbst fülte seinen Mangel ser wol. »Wie leid ist
mir letzt, daß ich nicht mer PoSten und Historien gelesen hab, vnd
mich auch diese niemand gelehret hat. Habe daför müssen lesen
des Teufels dreck, die Philosophos und Sophisten mit großer Kost
vnd Schaden, daß ich gnug dran habe auszufegen" (Altenb. Ausg.
II 812). Ebenso bedauerte Melanchihon Luthers mangelhafte hu^
manistische Bildung ; größere Sorge für Bildung der Rede und zu-
gleich die „milderen^ Studien einer waren Philosophie, woran es
in Erfurt gefeit, würden bei Luther villeicht auch dazu gedient
haben, die Heftigkeit seiner Natur zu lindern (Köstlin, Luther I 50).
Luther hatte guten Grund 1524 für die Schalen den Ratsherrn
Deutschlands zu empfelen ,die Poeten und Oratoren, nickt ange^
sehen, ob sie Heiden oder Christen wären, griechisch oder' latei-
nisch", „die Chroniken und Historien, welcherlei Sprachen man
haben könnte^ (G. Pßzer, Luthers Werke S. 867) ; in der schänd-
lichen Nachrede nach Francks Tod 1545 rouste er anerkennen,
daß der neben den „Scheispoeten^) Z^mc^n'' gestellte „Beelzebub **
oder „Arshummel'^ Franck das grifflin funden — Historien eu
schreiben und Spruch Wörter zu erklären.
31. 208b: Herr Jacob Pfarrherr oder kirchherr zu Trusenheym, hab
ich zu Straßburg in einem alten geschrieben buch gelesen, setzt etc.;
vgl. Bl. 242 und 143. Ueber Sigmunds Beformation in Abschnit Y.
1) Es genügt auf Lessings Rettung des S. Lemnius III 280 fg.
hinzuweisen. Ausforlich handelt über S. Lemnii Leben und Schriften
Strobel, Neue Beytr. III 1.
42
von Eck, seit 1517 Protektor,* als Herzog Ernst znm Bischof yon
Passau gewält worden, Matth. Kretsf, Urhan BhegiuSy Aagnstin
Merbold von Hohen wart, Lochers Freund, Otto von Pack ans
Meißen (1537 enthanptet) n. A. Ein Denkmal stiftete sich die
Gesellschaft 1518 durch Herausgahe alter von Aventin^) aufge-
fundener Geschichtsquellen, nebst eigenen lateinischen Briefen und
Gedichten.
In der Artistenfakultät wirkten damals 40 — 50 Magister
nicht gerade in großer Einigkeit, denn die Fakultät war durch
den Parteihader der Anhänger der via antiqua und der via mo-
dema, „der arttisten baider wege, des alten vnd newens als ay
sich nennen^^ gespalten; erst die Statuten- Redaktion von 1519 ver-
bot auf Befel des Herzogs die Parteiworte ,,moderniy antiqni, rea-
listae, nominales^^ und befal, daß sich Lerer wie Lernende einfach
und gemeinsam als ariistae bezeichneten.
Diser aus der verschidenen Behandlung der Schul-Philosophie
hervorgehende Streit, der in keineswegs humaner und philosophi-
scher Weise gefürt wurde, war dem humanistischen Äventin ein
Gräuel; er zitirte deshalb gern beistimmend das Volkssprichwort
(gleichwie Wimpheling in der Äpologia pro republica christiana
c. 1. „die Gelerten, die Verkerten**, auch Fraiick Sprichw. I 36b,
90b, II 99b, lfi3b): „Je geler ler, je verkerier'\
Wie die Fakultäta-Akten meist nur Promotions- und Geld-
angelegenheiten betreffen, so berüren die Uni versitäts- Akten (außer
den Statuten) meist nur die Schattenseiten des Stndentenlebens,
Skandale und Tumulte, Exzesse und Verbrechen, Verbal- und Real-
injurien, Schuldklagen, Wirtshaus- und Bordellgeschichten, Raufe-
reien, Schlägereien, nächtliche Ruhestörungen durch Schreien und
Brüllen (8 ^^Zirker und Wächter" besorgten die „Befridung bey
tag vnd nacht", die ^,Wachthut^'\ weshalb widerholt gegenseitiges
Zutrinken t nächtliches Heruraschwärmen und Musiziren, Karten^
und Würfelspil, Waffentragen ^) (bay tag noch nacht), Maskiren
1) Aventins Nazionalgefül kennzeichnen die Worte eines Briefes
1517 (mit Bezug auf Hermann von Altaicb und Valtogeius Noricus) bei
Mederer p. 101: Ex quibus plane intelligo, maiores nostros non ita
barbaros, ut nos quidem falso euspicaraur, fuisse. Nos autem prae
illis esse maxime socordes, qui in vana dictionum digladiatione et um-
bratili edentuli Grammatici conseneseimus.
2) Als „TFa/f<m" uralten nach Ifiederer IV 165: Hamasch, arm-
brust, pücbsen, triscM (Dreschflegel), spies, hollenparten, stangen, schwert,
wurfpeil, düiz (Dolch, kurzer Degen), waidmesser, te^en, stein, kugl
noch ainich andre Were. Zu den verbotenen Waffen zälte man in Gera
1487: lan^e roesser, degen, tilitz and im Ältdor fer Weisihum: niemand
soll auf das rathhaus oder zu einem tanz tragen ein langes messer,
degen, hammer, dialiZy bleikufifel, wurfhaken, pengel oder andere ge-
fährliche wehr; vgl. Grimm Wb. Diglie. Birlinger teilt mir mit: in
4i
YorlesongeDy sowie die Tdloame an den in den Borten Torgenom-
menen resumptiones (Repetitionen) und dem exercUium huirsaU oder
der dispuiatio serotina.
In welcher Burse Franck lebte, ist unbekannt. Daß im als
^Jbeanus^ die Ceremonie der depositio^) nicht erspart worden, ist
sicher. Diser Einweihnngsscherz, der erst im Laufe des 16. Jar-
hunderts in rohe Mishandlung ausartete, ließ sich nicht ausrotten,
wenn auch die Fakultäts-Statuten die „vexatores et tribulatorea
novellorum studentium quos beanos yocant** mit Strafe bedrohten.
Als Student (scholaris, scbolasticus) wird er tapfer sein Oanh
deamua^) oder „den liebsten b&len den ich han der leit beim wirt
im keller^* mitgesungen haben und wenn er auch in Sauf- und
Rauflust mit seinen Kommilitonen nicht g^wetteifert, doeh mit
jugendlichem Herzen auch der Freude und Geselligkeit ir Redit
gegönnt und nicht bloß ,yBippapper^ spilkart vnd würffei" (Spr.
II 161a), auch die „Encomia malorum, die bhl liedtm*^ (Sprichw.
II 68a, I 64b) nicht yerschmäht haben, sovil auch später der ge-
1) Jezt „Fuobstaufe''; Fuchs = junger Student, erst in BädUm
Wb. Leipzig 1711. beanus =: pecus carnpi, cui nt rite ad publioos
lectiones praeparetur, cornua deponenda essent; in Prag: „beaniam in
hiroo deponere seu mores agrestes per beaniam relinquere". Hautz 1 86.
Das älteste Beispil einer SchilderuD^ der Ceremonie findet sich im schon
erwänten Manwüe scolarium bei Zarncke, Cap. 11 S. 4 fff. Es wnrde
dem Beanus eine Ochsenhaut (ursprünglich wol vom Pedell, bideUas)
über den Kopf gezogen und daran die Höruer ganz oder teilweise ab-
gesägt etc. Franck Sprichw. U 92: Zur banck nawen, Rollen, Depo-
meren^ Vexieren, Die siben wort sagen. Prantl I 95 erwänt eines Car>
men morum studentum et beanorum (= bachantum) von Joh, de Wer^
dena (handschriftlich in München). Des Grammatikers Paul Niavia Dya-
logus literarum studiosi cum beano quarumque preceptionum imperito
(a a. Leipzig, Hart. Herbipol.) gibt ein lerreiches, aber trauriges
Eulturbild.
2) 6. Sehwetschke, Zur Geschichte des Gaudeamus igitur^ Halle
1877. Gewiß ist das weltliche Lied, wie so vile, durch die Kirche ver-
anlaßt, durch .«den beim Introitus der mittelalterlichen Messe ge-
bräuchlichen Antiphon: Gaudeamus omnes in Deo". Daß ein altes
Studentenlied Gaudeamus vorlag, beweist das Lied des ital. Humanisten
Codrus ürceus (1500) (Monographie von C. Maiagola, BoloRna 1878),
wie die im nachgebildete Schlußstrophe in Emsers Spotlied auf Lu-
thers Hochzeit 1525 (Waldau, H. Emsers Leben und Schriften 8. 62
mit CocMäi gereimter VerdeiUschung), Franck spilt auf das Lied Spr.
n 81a an: Ihr (der saw) leben ist ein Requiem, jr todt ein Gaudea$nus
ynd Te deum Ictudamus, Spr. I 44: Mein liebster bul ist mit reyffen
bunden; vgl. ükland VL. 1 584 fg. Die Studentenlieder der (Jarmum
Burana und das Liederbuch der C&ra Hätglerin sind bekannt. Das Lied
tfCerevisiam bibunt homines, animalia cetera fontes" etc. (Allg. Bekte-
Gommersbuch, Leipzig Breitkopf n. Härtel 1876 8. 505) muß tu ^orcl-
deutschland entstanden sein.
46
nicht bloß an „tnimmen und pfeiffen'^ ergezte, sondern auch am
jyparrl/zufen ') vnd dergleichen vnnachtheiHgeu LeibS' Uebung^\
Auch in Ingolstadt wüste sich die akademische Jagend außer
den regelmäßigen Vakanzen und Ferien noch andere Feier- und
Festtage zu machen.
Die Kollegien fielen ans am Donnerstag und selbstverständ-
lich am Sonntag. Die Ferien dauerten vom 21. Dezember bis
7. Januar, Fastnacht 14 Tage, desgleichen Ostern, im Herbste vom
29. September (Michaelis) bis 1 8. Oktober (Lucas £v.)t ^^^^^ kamen
die vilen Feiertage der Apostel, gewisser Heiligen {Sebastian 20. Jan«)
und großer Kirchenlerer ; auch an allen Tagen feierlicher Fakult&ts-
Akten (einer Promotion oder Disputation) oder wenn ein aermo ad
derum statt fand, las der Professor des Vormittags kein Kollegium.
Damach hatte das Jar ungefär 180 Lesetage; die Dozenten der
Rhetorik, Poesie, griechischen und hebräischen Sprache und der
Mathematik hatten selbst in den größeren Ferien ire Vorlesungen
fortzusezen (vgl. Prantl S. 168).
Die Studenten erlaubten sich am 1 5. Juli (in festo divisionis
apostolorum) einen kleinen Scherz in den Börsen mit iren Lerem\
im Järe 1492 bestimmte die Artistenfakultät gegen dise „corrup-
tos bachautum mores^^ ne ifisolentias et clamores sucitare nee ma-
gistros recludere^ ligare aut quovis modo molestare attemptent. Das
Verbot wird nur zur Uebertretung gereizt haben.
Zugleich suchte man die ser häufigen Studentenfeste, die
Fontania^), Massenspazirgänge (exitus cumulatos) in die Wälder
1) Alem. in 66. IV 260 und Crecelias in der Germ. 19, 99 ff. AB.
2) Fontania, Fontanea, Fontonia. Prantl. II 118, 188. In Diefm-
hachs Glossar: Fontandlia (ludi), bornfart Aus Balth. Trochus Asca-
niensis lat.-deutsch. Wb. Leipzifr Lother 1617; ursprünglich oberdeutsch.
— Als Locher 1506 in küner Neuerung bei solcher Brunnenfart eines
Sonntags eine Schar vornemer und adlicher Studenten als Landsknechte
Sanci^eri) ausstaffirt durch die Stadt marschiren ließ zum Aergemis
er Theologen, die in darauf in einer Streitschrift anffriffen, wies er
disen Verstoß gegen die akademische Sitte als „kleinliche Nergelei zu-
rück, weil ja an den berümtesten Universitäten (Italiens?) Fbntium
Sacra sive Eleutheria mit militärischen Aufzügen gefeiert würden**
(Hehle II 7). Ueber die von Conzilien verdammte Fontium adoratio
(Du Gange) ein Stück alten Heidentums vgl. Grimms Myth. 826 fg.
Horaz Od. IH 18 : fous Bandusiae splendidior vitro, Dulci digne
mero non sine floribus. Quellendienst im Altertum vgl. NorJc, mythol.
Real-Wb. I 801, welcher aus Mones Nordd. Heidenth. 11 136, 166 die
Bronnenvererung der Altfranken u. Hessen nachweist. Zu Mühlhausen
an der ünstrut in Thüringen (einst freie Reichsstadt^ feiei't man, wie
mir Dr. Bau (Sekretär der Bonner Bibliothek) mitteilt, noch alljärlich
ein Brunnonfest in der Mitte des Sommers; Volk und Schuljugend zieht
hinaus nach dem Walde zur Popperoder (mit Steinen gefaßten Quelle)
und senkt Kränze und Bouquets hinein, die auf dem klaren Grunde
einen reizenden Anblick gewären. — Prantl: ludi chartarum et taxillo-
rum omnino prohibendi ; similiter ne, ut fieri solitam est, pravium (/9^*
48
#
Francks philosophische Studien
Franck spottet widerholt über die ^^Modemisten^ and (Chronik
104b) über ^Aristotelem, der Theologen gott'^
In Ingolstadt brannte knrz vor Luthers Auftreten der Partei-
gegensaz zwischen modemi und antiqui oder NaminalisteH und
Bealisien bei weitem stärker, als an den anderen Dniyersit&ten^);
die modemi waren dort entscbiden im Uebergewicht gegen die
antiqui oder ^^Äntiquisten^'^ (Prantl II 147). Die modemi ver-
traten die Richtung, welche ir „venerabilis inceptor" der Fransui-
kaner Occamj des Duns Scotus Schüler, (der kün unter dem Schiise
Kaiser Ludwigs des Bayern die Rechte der Statsgewalt gegen das
Papsttum verteidigt hatte) eingeschlagen, wftrend die an^t^i (die
Anhänger des Papalsystems) den Betrib diser neueren L^k zu
verdächtigeu suchten.
Es ist bekannt, wie der alte Streit zwischen PlcUo und Ari'
stoteles über das Verhältnis von Sein und Denken, die wichtige
Frage über den Wert der AUgemeinbegriffe^ auch die Scholastik im
Mittelalter parteite.
Haben die Universalien, haben die genera und species sab-
stanzielle Existenz oder sind sie bloß Abstraktionen aus dem Be-
Bondern und Individuellen?
Sind die universalia ante rem*^ wie PkUo (nach Aristoteles
Angabe) lerte: haben sie eine gesonderte selbständige Existenz von
den Einzelobjekten (sei es bloß dem Rang- und Kausalitätsverhält-
nis oder auch der Zeit nach ; vgl. Ueberweg, Gesch. der PhiL 1866
n 114)?
Oder sind die universalia in re? wie Aristoteles will, d. h.
haben sie eine reale Existenz, aber nur in den Individuen?
Disen beiden Formen des Bedlismus trat der NomindUsmms
entgegen: universalia post rem: nur das Individuelle hat reale
Existenz, die Gattungen und Arten sind nur subjektive Zusammen-
fassungen, indem wir die gleichartigen Objekte mittelst des gleichen
Wortes {nomen^ vox) bezeichnen.
Der Gegensaz zwischen den modemi und antiqui gieng nun
eigentlich nicht von der Frage der Universalien aus, sondern von
der Yerschidenheit der Lermittel der Logik. Die antiqui hielten
sich an die alte Betreibuug des Albertus Magnus, Thomas Aquinas
und Duns Scotus. Die modemi, deren Vorbild Occam war, er-
strebten eine Erweiterung und Fortbildung des im Compendium
des Petrus Hispanus gegebenen Materials, besonders in Betref der
1) Prantl, Gesch. d. Universitäten I 58 fg. Ueber Paris, Heide^
berOt Wien, Erfurt, Basel, Tübingen, Greifswald, Leipzig, Prag, Mains
' und Köln vgl PranÜ, Gesch. der Logik lY 148 fg., 185—194, 228 fg.
50
Waram Adam im Paradies Ton einem Apfel and nicht von
einer Birne gegessen?
Ob Oott etwas Oeschehenes ungeschehen machen ktane^ z. B.
aus einer Hure eine reine Jungfrau? (Hagen I 31).
Erasmus gibt in seinem „Lob der Torheit** (bei Franck B].
46) als scholastische Quästionen und Quisquilien an:
„Mit was weiß (=Wie) die Welt sei erschaffen vnd inn ain
Ordnung bracht?*
„Durch welche teüchel (Kanäle) vnd rinnen diser ynflat der
erbsünd sei in die nachkommen gelait?**
„Mit was maß, mit was meß, in was zeit (quibus modis, qua
mensura, quantulo tempore) Christus in der Jungfrauen leib am
fertig vnd zeittig worden?"
,,Wie in dem Nachtmal des Herrn die aocidentia oder z&f&l
on ein behausung (domicilio = ire Substanz) bestehen?^'
,,0b auch ain punct, zeit stilstehen, vmbkeren sei gewesen
in der göttlichen gehurt vnd erschafiung?**
„Ob vil kindtschafft in Christo seien gewesen?" (plures in
Christo filiationes = ob Christus mer als einmal geboren werden
könne ?).
„Ob es ain möglicher Spruch (possibiUs propositio) sei: Oot
derVatter haßt den Sun?"
,,0b er (Dens) hab m5gen die person ains weibs, ains teüf-
fels, ains esels, ains kürbß, ains kißlings an sich nemen (silioem
suppositare)."
„Darnach^ wie ain kdrbiß hat mögen predigen, zaichen vnd
wunderwerck thun?"
„Item, wie man an das creutz wolt geh&fft haben, wann er
ain kißlings wer gewesen, wie es jm angestanden wer, wann er ge-
redt het."
„Vnd was Petrus hab oonsecrirt zfi diser zeit, weil der leib
Christi am creutz ist gehangen** (quid consecrasset, si consecrasset
eo tempore quo etc.). Und
„Ob dise zeit (eodem tempore) Christus hab mögen ain
Mensch genennet werden?*^
„Vnd ob nach der vrst&nd essen vnd trincken zimlich zft-
künfiftig sein werd" (post resurrectionem — fas sit futurum).
Auch in der kleinen Schrift: Das päpstliche Rundschreiben and
die 80 verdammten Sätze erl&utert durch Eernsprüche von Män-
nern der Neuzeit, sowie durch geschichtliche und statistische No-
tizen Duisburg 1865 S. 162 finden sich einige „Lieblingsthemata
der Scholastiker**, nach Ludov. Vives, in pseudodialecticos 1519 '):
1. Philosophische Säze.
Cujusvis hominis asinus non est animal.
1) Vgl. F. A. Lange, Vives in Sehmids Pädag. EnqyolopMie.
52
Zeit als gültige Beweise von Versiandesvencirrung und Narrheit
aDgesehen werden würden, waren (im Mittelalter) die ausgezeich-
netsten Oeisteskräfte gewidmet/' (J. Liehig y Chemische Briefe,
3. Aufl. Heidelberg 1851 S. 72.)
Zum Schluße sei noch auf die seit Petrus Lcmbardus Til be-
handelte Frage hingewisen :
Was hatte eine MauSj die eine geweihte Hostie gefressen,
zwischen den Zähnen?
Lombardus tröstet sich mit: Dens novit (Strauß, Olaabens).
II 572).
Genaueres über disen Skrupel der Transsubstantiationslere in
der von Wilhelm Holder (aus Stuttgart, Abt in Maulbronn, f 1609)
verfasten köstlichen und gelerten Satire : M%is exenteratus (die aus-
geweidete Maus^). Tübingen 1593.
Ein anderer Schwabe belert uns über eine verwandte Frage :
C. M. Pfaify dissertatio de stercoraneis medii aevi tarn lat. quam
graec. Tübingen 1750 4^ (Vgl. auch Cani^M^ lect. antiqu. T. IL)
Francks Sprachstudien
Gerade zur Zeit, als Franck nach Ingolstadt kam, war zu
dem Latein und (seit 1505) dem Hebräischen auch das Griechi-
sche als neuer Lergegenstand getreten. Somit war wol die Ge-
legenheit geboten, besonders für die Wolhabendern, ein ^^trilinguis^*'
zu werden, wie es Erasmus war ,,in dreyen sprachen ein fürbin-
dig gelert mann, sonderlich der Latinischen vnd Grichischen, deß-
gleichen zu seiner zeit nit gefunden warde'* (Franck). Die meisten
Studenten trösteten sich mit Franck Sprichw. II 40a: Wir kAnden
nit all Erasmus sein, oder in die guldin Insel [El Dorado] vber
meer schiffen.
1) Der Titel lautet, wie mir Dr. Gerhard, Custos der Bonner
Bibliothek mitteilt, vollständig also: Mus ezenteratus, Hoo est, Trac-
tatus valde magistralis, super quaestione quadam Theologieali, spinoss,
& multum subtili, ut intus. Scriptus pro redimenda vexa (zur Ledi-
guDg der Qual) ad Magnificum, Scientificum, Doctrinativumqne, & Ca-
tholico zelo igrnitum virum, Johannem Pistorium Nidanum (Nidda in
der Wetterau) : Theologum sicut abyssi maris profundum. Per fratrem
Wilhelmum, de Stutgardia, Ordinis Minorum. — Virum malum vel mus
mordeat. Tubing. 1593 4^ Ed. II Tub. 1668 8^ juxta exemplar Tubingense
Lips. 1677 12®; nach dem Vorwort von J. A. S., welches die Historica
de ortu et progressu haeresum in Germania, praesertim Augustae Vin-
delicorum, Relatio, quae ex antiquis Annalibus Mss. cuiusdam contem-
poranei fideliter descripta erschinen (superiore demum) anno MDCLIV
Ingolstadii cum facultate superiorum erwänt und verhönt, muß es eine
Ausgabe von 1655 geben. Die gegen den ,, Apostaten^' Pistorius, den
Fabulista Caesarius Heisterbachensis und die Calvinisten gerichtete Con-
sistorii Eoclesiastici in Ducatu Wirtenberg^ico praefatio ad leetorem
ist unterzeichnet von M. Joh. Magtrns, Lac. Oslander, Andr. Osiander,
M. Foelix Bidembach.
54
Rheghis war darch Ecks Empfelung vom Kanzler mit einer
philologischen Professar betraut worden (oratoriae publicitos do-
cendae praefectus).
Hat Franck dise Lerer gebort? Hat er Lochers des be-
geisterten Hamanisten Vorlesungen besucht? welchen ein Zeitge-
nosse M. Carolus Reutherus Franco (vgl. Fulgentius) als Zierde des
lAitetianum cantubernium (in florentissimo Boiarorum gymnasio)
preist, der zuerst die trefflichsten Klassiker hervorgezogen, zuerst
historicos veraces, rhetores suaviloquentes, vates iucundos der stu-
direnden Jugend vorgefurt.
Locher hatte die berümtesten Hochschulen Italiens besucht,
um sowol die klassischen Redner und Dichter, als auch die pla-
tonische Philosophie zu studlren. Noch 30 Jare nach diser fröli-
chen Zeit preist er in einem Danklied seine Lerer, den Philippus
Beroaldus ^) in Bologna, den Kreter Mttsurus in Padua, und andere
in Pavia, Rom, Florenz etc. Er gedenkt in der Widmung des
Fulgentius an seinen Studiengenossen in Italien, Wolfgang von Tan-
berg, Kanonikus und Dechant zu Passau, jener einst gemeinsam
verlebten genußreichen Tage und der wissenschaftlich geselligen
Kränzchen (sodalitium), wo sie nicht bloß am Quell der Poesie sich
erlabt, sondern auch bei lustigem Gelage manchen Becher geleert
(naso Signum tangentes Liberi patris, crateras) oder nach den Stu-
dien an Spazirgang, Tanz, Bad und Schwimmen sich erfreut oder an
Karten und Würfel (chartis adfabre pictis: astragalis, fritillo atque
alea inter corymbiferi amplissima vasa Ly^i ludebatur), insbeson-
dere sind es zwei Scenen, die er mit Lust schildert, einmal wie
sie des Nachts den Son des Podestä und die Nachtwächterschar,
die „albernen Verächter der Deutschen^' (Alemannorum derisores
ineptissimos) durchgehauen und entwaffnet, dann die lustige Meer-
fart von Ferrara nach Venedig in heiterer und zugleich erlauch-
ter Gesellschaft, als sich inen von Bologna kommend der Mark-
graf Jakob von Baden (Marchio Badensis ac Spanhamensis Comar-
chus nobilissimus Ärchipresul Treverensis^) mit glänzendem Ge-
folge (cum eleganti familia) anschloß; welch interessante Unter-
haltung, welch reicher Gedankenaustausch! Man kann ein fideles
königliches Gelage feiern, das Schiff gleitet durch ruhige See, die
Reisenden lassen Leier und Zither erklingen (testudines et cythar^
eburnis ornat^ plectris consonabiliter pulsari coeperunt), bei disen
harmonischen Klängen stet Locher auf dem Steuerteil des Schiffes,
musizirend ein zweiter Arion, nach Pythagoras irriger Palingenesie,
und siht die Orte und Inseln der Adria auftauchen ; das Matrosen-
1) Den Aeltern, nach Hehle S. 13 den Jüngeren.
2) Geboren 1471, seit 1493 Koac{jutor des Erzstifts Trier, 1503
auf Wunsch des Kaisers Max zum Erzbischof gewält, f 1611, gelert
und liderlich. Fr. W. Ebding, die deutschen Bischöfe II 600.
66
Troia aaß besnnderer gunst ynd liebe jre büätniß in den Tempel
ließ setzen. Bald gab der Teufel auch red vnd antwort darauß,
aoß dem das volck bewegt dret/ gMin darauß macheten'' sucht
man vergeblich bei Boccaz oder Gryraldus^). Woher mag sie ent-
lent sein?
Von den Schriften Omds, der unter andern Bildern der Klassi-
ker auf dem Titelblatt der Guldin Arch figurirt, scheinen im aus
selbständiger Lektüre die Metamorphosen bekannt zu sein, yilleicht
in einer Äuswal^)\ die Schrift De arte amandi zitirt er Paradoxa,
Vorrede.
Virgil — „sein b Acher seind zum teil vor äugen" Chronik
112b — erscheint noch ganz als der mittelalterliche Zauberer^),
Ea ist möglich, daß er die mit Recht berümte, von Locher^) be-
sorgte Ausgabe des Horaz (die erste die in Deutschland gedruckt
wurde) einmal in der Hand gehabt. Was er aber aus disem Dich-
tern zitirt, hat er aus Sammelwerken,
In der Chronik 113 (aus Schedel) fügt er eine aus Väler.
Maximus entlente Anekdote bei, wobei Horatius Flaccus mit
Horatius Pulvillus identifizirt wird.
Die Lerer Francks verfolgten offenbar im Gegensaz zu Locher
die Richtung des Wimpheling und des MurmelUus und irer Ge-
sinnungsgenossen, die nur eine Fortsezung der Deventerschen Schule
ist. Man suchte sowol christliche Lere als heidnische Moral und
Gelersamkeit den Schülern beizubringen. Wimpheling^ zumal in
1) Jo. Bocatii negi yfvealoyiag deorum, Basel 1511, erschin auch
c. annot. Jac. MicyUi. Eiusdem de montium, sylvaram, fontium, la-
caum, fluviorum, stagnorum et marium nominibus Basel, Joh. Hervaff,
Sept. 1532; dises geographische WB ist von Franck im Weltbuch Bl.
17a zitirt. Lil. Greg. GyraMus aus Ferrara, de diis gentium varia et
multiplex historia Basel 1518, sowie Basel, Oporin 1548 fol., wozu
1549 ein Band kam: Hyginas, Palaephatus, Fulgentius, Albricus, Ära-
tus, Proclus. Die Stelle über den Priapua Chronik Bl. 98 kann aus
Gyraldus (1548 p. 405 Fascinum pro Priapo) sein, warscheinlicher ist
sie aus Ludov. Vives Commentar zu Augustins De civ. Dei (VII 2) Basel,
Frohen 1522.
2) Es ist mir dise Sammlung nicht bekannt, ich schließe aber
darauf aus Joh. Pauli, welcher widerholt sagt: Man liset in fäbtdis
poetarum. Franck orwant oft den Dedalus, Icarus vnd Phaethon, Ly-
caon, Midas, Tantalus. Sisyphus, Hercules, Charontis Schiff etc.
3) F. W. Genthe, Virgils 10 Belogen übers, mit Einl. über V.
Leben u. Fortlehen. Magdeb. 1840. lieber die 4. Ekloge, auf Sprüche
der cumäischen Sibylla (Guldin Arch Bl. 43b) gestüzt und von Leuitanz
auf Christus gedeutet, vgl. J. H. Voss Anraerk., sowie Piper, Virgil als
Theolog und Prophet des Heidenthums in der Kirche, Ev. Kalender XIII
1862 S. 17—82.
4) Dise Straßburg 1498 erschinene Ausgabe wird von Bentley
gerümt : „non ex exemplaribus Italis iamdudum editis , sed ex manu-
scriptis Germanicis expressa «sf
68
dem Evang. Job.) oder vilmer lesuis Ton Hieranymua de vallibaB
oder de Padua. Ascensius gab diß in Hexametern verfaste spraeh-
licbe Meisterwerk mit Argumenten und Scbolien zum Sehalgebrauch
heraus (Paris 1510); in der Vorrede dankt er seinen Lerem, den
frommen und gelerten Hieronymiten in Gent
Auch Dominikus Mancini (1494) hatte die Leidensgeschichte
Christi in elegischem Versmaß besangen.
Das Gedicht De passione domini nostri J. G. erschinen in
vilen Ausgaben^) war ebenso beliebt wie das andere De quattuar
virttUibus earundemque officiis (Paris 1488 4^ u. ö.; c. aliis Basel
1543).
/ Den ^yKreuzessieg^^ oder die Himmelfart Christi von Maca-
rius Mutius^ eques Camers (aus Camerino in Umbrien, Freund
Pölitians)j Carmen de triumpho Christi edirte Joseph. Horlennius
Segenensis zu KölHf Martin. Werdenensis 1515 mit Titelepigram-
men von Buschius^ Murmellius, Tunnicius und Widmung an den
sacerdos Jacobus Montanus Spirensis. (Auch in Basel etc. ge-
druckt.)
Ich übergehe die vilen Mariendichtungen und Heüigen'Hymnen
oder Gden der Humanisten und bespreche den ^^eweiten YirgW^
(wie Trithemius u. A. rümten), den gefeiertsten Dichter zu Anfang
des 16. JarhundertSy den 1448 geborenen^ als KarmeUtengeneral
1516 gestorbenen Job. Baptista (Spagnuoli) aus Mantua — Man-
taantts.
Von seinen vilen Dichtungen, der fruchtbare Mann hat über
50000 elegante Verse fabrizirt, waren die Eclogen (Eglogae oder
Bucolica) am meisten in den Händen der Schüler und Stadenten.
Es sind Idyllen, die sich von denen Theocrits und Virgüs,
wie Geßners arg unterscheiden; es treten nicht Schäfer und Schäfe-
rinnen in einfacher Naturliebe auf, es sind vilmer Dialoge über die
Gefaren der Liebe, die Bosheiten der Weiber und die Glückselig-
keit des gelerten Klosterlebens. Seitdem Mantuanus 1498 dise
Jugendgedichte revidirt und mit zwei (Schluß) Idyllen vermert,
wurden sie von Jod. Badius Ascensius kommentirt und in Leipzig
Wol auch die schönen Sprüche über Freundschaft u. Religion. Spriohw.
I 8a: Amicus amico pracco et testis. I 9a, 56b: Amor amore, amicitia
amicitia venditur emiturque. II 65b: Neoessarius (= amicus) est ne-
cessarius. Die Freundschaft des Dämon und Phicias Chronik 27 114b
(Schillers Bürgschaft). I 119: Impietas contusa exit, pietas incipit.
I 56a: Virtus oppressa altius surgit, obfuscata clarius emicat. I 109b:
Iniuriae magnanimo spernendae, non ulciscendae.
1) Mir ligt vor eine in Deventer bei Rieh. Paffraed erschinene
Ausgabe o. J. mit dem Titel: Quem iuvat horrendos Christi meminisse
dolores Paucis: nunc parvo comparet ere sibi. Vgl. Freytag Adp. III
8 sq. De quattuor virt. neu hg. von ii, v. d. Hardt, HelmsUtdt 16918.
Pie Jesuis mit Mancvnis Poemata von Th. Pulman. Antw. 1559 12.
60
sondern anch des tugendhaften Inhaltes halber (Warnung vor Weib,
Vergnügen und Müßiggang), so daß er dieselben ebenfalls adOer-
manicae iuventutis gratiam (Straß bürg 1508 bei M. Scbürer) her-
ausgab. (Andere Ausgaben bei Suringar Erasmus p. XXXII.) Von
dem Pariser Theologen Job. Ärhoreus Landunensis wurden dise
Epistolae kommentirt, sowie Salomonis praverbia, Paris, JeanRoigni
1549.
Des Ascensiiis poetische Blumenlese war Franck wol bekannt :
Süvae moraleSf in zwölf Büchern, 1492 klein fol., in Lyon bei
Job. Trechsel. Die aufgenommenen Stücke sind: fünf kleinere (tin-
echte) Gedichte Virgüs (auffallender Weise aus dem echten Virgil
nichts 1), Auszüge ^) aus Horaz^ Persius, Juvenäl, Ennius^ ein
Gedicht des Earmeliten Baptista Mantuanus, die Tisebzacbt des
Guilleaume Budi aus Paris (1467—1540), dem „eigentlichen Begründer
der humanistischen Studien, besonders der griech. Sprachkenntnis in
Frankreich.** Von Andrelinus (f 1518) spricht Frasmus Adagiorum
opus Basel 1533 p. 414 s. v. Syracusana mensa, — Unde Fanstus An-
drelinus Foroliviensis poeta, non solum laureatus, verumetiam regius
atque etiam si diis placet Regineus. vetus congerro meus, qni plus quam
triginta iam annos in celcberrimaParrisiorum Acaderaia poeticen doeet,
in carmine quod de pavimento Parrisiensi inscripsit, adagionem in
Anglos derivavit: Mensa, inquiens, Britanna placet Et haud scio
ande natum sit hoc vulgatissimum apud Gallos proverbium, ut cum
hominem vehementer cibo distentum velint intelligi, dicant, tarn scUur
est quam Änglus. Yerum, iidem ut illis attribuunt noXvipayiav, ita nobis
noXvTioaCttv adscribunt. (Also: edacitas Anglorum, bibacitas Germa-
norum.)
1) Die „Figurae litterae pythagoricae" abgebildet fol. 22b. Aus-
gewält sind Horaz Od. IV 7, II 14. 3. 18. 10. 16. 2, I 31; Per«u« Sat.
II 61 fg. und Juvenal X 346 fg. (Gebet); Ennius (Anual. VII Freund-
schaft) aus Aul. Gellius XII 4; Horaz Od. IV 8. 9, III 2, Epp. I 18.
Jut?ewal XIV 1—86, 107—140, 179—246, 288—321 (Eltern- und Kindes-
pflichten); dabei f. Il2b flgurae et nomina der 24 griech. Buchstaben;
sodann XV 139 fg. (allgemeine Menschenliebe); Baptista Mant%Mnu8
contra podas impudice loquentes Carmen (f. 128a handelt Asc. vom Pria-
puSy Franck hat noch eine andere Quelle benuzt Chron. 98); Jo. Sul-
pitii Verulani (aus Verulum in der Campagna, humanistischer Lerer zu
Rom unter Innocenz VIII, erster Herausgeber des Vitruv und Erklärer
der Kriegsschriftsteller Vegez, Aelian und FVontin) De moribus pue-
rorum Carmen iuvenile, oft einzeln oder mit Anderm gedruckt. Älanus
(vgl. Alemannia VI 72) hat manches Sprichwort versifizirt, was man
one die Quelle zu kennen noch heute zitirt, z. B. f. 208:
De nuce üt corylus: de glande fit ardua quercus,
De parvo puero saepe peritus homo.
Franck Spr. I 75a, II 92: Auß kindern werden auch alt leut. f. 220:
Bos semel est vitulus, semel est canis ipse catellus. f. 224: Mille viae
ducunt homines per secula Romam (allegorisch für Himmel). Vile Weg^
füren nach Rom. f. 117b: non minor est risus de servo quando leva-
tur In dominum — asperius nihil est humili dum surgit in altum.
Franck Spr. II 93b.
61
Sulpwins Verulanus^ die moralischen Distichen des Cafo und die
Parabeln des Alanus. Er begleitete sie mit einem ausfiirlichen
Kommentar, worin die Metra erklärt und eine Fülle sprachlicher
and sachlicher Gelersamkeit mitgeteilt ist.
Die psetido-virgilischen Stücke : Vir bonus, De ludo, De livore,
De Venera et vino, De litera Pythagorae, galten, auch als Virgilii
epigrammata ethica betitelt, bis in die Mitte des 16. Jarhanderts
als echt; Sebastian Brant hat am Ende seines Narrenschiffs den
„Vir bonos'' übersezt, „der wis man'' {2jamche S. 114), den uns
in seinem Oedicht gezeichnet „der hochgelobt Virgilius." So zitirt
Franck im ^^Laster der Trunkenheit^^ 1528 das Gedicht De Venere
et Tino : ,,Das laster hat Virgilius gehaßt, ein aygenn Carmen da-
nonn gemacht."
In den Paradoxen 1534 No. 58, 59: „alle ding ist gespal-
ten ynd ain gabel, wie das ypsüon^ der buchstab Pi/thagore, y^
welches Yirgüius ftir die wegschaid, vn zwen weg anßlegt, nem-
Kcb der tftgent vnd vntugent."
Der Erläuterungen des Ascensius zu Cato erinnert sich Franck
bei Abfassung der „Ouldin Arch" 1588 Bl. 166b.
Aus Wimphelings Adölescentia Straßburg 1500 4^, c. addit.
1505 (die ich benuze) u. ö., stammt nicht bloß die Bezeichnung:
Proverhia Senecae in Francks Spr. 1 Bl. 63b (vgl. Adol. f. 60),
obwol er die Erasmische Ausgabe benuzt und den Publ, Mimus
Spr. II 39b wol kennt, sondern auch mancher Spruch, z. B.
Laster der Trunckenheit 1531 Bl. 12b Ovidius spricht: Die
Nacht, der wein, vnd die lieb rattenn nichts rccbtschaffens.
Adol. f. 51b aus Ovid.:
Ck>ntra amorem, noctem et vinum.
Noz et amor vinumque nihil moderabile suadent.
Ula pudore caret, Liber Amorque metu ^).
Spr. II 147b: Occasio facit furem = Ad. Bl. 78a.
Spr. II 91b: Non est tu tum scribere in eos qui possunt pro-
sdibere.
I 145b: Es ist bdß wider die schreiben, die mftgen ver«
treiben *).
1) Adol. fol. 75: Carmen Phüomtm (Locher) ex Plautino dicterio
in Bacchidibus translatum; istoc illecebrosius Heri nihil potest, Nox:
▼inum: mulier: homini adulescentulo , quod pius auditor et rationis
compos sepius perlegat, am Rande die Bemerkung:
Nox noctis nocti noctem nox nocte nocebunt
Per casus omnes animi sententia quadrat.
2) Macrob. Sat. II 4 med. Temporibus triumviralibus PoHio, cum
fesoenninos in eum Augusius scripsisset, ait: at ego taceo; non est
enim faoile in eum scribere qui potest proscribere, Laur. Vatlo bestrei-
tet gleich im Anfang des Libellus de donatione Constantini den Saz:
62
Adol. Bl. 79 aas den Sententiae FranciBci Petrarche: Non
est facile in eum scribere qai potest proscribere; und
Ad. Bl. 78: Calamitas raro sola venit.
Spr. II 63a, 143a: Nulla calamitas sola.
Kein vnglück (kompt) allein.
Ad. f. 79b: Veritas amittitur niminm altercando.
0. Arch Vorr. : Nimium altercando v. a.
Wimphelings Adolescentia ^) war ein bedeutender Schritt hin-
aas über Seb. Brants Schulbücher Cato und Facetus, jener in an-
tiken Hexametern, diser in mittelalterlichen Leoninen; sie gab
prosaische und poetische Stücke aus altern und neueren Autoren,
und nur ganz vereinzelt noch einige Leoninen; sie veranlafite ins-
besondere die Münsterer zu neuen Schulschrifben.
Sie bot auch biblische Sprichwörter, und zwar des alten Testa-
mentes, ex Proverbiis Salomonis, ex Ecclesiaste = Eoheleth, ex Ek^cler
siastico = Sirach.
Polydorus Vergüius Urbinas (f 1555 in Urbino), berümt durch
die Schrift De rerum inventoribus Venedig 1499 u. ö., hatte die
neutestamentalischeu {Proverbiorum libellns Venedig 1498), Erasmus
die klassischen Adagia (Paris 1500) gesammelt.
Buschius edirte zunächst für die Schule in Wesel, dann ad
studiosorum quorumque utilitatem Diciata — ex Proverbiis sacris
et Ecclesiastico. Köln, Conr. Cäsar 1518 4^. Die leoninischen Denk-
verse der Proverbia communia, die schon den Bebel zu einer pro-
saischen Sammlung deutscher Sprichwörter (bei Franck Spr. I 75b
fg.) gereizt hatten, wurden von dem Münsterer Anton Ikinnicius
(Tunniken) in klassische Hexameter umgewandelt und fast um
das doppelte durch westfälische Sprichwörter vermert. Der £pi-
logus an die Schuljugend weist durch seinen Inhalt auf Adol. f.
76b Moralitates pro pueris. Auch MurmeUius nam in seiner
Fappa puerorum esui atque usui percocta, Köln Mart. v. Werdena
1513, lat.-deutsche Sprichwörter auf (bei JVawcÄ Spr. I 74). Ueber
Fcibri de Werdea vgl. Suringar, Erasmus Einl.; Alem. V 140.
Wimpheling hatte bloß aus Ovid Excerpte gegeben, flores
excerpti de operibus Ouidij: cuius opera cum pueris et adolescen-
tibus non sint integre tradenda: utile tarnen est honestiores sen-
tentias non preterire preeipue que ad mores attinent : et que apud
sacros doctores et ipsas legum glosas passim inveniuntur.
Murmellius Chrestomathie, deren Ueberschriften mit denen
Nolo scribere in eos qui possunt proscr., da es die höchste Tagend sei,
wie es den höchsten Rum und Lon verdiene, zur Verteidigung der War-
heit und des Rechtes das irdische Leben aufzuopfern und das himm-
lische Vaterland zu erreichen.
1) Vgl. F. A. Lcuige, die Schlettstadter Schule in Schmids Pädag.
Encyd.
64
I 74a Amor amaror (aus Bapt. Mant.).
B. Plaut, ex Cassina: Amare occipere amarum est.
I 28b Pudor seni pudor, iuveni decor (wol von Franck in
diser prägnanten Weise).
B. PL Decet verecundum esse adulescentem.
In adulescentibus indicium e8t probi ingenii verecim-
dia, in senibus vero nullo modo. — Diogenes: mbor
est color virtutis.
II 23a Gaudii moeror est comes. .
B. PI. Voluptati maeror comes.
Franck hatte demnach, wie wir sehen, aus den Quellen la-
teinischer Poesie eifrig schon als Student geschepft und merte auch
später seinen erworbenen Schaz.
Wie sah es aus mit seiner Kenntnis des Hebräischen?
Chronik Bl. 2 : Gottes zehen namen in der heiligen schrifft,
der erst Hl laut stark, der ander FAoe dz laut forcht, der iij.
Sabaoth^ das' ist ein Fürst der himmlischen h6rscharen, der iiij.
Zelion oder Bamathel^ das laut der hoch gott, der v. Eyd das
laut, der da ist, der vj. Adonay, das laut der Herr, der vij. heißt
Tay das laut heiliger geist, der viij. Tetragrammatofiy das ist der
vnaussprechlich namen, dauon oben, der ix. Saday dz laut AU-
mechtig, der x. Eloym dz laut die götlich maiestat vnd drey
einigkeif . Ebenso Quid. Arch 39b: die vier vnleslich buchstaben —
deuten nicht dann ein ploß, ist^ oder sein, dann Hih laut bey den
Juden sein, dauon der vnleslich nam Gottes herkompt, Jhuh^ so wir
Jehouah lesen, sonst hat er von seiner art vnd krafft neun nam-
menn — — Elpim (1. Eloym) laut die allwissend Göttlich Ma-
yestet.
Man sieht, daß er die Buchstaben Ajin :? und ^ Zade ver-
wechselt, denn es gibt kein Zelion^ sondern yvis^ LXX o vtf^WTog;
der andere Name ist aus Psalm 149, 6 : *^N niüQ'n Vulg, exal-
tationes dei. Da die Hebräer von der Rechten zur Linken lesen,
so ist Eyel falsch : "»n bwV, 6 9ebg ^(Zv. Statt eloe (elohej) = stat.
constr. von elohim war der Singular eloah zu sezen ; niC<niC '^•1-^
in LXX oaßßawd- und navwxQdnoQ = Schaddaj "^ip; demnach
kann von grammatischer Gr&ndlichkeit nicht die Rede sein.
Vom Griechischen kannte Franck mer als bloß die Buchstabeny
,er gebraucht vile neutestamentlicho und rhetorische Ausdrücke] den
Inhalt griechischer Schriftsteller jedoch hat er nur mittelst latei*
nischer Uebersezungen erfaren.
Einem Melanchthon gegenüber war Franck in beiden Sprachen
ein indoctus^ wenn er auch nicht den Spotvers und Professoren-
wiz verdiente, vor Studenten verhönt zu werden als Indoctae Fran-
cus conditor historiae; ein gerechtes Urteil mäste auch die Vor*
zügo und Verdienste hervorheben..
M
Die Gurrende in Süddeutschland, Nachtrag zu Alemannia
VI 80 Anmerkung 1
Daß auch in Süddeutschland — wenigstens nach Luthers
Auftreten — der Currentgesang gepflegt worden, hat Archivrat
Dr. Gmelin in Karlsruhe nachgewisen in Fleckeisen-Masius , Neue
Jahrbh. für Phüol. und Päd. 1870 II. Abth. Heft 10 S. 504 bis
508 : Gurrende in Speyer 1540, und in der Zeitschrift für Gesch.
des Oberrheins Bd. XXVI S. 471 — 76: Weihnachtsgesang der
Waisenhausschüler in Pforzheim 1738.
Ich verdanke dise Nachricht der gütigen Mitteilung des ge-
lerten Verfassers beider Artikel. Dr. Franz Weinkauff
Köln Gymnasial-Oberlerer a. D.
Ortner^ Schulrektor in Ulm 1521, vor der Ausgabe des Falgentius):
Si de commeatu necessario queris? In agro nostro Bavario Cererem co-
piosissiraam habes, reliqua vitae necessaria abundanti gremio natara
suppetit; piscosos lacus, fluenta amenissima, Danubiialveum foecundissi-
mam in foro obsanario sentimus; praeter Cerevisiam, Aegyptiorum in-
ventum, Orientalis Franoia, Athesina vindemia, Rhenana ac Neccharea
plaga, et vitis indigenaf nostros cados, nostra dolia, cellasque vinarias
gratiose replet. Quid de amenitate loci dicam? Si prata, camporum
planiciem, hortorum iucundissimum situm, vicoram ac platearum spa-
tiosissimam latitudinem, popuii simplicitatem ac credulitcUem consideras,
nullum in Germania Gymnasium comparari poterit.
Zu S. 30. Franck redet nirgends von Sttccuben; bei den Römern
wie im MA. war succuba = adultera, pellex. Im Hezenhammer: Quo-
modo incubi procreent? Incubi (iunt succumbi etc. Diefenbach: sac-
cubus, eyn alpe der mannen; eio vnder, incubus ob-liger in coeundo;
erst der Jesuit Delrio (Löwen 1599) spricht von daemones succnbae.
Der Zürcher Wundarzt Jak. Rueff (De conceptu et generatione Tiguri
1554 4., recogn. Francof 1580 4. c. figg.) erzält p. ^ nach Vincentius,
Nat. Spec. III 26. 27 von einem succtäms daemon; die Lohengrin-SaLge
lautet bei im: Affert Coloniae Agrippinae in palatio quodam ad Rheni
littus mnltos primates quodam tempore consedisse, qui dum forte in
aquas despicerent, vidisse militem quendam parva navioula vectnm, na-
viculam cygno praenatante, argentea collo iniecta catena, trahente, di-
misso cum navicula cygno in littus exiliisse, ibidem uxorem dnxisse
multosque ex illa liberos procreasse. Aliquot autem annis exactis re-
natante vacua navicula et praenatante ut prius cygno eundem in navi-
culam se denno recepisse neminique porro apparuisse, liberos autem
illius illic ad multam aetatem advixisse. Hunc autem incubum daemo-
nem foisse crediderunt molti, qui viri forma tot annis foeminae coha*
bitans, tantis usus praestigüs simolatos uteri tumores simulatosque par-
tns suppositis alinnde furto sublatis infantibus ediderit.
68
Beiname Säue zu Teil. Die Dachtlemer nennt man auch Stein-
krättle wegen der steinichten Berggegend.
Der Unname der LieheU^erger ist Beatshira (Reinhardsbirnen),
derjenige der Stammheimer Tannenzapfen^ weil dise vilfach dem
Sammeln dises Walderzeugnisses nachgehen. Die von Schmieli
sind Gerstentoänste f ganz änlich wie die Pleidelsheimer im Mar-
bacher Amte von einem Hanptnarungsmittel derselben Hirsenbäueke
genannt werden. Die Deckenpfronner haben zwei Uebemamen,
sie heißen Haberbreitvadel, was daher kommt, daß sie den Haber-
brei in sogenannte Sutterkröge, Wasserkrüge mit engem Hals,
eingefüllt und solchen dann nicht mer herausgebracht haben sollen,
und Berläbengel, weil sie vil Kuchen, dort Berta (beda) genannt,
verzeren. Die Gechinger sind die Hasen^ auch Schuppd, was so-
vil bedeutet, als auf iren Wiz eingebildete Leute. Die Manakamer
werden Häffeler genannt, von irer Aussprache, Häffele ^ Häfe-
lein (alte Quantität); die von Unterhaugstett Knarringery ein Un-
name, welchen sie dem Pfarrer Barth verdanken, welcher den Ort
in seiner Erzälung ^die Drei im Brautstnhl^ Knorringen benannte.
Die Neuhengstetter endlich, Waldenser welche am Anfang des
vorigen Jarhunderts sich hier ansidelten, werden vermöge irer Ab-
stammung in der Gegend allgemein als die Welschen bezeichnet.
Aus der nächsten . Umgebung des Bezirks mögen angefElrt sein die
von EUingen bei Leonberg, welche Eselsoren heißen sollen, und
die von GüUlingen Oberamts Nagold, die man Deinsen nennt; beim
Ort gibt es einen Deinselgraben, dessen Benennung lebhaft an das
in Ulm befindliche Deinselsgäßle erinnert.
Ganz eigentümlich ist die Benennung, mit welcher sich die Be-
woner zweier hart an den Bezirk anstreifender Striche des Neaen-
bürger Oberamts gegenseitig belegen : die der nordwärts gelegenen
Orte Grunbach, Salmbach, Kapfenhardt, Engelsbrand und wol auch
noch Waldennach sind die Keßler, die in den südlicher gelegenen
Ortschaften Biseisberg, Ober- und Unterlengenhardt, Söhömberg,
Schwarzenberg, Zainen, Maisenbach (und Igelsloch?) die Zumpfeür
oder Zumpfelhansen, Dise Benennungen sollen wol auf die Her-
kunft und ursprüngliche Lebensweise der früheren Ansidler hin-
deuten, wornach wir dort nomadisirendes Volk, „ Keßlers volk*', hier
bäuerische Bevölkerung hätten. Zumpfder werden in Ulm die-
jenigen Leute genannt, welche aus dem Entleren der Abtrit-
gruben ein Gewerbe machen und würde somit unser Scheltname
dem Nachtkönige in Baiem entsprechen. Augsb. Wb. 287. 440 ff.
Ein Neckreim, welcher drei arme Gemeinden des Nagolder
Amts, hart an der südlichen Grenze des Calwer Bezirks gelegen,
illustrirt, lautet:
Wenden, Warth und Ebershardt *
Holt der Teufel auf ^iner Fahrt.
Ein anderer zimlich verbreiteter Scharsreim hmmjt
70
deutsche nnd romanische Sprachwissenschaft verdient machten und
den Arbeiten der Gebrüder GrHmm und der neuern Sprachforschung
«wesentlich vorarbeiteten, ganz besonders den Historiker Daniel
Schöpflin^) (1694 — 1791), welcher einen mächtigen Anziehungs-
punkt für Ausländer bildete. Im Badischen geboren, ^n Basel und
Straßburg gebildet, hat er seine praktische Wirksamkeit an der
elsäßischen Universität gefunden. Er verband in sich eine Reihe
der seltensten gelerten Eigenschaften und der versohidenen For-
schungsrichtungen. Um eine vergangene Zeit zu rekonstruiren,
bediente er sich aller Mittel der heutigen Archäologie ; Schriftsteller,
Inschriften, Baureste, Grabsteine, Altäre, Skulpturen und Münien :
alles muß im dienen um ein Gesamtbild zu schaffen. Für das
Mittelalter werden nicht bloß die Eroniken, sondern auch die Ur-
kunden, Wappen, Sigel, Eunstdenkmäler herbeigezogen. Schöpfiin
schreibt die Geschichte jedes einzelnen elsäßischen Adelsgeschlechtes,
jedes einzelnen Ortes biß auf seine Tage. Landschaftliche Ansich-
ten, Stadtpläne und Illustrationen unterstüzen die Erzälung. Außer
Elsaß wandte er seine Forschungen auch dem rechten Rheinufer,
Baden zu. Er war in disem Sinne ein Lokalhistoriker, aber seine
wissenschaftliche Autorität reichte über das ganze gebildete Europa.
Auf seinen Reisen wurde er überall von am ts wegen empfangen und
geert wie ein Fürst. Er hat Berufungen nach Petersburg, Leiden
und Wien ausgeschlagen, selbst die Ere, den künftigen Kaiser
Joseph II zu erziehen, lockte in nicht von Straßburg weg. Die
Akademien der Wissenschaften zu Mannheim und zu Brüssel wur-
den unter seinem maßgebenden Einfluße gegründet'). Auch zu
diplomatischen Aufti*ägen ward er von der französischen Regierung
und von seiner Vaterstadt verwendet. Es war unzweifelhaft die
Persönlichkeit Schöpflins, welche der Universität Straßburg einen
neuen Glanz verlieh nnd zalreiche auswärtige Besucher anlockte.
Durch die Nähe Frankreichs und die bequemere Gelegenheit fran-
zösisch zu lernen war Straßburg noch unter deutscher Herschaft
gerne von der vornemen Weit aus allen Teilen Deutschlands be-
sucht. Seit der Annexion hatte diser Besuch abgenommen, hin-
gegen seit der Mitte des 18. Jarhunderts fanden sich wider eine
Anzal Prinzen und junge E^elleute ein, um sich im französischen
zu vervollkommnen und die Völkerrechtskurse zu hören, die hier
regelmäßig gelesen wurden. Zu gleicher Zeit waren auch die
Naturwissenschaften durch tüchtige Kräfte vertreten.
In Begleitung solcher reisender Großen kamen Herder (zu
Anfang Sept. 1770) und Lenz nach Straßburg. Am 2. April 1770
folgte Goethe nach und blieb bis Ende August 1771. Er trägt
sich da mit Stoffen der deutschen Geschichte und faßt erst recht
1) Alem. n 191 ff.
2) Lorenz und Seberer, Geschichte des Elsaßes. 2. Aufl. 387 ff.
72
kleinbürgerlich beschränkten Wesen, wie es sich in den Erzälungen,
Gedichten and Fabeln desjenigen spigelte, der bis in die neueste
Zeit als das Haupt der Els&ßer Dichterschale betrachtet ward,
wir meinen Conradin Pfeffd, Sie legte ire Geisteserzeognisse in
dem von Ehrenfried Stoeber, dem Vater der beiden Stoeber, her-
aasgegebenen alsatischen Taschenbach nider, an dem auch Hebel
Mitarbeiter war. Eine der yier Melodien, welche den CMichten
Hebels beigegeben waren, war im von Kolmar zugesendet worden.
Welche Vererung Hebel im Elsaß genoß, mögen uns die
Worte sagen, mit denen Ehrenfried Stoeber bei der Nachricht yon
Hebels Tode (22. September 1826) der Trauerstimmnng Aas-
druck gab:
Die III an die Wiese^)
Was hawwi gheert, i bin ze Straßburrj gsinn,
Der Hewel todt! ... I weiß nit wo i bin!
Der Hewel; ach der gueti liewi Mann,
I mueß halt grine^), was i grine kann.
I ha, Gott weiß, ne n-arri') viel geliebt,
Nurr^s Pfeffels Tod het mi so hoch betrüebt.
wen er kumme-n-isch ins Elsaß her,
Hawwi gelustert^) noch 're neue Mähr,
Noch-e-me Spässel, emme neue Lied,
Bis Mitternacht war i nit worre müed.
Vom Yrenli, Agathli, vom Morjestem
Un au vom Zundel frieder beer i gern.
Jetz ischs verbej, jetz kummt er nimmi meh.
Wie bobbels ^) 's Herz, wie duen mer d'Aue weh !
Gern het er's g'sehn, wen sich e Flüssel dräjt
Durch d'Blueme hien, er het es nit verschmäiht.
gueti Wies*! o du, sie liewes Kind.
1 wott jo gern daß i di tröste kinnt!
scheint auch dieses wieder verliegen zu bleiben oder einen sehr lang-
samen Gang wie alles zu gehen, da die Königin mit Hartmann den Ka-
lender nun selbst redigieren will. Es versteht sich, daß er auf nichts
Politisches ausgeht, Belehrungen fürs Volk u. s. w. Sollte man aber
die Sendungen Hebels nun unbenutzt lassen — so wäre es mir leid, da
ich ihn für die Sache zu gewinnen suchte. So scheint dem Land im-
mer ein Frühling zu blühen — aber er kommt nie zur Reife, weil der
Teufel mit seinem Schwanz immer wieder über alles herfahrt." Wir-
temb. Vierteljahrschrift I 222. AB
1^ Elsäßer Schatzkästlein^ Straßburg 1877 bei Schulz S. 62. u. ö.
2) weinen.
8^ arg d. h. ser, superlativisch allgem. oberrh.
4) nachgeforscht.
5) kloprt.
74
ander, fließen in einander über. So schreibt Hebel unterm 7. Angnst
1818 nach einer wie es scheint kleinen Verstimmung an Frau Haufe:
9 loh finde etwas so Liebliches in der Aussöhnung mit Ihnen,
daß ich nicht gut dafür stehe, ob ich nicht noch in diesem Brief
zum zweiten Mal mit Ihnen anfange, wie Gmelin ^) in Valencia sich
von seinen Strapatzen so angenehm erholte, daß er allemal wünschte :
»wenn ich nur schon wieder müd* war«. Wenn ich nur schon wie-
der Verdruß mit Ihnen hätte!''
Gleich darauf folgt eine überaus reizende Ausfürung über
eine religiöse Frage, die teilweise selbst wider ins Humoristische
überget.
„Hiemächst wäre ich Ihnen auf Ihren Brief auch eine schöne
Vorlesung über die Vorsehung schuldig, die sich freilich im Garten;
unter lieben freundlichen Menschen besser halten ließe. Denn wenn
ich steken bliebe, fiele Ihnen vielleicht ein schöner reifer Apfel
vom Baume herab, wo noch viele Hundert hängen, in den Schooß,
oder ein lastiger Vogel begänne auf dem nächsten Aste seine Lob-
rede auf die Vorsehung in lebendigen Accenten, odeji ein Kindlein
schaute eine Blume au und lächelte. Sie haben wol Recht, daß
der Mann, der das Bedürfniß eines Aufschlusses über den Zu-
sammenhang der Dinge allermeist im Kopfe hat, am Ende zu
einer ganz andern Vorstellung vor der Vorsehung kommen kann,
als ihr Geschlecht, dem das Bedürfniß mehr im Herzen li^t, und
ich wollte keinen Anstand nehmen, Ihnen meine Vorstellung mit-
zutheüen, die mich sehr beruhigt, und hauptsächlich dahin ausläuft,
daß wir nicht viel von der Sache wissen, und das Ende abwarten
müssen, wie wenn wir zum erstenmal ein Haus bauen, oder einen
Schuhmacher ein paar Stiefel zuschneiden sehen, zumal, wenn wir
vorher noch keinen Fuß gesehen hätten. Allein, wenn mich meine
Vorstellung nicht mer beruhigen wird, so wollte ich doch lieber
zu Ihnen kommen und Sie um die Ihrige fragen; denn es ist mir
nicht zweifelhaft, daß in einer so geheimnißvollen Sache das Herz
eines frommen Weibes der Wahrheit durch Ahnen näher ist, als
der Kopf eines Mannes durch Spekulation. Oder ist nicht eine
fromme Mutter selber eine göttliche Vorsehung im Kleinen, wie
das Wachslichtlein eine Sonne, und gleichwohl fragen Sie noch
einen Mond? Doch davon einmal mündlich, aber die nämliche
Vorsehung weiß, wann'' *).
Auch die politischen Umgestaltungen, der Krieg der Allirten
gegen Frankreich und die mit dem Krieg verbundenen Unannem-
1) Der bekannte Botaniker und Verfaßer der Flora Badensis,
der damals im Auftrage der Regierung nach Spanien geschickt wor-
den war.
2) Aus Hebels Briefwechsel, Freiburg 1860 Wagnersche Buch-
handlung, S. 26 ff.
76
läßt. Man sollte das nicht glauben, daß Karlsruhe so wenig Bo-
taniker habe, da doch die Botanik so sehr begünstigt wird, daß
ausser den botanischen Gärten noch mehr als 50erlei Pflanzen des
Feldes auf dem Marktplatz and in allen Gassen wild wachsen,
was sich sonst in großen und volkreichen Städten nicht wol aus-
führen läßt und es wäre keine Sache, wenn einmal Köllreuter,
den er doch noch für den dritten will gelten lass^, eine Flora
der Stadt Karlsruhe herausgäbe, mit Kupfern so schön, als sie das
französische Werk da hat. Letztere findet der Ghurfürst, nemlich
der Hofrath Gmelin, selber schön und will übrigens nicht behaup-
ten, (ia/l er das Werk selber schon besitze^ wol aber die andern^
aus welchefi dieses größtentheüs abgeschrieben sei, wie alle franglh
sischen^ ^).
Eine andere Familie, mit der Hebel in freundschaftlichen
Beziehungen stand, war die Familie Schneegans» Daniel Schnee-
gans ist der Großvater des als Publizist bekannten August Schnee-
gans. Hebel war zweien seiner Kinder Pate. Er wonte auf dem
Waisengraben, wärend die Familie Haufe auf dem Fischmarkt
wonte (beide zusammen nennt er gerne Klein-Straßbnrg). Zwansig
Briefe Hebels an dise Familie und drei an den Schwesterson der
Ausschmückung stehen — eines „Gehülfen des Öausfreundes^^ zu be-
richten, der in seinen Gedichten und Erzälungen widerholt als ,^hlangen'
fänger^^ und „Steindoktor^^, oder als „Ghruterma vo Bademler^^ vorkömmt.
Es ist Karl Christian Omelin, geb. zu Baden weiler den 18. Merz 1762,
t 26. Juni 1887 zu Karlsruhe; der jüngere Bruder des Kupferstechers
Wilhelm Friedrich G. Studierte in Straßburg und Erlangen Medizin
und ganz besonders Naturwissenschaft, promov. 1784 zu Erlangen, prakt.
Arzt und Lerer am Gymnasium in Karlsruhe bis 1884, also volle 60
Jare! A. 1786 Direktor des fürstlichen Naturalienkabinets und Inspek-
tor der botanischen Gärten. 1789 wissenschaftliche Reise nach Spa-
nien, 1794 geleitete er die wertvollen Sammlungen nach Ansbach.
Später Visitator, Examinator der Aerzte und Apotheker. 1797 Hof-
rat. 1814 Mitglied der Bergwerkskommission. Sein Hauptwerk ist die
Flora Badensis Alsatica. Alljärlich machte er zur Sammlung seines
Materials Reisen im Lande, wozu im von der Regierune Urlaub und
Geldmittel verwilligt wurden. Als Lerer ward im die Freude einen
Alexander Braun aus der Zal seiner Schüler hervorzuheben und disen
Lieblingsschüler zum vilbewärten Freunde werden zu sehen. In dem
wachsenden Reichtum des Naturalien-Kabinets lagen die Beweise seines
überlegten Sammeleifers deutlich vor; der seiner Leitung anvertraute
botanische Garten stand in den Kreisen der Naturforscher in hohem
Ansehen. Wenn im Urninge des gewönlichen Lebens etwas Ernsthaftes
den Grundzug seines Wesens bildete, so hinderte in diß nicht, zur ge-
selligen Unterhaltung recht vil und meistens mit großer Lebhaftigkeit
aus dem reichen Schaze seiner Erfarungen und seiner Reiseerlebnisse
beizutragen. Stammbaum der Familie Gmelin für die Mitglider und
Freunde der Familie dem Druck übergeben (von Archivrat Dr. G.) S.
LI ff. Ebenda noch weitere litt. Nachweise. AB
1) Längin, J. P. Hebel S. 211.
78
geweeen ist. Ich laafe keinen DreipMndern nach; Ja, ich traae
mir 2u, daß ich aus dem Wege gehen würde , wenn mir einer
nachlief.^
Andere Briefe geben einen Einblick in seine litterarische Be-
schäftigong. So schreibt er in No. 8:
,,Znm herzensfreondlichen Ghruß habe ich an das Klein-
Straßbnrg einen Kalender, Yoriänfig und einsweilen im Werth tob
20 Thh*.. geschickt.
Bekanntlich ist die ganze Auflage des Kalenders anter das
Siegel der hohen Poliseibehörde gelegt nnd ist obige Strafe darauf
gesetzt, wer einen aosgiebt, wer ein Exemplar hat, und es sehen
läßt, maß sagen, von wem er es bekommen hat. Der ,fromme
Rath^ war ein böser Rath, der irgend Jemans, wers beaahlen maß,
die Kosten des Umdrucks von 2mal 40000 Blftttem kosten wird.
Ich habe an dieser Sache keine Sünde, darüber will ich mich ridi-
ten lassen ohne Furcht yor der Ghorgemeinde der unfehlbareD
Liebfrauen Kirche, die da ist in Klein-Straßburg.*' —
Dise Bemerkungen beziehen sich auf die Erzälung im Kalen-
der vom Jare 1815 „der fromme Rat^, in welcher ein Jüngling,
dem auf einer Brücke zwei Oeistliche mit dem „Allerheiligsten" be-
gegneten und er nicht wüste vor welchem er niderknien sollte, von
dem einen Oeistlicben den Rat erhält, zum Himmel aufzuschauen.
Auf die tadelnden Bemerkungen einiger angesehenen Katholiken
schrit die Regierung ein und unterdrückte die Erzälung; später
kümmerte sich sogar der päpstliche Nuntius um dise Angelegenheit
Oefter liebte es Hebel seinen Freunden gereimte Episteln
zuzusenden. Die nachfolgende Probe bezieht sich auf den Ge-
danken Hebels, von Karlsruhe wegzugehen und die neuerrichtete
evangelische Pfarrei Freiburg zu übernemen; ein Plan^ der la
merlei Nachreden one Orund Veranlassung gab. Er redet von der
Verleumdung, dunklen Wolken, die einen Straßburger Freund um-
hüllten, und endlich der Sonne der Warheit weichen musten and
färt dann fort:
Also erginge vor lützel Zeit
Mit meiner eignen Wenigkeit.
Denn als er (der Ghurfürst) zu mir sagen thät:
Ich hör sein Sinn nach Freiburg steht,
Bleib er hienieden wenn*s beliebt,
Allbier es auch noch Batzen giebt ;
Bald hieß es in der ganzen Stadt :
Der Hebel wenig Gönner hat.
Absonderlich der Ghurfürst ist
Ihm gar nicht grün zu dieser Frist:
Ist sonnenklar! der leichte Spatz
Muß machen einem andern Platz,
Und während dieser Emdte hält,
Der Nachles' pflegen in dem Feld.
80
Volkstfimliches : Aberglauben
IV
Aberglauben l Der Mann oder die Fraw sol trincken den
schäum j so ein hose zwischen dem maul hat^ wenn er kraut isset
oder kewet — von stund an empfahet sie. — Vgl. Gesner-Forers
Tierbuch ßl. 71b: „so ein weyb die hasenhöden zum end irea
flusses isset, so empfacht sie einen sun. — Die M&ter der Hasen
gedert ynd das bulver in wein getruncken gibt ursach der em-
pfengnuß.'' Bl 72a.
2 So ein Fraw jr zeit zuuil hat — brenn laubfrösch £U
(iscJicn^ hencks der frawen in einem secklin an den hals« — Vgl.
Gesner-Forer 168a: „die äschen von den gebrannten fröschen
(Wasserfröschen) ist ein be warte blutstellung zu allem bluotfluß,
von wannen er komme.' '
3 Das ein Fraw leichtlich geber — bind jr an die linck
hufft bilsenhraut wurtz^ also das du den knöpf bald wider aoff-
ziehest wenn sie gebiret und die wurtzel hinweg werfest.
4 Das geblüt ncuih der gehurt von einer Frawen ze treiben
— capaunen hirnschal zft puWer gestoßen, gib es jr ze trincken.
— Von dem Schinbein der Capaunen heißt es bei Gesner-Forer
85a: „etliche vermischend sie under die arzneyen so wider den
weißen fluß der Weiber bereit werdend."
5 Die beller (Zanfleiscb) der kinder, die zahnen, sol man jn-
reiben mit hctöerüdm und hennenschmalz oder mit hundsmilch^
wann jr eygenschaft ist ze milten den aufifgang der zen. — VgL
Gesner-Forer 71a: „So den jungen kindern jre bilderen mit ge-
kochtem oder gebratnen hasenhirne bestrichen wirt, so sollend
jnen ire zän on allen schmerzen hierfür schlieifen; dann sein krafit
ist gleich dem honig und ancken in solichem faal." Von der
Hnndsmilch 88b: „Eschen von den gebranten Hundszänen mit but-
ter die hüderen gesalbet macht one schmerzen zanen. Hundsmilch
an die ort gestrichen da man wil die außgerauiten haar nit wide-
rumb wachsen ist gut vnd in die oren getröu£Pt, nimpt hin jren
schmerzen.' ' [So einer das kindt vor der zeit abgeht: Man soll jr
ein lebendig zerstossenen krebs in altem wein zetrinken geben.
Orecelius.]
Basel C. Detloffl879. Meine Alemannia, Alemannische Sprache kennt er
nicht. Es wird den Käufern des Buches noch eine Formenlere nachgelifert.
Ich habe selbst seit 10 Jaren ein Wörterbuch der Heberschen Sprache
angelegt und es vor kurzem nebst Grammatik zum Abschlüsse gebracht.
Ich will es demnächst in der Alem. veröffentlichen. Bitte aber die
Leser noch etwaige Beitrage einzusenden. AB
81
Dr. Barthol. MerUngers der Weiber ntMrUche HemUchkeUen
Alb. Magni {Augshwrger) Frankf. 1531 4\
6 Vom Cyclamen, Säubrod: „aber die Weibsbilder sollen ferne
dsTon bleiben, weil, waun ein Schwangeres Weib nur darüber
gehet oder darauf tritt, sie großen Schaden dayon empfangen kan,
dahero sie am sichersten, weilen sie ohne das unachtsame nieder-
trftchtige Blümlein tragen in Scherben oder Kästlein oder sonsten
in einem solchen Ort gepflanzet werden, da sie nicht leichtlich
Schaden nehmen können." Lonicerus und Lonic. Uffenbach warnen
die Weiber wol vor dem Linsenkraut, wenn sie schwanger sind,
-vor dem Gyclamen keineswegs.
DeUciae Hartenses 8. 77^). U. Bock-Sebiz 714 (1630).
7 Vom Laurus, Lorberbauim\ „die Weibsbilder sollen sich
tempore menstrui gar nicht zu ihnen nahen" ebenda 155. Vgl. Alem.
III 133 ff. Davon wißen die bekanteren altern Pflanzenbücher
nichts.
8 Vom Capillus Veneris, Mauer-Bauten: „das Kraut hinter
■ich bei abnehmendem Mond angehenkt ziehet die Flüsse der
Augen zurück und hilft ihren Gebrechen ab'' 215. Die Kraft und
Wirkung außer- und innerhalb des Körpers wird vilfach in den altem
Pflanzenbb. angegeben, unseren Gebrauch kennen sie nicht.
9 Von den Zisererbsen: „Andere wollen, man solle sie im ab-
nehmenden Mond Stupfen, wanns neun, zehen, oder eilffe schlägt
und geben vor, je mehr es schlage, je mehr Erbsen in einer Hül-
sen werden, aber da heißt es wohl vanitaa vanitatum et omnia
vanitas'' 297.
10 „Die Alten, wenn sie etwas säen wollten, observirten, an
wdehem Tag der Christiag gewesen, an selbigem hatten sie ges&et
vor dem Neuen: An selbigem Tag haben sie auch ihre Stock ver-
seilt, .ihre Zwibel ausgenommen; ist ein altes einfältiges Gläub-
kin, auf dessen Observation sie doch vill gehalten haben." 305^).
1) Das ist Blumen- Artzney- Küchen- und Baumgartens -Lust.
In Zwey Theile verfaßt deren der Erstere an die Hand gibt 1) Einen
Blumengarten u. s. w. Erstmals herausgegeben von M. I. G. Müllern
P. S. Nun aber bey dieser Siebenden Auflage zum drittenmal um ein
Großes vermehrt und mit Modellen gezieret von M. G. F. K. P. M.
Stuttgardt, bey Benedikt Metzlern und Christoph Erhardt Anno 1734 8^
Das Gartenbüchtein erschin zuerst 1675 unter dem Namen: Coropen-
dinm triplicis Horticulturae das ist: Kurzer Entwarf eines dreyfachen
Gartenbaues zum erstenmal an das Licht gegeben worden von Wey-
land Herrn M. Johann Georg MüUem Pfarrern zu Stetten im Rems-
thal (8 Bogen 12»).
2) Unter Cap. XXXll „Von den Wurzelgewächsen" stet: derVrf.
habe för geringe Leute geschriben und zwar noch dazu wie die
Küchengew&chse auch zu kochen seien „weilen ich öfters wahrgenom-
men, 1) Wieviel Studenten und Schreiber gefunden werden, so sich im
Birliiiger, AU>in>nni> VII 1 6
82
11 Von dem Amethyst^), In dem Werke: j^AdeUche Weyd-
toercke \ Das ist^ | Aufifährliche Beschreibung vom Jagen^
anjeteo von neuem an Tag gegeben und zum \ Druck be-
fiedert. I Franckfurt am Mayn \ Bey Joh, Wühelm Anmon und
Wilh. Serlin Buchh. | Im Jahr 166 1^ C4.) stet 8. 257 i^er die
Wunderkraft des Amethystes folgendes zu lesen: Daß ein Jäger
gut Glück zum jagen habe. Wiewol Glück und alle Güte allein
von Gott kommen, so schreiben doch soDsten die Naturkündiger
vom AmeÜUBten, wann den die Jäger und Waydlenthe bey sich
tragen, so sollen sie zur Jagt und zum Streit gut Glück haben,
und Barth. Anglicus vom Lipparo Lapide: wer den hat, and da-
rein sihet, zu dem kombt alles Wild, und sihet ihn an. — Kurz
vorher (8. 253)^ unter der üeberschAft: „Daß einem die Hirsch
biß in die Netze nachfolgen ^ Es schreibet Barth. Angli- '
cus vom Lipparo Lapide, wer den hat, und darein sihet, zu dem
kombt alles Wild, und sihet ihn an. So schreiben sonst die Na-
turkündiger vom Araethisten, daß, wann den die Jäger und Weyd-
leute bey sich tragen, so sollen sie gut Glück zur Jagt, und zum
Streit haben (Erk). In K. von Megeffbergs Buch der Natur (Pfeiffer
432) heifit es: der stain h&t die kraft, daz er der trunkenhait
widerst^t und macht den menschen wächig und vertreibt die poe-
sen gedänk und pringt guot Vernunft u. s. w. Das biblisch Edeh
gesteinbüMein^ das ist Abcontrofähurg , beschreibung und Geist-
liche bedeutung der 12 Edelgestein ti. s. w. durch Jacöbum 8chop-
perum 1614 8. 171: machet den Menschen wacker und sittsam
vertreibet die trunckenheit und so er auf den Nabel gebunden
wird, soll er die Trunckenheit verhindern und au£Fhalten, auch mr
Jagt und zum Streit grosse Krafft haben, das Gedächtniß schär-
pffen vnd den Schlaff wehren, auß vrsachen, daß er die Dünste
zum Haupt nit steigen last. Man achtet auch darfür, daß er dem
Gift widersteht. -
12 rfGibt es auch aufiernatürliche Kranckheiten und ZufäUe
und was ist von den Bezauberungen zu halten? Daß die ganze
Machina Menschlichen Leibes dem Leibe nach aus lauter natür-
Hearathen also blind übersehen, daß sie zum öfteru Weiber freien, die
nicht einmal wissen, wie die Küchen-Kräuter wachsen, geschweige daß
sie gelernet hätten wie sie es kochen sollen, dahero oft einem besser
wäre er gienge mit manchen Schweinen als mit solchen Herren zu Ta-
fel. 2) Andere haben gewont so köstlich zu kochen und zu essen, daß
sie es im Anfange ihrer Ehe also übermachen, daß sie es bis ans End
schwerlich hinausbringen , sondern froh werden wann sie hernach aus
dem Garten nur etwas Gutes kochen können*' u. s. w.
1) Nach Weigand> DW I MO (1873) sollen die Griechen dem
Amethysten die Eigenschaft, daß er den Rausch stille, beigelegt haben.
Griech. lat. afjii&vatog, amethy stus, franz. am^thyste, darauß mittelhochd.
der amethiste, amatist, ammetiste. Vgl. Lexer 1 51. (Erk.)
83
liehen Tbeilen suBanimengesetzt seye, lig^ klar genug am Tage«
Ob aber also das natürliche mit wahrer Aasser-NatürJichkeit werde
und könne überfedlen werden, davon lasse einem jeden seine Mei-
nung frey nnd sage allein, daß, wann es aossernatürliche Krank-
heiten oder ZnföUe gäbe und geben sollte, die van Teuffeiischen
Säften herrühren und daß solche zu curieren ein bloß natürlicher
Henech gans untauglich seye. Daß es aber heMuberte Zufälle gebe^
geben habe und noch geben könne, das will ich nicht sog^ wider-
sprechen, ob ich schon davon in meiner vier- und dreißigjährigen
Praxi kein wahrhaftes Exempel gesehen habe und noch keines zu
sehen verlange/ Instituiiones Chirurgiae — kurze und cdlgemeine
Lehre von der Wund-Ärteney — von Franz Widenmann^ der
tayserl. freyen Eeichs-Stadt Augsburg — Augen- Schnitt- und
Wundarzt. Augsburg Lotter 1734 S. 81 ff. ABirlinger
Volkstümliches: SittengeschicIitlicheSy Rechts-
altertfimliches
1 Ein Instrumenium Notariatus iJÜber die beschehene solenne
Pössessionsergreifung deß an Seine Herzogl. Durchl, zu Württem-
berg von dem Freyherm von Bouwinghausen käuflich überlassenen
AfUheüs an ÄUburg (bei Calw) und Weltenschwan vollzogen den
25. und 26. Junij 1759 — enthält folgende Bestimmungen. Bei
langer formel voller Besizergreifung des Schlosses durch den wir-
temb. Cüommissar ward der Schloß- und Gartenschlüßel nebst au-
thentischem Lagerbuche, Documenten und Lit'teralien „tradirt und
übergeben*'. »Wie nun der herzoglich württembergische Herr
Commissarius sothane Tradition sogleich feierlichst acceptiert und
somit durch Aufmachung eines Feuers im Schloß, Malerei und
Jägerey Haiuß deren Possession in toto complexu et pleno jure er-
griffen.*^ Nach einer Ermanungsrede dem neuen Landesherm Un-
tertan zu sein, erhielt jeder Bedienstete eine Gratification : 1 Maß
Weiii und vor 2 Krz. Brot zu einer ^ Ergötzlichkeit*'. Nach di-
lem Besten sich beide Gommissarien mit dem Notar auf die Pferde
und ritten in die Waldungen, wo die beiden Forstknechte sich auf
Anordnung dos Forstmeisters von Wechmar in Neuenbürg einfan-
den^ sowie ein Dorfschüze. Nach den geschäftlichen Vorbereitungen,
Berechnen der Flachen u. s. w. gieng es zu der von Bouwinghausen
angelegten Hirschsulze (Lecke), allwo von dem v. Bouwinghausi-
■chen Mandatario ein Zweig von einer Eichen abgehauen^ dem her*
Mogk württemb. Herrn Commissario in Händen gegeben, von denen
heeden Forstknechtent weU man, um der angeblümten schönen Fd-
84
der wiUen, nkht treiben lassen können, sich auch s<msten kein Witd-
hrett sehen lassen ^ ewei Schüfie geihan — womit die Besieergrei-
fang der Jagd angezeigt war. ^Anf dieses kamen wir wieder in
Altbarg an, ni^hmen im Wirtshaase die Mittagsmalzeit ein and
darnach bekam dieser ganze Aktns ein yergnügtes Ende/ Pap.
Abschrift in Altbarg (Doli).
2 Kleidung der Gericbteboten Sic in h&o incltOa JRepw
blica Argentoratensi apparitores sive noncii utuntar- speciali ha-
bita , cam bacalo , allhie tragen die Gericht-sboten oder die Her-
rendiener, wie man sie nennet, einen halben weissen n^d rothen
Rock and einen silbernen Stab in der Hand, quem, si tempore cita-
tionis non habent praesentem, citatio est inefficax et nallias mo-
menti; similiter Norimbergae nantii speciali atuntur habitu cum
bacalo, alda sie blawe Röcke und Stäblein in der Hand tragen
quod et alibi est receptam, maxime tarnen in Helvetia, da man
sonderliche Stattbotten und Gerichtsbotten hat, qui majori digni-
tate quam alibi fulgent. In Italia portant infulam rubeam vel
baculum depictnm, seu aliud Signum ut birretum. In regno Burde-
gallensi per civitates defernnt Testes ex rubeo et viridi disparatas
sicut defernnt coosules et jurati civitatum.
Gerhardt Meyhusch, Essendä-WestphcUus Disptäatio inaugu-
rälis De JRegali Fostarum jure, ex jure civüi, Publico et Historicis
deprompta — Ärgentorati, Literis Johannis Welperi 4^ 1667,
3 Schwäbische Tracht
a) Die muter ir ein rock oder drei, | zwen mentel, ein schwer
bisch schüre auch dabei, | Wezker, schwebisch emd, güldn gürtl,
schnür und zopf | u. s. w.
0. Schade y Satiren dt FasquiUe I 168: Ein gesprech des
Herrn mit S. Petro u. s, w. 1587 o. Ort, warscheinlich schlesi-
scher Heimat eigen,
b) £Hn Zwilchgyppen , zwen Bundtschuoch vnd ein Filtzhat
ist jr Kleidung. Seb. Münster, Kosmogr. 4 bj. Vgl. in Alem.
I 95 die bekante Stelle.
c) Die Geyßf&l gäbend auch guot beiz und gefull, welche in .
Schwaben von Weyberen gebraucht und getragen werden fär Frost
und Kälte. Gesners Tierbuch 59a.
d) Als aber nu die bauren (Rieß) also in irem regiment ja-
bilierten und inen wol gefü^l, daiß sy edel wasen worden, weit
kainer kain kütel mer tragen oder zwillichin hossen, liesen sich
in weiß beclaiden und die hosen abgeschniten und allenthalb
zerschniten und mit blauem underfuetert und aiu groß huetlin auf
und ain federn darauf. — Wiewol nit vor langen zeiten auch edel
bauren im Rieß warend, die wurden also erkent, dan an Feyr-
tagen so trugen sy 4 Stiefel und 4 hosen an, darnach die im
Thonental betten styfel byß zu der gürtel und die andern so nit
edel wasen, beten nur stifel byß zu dem knie.
86
waren statt der Äbtissin von Kreoztal Oberschirmhoren und
Malefizrichter bis 1719). Die malefizischen Wanden sind auch
leimige, beinscbrötige, bogende, dann Abbauen von roer als einem
Finger oder so das Blut auf die Erde rüsset. Andere kleinere sind
nicbt malefiziscb, sondern nidergericbtlicb (Bück).
6 Seewein: d. 27. Jan. anno 1547 scbreibt der Weingart. Abt
Gerwick yon Ulm aus: es werde ser gut sein, wenn der Abt Ton
Ochsenhausen dem Herrn Vicecansler von Naves einen Karren mit
Hennen und Gapaunen oder mit Haber und eip Fäßlein Seewem
schicke. Weingartn. Missivbüch. XIX 293. Hieronymus Schrecken*
stein, Monographie y. Schreckenstein 59 (lo78). Abt Gerw. schickt
dem Bürgermeister von seinem besten Seewein, sagt Dr. Has, der-
selbe greife nicht nur das Gedärm an, sondern würde sogar eine
eiserne Rüstung zerfressen oder besser: er wolle den Wein lieber
nicht trinken, gesund bleiben und kein Grimmen haben. S. 89.
„Der Seewein ist zwar von ungleichem Werte und wird geringer
als der Reintaler geachtet, weil er neu meistens sauer ist; aber
er hat den Vorzug vor dem Rheintaler, daß er ser lagerhafb ist
und seine Herbe ganz verliert und dann selbst dem Rheinweine
vorgezogen wird.*' Kleine Konstanzer Chr. 1798 S. 41 ff.
7 Aus der Reicheheerzeit ^) Als der schwäbische Kreis
1793 zur Gestellung seines Gontingents zum Schuze der Cordons-
bildung am Oberrheine — Linie Kehl, Stollhofen und Rastatt —
aufgefordert worden und die betreffenden Truppen unter dem Be-
fel des damaligen Kreis*Generals Fürsten Anton Alois von Hohen«
zollem- Sigmaringen ire Stellungen eingenommen hatten, ereignete
es sich, daß auf Grund eines falschen Allarms eine biß tief ins
Schwabenland hinein einreißende Panik plözlich Plaz grif.
Ein Kloster Salem'soher Offizier, Lieutenant Sutor, ward
derart davon impressionirt, daß er satteln ließ, seinen Posten auf-
gab und mit verhängten Zügeln talaufwärts der Kinzig über
Donaueschingen biß Salem rit, allenthalben in den Dörfern und
Städten schreiend: die Franzosen kommen! sie kommen! feuijö
helfet! springet! rettet Euch!!! ABirlinger
Znr Wortforschung^
XI
1 J&rbauin m. Baum, der schon vile Jarringe hat, in
der Prosalegende des hl. Brandan bei Schröder (St. Brandan
1) Vom Fürsten Karl Anton von HohenzoHernKgl. Hoheit mitgeteilt.
2) Vgl. Aiem. VI 42 ff.
87
1871 Erlangen) S. 187, 22 £f.: Do spraeh Sant Brandon: „was
gbd die waldscfaratten und schratzen mit den sy betten den weg
and straasen verlegt?*' Do sprach der tewfel : „das sind jarpaum^
damit haben sy die weg verzogen, das wir in grösser not nie mer
kommen sind seit wir vom himel Verstössen seien worden.** Schrö-
der weiß das Wort nicht zu deuten (S. 195) und erinnert an die
Dryaden. Unsere altdeutschen Wörterbücher schweigen, kennen
das Wort überhaupt nicht. Heyne im DW IV, 2, 2238 (No. IV 3)
färt Jare aus Jacobsson und Maaler au: „das Holz das ein Baum
in einem einzigen Jahre allenthalben nach der Dicke des Baumes
ansetzt.*' Basilii Fabri Sorani (ed. Buchner) Thesaurus Eruditionis
aeholasticae — Leipzig & Francf. 1672 s. v. Pecten Sp. 172: in
srboribufl vero pectines, fibrae sunt seu linea, die Jahr, Striemen
im Holz. — Martini Rulandi Medici Dictionariolum u. s. w. Augsb.
1586 S. 64a: die jar an bäumen oder im holz, pecten, didtpvaig.
8. 352b : die Jar im Holtz, die sireymen so sich der länge nach
ziehend, pectines. Nemnich : Jahre, Jahrringe, circdii, strata truncL
Engl, ihe grain of the wood, franz. veine ou fil de bois. Frisch
I 483o : Jahr im Holz annuli circa centrum meduUae arboris. Die
Ringe im Stammholz, wann es nach der Quer durchsäget, daran
man sehen kau wie alt ein Baum ist, weil- er jährlich um einen
solchen Ring dicker wird. Ebenfalls bei Schönsleder. Ausfürliches
im Allgem. Oeconomisch. Lexicon 1731 S. 1117 ff.
2 K6888I m. In der altem Kriegssprache ist es 1) der in-
wendige lere Horizontalraum eines Bollwerkes; holes oder leres
Bastion „ist dasjenige, an welchem das Profil des Walles vor
Plane und Facen der innerlichen Böschung parallel lauffet und in
der Mitten einen Platz, den man den Kessel nennet bis auf den
aatflrlichen Horizont leer lasset.*' Fäsch, Kriegslex. 2) Der Ort
entweder in die Erde gegraben oder auf gleichem Horizont vorne
mit einer starken Brustwer versehen, darhinter die Feuer-Mörser
gepflanzt werden, einen belagerten Ort damit zu bombardiren.
8) Bisweilen = Lauf des Mörsers. Fäsch 487. Zum DW V 622. 8c.
Spftth*s Konstanzer Ej*. „ire Flanken und einen Kessel herumtraben ^
S. 123 ; „starke Prustwehr und Kessel^ S. 143.
3 Kindidin. Die beste Vermehrung dieses mehr raren und
kostbahren als nützlichen Garten Gewächses (Artischocken) ge-
schieht durch seine Wurzel - Beysätze , so man Kindlein heißt.
Ebenda 286 ff. DW V 768. 3.
4 KrisgdVOgt m. in dem Oeffinger (badischer Seekreis, Baar)
(Serichtsbuche (angefangen Okt. 1768 zu Oefingcn in der Baar) ein
ganz gewönliches Wort, das aber im Volksmunde und in der dor-
tigen amtlichen Rede ausgestorben ist; alte Leute erinnern sich
des Gebrauches noch. Den Weibern zu Kriegsvögten, — Marianne
Solsmänni Wittib nebst ihrem Kriegsvogt, — so wurde der Kriegs^
wogt gerichtlich confirmirt und sodann von dem Eheweib nach vor»
harj gar Belehrong in dieser Schuldsache der Verzicht der weih-
88
liohen Freiheiten durch Angeloben an Eidesstatfc abgenommen
u. B. w. DW V 2298 : curator bonorum. Ejriegisoher Vormund 2259.
Die Bedeutung ist die des VormündeiB über die Witwe und deren
Güter.
5 Laubfrosch eine alte Speise. „Man füllt den Mangold auch«
so man Laubfrosch nennet, man nimmt die schönste gröste Man-
goldbl&tter, dunckts in ein siediges Wasser hinein, biß es weich
wird, alsdann tbut man die Fülle darein, nimmt ein gebacken Ey,
etliche Mangoldblättlein darzu und ein Stuck Wecken, so zuvor in
einer süßen Milch oder Fleischbrüh eingeweichet worden, hackts
klein untereinander, thut Imber und Salz, andere auch Muscat^
Blüth darzu, rührets mit einem frischen Ey an, legt darvon, so
viel genug, auf ein jedes Mangoldblatt und überschlägts, thuts dar-
nach in eine Kachel-Pfannen oder gefußneten Hafen, schütt Fleisch-
brüh daran mit frischer Butter, Pfeffer und Salz, läßts also kochen
und wann es genug, rieht maus an und stellts auf. Solche 2^ii5-
f rösch macht nfttn auch aus den grossen Binetsch-Blättem.*'
JDeliciae Hortenses 1734 Stuttg. 8, 285, Bise Spinatkrapfen^
Spinatgehäcksd in Taigtascfien sind heute noch in Oberschwäben
bekannt Feit im DW VI 295.
6 Zur Sprache des Post- und Botenwesens Post und
seine Zusammensezungen : Gallis poste cursus et officium currendi,
germ. Kayserlicher Erb-Land- Hoffpostmeister ^ Post^ Fostlauf, Fosti-
lion: supremus rei cursoriae Praefectus. Caesaris enim postarum
Magistri vocantur Postmeister (Principum expeditores Dicasteria-
les Bottenmeister y Givitatum tabellarii et Dromi jurati geschwome
Botten). A cursu dicuntur Gursores, ut Postae, Postbotten, Ca-
merae imperialis Cammer-Boiten^ judiciorum Gerichtsbotten, — Tem-
pore necessitatis et ubi urgente hello, equorum copia haberi ne-
quit, etiam alia animalia in equorum vicem substituantur, quae
Posta Asinina (asinaria) die Eselspost ^ Eselspostilion dici potest.
Quod autem postae bovinae Ochsenpost a quibusdam fiat mentio;
metaphoricam et iropropriam potius locutionem esse, ad indigi-
tandam et describendam inanem tarditatem unde proverbium or-
tum : Es gehet als wann man mit Ochsen rennete, — Dicitur qu6-
que de hominibus sine necessitate festiuantibus et quasi currenti-
bus: Er gehet als wenn er auf die Post gienge^). Privatae et
1) Aus Gerhardt Meybuschs Dissertation, sih oben Volkstüml. 64.
2) „Hat der Advocat dem Thäter alsobald zugesprochen, daß er
Fuß und sich mit Haut und Haar davon mache und dabei das Pairo-
cinium nirgend anderwärts als bey seinen schleunigen Pöst-FOssen
suche." Abele, Seltzame Gerichtshändel 1654 8.70. Als Vergleichung:
„Wie würden die Teutsche Poeten mehr carminisirn und Vers oder Reimen
scheiden können? wann sie ihr l\)stpferdf den Wein, verlieren?" S. 119.
„Hast du nicht gehört, daß Freande-Hülf auf der. Ochsen- oder Krebs»
89
CSTitatam postae: Mezgerpost and Nehehbotten. Garsas provin-
ciales die Landposten j cursus sacri romani imp. civitatnm Statt'
posten^ Nebenposien^ Metsgerposten; Yocantor alio nomine etiam
Sebenhatteny Landbotten^ Kaufmanns-Fosien, Cammerbotien, Pe-
dellen^ qaonim officium est, nt suaram rerum satagant n. s. w.
Haitis enim in locis hoc obserratur ut nuncii ludiciorum ordinarii
et Inrati certa gestent insignia, ex quibns cognoscantur, quod sint
nuncii publici hajus vel illius Domini, aut civitatis, quibus etiam
prae aliis creditnr tabellariis, modo pixidem cum insignibus sui
Domini portent, ein Boiten-Büchß oder ein Boteti- Zeichen, . Cur-
sores plemmque tribus condecorantur signis 1) Toga cursoria, cui
oomicnlae cursoriae, das Posfhörnlin figura lutei coloris k pectore
et tergo est insuta. 2) Ipsa corniculae inflatio, quam inflant ubi
ad oppidam tempore noctumo vel diumo rescratis portis veniunt,
nt illiB ita apertis, liber transitus praebeatur, in quem finem porti-
calae nocturnae die Nachtpforten sunt inventae ; uti Augustae Vin-
delicomm, Goloniae, Francofurti et aliis in locis. 3) Est schedula
enrsoria itnlice BoUeto, seu Bollettino vocata, ex qua personae cer-
titudo coUigltur. — Rheda Germanis est eiti Gutsche^ Landgutsche.
,Zq wißen hiemit, daß die Ordinari- GtUschen und Güterwagen
von Pariß auf Straßburg hinfüro continuiren und über Metz gehen
Q. 8. w.** Hl currus germanis Landgutschen^ Bollwagen dicti, vul-
giribas plemmque solent esse longiores ut eo plures consideant,
limulque vehantur ad eundero locum. — Qnibusdam in locis ut in
Oalfia et Lotharingia cisia Gutschen und Kugelwagen sunt in usn,
qoanquam et in paucis Germaniae locis. Navigia militaria : Kriegs-
oder Orlogsschiffe, Von den Postscbififen : hie cursus nobis non
adeo frequens imprimis in Germania superiore, non videmus hos
corBiis exerceri, quo autem infrequentior in superiori eo usitatior
et frequentior in Germania inferiori et plaga septentrionali. In
qnibus regionibns vocati Fehrschütten, Treckschüiten% Jagtefi,
OaUiotten', quomm saluberrimo remedio singulis horis ad certa
IM reite?^ S. 131. „Und sich (Aristoteles) habe von seiner jungen
Frauen bereiten und statt eines abgematteten Postpferds gebräueben
lasten.'' S. 176.
1) „Schute ein allgemeiner Name für alle Farzeuge, die vorn
spiz una vorne und hinten gleich hoch gebauet und nicht zum Segeln
sondern bloß zum Schieben und Ziehen bestimmt sind. — So sind z. B.
die TreekschtUen in Holland Farzenge die auf den Kanälen als Wasser-
pasten dienen und bequem für Passagiere und Güter eingerichtet sind:
gewdnlioh werden sie von Pferden gezogen. Man hat überhaupt viele
Arten Schuten in Holland als Wei-Scbuten, Schin-Schuten, Vloot- Schu-
ten, Krabbe-Schuten, Togt-Schuten, Steiger-Schuten, Tent-Schuten, Seil-
oder Segel-Schuten, Fährschuten, Fischer-Schuten.^' Allgem. Wb. der
Marine v. J. Heinrich Röding, Hamburg bei Nemnich, Leipzig bei
Böhme II Bd. 628. Fftsch, Kriegslex. 789.
90
QobiB propoBita loca exiguoqüe pretio perTonire possumna et niri
exercitor navis ad sonitam campanae navem solvat, maltator o. s. w.
— Ordinaria navigia vulgd: die Marckschiffe, quorum adminicnlo
cnrsus publicus Ordinarius perficitur, haud inconcinne affioibos an-
numerantur; hi certis septimanae diebus et horis consuetis, loco
alio ad alinm locum tendentes ordinariae Postae viam qoandoque
fiumine eecundo supplere possant. Talia nayigia cottidie Mognn-
tift Francofurtum et vice Yer8& yeninnt, germanice vnlgo : MkkUeer
Markschiffe. Papier: carta sicca, tenuis et laevigata per aquam
glutinpsam ducta planiert Papier nobis vocata, melior, imprimis
Charta angusta das JPost- oder Regal-Papier reliquA est aptior,
cum ob puritateub) tum ob bonitatem et ad parcendum sumpti*
bus utilitatem. Franco, Frankieren: Literae vocula Franco vel
Franca rubricatae sine nummorum exactione destinatis ad quoa
spectant, extradantur, dicitur autem franca k franc: sie francus^
a, um Über, a, um, itisi franco pro tutto i. e. über per omnia loca
et francare le lettre, franquiren est literas a solntione liberare,
hinc Franci liberi et adhuc hodie Germanis in usu est: das ist
frei und fraock. Dem franco auf Briefen muste früher stets z. B.
per Nürnberg, Waldmünchen, Rheinhausen beigefügt werden, wenn
nicht der Empfänger daraufzalen solte.
Poststrafien : yiae publicae quas Germani yocant Landstraßen^
Heerstraßen, Königsstraßen unde italicum Strada u. s. w. Poetis
via publica dicitur strata viarum, posteriori autem seculo simpli-
citer strata nuncupata est. Ex italico Strada et nostrum Straße
non improbabiliter dictum putant. Inclyta haec civitas Argentina
germanice Straßburg vocatur vel a platearum numero et capaci-
tate — vel k p]ate& quod olim Attila Hunnorum Rex destmcta
civitate amplam per eandem dederit platcam, daß er eine große
Straße dardurch gebrannt habe, quam opinionem communem esse
teatatur : wie dann noch heutiges tags eine lange Straß durch
die Statt ist, von der Weissenthurmpforten an biß zum St. Andres
Thörlein. — Untaugliche Postrosse: die so hager und mager sein,
daß man jhnen die Rippen im Leib z&len kann. Die Wirte
halten sich auch nicht allezeit zum besten, ziehen ihnen bißweilen
eine Herren unter, die einen stattlichen Trab hat wie das primum
mobile, so mager, daß man ihnen alle Bein darzälen möchte and
den Wadsack an die Hü£fte hängen dörfte, ohne gefahr, daß er
könnte herunterfallen, also daß sie auf halbem Wege in einem
Graben mit abgeschnittenen Ohren oder geschlitzten Naßlöchem,
damit sie ein andermal mögen kantbar sein, müssen liegen lassen.
Es sei notwendig, daß ein Postpferd gallopiren könne.
An Sprüchen finden sich in der Disputatio Meybuschs : dann
ein Land hat nicht alles zur Hand. — Unrecht Gat faselt nicht,
hat Adlers Federn, kompt selten auf den dritten Erben und übel
gewunnen, übel zemmnen. Die Dissertation, woraus obige Beiträge
stammen, ist verfaßt von Gerhardt Meybusch aus Essen in West-
91
ialeii 1667, sieh oben Seite 84. Herrn Postdirektor Reinhard-
Hormuth vordem hier, jezt in Meiningen, verdanke ich die Schrift.
7 SsrrBtl p1. hölzerne Gittertore womit Wege und Gassen
^egen eindringendes Vieh gescbloßen wurden, sonst Falltore und
echt alemannisch Fadden, Pfadden genannt. „Auch uff alle ge-
beüw, sonderlich uff prucken, weg und steg, serren, werren und
lehußbretter g&t uffsehens haben, daß die zu allen zeyten in eren
nnd gfitem bauw gehandhabt werden. ** (werren, alem. stat weren
mod Wasserstanungen wegen Fischerei oder Malen; Schußbr^tter,
Schleussen bei der Wisenwässerung). Rastatter Gemeindsordnung
bei Mone, Bad. Archiv 1826 I 264, 10. „Auch alle nacht umb
9 nren die serren beschließen und morgens zu bequemUcher zeyt
wider offschließen.*' S. 171. 17. In einer Rastatter Feuerwachen-
Dotifl vom 28. Mai 1510 in der Zeitschrift für Geschichte des
Oberrheins (von Weech) stet: „brücken, wege, serren^ werren, hege
und siege. ** Eisinger in seinen Beiträgen zur Topographie und Ge-
schichte von Rastatt 1854 (Mayer) nennt Serren Tore von Flecht-
werk. S. 28. Frisch II 265b fürt Serien an : ein langer Trämel,
den man überzwerch an die Häg oder Zäune legt, Stangen wo-
durch man ein Quergehäge macht, longurius. Der Zusammenhang
mit Serren (alem. für Seren) leuchtet ein. Synonym dürfte sein
$perb^ venantibus aptum. Diefenb. Gloss. Nov. s. Sorbum. —
Die Herkunft von Serre ist fremd. Ducange II 819 (Frankf. Aus-
gabe): Serra pro Sera qua januae occluduutur — ; S. quae voca-
tor porta pendens — ; clusurae, clausurae. Vgl. das lat. obserare
und sera, serae f. Türverschluß in Rigelform, der angestemmt
and abgnommen wurde. Klotz Wb. s. v. ABirlinger
Die Hohenzolleriscben Orts-, Flur- und Waldnamen ^)
Bevor ich die zweite kleinere Hälfte der Oi*tsnamen fort-
före, was in den zwei folgenden Heften geschiht, trage ich zu den
faißherigen folgendes nach:
Alem. VI S. 7, 2 : Bilfingen bei Pforzheim : Binölfingen Wü
n 402. S. 8, 3 und S. 129 Bingen: Hans der Büninger 1391
Zoll Zt. 11, 81. -- S. 9, 6 Burdleidingen 772. Sept. 17. Cod.
Laurescfa. 8. 10, 8 : Tettingun WU II 409. — S. 10, 8 : in pago Äm-
phinge für looo, villa A. 792 Cod. Laur. 3802. S. 12, 10: in Viski'
1) Alem. I 263 ff. ü 78 ff. VI 1 ff. 129 ff.
92
nm Wü II 896. 8. 12, 11 GammerHngen, Der ON Gemmrigheim
bei Begigheim 1138—52 im Reicbenbaoher Schenkimgsbacbe WU
II 392: Villa Gamertincheim. 8.401: Gamertencheim. Gamber {nih
in Sugambern, 8ygainberD), abd. = strennaH und sagax, schnell
von Begrif, in Wort nnd Tat. Vgl. Mällenboff Zt f. DA
23, 27. — 13, 12 Gatiselfingen liB 772. Sept. 17. st. 8. seo.
14, 14 liB Hahhingun 786 Neug. No. 97. 8. Gall. ÜB I 101 ff. —
16 Zeile 1: daz Bürgle bei Jangnau Zoll. Zt. 11, 77 Anmk. 7.
— 17 Z. 7 Hb 777 Cod. Laur. 3640 (16. Nov.). —
8. 19 ff. Sigmaringen. Ueber die ältesten Nachweise mit 8igi
zusammengesezter oder davon abgeleiteter Namen bandelt Müllen-
hoff im neuesten Hefte der Zeitsch. für DAltertum Bd. 23, 158 ff.
Der Cheraskerfürst Segestes (Sigist) hatte einen Bmder Segimerus
Tac. Annalen I 71. Armins Vater hieß SigimertiS Vellejas II 118.
Signum Sigemäri 652, Urkd. von Le Maus bei Pardessos I 225
No. 238 n. s. w. Zu den alten Nachweisen des Sigfridnamens
S. 160 ff. wären die Monumenta Blidenstadensia edd. Böbmer-
Will noch zu vergleichen gewesen.
8. 27, 4: Thalheim. Ze Tamein 1321 ZoU. Zt. 11,. 56. Das
war auch der frühere Name für Rosna. — 28, 1 : WHdorff 1 399
Zoll. Zt. 11, 32. Der Indiculus Arnonis, ed. Keinz 1869, hat ein
Salzburgisches Wildorf und ein Wila jezt Weilkirchen a. d. Rott;
jenes ist das heutige Weildorf bei Teisendorf. — 29, 2: Bern'
wiler 1303. 1350 Zoll. Zt. 11, 55. 65. S. 33, 2 de Betenhüsen
Wü II 419. Vgl. Patinga villa, Indic. Arnonis. — 38, 8: Laefis-
willer 1352 Zoll. Zt. 11, 64. — 36, 6: Ovthekofen 1282 Mona
Zt. 6, 411. — 38, 1 Affaltirherc (vgl. S. 129). In Sievers Kl.
Beiträgen zur Deutschen Grammatik (Beiträge z. Geschichte der
deutschen Sprache und Lit. von Paul und Braune V 3. Heft)
S. 523 ist der deutschen Baumnamen auf 'dr-, -tr- Erw&nung ge-
tan. Sie wurden bis jezt nach dem Vorgange von Gramm. II 332.
350 gewönlich als verstümmelte Composita mit triu, Baum aufge-
faßt. Es sind diß altnord. apaldr angels. apuldre abd. affoltra
Apfelbaum, angels. mapuldre abd. mazoltra acer; abd. wehholtra
juniperus, hiofeltra Hagenbuttenstrauch ; altsächs. holondar abd.
holuntar sambucus. Von einer Composition mit trewo, sagt Sie-
vers, kann schon wegen des d^ wie man sibt, keine Rede sein.
Das Gemeinsame aller diser Bildungen ist offenbar Antrit des
Suffixes 'tra, das in unbetonter Silbe sein a verlierend bereits ge-
meingermanisch durch l Bonans hindurch sich zu el, öl entwickelt
hatte. — Die Bedeutung von apholtra ist etwa der Apfelträger. —
38 ff. vgl. Thitehach ON (Deubach?) WU I 395. S. 39, 3 vgl.
FrunthcHz^ Frohnholz ON im Salzburgischen. Indic. Arn.
S. 131 ff. vgl. Puoren., Puorun^ ad Buriom, ad Burones,
Beuem bei Michaelbeuern, Salzburg; Neubeuem, südl. von Rosen-
heim. Indio. Arnonis. Eaufbenren: Buron WU II 421 (1130).
98
8. 183: Zmmem, Das BestimmtmgBwort Borgen- get auf
ahd. horawig scbmuzig, kotig zai*ück : horo n. coennm, lutum, limns,
nlgago, paluatre. Ein anderes Adj. ist horawin, hurwin. Vgl.
Oraff IV 1000 ff. Horgen- ist Dativ Plur. Eine alte Fane in H.
enthält inschriftlich noch den frühern Namen. Horgenzell ON
Horinguncdla 1151 WU I 440. Hieber? — Vgl. Hartbreth de
Omberenf Herrenz. bei Rotweil. WU II 394. Reichenb. Schenkungs-
brief. —
S. 138 wäre ein ON Bdidesberg bei Ruelfingen, jezt ver-
schwunden, einzureihen nach dem Habsb. Urb. 277 ; ob an Bälden-
stein S. 142 No. 14 zu denken? Ferner gehört dahin KäUenherg
im DonauUle 1253. Callinberc 1256 Mone Zt. II 81. 96. Bac-
meister Alem. Wanderungen S. 147 Anm. 3 lent es an Galpbe,
Calava, Caleva (kelt.) äußerlich an, fürt e^n Källenberg in der
Gegend von Münsingen 1334 (Eßlinger Lagerb.) auf. S. 143 : Ilonp-
siein. YghHomingen im Blautale, heute Herrlingen 1130 WU II
421. S. 144 Wekkenstein. Es gibt einen Waldnaipen Weckenhart.
Wildberg-Naislach. — S. 146, 22 : das nördlichste -schieß aus der
ipätem Zeit begegnete mir in einem Gemsheimer (Bergstraße) Wein-
bergnamen des 17. Jhds. „im Hüfierschieß^ . Im Elsäßischen kenne
ioh Scheißmaxier als Flum. was dem dortigen Idiome entspricht.
Ich wage kaum auf die niederrh. uralten ON mit -seit zu ver-
weisen, die sich später in die überwuchernden ON -scheid ver-
loren haben. Zu Bittet-^ Butel- vgl. Buielingen, Pietling im Salzb.
Indic. Arn. — S. 149 ff. Berental A. Letsch, Chronik Mone Quellens.
II 4Sb. Vgl. Berinpah heute Birnbach nördl. vom Einfluß der
Alz in den Inn. Indic. Arnonis. Femdorf ^ Perndorf, Landger.
Uattsee. Ebenda. S. 155 vgl. Wangin, alt. Instrum. Wengi, Wang
am Wallersee; es ist altes cus schon weggefallen. Indic. Am. Offen-
bar noch = Campus überhaupt. —
S. 154, 9 vgl. Chruchunperk, Ckruchinperck, Kruckenberg bei
Begensburg. Indic. Am. Nach den altbair. Lautgesezen ist c/»=k
und somit der Zusammenhang mit Erauchenwis nur scheinbar.
S. 157 Neufra, vgl. in Nifer(^n juxta Enze fluv. WU II 397.
In Niuferon jaxta Waldacha ebend. 400. Altnuifra bei Nagold.
Scher II 78 ff. 204 vgl. Wittenweilers Ring S. 142:
Die m&r die chament so ze band u. s. w.
In Prettengö und auf die Alben
Auf die Scherr und allenthalben u. s. w.
Im Unter-Engadin an der Waßerscheide des Spüllflußes und
dem in das Gebiet der Adda gehörenden Livignertale, unweit des
Ofener Passes, bildet ein Berg, la Scherra genannt, einen beide Tal-
gebiete scheidenden Rigel (Mittig. des Fürsten Karl Anton von
HohenzoUern).
Zu Heuberg II 81 ff. vgl. mons Houu^erc rechts über der
Marg. WU II 400. 8. 7 Alem. VI Anm. Bildveshusa hat Bau-
94
iDann jezt (ich bin im in seiner Angabe als ob es dem angab.
Schwaben angehöre willig gefolgt) dem Oberamte Göppingen an-
heimgegeben wie die wirtemb. Vierteljarschrift 1878 8. 21 es richtig
erkannte. Zeitschrift des Bist. Vereins für Schwaben nnd Nenbuig
IV S. 255 ff. (1877). ABirlinger
Zur Alemannia
I 167 ff. III 67 ff. Uchtblume: Colchicum Orientale, orien-
talische Zeitlosen: deren gibts frühe und florieren gleich im Mer-
tzen ; spathe florieren gleich im Herbst. Deliciae Hortenses, Stuttg.
1734 S. 62.
II 259: Tiroler: Kropfer sih Schmell. «I 618: „Tirol**.
II 259: Nobishrug. Abele, Seltz. Gerichtshändel 1654 429:
So machen auch fürwar die Schmeichler mit Betrug
Manch Feuer, das sie dann selbst bringt in Nolns-Krug.
II 265: Schweieerhosen : Flos Mexicanus yel FIos mirabilis
de Peru : Diß ist zweyerlei, einfach und gefüllt, werden auch Mira-
bilia, allerlei Farben und von etlichen Schiweuserhosen nnd Rabel-
len genennet. Deliciae 114. 249.
III 186: Judenspiefi. Spott auf einen neuen Adeligen: nnd
könne man ihre Bildnussen auf einer gemahlten Baum Kirchweyh
finden, aber in keinem Turnier, als mit dem Ebr^ischen Spieß, in
keinem Krieg als in dem Krueg u. s. w. Abele, Seltz. Gerichts-
händel 751.
in 274. 279: Schwarzer Caspar: daß die Märlefärber und
Hinderkläffer fär ein giftiges Natergezicht gehalten werden, so ver-
stellen, beduDcklen und verhexen alle Ehrbarkeit und wie der Zan-
berer den schwarzen Casper bey sich hat, also trägt der Nach-
reder den Meisterbämmerlein auf der Zungen. Abele, Seltzame
Gerichtshändel S. 302.
III 277: Braifschaften sind der alten Eriegssprache ge-
mäß Wachtschiffe. In Fäschs Kriegslexicon, Dresden-Leipzig 1735
s. V. Piquet : Bereitschaft, excubiae castrorum noctnmae, statio ex-
cubitorum anterior, ist eine extraordinaire Wache S. 635 ff. Es
galt aber auch für den Schiffsdienst. Späths Gonstanzer Kronik
(Alem. VI 286, 5): in Bereitschaft gehaltene Markschiff 84. Die
Königische zwar in die Bereitschaft beim Creuzlingertor S. 104.
Zeitw. in einem zierlich bereiteten schiff = ausgerüstet, kampfbereit
gemacht. S. 331.
III 282: Rumormeister. Bildlich: mit Zauberern, mit Fried-
stürmem, Aufwiglem nnd Ru$narineistern u. s. w. Abele^ Seltzame
Gerichtshändel 302.
95
m 157 ff. Nie. V. Ochsenbach kennt Herr Prof. Dr. Theodor
Sehott in der Wirtemb. Yierteljabrsschrift I 210 ff. nicht. S. 283
nodlV 240: Strempfel^ Strumpf el. Ein Außgang oder Außlaß eines
See, Weyers oder wassere, das man ablast vn mit dem Strümpfl
beschleust emissarium, di(iQv\, Mart. Rulandi Lexicon, Augsbg.
1586 44b. Im Bremischen and Holsteinischen heißt der Orand-
pfal zam Stauen and Ablaßen der Teiche Mönh. Stürembiirg s. v.
Krause Oerm. 1871 S. 305.
ni 288: Stüneen: Zwei silberne s^flnxren mit Wein. Späth 269.
III 295: Hoppenzer: Frosch oder Hoppazger, Späth S. 243.
Vgl Germania 1871 S. 301. A. 1275 ist der ON Hoppetenzell
(Baden) mit Gella ranarum widergegeben: also das Wort im 13.
Jhd. volkstümlich (Bück).
IV 167: Clairon, Qoethe, der dise an den kleinen Höfen
umgehende Klatschgeschichte (aus einem französ. Unterhaltungs-
hlatte) in Schillers Hören „Erzählungen der Ausgewanderten ** mit-
teilte, bekam warscheinlich von Frau v. Stein einen jstarken Yer-
weifi; sie erkannte die Geschichte gleich wider und wunderte sich,
wie Goeihe dazu komme das in die Hören, ein so respektables
Blatt, zu bringen. Vgl. Goedeke : Goethes Leben u. Schriften 303 ff.
IV 258: Höllküchlein: „Ihr thnts aber darumb, das jhrPur-
gieigeldt habet und Apotecker Hellküchlin , sonst ist kein Nutz da-
rinn.'' Theophrastus Paracelsus opp. V tom. Basel 1589 Appendix
8. 98. R. Bück. In Aulendorf heißt ein Brot Höll-loable, auch
Bdlaloable. Vgl. Rochholz in Pfeiffers Germ. IV 101 ff. der annimmt,
der Name sei auch in Alemannien üblich gewesen, was verfelt ist,
nh Alem. a. a. 0. Ich bezweifle sogar die myth. Grundlage auch.
Tbeophrast und Fischart sind in irem Wortschaze vil internationaler
deotach als man zu glauben gewont ist.
IV 260: Vogel: Vogelbua, Vogelbube heißt in der Baar, in
Seitingen z. B., der Junge der bei Bauten Handlangerdienste tut,
im Lahnsteiner Zollbuche Mitte 15. Jhd. Opperwerker. Am Nider-
rhdne ist „ Vogd " ebenfalls üblich in der Ziegeleispracbe für höl-
lerne Trage, welche als Last auf dem Nacken des Mannes ruht;
dann aber mit zwei Flügeln sich über dessen 2 Schulten legt,
dessen Hände sie faßen. Aus Süchteln. Was wir in Alemannien
ftber Vogel nennen, heißt Backj ein allgemein gebrauchter Name:
Gerißback, Speiback, Futterback u. s. w.
V 151 ff. 287: Kur f es. Im Allgäu, unter bairischer Krone,
Tom Bodensee biß Weiler hin, sagt das Volk allgemein ^s Zigerle
dalikr.
V 285 ff. Lortanne. In Straßburg noch kürzlich üblich : Nachen
*u Tannenholz, Tannenholzkan , Kanalschif, vorn abgeschniten,
^ Transporten von allen Geweren rheinabwärts gebraucht. Kilian
I^ttfflaei Diction. ed. Gerardus Hasselt Trajecti Batav. 1777 4<>
S* 60a Anmerkung: inter antiqua navium genera recensentur
96
Lordennen^\ Hoochbaerden, Dootslegers^ GasthuyBenif Yloetacheepen,
Swartescheepen , et qoae huo feMsiant BeyUlschepen. WeiBtümer
II 223 : Beitgelschif n. nayigium oblongnm et angastum, zu Beytel,
Beißel. Diefenb. Gloss. s. v. Pristis.
VI 52: Wan du tvilt das Töchterlein ^ han sib VI 159 ff.
wo eine Variante stet. — S. 173: 8L Huberti Schlüßel vgl. Alem.
ni 265. V 62.
VI 177 Judaskuß : Judas Kuß ist worden neu, | Gute Wort
und falscbe Treu? | Lach mich an und gib mich hin | Ist jetzund
der Welt ihr Sinn. | — Weist du nicht ? | Daß treuer Freund, ein
seltzam Gast | den Melonen gleich zu scheteen; | Fünfzig Körner
must du setzen. Eh dann du einen guten hast u. s. w. Abele,
Seltzame Gerichtshändel 1654 S. 131.
VI 201 ff. 206 V. 236 ff. Ueher das Schüeenfest eu Wem-
felden 1558 list man in den Eidg. Abschieden Bd. IV 2, 1012:
„Lucas Ulmer Vogt zu Weinfelden hatte ebne Bewilligung des Land-
vogts an gemeine Orte der Eidgenossenschaft u. a. m. ein Frei-
schießen aasgeschrieben, welches stark besucht worden; da der-
selbe aber durch Schinderei und Allefanz die Sache so getrieben
hat, daß er für seine ausgesetzten Gaben wohl lOfach entschädigt
worden ; da er ferner in seinem Einladungsschreiben an den Fugger
in Augsburg denselben Herr zu Weinfelden genannt hat, so >iirird
der Antrag, daß in Zukunft niemand mehr in den gemeinen Vog-
teien sich solches ohne Bewilligung der Obrigkeit erlauben dürfe,
in den Abschied genommen. Auch wird Ulmer auf künftige Tag-
satzung citirt, um sich zu yerantworten. " JMeyer
V 92: Verena- JBeuilinsloch. „Der Antiquarius des Nekar-
stroms, aus welchem meines Wißens zuerst Rochholz in seinen
drei Gaugöttinnen die Nachricht von unsrer schwäbischen Verena
geschepfb hat, ist keineswegs die älteste Quelle ; yilmer erzält schon
CrusiasAnn. Suev. Paral. 10 die Sage vom „Frena-Beutlinsloch^ aus-
fürlich. Aus im schepften, zum Teile abändernd (wol nach ungenauer
Erinnerung), zum Teile zusezend, Sattler (historische Beschr. etc.
2, 98 ; topographische Gesch. 366) , Schwab (Neckarseite 146),
Griesinger ( Universallex. etc. 1483). An Ort und Stelle ist die
Sage erloschen, selbst die Hole war in Vergeßenheit geraten und
nur der schlotartige Ausläufer, der oben auf der Bergfläche mün-
det, unter dem Namen Fronenloch bekannt, biß im Anfang des
vorigen Jarzehnts nach Crusius' Angaben die Hole wider aufge-
sucht und die gelbe Sickererde, womit sie erfüllt war, daraus ent-
fernt ward." Vgl. Ausftirliches darüber in des Verfaßers obiger
brieflicher Mitteilung schönem Buche „Nebclsagen^ von Ludwig
Laistner Stuttgart Spemann 1879 S. 292 ff. worüber die Alem.
noch näheren Bericht geben wird. ABirlinger
1) „Zur Lordannefi, Laurdannen" einst Name eines Hauses am
Markte zu Bonn. Lagerb. ed. Pick.
97
Josna ülslieiiiiers Reisen nach Guinea nnd
Besclireibnng des Landes^)
Ich teile ans der Handschrift die Fortseznng der Reisen
Dlsheimers mit, indem ich für dißmal ans dem zweiten Teile der
Seisebeschreibnng diejenigen Kapitel answäle, welche sich anf
Guinea beziehen. Der Rest behandelt die Reisen Ulsheimers nach
Ostindien and wird später veröffentlicht werden.
Zar Vergleichung habe ich die folgenden gegen Ende des 16.
nod zn Anfang des 17. Jarhunderts erschinenen Beschreibungen
Ton Gkiinea herangezogen, welche indes Ulsheiroer selbst kaam
hei Ab£Mi8ang der seinigen benuzte. Johannes Hugo Linscotanas
W seiner Navigatio ac Itinerarium — in Orientalem sive Lusita-
ooinm Indiam (Hagae-Comitis 1599) eine Descriptio totius Guineae
tractos, Gongiy Angolae, et Monomotapae beigefügt, dieselbe be-
rfirt Ober-Gninea nur kurz und verweilt hauptsächlich hei Congo
und Angola. Ausfürlicher ist die „Warhafftige Historische Be-
ichreibang deß Gewaltigen Goldreichen Königreichs Guinea, sonst
das Ck)ldgeBtad von Mina genandt — Auß Niederländischer Ver-
leichnaß, in Hochteutscher Sprache beschrieben durch M. Gotthardt
Arthus von Dantzig. Alles — mit schonen EupfferstAcken ge-
lieret, vnd an Tag gehen. Durch Johann Theodor vnd Johann
Israel von Bry, GebrAder.*^ (Franckfurt am Mayn, In Verlegung
Wilhelm Fitzers, Anno MDCXXX.) Es bildet den 6. Teil der
großen Sammlung von Reisebeschreibungen^ die unter dem Titel
«Der Orientalischen Indien '^ herauskam. Der 12. Teil derselben
Sammlung (Gedruckt zu Franckfurt am Mäyn, bey Caspar R5tel,
In Verlegung Wilhelm Fitzers 1628) enthält einen „Anbang der
Beschreibung deß Königreichs Congo. Innbaltend, FAnff Schif-
&rien Samuel Brauns Burgers vnd Wundartzt zu Basel, so er —
b vnderschiedliche weit entlegene frembde Königreich vnd Land-
sehafiFlen glücklich gethan" etc. Braun gibt eine genaue Beschrei-
bang von Nider-Guinea und von der Goldküste, welche leztere er
1617 unter der Expedition des Generals Calancio besuchte.
Der Ander Thaü. Das Erste Capittd. Von der Ersten Beiße
m Africam und erstlich hiß auf Bio de Benin,
Alldieweil ich nun den früling zue Amsterdam zu brachte,
waren von Genuesischer Compania zwey schif zu gericht, nacher
Giiwea anf die Qoldkust zu fahren (welche in Africa ligt und ihren
Anfang su Capo Baimas ^) 4 Grad von der Linea Equinoctiali
ü
1) Alem. VI 90 ff.
POmea Hs.
VU2
9d
nemet biß nacher kust Acora ob Monte ^), alß in die 120 meilen
sich erstreckht). Dariber ist Scbifherr geweßt mein alter Capitani,
mit dem ich zuvor 2 mal in Westindia geweßen bin, Namens
Cornelius Hanßen. Auf dißer Schifffart nun hab ich mich aber-
mahlen für einen wundartzet gebraueben lallen. Seind demnach,
alß wier auß gefertiget geweßt, von Amsterdam in Anno 1603 im
Mayen ausgeraißet, und haben unßern Curs auf die Goldkust von
Nova Guinea genommen. Alß wier under Engellandt kommen,
seind wier von einem Contrari wind nach Pleymuie*) getriben
worden, alda wier zwen Monat still ligen und auf den wind haben
warten mießen. Da wier nun guten wind bekhommen> seind wier
in Gottes Nammen fort gesegelt und erstlich hinder der Barbari
kommen auf G. Verde 13Va grad oberhalb der Equinoctial Linea
gegen uns hero gelegen. Daselbsten haben wier eine Schlup *}
(welches ein klein Schiflein von ungefähr 12 lasten ist) aufge-
setzet, und sein fürter die kust längs geseglet, auch endtlich in
die Grrem oder Graan kust*) khommen, aber in keinen Hafen ge-
lofen, sondern immer vort gesegelt, doch seind die Schwartzen
oder Moren mit Lemonen an Bortt khommen, und haben anß
Bomerantzen, Lemonen, Ziteronen, Benanes und sonsten allerhand
fruchten, auch EUephanten zän gebracht und eingetauschet, son-
derlich brachten sie vil Mäloget^) daß ist reß ®) wie pfeffer, und
gut in der speiß zu brauchen.
Darnach seind wier [an] die kust C Palmcts wie auch Quak-
qua (das ist Teutsch souil alß wiUkhome) kommen ^). Dißes ist
ein heßliches volckh, sie feilen die zftn spitzig, wie die hundszen ^),
und seind Menschenfresser. Daselbsten hept es an Gold zu geben.
1) unten JJcra genannt.
2) Plymouth.
3) Schaluppe (chaloupe), die von ülsheimer gebrauchte Form
schließt sich enger an das Niederländisohe sloep an, woraus das fran-
zösische Wort erst entlent scheint.
4) Kömerküste (Pfefiferküste), von engl, coast of grain.
5) Ein Gewürz, welches bereits vor der Entdeckung Guineas aus
der Berberei nach Italien eingefürt wurde, die sogen. Paradieskörner.
Es stammt von einer Art Ingwer (Amomum Grana Paradisi L.), den die ^
Portugiesen Malagheta (Melegueta Manigueta) nannten. Weil man in
für eine Art von Pfeffer hielt, bekam die Küste den Namen.
6) räß (mhd. raeee) =x scharf, herb von Geschmack, von einem
Verb, das in der Ableitung ratzen (kratzen) noch vorkommt.
7) Auf der Zan- oder Elfenbeinküste y welche am Cap Palmas be-
mnnt, unterschid man früher die Küste der bösen und der guten Leute.
Die lezteren sind die Quaquanegefj welche von irem Gruß „Quaqua*',
den sie bei jeder Gelegenheit hören lassen, disen Namen erhielten.
8} Diß wird auch sonst von einigen Negerstämmen der Zanküste
berichtet und als Beweis der Anthropophagie angesehen. Freilich würde
es zu der Bezeichnung der Quaquaneger als der guten Leute nicht
passen, wenn es auch von inen gälte.
99
•
Dtmach seind wier imer fordt gesegelt, auf das C. de S puntas^
an welchem ort sich der recht Goldkust anhebt. Endtlich haben
wier SU Commenda^) (ist ein dorff) das schiff an einen anckher
gel^^, nnd haben daselbst eili Zeitlang mit den Schwartzen ge-
htndlet. Darnach sein wier anff C. de Corsa ^) geschifft, ligt eine
meil ander dem Gastel^), daselbsten ist das schif etlich Monat lang
gelegen, nnd haben wier mit den Schwartzen gehandelt.
Weil wier alda gelegen, ist anf ein zeit ein Schif zn uns auf
die küst kommen, welches von Graff Moritzen auß Niederlandt selb
ander anßgefertiget worden, aber auf dem Meer durch ein fortnn
fon seinem zngebnen schif verworffen, und ein orlochschif das ist
ein hollendisch Kriegschif genent worden. Derselbige Gapitani hat
ooßem General angesprochen, daß er imme ein Man oder dreyssig
gebe, er wolt das Castel ^) einnehmen, solches verwilliget im nit
allein nnßer General sondern zog auch selbsten mit ans landt, da
sie sich dan in 130 Man starckh mit mußqueten hämisch und
langen spießen und ander notturfft zum streitt wohl armiert be-
landen.
Alß sie aber von Gommenda auf das Castel zue marsierten,
begegnet inen etlich taussendt Schwartzen, in meinung die nnßem
1) Cap der drei Spieen (de tres puntas), von den Portugiesen
10 benannt wegen der drei kleinen dicht neben einander ligenden
Spiien oder Berge, aas denen es bestet. Andere beginnen die Gold-
töste etwas westlicher bei dem Assinie-Fluß. — Hs. puntes.
2) Commenda oder Commendo (Portugiesisch Aldea das Terras),
ein Dorf und Hafen, noch im westlichen Teil der Goldküste, auf wel-
chem die Holländer die Forts S, Sebastian und (1688) Vredenburg an-
legten.
8) Cap Corso, jezt gewönlioh in der engl. Namensform Cape Coast
genannt.
4) Gemeint ist das Castell Elmina, welches etwas westlicher als
Gip Coast ligt. Das auf dem lezteren befindliche Castell wurde erst
1663 von den Schweden angelegt.
5) Das Castell Elmina wurde auf dem Grunde einer zwischen
1388 — 86 von Normännern aus Rouen und Dieppe angelegten und um
^ Mitte des 16. Jarhunderts verlassenen Ansidelung im Jare 1484
von den Portugiesen erbaut, welche, wie Arthus S. 90 erzalt, zu disem
fikrhtbenden Bau etliche Schiffe mit Kalk und Steinen, neben' andern
Inatramenten und allerhand Werkgezeug aus Portugal verschriben. Von
(^i>em befestigten Punkte aus versuchten die Portugiesen, allerdings
▼ergeblieh, sich das Monopol des Goldhandels auf der Küste zu ver-
"cbaffen ; besonders die Niderländer wüsten sich einen Anteil daran zu
^ifthenu Gegen dise nun wurde von Elmina aus der heftigste Kampf
S^fört, als Philipp n. von Spanien auch Herr über Portugal geworden
^. 8. Arthus S. 92 — 99, wo sich auch eine Abbildung des Castells
findet. Deshalb legten die Niderländer zum Schuz ires Handels 1612
Y^ Meüeu östlich von Elmina das Fort Nassau an (s. über dise Grün-
daiiff den Bericht von Samuel Braun in dessen Fünff Schiffarten S. 25 f.),
^wSch gelang es inen 1637 Elmina selbst durch List wegzunemen.
100
sramckh zatreibeD, und zu schlagen, derowegen wier, alß wier
solchen großen hauffen gesehen, ein Ordnung gemacht, and einen
halben Mon hoch von Sand vor ans aufgeworffen, wie aach die
schif, welche nitweit von land gelegen seind, mit schießen
dapffer af die Schwartzen getroffen haben. Indeßen begieng anßer
General xind besagter Hauptmann ein gantz unbedechtlich stuckh,
darumb sie auch daß leben geben mießen, dan sie giengen sampt
einem jungen zun Schwartzen hin, und vermeinten sie wolten den
Schwartzen* bereden, das dieSchwartze (weil wier nun des Castell
begerten) zu friden sein und uns ziehen laßen solten. Aber die
Schwartzen verstunden den handel nit recht, dan der General bil-
det im hohe sachen ein, kundte auch zimlich schwatzen, dardurch er
zum General worden war, aber nit der Man darnach, wie sich hie
befunden. Dan indem sie zue den Schwartzen giengen, winckhet
er inen mit der handt und schreyet paish paish paish, ist Spanisch
pas pas pas, Frantzösisch paix paix paix, Teütsch Frid Frid Frid,
meinet nit änderst dan sie wurden alß kinder oder alß seine an-
dergebene gleich auf sein fridbot geben, und ihre wehr niderlegen.
Aber sie achteten seiner Narey eben so wenig, alß in Anno 1601
die belagerten Türckhen, in Canischen, des Cappuciners Münchs
meß, der dardurch der Türckhen geschütz beschweren oder ge-
stellen wolte, das sie nit mer darauß auf die Christen schießen
köndten. Dan wie selbige Türckhen den Münch von seinem altar,
den er vor der vestung hat laßen aufrichten, hinweg und sampt
dem a|tar zu trimern verschoßen, also haben diße wilde Morön
dißen unßern General sampt dem Hauptman und Jungen unge-
achtet ihres fridbots ergriffen, und inen die köpff abgeschlagen,
auch hernach außgehület, und noch ehe wier von daneiv gezogen,
daraus getrunckhen, den jenigen, der den General erlegt, ward von
den Schwartzen ein kusten oder truchen voller messer spiegl und
gläsierene korallen oder poterlen für seine riterliche thatten ver-
ehret. Auf solches meinten die Schwartzen, sie beten unß schon
gantz erlegt und geschlagen, lieffen derohalben mit einem grew-
lichen geschrey auf uns, alß derfften sie nur die beit holen, aber
es ward sie zu bald gerewen. Dan unßere Mußquetierer fiengen
an fewr zu geben, dardurch gar bald vil Schwartzen zu boden
erlegt worden, rißen derohalben aus, und gaben die flucht, der
eine da* der ander dort hinaus, und weil wier keinen General und
jene keinen Hauptman mer baten, zogen wier unverrichter sachen
wider von landt ab, über diß besorgten wier auch, die Spanier
mochten noch einen hinderhalt haben.
Nach solchem verordneten und erkivßeteu wier einen andern
General, Adrian vmi Oust genant, derselb schickhto mich mit
einer wohl außgerüsten, und mit mußqueten, groben geschütz
und andere zugehör woll armirter Schlnp selb vierzehendt nach
Benin.
101
Bas Ander Capittd. Wie ich in Benin kommen und was sich
dornen eugetragen.
Da wier nnn also außgefertiget waren, segleten wier von Cap
Gore anß nacher Ackra^)^ alda man das beste Gold findet, von
dannen anff Arden^)y daselbst haben wier ein Portogallisch schiff
angetroffen, and mit inen ungevärdb 2 stundt geschütz geverdt
gebalten. Endtlich aber weil sie uns zu starckh geweßt, sie
wfidemmb verlaßen, und seind vort gesegelt, nacher Rio de Logo *),
da wier eingeloffen. Im einlaufen seind wier mit der Schlup auf
den grund khommen, und in gevahr leibs und guts gestanden,
wier dan yil kessel und beckhet aus geworffen, die Schlup leicht
ni machen, endtlich seind wier aber mit Gottes hilff wider darab
khommen, und der Statt zu gesegelt, welche dem König von Benin
(der in die sibenhundert weiber hat, und ein mechtiger könig ist)
20 gehöret. Es begab sich aber eben zur selben zeit, das ein an-
dere seiner Statt rebelliert, die er, weil die Statt umbmauret war,
und sie daselbsten kein geschütz haben, so leicht nicht zwingen
kente, ließ derohalben der König uns ansprechen, wier solten ime
helffen, dieselbe Stat wider zu gehorsam bringen, welchem wier
wflforten, und zogen unßer zwelf mit 2 stuckhen großes geschützes
mit den Schwartzen, deren in 1000 waren, für die Stat umb-
ligerte man. Wier aber stelleten das geschütz für ein thor. Deß
andern tages schickht unß der feldobirster ein gaiß und zwuc
bennen, begerende wier solten solches unßerm Gott opffern, welches
Opffer wier gleich ime wider schickhten, und ine beandtworteten,
das außer Gott weder gaiß noch hüener esse, derohalben er uns «
biten laßen, wier wolten unßern Gott auf unßere weiße ehren.
Sie opfferten aber denselben tag dem Teufel (den sie daselbst
*ftr einen Gott halten) zwen Menschen, siben hundt, drey ochßen,
swelf gaißen und über die hundert hüener. Alß solches volbracht
war, fiengen wier an auf die Statt zue schießen, einen halben tag,
biß wier das thor hinein geschoßen haben, nach welchem die
Schwartzen mit aller macht hinein gefallen, die stat überweltiget
1) Akra ist ein Landstrich im östlichen Teile der Goldküste, wo
jeat die Fort James (engl.), Crevecoeur (holl.) und Cbristiansburg (engl.)
ligien.
2) Ardra auf der Sklavenküste, 10 Meilen westlich vom Rio Lage,
fgl. Arthus, welcher S. 100 berichtet, die Küste vom Rio de Yolta an,
welcher die Ostgrenze der Goldküsto bildet, werde weg^en der gofar-
liehen Sohiffart selten besucht „biß an Bio de Ardra. Diß Revier oder
Oegendt wirdt sehr von den Portugesen besucht, und ist weit und breyt
beunt» nicht zwar als wann es so ein gut Land were, sondern wegen
der Hänge der Schlaven oder Leibeygenen, so daselbst verkaufft
werden''.
8) Der Lagos, ein bedeutender Küstenfluß der Sklavenküstc, un-
gefiur auf der Grenze nach Benin gelegen.
102
und erobert, auch alle wehrhaften manspersonen darinen niderge-
hawen, die weiber nud kinder aber gefangen, ander sich getheilt,
auch unßerm yeden ein weib gegeben, Endtlich aber die Statt ver-
brendt und in boden gesohlaifft haben.
Endtlich seind wier mit großem Triumpf wider nach er Sio
de Lago gezogen, da uns dan der König nit allein finff lest pfeffer
geschenckht, sonder auch durch sein abgeordnete uns auf allerley
weiße groß ehr hat anthun lassen.
Von danen zogen wüer auf Benin die große stat, da der
König sein Residentz hat^, daselbsten die schlup vollendt mit
pfefPer zuladen. Alß wier nun dahin khommen, ließ uns der König
dapffer empfangen, wie er dan uns zu gefallen sein Königlich fest,
welches er alle jähr nun einmahl (daran sich also jährlich der
König nur einmal von dem volckh sehen laßt) begehet, gehalten
und sonst groß Ehr erzeigt hat. Weil wier under deß nun mehr
pfeffer geladen, nammen wier unßern abschaide.
Das drit Capittel. Wie toir von Benin unfier Schlup weiter
auf Cäbo de Lopo Gonzalva, auch endtlich auf die hast gefahren,
und was unß begegnet.
Alß wier zu Benin fertig geweßt und abgesegelt, haben wier
unßern Gurs genommen auff Bio de Camerones ^) und Bio de B^
ungeyahrlich 7 oder 8 grad ober der Linea Equinoctiali gegen uns
hero gelegen, da wier Ellephanten zän umb unßere waren einge-
tauschet haben.
Da wier erstlich ankhoromen in Bio de Camerones^ seind die
Schwartzen mit sechtzig Canoen^) (das seind ihre schiff) auf uns
zu gefahren, m. meinung uns zu überfallen, derhalben wier uns in
der schlupp mit tuechem und schantzsegel woU verschantzt, auch
das geschütz fertig gemacht, aber mit dem Ipßbrinen verzogen
haben, biß sie gar nahe khommen, das wier mit gutem vortheil
anheben fewr zugeben y ab welchem ungewöhnlichen und un ver-
sehenlichen feur und donnern, sich zu salvieren, under das wassei
gestürtzet, und die flucht gegeben, dan wier ihrw vil erschossen
haben.
Deß andern tags seind wier zu zwuo Canoen^) khommen.
Die Schwartzen hielten von fernen, taucheten imer mit einem finget
ins Wasser, und hielten in also naß über das rechte *aug. Wiei
1) Eine genaue Beschreibung der Stadt gibt Arthus S. 101.
2) Der Camerun mündet unter 4° n. B. in die Bai von Biafrs
gegenüber Fernando del Po. Westlich davon fließt nach der Karte bei
Linscotanus der Bio Beal ins Meer. Samuel Braun S. 14 freilich hat
eine andere Beibenfolge: Auf .solches (von Benin aus) sind wir nach dem
Land von Ambosy und Camarona, Rio de Anikare und Rio del Ree
gefahren. '
3) Ganonen Hs.
4) Hs. Ganonen.
108
kundten du wißen was sie damit meinten (sie wolten aber damit
orknndigen, ob wier frid halten und handien wolten oder nicht).
EndÜich sagt ich wier wolten es auch also machen, wie geschehen.
So bald wiers nun auch also gemacht, seind sie gleich zu uns an
bort gefahren, und haben gefragt was wier wolten. Weil wier aber
nit mit inen reden kundten, zeigten wier inen Messer Beckheter und
falsche Corallen, mit glaß gemacht, haben inen beneben mit deu-
ten und wiockhen zuverstehen geben, was wier dargegen beger-
then, bliben also in die drey wochen bei inen, und handelten
mit inen fümemlich mit Ellephanten zän. Sie aber thetten nit
dergleichen einmal, das ob sie wüsten, alß sie uns zu überfallen
heten wollen. Nachdem wier nun in dißen dreyen wochen vill
EUlephanten zän bekhommen, seind wier weiter vort und erstlich
wad Rio de Qangra^), von danen aber auf Capo de Lopo GonzcUva^)
gefahren. Dißer ort ligt schon einen g^^tzen gradum über die
Equinoctiali Lini oder Mitl Lini der weit, und muß man sich da-
•elbsten schon des poli antarctici (dan man unßem polum nicht
mehr sehen kan) uf den schifen gebrauchen.
Wier drafen aldort ein Frantzösisch schif an, waren aber
Freybeiter und brachten unsBrott, aber wier traweten nicht, son-
dern macheten uns bald von danen, und segelten strackhs durch
den Equinoctialem wider der kust von Ghiinea zu mit pfeffer und
Ellephanten zän wolbeladen.
Derwegen unßer General ein schif mit Ellephanten zän und
Benenischen Pfeffer auch (weil die kust von Guinea jährlich fünff-
lehen oder sechszehenhundert pfund golds liferte) mit 1600 Pfd.
golds laden ließ, nacher haus in Hollandt zu seglen, auff solches
WBT ich vom General doch mit einem guten willen auch geordnet.
Das Vierte CapUtel. Wie ich von Gmnea wider nacher Hol-
landt gereißet und ich underwegen von den Menschenfressern ge-
fangen^ aber endüich glickhlich zu hatifi ankhomen seye.
Alß wier nun von unßem General abgefertiget geweßt,
haben wier unßem weeg nach hauße ^nommen und seind erstlich
nf Rio de Gangra gleich ob Rio Cambo^)^ nit über 3 grad von
der Equinoctiali Lini gegen uns herwerts gelegen, zu gesegelt, alda
etlich kupffere ring und messen beckhet, die wier noch übrig
haben, vollend znverhandtlen. Da wier nun in die Refier khom-
men, haben wier unßere schif in anckher gelegt, und einen schuß
1) Der Rio de Angra mündet unter 1^ n. B. in die ßai Corisoo.
y,Die Insel Corisco bat den Namen von den Portugesen bekommen, da-
mmb daß es auf derselben viel Ungewitter gibt, mit Donnern, Blitzen
oder Wetterleuchten, und großen Uegen, daß es also daselbst nit gut
wonen ist.*' Arthus S. 105.
2) Cap Lopez, l^ s. B. Hb. Cape delopo Gonzxda.
8) Rio de Gahom bei Arthus S. 106» Köniffreioh Caponu bei Sa-
muel Braun S. 16. Es ist die Bai von Gaben oder Gabun Vt^ ^* ^*
104
auß einem großen stuckh gethan, mit welchem wier den Schwär*
tzen ein zeichen geben, das sie an bort kommen solten.
Alß sie kämmen, brachten sie Ellephanten zän ^) nnd roten
Sandel, die haben sie mit nns gegen kupffere ring nnd messine
beckhen verstochen. Weil sich nun die Schwartzen gantz freindt^
lieh gegen nns stelleten, tribe mich der f&rwitz, das ich den Ga-
pitan ansprach mich mit den Schwartzen nacher landt fahren, nn-
gevahr ein meilwegs vom schif. Da mich ihr König freundtlich
empfangen nnd in sein hüten gefüehret, anch brott von Benaxines
gemacht (dan sie haben sonsten keines, weder was 'sie von geder-
ten Benannes machen) wie nit weniger Wein de palm gegeben,'
also mit mir gezeret und gnts mute geweßt. Inn dem wier also
frölich waren^ kämmen ein hänfen Schwartzen dahin, f&r des Königs
hüten gelofen, die stellet sich gar zornig, und sagten spanisch zu
mir, es heten sie mein volckh betrogen, dan dieselben inen ring
zu kaufifen gegeben, die kein niitz seyen, angesehen dieselb sie
entzwey brechen kennen, wie auch an im selpst war geweßen. Es
seind aber nit wier, sonder die Kupfferschmid die sie gemacht
daran schuldig ' geweßt, nichts desto weniger weiten sie von mir
haben und mich zwingen, ich solte dieselben wider machen, oder
sie weiten mich nicht mehr an den bort laßen, sondern fressen,
und redeten mir gar spöttisch zu, ja die weiber tantzeten schon
umb mich her, ireweten sich und sungen, nammen mich bey der
band, und steleten sich alß weiten sie mir drein beißen, sie grifen
mich auch ferer an den leib, ob ich faist sey, und bestellet schon
ein yedwederer theil an mir. Hie laß ich ein jeden verstendigen
selbst judicieren wie mir zumuot geweßt seye.
Ich versprach inen aber die Ring wider zu machen, wan sie
mich in das schiff ließen, dan da selbst, sagt ich, het ich den
werckhzeug darzu. Aber sie weiten es nit thun, sonder ich solte
es bey inen machen, oder sie weiten mich freßen.
Derwegen ich nochmahlen zu dem König begert. Den bat
ich er solt zu dem schiff schickhen, und mir den werckhzeug
hellen laßen, so woldte ich die zerbrochne ring wider machen,
sagte beneben ich wolt inen ein Wortzeichen mit geben, das sollen
sie dem Capitan zu stellen, so werde er inen die Sache, dar mit er
inen die ring wider machen kenne, Ufern, die sagte er mir zue.
Es kam aber selben tag kein Cannoa mehr an bort, mieste ich
also warten biß an Morgen. Ueber nacht füehren sie mich in
ein hüten, gleich hart an des königs hüten, darinen muste ich
zwischen zweyen weibem, die mich bewareten, ligen, und wa ich
gieng, da giengen sie neben mir her. Ümb miternacht hub der
König an, auf eim eißern gemecht wie ein Schell klopffen, redete
1) Arthus S. 106: und wirdt viel Elffenbeyn daselbst (zu Angra)
vertauschet.
105
imd sung auch durcheinander, ungevahr ein viertelstund. Darauf
erhub sich ein grosser grewlicher wind, der wehet des Königs
hüten ZQ, alß wolt er alles zu häufen wehen. Auf solches fieng
der König an, noch lauter zu singen und zu schreyen, so lang biß
es wider still war. Da höret ich in schier ^ie gantze nacht mit
dem Teüffel reden, ich konte aber nichts verstehen, so sagten die
zwey weiber zu mir Eybo Eybokewa ist sovil „Du Weißer, der
Teüffel ist beim König', damit erfrewet sie mich also, das vor
angstschwaiß kein truckhner fad an meinem leib gebliben. Wan
dißer König zu rath sitzet, so sitzen seine weiber mit ime zu
rath, und seh wetzen vilmehr alß der König und seine obristen, in
maßen sie auch in der urtheil den verzug haben.
Alß nun Gott den tag gab, darnach mich hertzlich värlangete,
kam der König zu mir und sagte. Er wolte an das schiff schickhen,
was sie sagen miesten, und wa ich das Wortzeichen het. Da gab
ich inen ein zedel (dan ich bete alzeit papir und schreibblei bey
mir gehabt, und solches zu dem Ende, das wan ich etwan etwas
sonderlich oder seltzams gesehen, ich das selbig verzeichnet oder
reißen^) kendte) an den Capitani, darinen ich kurtz geschriben,
wie mein sach stunde, das nemlich die ring kein nütz*) und
derentwegen ich gefangen lege, auch da er mich nit liberirte, weil
ich die ring nit machen kendte, gewiß gefressen würdte. Mit
dißem brieffe schickhet der König etliche Schwartzen, darunder
auch sein Sohn war, an bort zu meinen Capitani, sie nichts wi-
derigs versehendt, dan sie verstunden sich umb die schrifft nichts
noch umb das leßen. Da sie aber an bort kommen, und der Ca-
pitan den zedel geleßen hat, behüelt er des Königs Sohn sampt
den andern Schwartzen gefangen, biß an zwen, die sohickhte er
wider zu dem König, mit dem beschaid, wan sie mich an bort
lifem werden, so welle er diße auch loßgeben.
Da die Schwartzen diße zeitung empfiengen, schrien und
hielten sie zusammen und wurden bald retig ^), mich wider an
bort lifem.
Derowegen der König selber zu mir kommen, zeigt mir sol-
ches an, und sagte ich solte mit denjenigen, die sie mir zu geord-
net, wider zue meinen Weißen ziehen, und sehen das sein Sohn
sampt den andern gefangnen gewiß ledig gelaßen würden. Bene-
ben gab er mir einen schlißel, dem war das blat oder hart abge-
brochen, und bat mich, ich solte denselben im schiff wider machen,
und bei seinem Sohn im wider zu schickhen, welches *) ich ime gleich-
1) reißen in Umrissen entwerfen.
2) schon mbd. das Adj. keinniUze (untauglich).
3) schon mhd. raetec raetic = Rat gebend ; raetic werden = einen
Ratschluß fassen.
4) welche Hs.
106
woU zusagte. Aber da ich wider in meim ficbiff war, wnrfe ich
denselben über bort, und nachdem wier den Schwartzen die haut
voll geschlagen, haben wier sie wider ledig und heim ziehen
laßen. Nach solchen saumeten wier uns nit lang mehr daselbsten^
dan sie baten kurtz zuvor, ehe wier hin kommen sein, etlich
Weißen überfallen und gefressen, welches wier noch an etlichen
umbständen merckhten, sie wolten es /aber nit gestehen, sondern
legten solches auf die in Rio Cambo, so .zunechst an inen ligen.
Segelten wier derowegen unßers weeges vort auf C. de Lopo^)
QcnzaXva. Da wier uns mit holtz und wasser versehen.
Darnach seind wier zuruckh der heimet zu fiir die insul 8t.
Thomae geschifft, und haben bey derselben ein Barka, die mit
zuckher geladen geweßt, angetroffen. Die weil es aber spanisch
war, und Li^a Bona^) zuschiffen wolten, haben wier sie geblen-
dert^), und ihres wegs wider fahren lassen.
Der gleichen beit ist auch uns eben in dißem unßem umb-
keren und heimfart zum ander mahl an die band gestoßen. Dan
alß wier' auf der hechte ^) gehn der Flamischen Inaulen (welche
auf die 40 grad von der Equinoctiali gegen uns her oberhalb der
Insuien Canarien ligen) kommen seind, haben wier ein ander schif
auß grofi Canarien (welches auf Westindiam seglen wolte, und in
die 70 Personen, weih und kind, darauf waren) angetroffen, wel-
ches wier auch wie daß vorige eingenommen und geblindert, her-
nach aber ohne einige leibs oder lebens gefahr oder beschedigung
wider haben vort faren lassen.
Nach solchem seind wier wider mit reicher beit nach heimet
in Holland geschiffet, und in kurtzem, benandtlich in Anno 1604,
zwischen Bartholomei und Michaelis, alß ungevahr seohszehen
Monat nacher unßer ausfart, zu Rotterdam an der Maaß oder
Mosa gelegen glückhlich ankhommen, dan die Rotterdam und Am-
sterdam in einer Companei seind. Von danen bin ich wider nacher
Amsterdam gezogen, hab also mein Guineische Raißen beschloßen,
und zu bemeltem Amsterdam auf ungevahr 4 Monat mich aufge-
halten. Eben umb selbige zeit da wier heimkommen, haben die
Staden die Statt Ostende ^ nachdem sie drey jar und acht monatt
belegert geweßt, und sich darauß gantz Riterlich biß auf das eü-
ßerst gewehrt gehabt, dem Feind, der noch darvor und durch
solche belegerung mehr verlohren alß gewonnen hat, gantz ver-
derbet überlassen.
^!
Lapo Hs.
Lissabon,
3) geplündert; 16. bis 16. Jarhundert hlundern und hlündern neben
plündern von Plunder Blunder (Bettzeug, Kleidung und Gerät beson-
ders ärmerer Leute).
4) Höhe. •
107
Das Sibendt Capittel, Von LandUart ufid Fruchtbarkeit 6rta-
neaej auch Rdigian BegmcfU Handihierung und andere Siten der
Gmneser.
Guinea ist ein großes Land und Königreich in Africa hinder
Barbaria und Interiore Libia, abendtwerts gegen America über
oder an dem Atlantischen Meer, der mitel Lini der weit zuge-
seglet, fJEihet nortwerts an sohald man Übern fluß, Senega genant,
von uns gegen mittag reißet, gegen Morgen stoßet es an Rio de
Logo und das Königreich Benin ^).
Zue Ccibo Verde ^ 14 grad von dem Equinoctiali nordwerts
gegen nnß hero, hebet sich die kust von Guinea an. Die inwoh-
ner seind schwarize Moren^ mit denen ist nichts zu handien, alß
Ambragräfi ^) (ist ein bißen Gummi der von einem Wahlfisch her-
kommen soll), aber es ist ein großer betrug darinen. Sie machen
vü Vieh, machet Buter, aber nit Keeße. Es gibt auch daselbsten
^1 Viach , und so man weiter ziehet , khomet man uf die Rechte
Goldkust, die Tanget an zu Quaqua und C, de tres puntas^), dar-
nach Yolget Atshin^), das ist ein kleines Castel, dem König in
Hiipania zugehörig. Daselbsten haben uns die Spanier ein Schlnpp
mit Man genommen, welche sie biß an zwen (die man auf das
Csitel a Mina gefüert hat) nider gehawen haben. Von daneux
komet man auf das dorf Commenda^)^ da ist ein großer handel
fon Leinwat, Beckhetem, Kesseln, Messer, Eyßen vilerlay sorten
und färben, glaßerine Corallen, kupfiferene Ringen, grob wulen-
thnch, Spiegel und dergleichen Sachen. Diße Goldkust höret auf
bei Rio de Logo gegen Benin zu. Die beste und reicheste Gold-
koit aber erstreckht sich von C. de tres puntas^) biß auf Akra.
Die fürnembste ort auf der Goldkust, da man handelt, sonderlich
die Hollender, seind erstlich Quaqua und Commenda, darnach Cape
äe Corsa''), Maurra^) und AJcra,
1) Hs. Berim.
2) Engl. Atnber-griSf grauer Ambra, soll eine krankhafte Goncre-
tion oder Sterooralverhartung des Cacbelot (Physeter macrocephalus)
•ein. Er warde hauptsächlich aus Ostindien und von der Ostküste
Africas eingefürt (auch Arthus Beschreibung S. 6 gibt an, daß man
am grünen Vorgebirge damit bandle).
8) Hs. puntes.
4) Atshin (Axim), der westlichste Teil der Goldküste, mit dem
gleichnamigen Orte, bei dem die Portugiesen schon unter König Erna-
nael das Fori Antonius anlegten, welches die Holländer 1642 eroberten
und seitdem besizen.
6) Vgl. oben S. 99.
6) puntes Hs.
7) Gap Gorso s. o. S. 99.
8) Mourre (Arthus S. 100), More (Braun S. 25 f.) oder Mauri
im Königreich Sabu. 3 Meilen östlich von Elmina, seit 1612 durch das
niederländische Gasteil Nassau gedeckt. — Hs. Maurra.
108
Es ist diß landt fruchtbar von Wein de palm ^), so haben
sie gut Brottf welches sie machen aus einer Frucht, die sie Mille *)
haißen, ist rundlccht und unßerm hanfsammen nit gar ungleich,
item auß Türckhischem Korn, deCen es bei inen vil gibt, sie neuen
es Mais^)^ nicht weniger haben sie auch vil Zuckherried^ und
sonsten allerley stattliche Fruchten. Des gleichen mangelts inen
nicht an guter schnabelwaidt «und Hiener Aper auch Visch den
Überfluß, also das man umb ein ring ding, alß etwan nur umb 2
oder 3 Ellen Leinwath, auf einen gantzen tag lang fär das gantze
schiffvolckh fisch gnuog kauflen kau, dan es ein große fischerey
daselbsten hatt. Eben sowenig haben sie auch Mangel an Wild"
hreU doch seind die Hirsch ^) nit so groß alß bey uns und haben
weiße strich, einen an dem andern, durch den gantzen leib, son-
sten seind sie rott, haben aber keine hörner. Die RechböckMen
seind bey inen größer nit, alß die Haßen bey uns, seind graw
von färben, und haben Jdeine hömlen. Femers gibt es bey inen
Papagayen und Merkaizen den hauffen.
Sie haben aber hingegen mangel an Waßer und kein ander
sießes alß das Regenwasser, das samblen sie in große gruoben bey
der Regenzeit. Es witert seltzam bey inen, wie in Ostindien^).
Im Maio Junio Julio biß in Augustum regnet es schier alle tag,
von selbiger zeit an regnets nit mer biß in Januarium, sondern
ist gar haiß wetter, also das alles vor großer hütz außdoret. Im
Januario heben die travado an, da khommen fast alle tag zwey
oder drey wetter, das wehret biß in Majum, wie in angefangnen
sibenden Capitels gemelt worden ist. Und dahero komet es, das
sie ihre Früchten im Apprillen säen und gleich im Augusto also
in vier Monaten nach dem Aussehen wider ein ernden.
1) PaJmwein wird aus verschidenen Palmenarten und zwar auf
ser manigfaltige Weise gewonnen. Den meisten liefert Rapbia vinifera,
die in den sumpfigen Niderungen vorhersehend ist.
2) Hirse (portug. milhio) werden einige Grasarten (Holcus sorghum
und H. bicolor) genannt, die man in Senegambien und Guinea anbaut
und aus deren Korn ein gutes Mel gewonnen wird.
8) Auch der Mais wird in Guinea stark gebaut und gibt vil-
fach zwei Ernten järlich. Der Name ist übrigens aus America einge-
drungen.
4) Unter den Hirschen und Rehen werden von den älteren Rei-
senden häufig auch die verschidenen Antilopenarten mit einbegriffen.
5) Vgl. Samuel Braun Anhanpf der Beschreibung deß Königreichs
Congo S. 4: Auff solchep harten Wind ist es in einem augenblick so
still worden, daß wir vns darüber verwundert. Es hat auch offt in
einem tag drey oder viermal mit grossem Gewalt angefangen zu reg-
nen, vnd bald darauff widerumb mit grosser vngestflmigkeit zu winden,
oder wähen. Welche Wind und Ragen Travada genennt werden, so
jhre gewisse zeit haben im Jahr, nemlich im Mertzen, Aprillen vnd
Meyen. Die vbrige zeit aber gibt es keinen Ragen, dargegen grosse Hits.
109
Auf irem Marckht haben sie ein heüßlen stehen. Wan nan
efiender speiße etwas nt den Marckhte kommet, so opffern sie zn-
Torderat dem Teü£fel (den sie Fiitiße ^) nenen) darvon. Ihr König
(den sie in ihrer sprach Aura, aber spanisch Rey nenen, und der
drey meil inerhalb landts in einer statt Futta^) genandt wohnet)
that änderst nichts dan das er alle tag sein Fiitiße (das ist sein
Tefiffelsbeschwerang und zauberey oder Gottesdienst) machet, das
Terricht er mit allerhandt narisch und zauberisch Ceremonien, mit
nogen, schellen und klinglen, auch murmeln, und sich hin und
her wendet, nahendt allerdings wie die Papisten ihr meß halten.
Dod ist eben durchaus bei inen ein Barbarisch werckh, dan es hat
bey uns ein dorfschultheiß mer Authoritet alß ein solcher König.
Wan er trinckhet, so nemmen im sein edellent das trinckhgeschir
Torm Maul hinweg, und saufens auß.
Wöchentlich am dienstag^) (den sie wie wier den Sontag fey-
ren) muß man dem König allen Wein auß seinem gantzen gebiet
bringen, den muß er hinwiderumb zum besten geben, hat derselb
Til gelt, und gibts nit zum besten, so schlagen sie in zu todt, und
nemmen alles was er hat, und versauffen es, dan sie behalten
nichts übernächtig. Wan auch einer under inen ein schätz hat,
nnd denselben nit zum besten gibt, so schlagen sie in, wan sie
deßen inen werden, zu todt. Iren König tödten sie umb einer
Bchlechten ursach willen. Wan ihr König stirbet^) so mießen alle
seine Edelleüt, die bei im im Rat sitzen, -auch sterben, deß gleichen
tnch alle seine Sclayen. Sie zerhacklien sie zu kleinen stückhlen,
ond werfen selbige hin und wider auf das veldt, mit dißem für-
geben, wan ihre leüt sterben so kommen sie in der Weißen landt,
daselbst mieße der König auch leüt haben, die auf in warten.
Darumb mießen sovil mit im sterben, und deßwegen machen sie
alle ihre Todten vor der begräbnus gautz weiß, ihr begrebnus ist
sovil als des gemeinen volckhs, des Königs halten sie rein, und
alß, damit der verstorbene täglich umbgangen ist, das legt man
im auf sein grab, damit er auch etwas zu schaffen habe, nnd das
er nach seinem todt nit etwan erst huuger sterb, so bringt man
im alle tag 2mal eßen und trinckhen auf das grab.
1) Fetisso bei Arthus. Fytysi bei Braun. Die heute bei uns ge-
bräachliche Form Fetisch ist aus franz. feticlie hergenommen.
2) Am nächsten stimmt hierzu der Name des Reichs Fetu, nur
ligt die Hauptstadt gleiches Namens an der Küste; landeinwärts ligt
die Residenz in Commendo (Guaffo), welches westlich, und von SabUj
welches östlich an Fetu grenzt. Weiter nach Osten wonen, früher in aus-
gedenteren Sizen, die. Fanti, welche in neuerer Zeit durch die Aschanti
svückgedrangt sind.
8)Jedoch halten sie denselben (den Feiertag) — am dritten Tage
in der nochen, nemlich am Dienstage, Arthus S. 31.
4) Vgl. aber das Begräbnis der Könige Arthus S. 81 f.
HO
Wan sie den König zu grab tragen, so tantzen und schreyen
sein weiber vorher, weißt aber keiner ob es gesungen oder geweint
ist, uf solches volget der ander Comitat. Sie die weiber des ver-
storbnen Königs tantzen, und schreyen also auf dem grab, und
von demselben wider heim. Wan sie wider heim kommen, so
schlupffet sie durch ein viereckhet ding, welches die FtUisa hai-
ßen, darnach sitzen sie zusammen in das hanß, und heilen gleich
wie die hund auf einen halben tag lang, sagen darzu „£y wanimb
bistu gestorben, was hat dir gemangelt, hastu nit weiber gnuog
gehabt ?*^
Daß treiben sie woU bei drey Monat lang, alle tag. Wan
solches furüber ist, so nemmen sie alles was er verlaßen hat, und
versaufen dasselb, sie kaufen auch kie oder ochßen darzu, die
freßen und reiben sie auf, mit dermen und kath (wie auch von
andern thieren), seind eben mit tantzen und springen gar lastig
dar bei.
Sovil sonsten ihr Policey anlangt, haben sie, wan sie etwas
mit einander beschließen -wollen , ein sonderbares hauß darzu,
gleich unßem ratbheußem. Im berathschlagen schreyen sie so laut,
das einer meint, sie wellen eihander schlagen, wan sie nun des
handeis eins worden sein, so schlagen sie zugleich mit einander
auf die brüst, und laßen darzu einen jetweder ein lauten hochtzer.
Den Obristen in einem dorf haißen sie uf portugellisch ein
Capitain. Der nach ime haist Metrini, ist der henckher oder nach-
richter, doch einer von den Obristen und fümembsten geschlech-
ten, mer alß ein Edelman.
Es darf einer sovil Weiher bey inen nemmen und haben alß
er will, wan einer eine nit mehr haben mag, so darf er sie von
sich jagen, wie sie auch irer Kinder nit vil nach fragen, sondern
dieselben verkhaufen und versetzen.
Sie seind Ehrgeitzig und trachten nach hohen Tituln. Seind
auch Edel, welche sie bey inen FilgcUga oder spanisch Hidalgo
neuen, und umb geschenckht und gaben machen. Dan wan einer
ein kuoh zum besten gibt, so machen sie in zu einem Eklelman ^),
wan er schon sonst ein Betler wer, und darnach beederseits woll
content, thut im auch das volckh sein ehr an, wan er nun den
namen Hidalgo hat, und nun einer gern ein Edelman wer, so
kaufPt er ein kuo oder stier, gibt inen dieselben zum haßten, so
machen sie auß im einen Edelman. Biß sie in zu einem Edel-
man machep, füehren sie ein wunderlich spil, so hie zu erzehlen
zu lang were. Allein wan daß närisch Faßnachtspill fürüber ist,
so tregt man letstlich den newen Edelman in deß Capitans hauße,
da nemmen sie wein de palm, schiten denselben auf den boden,
und rieren etwas« darunder, biß es ist wie leimen, damit schmieren
1) Vgl. über den Adel auf Guinea bei Arthos S. 78 ff.
111
sie in über den gantzen leib, das er lauter kotb ist, alßdan tragen
sie ine alß kotig durch das gantze dorff, die weiber tantzen vor
ime her, singen und loben in, wie er so ein stattlicher Edelman
sey, und sovil zum besten gegeben habe; so es uns geschehe,
wurde man* sagen, es were ein Saw, die sich in einer pfitzen umb
gewaltzet hete. Wan nun alles fürüber und der Edelman ge-
macht ist, 80 hat er nit sovil, das im ein blendt Pferd in seinem
hauß schaden thun kendt. Den köpf von der kuoh henckhen sie in
des Capitans hauß zur gedechtnus auf, und welcher zum mehe-
sten kieh köpff hat, der ist der greste herr. Sie achten keiner
kostticheit oder sondern zierdt, dan ihre heüßer seind nur hüten,
und nit groß, nur von riedt gemacht, so klein das sie darin nur
schlaffen. Darinen haben sie bey nacht ein fewr, und ligen auf
der erden nnder einander, wie das vich, jung und alt, darumbher,
sie deckhen sich nicht zu, und haben nur dene seckhlen^) under
inen auf dem boden.
Alle tag waschen sie sich dreymal, darnach salben sie sich
mit unschlitt oder mit Oel de jpo/ma'), welches ein köstlich Artz«
ney, und gelb ist, so sehen alß Saffran.
Der Mäner geschmuckh ist, das sie sich mit schlißein be-
hengen, tragen dieselben am halß, an den seitenwehren, ja sie
henckhen kleine schlißelen an die berth. Die Weiber haben ihre
zierd und hofart im har, welches sie mit QcHd zieren. Selbige
tragen auch woU gautz güldene Ring umb den halß. Diße Wei-
ber seind beneben gar hierisch, und frembder Nation Mäner sehr
begirig, jährlich halten sie zwen dentz^ einen wan sie außsohen^),
den andern wan sie einerndten. Daß treiben sie 4 wochen lang,
und fangen al wegen mit dem vollmon an, bey der nacht dantzen
sie am mehresten. Da geth es dan hierisch gnuog zu. Wie diß
Yolckh sonst in seinem thun Barbarisch ist, also seind sie auch
unfletig und mchisch im essen, dan sie eßen alles flaisch, küeh
schaff gaiß und gewild, mit dermen und sampt dem koth. Wan
sie uns ein schaf oder gaiß an bort zu kaufen gebracht, so haben
sie alweg das eingweid außgedingt, solches beten sie für ein heren-
oder schleckheßen, und sprechen wier seyen Narren, und wißen
nit waß gut sey.
Eß hat dißes volckh nit gar ein gesunden lufft, dan es gibt
bey inen vil hitzige pestilentzischo fieber^ und sonderlich ist es
gar ungesund im Mayen, das, welcher vil an land ligen wil, nichts
1) dünne Säcklein.
2) Palmölj ans den zerstampften und über langsamem Feuer ge-
kochten Früchten der Oelpalmo (Elaeis guineensis) gewonnen, welches
in Africa zur Zubereitung der Speisen benuzt wird. In neuerer Zeit
ist et ein Uauptgegenstand des Exports für den Handel nach Europa,
wo es zu Seifen und Maschinensohmiere verarbeitet wird.
3) aussäen.
112
gewißers alß kranckheit hat. lieber diß werden die inwohner
he£Ftig geblagt oder gequellet von den Wurmen^), die sie in gli-
dern bekhommen, und auf zwey klaffter lang, auch offib woU lenger
sein. Es hat offt einer sechs oder zehen, ja mancher weil mehr,
in den glidem. Wan diße Wurm herauß wellen, so machen sie
Bleterlin, alß weren sie gebrent. Daß selbig briofat endtlich auß,
und komet der Wurm mit seinem schwartzen. kopff herfür. Alß
dan muß man gut sorg haben, das man sie nit abbreche. Dan wan
einer bricht, so macht er gleich ein inflammation und großen
schmertzen, biß er gantz und gar herauß, so thnn sie nit mehr
wehe, bringen auch keinen weitem schaden. Darumb muß man
groß achtung drauf haben, und ein sonderbare artzney darzne
brauchen.
Es bekommet auch underweylen unßor volckh solche Wurm,
und thun denselben ofift große Plag an.
Diße inwoner haben auch ein seltzsamme weiß zu kriegen, dan
wan sie in krieg zu streiten kommen, so machen sie also balden,
wan nur auf irer oder ihres feindts Seiten zwen oder drei man
umbkhommen seind, frid halten^). Ihre wehr seind wie kleine
spießlein, die haißen sie Hasagayen, sie brauchen auch Flitsch-
bögen und große schult, darunder sie sich gantz verbergen kön-
den ; ihre Seitenwer seind einer gantzen band brait, daran hen-
ckhen sie eine klupert schlüßel, und binden darauf einen Hundts-
khopff, das stehet bey inen gar soldatisch.
1} Es ist diser Guinea- Wurm (in Aetbiopien Fertit, in Ostin-
dien Naru oder Narumbu, in Buchara Reshter) die Fäaria medinensis.
Sein Vorkommen ist nicht auf die Westküste von Africa beschränkt
(hier erscheint er vorzüglich in Senegambien und auf der Pfeffer-, Zan-
und Goldküste), schon frühe wurde er in Aethiopien beobachtet, weit
verbreitet ist er in Indien an der westlichen Küste und in Nord-Dekan,
ser häufig in der Stadt Buchara, einzeln kommt er selbst in America
vor z. B. auf den Inseln Grenada und Cura^ao. Die uns erhaltene
älteste Beobachtung der Krankheit rürt von Agatharchides her, wel-
cher unter Ptolemaeus Philometor lebte (Plutarch. Sympos. YIII, 9).
DerWurpi erscheint fast nur in dem üntorhautbindegewebo und zwar kaum
anders als in den untern Extremitäten und wandert warscheinlich von
außen ein, ob durch die Haut oder mit dem Trinkwasser durch den
Magen ist bis jezt noch nicht entschiden. Vgl. A. Hirsch, Bandbuch
der historisch-geographischen Pathologie U S. 523 ff, Arthus in seiner
Beschreibung von Guinea (1630) widmet der Krankheit ein ganzes Ca-
pitel (48). Auch der Wundarzt Samuel Braun aus Basel bespricht die-
selbe in seinen Fünff Schiffarten (Frankf. 1625 S. 33). loh. Hugo Lins-
cotanus (Navigatio ac Itinerarium — in Orientalem sive Lusitanorum
Indiam, Hagae-Comitis 1599 S. 11) fand sie auf Ormuz. . Die beim Zer-
reißen des Wurmes entstehende Entzündung wird durch den scharfen
Saft des Tieres hervorgerufen.
2) Es seyn aber ihre Kriege nicht so grawsam, als sie wol schei-
nen, sintemal sie nicht lang waren, sondern gar bald ein Ende nemen.
Arthus S. 44.
113
Nun folget auch kurtzlich von ihrer handthiening. In der-
selben brauchen sie auch gewicht^) und maß, Ein Untz haißen sie
ein BindOy ein loth Besä, ein quintlin Äche, ein halb quintlin
Fäbä hrtta^ das aller kleinest nenen sie Gaera, ist fast ein Gran.
Die Leimcat mißet man mit einem stab oder siecUicn aus, der ist
ungefähr unßer IVs halb ehlen lang. Man gibt 40 auch 42 und
etwan 43 steckhen duch minder oder mehr (nachdem vil schif
endthalben seind) für ein Binda. Daß kupffer wigt man mit pfund
•nß, 12 oder 20 pfund für ein Binda^ darnach eß kupffer ist, der
Bing gelten 24 ein Binda. Ein stah eyßen gilt einen halben . . . ,
leehe acht oder mer scheuer glaßener Corallen werden verkaufit
nmb ein Beeß oder umb drey AchUj darnach der Spiegel ist.
Es seind diße Schwartzen so ein verstohlen volckh, das wa
de etwas enzuckhen kenen sie nit feüren.
Diejenige welche das Gold bringen kommen bey 30 oder 40
neilen auß dem )and herauß zu den schifen. Wier haben sie nit
Tentehen khönen. Sie gehen gantz nackhendt biß umb die miten,
da binden sie ein tuoch umb, und bringet manchsmal einem bei
•eehs oder zwelf pfund auf ein mal herauß. Darfür kaufen sie
Leinwat mehrertheils. Wan sie mit einander an bort kommen, so
geben die kauffleut dem nnderkaufer daß Gold, und laßen in da-
ait handien. Alß ligt der ßaur oder kauffraan (dan die bauren
besitzen die Goldgruben, und seind in den ortten, da es gegraben
wirdt, keine Edele) ins schiff, kan das Meer nit leiden, und etwan
dirinen weder gehen noch stehen. Wan der Für oder Under-
kiofer vil Gold hat, so muß man inen wein zu trinckhen geben,
rack ehe er den Contract machete, mit inie der Dasche^) (daß
ist ein Verehrung) halber zufriden werden, wievil man nämlich
dasche von iedem Binda ime geben wollen. Wan er nun zufri-
den ist, so macht er mit den kauffleüten den Contract, wie vil
ne ime steckhen Leinwat für das gelt geben sollen. Wan das ge-
tebehen und zu beederseits zufriden sein, so wigt der underhänd-
hr daß Gold dar, hingegen mißet man inen die Leinwat heim,
1) Die Bawren, so vom Lande kommen, haben ihnen Gewicht von
floltx gemacht. Deßgleichen haben sie rothe und schwartze Bonen, da-
^it lie sich behelffen, und wissen einem bald zusagen, so viel rothe,
V]^ 80 viel schwartze Bonen machen so viel Pesos, oder so und so
^1 Benda — welches dann ihr gröstes Gewicht ist, und macht bey
iQtt zwey Untzen. Benda Affa ist ein halb Benda, bey uns ein Untz,
Aiauwa ist 2Vs Pesos, E^geba ist 2 Pesos oder ein halb Untz, Sirou
^y 1^1 Pesos, Ensanno ist ein Pesos oder ein Loth, Quienta ist '/i
ßJÄCi Pesos, Agiraque ist ^l^ Pesos oder Va Loth, Mediataba ist ^4
^nea Pesos oder 1 Quint, dann ein jedes Peso ist 1 Loth. Arthus
S. 28.
2) lieber die Entstehung diser Sitte, dem Unterhändler oder Pi-
■®^n nnd Dolmetscher ein Dache zu geben, handelt Arthus S. 22 f.
Blrlingar, Alemannia VII 2 8
114
man kan im fast von ieden stab oder steckhen ein halben stab
wider endtziehen, ja man kan sie aocb mit dem zeblen nberror-
theilen. Und was man inen also am meßen oder zeblen nemet
oder abtregt, dasselbig gibt man inen hernach zu für die dasdU
oder verehr ang. Und gibt solcher betrug* oder Tortheil dammb
gegen inen, weil sie nit allein über zehen nit, und zwar daaselb
nit woU zeblen können, sonder auch dieweil man, da solchen vw
theil nicht gebraucht würde, man mit denen kaufflenten nit be-
stehen könen. ^
Wan nun dißes füruber und verrichtet ist, so gibt der kanff-
mau dem Bauren etlich ehlen thuoch, messer, Spiegel oder gl&ßeiie
Corallen, damit ist der Baur gar wohl zu friden, und meinet er
habe eben gar wohl gefißet, da doch der gut tropff am wenigsten
dar von bringt. Dan der underkauffer gibt ime nit mehr, alß den
halben theil, daß ander theil stilet er ime. Wan sie dan wider
an land khommen, so schenckhet ime der underkauffer ein Ellen
thuoch oder 4. So meint der gut kauffman oder Baur, er habe
gar redlich mit ime gehandelt, also tregt der gut kauffman oder
Baur, der das Gold so mit grosser gefahr so einen weiten weg
hergebracht, am wenigsten war darvon.
Wo sie das Gold graben, da darf ein geschlecht in zehen
Jahren nur ein mal in die gruoben, und wie sie sagen so soll ein
große Summa Goldts dort sein. Dan sie bringen es nngeschmeltst,
gleichwie sie es auß der Erden graben, ie kleiner das Gold ie
beßer es ist, sein bringen auch auf einmal 2 oder 3 pfund schwer.
Am ufer des Meers schöpffen die künder daß sand nnder
den felßen her für und schüten den von einem geschir in daß an-
der hin und her, daiinen findet man gar guot Gold, und kan ei-
wan ein kind deß tags auf ein Quintlen kommen.
Das ÄcJUe Capütel. Guineser Gott kan in der Christen-
menschen beisein nüt reden.
Zum beschluß der beschreibung Guineae kan ich ungemeldet
nit laßen, das, gleichwie Papisten järlich an Fronleichnams tag
umb ir Esch oder velder gehen, und dieselben vor ungewiter seg-
nen, also khommen die Guineser järlich in alle und yede derfer
im Aprilen auf einen gwißen tag zasamen, da machen sie ihre
Futise oder Teüfelsbilder oder Abgott, dem Teufel zu ehren ihre
Futise. Ist nichts anders dan ein häufen zusamen getruckhten
kats. Darzu brauchen sie, wie oben gemeldet, fast solch Cere-
monien, wie die Papisten bey ihrer meß. Wan solche Futise fer-
tig sein, so fragen sie den Teufel, wie selbiges jähr das körn und
ander fruchten gerathen würde, waß für frembd schiff ankommen,
was für kranckheiten volgen, wie ihre schwangere weiber der kün*
der abkommen und was sich für krieg erheben werden. Ist den
etwa ein Christ darbei, der den Teufel verspottet, und denselben
heißet herliegen, oder nur laut redet, and in gegen den Schwartzen
verlacht, oder einen Ligner haißet, so schweiget er stockhstil,
116
redet nichts mehr, so lang der Christ darbey bleibt. Wan sie
dirmit wider fragen, ond andtwort haben wollen, so befihlet er,
mao soll zuvor die gezeichnete (damit meinet er die Christen,
TÜleicht umb deß h. Taufs willen) ab weißen und hinweg schaffen,
Knuten woU er nichts reden.
Schweiget aber der Christ anfenglich stil oder gehet hinweg,
80 andtwortet er durch den kathau fen auf ihre frag, otwan gehet
ei wie er gesagt hat, etwan weit änderst. Solche Futisa steckhen
lie hin und wider auf ihre güeter, auf das veld. Darvou soll das
veld beschirmet werden, und gehet ihrer keiner hin zu, der es
•or^e. Dan welcher ein solches weckh thut (außerhalb der
Christen) der stirbt alsobalden. Wan es nun änderst ergangen ist,
wflder inen der Teufel durch die vorige Futise gesagt hat, und
wier sie dariber vexierten, sagten sie, FtUisa ynetUis, das ist tinßer
6oU hat gelogen; spottet wier dan ihrer weiter, das sie an einen
Lugenhafften Gott glauben, so fragten sie uns, ob dan unser Gott
nit auch lieg, und weiten schlecht nit glauben, daß unßcr Gott
nit auch lieg. Darauß zuvernehmen, waß es für blinde verstockht
lUkd arme leüth sein mießen?
Der Ouineser weiber in der gegen Ackra haben hinder ohne
Mäner.
Ferners ist zu merckhen, das wie die weiber sonderlich in
Ackra sehr hierisch seind, also bereden sie ihre Närische Mäner,
wiD eine nur ein mal mit einem Man zu thun hab gehabt, sie
kenen hernachtmer, so lang sie alters halber taugenlich seyen, zu
geboren , und die Mäner glauben es und seind iu dem Narischen
Wahn, das, gleichwie ein hen ein ayerstockh, also hab auch ein
weih so zu reden ein kindtstockh.
Ich achte aber, das es volgender gstalt zugehe. Gleichwie
bey uns die Minch also gibt es bey inen starckhe und faule gaile
icblingel. Die geben sich gleichsam in ein orden, sprechen, nun
wellen sie nit mehr Mäner sein, sondern Weiber, binden dcro-
wegen wie die Weiber tQechlen umb die schäm, thun auch allerley
weibergeschefiPb, und flechten denselben ihre haar. Die Narrechten
M&oer halten solche schlengel für heilige leüt, glaubten sie aber
irendt halben, waß ich glaub, sie thätten solchen falschen Münchs-
orden bald ab.
Das Neündte Capittel von Landts art Fruchtbarkeit Beligion
Segiment und Sitten des Königsreich und Statt Betiin auch der
Stadt Lago.
Dißes Königreich ligt gleich au Guinea gegen ufgang der
Sonnen. Das wirdt beherschet von einem m echtigen Köni<u^ , der
•ein Residentz hat in der Statt Benin auf die 8 grad von der
Eqninoctiali gegen Norden. Es ist ein große Statt mit einem
>tarckhen zäun umbfiochten wie mit einer Mauren. Darinen hat
der König einen pallast, auch mit einem zäun umbgeben, welcher
116
pallast ungefähr so groß ist, alß die Statt Tübingen oder großer ^).
Er hat auch darinen sibenhundert ^) weiber, deren ein yedeci ein
sonderbares gemach hat. So hat er auch nicht allein yil diener,
die auf in warten, sonder auch sehr vil Soldaten, die tag and
nacht vor des Königs hauße ein starckhe wacht halten.
Dißer König laßt sich daß gantze jähr nur ein mal sehen,
und geschieht auf solche weiße ^). Auf seinen geburtstag körnet
er in die Statt herauß geriten auf einem pferdt. mit rot schar-
lachen gezieret und mit roten Gorallen behengt. Darauf sitzt er
scheßlingen ^), wie ein weih, auf ihre weiße mit eim scbarlachtuoch
stattlich geklaidct, und uit allein mit roten Corallen sondcm auch
mit andern seltzam Sachen umbhenckhet. Darzu henckbet er
über den köpf und rockhen biß auf die gangadern hinander einen
weißen Roßschwantz, alß das einer, der in ansichtig würdt, dar-
von erschrickht. Auf yeder Seiten gehen zwen mäner neben im
her, deren die zwen in heben, die andern zwen platz machen. Dan
das Yolckh laufifet sehr getrenckht zu, und wil ein iedweder den
König sehen, gleichwie zu Rom am jubeljar den Papst. Sechs
taussendt man ziehen vor im her, und wan er komet, so feilet
alles volckh uider auf die knie, und klopfifen in die band, damit den
König grießende. Der thut hin wider mit der band, eben wie der
Papst zu Rom, wen er daß volckh segnet, und danckhet inen.
Darnach füeret man in fort, nach einem hauße, deß Königs
hauß genant, daselbsten kommen alle seine kriegs obirsten in sei-
nem gantzen köuigreich zusammen, und opfifern dem Teufel, mit-
sampt dem König, uf nachvolgende weiße. Sie opfifern zwen Men-
schen, drey kieh, etlich gaißen und hund, wie nit weniger auch
vü hiener, und schilkrotten. Die gaißen hund und hiener steckhen
sie an spitz, und hin und wider auf die gaßen. Da laßen sies
also steckhend verweßen, die statt steckhet allenthalben voll, und
1) Des Königs Hof ist sehr groß, und hat innwendig viel große
viereckete Plätze, die rings herumb mit Gängen oder Vorhöfen ge-
zieret seyn. darinn mau allezeit Wacht belt. Es ist so ein großer Hof,
daß mau sein kein Ende sehen kan, und wann mau meynet, man sey
jetzunder zum Ende kommen, so siebet man durch ein andere Pforten
noch auf ein weitem Platz oder Hof. Arthus S. 102.
2) und 3) Es hat auch der König viel Weiber, und helt alle Jahr
zweymal seinen ümbgang, daß er sich nemlich auß dem Hof begibt,
die Stadt hin und wider zu besehen, und zu besuchen. Als dann ver-
sammlet er seine gantze Macht, und was er immer kau für lustige
Sachen oder Kurtzweil erdencken und berfür bringen. So wirdt er
auch begleytet von allen seynen Weibern, die wol über die 600 seyn
mögen. Arthus S. 104.
4) d. h. Schößling. Vgl. Arthus S. 103: reiten sie (die Adelichen)
alle auf Pferden, auf welchen sie sitzen, wie bey uns die Weibs- Personen,
und haben auf beyden Seiten ein Manns Person neben ihn herlauffen,
an welchen sie sich halten, hinter ihnen aber haben sie viel Knechte.
117
geben emen großen gestanckb. Die kieb bawen sie zu stuckben,
and legen die stuckh für die tbor binaus. an das gestad, daselb-
sten sie Ton den vögeln gefreßen werden. Darnach füeren sie die
Henschen an ein sondern ort in der Statt in ein heößlen, Obawan
genant, daß ist sovil alß des Teufels oder Gottes heüßlen, darinen
opffern sie die Menschen, und bawen selbig erstlich den köpf ab,
naehgehendts voUendts zu stuckben. Die laßen sie also ligen, und
qKreehen, Also wollen toier deß König Feind mit einatider eer-
lackhen. Da scbreyet des volckb mit lauter stim Sarramena ha
ofta Sarramena "ba oha Sarramena ha oha und stanipfifen zugleich
mit den füeßen auf den bodon. Dißes ist sovil zusagen, der König
Amce allen seinen Feinden den kopff ab. Sie machen seltzamme
Go'emonien und beschwerungen darbei. Dan wan sie opfifern, so
reden sie leibbafftig mit dem Teufel; Sie haben vilerley Sachen,
dimit sie Futise machen. Der König ist der öberst Teufel be-
•chwerer under inen, sie halten in nahcndt für ein Gott. Den er
iit sehr großer Autbontet« bey iederman, also, daß wan sie einan-
chr fluochen so fluochen sie bey dem König.
Wan nun obgedachtos Opffer ein end hat, so setzet sich der
Ktoig außerhalb deß haußes nider in ein Sessel, vor dem kniebet
«Des volckb zu sammen nider, auch die obirste. Alß dan hept
Bum an zu pauckhen, und klop£fen, auf großen schellen, und
blaßen auf Ellephanten zänen. Damit machen sie ein solches ge-
temmel, daß man es auf ein viertel Meil wegs hört, dißes weret
nngevabr 2 stund lang. Darnach schreyet daß gantze volckb
daherisa oha cada hoba oha, daß ist sovil sef/ gegrüefit du Gottes
König. Dariber sagt der König Außafe daß ist ich dancklic euch.
Darnach reitet der König wider in seinen pallast. Daß volckb
aber inet, und trinckbet, tautzet, und springet, iederman ist frew-
lieh und guter ding.
Daß volckb aber laßet sich auch beschneiden, wie die Juden.
Wan ein knab 3 jähr alt ist, so beschneiden sie in, opffern aber
laTor, und haben vil gefäß darbey.
Der König füehret einen stetten Krieg, und füehret auch
Krieg wider die weilte Maren y das ist ein volckb die bei tag
nichts sehen, und nur bey nacht, wen die Son undergehet, sehen
sie. Und obwol dißes ungieüblich scheinet, so ist doch in höchster
*arheit also beschaffen. Dan wier haben es offt an zweyen jungen
Knaben probiert, wan wier inen gelt für geworfen haben, kundten
*>e es bei tag nicht finden, sie erwischeten es dan ungefehr. Diße
Weiße Moren kennen den kopff auch nit stil halten wan es tag
lat, sondern zwitzen alzeit mit den äugen, so bald aber die Sonn
^er gehet, so halten sie den kopffen still, und sehen. Sie seind
*<^neweiß und haben schneweiße haar, aber gantz krauß wie die
^(omi. Die Beniner brauchen diße weiße knaben auch zu ihrer
«•«bewy.
8otU ihr Bifgiment anlangt, so ist daß selbig gar ernsthafft.
118
Sie seind alle mit einander deß Königs Leibaigen. Waß er ge-
büetet das muß geschehen, und darf sich Niemand darwider setzen,
er sey groß oder klein hanß. Es mag einer leicht etwas wider
den König thun, er last im den kopff abhawen, und wer er gleich
sein nehester rath oder obrister, da sihet der König nit an.
Vierzig Meil von Benin ligt ein große Statt, genant LagOj
gehört auch dem König Benin zu, ligt auf einer Insnll, ist ein
Frontier ^) Statt, und mit einem starckhen zäun umbgeben. Dari-
nen wohnen lauter Soldaten, und vier kriegsöberste. Die halten
sich gar stattlich, sie khommen altag in des Königs hauß zusam-
men, und opffern all morgen. Nach dem opffer halten sie Ge-
richt, under dem freyen himel, vor des Königs hauß. Wer etwas
zu clagen hat, der clagt, sie fallen alle auf die knie, wan sie ihr
sach für bringen, und wan einem recht gesprochen wirt, so dan-
ckhet er der obrigkeit, und dem König. Es stehen auch alzeit
zwen gesandte bey dem Richter, die vom König her seind, und
hören was man handelt. Die^elbige schickhen alletag post hin
weg zu dem König, den avisiren sie, was selbiges tages die Rich-
ter gehandelt haben, solches treiben sie durchs gantz jar, und
dißes wirt nicht allein zu Lago, sondern auch in andern Stätten
deß Königs wie auch zu Benin selbsten also gehalten.
Genante Statt Lago hat einen großen zugang zu wasser und
landt, mit ihren kauffmanschafft, und scheuer gewirckhten flug-
neiten baumwollen düechern von allerley färben und figuren. Eis
wechßet in dißem Königreich vil Pfeffer, doch etwas kleiners den
in Ostindien, hat stil wie Cübeben, ist ^) denselbigen auch in der
greße gleich, aber gar scharpff.
Es gibt auch Ellephanten zän, und schwentz von EUephan-
ten, die seind auf der Goldkust von Guinea so theür, daß einer
daselbsten gilt ein Binda Golds, das ist ein üntz Gold.
Für Gold brauchen sie kleine schneckhen heüßlen, und eben
die jenige, welches die Jacobs Brüeder uf den hüeten tragen, sel-
bige haißen sie Bufchir, Man kau auch darumb kaufen, was man
will, sie achten kein Gold, wie auch kein Silber. Daß (so!) hal-
ten sie aber so hoch, wie auch alles was rot ist, darumb darf
auch keiner keine roten Coralien oder roten Scharlach tuoch,
deßgleichen kein Hollandisch leinwat tragen, der König erlaub
ime dan solches, und demnach nit mehr, alß ime vom selbigen
erlaupt wirdt.
Allerhandt victualien, und gute schnabelwaid, kan man bei
inen wohl überkommen^ wie nit weniger stattliche visch, sovil man
derselben begert. Der König hat uns drey monat von dem land
gespeißet, mit allerley guten fisch, und mit gutem flaiß.
'^
Hs. Fontier.
Ha. in.
119
Dißeg land bat und gibt vil allerley gute frücbten, alß Be-
ntimes Baconas Indiammes Betattas Lemoneii Gitronen Pomeran-
tien Ananaßen, und dergleicben wie man sie dan uf der gantzen
ku8t langf findet.
Wan sie ibr todten begraben, so tragen sie znvor ihre leich-
oam in einer Barn gantz in der Statt berumb, vor der Bar her
nogen sie, nnd tantzen, deß verstorbnen weiber, sein rechtes weib
ist die necbste an der Bar, sie bat ein scbiflein mit wasser, und
an grienes lanb in dem manl, dantzet also darmit vort, sie tra-
gen anob ein gaiß, nnd einen schwartzen steckben vorher in der
bind. Wan sie nur schier zu deß verstorben hauß khommen, so
stoßen sieTdie gaiß dreymal mit dem steckben auf den kopff, und
frechen dreimal also, Äfe zing gete. Alß dan stechen sie der
gtiß die gnrgel ab, und ziehen den steckben dreymal durch den
stich, biß er gar blu ottig ist, damit spritzen und sprentzen sie
ibo das bluot uf ihre weiber , darnach graben si^ in in seine
bmmer, da er geschlaffen hat.
Sein eltester Sohn, der ime succediert, hat sein bet bert an
seinem vatter, der da begraben ligt, und wan er etwas ißet oder
tiinckbet, so gibt er den ersten bißen seinem vatter. Wan man
Ä^ fragt, waß sie darmit meinen, so sagen sie, wan sie eßen, und
ihrem abgestorbnen vatter nit auch darvon geben, so mache ibr
vatter, das sie weder glückb noch segen baten, darumb geben sie
alzeit von aller cost am ersten. Wan wir dan weiter sagten, er
eBe doch *nit, sonder ihre büener, so lachen sie und andtworten,
ir vatter esse zwar, das man so vor äugen sehe, nicht, sondern
nur die crafft darvon. Auf selbigem wahn bleiben sie und laßen
sich nit darvontreiben. Sie beweinen ihre todten drey monat lang,
ille tag zwey mal, und in demselben hauße, da der verstorbne
vatter ligt, hat der Sohn, der ime succedirt. alle köpf von den
ihüeren, alß küe gaißen Schweinen büener schaffen etc., die sein
vatter geschlachtet und geßen halt, umbber aufgemacht, sihet eben
wie ein altar. Sie haben auch große Ellephanten zän darbei lai-
nen, sie machen auch sovil hiltzene kdpff herumb, sovil der ver-
storbne vatter bei seinen lebzeiten im kriegsweßen feind umbge-
bracht und erschlagen hat.
Dan es gpite dapffere kriegsleüt, ein streitbar volckh, aber
beileben from, aufrecht redliche leüt, die nit stelen wie die auf
fer Cust.
Ihre Marckht halten sie bey nacht, und gibt große Marckbt ^)
'öy inen, da etwan vil hundert weiber auf, und haben vil Wein
^o palm fail, den gibt es daselbsten so gut, das man in uf der
Cost nit besser findet.
1) Vgl. darüber Arthus S. 104.
120
Von dißem Königreich und desselben inwohner, sonderlich
von der Justitien Ordnung und gesatzen, krüegsweßen, heürathen
und dergleichen, were noch vil zu schreiben^ weil es aber itzunder
wegen kürtze der zeit zu lang, als laß ichs auf ferner gelegen-
heit verbleiben. Prof. Dr. WCrecelius
Elberfeld am Gymnasium
Dichtungen yon M. Knrrer')
Aus dem Lateinischen
1 Tot und Begräbnis
■
Schon wider, sih, mit einem Schreibebriefe komm
Ich dir: der Menschen Schwachheit fordert mich heraus.
Du schreibst, du hörtest gerne, was vom Kranksein, von
Altweiberkuren dir ich mitgeteilt und hast
Xach mer dergleichen Appetit. Der Stof erschepft
So bald sich nicht, reicht biß zum Weltenuntergang.
Wer dringt in jedes Labyrint, in jeden Schlupf,
Wo seinen Schrit die Brut, die schensslich finstre, hemmt?
Und welch ein Kampf! besigtest ehien Gegner du.
Vergebens! gleich umzischen irer vile dich.
So schlug der Vorzeit Heros einst der Schlange Haupt
Vom Rumpf — zehn andre, schlimmre, schössen auf dafür.
Herakles' Wiz und W^a£fen sind dir not, denn sonst
Gibst, von Gefaren übermannt, du Fersengeld.
Es haben alle Dinge Mass und festes Zil,
Doch nur das Volk, unweise, weiss von Masse nichts;
Grossmütterlicher Aberwiz, dem Enkel dünkt
Er und der Enkelin ein Evangelium.
Mit Kopf und Hand und Zunge streiten sie dafür.
Hartnäckig, dass ir Göze ja nicht kommt zu Fall.
Willst kampflich du den alten Wan besten, so nimm
Dein Augenpar und deine Haut du wol in Acht!
Lass Kindern ire Nüsse! Nimm sie mit Gewalt
Nicht selben ab; es regnet Schmuz und Steine sonst.
Nichts ist so unversönlich, als ein Weib auch, das
Sich spöttischem Gelächter preisgegeben siht.
Wie wütet die gekränkte! kampfesmutig get
Sie vor mit allen Wafien, und bald kommt Succurs.
Was meinst du? hältst du der vereinten Rotte Stand
l) Alem. V 269 flf.
121
Der Weise schweigt. Du schweige, so du weise bist! *
Warum denn schweigen? Vorwärts will ich auf dem Pfad,
Den ich betrat, die Klinge kreuz ich one Furcht.
Doch wo beginnen, enden wo ? Wenn all das Zeug
Ich rügen will, das tolle, reicht die Zeit mir nicht.
Seis! aus dem Quark etwelches greif ich denn heraus:
Komm mit zu meinen Kranken wider, wenn's beliebt.
Wer will nicht aUes helfen, wen empfilt man nicht
Als Doktor und als Doktorin! zum Lachen ist's.
Und wird die Krankheit ruchbar, welche Basenzunft
Rückt schwazhaft nicht dem Dulder ringsher auf den Leib!
Da wird mit Lebenshoffnungen er aufgeregt,
Mit waren und erlognen, Jede weiss etwas.
Das Wörtlein Tod, von keiner Lippe, war es noch
So leise, wilFs, und stünde diser vor der Türe schon.
Dem Arzte, der den Ausspruch tut, geförlich "Bteh*
Die Sache, keine Hoffnung sei mer, ist man bös,
Man zögert mit dem Priester, hält vom Bett in fern,
Dass in das Amt der Sippe nicht er übergreift.
Und kommt er, weicht vom Flecke keins, damit der Mann
Nichts beichte, was den Seinen schlimm bekommt hernach.
Dagegen weiss das Völkchen Alles was den Tod
Anzeigt und sorgsam auf die Zeichen achtet es ;
Sie sind ein Wink von oben ja dem Menschen, heisst's,
Dass sich zum Tod bereitend er sein Haus bestellt.
Willst näher du die Zeichen, die der Volksmund nennt,
Dir ansehen, gut, ich künde dir die wichtigsten.
Nachts auf des Hauses Dachraum hört man einen Fall,
Dass von dem Hall erschütternd drönt der ganze Bau.
Der Baum, des Gartens Zierde, den als Knabe noch
Der Kranke pflanzte, welchen er als Mann gepflegt.
Stet plözHch ab, und keiner weiss den Grund davon ;
Sein Laub, jüngst frölich grünend, welkt, dann stet er kal.
Gebell durchgellt die Nacht; im Holze pickt der Wurm;
Das Käuzchen schreit; in Stücke klirrend springt ein Topf;
Im Hause zirpt ein Grillchen ; an die Fenster schlägt
Die nur im Zwielicht flatternde, die Fledermaus^);
Der eine Fnss der Lade, drin der Kranke ligt,
Reisst, angebort von Würmern, ächzend mitten durch. —
Ei, was ist da Besondres, wenn eiu Ziegel fällt.
Der unter Regen, unter Schnee verwitterte?
Und wenn, derweil ein Käzlein auf der Mäusejagd
1) Volucris quae de vespere nomen habet: Das Tier hat nur im
Lateinischen, nicht aber im Deutschen, seine Benennung (vespertilio)
vom Abend.
122
Vom Balken büpfb, am Dache der Bewnrf sich löst?
Und wenn ein Baum vertrocknet und zu Grunde get,
Weil seine Wurzel eine Wülroaus bat zernagt?
Oft kommt es vor, des Baumes Blätterkrone welkt,
Der aber, der in pflanzte, blieb gesund und friscb.
Dem Hund ist voller Mondschein, Glockenklang verbasst;
In hungert und ein Stückchen Brods beschwichtigt in;
Von einer läufgen Hündin hat er Witterung
Und schlägt nun an, in engen Stalles Haft gebannt.
Erscbine stets, wenn Hundgebell dein Or vernimmt,
Der Tod dir, traun, zu jeder Stunde stürbest du.
Des Holzwurms Picken ängstet dich, als kündet' es,
Dass ablief deines Lebens zugemessne Frist. «
weit gefeit! Das Würmlein denkt: allein zu sein,
Tut nimmer gut, und klopfend die Genossin ruft's.
Nun, schreckt dich ^ses Klopfen, das Gebälke brich.
Das alte, weg und ziehe neu des Hauses Wand!
Das Eäuzchen macht dir Sorge: Wald und Flur entlang
Der Jäger mit dem Hunde zog im Morgengraun;
Den Vogel hat sein Trit verscheucht, hinweggehuscht
Vom sichern Orte krächzt er um so kläglicher.
Den Topf, der fiel, zu spizig hat, noch nass, die Magd
Aufs Bret gestellt und nun er trocken, kippt er um;
Villeicht ein Mänslein streifte gar zu nah vorbei,
Brosamen suchend, wenig feite, stürzt der Topf.
Ein Grillchen zirpt: im Kleide trugst du selbst es wol
Vom Feld, da du spazierend dich ergingst, nach Haus,
Wenn nicht im Gras es heimgebracht die Scbaffnerin;
Der Wärme get, behaglich zirpend, dort es nach.
Wer, brächte jede Grille gleich den Tod herbei.
Wer träte dann noch in die Reihen der Bäckerzunft?
Die Fledermaus, im Dämtnerlichte schwirrend, merkt
Den Schein im Fenster, flattert hin und prallt daran.
Stürzt auf die blanke Klinge sie nicht ebenso.
Mit Gier, wenn deiner Stube Nachts Besuch sie macht?
Der Fuss des Bettgestelles birst: das ist der Weg
Für alles Fleisch, und altes Holz zernagt der Wurm.
Gib stat der mürben Füsse neue dem Gestell
Der Lade, drin die Mutter schon den An gepflegt.
Und dünkt das würdige Möbel neuer dir nicht wert,
So schlag es doch zusammen, schafi^ es neu dir an.
Und solche Dinge sollen Todesboten sein?
Weib, o Weib, das glaube dir ein Anderer!
(So gleicherweise lecket Bart und Pfote sich
Die Zimmerkaze Morgens, weil sie gern sich puzt,
Erscheint es dir ein Merkmal, dass Besuch dir, kommt,
Du fegst das Haus und köchelst wacker darauf loß).
128
«
Zafällig starb aach einmal Einer bald bernach,
Doch wer, der noch bei Sinnen, sucht ein Omen drin?
Wol bricht, erstet die Sonne, manch ein Aug im Tod,
Ist dmm ein Todeszeichen auch die Sonne schon?
Doch einen Kranken manchmal schreckt ein solches Nichts,
Das Leiden steigernd, bis zum Tod es wirklich fürt.
Starr blickt er schon, der Odem ringt mer kaum sich durch.
Blau färben sich die Nägel, zuckend klafft der Mund.
Nun unterm Haupt das Kissen zieht sein Weib hervor,
Dass sanfter in das Jenseits er hinüberschläfb.
Gebete spricht in sein verschlossnes Or sie noch,
Auf dass die Seele gehe stracks zum Himmel ein;
Auch trägt sie Grüsse sorglich an die Teuren auf.
Die vordem schon zum Himmel eingegangen sind.
Inzwischen wird, dass im sein Stündlein nahe, kund
Und Alles drängt, ein ganzer Tross, zum Sterbehaus.
Nun ist er tot. Sie drücken Mund nnd Aug' im zu.
Ein reinlich Tüchlein breitend über sein Gesicht.
Was aber soll das vile Reden? Welch Getös
Verworrner Plauderstimmen füllt des Hauses Raum?
Schnell aufgemacht die Fenster! ruft ein altes Weib,
Gesperrt ist der befreiten Seele sonst der Weg.
Die andre ruft: die Binenstöcke rückt vom Ort,
Damit der Schwärm nachsterbe nicht dem toten Herrn.
Den Essig, seufzt die Dritte, nemt vom Kellerbret,
An Schmack und Ruch verwässernd, leicht sonst zieht er Kan.
Die vierte forscht der Leichenstarre schweigend nach,
Dann breit erklärt sie, weiter sterbe Niemand mer.
Doch findet schlaff, beweglich sie die Glider noch,
So heisst ir Spruch: ein Andrer folgt von euch im bald.
Die Wonung räuchert^ eine fünfte, was in Sarg
Dem Toten mitgegeben werde, zält sie her.
(Vor Zeiten dem Verstorbnen Hess man, was er sonst
Gewont und was im Leben im das Liebste war.
Selbst Sklaven, jenseits im zu dienen, Waffen, sich
Damit zu schirmen, Speise, sich zu sättigen).
Sinkt in der Jugend Rosenzeit ein Haupt dahin,
Das wird mit holdem Blütenschimmer mild umkränzt
Und Rosamaschen lächeln auf dem Sterbekleid
Und über der Citrone faltet sich die Hand.
Dem Adel wird sein bunter Anenschild gesellt —
Den Anen ist sein drittes Wort ja stets geweiht —
Und ists ein Kriegsheld. Schärpe noch und Schwert und Sporn,
Sein Schlachtross auch, auf welches manchmal er sich schwang.
Mir, scheid' ich, geben sie villeicht die Bibel mit.
Mich hüllend in den Kirchenrock, den oft ich trug.
Warum jedoch, wenn eine Wöchnerin entschl&ft,
124
#
Ir Nadel, Schere, Faden mitgegeben wird?
Ich weiss es nicht, und niiiCkmer kam ich auf den Grund.
Wer das erklärt, mir warlich gilt er ein ApolL —
Die sechste drückt ein Rasenstück, damit er nicht,
Nachziehend Andre, widerkert, im auf das Kinn;
Sie heischt, bestatten soll man in von Jenem fern,
Der, ach, in der Verzweiflung Hand an sich gelegt.
Hört, wie sie schilt: o ruhte hier der Frevler nicht,
Nie träfe Hagel unsrer Feldmark frohe Sat!
Weiss nicht, wie der Gemeinderat sich so vergass
In seiner Gutheit; anders war^s in frührer Zeit.
Verscharren sollte Solche man abseits, ja dort,
Wo man den Galgen baute, so gehört es sich !
Soll da, wo der Gerechten iische selig ruht,
Des erlös schwarzen Missetäters Stätte sein?
Lasst ja, so ruft sie, morgen wärts die Leiche schaun !
Pflichteifrig eine sibte weist die Träger an,
Dem Grab verkerter Richtung nicht zu nahn, dass recht
Er ligt und gleich vom Grabe kann dereinst ersten,
Weil, wenn der Weltehrichter kommt am jüngsten Tag,
£r, wie sie glaubt, von Sonnenaufgang nahen wird.
Die achte spricht, wie sich die Witwe tragen soll.
Wie um des Hauses Vater sich zu trauern ziemt,
Wann und in welcher Ordnung sich der Zug bewegt, .
Wer singen soll und welche Strassen man passirt.
Zwei Tage füllen dise Klatschereien aus.
Und weder eine Zunge ruhet, noch ein Or,
Denn durcheinander schnattern Alle — wer verstet's ?
Oft auch, was die gebeut, verwert die andere.
Auch wird, dass nicht der Rede Flnss ins Stocken kommt,
Die Kur bekrittelt, die dem Kranken ward zu Teil.
Schlug er nicht aus die Mittel, so die Schwieger im
Empfolen, weil sie solche stets probat erfand,
Nam einen andern Arzt er an, er lebte noch.
Der, den er hatte, leider, was verstand denn der V
Zum Aufbruch mant die Glocke nun den Trauerzug,
Da — mitten in's Geläute trift der Stundenschlag.
Die ganze Schar Leidtragender, sie horcht bestürzt
Und hält im Schreiten inne, wie vom Bliz gerürt,
Ergrübelnd, wem sein leztes Stündlein jezo naht,
Denn Stundenschlag im Grabgeläute weist auf Tod.
Erst keinen Grabeskandidaten weiss das Volk,
Keins ist ans Bet gefesselt, in das Haus gebannt.
Doch hört es: der ist unwol, schlüssig ist es gleich:
Der wird der Nachbar dessen, den man jezt begräbt.
Entrüstung gleichwie Lachen zu verbergen, ist
Dem Klügern schwer, dem Unsinn steueru, eitles Müh*n.
125
Habt ir mich lieb, so haltet das Altweibervolk,
ßeschlennigen möcht' es meinen Tod, vom Lager mir,
Und bist bei meiner Leichenfeier du dereinst,
So kennst du meinen Willen, Freund, in disem Stück:
Die Meinen tröste 1 scheuche fern den Plaudertross
Und Niemand, denn die Totenfrau, berüre mich.
(Auch die, mir scheint es, ist znvil. Ein Leichnam ist
Ja niemals schön und wird es auch durch Waschung nicht).
«Mag es geschehn, bestatten lass mich one Prunk
Und mich geleiten sollen irer Wenige nur!
In Leinen, nicht der Amtstracht Würde, den Talar^
Hüllt mich und lasst das heiige Bibelbuch beiseit!
Nicht Schülersang, noch Glockenklang ertöne ! still
Bringt, wenn des Abends Sterne flimmern, mich zur Ruh!
Wo, gilt mir gleich. Schönreden soll kein Priester mir
Und kein gekünstelt Denkmal drücke mein Gebein!
Das ist mein Wunsch, nun achte du darnach, dir soll
Glückseiger Jare schönste Zal beschiden sein,
Und wenn sich alt, ermattet, einst dein Auge schliesst,
Ins Grab du sinket, leicht werde dann die Erde dir!
2 Wandelgeister
Nein, sie sind kein W an die Geister, noch der Tod das lezte Zil;
Nicht ins Nichts zerrinnt die Seele, wenn auch schon der Leib zerfiel.
Mühsal beugt oft den Gerechten , drückt so lang er lebt in schwer.
Tage, lange Nächte gänen öd in an und trostesldr.
Ha, so hat dahin die Tugend iren Lon? so war ein Spott
All mein Leben vol Beschwerden, meine Liebe selbst zu Gott?
Färt ins Nichts dahin die Sele mit dem Tode, wer noch spricht,
Dass der Mensch ein höhres Wesen, denn das Tier? ich fass' es nicht.
Die Vernunft, wer sagt wozu sie für die kurze Spanne Zeit?
Warum für mein redlich Streben ernt* ich sovil Bitterkeit?
Müsst ich nicht, wenn jedes Hoffen mit dem Sterben abgetan.
Klagen, dass ein Gott? ja glauben, dass die Gottheit nur ein Wan?
Reizte mich es nicht, den Bösen, welchen alles herrlich glückt,
Gleich zu handeln, zu volfüren einzig was das Herz entzückt?
Oder bliebe mir nur Jammer, nichts was Labe mir verschalt,
Ein erlösend Zil mir winkte dann der Abgrund, der da klafft.
Sihe, diser sammelt Schäze, zu befrid'gen sein Gelüst,
Alles was das Herz begeret, dient im biß der Tod in küsst;
Mir dagegen, aller Mühsal, aller Tätigkeit zum Hon,
Wird der Sorgen Bürde, wird der Fluch der Armut nur zum Lon.
Dort beharrlich wird gehätschelt von dem Glück ein schnöder Wicht
Und in hohen Eren prangt er, und das Unglück kennt er nicht.
Nichts von Krankheit weiss ein Dritter, von der Seinen Schmach
und Pein
126
Und in quälen keine Menschen — und nur ich soll elend sein?
Wozu nüzt mir noch das Lehen ? war es hesser nicht fürwar,
Wenn ich nicht gehören wurde, denn zu leiden immerdar?
Seis! Bezäme deine Klage! Denn es ist Verwegenheit^
Sich zu keren wider Gottes Allmacht und Gerechtigkeit.
Harre mannhaft aus! dein Ringen füret sicher einst zum Heil
Und, wills Gott, ein neues Lehen wird, ein schönres, dir zu TeiL
Wer in seines Vaters Arme widerkeret, fürchtet der
Je sich vor Gewitterschauern, vor des weiten Wegs Beschwer?
Zwingt durch sturmgepeitschte Wogen nicht der Schiffer seinen Kan,
Unentwegt, und grinst der Tod auch jeden Augenblick in an!
Fest gerichtet ist sein Hoffen auf den lang ersenten Port
Und sein Mut verlässt in nimmer, denn die Hoffnung ist sein Hort.
Hoffe du nicht minder ! Lieblich aus dem dunkeln Schoss der Nacht
Bricht ein Stral oft, und die Wolke schwindet vor der Sonne Pracht.
Sprich, wenn dir der Fride lächelt nach so mancher dumpfen Qual,
Hat für dich er im Geleite nicht der Freuden reiche Zal?
Und wenn durch dein Erdenleben Finsternis dich auch umringt,
Helle wird es um dich werden, wenn der Tod die Fackel schwingt.
Elend schäz ich, glücklich keinen, eh des Lebens Form zerbrach,
Solon gleich, der einst zu Krösus dises Wort, das weise, sprach.
Die Entscheidung deines Lößes trägt der lezte Tag im Schoß,
Lief erst diser ab, entrückt ist dann des Zufalls Spil dein Loß.
Der ein Leben lebte voller Trübsal, jeder Freude bar,
Dessen Leib voll Beulen, dessen Armut all sein Reichtum war,
Lazarus, als er das Auge schloß, er für zum Vaterschoß
Abrahams empor und seine Seligkeit ist grenzenlos.
Doch dem Reichen, dem das Glück sich treu biß in den Tod erwis,
Der im Taumel der Genüsse lebte wie im Peradies,
Färt dahin er aus dem Leben, aus der Pracht und Herrlichkeit,
Im ist, wie das Feuer brennend, ewigen Schmachtens Qual bereit.
Also ging zu Himmelswonnen Jener aus der Leidensnacht,
Also haben Erdenfreuden disem ew'gen Fluch gebracht.
Lebe neidlos! das gesteckte Zil erstreben, sei dir Pßicht,
Aber wirst du sterben, etwas bleibt von dir, das stirbet nicht.
Die dem Leib gebot, der Sele bleibt bewusst das irdische Sein:
Guten Geistern winkt der Himmel, böser harrt die Hellenpein.
0, das sind die alten Märchen, die des Dichters Hirn gebar.
Nicht ein Einziger der vernünftig, hält dergleichen je für war.
Lüfte doch der Dichtung Schleier, sihe da, geschriben sten
Findst dahinter du: nicht Alles- soll im Tod einst untergen!
Geh, schlag auf die frommen Bücher, Gott zu danken, der dich lert,
Dass ein neues, bessres Leben nach dem Tode dir beschert.
Fragst du, wo die Seele weile, wenn der Leib zerfiel zu Staub,
Wenn in Todes Haft verfangen er dem Grabe wird zum Raub?
Wallt sie. Grabeswacht zu halten, luftgewoben um die Gruft
Oder schwebt sie, unermessne Räume messend, durch die Luft?
127
•
Wo sie weilt, ich weiss. es nimmer, die villeicbt, wenn sie entwallt,
Schon sich hüllt in eines künftigen Leibs beginnende Gestalt.
Wo sie weilt, ich weiss es nimmer. Doch ich weiss, dass, wo sie weilt,
Ans dem Mond des Weltenricbters sie das Machtgebot ereilt.
Denn, vereint dem Körper wider ruft er sie vor seinen Stul :
War sie fromm, sie wallt gen Himmel, war sie bös, zum Flammenpful.
Die da Scblimmes einst im Leben übten, lassen im Moment
Ab davon, sobald die Seele sich von irem Leibe trennt.
Erde wird der Leib einst werden, ob er nun die Raben närt,
Oder ob in sengt die Flamme, oder wohin sonst er fart.
Ist er Erde doch! Zur Erde kert er, wie der Herr verheisst,
W&rend seine feste Wonung angewiesen ist dem Geist.
Ist er selig, warum sollt er wechseln seinen Aufenthalt,
In die Heimat seiner Leiden widevkeren mit Gewalt?
iBt er ein verdammter, darf er wider an die Oberwelt,
Die da leben hundertfältig^ ängstend, wie es im greföUt?
Ueber wen der höchste Richter seines. Urteils Spruch verhängt.
Darf der wol dem Zwang entrinnen, der den Büssenden umfängt?
Mag von Geistern und Gespenstern man auch hören noch so vil.
Warlich eitel Träume sind es, müss'ger Köpfe müssig Spil.
Freilich, als ein Knabe glaubt ich auch daran in meinem Sinn
Und der Amme, die mich hegte, dank ich das, der Schwazerin,
Die mir, dass ich munter blibe, oft wenn schon zu Bett ich lag,
Manche grause Spukgeschichten ernsthaft zu erzälen pflag.
Darum ging auch nie zur Nachtzeit aus der Kammer ich allein,
Oder one Leuchte, draussen, meint^ ich könnten Geister sein;
Mid, sobald es dunkel worden, und des Nachts die Kirchhof wand,
Fürchtete mich vor den Häusern, drin ein Toter sich befand.
Jeden Pfad, der sich verästelt, denn man nimmt oft dort in Acht
Lichter, welche gern den Wandrer irre leiten in der Nacht;
Auch den Anger, drauf der Fallknecht die verlebten Rinder schleift.
Wo den toten Küh'n und Stieren über^s Or die Haut er streift.
Diso Furcht, die knabenhafte, lag dem Jüngling noch im Sinn,
Wie den Duft ein Fläschchen festhält, war einmal Essenz darin.
Oft hab ich ir ausgeboten, immer wider kerte sie
Und es brauchte, sie zu bannen, endlich Mannesenergie.
Nichts mir mach ich jezt aus Geistern, allenthalben kann ich gen,
Furchtlos, ob es noch so finster ; nicht«, auch gar nichts lässt sich sehn.
Sihst den Mann du? Manche Fabeh hört* er aus der Ane Mund,
Leicht nach Hause kam er, eh die Sonne sank am Himmelsrund.
Gläser blinken, Brüder winken, und so trit er, Weines voll,
Erst um Mitternacht den Weg an, der in heimwärts füren soll.
Was nun schaut er? einen Schimmel, auf dem Schimmel sizt ein Mann
One Kopf und one Füsse, der als Rumpf nur gelten kann.
Trägt den Kopf im Arm und hurtig ehe dass er sich^s vurHah,
Weg und aus den Augen ist er, dann auf einmal widur da.
Voll Entsezen eilt er weiter, und der Ruf der Unke hallt
128
•
Dumpf nnd tranrig wie ein Grablied, schaurig rauBcht es in dem Wald.
Und der Mond hat sich entschleiert, zauberhafte Schemen haucht
Er Yor's Auge, bis er plözlich hinter das 6e wölke taucht.
Schuf im erst der Reiter Grausen^ dann das grelle Schattenspil,
Aengstet nun das jähe Dunkel in erst recht, es ist zuvil.
Was er einst vernaro als Knabe, Niemands Freundin sei die Nacht,
Wird im klar und sein Alleinsein fällt im auf das Herz mit Macht.
Immer wider die geschauten Bilder siht er vor sich sten
Und im ist, als ob er müsse noch vor heller Angst vergen. •
Zitternd an dem Leib, von Schweisse triefend, keucht er durch
den Wald,
Drausseu endlich, trabt er weiter durch die Heide nass und kalt.
Sih, da glimmen Lichter, tanzen in dem Räume hin und her,
Taumelnd stürzt er und im zähen Schlamme fast ermattet er.
In dem Frührot kennt er endlich, das im Ost erglüt, sich aus,
Rafift sich auf und triefend, klappernd trit er in sein ärmlich Haus.
In umringen Weib und Kinder und verwundert forschen sie,
Was im zustiess, denn sie schauten so voll Schrecken in noch nie.
Also hebt er zu erzälen an, was er leibhaftig sah.
Weit aufsperrend Mund und Auge, stet sein Büblein vor im da.
Was es hört, es get gewaltig mit im um und offenbar
Wird der Wald dem Son so schrecklich, als er es dem Vater war.
Auch die Base kann nicht feien, die drei Menschenalter zält,
Denn sie muss doch auch erzälen, wenn man ir etwas erzält.
Und so spricht sie: Nicht geheuer ist schon seit dreihundert Jar
Diser Wald, verirrt ist Mancher Nachts darin, und das ist war.
£in gewaltger Räuber hauste dort, gefürchtet rings umher,
Biß er, von der Märe stürzend, brach den Hals von ungeflär.
0, gar vile Dinge weiss ich, könnte Kreuzweg* nennen dir,
Wer zu Nacht auf selben wandelt, dem erget es übel echier.
Hier ein £ichbaum. Dran im Nebel fand man Einen einst erhängt,
Den nun nach Gebür ein Haufen Steine dort als Grab umfängt.
Dort abseits ist eine Grube, die sich kaum dem Blick verrät
Und die sich ein Dieb, gestolnes Gut zu bergen, klag erspäht.
Dort im schattendunkeln Wäldchen fand ein schlimmes Par sich ein,
Seiner schuldbewussten Liebe dort sich ungestört zu weihn.
Dort begrub die Rabenmutter ir gemordet Fleisch und Blut,
Doch das Schwert des Henkers sünte später solchen Frevelmut.
An des Feldes Jerner Grenze Ward ein Markstein arg verrückt,
Wer der Täter, keiner weiss es; Niemand hat die Tat erblickt.
Doch am Orte, wo der Täuscher jene Missetat vollbracht,
Siht man feurig als Gespenst in manchmal umgen in der Nacht.
Alle dise Pläze mid ich, als ich noch ein Mädchen war;
Zalte man mir tausend Gulden, nimmer wagt' ich die Gefar.
Mer noch: dise Geister schweben selbst umher am lichten Tag,
Biß man, fromm drei Kreuze schlagend, irer sich erweren mag.
Ja, sie schweifen durch die Felder, durch die Wälder nicht allein,
130
Drum den Freundesband zu brechen, iren Vorteil, ire Macht
Fest im Auge, sann die schlaue Gamarilla Tag und Nacht ;
Aber da gerade Mittel, Weiberteufelei sogar,
Nichts yermochten, also namen ganz besondrer Kunst sie war,
Und frohlockten schon, als wäre der gewisse Sig ir Teil
Und als wäre der verstockte Herrscher schon bekert zum Heil.
Plözlich einstens vor dem Bette, da der Kaiser lag und schlief,
Flammenzischend, kettenklirrend stand ein Teufelsbild und rief:
Heisst das Frömmigkeit, o Kaiser? einem Kezer hängst da an?
Soll, verfäret, deine Seele wandeln des Verderbens Ban?
Ich auch war bei Leib und Leben gleichen Sinnes. Ruhelos
Tausend Jare büsst der Oeist schon, ligt der Leib im Erdenschoß.
Warlich bitten nicht die Heiligen, beten Andre nicht für mich.
Eitel dann ist all mein Hoffen, wandern muss ich ewiglich.
Reiss dich los von disem Freunde, der der Höllen einst verfallt,
Oder, stirbst du, sei demselben auch im Schwefelpful gesellt!
Oftmals Hess der Spuk sich schauen, stiess noch oft die Drohung aus.
Und der Herscher bleich und seufzend irrte durch das Königshaus,
Biß der Freund, ein Prinz von Sachsen, nach dem Grund der
Blässe frag
Und dann, seinem kummervollen Freund zu helfen, Sorge trug.
Unbemerkt zur Nachtzeit schlich er in des Kaisers Schlafgemach,
Legt sich hin an dessen Stelle, wolgefasst, und hält sich wach.
Und der Unhold naht sich plözlich. Feuer sprät aus seinem Mund,
Brüllend, mit den Ketten rasselnd macht er seine Drohung kund.
Doch die Täuschung war am Ende und des Trugs Vergelter nah,
Nicht der Herscher, der geschreckte, Friedrich selbst, sein
Freund, ist da.
Unerschrocken von dem Lager springt er, stürzt mit Donnerlaut
Auf das Scheusal sich, das nimmer mor zu rüren sich getraut,
Greift^s und hält es fest umklammert, reisst ein Fenster auf und hört
Nicht das Winseln, nicht das Bitten, wie der Geist in auch beschwört,
Den mit Risenarmen fasst er und er wirft in one Wal,
Gleich als war' es nur ein Aeffchen, in den Graben am Portal.
Ein Vermummter mit zerschundnen Glidern bot dem Blick sich dar.
Als es graute — dran ersah man, was es für ein Teufel war.
Der gebeugte Kaiser aber, ob sein Zorn auch war entloht,
Muste lachen, bald auch wider kerte seiner Wange Rot.
War der Freund, dem das gelungen, wert im erst, so ward er jezt
Im noch werter. Sagen lasst mich nur noch das zu guter lezt:
Kunde get, aus deinem Volke stund ein Mann ^inst, Friedrich, auf,
Der wie du dergleichen Geister überwältigte zuhauf. —
Wer kein Tor, der nüzt die Lere und sobald ein Spuk sich rürt
Und das Volk in seinem Wane der Dämonen Walten spürt,
Weiss er, dass Betrug im Spile. Bofih das Volk, es wird berückt,
Wird misbraucht, dass ja den Herren keiner in die Karten blickt.
Denn sie brüten nnermüdlloh Trug und Arglist und Verrat,
131
Im Yerboignen still erlauemd die Gelegenheit zur Tat;
Prägen Geld, so keinen Wert hat, von geringem Korn nnd Schrot,
Dem Gesezeswort entgegen, das mit Strafe diß bedroht;
Mit dem sündigen Gewinne nach Beschüzem schauen sie.
Was die einen lustig raubteu, decken und verbergen die;
Ires Raubs Gewinn zu teilen, halten sie Zusammenkunft,
Neue Ränke, neue Plane schmidet hier die saubre Zunft.
Wer da klug nicht will er wissen, was sie treiben im Verein,
Nein, Befridigung gewärt im, solchen Leuten fern zu sein.
Aber wollen seines Hauses heiPger Schwelle Geister nahn,
Allenthalben spürt und späht er, Wachehaltend auf dem Plan,
Daas bei Nacht und Nebel keiner, welcher einem Geiste gleicht,
Stele seiner Tochter Liebe, noch die Gattin im beschleicht,
Noch im raube seine Schäze, noch, dieweil bestürzt das Haus,
Tief im Keller supfe seine weingefüllten Fässlein aus.
Nimmer sind im solche Freunde, solche Schwigersöne wert
Und hinweg mit Geisseihieben scheucht er sie von seinem Herd.
(Geister, die mit hochgeschwungnem Knüttel er bewältigen kann,
Daaa sie gerne ferne bleiben, fürchtet nicht der brave Mann.
Waa man sonst von Geistern redet, die da gen um Mitternacht,
Himgespinnste sind's, worüber, fem von jeder Furcht, er lacht.
Seine Kinder unterweist er, dass kein Graun sich schleicht hinein
In die zarten Kinderherzen und sie hält in langer Pein ;
Denn wem solches Zeug als Kind ward in den Kopf gesezt, es bleibt
Fest dort haften, dass kein Mensch es je so leicht daraus vertreibt,
Und wenn Mäuse, Ratten, Kazen galoppieren durch das Haus,
Noch als Mann im allenthalben bricht der kalte Angstschweiss aus.
Er verbeut, dass seinen Kindern man den Namen Satans nennt,
Hält von jenen seiner alten Köchin sie drum auch getrennt.
Alte Bücher^ abergläubisches Zeug enthaltend, Band um Band,
Wandern in den lezten Winkel, wirft er in den Feuerbrand.
Wenn die Ane, wenn die Tante, der die Welt voll Geister scheint,
Ob das Kind sich auch entseze, nur damit es nicht mer weint,
Nach dem Wauwau, nach dem Nacht-Rab, nach dem bösen
Ruprecht ruft,
Welche manches schlimme Kind schon Nachts entfürten durch die Luft,
Dahingegen gute Geister denen, die gehorsam sind,
Zackerwerk und Obst bescheren, Kleider selbst zum Angebind;
Wenn sie von den wilden Sehwärmen reden, die mit Saus und Braus
Rittiings auf der Ofengabel rasen durch die Luft ums Haus,
Welche sm des Satans Festen eilen durch die Nacht dahin
Und kein Fenster offen dulden, würend sie vorüberziehn ;
Wenn sie dann von armen Sündern plaudern, die als Feuerschein
In dem Kirchhof gen, von Hunden, welche Glut und Flammen spein:
Laut nun zürnt er: wigt in Schlummer anders meine Kleinen ein,
Sorget dass auf bessre Weise mag gestillt ir Weinen sein !
Kufen aber aus dem Orte seine l'iüchten in hinaus.
13^
Dann mit Sonnenuntergänge treibt es in gewiss nach Haus,
Und wenn auf verschlongnen Wegen durch die Nacht er
wandeln moss,
Sorgsam wacht er, dass der Wein im nicht berücke Kopf und Foss.
Wärend Jener nun im Dunkel, ranschumfangen, sinnverwirrt,
Schemen, Geister, Hexen schauend, hierhin, dorthin schwankt
und irrt|
Lang vor Tag auf allen Wegen taumelt in die KreoE und Quer
Und zurecht sich endlich findet bei der Sonne Widerker,
Siht der Andre nichts von allem, wandelt seinen Gang in Rah,
Und gesund und fröhlich wider trit er auf seid PfSrtchen zu.
3 Die Zigeuner
„Sah in einer Gasse
Einen Galgen hübsch und fein;
Sprach zu mir der Galgen:
Hüte dich, Zigeuuerlein 1^'
Zigeunerlied
Ich gieng einmal im schattigen Wald, es stund der Tag so sonnig,
Mein Möpschen folgte meinem Schrit, mir war so wol, so wonnig.
Beim süssen Sang der Vögelein ich hatte wenig £ile,
Eichhörnchen hüpften zierlich froh, stillstand ich manche Weile.
Tat sich der grüne Vorhang auf, dass vor mir lag die Ferne,
wie durchflog der trunkne ßlick den lichten Raum so gerne.
Wol mocht ich so gekommen sein biß in des Waldes Mitte,
Und weil ich eben müde war, so hemmt* ich meine Schritte.
Ein hoher Eichbaum schattend stand, ich sezte mich darunter.
Ich sass und zog mein Buch hervor, so blib ich wach und munter.
Ich las Odysseus Heldenmär, des schlauen, vilgewandten.
Des durch dein Lied, o Sängerpreis, Homer! so weltbekannten.
Derweil bald da, bald dort spaziert mein Hündchen in den Loden,
Rings um mich her nach Hundebrauch und schnuppert auf
dem Boden.
Auf einmal aber schlägt es an, aufschaut' ich von dem Buche,
Springt zu mir her und schmiegt sich an, als ob es Hilfe suche.
Und winselnd zupft es mich am Rock, als wollte mich es bitten:
Auf, auf! und rasch erhebe dich und folge meinen Schritten!
Ich denk' im Gen: was hat das Tier? Ein sonderbar Betragen!
Von Reh'n ein Rudel hat es wol erschreckt in seinem Jagen.
Was sah ich? Prasselnd loht ein Brand, rings lagernde Gestalten:
Die Körbe 1er, der Kessel singt; bald gilt's das Mal zu halten.
Tiefbraun ir Angesicht, den Leib beschwert mit irer Habe,
Zerlumpt ir Anzug and zerfezt, ir Har schwarz wie ein Rabe.
Ein Bursche pustet in die Gibt, indes den Topf zmn Brande
Zusezt eih Weib und Reiser aucht der Bubmi laiito Bnde.
183
Der streift des Katen Balg, und die bringt nm mit kaltem Blute
Die Tauben, und ir Bratspiess ist die derbe Haselrute.
Ein and'rer stellt ein Jagen an auf seines Kindes Köpfchen.
Im aber flicht die Frau das Har und bindet's fest in Zöpfchen.
Dum sest sie breit sich hin und beut die straffe Brust dem Jungen,
Dm dessen Blosse kaum zur Not ein Lappen Tuch geschlungen.
Ans winer Qmge quetscht ein Bursch die schauerlichsten Töne,
An irem Böcklein aber flickt daneben eine Schöne.
Ein Büblein angeritten kommt auf einer langen Stange,
Dem Schiftger streut es Bröselein in seines Käfigs Zwange.
Nun trollt es sich und rennt umher und wen es kann erschleichen,
Den zupft er hinten, dann geschwind siht man den Schalk
entweichen.
Gleich ist er aber wider da und treibt das gleiche Necken.
Und kriegt ein Schlftppchen er einmal, muss in die Mutter decken.
Dort unterm hohen Tannenbaum ligt Einer, halb sich lenend,
Hit langem Bart und weissem Har, die Glider träge denend.
Des Haufens Ffirer ist der Greis, im hängt die Pfeif im Munde,
Er sieht und wirbelt in die Luft den Rauch aus irem Grunde.
Ich sah so hin, da schlug aufs neu mein Hündchen an. „Ich glaube,
Sprach ich zu mir, am besten ist, du machst dich aus dem Staube. **
Doch hatten sie mich rasch entdeckt. Heran schon lief ein Knabe,
Der bat fftr seine Leute mich um eine kleine Gabe.
Ein Uebrigs tat ich: solchem Volk trau' Einer, der alieine.
Yeignflgt, wie soyil Geld er sah, von dannen sprang der Kleine.
Zur Matter lauft er, hält ir hin, was er von mir erraffte
Und Jeder lief und ruhte nicht, biß er es auch begaffte.
Da dankte mir der ganze Tross, mir ans der Feme winkend,
Den Schlapphnt zog der Alte gar vom Scheitel silberblinkend.
ESn altes Weiblein aber hub vom Size sich zur Stunde,
Die Haut voll Runzeln, grau der Kopf, kein Zan mer in dem Munde.
Am Leibe war sie spindeldürr, ein Kropf am Hals ir schwappte,
Ir Rücken hdckrig wie ein Berg, ir Fuss, der rechte, knappte.
Zu den Genossen kert sie sich, drauf nimmt sie mich zum Zile;
Nun galt es, dass der Hexe braun nicht in die Hand* ich fiele.
Doeh wie sie sah, dass ich vor ir vom rechten Weg ablenke.
Da greift sie aus, und auf dem Hals ist sie mir, eh* ichs denke.
,0 haltet, ruft sie, lieber Herr, zu Dank Euch wird^s geschehen.
Zu fftrchten warlich brauchet Ir Euch nicht, o bleibt doch stehen !
Niemanden je, so alt ich bin (die Hundert schon beschrit ich)
Hab ich gekränkt, o zeigt mir doch, Herr, zeigt die Hand mir,
bit ich.
Ir schlagt es ab, da doch ich Euch glückselige Kunde bringe?
Nichts brauch ich ja, denn P2ure Hand : Kund sind mir vile Dinge!
Bin anch zu lügen nicht gewönt — was ist da zu bedenken?
Wsui ich nichts Gutes prophezei, braucht Ir mir nichts zu
schenken.
134
Nor Gutes, ant mir, sag ich Euch; in Minen und Geberden
Les* ich's nod Euer Herz verdient das schönste Glück auf Erden.
Wer gerne teilt sein Scherflein mit, und nicht zu karg, den Armen,
Wol get es dem sein Leben lang, Gott wird sich sein erbarmen."
In*s Auge fass^ ich sie: Mir ist ein Grausen aufgegangen,
Vom Kopf biß zu dem Fuss hinab war sie von Schmuz umfangen.
Ich schloss mein Cr, so gut es gieng, vor irer Zunge Pfeilen
Und weiter schrit ich, sprach kein Wort; hier galt es kein
Verweilen.
Wie so nun, taub mich stellend, ich von ir mich abgewendet,
Fortwandelnd, one dass ich nur ein Wort an sie verschwendet,
Zur Bander humpelt sie zurück. Doch weil sie nichts erwischte.
Ward sie von Allen ausgelacht, sie aber flucht' und zischte.
Ir widersprachen Andre laut, darunter auch der Junge,
Den ich beschenkte; still jedoch stand nimmer ire Zunge.
Ein Häuflein Weiber hat sich ir mitbelfernd zugewendet,
Und nun entbrennt ein Kampf, der wol mit blauen Malern endet.
Ich nam es aus der Ferne war, mir moclit^ es wenig frommen:
Den Heimweg hab ich, langsam nicht, durchs Blachfeld d'rum
genommen.
Ein Bauernburseh kommt hinter mir denselben Weg gewandelt,
Gar froh gestimmt vom jungen Wein, den er beim Wirt erhandelt.
Er bringt, weil bald die Hochzeit ist, dem Bräutchen hübsche Dinge,
Manch lustig Liedlein singt er, dass der Marsch im bas gelinge.
Er steuert heimwärts von der Stadt, wo zu bestimmten Tagen,
Und heut' auch so, die Krämerschafb ir Marktzelt aufgeschlagen.
Wie freut er sich, dieweil der Sinn des Vaters nun erweicht ist,
Dass sein das Mädchen und das Zil, das holde, bald erreicht ist.
Wie Die mit irem Hinkebein in schaut in irer Nähe,
Sie grüsst in, forscht, woher des Wegs? wohin die Reise gehe?
Da bleibt er sten und schwazt, das ist ein Reden und ein Lachen!
Und gibt zulezt noch gar die Hand dem wüsten, alten Drachen.
Hierauf er zieht das Beutelein, die Alte zu begaben
Und hebt sich weiter mit Gesang, um vollends heim zu traben.
Und als er mir zur Seite war, ich frug in: „sprich, mein Lieber,
Was wüste denn das alte Weib? Was giengst du nicht vor&ber?"
„Sie hat, er sprach, ein schönes Weib mir profezeit, nicht minder
Ein langes Leben, heilen Leib, dazu gar hübsche Kinder,
Und manche schöne Dinge noch.*' — „Du glaubst der schwarzen Alten
Und zalst dein Geld noch, dass sie schön zum Narren dich gehalten?''
„Nicht trauen sollt ich irem Wort? Sie hat mir kundgegeben
Von meiner Mutter selig vil, aus meines Vaters Leben.
Fremd war sie mir, die Augen mein sie nie zu sehn bekamen,
Und dennoch kannte sie mich wol und nannte mich mit Namen !
Wer sagt ir, was ich selbst nicht weiss? Wenn all das ir bekannt ist.
So glaub ich, dass die Zukunft sie zu schauen auch im Stand ist.*'
Mich kam darob das Lachen an: „So glaubst: ^«^ ^m Erlogne?
135
Nur ml doch hab wol Acht, du bist ganz sicher derBetrogne!
Kein Zweifel, die Zigeunerin ist über dich im Klaren,
Auch wftr's zu wundern, wüstest du, wober sie das erfaren.
Mir aber danket schier, du bist zu rasch im Glaubenschenken,
Dich hat das alte schwarze Weib berückt mit iren Ränken.
Noch kennst du dise Rasse nicht: willst du sie kennen, höre!
Grat iat's villeicht für später, dass ir Trug dich nicht betöre.
Sie schleichen in die Dörfer ein, um alles au&uspüren.
Was tauglich scheint, um iren Plan .gehörig auszufüren.
Noch ledig bist du. Wäre dir die Braut auch nicht verbündet,
Die glücklichste Verbindung doch dir hätte sie verkündet.
Was anch erfüllt den jungen Mann, dem um die frischen Wangen
Der erste Flaum wie Schatten spilt, mit süsserem Verlangen?
Der Jongfr« get ea anders nicht, und wenn'« die frömmste wäre ;
Drum beiden wer von Hochzeit singt, er bringt willkommne Märe.
Du bist begütei*t. Dein Gewand schon gibt es zu eiTaten,
Das zeichnet dich vor manchem aus von deinen Kameraden.
Verl&ssest du das Haus, du bist bei vollem Beutel immer,
Dein Vater gibt dir, was du willst, zu knapp dich hält er nimmer.
Und wenn es ein Vergnügen gilt, engherzig sparst du selten.
Schlecht finden lassest du dich nicht und Keiner kann dich schölten.
Das wüste sie, mit Schmeichelton hat sie dich eingenommen
Und freut sich jezt, dass sie so leicht zu deinem Geld gekommen.
Oft hat sie schon dein Dorf besucht und strich durch seine Gassen
Und durch die Fluren rings umher, du darfst dich dVauf verlassen.
Du hast, weil in der Schule du, villeicht sie nicht gesehen;
Du mustest.Vor- und Nachmittags ja stets zur Schule gehen.
Du warst, weil eben auf dem Feld, wol nicht zu sehn im Staude,
Wie sie zu deines Vaters Haus die flinken Schritte wandte.
Sie selbst auch sah villeicht dich nicht, obschon des Vaters Züge,
Den sie schon manches Mal gesehn, bekant ir zur Genüge.
Wer kent in nicht? Du weisst ja selbst : wer ist im ganzen Flecken,
Dem er, in Geldnot, nicht bereit, ein Sümmchen vorzustrecken?
Selbst aus der Ferne mancher kommt nach eurem Haus gewandelt,
Der Holz von deinem Vater bald, bald Vieh von im erhandelt.
Und oft auch gieng er über Feld, Ausstände zu kassieren:
An Minen bist der Gleiche du, am Gang und an Manieren.^ —
gSie wüste doch, wie alt ich bin, dass ich als kleiner Knabe
Das Füssohen brach und dass ich dann schwer krank gelegen habe ;
Sie wüste, dass der Vater sich mir .zürnend abgewendet
Und dass er jezt mir widerum die alte Liebe spendet."
„0, jedes Hauses Heimlichkeit mühn sie sich zu erschleichen,
D^rum kent sie dich, *s ist ire Art, zu schleichen und zu streichen.
Dass von des Nachbars Enkelin das Herz dir eingenommen
Und nun des säubern Mädchens Hand du wünschest zu bekommen ;
Dm8 erst dein Vater Nein gesagt, bis endlich die Begerte
Sein Herz, von deiner Liebe Macht bewältigt, dir gewärte;
136
Da88 er bereits mit Feldern dich, mit Wisen reich bedachte
Und dir sein Hans, mit schwerem Geld erst neu erbant, vermachte ;
Dazn den halben Yihbestand, den Wald nicht zu yergessen,
Und einen Haufen baren Gelds, nichts spärlich zugemessen;
Dass, wenn die Scheunen all im Herbst beginnen anzuschwellen
Vom Elrntesegen, er dir selbst die Hochzeit will bestellen:
Das weiss das ganze Dorf — und sie, sie sollte nichts erfaren
Von Dingen, die doch lange schon in aller Munde waren?
Ja, das ist ein verschmiztes Volk ! Es will einst von den Borden
Des Nil vertriben worden sein von grimmen Feindeshorden.
Nichts ist es, als verlaufoes Pack; nur Schlechtigkeit, dieg^osa ist,
Der Hang zur Zügellosigkeit schuf, dass es heimatlos ist.
Arbeiten? Nein! Die ganze Welt durchbetteln, ist erquicklich 1
Auch lässt es, wenn es nichts erhält, mitlaufen was im schicklich.
Es spilt sein ganzes Tun, solang des Sommers Tage wären.
Im Wald sich ab, sein nächtlich Ruhn, sein Zeugen und Geb&ren.
Doch wenn es get dem Winter zu, wenn kalt die Fröste schaaern,
Der Wälder Bann verlässt es dann, kriecht unter bei den Bauern.
In unsrer Gegend bringt zumeist die Zeit es zu, die kalte,
Hier, weiss es, feit es nicht an Holz und sonstigem Unterhalte.
Das Mausen aber hat es hier sich abgetan — weswegen?
Weil so nur Unterschleif im wird, woran im vil gelegen.
Doch zauberhafter Künste vil sich rümt es vor den Leuten
Und weiss auf dise Weise fein den Landmann auszubeuten.
Gern bannt es Geister aus dem Haus, und Hexen aus den Ställen
Und doktert an dem lieben Vih herum in Krankheitsfällen.
Besprechen will es Feuersbrunst, Geraubtes widerbringen.
Behilflich dem Verlierer sein zu den verlorenen Dingen.
Die ganze Zukunft lige hell, so pralt es, vor dem Blick im.
Und doch ligt tief in Finsternis sein eigenes Geschick im.
Grossvater kam und Vater einst durch Schwert und Strang ums Leben,
Doch keiner weiss, dass Gleiches auch mit im sich wird begeben.
Stet schon das Zuchthaus hinter im, der Scherge mit der Rute,
Der Henker mit dem glflhnden Mal, er merkt es nicht, der Gute.
Und, altgeworden, ruht er sich im Wald und auf der Heide
Und merkt nicht, dass der Tod nach im ausstreckt die Arme beide.
So haben — nimm es übel nicht! — gefoppt dich ire Künste,
Und was die Alte dir verkauft, sind eitel blaue Dünste.
Nun lerne künftig klüger sein durch disen kleinen Schaden
Und trau dem Hokus pokus ja nicht wider, möcht ich raten. '^
Wie wurde da der Junge rot, schalt wacker auf die Alte :
Sich blicken lassen soll vor im nicht wider sie so balde!^)
Stuttgart KarlDoU
1) Uro dem Leser eine Probe des Urtextes zu geben, welche d^^*
137
Yolksffimliehes : Sagen
VI
1 Btr tritoclMM fitlfl
In Augsburg sei es geschehen, daß ein Jesuit eine evangeli-
ioiie Bäckermagd anm waren alleinseligmachenden Glauben be-
keren woUte und diß versuchte in Oestalt eines Gespenstes. Er
Seite dem H&dchen dermaßen zu und erschreckte es so f&rohter-
lieh» daß es gar su arg war: wenn sie nicht vom Kezerglauben
ablafi6| würde in der folgenden Nacht der Teufel selbst kommen
und sie holen. Eis habs die Magd dem Knecht geklagt und ge-
beten ir beizustehen. Was geschieht? Die folgende Nacht ver-
steckt sich der Knecht in der Magd Kammer. Der Geist kam
wflrkfioh und hub ein mächtiges Gepolter an. Der Kuecht nicht
&11I, wischte herfOr mit seinem Gewer. „Der Geist, diß ersehende
hob seine vermeintlichen Teufelskrallen beide in die Höhe, geht
auf den Knecht loß und will in erschrecken, der in aber in den
Leib stieß, daß der Geist niderfiel und starr tot war. Der Knecht
wedite behende jedermann im Hause auf, mit Vermeidung wie er
den Geist erstochen habe.^
selben zuirleich in den Stand sezt, über die Treue der üebersezung sich
eimgermaften ein Urteil zu bilden, sei es vergönnt, die schönen Schlaß-
▼erse des Gedichtes Tod und Begräbnis im Original hier mitzuteilen:
8i me diliffitis, vetulas arcote cubili,
Ne me languentem promptius ore necent.
Sique meas vmquam tibi, Gare! licebit adire
Exsequias, nosces iam mea vota prius.
Consolare meos! Turbam depelle loquaceml
Nemo, cave, tangat me nisi membra lavans.
(Non opus esse tarnen statuo lotrice. Cadaver
Semper erit foedum nilque valebit aqua).
Si poteris, qua vis siue pompa trade sepulcro
M e, paucosque meo funeri inesse sine t
Lintea me cingantl Signum talare facessat
Ofßcii, maneant biblia sacra domi!
Sint pneri mnti! Sileat campana! Feratur
Corpus, cum coelum sidera prodit, humum!
Quilibet aptus erit locus! Absit praeco disertusi
Nee mea caelatus contegat ossa lapis!
Sic, opto. facies, et sie mea vota beatam
Annorum seriem Te superare volunt,
Sique senex, vitaeque satur, tua lumina claudens,
Ingrediaris humum, sit tibi terra levis!
138
2 Ein Spiler and Flacher verirrt
„Zu Eßlingen ward järlich am Tag St. Gatharinä ein Markt
gehalten, auf welchem, als einsten ein Edelmann verreiset, geriete
er zur Spil-Gesellschaft. Es kam aber dazu, daß der Edelmann
all sein Geld verspilet und da es nun dunkel worden, befale er dem
Knecht die Pferde zu bringen und ritte auch noch selbiges Abends
darvou. Unter Wege aber gedachte er fort und fort an sein ver-
spiltes Geld, dessen denn vermutlich nicht wenig gewesen, daß er
also ergrimmet, einen Finch und Gottslästerung über die andere
herauswarf, daß auch der Knecht darwider zu reden begunte, mit
Vermelden, daß sie nun im Wald wären, auch Gott leichtlich ver-
hängen könnte und so fortan, der Edelmann aber nur noch greu-
licher gefluchet. Indessen stoßen im etliche Reuter auf (welche
freylich lauter Gespenst« gewesen) mit großem Geräusche und Ge-
tümmel, dise salbeten den Edelmann mit Stößen dergestalt, daß
er halbtot vom Pferde fiele, welchen doch sein bescheidener (sicli
auskennender) Knecht nach weniger Zeit wider zu Pferd brach te«
ritten aber doch die ganze Nacht irr, bis sie Morgens früh in das
Kloster Bebenhausen kamen, ganz matt und kraftloß und was den
Edelmann betrlift so krank und schwach, daß er auch allda nach
3 Tagen sein Geist aufgeben wie Manlius berichtet in Collectan.^
3 Der Zaaberer Hasch
„Glaubwürdig ist von etlichen berichtet worden, wie daß vor
etlicher Zeit iü dem Würtenberger Land ein großer Mörder um-
gegangen sey, der dabei ein überaus großer Schwarzkünstler ge-
wesen und kundte sich unsichtbar machen, wenn er wollte, mit
Namen Nusch^ für welchem sich jederman entsezte, wenn man
nur seinen Namen nennen hörte. Diser zauberte sich auf eine
Zeit bei Schorndorff zu einem alten verdürten abgehauenen Stock
oder Trumm von einem Baum. Als nun eine gute arme Frau
hinaus in den Wald, Holz aufzulesen gangen war, fände sie unge-
fehr diesen Block am Wege liegen, dachte bald, ich will ihn
nehmen und zu Hause schon zerhauen, nähme ihn auch, lüde ihn
auf und trüge ihn mit sich. Als sie aber nahe an das Thor kam,
finge der Nusch an zu reden und sprach: alte Hur, stehe still,
laß mich gehen, du hast mich lang genug getragen! Die arme
Frau erschrack hefftig und ließe den Stock, unangesehen daß sie
so hart und schwer getragen hatte, daß ihr der Schweiß darob
ausgegangen, fallen, lieffe darvon, Nusch aber verschwand."
4 Von einem Schaze
„Es ist auf eine Zeit ein Pfarrherr zu Dontzdorff, oberhalb
Gemünd gesessen und in seinem Garten einen Baum gefället, da-
runter er Kohlen gefunden, die glitzerten etlichermaasen, darob er
sich verwundert und darvon etliche in seinen Sack eiogesteoket.
189
Als er nnn nacher Hans komen und die Kohlen wollen heraus-
thoD, siehe da waren es soviel Goldgulden, so viel nemlich er
Kohlen hineingeleget und mit sich heimgetragen hatte. Er lieff
bald wieder dem Garten zu, in Willens deren mehr zu holen, aher
da war nichts mehr anzutreffen."
5 Den Teufel Terschriben
„A. 15S7 ist eine Hex zu Dillingen gefänglich eingezogen
worden, die soll 31 Jahr in ihrem Wittihstand gelehet hahen als
eioe Hehamme; dieser hat der Teufel versprochen, sie in keiner
Armut stecken zu lassen. Nun ist der Teufel zum andern mal zu
ihr kommen und hegehret, sie soll sich ihme ergehen und mit
ihrem Blut unterschreiben: da sie aher sagte, wie sie nicht schrei-
ben könte, da hat er ihr einen Ritz oder Riß an den linken Arm
gemachet, ihr eine Feder in die rechte Hand gegehen und mit
dem aufgefangenen Blut die Feder gefüllet, welche er ihr ge-
fÜhret und damit üher das Papier gefahren; jedoch sei nichts
darauf geschrieben zu sehen gewesen (wie sie hernach in der Tor-
tor bekant und ausgesagt), welche Schrift denn der böse Geist zu
eich genommen habe und wenn sie hernachmals etwan zur Kirche
gehen oder ein Gebet verrichten wollen, zur Stunde sei der Teufel
BQ ihr kommen und bah ihr solch ihre vermeinte Yerschreibung
vorgehalten.^
Dise fünf Sagen sind dem bekannten 1695 zu Nürnberg in
Verlegung Wolfg. Moritz Etutters erscliinencn Volksbuclie entnom-
men: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende des vielberüch-
Ugien Ertz- Schwarzkünstlers D. Johanni<i Faiisti, Erstlich vor
vielen Jahren fleißig beschrieben von Georg Jiudölph Widmann —
— durch Joh, Nicolanum Pfitzer med. Doct, nebst vorangefügtem
Bericht Conradi Wolfgangi Plaizii und einem Anhange u, s. w.
(8. 30. 74. 114. 234. 405.) Vgl, BcichUn-Meldeggs Faust 2. Heft-
chen S. 75 ff. und Anmerkung.
Genanntes Werk sagt S. 254 über den Begang : Und warum
solte eben allein des Hasen, Wolffs Begegnen etwas Böses bedeu-
ten und andere Thiere oder Menschen nicht, da sie doch eben
▼ielleicht auf diese Weise begegnen, wie diese? Zu dem ists eine
große Sünde aus dem Begegnen eines alten Weibs oder sonst eines
Menschen, der gebrechlich, einäugig, oder gar blind und lahm ist,
etwas Böses bedeuten, weil es ja Christen seind u. s. w. Die
Heldensage figuriert S. 267: Sonsten schreibt man von dem Ifil-
debrandt, von dem starketi Dieterich von Bern^ vom starken Eck^
dem Hürnen Segfried (welches Rüstung man zu Worms in dem
Tbnrm zeiget) und andern grossen ungeheuren Riesen mehr viel
Wvader DingS; welches aber alles mag in seinem Wehrt beruhen.
140
6 Eine Tergrabene Glocke
Bei Oefingen (badisohe Baar) heißt eine Flor, ein Ackerfeld
^im Flachtkirchle". Da ist eine silberne Glocke vergraben. Die
Leute finden sie nicht, es kommt aber mal ein Schwein and wird
«ie heraoswülen. Mündlich
7 fiehOmte Hasen
seien gekommen, sagten alte Leute wenn die Hirtenbuben „Hängetlis^
spilten, und manchmal einen loszubinden vergeßen ward. — Hai
mit dem lepus cornutus bei Forer 69a nichts zu tun. Seitingen
8 Ein onterirdlecher Weg
gieng vom Kloster Reuthin bei Wildberg durch die Nagold bis zum
Forsthaus.
9 Kinderholen
In Vöhringen OA Sulz holt man die Kinder im Aisch' oder
Eischbachy der durch die Ortschaft fließt, oft wasserarm ist, aber
doch dümpfelartige Stellen aufweist. Da sind unter den großen
Steinen Laden, zugedeckt. Die Hebamme lüpft die Deckel und
fängt die Kinder heraus.
In Bregenz sagt man: die Kinder kommen von Lindau aus
dem Lindauer Brunnen.
10 Die PelxUsel
Teuffstetten gehörte vor mer als 130 Jaren einigen Fräulein
V. Trezel, von denen es dann auf die v. Holz, dann v. Pfeil und
durch eine Tochter des wirtembergischen Ministers v. Pfeil an den
Herrn Alexander v. Seckendorf, Gutendischer Linie in Oberzenn,
kam, der noch vor 20 Jaren in dem alten Schlosse des Orts
wonte, und von dessen Sone Barth. Carl v. S. ich folgende Notiz
habe. (Christoph Carl Ludwig v. Pfeil, der 1783, 74 Jare alt,
gestorben.) Geistergeschichten sind nicht vile im Dorfe, aber seit
langen Jaren pflanzte sich eine Spukgeschichte in und bei dem
Schlosse fort, die der Tradition zu Folge von einer ehmaligen
Fräulein v. Trexel herrürt, die ein grünes Corset mit Pelz ver-
brämt und einen Bund Schlüssel tragend öfters sich noch sehen
ließ. Vor etwa 17 Jaren erschin sie dem Mädchen des Schäfers
zum erstenmal Nachts beim Schlosse und forderte sie auf, einen
Schaz im Keller zu heben. Das Mädchen gieng Nachts 1710 wirk-
lich von dem damaligen Hofmeister des Herrn v. S. und anderen
herzhaften Leuten begleitet, in den Schloßkeller, fiel aber in Un-
macht. Nachher erschin die Pelzlisel ir an irem Bette und um
eine Abzerung zu verhüten, tat der Schäfer seine Tochter in einen
andern Ort, wo sie wirklich mit den vorigen Visiten verschont
142
weil er eine Monstranz zam Sanktissimam anf dises Fest in Augs-
burg bestellt hatte, heimkeren wollte, so sagte Fraa Margarethe
zu im, er solle deswegen nicht so eilen, sie hätte eine silbeme
Monstranz und dise wolle sie im leihen. Er wollte sie nun zuTor
beschauen.
In einem Nebenzimmer war sie aufbewart, in welchem aber
Fräulein Regina v. Echenheimb eine Vorschürze gefältelt und den
oBbenannten Judenstein auf den Falten ligen gehabt hatte. Er
nam den Dom aus der Monstranz heraus, um zu sehen, was er
wäre und da gewarte er auch den Stein. Er wollte nun den Dorn
am Steine erproben. Plözlich befiel in ein Schrecken und Zittern,
er tat den Dorn wider in die Monstranz und wollte dise nicht
mitnemen; denn am Steine sah er Blutstropfen, tropfenweis be-
sprengt. Unbedächtigte Menschen wollten diß Blut wegwaschen
und wegkrazen, aber sie vermochten es nicht.
So die Sage, wie sie Frau Margaretha v. Wembding in Ge-
genwart irer Kinder etc. etc. einem Berichterstatter erzälte, am
14. Mai 1571. Durch irer Sönerin Vater Wolf Dietrich von und
zu Stadion, Arneck und Alberweiler, kam diser Stein sodann nach
Stadion. Schöttle
12 Die drei Herrgottstritte im Hardt
Zwischen dem Pfarrorte Hartheim und dem Marktflecken
Stetten am kalten Markt (auf dem Heuberge, badischen Teilt)
zieht sich eine langgestreckte Nadel waldung mit mäßigem Trocken-
tale 'fast zwei Stunden hin. Die Gegend ist öde, der Eindruck
druckend fürs Aug und Gemüt. Fast am Ausgange des engen
Tales, unweit einer Ziegelhütte, eine Viertel Stunde von Stett.en stet
eine kleine Kapelle, von Stationen umringt und ein Par Kreuze
daneben, das ist der ganze Schmuck diser Waldpartie. Was aber
gab Veranlassung, in dise verborgene Oede, wo ehedem die Füchse
und Hasen sich gute Nacht sagten, eine Kapelle zu -bauen? Die
Volkssage erzält also : Ehedem war diser Ort der gcwönliche Weide-
plaz für die Rosse aus Stetten. Die kleinen Rossbuben fürten da
nicht selten ein ausgelassenes, mutwilliges Leben und verwilderten
im Herbste allemal arg. Darunter war einer, dessen Zunge das
Fluchen geläufiger war, als das Beten. Als er einstmal wider so
grausam fluchte, stund plözlich der liebe Herrgott in Menschen-
gestalt mit aufgehobenem drohenden Finger vor im. Aber was
half es? Er fluchte noch ärger, erhob seine Geißel, um den lieben
Herrgott zu geißeln. Da sprang diser über drei Steine hinweg,
der Bube im nach; aber der liebe Herrgott verbarg sich jezt vor
im in ein Gebüsch und man sah in nie mer. Auf disen drei Stei-
nen ist nun der Fußtrit des Herrn eingesenkt und nicht wider
wegzubringen. Die Sache wurde bald ruchbar. Von der ganzen
Umgegend strömten Leute, besonders mit Fußübeln behafbeta, herbei
und stellten den kranken Fuß in dise Herrgottstritte. Eio altes
143
Pfarrherrle yoii Stetten sezto seinen kranken Fuß auch hinein und
•kbald war er von seinem Fußleiden befreit. Aus Dankbarkeit
liaß «r nun eine Kapelle über disem Stein erbauen. Von Zeit zu
Zeit wird eine hl. Messe da gelesen. Die anderen zwei Steine
dnd außerhalb der Kapelle. Vom Frühjar bis Winter-Anfang ist
ne ser besucht. In diser stillen Waldeinsamkeit, wo man kaum
ein Vögelein singen oder einen Specht in seiner Tätigkeit als Baum-
hacker yemimmt, ist es übrigens ungestört zu beten. Schreiber
Jessen war schon zweimal dort auf seiner Reise nach Hartheim.
Schöttle. Mündlich vom Vizemesner von Hartheim
18 Die Sige vom Pudel xn Hochdorf
Hoobdorf war noch im 12. Jarhundert ein adeliges Schlößlein
auf einem m&ßigen Kreiden-Hügel der Alb zwischen Dächingen
and Mandingen. Von Ruinen siht man nichts nier. Der lezte
dioes Geschlechtes, Junker Hans v. Hochdorf hat im 14. Jarhun-
dert fdar sich und seinen Ocbsenknecht Hans einen ewigen Jartag
in die Pfarrkirche zu Granheim gestiftet. Schon seit alten Zeiten
gieng die Sage, daß im Schloßkeller eine volle Geldtruhe sich be-
finde, aber Niemand getraute sich, disen Schaz zu erheben, da ein
schwarzer Pudel mit feuriger Zunge und feurigen Diamanten-Augen
auf der Kiste size. Es mag von jezt ab circa 80 Jare sein, daß
13 Banren den Mut faßten und nach dem Keller gruben. Wol
kamen' sie biß zu im hin; allein alle ergrif unsäglicher Schrecken,
einer Namens Link wurde sogar wansinnig und starb nach wenigen
Tagen. Schöttle. Mündlich von Ziegler Koch in Dächingen
14 Die Ersobeinimgen am BachstOckle
In- der Mitte zwischen Dächingen und Alt-Steußlingen dem
Piarrorte befindet sich ein kleiner „Burreu" am Fußwege, wo ehe-
dem alte Buchen gestanden haben sollen.
Vor Jaren stand noch ein altes verwittertes Bildstöcklein da-
selbi^t und nicht weit davon ein uraltes steinernes Kreuz, wie man
solche nicht selten an Wegen trift, ein sogenanntes Doloser-Krcuz,
5' lang und 5' breit, solche Höhe und Länge niuste jedes messen.
Wo ein solches stet, ist jedesmal eine Untat begangen worden und
mnste der Missetäter zur Süne ein solches Kreuz sezen und Gottes-
dienste für den Ermordeten abhalten lassen. Als Knabe gieng ich
hundert und hundertmal daran vorbei, war aber, zumal am Abende,
herslich froh, wenn ich vorüber war. Es ist nämlich da nicht
ganz geheuer. Zu bestimmten Zeiten kommt es vor, daß ein Hund
und besonders ein Wachtelhund lange Zeit neben einem daherlauft.
Schon Hunderten kam diß vor. Bißweilen aber wälzt sich auf
dem Wege immer eine lleisbuschel vor dem Wanderer her, one
daß diser sie erreichen kann. Gefarlich ist, ir zu folgen, denn in
disem Falle wird man jederzeit arg irre gefürt und kommt nicht
beim and kennt sich nicht aus, biß die Gebetglocke im „Käppele^
144
in Dächingen läatet. Es ist diß eine alte 1465 gestiftete Kapelle
außerhalb des Ortes gewesen, die aber anno 1848 in den Ort hinein
verlegt wurde. Welche Bewandtnis und welchen Zusammenhang
die Stiftung der Kapelle mit dem Doloser-Kreuz, dem Bildstöekle
und der Erscheinuhg hat, konnte ich noch nicht ermitteln.
Schöttle. Mündlich von Loch und den eigenen Oroßeltem
16 Des Konstauer Bisohofs Fre?elrit
Stumpf in seiner Schweizerchronik (V, 394b) erz<: „im
1503 jar reidt der Bischoff von Costentz im Klättgow den pau-
ren durch das körn mit seineu Reutern und dienern, do schl&g der
donder vnder sie vom himmel, ein rossz zu tod vnd sunst 7 oder 8
rossz vnd mann zu boden, doch one Verletzung j res l&bens.^ Daau
fügt Martinus Bohemus in seinem Kirchen-Kalender, Wittenberg
1608 S. 440 folgendes: Ob nun auch schon Gott der Herr nit aUa
zeit solchen Mutwillen mit dem Donner strafft, so siebet er doch
solchen Frevel woll und wirds ihnen zu seiner Zeit woll zu ver-
gelten wissen, das solche Gesellen entweder zu armen Leuten und
Hungerleidern werden u. s. w.
16 Sohax bei Unterreicheabacb ^
Am Thannberg bei Unterreichenbach sind von den Leuten
zu verschidenen Malen bald einzelne Schafe, bald Pudel gesehen
worden, weswegen man glaubte, es lige ein Schaz dort begraben.
Im Jare 1845 oder 1846 fand denn auch wirklich eine Frau
(Barbara Bohnenberger valgo Mätzebäbe) alte Münzen in einem
Topf, man sagt bei 800 fl. im Wert, beim Ausgraben von Steinen
an jener Stelle und von da an hat man auch keine Tiergestalten
mer daselbst wandeln sehen. Unterreichenbach
17 Spuk In ünterreicbenbacb
Nach dem Tode der Mutter des Schmids Kl. in Unterreichen-
bach war es im Hause nicht mer geheuer. Besonders zur Advent-
zeit rumorte und klopfte es im Hause, die Wige wurde geschau-
kelt, daß die Kinder fast herausfielen u. dgl. Auch sahen Nach-
barn, wie die alte Frau zum Büneladen heraussah. Mitten in
der Nacht rief einst der Schmid, ir Son, um Hilfe und als die
Leute herbeikamen, sahen sie die verstorbene Frau bei dem Spinn-
rade sizen. Später fand ir Son auf der Büne 50 fl. Geld, das
versteckt war. Von da an hat der Spuk aufgehört.
Unterreichenbach
1) Die folgenden Sa^en sind ans der Calwer Gegend; eine kleine
Anzal sih Alem. VI 161 ff. Karl Doü,
145
18 Dtr OelMhligw
In Unterreicbenbacb, wird erzält, lebte ein frommer Oel-
miUler, welcher allabendlich die Engel singen hörte. Die Sonn- und
Festtage feierte er ser gewissenhaft. Einst aber hatte er sich an
Äwm Samßtag Abend beim Heuet verspätet und als er mit dem
Henwagen durch die Nagold für, blib er mit dem Wagen darin
stecken, denn es war 6 Ur vorüber. Er hörte nun an disem
Abende die Engel nicht singen und aus Kummer darüber gieng er
hhk und erhängte sich. Unterreichenbaoh
19 Dtr Ortsiame DoBidlcht
Der Name des unterhalb Liebenzeil am Bergabhange gegen
die Nagold gelegenen Orts Dennjächt bedeutete one Zweifel nichts
anderesi als Tännicht, Tannengebüsch, im Gegensaze zum Tann,
welchen Namen einer zu disem Ort gehörigen, aber entfernt auf
einer Bergecke gelegenen Häusergruppe zukommt. Die Dennjächter
selbst leiten die Benennung von „denen acht** ab, d. h. von den
acht ersten Ansidlem, welche den Ort gegrründet haben.
ao Unterliaigftett und ■onakam
Zwischen beiden Orten soll einstens ein Dorf gestanden haben,
dessen Einwoner in den Kriegszeiten so ser zu leiden hatten, daß
salezt nur noch zwei Männer übrig bliben, Hang und Mona mit
Namen. Schließlich haben auch dise beiden die Stätte des Elends
verlauen und hat sich der eine zur Rechten, der andere zur
Linken der alten Heimat nidergelassen. Aus den neuen Won-
sisen, welche sie gründeten, entstanden nach und nach die jezigen
Orte Unterhaugstett, auch kurzweg Haugstett genannt, und Mona-
kam, welch lezteres übrigens nachher seine Lage wider verändert
hftben solH). Mündlich
21 Fud foa Wekerskaiisen *)
Von dem abgegangenen Ort Wekershausen bei Unterhaugstett
iit noch ein mit einer Steinplatte bedeckter Brunnen vorhanden.
Auf diaem Deckelstein, get die Sage, habe mal Einer ein Säckchen
mit Geld gefunden und zu sich gesteckt. Als er das Säckchen da-
heim öffnete, fand sich eitel Rossmist darin. Ursach, weil er, wie
man glaubt, unterwegs „beraffelt** (beschrien) worden ist.
Mündlich von Unterhaugstett
1) Alem. VI S. 12 Nro. 5.
2) Alem. VI 162, 6.
Blrliager, AlemumU VU 2 10
146
22 Glaube an alte Rechte
Wie in den Klosterorten des nntem Schwarzwalds, so lebt
auch in andern Gemeinden der Umgegend der Glaabe, daß die im
Besize des State befindlichen Waldangen auf der Markong eigent-
lich inen gehören würden. So heißt es in Unterhaagstett yon
dem Statswald „Allmand*', in welchem der Gemeinde nor noch
ein Brennholzuuzongsrecht „aasser Gnaden" eingeräumt ist, man
sei halb des Glaubens, daß derselbe Gemeindewald war und kaum
anzunemen sei, daß er seine Natur verändert habe. Ebenso „straii-
chelt" man bei dem Statswalde „Bruoch", ob es nicht ein Ge-
meiodewald war. Man erzält sich, der alte Simme von Nenhaosen,
welcher mit einem Körbchen umhergieng und Gaben sammelte und
jezt über 100 Jare alt wäre, habe oftmals gesagt: Wenn ir wüß-
tet, was ir für Rechte hättet, ir wäret die reichsten Leute. In
Monakam änlich. Dort habe im zweiten Jaraehnt dises Jarhun-
derts ein Pfarrer (Laib oder Ergenzinger), der des Kameralverwal-
ters Tochter gehabt, geäußert: Wenn sie im den Eleezehenten ein-
räumten, so sage er inen, welche Rechte sie hätten. E^ soll nämlich
der Statswald Klingenwald zur Kapelle gehört haben.
23a Sage von Unterhaagstett
Es get hier die Sage, vor etwa 100 Jaren habe der soge-
nannte Badwald einem reichen Herrn gehört; derselbe habe sich,
weil im das Wasser nicht gut genug war, immer in Wein geba-
det, nachher aber sei er mit dem Bettelsacke in den Ort gekom-
men. — Auch spricht man davon, es habe sich vor Zeiten ein
Graf in Unterhaugstett aufgehalten und bezeichnet das Haus des
David Rexer als dessen Wonstätte. Mündlich
28b Nenbengstetter üeberllfemng
Die Einwoner von Neuhengstett sind die Nachkommen ein^r
im Jare 1700 gegründeten Waldenserkolonie, die man deshalb
heute noch die Welschen heißt und die jezt noch ire französisch-
piemontesischen Familiennamen (Ayasse, Baral, Charrier, H^ritier,
Jourdan, Soulier, Talmon, Talmon Tarmöe etc.) tragen. Dise Wel-
schen schiden sich ursprünglich in die vom guten Blute und die
vom bösen Blute, welch leztere man für Hexenmeister und Hexen
hielt. Der Ort ist so angelegt, daß er aus zwei rechtwinklig auf
einander stoßenden Straßen bestet, in deren Kreuzung die Kirche
ligt. In der einen Straße, der gegen Simmozheim, wonten die vom
guten Blute, wäreud die vom bösen Blute ausschließlich die andere
Straße, gegen Althengstett und Calw, bewonen musten. Diser
äußerlichen Trennung entsprechend bestand zwischen beiden Teilen
lange Zeit auch kein Connubium. Noch länger hat sich dise Eagen-
tümlichkeit in den übrigen Waldenserkolonien Wirtembergs, wie
147
b Pinache und Serres erhalten, nameDtlich in dem lezteren Orte,
wo sich dieselbe heute noch nicht ganz verwischt haben soll.
Mündlich von Neuhengstett, Ortsvorsteher
24 Die Slmmoxlielmer Glocke
Die Simmozheimer haben eine große Glocke, die mit der Figur
«ioes Pabstes geziert ist. Dieselbe soll umgegossen worden sein
nnd scheint nach den Dimensionen des Kirchturms für disen an-
iängÜch kaum bestimmt gewesen zu sein. Von discr Glocke get
die Säge, sie sei nach den Eriegszeiten auf dem Felde aufgefunden
worden nnd da habe sie nicht anders geläutet, als: „Susanna,
g^Simmozheim do muß i hanga.^ Daher wurde sie auch auf den
Glockenstul des Kirchturms zu Simmozheim gebracht. Die von
dem nahen Weil der Stadt, welche die Glocke gern gehabt hät-
'ten, boten sovil kleine Taler dafür, als man, Stück an Stück, auf
dem Wege von Weil der Stadt nach Simmozheim legen könnte.
Ale aber beide Teile des Handels eins wurden und die Glocke zu
Weil der Stadt aufgehängt war und läuten sollte, blib sie völlig
stumm, so daß der Handel wider rückgängig gemacht und die
Glocke nach Simmozheim zurückgebracht wurde, wo sie iren Dienst
biß auf disen Tag getreulich versiht. Mündlich, Simmozheim
Vgl. die Glockensage vom Wunnenstein bei E. Meier S. 342.
25 Der Ortsname Dachtel
In alten Zeiten soll da, wo der Oii; stet, eine große Schlacht
geschlagen worden sein, die für den einen der streitenden Teile
eine bedeniende Niderlage zur Folge hatte. Damals hat es, sag-
ten nun die Leute, Dachtel, sovil als Schläge, gegeben und nannten
den Ort darnach. In der Nähe des Orts, auf dem Widdumacker,
fand man zuweilen verrostete Pfeilspizen. Nach einer andern Sage
war da, wo der Ort stet und ringsumher, dichter Wald, in welchem
one Zweifel geweidet wurde. (Auchtweide, Auchtel, d^Auchtei,
DIchtel.)
26 Wald bei Dachtel nicht gehener
In dem Walde Gfloßrain , in dessen Nähe auf Gärtringer
Harknng eich der Walddistrikt Edelburg mit Trümmern eines zer-
üJlenen Schlosses befindet, soll es nicht mit rechten Dingen zu-
gte. Der Schultheiß Eisonhardt, ein ernster und vollkommen
glaubwürdiger Mann, war einmal im Jare 1877 noch biß zum spä-
ten Abend auf seinem unterhalb des Gfloßrains ligenden Felde be-
leh&ftigt. Als er eben im Begrif war, das Feld zu verlassen, sah
er ans dem verrufenen Walde eine weiße Gestalt hervorkommen,
die sich, im entgegen, dem Wege zu bewegte, den er selbst ein-
nachlagen hatte. Eb schin eine männliche Gestalt zu sein, die
aussah wie wenn sie ein Chorhemd über sich geworfen hätte, so
zwar, daß vom Kopfe sovil wie nichts zu sehen war. So etwas
war dem erlichen Schultheiß noch nie Yorgekommen. Keugirig, was
das für eine Erscheinung w&re, sezte er seinen Weg fort. Eine
Zeit lang benamen im Bäume die Aussicht. Als er nachher wider
das freie Feld gewann, war von der weißen Gestalt nirgends eine
Spur mer zu sehen Dieselbe konnte im nicht vorangekommen
sein und doch kam sie auch nicht nach, so oft 'er auch sten
blib und sie erwartete.
Aus dem Mund des Schultheiß Eisenhardt in Dachtel
27 Kegelnder fielst bei Darmsheim
In einem Feldhäuschen zwischen Darmsheim und Maichingen
(bei Böblingen) kann man Nachts oft kegeln hören. Ein Bauer
von Althengstett, der des Nachts von Darmsheim sich auf den
Heimweg machte und dort passiren muste, wurde vor dem kegeln-
den Geiste von dem Wirt gewarnt, worauf er dieWarnubg lachend
und mit den Worten ausschlug: er seze im nicht auf! In der
Nähe des Häuschens angekommen, sah er, daß im Innern desselben
Licht brannte. Als er aber herzutrat um da hinein zu sehen, war
das Licht auf einmal erloschen. Althengstett
28 Schaz im Bnrgstal bei DOflIiigen
Auf der bewaldeten Bergspize bei der Stegmüle unweit Döf-
fingen stand der Sage nach eine Burg, von welcher noch spär-
liche Ueberreste vorhanden sind. Die Waldparzelle daselbst heißt
heute noch der Burgstal. In den Trümmern diser Burg soll ein
Schaz geborgen sein, welchem schon zu verschidenen Malen nach-
gestellt wurde. Vor etwa 20 Jaren stellten einige beherzte Leute,
darunter ein gewisser Raich, nächtliche Nachgrabungen daselbst
an, und stießen endlich in einiger Tiefe auf einen Gegenstand,
den sie als eine große Kiste zu erkennen glaubten. Im Begriffe,
derselben sich zu bemächtigen, bemerkten sie auf einmal einen
schwarzen Pudel auf der Kiste sizen. Entsezt machten sich die
Schazgräber so gut es gieng davon. Dem Raich aber sprang der
Pudel auf den Rücken und sezte im so zu, daß er, an allen Gli-
dern zitternd, nach Hause getragen werden muste. Acht Tage
darauf war der sonst kräftige Mann eine Leiche. An einer an-
dern Stelle, ganz in der Nähe von der vorigen, im Teufelsloch ge-
nannt, hatte eine andere Partie Grabungen angestellt, wobei sie
auf einen tiefen Schacht stießen. Einer der Leute wurde an einem
Seil in die Tiefe hinabgelassen ; derselbe hub jedoch mitten in dem
Schachtloche zu schreien an und muste, ehe er auf den Grand
kam, wider hinaufgezogen werden. Auch schon Lichter sind aaf
dem verrufenen Plaze schwebend gesehen worden. — Später kam
149
es vor« daß ein par junge Männer in Folge einer Wette sich mit-
ten in der Nacht anf den ßnrgstal begaben, disen begegnete aber
sieht das geringste. - Mündlich aus Döffingen
29a ÜBgeheide Frioleift
Im Edelburgwald zwischen Gärtringen und Deckenpfronn, wo
jeit noch eine Burgruine stet, laufen Fräulein, die sich den Leu-
ten schon gezeigt haben. Dieselben werden als eine blendende
Erscheinung geschildert, alles an inen habe „geschättert und ge-
Uiit". Es soll im Walde, wo sie gehen, ein Haufen Geld ver-
graben Bein, welchen sie hüten müssen. Das Besiztum gehört der
adeliehen Familie Biller von Gärtringen.
Mündlich von Deckenpfronn
29b Die Barthenschlacht
Auf dem Felddistri^te Bartha der Markung Deckenpfronn soll
in a]jben Zeiten eine bedeutende Schlacht, die Barthenschlacht, ge-
leUagwi worden sein. Ganz in der Nähe diser Flur zieht sich ein
kftnstlich aufgeworfener Dammweg in der Richtung gegen den Hob-
widy einen runden, schanzenartigen Erdhügel hin, welche Werke
fibrigens beide den Franzosen zugeschriben werden.
80 Pidel bei fflnau
Auf dem Sil|>erwislesbuckel , einer Anhöhe zwischen Hirsau
nnd Liebenzeil, gegenüber dem Dorf Ernstmühl, hat man oft einen
ad) Warzen Pudel Nachts laufen sehen, der aus der Nagold ge-
kommen sein soll. Merere Leute sagten bestimmt aus, daß er
inen begegnet sei. Seit die sogenannte Wilhelmsstraße, die der
Nagold entlang fürt, dort gebaut worden ist, hat man von dem
Honda nichts mer gesehen. Mündlich aus Liebenzell
81 Erdmännohen auf dem Hof Lütxenliardt
Auf den Hof Lützenhardt bei Hirsau sind früher auch Erd-
mftnncben glommen, kleine Leutchen wie Zwerge mit wildem
Aenßern und aerfezten Kleidern. Sie kamen aus der nahen Bruder-
höle, in der sie ire Wonung hatten. War in dem Hofe etwas zu
■chaffen, so hatten es die Erdmännchen über Nacht geschafft. Sie
Inunen, unsichtbarer Weise, wärend der Feldarbeiten auch auf das
Feld nnd legten Kuchen für die arbeitenden Menschen dort nider.
Die Lente rochen denselben plözlich und fanden dann die will-
kommene Labe in irer Nähe. Aus Mitleid mit den kleinen, ärm-
lich gekleideten Männchen und um sich inen dankbar zu erweisen,
ließen die Bewoner des Hofs inen einmal neue Kleider machen, die
sie yoT vret Hole niderlegten. Damit aber hatten sie dieselben
"fertriben, denn von da an kamen sie nie mer auf den Hof.
Mündlich von Oberkollbacb
150
32 Der Hasarensprnng bei Teinach
Zehn Minuten hinter Teinach, am Wege nach Breitenberg,
jedoch auf Liebelsberger Markung, da wo das Rindenhäuschen
stet, ist die Straße durch eine Stüzmaner gegen den steilen Ab-
hang geschüzt. Die Stelle heißt der Husarensprung. In Folge
einer Wette die es galt, oder, wie andere sagen, zur Strafe, vil-
leicht auch um sich einer Strafe zu entziehen^ sezte dort einmal
ein Husar mit seinem Pferd in den Abgrund. Der Sprung aber
glückte nicht; Ros und Mann langten zerschmettert unten an.
Vor 60—70 Jaren stand in der Nähe ein Wirtshaus, das einen
Tannenzapfen im Schilde fürte. Mündlich von Liebeisberg
33 Spuk in Teinach
Im Hause des Mezgers L. in Teinach hat es vor etwa 20
Jaren nicht unbedeutend gespukt. In einem Dachbiegel befanden
sich allerlei Geräte aufbewart, darunter auch ein dreifüßiger Stul
mit einem runden Polster. Auf disen Stul und in die Kammer,
glaubt man, sei ein Geist gebannt gewesen, den man für den eines
gewissen Stabsrichters (Schradi) hält. Als der Stul in Folge
eines Auctionsverkaufs aus dem Hause kam, vemam man im ganzen
Hause, in jener Dachecke beginnend, ein merkwürdiges Gepolter,
es wurden Gegenstände von irem Plaze gerückt, im Oem hörte man
ein Schlucken und änliches, one daß man übrigetis den Geist zu
Gesicht bekam. Der Spuk soll noch nicht ganz aufgehört haben,
doch ist die Sache nicht mer so bedeutend wie firüher.
Einige bringen die Sache auch damit in Zusammenhang, daß
einmal ein Wansinniger aus einem Zimmer des Hauses über das Dach
zum Backofen stig, in disen, der eben gefeuert war, hineinkroch
und darin verbrannte. Mündlich, Teinach
34 Otter leistet Kindern Gesellschaft
Landleute, welche im Felde arbeiten, nemen häufig die Kin-
der mit hinaus, die sie dann an einen Rain sezen und dort meist
sich selbst überlassen. Oft läßt man einem solchen Kinde wol
auch einen Topf mit Milch zurück, die es verzeren darf. So ge-
schah es auch in Sommenhardt, auf dem Felde zwischen disem
Ort und Zavelstein. Allein sobald ein Kind dort allein war, kam
regelmäßig eine Otter ans dem Büohenlaub, einem Buchwäldchen,
das jezt in einen Eichwald umgewandelt ist, um an der Malzeit
dos Kindes Teil zu nemen. Die Leute kamen oft dazu und sahen,
wie die Schlange von der Milch trank und^ wie die Kinder ab-
werend sie auf den Kopf schlugen mit den Worten : Du, iß et no
Milch, iß au Brooka ! Uebrigens hat die Otter den Kindern nie
etwas zu leid getan. (Häufig.) Mündlich yon Sommenhardt
151
85 mida Jagd bei Heabnlach
Der wilde J&ger mit Treibern und Hunden jagt auch bei
Neabnlach. Mit lautem Lärm und Getöse für er einst dahin, da
beobmehtete in ein Banernknecht vom Dachladen aus und wachte
den Lärm nach, worauf ein Eselskinnbacken zum Dachladen her-
einflog, damit er auch von der Jagd etwas habe.
Mündlich, Neubulach
86 Stdikreua bei Heabnlach
Wol kaum finden sich auf einer Ortsmarkung so vile Stein-
beiaammen, als auf der Neubulacher. Außer mereren ein-
seinen Kreuzen an verschidenen Stellen der Markung macht sich
l>«Bonder8 eine Gruppe von fünf alten Steinkreuzen unterhalb des
SUdtohens an der Straße nach Oberhaugstett bemerklich, auf wel-
clien meist eine Pflugschar eingegraben ist. Hier sollen, wie im
Orte die Sage get, die Untergänger der Earchspilsgemeinden zu-
BAmmen gekommen, und in Streit geraten sein, in welchem alle
Sebliben seien. — Auch mit dem Schwedenkrieg hat man die
Kreuze schon in Verbindung bringen wollen.
Mündlich aus Neubulach
An ein anderes, an der Straße nach Oberhaugstett stehendes
Krena, auf welchem eine Kunkel mit Spindel abgebildet ist und
das im Volksmunde die Spinnerin heißt, knüpft sich gleichfalls eine
Sage, deren auch die Oberamtsbeschreibung Erwänung tut: Es
sali hier eine Spinnerin geäußert haben, heute müsse sie noch
einen Knnkelhalter haben und wenn es auch der Teufel wäre, wo-
rauf sie richtig der Teufel holte.
87 Der Raieb
In Oberhaugstett bei Neubulach erzält man, daß bald dat
bald dort der Raich sich hören lasse, indem er plözlich au, au
laut rufe and disen kläglichen Schrei oft biß zu dreißigraal wider-
hole. Der Ruf klinge wie ein Rehruf, daher auch der Name des
Geistes, Raich oder Rehgeist. Der Schultheiß Claus hat den Raich
in einer klaren Mondnacht einmal in seinem Hofe bei dreißigmal
rufen hören, aber nichts gesehen, auch habe sich der Uofhund
Wlkommen ruhig verhalten. Einmal hörte ein noch in später
Stande im Walde beschäftigter Besenbinder plözlich den Schrei des
Raich neben sich, one das geringste zu sehen. Im Unmute über
dise unheimliche Störung stieß er ein Scheltwort aus und machte
sich gleichzeitig auf den Heimweg. Der Raich aber ist auf dem
ganaen Wege nicht von im gewichen und hat in beständig mit
seinem Rufe verfolgt. In neuerer Zeit läßt sich der Geist nicht
mer so häufig vememen, wie früher; doch treibt er namentlich in
152
den Adventsnächten seiD Wesen zuweilen auch jezt noch. Es
ist übrigens ein harmloser Geist, der Niemanden ein Leid zufügt.
Mündlich aus Oberhaugstett
38 Matesheer In lariinsmoos
Hart an Martinsmoos, an die Häuser des Orts anstoßend,
stand in früheren Zeiten ein Schloß, von welchem jezt nur noch
Sparen des Burggrabens ersichtlich sind. An diser Stelle hat man
früher oft einen gewaltigen Lärm vernommen, den das Mutesheer
dort verursachte. Zuweilen ist dises wilde Heer auch mit lautem
Getös über den Ort weg, an den Leuten vorüber gefaren, aber
one jemanden zu beschädigen, wenn man sich stille verhielt i^nd
die Geister nicht beschrie oder verhönte. Einst sah eine Hanf-
brecherin das wilde Getümmel an sich vorüber jagen und bemerkte
hinter dem Zuge eine Weibsperson, die nicht nachkommen wollte.
Auf den beherzten Zuruf der Bäuerin, sie solle machen, daß sie
nachkomme, habe jene erwidert, wäre sie gegürtet und geschürzt,
so käme sie schon nach. Die Hanfbrecherin band ir nun Werg
um die Mitte des Leibes, worauf die Nachzüglerin dankte and
dem wilden Troß nacheilte. Mündlich aus Martinsmoos
89 Der wilde Jäger
In der Umgegend von Martinsmoos auf dem Schwarzwalde
bei Calw lebte einst ein leidenschaftlicher Jäger, welcher nichts
weniger als fromm war. Auf das Krankenlager geworfen, ließ er
einen Geistlichen rufen. Als diser sich bemühte, in ernstlich zum
Reiche Gottes zu bekeren, gab im der Kranke trozig zur Antwort:
Unserem Herrgott soll sein Reich verbleiben, nur aber soll meine
Jagd verbleiben bis zum jüngsten Tag ! — Nun so fare hin ! rief
der entrüstete Priester und verließ in. Bald darauf starb der gott-
lose Mann und musto nun als~ wilder Jäger umgen. Die Leute
haben in schon, hoch zu Roß, mit drei Hunden jagen sehen ; auch
ist es zuweilei^ geschehen, daß er mit Pferdefüßen nach den Leu-
ten warf. Seit einiger Zeit hat man nichts mer von im bemerkt :
das macht, es soll seine Zeit, die 1000 Jare, die er zu g^n hatte,
abgelaufen sein. Mündlich aus Martinsmoos
In dem benachbarten Oberhaugstett hat das Gespenst den
Namen des wälschen Jägers.
Weiter oben im Gebirg, in Agenbach, haust der wilde Jäger
auch als Förster, indem er im Walde die Tannen auszeichnet.
40 Erdmänncben und Erdweibcben in ■artinsmoos
In das Haus des Bäckers in Martinsmoos sollen früher immer
zwei Erdmännlein gekommen sein, welche im Haus und im Stalle halfen
arbeiten. Sie hatten ganz zerrissene Kleider an, worüber der Bäcker
153
rieh erbmnnte und ioen neae Kleider gab. Von da an bliben sie aber
tos, denn jezt, wie sie beim Weggen sagten, seien sie ausbe-
zalt. In dasselbe Bäckerhaus kamen zuweilen auch zwei Erdweib-
ehen snm Tanze. Dieselben kamen aus einer nur zeitweise fließen-
den Quelle, einem sogenannten Seltenbrunnen auf der Wise im
Brügel« Als sie einstmals beim Heimgange sich verspäteten und
in die Quelle tauchten, kam Blut aus derselben geflossen. Die
Erdweibchen aber hat man von dort an nie wider gesehen.
Mündlich aus Martinsmoos
41 Der Kommesser
Auf dem Boden der Martinsmooser Kirche hat ein Kommesser
g^geistet, warscheinlich ein Kastenverwalter, welcher in seiner Ver-
waltung unredlich war. Man hörte dexitlich, wie er Korn abmaß
ond dabei rief : Mer Spreuer als Korn, mer Spreuer als Korn !
Jflit ist es ruhig. Mündlich aus Martinsmoos
42 Dil Wilde Heer bei Liebeisberg
Derselbe Spuk, der in Martinsmoos vorkommt, scheint sein
Wesen über Oberhaugstett bis nach Liebeisberg hin zu treiben.
Ein Schmid, Namens Gottlieb Steinle, der 1812 den russischen
Feldzug mitmachte, geriet zweimal in das Getümmel des wilden
Jägers. Das einemal auf der Laite, einer hochgelegenen Flur bei
Liebeleberg , als er ' von Teinach herkam. Auf einem Pferd one
Kopf gewarte er einen Jäger mit einer großen Schar von Hunden,
vdche in umringten. Eingedenk der Warnung, daß man bei einer
sokhen Begegnung „nicht in der Lufb schnaufen darf, sondern in
den Boden gucken muß", legte er sich flach zur Erde, worauf die
wilde Jagd über in weggieng. Das zweitemal war er im Buhler-
stich, einem Walde zwischen Warth und Oberhaugstett. Auf einmal
rollte eine Chaise heran, hielt an, Diener sprangen ab und öfihe-
ten den Schlag, aus welchem nun vile Hunde herauskamen. Mit
einammal aber waren weder Chaise noch Bediente mer zu sehen ;
dagegen hub sofort ein ' merkwürdiges Jagen an , wovon zwar
nichts zu sehen, desto mer aber zu hören war, denn die Hunde
verfürten ein arges Gebell. Chaise und Hunde sah außer Steinle
am nämlichen Ort auch ein gewisser Wurster von Neubulach ; der-
selbe flüchtete sich und rannte nach Hause, wo er vor Schrecken
drei Tage lang sprachlos zu Bette lag.
Mündlich von Liebeisberg
48 Udergelst
Von alten Leuten in Liebeisberg wird behauptet, auf dem
■ogensnnten Laitengarten habe man oft nach Ave Maria ein Reh
bald gjMhon, bald schreien hören. Es sei das der Mädergeist,
154
der die Vorübergehenden vom Weg abzuziehen suche, sonst aber
noch Niemanden etwas getan habe. Mündlich, Liebelsberg
43a Schwebende Lichter
Von Breitenberg aus siht man in den Winterabenden oft ein,
oft zwei Lichter über der jenseits der Teinach aufsteigenden Berg^
wand, auf Liebelsberger Marknng. Sie kommen näher und rücken
ferner, „gaiern*' (schweben) auf und ab ; auf einmal sind sie weg,
auf einmal wider da. Der Schultheiß Kühler in Breitenberg hat
denselben schon stundenlang von seinem Fenster zugesehen, er be-
merkte sie namentlich „bei* wüstem, stürmischem Wetter". Auch
hörte man vor ^ bis 6 Jaren von Leuten, welche Abends von
Liebeisberg nach Teinach zur Hanfreibe giengen, sagen, es seien
inen Lichter auf irem Wege begegnet.
Mündlich aus Breitenberg und Liebeisberg
Auch im Walde Plinkhardt auf Breitenberger Markung get
ein Geist in Gestalt eines blauen Lichtes, der Plinkergeist; schon
vile Leute haben in beobachtet, wenn sie aber demselben nahe zu
sein glauben, sehen sie auf einmal nichts mer.
Mündlich aus Breitenberg
44 Das Fleekenhockerle und das Schorchangesle
In frühern Jaren sah man oft, meist in der Adventszeit
in Scbmieh bei Calw ein Licht, das von den Feldern, zwischen
den Hecken hindurch in den Ort hereinkam, und bald auf dem
Weg, bald auf einem Brunnenstein sten blib. Es war oft nur
zwei, drei Schritte von Einem entfernt und die jungen Leute
liefen im manchmal nach, um es zu haschen, was aber nie gelang.
Er war ein harmloser Geist, der wie er kam, auch wider ver-
schwand. Die jezigen Bewoner des Ortes haben die Erscheinung
häufig gesehen; in neuerer Zeit zeigt sie sich weit seltener.
Ein anderes Gespenst ist das Schorchangesle (Agnes), das in
dem Wald Schorch bei Scbmieh sein Wesen treibt und die Leute
gern irrefürt. Mündlich aus Scbmieh
45 Die Angelsan
In Oberkollwangen sah man früher öfters in den Advents-
nächten ein schwarzes Schwein mit seinen Jungen. Es kam vom
sogenannten Angel, einem Weideplaz außerhalb des Ortes, biß in
den Ort herein. Dasselbe richtete sich von einem kleinen Hause
in der Nähe der Kirche auf und sah zum Fenster hinein.
Oberkollwangen
46 Der Eisenkarch
Leute, welche Nachts unterwegs waren, haben vor OberkoU*
wangen oft den Elisenkarch gehört, der an denselben mit einem
156
Ger&uflche vorüberfnr, wie solches ein schwer mit Eisen beladener
Kirren Ternrsacht. Zu sehen ist das Furwerk aber nicht. Unter
andern ist der Karch auch dem Vater des Gemeindepflegers Han-
lehnann begegnet, der dann in großem Schrecken vollends nach
Hanse eilte und oft von diser Begegnung sprach. Oberkollwangen
47 Der HaN Im Sack
Ein Bauer von Oberkollwangen, Namens Hanselmann, gab
nch damit ab, Hasen in Schlingen zu fangen, die er dann Nachts
Tom Felde nach Hause trug. Einst hatte er auch einen Hasen ge-
bogen, ließ in in seinen Sack springen und trug in der Heimat
nu Als er an einem Walde vorüberkam, rief eine Stimme in dem
Walde: Hick^ hackl Aus dem Sack! — antwortete es sofort: „Undi
fam in's Hanselmanns Sack", worauf der Mann im Schrecken den
Sack 2nr Erde warf und atemlos nach Hause rannte. Als er am
oiehBten Morgen hinausgieng, um seine Beute zu holen, fand er
den Sack noch am Boden: der Hase aber war fort.
Oberkollwangen
46 Strassengntle
In der Nähe des Eronenwirtshanses in Hofstett, eines aus
wenigen Höfen und Häusern bestehenden Weilers auf der Höhe
Unter Calw, hat sich schon oft eine Frauensperson gezeigt, welche
mitten auf der Straße ein Kind hin und her bettete und die man
das Straßengretle neont. Welche Bewantnis es mit derselben hat,
iit nicht näher bekannt. Von den eine halbe Stunde weiter berg-
aufwärts ligenden Weilern Hünerberg und Meistern aus hat man
das Straßengretle als helles Lichtchen auf den sogenannten Straßen-
ickem bei Hofirtett gesehen. Mündlich von Aichelberg
Mit dem Straßengretle wird eine Erscheinung, die man im
Wald Vögelesrain auf der Markung Oberkollwangen, eine Stunde
fon Hofstett entfernt, beobachtete, in Verbindung gebracht.' Es
soll dort, unweit dem sogenannten Igelslocher Brunnen, wo vor
Zeiten der Ort Igelsloch gestanden haben soll, nicht geheuer sein.
Vor etwa 30 Jaren befur der alte Lutz von Hofstett die durch
disen Walds ziehende uralte Weinstraße mit einem Wagen Holz.
Obwol es bergab gieng, so war der Wagen auf einmal nicht mer
weiter zu bringen; kein Rad drehte sich und es war dem Manne,
als ob der Wagen in hellen Flammen stünde. Seinem Mädchen,
dam bei im war, schin es sogar, als ob der ganze Wald brenne.
Erst nachdem der Bauer einen kräftigen Fluch ausgestoßen hatte,
seste sich der Wagen mit Gerassel wider in Bewegung.
Mündlich von Neuweiler
49 TtBUDde Uoliter bei Wünbacb
Auf dem Maneracker, hart am Dorfe Würzbach, hat man noch
YOt 20 Jaraa nm die Adventzeit fünf, sechs Lichter sehen können,
156
welche hin and her und wie tanzend aneinander Yorfiberstreifien.
Der Schaltheiß Pfrommer hat dieselben oft beobachtet. Seit diser
Zeit aber hat man die Lichter nicht mer bemerkt.
Mündlich von Würzbach bei Calw
60 Der Geist bei der Havelsbnrg
Der Hirschwirt Eeppler von Würzbach hat dise Erscheinang
mermals gesehen. Er sagte mir: als ich selbige das erstemal sah,
kam ich von Calmbach her auf dem sogenannten Föhrbergsträßle,
hatte mein Fnrwerk bei mir und einige Fäßchen Bier auf meinem
Wagen, an der Straße saß aufgemachtes Scheiterholz. Da es nun
Nacht war, kam ich etwas ab dem Weg und mein Furwerk ge-
"Tiet an eine Holzbeige. Ich gieng ab dem Wagen und sah dar-
nach, und da ergab sich, daß an meinem Furwerke eine Achse ge-
brochen; muste dann meine Pferde abspannen und one Furwerk
nach Hause. War villeicht noch hundert Schritte von dem soge-
nannten Talweg, welcher das Würzbachertal iüneinfürt, bei dem
Bergabhang. Auf einmal sah ich eine Weibsperson den Weg her-
aufkommen, ungefär vier biß fünf Schritte in der Nähe gegen mich,
80 wie man sagt hemdärmelicht. Ich gieng meinen Weg weiter,
dachte : wenn du rechter Art bist, wirst du mich schon anreden ;
hat aber nichts gesprochen. Sah sie nachkommen biß an die^) so-
genannte Rothenbach , auf einmal nicht mer, und kam mir ein
solcher Graus und Furcht, daß ich bereits nicht mer heimkam.
— Ein andermal gieng ich mit noch mereren Bauern das Tal her-
aus. Auf dem nämlichen Plaze sah ich die Gestalt wider, fragte
die, die bei mir waren, ob sie nichts gesehen hätten ? da gaben
sie zur Antwort, sie hätten nichts gesehen. Ich aber sah daa
Weibsbild im nämlichen Gewände wie das erstemal. Hatte sie auch
schon in meinen jungem Jaren dort gehört. Als ich noch zur
Schule gieng, muste ich öfters mit dem Viehhirten dorthin. Um
die Mittagszeit hörte ich mermals eine Weibsperson in diser Gegend,
in der Richtung gegen die sogenannte Havelsburg, die fortwärend
jammerte und weinte. — Ebenso hörte man auch schon von älteren
Leuten sagen, daß in der nämlichen Gegend eine Weibsperson
einem Mann begegnet sei ; sie hatte den Schurz aufgehoben und
immer gefragt : habt Ir meinen Mann nicht gesehen ? habt Ir
meinen Mann nicht gesehen? dann gab diser zur Antwort: Da
Strähl-Maukel, was werd' ich denn deinen Mann gesehen haben!
Wie er das sagte, kam auf einmal ein Brausen und ein Wind, daß
man glaubte, alles Holz falle auf in herein, und habe bereits sein
Haus nicht mer erreicht.
Aufzeichnung des Schultheißen Pfrommer in Würzbach
Die Havelsburg ist ein Bergkopf in der Richtung gegen Calm-
bach, welche Spuren menschlicher Ansidlung zeigt; es muß, wie
1) Schon fränkisches Warzeichen, Speierer Bistamsgrenze ?
157
unser Gewärsmann sich ausdrückt, dort einmal etwas namhaftes
gestanden sein.
51 Erdmämiclieii bei Aichelberg
Nach Aichelberg fürt ans dem kleinen Enztale ein steiler Fuß-
weg durch den Wald. In dem Gestein neben disem Wege finden
sich merere Löcher, welche man schon zugestopft hat. Hatte man
dieselben aber heute zugemacht, morgen waren sie wider offen. Und
das hat nach der Sage der Leute Niemand getan, als die Erd-
männchen, die in disen Löchern gewont haben. Gesehen hat die
Männchen freilich Niemand. Mündlich von Aichelberg
52 Erdm&iinohei 1b Kapfenbardt
In die Müle zu Kapfenhardt bei Neuenbürg kam Abends
nach dem Betläuten ein Erdmännchen. Es sezte sich hinter den
Ofen, hat Nachts auch oft in der Müle gemalen. Einst paßte der
Müller im auf, als es weggieng und warf mit einem Prügel nach
im, worauf das Erdmännchen im zurief:
Hättst du den einiga Wurf net thaun,
Deine Eindskinder würdet's gnossa haun.
Verschwand darauf und kam niemals wider. Unterreichenbach
53 Spuk in GniAbacb
Im Jare 1854 machte eine sonderbare Geschichte in Grun-
bach vil von, sich reden. Im damaligen Schulhause erhob sich mit
einemmal ein solches Gepolter, daß man es in den Nachbarhäusern
über der Straße hörte. Das Geräusch gieng von der Bettlade, in
welcher zwei Töchter des Schulmeisters lagen, und nur wenn die
Mädchen im Bette lagen, aus; die Lade wurde dabei in die Höhe
gehoben und mit Gepolter wider zurückgeworfen. Alle Bemühungen,
der Sache auf den Grund zu kommen, waren one Erfolg: Land-
jäger bewachten das Hans, fremde Personen übernachteten darin ;
Niemanden aber gelang es, etwas zu ermitteln, biß etwa nach Jares-
frist der Spuk von selbst aufhörte. Das Gebäude ist bei dem
lezten großen Brande nidergebrannt. Unterreichenbach
54 Der LOwenwirt von ScbOmberg
Der Löwenwirt Burckhardt von Schömberg hat auch mer als
Brot essen können. Als im auf dem Felde einmal eine Pflugschar
wegkam, brachte er es mit seinem Beschwören dahin, daß der
Dieb sie wider brachte. Dabei sezte er disem so zu, daß er später
selbst sagte, er möchte es nicht noch einmal tun. Einst mähte
er Beine Wise, ließ aber einen runden Fleck ungemäht. Ein
Bauer der das stSn geblibene Gras sah , mähte es nun heim-
lich ab, band es in ein Tuch und wollte damit nach Hause. Wie er
aber aus der Rundung hinaus wollte, fand es sich, daß er gebannt
war; er muste die ganze Last biß zum andern Morgen halten, onc
158
weder dieselbe abwerfen, noch yon der Stelle zu können, biß die
Wirkung des Bannes vorüber war. Mündlich von Monakam
^5 Der Hirschwirt von lonakam
In Monakam waren einst die Rotmäntel im Quartiere. Man
nannte sie nur die Kaiserlichen. Da war im Hirsch einer, der
befestigte seinen Säbel an den Ofen und rannte wider denselben,
one daß es im möglich war, sich zu schädigen. Nun sagte er zu
den Anwesenden, wenn Einer da sei, der machen könne, daß in
die Klinge verleze, der solle es tun. Da war aber ein stärkerer
da. Der Hirschwirt, der still hinter dem Ofen saß, sagte, er solle
das nicht noch einmal sagen. Als er es aber zum zweitenmal
sagte und wider an die Klinge rannte, drang im solche in den
Leib, daß er sich elend verwundete. Mündlich von Monakam
Stuttgart KarlDoll
Elsäfzisch
Spraohlioheti
I
■
Grammatik, Text, zum Wortschaze
Die folgenden Mitteilungen sind einer Handschrift entnommen
die Herr Gymnasiallerer Schtdfs in Schleiz in der Alem. IV 282
anfürte und aus der er eine kleine Probe gab. Ich habe den Text näher
angesehen und gefunden, daß er dem Oberrheine und warschein-
lich dem Elsaße angehört. Geschriben ist er von Franenhand,
man glaubt sogar sprachliche Schattierungen herausfinden zu kön-
nen. Entweder lebten die Schreiberinnen in einem elsäßischen Kloster
oder es haben elsäßische Nonnen im rechtsrheinischen Lande das Er-
bauungsbüchlein abgeschriben. Die Vorlage und die Abschreiberin-
nen gehörten also nicht ein und derselben Landschaft in Alemannien
an. Ist auch die Mitteilung von besonders großem Werte nicht,
immerhin ist sie eine Bereicherung für eine künftige Grammatik
des Alemannischen am Oberrheine; auch das mittelhochdeutsche
Lexikon get nicht one Gewinn ab. Ich glaube alles, was taugt, her-
ausgehoben und verwertet zu haben. Ich spreche auch Herrn
Schtdts meinen Dank aus, daß er mich auf den alem. Schaz im
mitteld. fränkischen Lande aufmerksam machte und es mir ermög-
lichte in zu benüzen. — Der Beitrag H ist für den ersten Augen-
blick nicht unter Elsaß unter zu bringen; bei näherer Betrach-
tung stellt sich das Straßburger Hochdeutsch der ersten Hälfte des
16. Jarhunderts heraus, und nicht bloß das, auch eine Taschen-
ausgabe der damaligen Satiriker haben wir in dem wenige Blätter
umfassenden Drucke.
159
1 Lautiere
Vocale. A kurzes: hirenschall, zall. Vgl. Alem. 1 303 An-
merkg. 5. Echte alem. Denung stäl, Stall. Alem. Sprache 47 ; a =
n : warden, wurden. Der Umlaut des a bietet nichts aaiTallendes.
Ä langes: neben & wie in rdt, yemdmest und den fremden
trinitdt, majestdt treffen wir das platt-alem. dem elsäßischen Idiome
kaum geläufige au, dafür bekanntlich elsäßisch 6: gaub (des hl.
Geistes), aubent, aubentessen , leztes Abendmal; audem, Adern;
▼erlaußen, begaubt, entschlatiffen , schlat^ffen, gewaupnet^). Sih
übrigens Weinhold Alem. Gr. § 128 S. 102. Der Umlaut ijst e: vers-
mechnus, ibelt^tig , ge^der, ingeeder, unbertigs. ä ^ai: rdnigen,
hdlsam.
Andere ä begegnen für ou : junckfirä, weyrekh ebenfalls mit
dem Umlaut ^; jonckfralich. Dazu bemlin, erfrelich, glebig, zer-
stret, getreet, fre (freue), frede, geseget (gesäugt) u. s. w.
E kurzes, Umlaut von ä: semffmietig, hellisch merr (mare)
n. s. w. Umlaut von o: gettlich, (divinus) blutstrepflin, gespett,
merder (mörder). Vgl. Weinhold Alem. Gr. S. 93. e = ü bei fol-
genden Liquiden: ungestemm, seufzen für st^nfzen, seufzen.
E langes, Umlaut von ä, au sih oben. Umlaut von ö: beß,
höchsten, gressten, großer, dettlich, traten, tresterin, getrest, heren,
erher neben erherr, imper. entplest, aufheren, sch^ni, Schönheit;
netten, erlösen, m ertlich, geted, sacr. der elung, krenung u. s. w.
^=a»; geschlich, flesch u. s. w. Weinhold § 122 S. 98. e = te,
(iu, io): verdenen, verdenst; denst, denerin, dener, verdenlich, ver-
dent, nemant, lemut, geng u. s. w. S — üe, ü: versend, versünt,
dend, facite, verseneu. Weinhold S. 98 § 122.
I kurzes = ü: tberfltssig, »berwunden, ibeltStig, triftig st.
türftig. Zegen, in lezten, erf»lt^ sinder, gltck, erztrnet, zichtigen,
ktnig, 1/fft, Lüfte ; dtrstet, sindig, bristen (mamillae), schtssel, dir-
nin (krön), dirr, getncknet, verkind (verkündet), migen, vermiger
u. 8. w. Weinhold §115S. 94. %•=€&: erhirr, exaudi.
I langes = ü: natirlich; =t2e (uo): grin, miterlich, gem^ (Ge-
müt) u. s. w. Uebergang des f in ei, ey in Wurzelsilben: mey-
den, feynden, leib, weilen, zeiten u. s. w. In den Bildungssilben
-lin, erhalten : bdmlen, fieslin, diechlin, glidlin, herzlin, kindtlin,
büschelSn u. s. w. I^ie: fliehen.
IE=üe: wtedent (schar), wütend; wietrich, senftmietig, diech-
lin, erktelen, betriebt, trtebsall, fies, fieslin, bießer, Büßer ; sies,
süß; gegriest, behiet (mich), gnugthier, Genugtuer; ir diet, tuet,
tut; mied, müde; blieender (leib), gtetigst, wiesch, conj. praet. thief-
fel, thieffelhaftig , riegen u. s. w. Richtige Schreibung: betrieger.
1) Alem. Sprache 48
160
ie = lat. ^ : sptegel, specala wie nenhocbd. ie = rom. f : clari-
üciereu, jubiltereD, glorificieren a. s. w.
ÄI=ei mhd. trifaltigkait, ewigkait, engstlichatt, weyschaitf
afoem, bewaHid, schwais, belaitter; auch ein anderwatd begegnet.
ei = ü mhd. eu nhd. fraiotlich, fratnden u. s. w.
El^ä: dein, den, eam; in deim, in dein, in hoc; deinsel-
ben, sogar armein. Vgl. Alem. I 255^). Weinhold S. 103. ei = ie^
(iu, io) sih oben e: detnerin, verdeinen. Weinhold S. 104. ei=^üe:
beissen, büßen, feuß, Füße. Alem. Sprache 57. 70. 81. Alem. I 255.
III 185. ei = mhd. ü: se^nfzen, seufzen.
wie mhd. ; geschärft dorren, Domen. 6= au yersomlich ;
ö = on: frdleichnam.
Ü erhalten: frum, volktimen; ü=u: andwtirten, di^rch, ab-
gründt, äü a. s. w. Weinhold S. 97. Ich möchte u ansezen. üsü:
>^
cr^tür; ü = ut: htitte, heute.
Ul^iu (ö, eu): rui Reue, rtiien, ttiir, huit, fuir, tnalichen,
tniies (herz), getm, getruilichen, gezuikniß, nuigeboren, vernut-ren,
erzutgen, fluist, üuich u. s. w.
Consonanten. Der Consonantenbestand weist einige Fälle
auf, die für Elsaß sprechen. Metathesen wie bume, borne für
brunne u. s. w. finden sich keine da. Mit verbunnen äugen ist
elsäßisch und rechtsrheinischem altem Straßburgischen Bistams-
gebiete eigen. Allgemein oberrheinisch und bei Hebel gewönlich
sind Denungen des alten ä, e vor r, Z miren (Myrrhen), stäl, Stall;
zerzert, zerzerrt ; Formen wie hiren, deren, toren = Hirn, Dom
sind auch schwäbisch. Alemannisch sind hofnüg (Hoffnunff), setinf-
zen, se^nfzer, begengnet (begegoet), besengnet, feisten (mit Fäa-
sten). Das Streben alte Quantität zu bezeichnen unterstüzen r, 1,
selbst in Fällen, wo langer Wurzelvocal ursprünglich stet: trieb-
sa22, hirenscha^ was obiges stal wider aufhebt; wirr (nos), merr
(mare), Bellig, se^Zigkait, erherr (exaudi), herrt heu, dorren u. s. w.
n ist ausgefallen in hofnti^, froleichnam, wie man heute noch am
obem Nekar sagt ; oft eingeschoben, wie wir bereits gesehen, in
seufzen, Faust u. s. w. in lebifigen zuckt noch altes lebendec nach,
wiewol die -in^- Endungen dem nordschwäbischen im Rieß ganz
eigen sind.
Die Labialen weisen anlautend p und b in bunter Abwechse-
lung auf: perg, pitterst, pischof, prunnen, pluot u. s. w. was bei-
nahe in der späten Zeit der Handschrift bairische Vorlage verrät.
Das fremde „Punkt'' erscheint im Dat. pl. Punkten. Auch bei den
Gutturalen treffen wir spät bairischen Schriften eigenes ch] fimf-
zec^en, sec^n, verzeic/f, werley ch, u. s. w. g = j: maigestät, = A:
besehe//; cfi^k: erschricAt, gedancAen. Denungs-/» scheint schon ini
1) Alem. Sprache 53. 59.
161
Auiige, auch ih im Anlaute ist schon da : thief^ fAailhaftig, ^^on,
gefAon, ^Aier n. s. w. -A^ait wechselt mit -c^ait. Die Zungenlaute
weiaen beinahe durchaus s=ß, niderd. t auf, gerade wie das
Ahkölnisch-Hochdeutsche : verladen, gro^n (neben großen, magnum)
nrgie^n, gegoren, gesehen, vergib nit, schwai^, hus, wi^n, wißen
0.8. w. 8dl =8, 8t: geischlich^ wey^-cAait; auch 5 = ^c^ ; ge^ech,
gwchech; ygl. Alem. III 185. Wechsel von c2, t bezeugen nichts
neheres hinsichtlich der Heimat: vere^ilgen, endlos, unen^ich, bal^
akendj gemend, gewainJ, bewainc^. Ausfal: semffmietig, holselig
0. B. w. Bei der Declination der Substantive begegnet Flexions-
loogkeit : dreier person, Genet. pl. ; für sein feind (pl.) ; aller mei-
ner sünd, sind; umb ir sind u. s. w.
Bei den Adjektiven treffeu wir die niderrheinisch- fränkische
starke Flexion: der kristenlichcr kirchen, der allerinnbrinstiger
lieb, also bei Femininis. Die Superlative keunen nur -ist, nicht
oit. Die JPariic. praet. lauten öfter verkind, geted = verkündet
Q. 8. w. Die alte Weise: er was bitten, besitzen, das ich
dich bitten bin — allgemein noch üblich. Die Praet. der I-Conjug.
3 pers. erschtn, schrl, vertrib alter Sprache entfremdet; dagegen
WM = war noch da. Oesncht zu dSten, zu verstoßen = getötet zu
Werden.
2 Textproben
1 Herr Jhesu Ghriste, du hast mich gebiZf nach dir: das
?ergis nit an mir! Herr du hast mich kaufft mit deinem rosen-
fi^ben blfit, das heihaM an^) mir!
Herr Jhesa Ghriste, du bist mein vatter, ich bin dein kind:
wie gco8 mein schuld ist, so ist doch dein barroherzigkait ßl gr^
•er: darum bitt ich dich lieber herr durch dein gettliche gnad vnd
durch dein grundlose barmherzigkayt und deiner heiligen marter
willen, das du dich über mich armen s/nder arbarmest.
Herr Jhesu Christo ich birg mich hutt in den bach deynes
rosen färben bläta vor deinen zoren, den ich verdoit hab mit mei-
nen Btnden! herr ich fltiich hti»t vnder den schilt deiner barm-
hendgkait vor deinem gericht. herr ich senck mich ht<?'t in die
tieff aller deiner wunden vor allen meinen feynden, die mir scha-
den mtgen an leyb und an sei !
Herr ich stand vor dir als ein mensch der seynen herren offt
entmet hat vnd bit dich lieber herr um ainen steten frid zwischen
mein und dein, herr ich stand vor dir als ein mensch fra/ntlichs
troflta wartet und gnadenreiche barmherzigkait und bitt dich das
da mir zu trost kumest an leyb und an sei.
1) laA aeine erlösende Kraft an mir wirksam sein.
ilft VII 2 11
162
2 Daz send die finfzechen salve, wer die all samfitag spricht
der wirt nit verladen u. s. w. da genedig vnd wirdige janck-
fraw Maria, bis ingedenck der grosen lieb vnd iberflissige gnad
da mit du dein sud gottes vom hiroel gezogen hast in deinem
junckfrelichen key sehen (rainen) leyb. ich bit dich vnd begers
auch von ganzem hertzen, das du mir wellest mit taillen dein ver-
ddnst deiner großen lieb vnd genad das ich mtg erfolgen ain gnä-
dige erforderung der lieb an meinem lesten end. ich beger aach
von ganzem meinem hei-tzen das du mich wellest verantworten vnd
tresten in meinen großen leyden vnd netten, so ich wirt vmb-
geben mit dein schmertzen vnd engsten des tods, das ich in kai-
ner anfechtung iberwunden werd.
3 Fre dich du gebererin gottes, du vnbefleckte iunckfraw!
Fre dich das du hast von dem engel hed enpfangen!
Fr^ dich die du geboren hast die klarbait des ewigen liechts !
Fr^ dich du hailigist m&ter gottes, du hast geboren vnd
bist vnuersert beliben.
Fre dich m&ter, dich loben al creatur: gebererin des liechts!
wir bitten dich, bis ain firbitterin ftr vns gegen vnsern
herren Jesu Christo.
Bis gegn'est') du klare gilg der scheynenden wunsamen tri-
faltikait! bis gegriest du bli^nde ros himlischer wollustikait ! bis
gegriest von dir geboren vnd von deiner iunckfrelichen milch ge-
sagt vnd ernert wlt werden der ktnig der himel: erner vns auch
du m&ter aller barmherzigkait mit dein einflu^ göttlicher st^ig-
kait ! Amen.
4 Von allen ewelf polten ain gebet. ir besundem ausser-
welten von got : ir hailigen zwelff hotten vnsers lieben herren Jesu
Chiisti der warhaftigen stim seliger bredig in alles ertrich auß-
gangen vnd z& end aller weit euir wort erhoUen^) send wie gar
mit besundem wtrden ir von got geziert aller cristenhait «her an-
der hailigen so nutzlichen erscheynet, wan ir send die zwelf Pa-
triarchen, durch der fieysigen der des hailigen ewangelii die kind
von Israhel das ist alles cristenfolk im wasser und im geyst nni
geboren worden ist. ir send die zwelf brunnen zuhebin durch die
alle cristenhait z& gnadenreicher frucbtberkait ersetter ist. ir seyt
die zwelf edelgestain an dem bischoflichen klaid Aaron, die aUe
cristenliche ortnung so kosperlichen zieren, ir seyt die zwelf hot-
ten der s tat Jerusalem, wan euir zungen send schlissel worden des
reiche der himel. ir seyt auch zwelf leon des ktniglichen trons
Salomonis, wan ir mechtiklichen wider die ungläubigen und stn-
der an dem längsten gericht mit dem höchsten Salomon Christo
Jesu alle dise weit richten werden u. 8. w.
1) Vgl. Alem. n 223 ff. IV 86 ff.
2) gedrangen sind; mhd. erh^üen, intr. ertönen, erschallen.
168
Van meine lieben ztcelf hotten ain gebett. ir würdigen
himelftraten, mein lieben zwelf botteo vnd ftrsprecher vor dem al-
mechtigen got, wan ir mit andern himelfirsten an dem iungsten
tag in gegenwirdigkait des himlischen kaisers vnd obristen richters
vrtail geben werdent iber al menschen: darum so bitt ich euch
mnb die barmherzigkait als euch der barmherzig got hie auf ert-
rioh bewisen vnd mitgetailt hat, das ir von dem himlischen kaiser
vnd herren aller weit mitt euirem andechtigen gebett wellent er-
werben sollich gnad, dz ich auf disem ertrich so tugentlich leb
vnd dem almechtigen got in behaltung seiner gebot so fleysigklich
d^e vnd mich vor sinden biet, das ich durch die gnad gots vnd
eair hilf in dem iungsten gericht also erscheyn, das mich die bal-
ligen engel mit andern ausserwelten menschen frelich fieren vnd
belaiten in die immer werend frM des himelreichs. Amen.
5 Ain costlich gebet gii got dem sun, iM gar haUam jeru
sprechen. Herr Jesu Christe, ich sag dir von ganzem herzen danck
deineß vnschuldigen totds, den du um mich erlitten hast vnd bitt
dicby laß dein leyden an mir nit verloren werden, sunder bis mir
gnedig vnd barmherzig iber mein sind, wan si mich von herzen
mien, si seyent ddttlich oder teglich, wie du das an mir erkenst.
lob bitt auch, bestetig mich in g&tem willen vnd werken. Auch
danck icb dir das du mich z& christenlichem glauben vnd tailhaff-
tig deiner marter vnd Sterbens vnd gnaden hast erschaffen vnd
mich der hailigen sacrament hast entpfenglich gemacht u. s. w.
Herr ich bitt dich, erbarm dich iber al betriebt ellent haufiami '}
menschen: kum inen zfi trost in irer triebsall, das si nit von ar-
mftt wegen in verzagtnus in uogedult vnd sind fallen u. s. w.
gietiger vatter, erbarm dich iber all stend der heiligen
Christenhait vnd iber al ortnung geystlichs vnd weltlichs stan^
vnd iber alles das darumb du gebett en wilt werden und iber al
gl^big seien und sunder iber meines vatters vnd muter sei und
alle die ans meinem geschlecht verschaiden send vnd alle die mir
Ynd den meinen gutz haben gedan : dail in mit deyn barmhei*zig-
kait nnd verleich in das ewig leben ! Amen.
6 der aller zertest solt und wolt bissen den sieseu bis
des apffels vnd wolt versuchen die bittem getranck; da er in ver-
steht, da sprach er : es ist alles volbracht ! als ob er Sprech : alles
das ainem liebhaber zimlich ist zu thon, das hab ich geton, ich
hab alles daß getan, gelassen vnd gelitten, damit ich den menschen
hab roigen erlesen; ich hab im die gresten lieb in allen dingen
enaigt. merck wie ainen fraintlichen tugenthafften herren haben
wir, der sich ganz dem vatter in allen schmerzen wolt geben, nit
wolt sich selber nit behelffen in allen leyden, noch wolt nit das
1) Auch der kein Haus und Obdach hat. Vgl. Laxer I 1400.
164
im dariDnen weder eDgel noch menscheD zi hüff kern, Docb auch
sein Viitter. hett er noch mer blats gehabt: er bett eß aucb ver-
gossen, vnd wer eß miglioh gewesen, das er nocb mer bett mtgen
leyden — er het es begirlicb dän ; die lieb ist in im on maffi ge-
wesen, die er zfi dem yatter vnd dem verlornen menseben hat ge-
habt: die hat in verwunt vnd ganz getedt vnd im sein herz ge-
brochen und dem aller sterckest Samson sein leben genumen!
wie hat den aller girlicbsten auß hicziger begir seines inbrinsti-
gen inhiczigen fuirigen herczen so herzlich nach vns gedtrst vnd
hat so inniklicb begert, das er vns ganz in sich zäg mit allen un-
ser n krefften, begirten vnd gedancken, wan er vns das aller pess-
ten gut, er west wol was uns das nnzest vnd pest was, das wir
in im und bey im beliben; er mag nit geleyden, das wir von im
werden geschaiden nocb er mag sich nitt von uns schaiden, noch
schaiden lassen. Er hat sich genaigt in den see vnser Verfluchung
vnd in der hiz der lieb vnd in der person vnser gebrechlichait mit
so groser arbait vnd leyden hat er gesucht vnd gefodert das an-
gesiebt des vatters, da er sprach: mein Gott, mein Gott, warum
hastu mich verlassen! und meine glider, die da send die zal mei-
ner ausserwellten, die da sendt mein ganzer leyb, darfir icb dir
gehorsam bin worden bis in den töd des creyz. den tod klagt die
'ganz wellt : sunn und mon in mitleyden, das si in nit tragen oder
erleyden migen. herr, vatter, wie lang heldtst du auf den
schmerzen meines herzen, durcb den tag in dem ich gearbait vnd
gelitten hab von dem ersten tag der Übertretung deiner gebot bin
ich verwunt mit groser lieb. Wie lang verbirgst vnd abkerst dein
angesicht von mir? als in ainer verzeichung scheubst du auf das
hau menschlichs geschlechts, nach welliches erleßung ich mit hiczi-
ger begirt durstig bin, in der hoffnung des bin ich frolocken in
den peynen zu gleycher weyß als in den wollusten. Aber nun
herr, erh^ mich, wan ich dein ainniger sun bin; erh^ mich und
bis versenlich dich zu erbarmen, das nit verderb, das da gepflanzt
hat dein gerechte handt. Da der edel herr also in den vnbetracht-
lichen schmerzen h^ng und kain gesunde statt bett von der solen
bis in die schaittel vnd sein mund und hals waß ganz versert mit
dem bittem dranck: aber zu aller seiner nott arbait er sich mit
gebett vnd als die lerer mainen so betet er C und L verß an dem
creyz, wan er bßng drey stunt lebentig am t« was nott ver-
lief sich da? er mocht wol sprechen: ich hab in den angsthafften
vnd uniberwintlichen streit gestritten vnd gekempfb und durch
fechten bin ich kumen in die thief des wtedenten mers und das
vngewitter deiner Verfluchung hat mich versenckt in die tieff dei-
ner verdamnus : wan ich bin umbgeben mit den angsten des tods;
aber es ist nun alles verbracht, wan das ich nit verschult noch
eingenumen hab, das hab ich geb«cst und vergollten und icb, der
da stirb frr dich, schrey zu dir, leg mich als ain zaichen auf dein
herz, wan die lieb, die ich au dir hab, ist starck als der tod. Der
165
herr hat in im aufhanffen lassen alle pein, das er ans volkumen
maeht in allen eren. waß groser not, leydens vnd schmerzens
▼erlieff sich die drey stund, die er lebendig am creycz heng ; er
oipiant doch aines ieden schmerzens insnnderheit wa er sich hin-
keret oder hingedacht oder wo er sich hin wendet: das was alles
mit leyden erftlt. fragen wir in und sprechen : o herz lieb wie
iat dir? warum ist dir so wee? So mag er wol sprechen: da hab
ich die schweren räch, bus vnd burdin deiner sind auf mich ge-
nnmen vnd allain getragen in allen leyden und ist nemant mit mir
gewesen mit kainer hilff: darumb ist mir gebrochen aller meiner
erafft bis in den tod. Da sich nun der vatter wolt beniegen lassen
Yon dem son vnd er iezunt solt sterben: o wee des schaidens! o
wee des Sterbens! das waß änderst dan das sterben aller men-
schen! o wee, leyden ob allen leyden, da sich ieczunt der tod
mit aller crafiFt wart nachnen und so grimigklich wart stossen in
das edel herz, da das leben der weit innen lebt, vnd nun sich die
alleredlest sei solt schaiden von *dem vergotten leyb, in denr si kn
mail oder sind so begirlich hett gelebt, da ward sich der herr er-
scbitten nnd wart erzittern und bidmen und wart sich an dem
G^bycB mit kleglicher gebert winden und ließ auß die allerkleg-
lichest stim mit aenffzgen und von tedlicher angst und nott wart
er auch seinen rucken stossen an das creyz. 0, er mocht wol
rieffen : o tod wie bitter ist dein gedechtnus den der frid hat in
seiner snbstancz. wee, wie thett das bitter schaiden in im sel-
ber, da er nun von seiner gedechtnus schwizt blutigen schwais
a.8. w.
7 Wer der herr in seiner gotthait beliben — wer het sich
getirren*) z& im genaden? Aber er hat sich so tieff genaigt vnd
hat im ftr den himlischen sal die engen krippen vnd den sehne-
den stal erweit vnd hat sich vns ganz auff daz ertrich gelogt, da
ist er an der ofiFhen stat gelegen vnd ward als ain anders vnver-
ntnfiigs kind, daz ieder man mag hantlen^), wie er wil vnd dz
aft jeder man g&t vnd nemant verschmecht. was hat der herr
gelitten, da er also ain nuigebornes zarts kintlin auf der kalten
herten erden lag vnd kleglich wainet! wer het gemaind, daz
des eilend verstosen vnd vertrungen auß allen herbergen in den
stal aA den thieren dz ami escherlegelin^) dz klain kindlin wer
gewesen die scheni gott des vatters, vnd der da wainet wer die
nnentlich fr^, vnd den da hungert dz er all creatur speyst; und
der nit mocht gftn oder stän der himel vnd erden auifenthelt^)^ vnd
1) wagen.
2) bebmdeln.
8) Vffl. Alem. III 10: Eschengrüdd.
4) sä unten „enthalt^^; der Haltung, Bestand, Festigkeit gibt.
166
der nit reden kun^ dz der aaff hett gethon die münd der profiThe-
ten, vnd der ain kindt erscbin dz er allen ding in himel und er-
den erkent vnd west vnd alle verlorne ding durch in wider bracht
solten werden. wie hat er sein hochen almechtikait verborgen
vnder die klainen kindtlichen person! Es ist wunderlich gros, dz
sich der almechtig so thieff ^genaigt hat vnd thailhafbig wellen
werden aller unser armfit. Mit zarten gHdem ist er geklaidt, mit
arbeit genert, von jugent auff mit fil angsten vnd aller maisten
leyden gepeinigt, alzbalt durchecht, vertriben vnd gesucht zu d^
ten. lieber herr, warum bistu kumen in dise weit alz ain armer
vnd eilender, der kain ru vnd beleybent stat finden mag, snnder
du wardest vmb getriben alz ain eilender fremder gast! Dich hat
mit uns gefroren vnd dir ist mit unß haiß gewesen und du hast
dir in allen dingen durch dein gancz leben dz aller hertest vnd
pittrest er weit! Du wolltest nicht dz dir nemant wich! herr,
du woltest ieder man weychen vnd under ieder man dich demie-
tigen, alz ob du der aller minst werest vnd als ob dir nit zfi m&tt
wer, dz du Gott unser herr werest! Spricht Bemhardus: alzbalt
der herr auß seiner werden mutter kam, da gab er seinen ionck-
frdlichon leyb zu dem leyden; er wolt kain ru haben: alzbalt gab
er uns den schacz seines hailsamen plnts vergiessens vnd ließ sich
als ainen sinder beschneyden, under wellicher beschneydung er sein
rainickait hat verborgen. Alles sein leben hat er zu leyden vnd
verschmechnus geben: wan dz klain nuygeboren kindÜin noch
nit auff seinen bainlin vnd fieslin mocht gestan und noch lag
an den bristen seiner muotter, da ward es durchecht vnd ges&cht
zfi deten, vertriben, verstosen in dz fremdt land under die hai-
den ! was hat er in dem eilend gelitten mit sampt seiner zarten
muter? die herten schweren weg! durch alles ungewitter m&sten n
fliechen den unsinnigen wietrich ! All sein tag hat er vnser sind
betracht vnd bewaindt! wee, wie manigen bittern haissen zeher
und grundtloßen seynfisger hat er auß seinem gruntlosen getrnien
herczen gelassen ! wan auß seinem milten herczen ist uns geflossen
der hailsam prun der Hechten zeher, die uns gerainiget vnd ver-
send haben vor dem strengen richter. Es was kain wunder, das
er seynfzet und wainet, wan dz zart herczlin entphant alles iamers
vnd herzenlaidts, dz alle menschen ye haben entpfunden, wan er
erkant aller menschen sind u. b. w. Alles leydens dz noch an im
solt verbracht werden, dz was im alwegen gegenwirtig vnd west
baß wie es im wurd thon, dan kain mensch der es alle die weyl
leyd ; sein zarten hendtlin vnd ermlin, den nemant widerstan mag,
die alle ding vermigen in himel und erden, dip sendt gewunden in
die klaine diechlin, vnd die zarten glidlin, die entloßer ere vnd wir-
dikait werd send, die send gelegt in die krippen auf dz herrt hew
vnd im ist berayt dz aller hertest und arbeitseligest dz auff ert-
rich erdacht mag werden u. s. w. Darumb ist er selbert vmbge-
167
UxdbaUf mied und heUig ^) mit eilend und hertikeit z& s&chen dz
▼erloren Bohefflin, seine glider, die entloßer ere vnd wirdikait ward
waren, die sind fir unß gemied worden, er arbaitet stetz getniilich
naeh unserm hail, mied und hiczig, lieff hin vnd her barf&s die
herten and schweren weg iber berg und tal an alle ru, dz im wol
sein fieß erschrunden n. s. w.
3 Znm Wortsehaze
Anjsigen: o wie senlich hat er gebart! o.wie kleglich hat er
gea$Ufiget and gewintzlet von den unmenschlichen schlegen! Heute
aisgaf aXusga stönen, ächzen vor Schmerz. .Vgl. Schmid 31.
BeUUter^ Begleiter: zu einem belaiter haben. Das Subst. feit
bei Lexer I 172.
Buschj Büschel : and si flachten ain krön von scharpfen dicken
dorn als ainen husch und seczten si dem herren auf. Zu Lexer s. v.
EnthäU m. Anhaltspunkt, Hilfe: on allen enthalt und behilff
ligt auf der erden (Jesus) u. s. w. Alem. TU 41. Hebel hat ein
Snbst. Habung in disem Sinne.
Emidersifiken: er sank ernider; ernider = nider. Lexer II 69
(oben).
Ersehrindeni Schrunden, Risse bekommen: daz im wol sin
fies erschrunden. Zu Lexer I 670 wo es feit.
jFirvme: Herodes entpfeng den herren als ainen von dem er
etwas nois vnd firwice wolt sehen. Mhd. virtoUf, Wißbegirde, Neu-
girde Lexer III 868. Beovulf: fyrvi/t in der Scene mit dem Strand-
wart bei der Landung.
OeSdcTj Ingeeder (zu äder) d. h. Haut und Adern: in das
hiren and geeder in allem sinem ingeeder verwunt. Mit ineider
inaeder ahd. mhd. gehört es lautlich zusammen, bedeutet aber
hier nicht Eingeweide.
Hartsäigkeit infelicitas ; Mühsal, Elend : der für uns nix er-
weit hit dan leiden und unser triebseligkait, hartseliglcait, arbait,
leyden and schmerzen u. s. w. Zu Lexer I 1190 wo nur das Adj.
bäegt stet.
Hintun^ hinrichten: ieder man veracht und verschmecht dich
and Bohreydt das man dich hitithi^ und tedt. Neben hinrichten:
das man hinricht die schedelichen menschen. — Zu Lexer I 1301
wo es feit.
Hinwirfling von Jesus: als ein hinuirfling und wurm. Vgl.
mhd. hinwerf bei Berthold v. R., unsere Bildung feit bei Lexer I
1301. Mein angsb. Wb. 231b.
Kegd: o waß ungeherter schmach, pein, marter leget daß
beft Tnrain folck dem herren an und zugent in, der da ist ain ere
1) Mhd. hellec, hellic, ermüdet, erschöpft, ermattet. Lexer 1 1283.
4
168
u. 8. w. — , und als ainen hegd VDder iren anrainen fießen! da si
emplesten sein ere und in aaf der erden umbzugen als ainen kegd.
Geiler v. E. Pauli gebrauchen Kegel für einen groben, rohen
Bengel. DW 5, 387. Als Syn. v. knollen: die groben K. Postill 32a.
Lemui, Leumund, Ruif : der Umut des heiligen wandeis u. s. w.
Lugi Schlupfwinkel, Versteck, Lauerwinkel, -pl&ze: haben sie
im (dem Herrn) lugi gelegt ; mhd. luoc, gen. luoges stn. slm. Lexer
I r985.
Menenj treiben: und hat uns auch geben das mitell seyns
leydens vnd hochen verdenens, daz wir in dajrbey mechten ergreyf-
fen; er ist dazu gemend vnd getriben auß grosser lieb, daz es halt
geschech u. s. w. Mein Wbl. z. Volkst. 63. Frisch I 228a. DW
III 483 s. V. enk. Augsb. Wb. s. v. Kuhn Zeitschr. Y 20 (Max
Müller).
Nieten sich, sich Mühe geben, angelegen sein lassen: vnd si
nament her den herren an den si sich die ganzen nacht schänden
ynd lasters geniet betten vnd bunden inn u. s. w. als si sich nun
aller schänden und lasters an dem herren geniet betten etc. da
sie bosheit und schänden an im geniett betten u. s. w. Alem. II
14. 220.
Stehen c. acc. zu stehen kommen, kosten, mhd. gest&n: da-
rumb si uns mer ist den wer si unser leybliche muter, wan wir
haben si mer gestanden und send ir seyrer worden. Lexer I 926.
Trmk vnd Getreng formelhaft: o ain grosser martrer ist er
in seiner mutter leyb gewesen, wan er on truck vnd getreng ainen
augenblick nie was. — in das abgrunt aller leiden und schmerzen
trucks und getrengs von innen und aussen, was der inwendig
schmercz truck vnd getrang seiner sei so gros. — Mit ungemessem
trtfck und getreng. Mhd. druc, druckes. gedrenge stn. Bedrängnis.
Uneren enteren, beschimpfen, schänden : dz folk — die lieffen
im al nach und schmechten und tmerten den herren. allgemein
mhd. veruneren oberd. heute. Das gunSrt stat gnurt, wie man
lesen wollte, als Eigenschaft eines Fisches sih Alem. I 288 7.
üfibertig ungeziemend, unsittlich: nix ufibertigs sach man ir.
Mhd. ungebaerde stf. übles Benemen und Befinden. Lexer II 1829.
unbaerdic st. ungebaerdic ist vulgär; vgl. oben gebart s. v. An-
zigen.
Verfällen von Jesus: dem Gericht, der Todesstrafe verfallen :
eins verfallen ibelt^igen menschen.
Vermiger : und da wart die ewig weyßhait vnd der vermiger
aller ding geschetzt fir ain thoren. Mhd. vermügenheit, kraft,
macht zu vermügen = durch körperliche Kraft, durch übernatürliche
Kraft schaffen. Dnser Subst. feit bei Lexer III 183.
Weile formelhaft : in allen meinen tagen stunden, weiten und
Zeiten.
169
Wirdschaft^ himmliBches Gastmal, Abendmal : zu deiner wird"
Schaft U.8. w. Alem. II 102: Einsezang des Abendmalee und das
Abendmal selbst. ABirlinger
IM)
Abplatten swv. ab-, dorcbblättem, umschlagen:
Vnd wirt (der böse Richter) gen jm als tieff einwatten
Das er die loic muß abplatten
Die streut er do den schöpfen für u. s. w.
Absaugen swv.
So sey er (der Kaufinann) gen im also streng
Vnd saug jm ab sein bluotig schwaiß u. s. w.
Aneannen swv. die Zäne weisen, zornig anfaren, davon
sahst, ntr.
Der hindersäß clagt übern amptman:
Wann er sein Herrn gn&g hab than ,
Mit Zins vnd gilt vnd allen spannen —
So komm er erst mit seim aneannen u. s. w.
Vom kauifman clagt der hantwercksmann
Wie seer vnd fast er mit im eann
Wenn er jm sein arbeit haim breng u. s. w.
DW I 523; ahd. zäunen, ringere (dentes versus aliquem)
Schmell. II 1127. Mein Angsb. Wb. 487. Teufels Netz 397: unz
das er in an wurd eennen und öfter.
Außkimen swv.
Recht als den allerbesten kern
Den ich mit knnst hab außgekimt u. s. w.
Ersdten swv. sättigen, befridigen:
Er werd dann Thumprost oder Techet
Vnd steig noch ainer sprössel höher
Das Bischoffampt macht jn noch fröer:
Noch künd in das nit alles er Seiten u. s. w.
Hder bildlich:
Wann er Sprech vonder, sprach sy z&der
Scheit er ain maß, sy flhch ain fnder
Nem ers beym zäum: sy faß den zigel
Mach er ain faust, sy nem ain prigel u. s. w. El. 2b.
1) Clag etlicher stand, gantz kurtzweilig zu lesen. Zu dem Leser.
Wer mich thut lesen ist mein bit
Das er mir hab für übel nit
Ob er hie wurd begriffen schon
Ich hon es in dem besten gthon.
Titelholzsohnitt- Umrandung 6 Bl. 4^ one Druckort und Verfasser (Re-
form. Zeit.). Els&ßisohe Merkmale scheinen vetr = vier, kneu, Knie
moincher, mancher zu sein. Vgl. des Teufels Netz und die Satiriker.
170
Grendh, comp, genäherj genau, scharf:
Das hat der wirt wol gifferirt
Sein messer vil genaher schirt
In herten härten ungenezt
Dann nie kain scharsach neugeweczt.
Ynd wiewol er genah hauß hat u. s. w.
HasCy Red. Art: für Misten und Fronen heim Amtmann:
Word jro ain süpplin z& Ion daraaß
Er mainet jn hct der haß geleckt
Solch miltigkeit in Amptlenten steckt.
Vgl. DW IV 2, 258; wenn einem seltene Gnade ssn Teil wird,
ehenso selten als man einen Feldhasen zum Ahlecken der Hände
oder des Gesichtes oh seiner wilden scheuen Katur hringt. Mir
seihst gelang es doch hei einem aufgezogenen Exemplare a. 1848/
Hausmaid f. Hausmagd, Dienstmagd, zweideutig : Die gemai-
nen Weiher clagen üher die haimllchen Mezen :
Ir waid sey vil z& mager worden
Die winckelweiher und haufimaid
Veretzen teglich ah jr waid:
Wann die jn ir narung z& trfigen
Die ainfältigen vnd die cl&gen
Die hahen sy jn ahgespent u. s. w.
Källefi, erzälen, Märchen predigen:
Sein predig w61 nyemandt gefallen
Er thA dann sdtzam fahlen hallen:
Sy fröwe nur ain neuer sit u. s. w.
Gewönliches Wort in des Teufels Netz Zt. 1609. 5607. 5922
u. s. w.
Korrockskittel, Chorrock, der in trägt, uneigentlich :
Die Layen clagen ühern korrocksJcittel
Dem seyen zu klain die suppenschnittel :
Wann er hat zw& pfrtind oder drey u. s. w.
Loner, m. Longeher
Sein lidlon hleih auß üher nacht
Und wöl nit komen hey sonnscheyn
Wiewol es der loner hat im schrein u. s. w.
Pracht stm. Lärm, Geschrei :
Dann komm er haim z& mitter nacht
Vnd füer ain grausamlichen pracht.
Mhd. braht häufig, zu hrechen stehend.
Sit zu Alem. I 5 :
Wie er jm (sich) thA gefall ir nit ;
Sy sprechi das jn angaog der rü,
Schaube swf. langes Faltenkleid, Ueherkleid für Männer und
Frauen :
171
Aach wol sy sein nit warten schon
Ain schaüben nach der andern hon
' Darz& vil schöner schlayr und rock
Wol sy sich nit strecken nach der dock u. s. w.
Mhd. Schübe swf. Lexer II 808 ans ital. ginppa, wozu Jope
stet Wolfdietr. ed. Holtzmann. Zamcke zn Brant 9, 1 S. 317.
247, 1. Franenrock, Mantel, Schaüben^ palla. Rnlandi Lexicon
Augsb. 1586. 224b. Alem. n. schwäb. als schaoppa und in Kauf-
benren schoapa, dim. scheaple. Mit Schaubhnt : großer Strohut hat
obigeB Wort nichts zu tun. Vgl. Falke Trachten I 207 ff. 301.
Mein Aogsb. Wb. 391.
ScMauchen swv. austrinken, anssaofen ; von einem Kazen-
jämmerigen:
Vnd clag sein haupt vnd auch sein ruck
Vnd haiß jm pringen ain früstuck
Ain süplin und gepraten würst
Vnd Sprech denn: o wie ser mich dürst,
Und ^lauch so bald zw& kanten aus u. s. w.
Mhd. slüchen, schlingen, schlucken MHW 11* 415. Lexer
II 989.
Seide gwimen^ Seide spinnen, bildlich; der Dichter sagt:
Vnd het ich eiftel seyden zwirnt —
Vnd hüb ich an grob werck zu spinnen
So ward ich mer zilhörer gwinnen u. s. w.
Tätz:
' Der pforrer klagt ab seinn pfarrleüten
Er künd noch müng (müg) kain sünd außreiten,
Hoffart,- eebruch, neu schwur und tätz
Die ding man nymmer für sünd schätz u. s. w.
Verquenten^ swv. hinterhalten, verbergen :
Wann jn der arm vorm recht sol nützen
Vnd er jm wol hülff treulich hinüber
So stürz er jm ain hütlin darüber
Wie wol der arm das recht auch kennt
Mit hüpschen werten er jms verquetU u. s. w.
Des Teufels Netz 272 : mit luginan verquanteti.
ZUen swY. seine Dienste anbieten, sich antragen :
So denkt der arm: wan du nit wilt
Vileicht hat jm der ander züt u. s. w.
Vgl. Teufels Netz S. 388 : Lieber maister nun zil, bedarf ich
vil z& disem ding? (gib an, bestimme, mach einen Ueberschlag).
Zwispilden, Zwispelten die doppelte Gült nemen:
Noch hab er daran kain benügen
Sein (Ghorherm) pauren er ir gilt zwispelt
So sein zinßp&ch das nit inhelt u. s. w.
Vgl. Schmeller IP 667 wo vile Beispile gesammelt sind.
ABirlinger
172
III Weisheit aus Geiler von Kaisersberg
1 Meer, Welt. Zam ersten, so ist das mör ain wasser, das
da hyn vnd wider fleußt. Also die weit and alles, das darinn ist,
ist anders nichts, dann ain hin- und wider fliessendes wasser.
Schiff der Penitens oder Hails. Bl. 3a.
2 Das mör ist unstät, jetz hoch, jetz nyder: wann es ist
allezeit in emssiger bewegung; jetz würt es erhdcht, jetz emidert;
also ist auch die weit nymmer gerüwig: jetz erhebt syetlich, dar-
nach undertruckt sy dieselben, als man augenscheinlich mag sehen
an dem Glücksrade, wie jetz der ain erhöcbt wirdet vnd aufgeet,
der ander emidert, der ain wolgestalt, der ander ungestalt nach
dem Lauff des selbigen rads. Ebenda.
3 Das mör ist auß würfig, wann die todten cdrpel würffet
es auß an den staden: also die weit würffet auch anß die da tod
seind der weit vnd nit volbringen die weltlichen werk. Ebenda.
4 Das möre ist verschlündig ; wann also ist es in dem mör|
dz die grossem visch die klainen verschlinden vnd also ist es auch
in der weit, das die mächtigsten und reichesten verschlinden und
peinigen die armen. Ebenda 3b.
5 Wie die Welt urteilt. Ich sag dir, wölicher hie verachtet
wirt, der wirt dort größlich geert vnd herwideramb, wann das blat
¥drt sich herumbkern nach dem tode, als wir sehen wie daßs geschieht
mit dem habich vnd der hennen. Der habich, so er lebt, wirt er
in großer eer gehalten, er sitzt auf der band seines herren oder
auf ainer stangen darzuo berayt. Aber die henn herwiderumb
würt verachtet, kompt sy in die stub, so schreit alle weit über
sie, man würfet ir nach schüssel und teller vnd treibt sy auß.
Aber was geschieht nach dem tod? denn so nympt man den
todten habich den schelmen, man würfft jn zum fenster auß auff
den mist und laßt jn die würm freßen. Aber die henn würt her-
lich berayt vnnd zwischen zwayen silberin blatten getragen auff
den tisch für fürsten und für herren mit großen eeren u. s. w.
Ebenda 12a. Alem. III 129 ff. VI 46.
6 Welt Lon. Betracht darnach den angel vnd die bitter-
kait die da verborgen ist in dem lust der Sünden. Betracht was
lones die weit gibt. Sich, wenn ain junckfraw jr junckfrawschaft
verleurt, so wirt sy ettwan mit ainem kind gon und wirt aller
weit zu schänden ; so hat sy dann ain nagen vnd kratzen und ain
beissen in jrem herzen vnd allen schmerzen, kumer und angst
vnd not, die sy leyden muß. So ist das meer traurigkait dann freud,
meer gift vnd gallen dann honigs und triakers (d. h. Theriak).
Gaistl. Gunkel.
7 Weise nicht geachäzU Nun beschicht es gar oft dasBala-
173
am besobach, des esel weiß was, das menig warlich esel seind nnd
anweiß geschätzt seind in den angen der weit.
Von dem Anßgang der Juden.
8 Crebrauch der irdischen Güter, Die Menschen sprechen:
6ot hat alle ding umb des menschen willen gemacht, alle ge-
Bchöpfft ander sein füß geworfen : die visch, thier, vogel vnd alle
ding: was sollen sy sonst, weder das man sy essen soll. Diso
torbayt kompt yon blinthayt nnnserer verstentnus. Got h^t alle
ding ans geben z& unserm braach vnd nit zu mißbrauch, das du
davon essen solt, das dir diene zuo dem end, das ist, das du dein
natar mögest damit enthalten in der stercke, das du mögest thuen
das wölches dir Got beyolhen hat: jm dienen, ewige seligkait er-
langen. Also bat Got nit alle ding darum gemacht, das sy in dir
za mist sollen werden — laß joch s)ein, das dir alle ding zu
braach seyen geben, aber nit darum, das du sy alle sampt essen
müssest. Man brauchet gelt auch, du brauchest dein hauß nitt
darnmi das du das gelt vnd das hauß müssest essen. Die hüp-
schen yisch, thier vnd vögel die stern am hymel vnd alle ding
seind dem menschen zu nutz und braach geben. Ain hüpsch
distelvögelin, das Got so fein gemacht hat vnd auff das aller-
schönest aasgestrichen mitt hüpschen färben, nit darumb das es in
deinem bauch za dreck würde : aber darumb hat Got alle ding für-
derlich gemachet, das in jnen erglöst sein allmechtigkeit weißhait
vnd gütigkait
Von den sieben Schwerten.
9 Irdische und himmlische Freude. Der essich muß vor
allen dingen auß dem faß, soll gutter wein darein gefüllet wer-
den; denn so wenig als feur und wasser mit einander gemein-
schaft mögen haben, so wenig ist es müglichen, das dißi zwo froi-
den uff ein zeit in einem menschen statt gewinnen mögen.
Seelenparadis 121a.
10 IrdiscHie Crüicr. Vögel, die zu viel federn haben, die
mögen nitt allso hoch fliegen, als die die nit zu vil haben, als
ain gannß oder ain pfaw, die habent vil federn, die beschwären
sy, das sy nit hinauff komen mügen. Ain küniglin ist das aller-
klainest vogelin, das man findet vnd fleugt doch höher dann kain
anderer vogel, es fleugt biß an die sper hinuff (d. h. Spähre).
Gaistl. Gunkel.
11 jReichtum. Gedenck das die reichtumb gleich sind als
ain pach, ain fliessent wasser, das selbig wie es herfleußt, allso
fleußt es widerumb dahyn vnd der pach der da aus dem Rcyn
fleußt itUr diso statt ist nit diser statt. Si mag aber wol darvon
nemen zuo jr notturft, also das man die hende darauß mag weschen,
die matten darmit wässern und der geleichen : allso ist es mitt dem
reichtumb. Ainer der mit dem ganzen leib in dem wasser steet
vnnd allain das haubt herauß hatt, der ertrinkt nitt. Aber wide-
nimby ist er mit dem ganzen leib auß dem wasser und hat den
174
köpf allaiD darinneD, mag er nicht lang beleiben: er muß er-
trinken.
Schiff der Penitens 102b.
12 Nun ist der kot vnd mist nit nütz im haus Ja er ist
auch schad: es stinkt das ganz haoß davon; würfb man aber den
mist auf die äcker, die macht er fruchtbar und &ißt. Allso die
reichthumb.
Ebenda.
13 WeUwerk — Spinnenwerk. Wen du hie müssig geest
und dich nit übest in guten werken, du legst dein herz auf gau-
ckelwerk vnd zerest dich auß wie ain spinn, die nur mucken &cht
vnd spint sich ganz auß vnd im winter hanget si dort vnd ist
nichtz dan ain läre haut. Also geschieht dir, wenn du an dein
letzstes ennd käropst, so hast du dich außgezeret, das ist, du hast
den zeitlichen dingen allain gelebt.
Haß im Pfeffer.
14 Weltliche Lieb. Weltliche lieb ist der leim, darinn du
gefangen bist. Wenn ain knab ain spetzlin gefacht, so binndt er
es an einen faden, ettwan ains arms lang oder zwaier oder dreier
vnd laßt das spetzlin fliegen vnd behellt den faden in der hand,
so fleugt das spetzlin auff und meint, es wöll hinweg fliegen, so
zeucht der knab den faden zu jm, so feit das spetzlin herwider
ab. Allso die seele wolt geren hinauf, wan von art ist si sich
über sich zu richten, aber die weltlich liebe laßt si nit, si
zeucht si immerder wider herab. Ain beer, der an ainer ket-
ten ligt, er ist starck genug zu lauffen, aber die kettin zeucht ihn
hinder. sich vnd hebt jn, das er niendert kommen kan.
Gaistl. Gunkel.
15 Von der Welt Herrlichkeit. Olaub mir, welcher mönsch
sich also übet der komet bald darzu, das jm aller weit herrlich-
keit scheinet ein kinderspiel zu sein und wen er höret sagen von
gewalt, von herrschaft oder von reichtum, darab ist jm jetzund
nit änderst, denn als ob er die kinder uff der straßen sehe mitt-
einander spilen.
Seelenparadis 40b.
16 Bas Glück dem Göppinger Sauerbronnen gleich. Begab
es sich etwen, das mich ettwas glück anlachet, so verdroß mich
darnach zu greifen vnd das zu erwüschen, wenn gar bei ee das
ichs erwüschen vnd ergreifen wolt, was es zerflogen und ver-
schwunden wie der saurbrunn zu Göppingen, so man darauß trinkt,
so bitzelt und zippert er ein wenig im mund, aber es ist gleich
nit me darhinder vnd schmackt als waßer. Also ist es auch mit
der weltfroid u. s. w.
Seelenparadis 229b.
17 Vom Kinde und dem falschen Weisen. Wann die jungen
kinnder schätzen ain klaine gab als ainen apfel oder ain schellen
höcher dann die ganntaen weit. Sy achten auch nitt was künfftig
176
Mj: wann sy liaben nit verstentnnß. Sy haben sin leichtz ge-
mütt; allflo thuond die weisen diser weit, die das zergängklich
hdoher schätzen und lieber haben dann das iewig.
Von anhebenden Menschen Bl. 3a.
18 Oleich als ein träum seind alle zeitliche ding; nit än-
derst dann ain tranm; der da schlaft, dem träumet, wie er da in
grossen eeren sei, da ist er in grossem lust ynd freuden, da geet
er mit grosser reichtumb vmb vnd wenn er erwachet, so ist es
nichts. Also und nicht änderst ist es mit und umb alle kinder
diser weit. Sy geend hie als in ainem träum ymermeder hin in
grossen eeren und in des leibs lust u. s. w. Und weun sy er-
wachen, das ist, wenn si gesterben, so juen die äugen aufgeend,
so sehen si das es nichts i^t gewesen, damit si umb seind gangen.
Aber aUe die weil si hie seind, so sehent si es uitt, si haben die
aogen zno, als ainer, der im schlafif geet, ettwan der selb geet
imermeder anhin ; wenn man jn aber beschreit, so feit er, ist er hoch
so feit er er zu tod. Also geschieht denen menschen auch, sy
gond hin im schlaff der sünd, aber wenn da wirt komen der
forchtlich tag so si Got be8chre^en und sprechen wirt: ite male-
dicti, denn werden si fallen in den ewigen tod, das ist, in die
tieffe der hellen«
Gaistliche GnnkeL ABirlinger
IV Soldaienpredigten aus der Reichsveste Kehl
Am I Adventssonntag. (Auszüge.)
Ach so soltet ihr auch jetzt, von dem ersten Tag dieses
neuen Kirchen* Jahrs an, den Willen GOttes ToUbringen, und gleich,
wann ihr vom Lesen und Hören aufstehet, euch ansehen lassen,
daß ihr hingehen, und seinen Willen vollbringen wollet. Voll-
bringet ihn aber, wie es der HErr JEsus befohlen hat. Saget
Dicht: Ich muß thun, wie andere thun, das ist grand mode, so
machens meine Oflficier, so gehts in andern Stuben zu, wir wollen
dannoch alle seelig werden, und einen guten Eampff kämpfien.
Gehet gleich hin, und weigert euch nicht, dann auch von dem
1) M. Johann Friderich Flattichs, | Evangelischen Garnison-
Predigers in der | Reichs -Vestung 7{ehl | Soldaten-Postille, | Darinnen |
Die Sonn- Fest- und Feyertags - Evangelien | deutlich erkläret, | Die
Pfliebten der Kriegs- Leute | daraus bewiesen, | Und | Die Atheisten,
Naturalisten, Indififerentisten, Frey- | Geister, und andere Höhen, die
sich wider GOttr und Chri- | stum in Lehr und Leben erheben, | Aus
Gottes Wort, der gesunden Yernnnfft, den | H. Kirchen -Y&ttern, und
den Symbolischen Büchern | der Evangelischen Kirche bestritten wer-
den. I Mit einem | Nöthieen Yorbericht, | Historischen und Systemati-
iohen Begister, | und | Zugabe einer Commendanten- Predigt. | Erster
TheiL | Tübingen, | Auf Kosten des Auctoris, im Jahr 1738.
176
Wirth hat der HErr JEsüs gesagt, wann seine Jünger sprechen
würden : Der HErr bedarff ihr, so bald werde ert die Eselin lassen.
Entschuldiget euch nicht mit eurer angebohrnen Schwachheit und
andern Geschafften, dann muthwillige Schwachheit and GOttes Be-
fehl leidet keine Entschuldigung. Machet keine Auswahl unter
seinen Geboten, sondern thut, wie euch JEsus befohlen hat, dann
auch die Jünger habens so gethan, und nicht nur die Eselin, son-
dern auch das Füllen, aufgelöset und ihm zugeführet. Gewiß der
Hauptmann zu Capernaum würde nicht zufrieden gewesen sein,
und auch unsere Hauptleute zu Kehl würden nicht zufrieden sein,
wann ihre Fonrier- Schützen und Soldaten nicht thun wolten, wie
sie ihnen befohlen haben ; wann der eine Knecht sagte : Ich weiß
zwar, daß ich kommen soll, aber jetzt ist mirs nicht gelegen ; und
der andere : Ich solte gehen, und könnte gehen, aber ich will jetzt
nicht. Ich hab, spricht er, unter mir Kriegs-Knechte, noch wann
ich sage zu einem: Gehe hin, so gehet er; und zum andern: Komm
her, so kommt er; und zu meinem Knecht : Thue das, so thut ers.
Matth. 8.
was vor einen seeligen Hingang kan der Soldat hernach
in seinem Tod haben, wann er auch zuvor in seinem Leben hin-
gegangen und gethan, wie ihm JEsus befohlen hat.
Ich erinnere mich, daß vor einem Jahr, eben an diesem ersten
Advents-Sonntag, von dem Durlach. Graiß- Regiment ein Soldat ge-
storben, und daß ich darauf bei seiner Beerdigung die Gelegen-
heit genommen, aus den Worten des Evangelii einige gute Rührungen
den Leich- Begleitern zu geben. Mitternacht hieß bei ihm die
Stunde, da sein Adveots-König JEsus kam. Er machte sich am
Abend das Bett im Lazareth noch selber, und legte sich ohne
sonderliche Anzeigen seines Todes darein: Aber um Mittemacht
war ein Geschrei: Siehe der Tod kommt! Ach wie fürchterlich
muß es aussehen, wann dieser König des Schreckens kommt, wie
ihn Hiob heißt, und wann nicht auch zugleich der König zu Zion
kommt, und der jenige nicht zu unserer Rechten stehet, der dem
Tod die Macht genommen, und das Leben und ein unvergäng-
lich Wesen ans Licht gebracht? was ist es für eine schwere Reis,
wann der Held in Israel einen so unvermuthet anderswohin com-
mandirt, und in der Nacht seiner Sünden fortgehen heißt, ohne
Licht des Glaubens, darüber er gleich bei dem ersten Schritt in
das Todes-Thal in die äusserste Finsterniß fallt? Da ist kein
Aufenthalt, sondern man muß fortgehen, und der Tod muß thun,
wie ihm JEsus befohlen hat. Ruffen wir endlich dem Sterbenden
zu : Siehe, dein König kommt zu dir ! so ist es ja freilich ein
Lebens -Woirt. Aber ich will den Fall setzen, eine solche Seele
sei kein Zion gewesen, sie hab den HErrn JEsum nicht vor ihren
König erkannt, sondern dem Fürsten der Finsterniß in ihren
Lüsten gedienet, und sich davon auch bei ihrer leiblichen Züchti-
gung und Kranckheit nicht loßgerissen, so muß ja ein solches
178
nicht, wann der HEtr des Hanses kommt, auf daß er nicht schnell
komme, and finde euch schlaffend. Was ich aber each sage, das
sag ich allen: Wachet! lanten hin und her die Weck-Stimmen der
heiligen Männer GOttes, und nnsers Heylands selber. Matth. 26,
40. 41. Marc. 13, 85 etc.
Simon nnd Andreas waren auch männlich bey ihrem damah-
ligen Beru£P, dann sie wurfifen ihre Netze ins Meer, welche nicht
ohne Mühe wieder ins Schiff konnten gezogen werden. Auch Ja-
cobus nnd Johannes mit seinem Vatter Zebedäo, ob dieser gleich
ein alter Mann schon mag gewesen seyn, warteten ihres BerufFs,
und weil sie durch das offtmahlige Auswerffen und Züehen ihre
* Netze zuYor zerrissen und schadhaft gemacht, sassen sie und
fiicktens, damit sie dieselbe wieder brauchen konnten. Noch männ-
licher, wie es auch die Würdigkeit des Amts fordert, waren sie
hernach, da sie aus dem Nehr- in den Lehr-Stand kamen, und
durch die Predigt Göttlichen Worts, als mit einem Netz, die See-
len der Menschen aus dem wilden und wüsten Welt^Ldlien heraus
ziehen und fangen müssen. Also soll auch in dem Wehr-Stand
der Soldat seyn. Sein Beruff ist sein Netz, das er auswerffen,
ziehen und flicken muß, und dabey soll ihn keine Mühe Ter-
driessen, und zu schwer fürkommen, sondern diejenige Kräfiten,
die ihm GOtt gegönnet, nach allem Vermögen dazu anwenden, daß
man tou ihm sagen könne : er sey ein männlicher Soldat. Männ-
lich soll der General und Christ seyn, sein Befehl auctoritätisch,
seine Hand tapffer, und sein Hertz unerschrocken, nicht wie jener
Obriste beym Terentio, welcher, nachdem er seine Soldaten ange-
frischet, sagte: Ego hie ero post principia, Ich will hier im Hin-
terhalt bleiben: sondern wie £leasar, der Sohn Dodo, welcher die
Philister schlug, biß daß seine Hand müd am Schwerdt erstarrte,
und der HErr ein groß Heyl zu der Zeit gab, daß das Volck um-
wandte ihm nach, zu rauben. 2 Sam. 23, 10. Männlich die Officier,
nicht, daß sie ihre Stärcke und Mnth bey Duellen, unnöthigem
hazard und dergleichen zeigen. Diß sind keine Andrea, und Jünger
Ton des HErm JEsu Gesellschafft, sondern so zu sagen ein über-
bliebener Saamen von dem Andreas-Orden in Schottland, davon
das Zeichen war eine güldene aus Disteln bestehende Kette, an
welcher das Bildnuß St. Andrea mit seinem Creutz hieng, nebst
der Ueberschrifit: Nemo me impune lacessU, Es greifft mich nie-
mand ungestrafft, und ohne seinen Schaden an: sondern daß sie
Fürsten und Ständen zu Kriegs- und Friedens-Zeiten fleißig die-
nen, derselben Feinden mit Leib und Blut, es sey im Feld, Be-
satzung, Stürmen, Schlachten, oder durch was Gelegenheit es son-
sten geschehen kan und mag, tapffem und männlichen Widerstand
thun, die desordres verhüten, gute Disciplin halten, die Laster un-
partheyisch abstraffen, ihr gutes Ansehen durch kein unmäßiges
Leben verlieren, den Weibern nicht ihr Vermögen geben, noch die
Wege gehen, darinnen noh die Könige verderben, Sprfichw. 81, 3
179
nnd an ihrer leiblichen Dbung, Reglement und Ezercitio eine Frend
haben, dann dnrch Gewohnheit bekommt nnd behält man auch
hier gefibte Sinnen, wird männlich, nnd bleibt männlich, wie Hn-
Bai an Absolon yor seinem Vatter David sprach: Du kennest dei-
nen Yatter wohl, nnd seine Leat, daß sie starck sind, nnd zorni-
ges Gemüths, U7D3 '^'iXi wie ein Bär, dem die Jnngen anf einem
Feld geranbt sind. Dazn ist dein Vatter ein Kriegs-Mann, nnd
wird sich nicht sanmen mit dem Volck. 2 Sam. 17, 8. Ein Gbunison-
oder Feld -Prediger hat zwar einen gantz andern Bemff als ein
Soldat, dann ob wir wohl unter euch im Fleich wandeln, so strei-
ten wir doch nicht fleischlicher Weiße, nnd die Waffen unserer
Ritteraohafit sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor GOtt, zu
verstören des Teufels Beyestigungen. 2 Gor. 10, 3. 4. Doch muß er
aneh männlich seyn, sein Amt mit Beweisnng des Geistes nnd der
Krafft thun, den Teufel, der so wild offt unter dieser Gemeinde
thnt, nicht Herr nnd Meister seyn lassen, die gottlose Wider-
sprecher dabey nicht achten, sondern ehren die GottsfQrchtigen.
Bekommt er da und dorten einen Stoß, (daran es freylich nicht
fohlen wird, wann er das Reich des Widerwärtigen mit Ernst an-
greifit,) so sage er mit David: Man stosset mich, daß ich fallen
soU, aber der HErr hilfift mir. Der HErr ist meine Macht, und
mein Psalm, und ist mein Heyl. Ich werde nicht sterben, sondern
leben, und des HErm Werck verkündigen. Der HErr züchtiget
mich wohl, aber er gibt mich dem Tode nicht. Ps. 118, 18 etc.
Wann die Vestung belagert, oder eine Schlacht gehalten wird, so
sej er männlich, halte seine Bettstund unerschrocken, und lasse
Ae darauf mit diesen Worten in den Streit ziehen: So seyd nun
getrost und Männer, daß ihr nicht dienen müsset euren Feinden.
Seyd Männer, und streitet l 1 Sam. 4, 9. Absonderlich aber soll der
gemeine Hai^ der Soldaten männlich seyn, alle ihre Schuldigkeit
than, und keine feige Memme darunter seyn, die aus dem Glied
irette, durchgehe, und durch ihr böses Exempel andere auch nach
neh nebe, wodurch schon manche Schlacht verlohren gegangen.
Die GHedmassen seines Leibs müssen starck seyn, (die Gebrech-
liehe taugen nicht in Krieg,) die Natur hart, der Arbeit gewohnt,
die Wind, Regen, Schnee, Staub, Hitz, Feuer, Dampff und was sich
Sonaten zuträgt, ausdauren kan, und dadurch noch mehr gehurtet
wird. Männlich muß er seyn, so offt er des Morgens aufstehet,
und sich mit Gebett waffnen, damit sein Feind, der Teufel, sich
dfli Abends nicht rühmen könne, er sey sein mächtig worden.
Männlich, wann er auf die Wacht und seinen Posten zieht, daß
er darauf nicht schlaffe, oder trincke, oder ihn unabgelößt ver-
hwse, nnd durchgehe. Männlich, wann er in die Kirch, und ans
der Kirch gehet, nicht immer ein Kind zu bleiben in der Erkannt-
niß der Wahrheit zur Gottseeligkeit, sondern ein vollkommener
Mann an werden, nach dem Maaß des vollkommenen Alters
Christi. Eph. 4, 18. Männlich, wann er in das Lazareth gehet, daß
180
ihn keine Trübsaal, Schmertzen und der Tod selber nicht ab-
treibe, daß, wann er schwach wird, er doch za der Zeit seye wie
David, ein rüstiger Mann, und streitbar, und verständig in Sachen,
die die ewige Seeligkeit betreffen, und der HBIrr mit ihm
sey. 1 Sam. 16, 18. So ist kein Zweifel, daß der HErr JEsus
werde Wohlgefallen an ihm haben, wie ers auch an diesen vier
Fischern im Evangelio gehabt, und in Ansehung ihres Fleisses und
Treu, die sie bey ihrem Handwerck erwiesen, sie zu einem wichti-
gern Amt befördert.
Ich sehe aber leicht zuvor, daß die Feinde des Soldaten-
Stands dagegen einwenden werden: An diesen Fischern hat der
HErr JEsus Wohlgefallen gehabt, weil sie in einem ordentlichen
Beruff gelebt, und sich der Arbeit ihrer Hände still und ohne
jemands Schaden genähret. Aber ein anders sey Fisch fangen,
und ein anders Menschen umbringen, nach dem Bilde GOttes ge-
macht, Felder verwüsten, Stadt anzünden, da frag jnan nicht nach
Erbarkeit, nach Zucht, und nach Gericht etc. Wie dem Friede-
Fürsten der Krieg, und dem sanfiPtmüthigen Lamm, das der Welt
Sünde trägt, die lieblose Folgen des Kriegs können angenehm
seyn? Ich will ihnen, als euer Prediger, die Antwort geben, und
die Sach kürtzlich aus einer Schrifilb Lutheri : Ob Kriegs-Leute
auch im seel. Stand seyn können ? erläutern und vorlesen. „Die
„Frag ist, ob der Christi. Glaub, durch welchen wir für GOtt fromm
„gerechnet werden, auch eben sich leiden könne, daß ich ein
„Kriegs -Mann sey, Krieg führe, würge und stehle, raube und
„brenne, wie man dem Feind in Kriegs-Läufiften nach Kriegs-Recht
„thut? ob solch Werck auch Sünde oder unrecht sey, davon Ge-
„wissen zu machen sey für GOtt? oder ob ein Christ müsse der
„Werck keines thun, sondern allein wohl thun, lieben, niemand
„würgen oder beschädigen?" Darauf sagt D. Luther: „Ob es
„wohl nicht scheinet, daß Würgen und Rauben ein Werck der
„Liebe ist, derhalben ein Einfältiger denckt, es sey nicht einChrist-
„lich Werck, zieme auch nicht einem Christen zu thun, so ists
„doch in der Warheit auch ein Werck der Liebe. Dann gleich-
„wie ein guter Artzt, wann die Seuche so böß und groß ist, daß
„er muß Hand, Fuß, Ohr, oder Augen lassen abhauen oder ver-
„derben, auf daß er den Leib errette, so man ansiehet das Glied,
„das er abhauet, scheinet es, er sey ein greulicher unbarmhertzi-
„ger Mensch; So man aber den Leib ansiehet, den er will damit
„erretten, so findet sich in der Wahrheit, dass er ein trefflicher treuer
„Mensch ist, und ein Christlich, so viel es an ihm selber ist, Werck
„thut. Also auch, wann ich dem Kriegs-Amt zusehe, wie es die
„Böse strafft, die Unrechten würget, und solchen Jammer anrich-
„tet, scheinet es gar ein unchristlich Werck seyn, und allerdings
„wider die Christliche Liebe. Siehe ich aber an, wie es die Fromme
„schützt, Weib und Kind, Hauß und Hof, Gut und Ehre und Friede
„damit erhält und bewahret, so findt sichs; wie köstlich und gött-
^lich (las Worck ist, und merrko, daß (»s* juicli oiii Bfiii oder Hand
„ddiauet, aul" daß der gantzi* Lcil) nicht V('r;]fi'li»\ Dann wo das
-Schwerdt nicht wehrote, und Fried hielte, so müßte es alles durch
, Unfriede verderben, was in der Welt ist. Derohalben ist ein sol-
f^cher Krieg nichts anders, dann ein kleiner kartzer Unfriede, der
seinem ewigen nnmäßlichem Unfriede webret, ein klein Unglück,
gdas einem grossen Unglück wehret. Daß man nnn viel schreibt
,imd sagt, welch eine grosse Plage Krieg sey, das ist alles wahr.
„Aber man solt anch daneben ansehen, wie vielmahl grösser die
„Plage ist, der man mit Krieg wehret. Ja wann die Lent fromm
„wären, un4 gern Fried hielten, so wäre Kriegen die gröste Plag
„auf Erden. Wo rechnest da aber hin, daß die Welt böß ist, die
„Lent nicht wollen Fried halten, rauben, stehlen, todten, Weib
3,nnd Kind schänden, EHire und gut nehmen? Solchem gemeinen
«aller Welt Unfrieden, daf&r kein Mensch bleiben könte, muß der
«Udne Unfried, der da Krieg oder Schwerdt heißt, stenren. Da-
„mm ehret 6 Ott anch das Schwerdt also hoch, daß ers seine ei-
^gene Ordnung heißt, und will nicht, daß man sagen oder wähnen
^soll, Menschen habens erfunden oder eingesetzt. Dann die Hand,
^die solch Schwerdt fahret, und würget, ist auch alsdann nicht
^nnr Menschen-Hand, sondern GOttes Hand, und nicht der Mensch,
^sondern GOtt hencket, rädert, enthauptet, würget und krieget.
,^Es sind alles seine Werck, und seine Gerichte. Summa: man muß
„im Eriegs-Amt nicht ansehen, wie es würget, brennet; schlägt
i^and fahet etc. dann das thun die einfältige Kinder-Augen, die
93 dem Artzt nicht weiter zusehen, dann wie er die Hand abhauet,
^odei* das Bein abseget, sehen aber, oder mercken nicht, daß um
9,den gantzen Leib zu retten zu thun ist. Also muß man auch
«„dem Kriegs- oder Schwerdt-Amt zusehen mit männlichen Augen,
«„wamm es so würget und greulich thut, so wird sichs selbs be-
>„ weisen, daß ein Amt ist, an ihm selbst göttlich, nnd der Welt so
,„nÖth]g und nutzlich, als Essen und Trincken, oder sonst kein ander
«„Werck. Daß aber etliche solches Amts mißbrauchen, würgen und
»„schlagen ohne Noth, aus lauter Muthwillen das ist nicht des Amts,
«„sondern der Person schuld, dann wo ist je ein Amt, Werck oder
«„irgend ein Ding so gut, das die muthwillige böse Leut nicht miß-
«,bnmchen? Solche sind gleich wie die tolle Aerzte, die eine ge-
«jSonde Hand wollen dem Menschen abhauen ohne Noth, aus lau-
<«ter Muthwillen.*
Was siebet dann der HErr JESUS, wann er, wie ehmals an
f]em Oaliläischen Meer, also an dem Rhein-Ufer, auf der Glacis in
der Vestang, Ober- und Unter-Homwerck gehet? Brüder siebet
er, und wann er ein wenig fürbaß gehet, siebet er wieder andere
Brflder, aber nicht in dem Schiff ihres Beruffs, oder über einer
Arbeit, die ihn erireuen könte, sondern bey dem Wein ligen, und
aossanffen, was eingeschenckt ist, und haben Pfeiffen, Geigen, Ley-
ren und Psalter bey ihrem Wohlleben, auch am Tage der Rnhe
182
des HErrn. Brüder siebet er bey den ausgelanffenen Dina-
Scbwestem, die sieb nur nm des Harens willen bie verdingen, und
den Soldaten nacbzieben, von denen man die Worte des Propbeten
sagen kan: Du bist nicbt ¥rie eine andere Hure, die man maß mit
Geld kaoffen, nocb wie die Ebebrecberin, die an statt ibres Manns
andere znläst, dann allen andern Haren gibt man Geld, du aber
gibst allen deinen Bnblern Geld zn, (benckest ibnen deinen Lobn
an,) and scbenckest ibnen, daß sie za dir kommen allentbalben,
and mit dir Hurerey treiben, und findet sieb an dir das Wider-
spiel für andern Weibern, mit deiner Hurerey, weil man dir nicbt
nacblaufft, sondern du Geld zugibst , und man dir nicbt Geld an-
gibt, also treibest du das Widerspiel. Ezecb. 16, 31 etc. Brüder
siebet er, die in einer losen Gesellschaft ibren Mund übergeben
lassen von faulem Gescbwätz, scbandbaren Worten und Narren-
tbeidung, oder solchem Scbertz, der keinem Cbristen-Mensoben
ziemet. Epb. 5, 4. Brüder siebet er, die sieb zusammen koppeln
mit losen Stricken, unreebt za tbun, und mit Wagenseilen, zu sün-
digen. Es. 5, 18. Die über ibrem Brüderscbafit saaffen, und un-
glückliebem Spielen, zuletzt Händel miteinander anfangen, rauffen
und einander verwunden. — Fortsezung folgt. ABirlinger
Eine Huiiheinier Theaterhudschrift des Göti
von BerliehingeB
Nacbdem der von mir besorgte Druck des Heidelberger
Manuskripts von Goetbes Bünenbearbeitung seines Götz ersebinen
ist, stellt sieb beraus, daß aueb die Mannbeimer Tbeaterbibliotbek
in Besiz einer Handsebrift dises Werkes ist. Naeb einer Mittei-
lung des Mannbeimer Journals, die dann in andere Blätter über-
gegangen ist, entbält das Mannbeimer Manuskript mer als das
Heidelberger Exemplar: ja die Zeitungen bebaupteten, jenes zeige
die größere Korrektbeit. Die Angelegenbeit ist immerbin interessant
genug, nm zu genauerer Prüfung aufzufordern. Auf der einen Seite
Ufert unzweifelbafb das Mannbeimer Exemplar eine willkommene
Bestätigung desjenigen, was dureb die neue Ausgabe zum ersten
Male bekannt geworden ist. Aueb ist riebtig, daß an einigen
Stellen, wo der Sebreiber des Heidelberger Manuskripts sieb ver-
scbriben bat, in dem Mannbeimer das Riebtige stet. An einigen
Stellen babe icb in der Ausgabe bereits unter dem Text die Ver-
besserung unzweifelbafter Feier gegeben. So verstet es sieb von
selbst, daß Olearins beim Bisebof von Bamberg vom corpus juris
bebauptet, es sei darin alles, was in den Gesezen abgängig oder
dunkel wäre (p, 46, 2L 22 d. Ausgabe), dureb Glossen ersezt.
Hier ist abhängig sieber Sobreib- oder gar Druokfeler (was icb von
184
Als Götz den yerstimmten Weisungen nicht aufzuheitern vermag,
kommt der kleine Karl und ruft: „Zu Tische, Vater! zu Tische!
Wie steht ihr da, wie schweigt ihr? habt ihr euch verzürnt? Nicht
doch, Vater, das ist dein Gast! Mann, das ist dein Wirth^. Darauf
kert sich Weisungen nach einer Pause um und sag^ indem er das
Kind in die Höhe hebt: „Du bezwingst mich, lieber Kleiner **. Götz
get dann auf Weisungen zu, faßt das Kind an, so daß es beide
in die Höhe halten und ruft: „Bote des Friedens, du erinnerst
mich an meine Pflicht ''. Karl aber beschließt den Akt mit den
Worten: „So tragt mich zur Mutter, so tragt mich zur Tante.
Euch yersöhnt, verbunden zu sehen, ist ihr einziger Wunsch. Das
habe ich ihnen lange schon abgemerkt^.
Wenn Goethe das in der gewönlichen Theaterbearbeitung ge-
ändert und, um den Knaben nicht gar so altklug erscheinen za
lassen, die Aufforderung zur Versönung Marien in den Mund ge-
legt hat, so war diß jedenfalls eine Verbesserung. — Aber alle
Warscheinlichkeit spricht dafür, daß das Mannheimer Exemplar
hier Goethes ursprüngliche Fassung der Stelle darbietet.
Abgesehen davon müssen wir der Heidelberger Handschrift
die größere Zuverlässigkeit beilegen. Es ist unbestritten, daß der
Dichter sie eigenhändig durchkorrigiert und in die gekürzte längst
bekannte Form umgewandelt hat. — Damit aber nicht ein fal-
scher Name in die Goethelitteratur komme, bemerke ich schließ-
lich, daß — nach dankenswerter Mitteilung eines mit Frankfurter
Verhältnissen bekannten Gelei*ten — der Name des Senators, der
auf dem Titelblatte des Heidelberger Manuskripts die Echtheit von
Goethes Handschrift bescheinigt hat, nicht Dr. Heuburg, sondern
jYeuburg ist. Der Mann hatte die Unart so viler Menschen, sei-
nen Namen undeutlich zu schreiben. Daher der Irrtum.
Karlsruhe Dr. Gustav Wendt
Beiträge nr Geschichte des Hvnanismas in Schwab»
und Elsafz und des Erwachens der klassischen Studien
in 15. und 16. Jarhnndert
Die Zeit, in welcher die klassischen Studien jene mächtige Be-
wegung der Geister hervorriefen, die befruchtend auf eine Regenera-
tion der Wissenschaften nach allen Seiten hin einwirkte, hat zwar
schon manche Darstellungen gefunden. Allein zu einer tieferen und
eingehenderen Kenntnis sind wir noch nicht gelangt. Dazu bedarf es
einer weit vollständigeren Herbeischafiung des Materials, welches
in Handschriften und alten Drucken verborgen ligt. Ich hebe zu-
nächst einen scheinbar unwichtigen und vilfach übersehenen, aber
durchaus nicht zu unterschäzenden Punkt hervor. Wir haben noch
18S
■
keine enehepfende Darstellnng der Lermittel d. h. der Grammati-
ken, Vocabularien n. dgl., deren man sich bei dem Unterrichte be-
diente. Und allerdings sind die meisten so selten geworden, dafi
es nnr bedeutenderen Bibliotheken — nnd auch disen kaum —
rei^gCnnt ist, eine größere Zal davon zu besizen. Wie sollte es
aaeh anders sein ? Wie wenige unserer heutigen Bibliotheken geben
neh damit ab, Schulbücher aufzuheben! In der älteren Zeit war
man in diser Hinsicht kaum sorgfältiger. Diejenigen Exemplare
aber, welche der lieben Jugend in die Hände gegeben wurden,
hatten ehemals dasselbe Schicksal wie heutzutage : sie wurden zer-
ri&eDy beschmirt, verklext und — weggeworfen. Ich kann an einer
Beihe von solchen Schulbüchern aus dem 15. und 16. Jarhundert,
welche ich selbst besize, ad oculos demonstrieren, wie auch damals
der Spruch galt: Jugend hat keine Tugend.
Yen welcher Bedeutung gerade die Frage der Schulbücher
flir jene Zeit war, get augenscheinlich schon aus dem ^nen Um-
stand hervor, daß der unermüdliche Vorkämpfer des Humanismus,
Hermann Buschius, bei seinen Angriffen auf die Gegner desselben
in Köln besonders darauf drängte, daß der Donat statt des
Alezander Gailus gebraucht würde. Es scheint uns kaum begreif-
lidiy wenn wir den Streit verfolgen, wie eine solche Frage mit
dner Erbitterung und Leidenschaft one Gleichen verfochten wurde,
wie BOgar die Kanzeln, namentlich von Seiten der Dominikaner,
dam benuzt wurden vor den „poetae et oratores", als den Vor-
gängern des Antichristes, zu warnen : was in Köln wirklich vorge-
kommen ist. Richtig bemerkt in diser Hinsicht Cornelius (die
Hüneterschen Humanisten S. 26): „Will man billig urteilen, will
man beiden Richtungen ir Recht widerfaren lassen, so muß man
sieh auf ire Weltstellung, wenn ich es so nennen darf, besinnen.
Der Orden der Dominikaner war eine der Blüten, welche die ältere
christliche Zeit getriben hatte; er hatte der Welt den Thomas von
Aqnin, dem deutschen Volke den Albertus Magnus gegeben: auch
jeit waren sie die, wenn gleich ser ungenügenden, Vertreter der
älteren christlichen Weltanschauung. Andererseits sind die Huma-
nisten aus dem Prinzip der neueren Geschichte geboren und die-
nen im. Beide Teile sind natürliche Feinde: was Wunder, daß
sie sich schaden? Nicht als ob sie selbst irer Stellung sich klar
bewnst wären. Es sind vilmer die Vorposten zweier Heere, die
einander nahe rücken: sie kennen den Plan nicht, welchen sie als
Glider des Ganzen voUfuren helfen, sie wissen über die dis- und
jenseitige Stärke und die Elemente derselben keine Rechenschaft zu
g^ben — nur eins wissen sie, daß es Feinde sind, auf die sie
seUagen^.
Ich habe diß vorausschicken müssen, damit man es nicht auf-
fidlend findet, wenn ich auch Notizen über solche Männer, welche
sich fast ausschließlich mit dem elementaren Unterricht im Latein
abgaben, unter die Beiträge zur Geschichte des Humanismus auf-
186
neme. Der gewaltig und aiianflialteam vOTdringenda, einem glftii-
zenden Meteor vergleichbare Sturm des Hamanismus, der rasch die
Feinde allerwärts niderwirft, erregt mit Recht unsere Bewunde-
rung; allein möglich war er nur durch die vorangehende stille
Arbeit einer Reihe von Schulen und Männerui die über den blen-
denden Erfolgen irer Nachfolger sum Teil völlig vergessen sind.
Eine eingehendere Darstellung diser Schulen des 15. Jarhun-
derts, welche eine rationellere Betreibung des Sprachunterrichts
und ein anregenderes Studium der alten Klassiker anbauten und
förderten, sowie eine Charakterisierung der hierbei benuzten Schul-
bücher, ist eine Aufgabe für die Geschichte der klassischen Philo-
logie, welche noch nicht annähernd beeidigend gelöst ist.
Eine nicht unwichtige Quelle fär die Kenntnis derjenigen
Werke und Männer, welche am Schluß des 15. und zu An&ng des
16. Jarhunderts für die Ausbreitung der klassischen Studien tätig
waren, besizen wir in dem Auctarium des Priors im Kloster Laach,
Johannes Butzbach, (f 1526), welches nach der Absicht des Ver-
lassers eine Ergänzung zu dem Werke von Trithemius „de scri-
ptoribus ecclesiasticis" bilden sollte. Ea ist zu disem Zwecke be-
reits von Böcking im Supplement zu Huttens Werken (Tomi poste-
rioris pars altera) für die Biographien deijenigen Männer ausge-
beutet worden, welche in den Epistolae obscurornm viromm vor-
konmien. Ich gebe hier eine Reihe von Artikeln daraus, und zwar
hauptsächlich über Schüler von H. Bebelius und solche, die ans
dessen Kreis hervorgegangen sind.
(foL 115b.)
[3^)]Äcdbu8 Henricfnan, patria Sudelfinensis natione Sueuus,
homo in secularlbus litteris excellenter institutus, grammaticua et
poeta insignis, discipulus quondam Heinrici Bebelijj poete laureati,
cuius supra memoriam habuimus'). Scripsit pro vtüitate puerorum,
quorum in grammatica preceptor erat, satis notabilem grammaticam
M. ig „Grammatica est ars recte*^^).
Garmina quoque et diuersas epistolas cum nonnullis al^s edidit.
Viuit adhuc.
[J^Oannes HUbrant^ natione Teutonicus, familiaris predioti
Jacobi fautor, et ipse quidem bonarum litterarum discipliniir sat
eruditus, qui et nonnuUa ingeni|j sui edidisse fertur monimenta.
1) Für die AnfangsbucbBtabon ist in der Hs. freier Raum ge-
lassen, um Biß später hineinzumalen; diß ist aber unterblibeD.
2) Ich lasse die Biographie des H. Bebelius nicht abdrucken, weil
dieselbe bereits von Böcking a. a. 0. mitgeteilt ist.
8) Bei Anf&rang der Werke eines Autors befolgt Butzbach im
Auctarium die Ordnung, daß er vom auf der Linie den Titel, in der
Mitte die Ansal der Bü<^er und am Schluß die Anfangsworte des Wer-
kes angibt.
187
■ed nichil eonun adhno ad noticiam meam pernenit. Legi episio-
lam eins damtazat in grammaticam prememoratam. Vioit adhac.
[S]^(u/iaiittö .Ee/^, auditor anpramemorati Jacobi, a quo
iam in grammatica quam in ceteris humanitatis litteris apprime
eraditoB est. Scripsit et ipse pro recommendatione operis pre-
ceptoris sni instmctnm carmen, quo satis acutum suum prodidit
ingeninm, sed et aüa plura scripsisee didtur nondum mihi cog-
mta. Vinit adhuc cepto insistens studio.
[M]Aihia8 Erets^ natione Alamanus, patria Landspergensis,
predicti Sebastiani sub eodem preceptore quondam con&scipnlus,
metro et prosa exercitatum habens ingenium, de onius scriptiB
nichil hucnsqne Tidi preter carmen illud quod in grammaticam ma-
giatri sni compoBuit. Viuit adhuc.
(foL 116a.)
[J^maindus MecMingius, homo studiosus et excellenter satis
emditus, versu prosaque yalens, qnedam vtroque stilo scripsisse
jierhibetor, quibus nomen suum et Studium ad noticiam posteritatis
transmisit, sed nichil ex eis hucusque ad meam peruenit lectionem
preter epigramma vnum grammatic^ Henricmanni, cuius auditor
ihit oUm, prepositum. Viuit adhuc 1509.
[X\0anne3 HdberkdU cum predictis ab eodem in litteris phi-
losophicis institutus preceptore, ingenio clarus et sermone comptus,
ligata solutaque exerdtatus oratione, quibus etiam nonnuUa fertur
ingenij sui cudisse mooimenta, que nondum videre potuj. Scripsit
«t ipse in preceptoris sui grammaticam instructum epigramma, quo
«i acceptum referre voluit, quicquid sub ferula illius philosophice
«roditionia acquisierat. Viuere adhuc dicitur plura scribens.
[T]0atme5 Webery natione Sueuus, sub sepememorati Jacobi
^rammatid doctissimi cum antedictis in triuialibus scientijs egregie
imbntns, sicut aperto p. (patet ?) iudido in epigrammate illo, quod
in laudem crebro nominate grammatic^ composuit. Si quid aliud,
mihi necdum innotuit.
\C]AspefU8 Hamd^ vnus ex preceptoribus Jacobi Henricman,
^prammaticus excellens, a quo grammatice institutionis non mini-
mam partem se idem Jacobus in epistola ad eundem accepisse in-
^^ue fatetur, quem etiam plura scriptis reliquisse ad vtilitatem
•tudentium non dubito, quorum noticiam non habeo.
\yf^0lffgangu3 Bcbelius, natione Sueuus, patria lustingensis,
£rater Henrid Behelf hominis litteratissimi, homo et ipse eque ac
germanus in litteris humanitatis excellentissime instructus, ingenio
pollens et eloquio. Scripsisse dicitur quedam ad incitadonem fra-
tris sui pro explosione barbarie et insätutione puritatis latine lin-
gne, que nondum videre merui. Legi tamen eins instructum epi-
gramma, quod in libellam fratris de arte versificaudi condidit.
Viuit adhuc, ut audio, cum germano Tubingp philosophiam pro-
fiten«.
[L]E(mardtis Clemens^ natione Sueuus, patria Vlmensb, pres-
188
biter ibidem, vir in sacris litteris competenter institntas et secn-
laris b'tterature non ignaras, metro exercitatus et prosa, scripsit
gemino stilo erudite lectionis quedam sintbemata, e quibus com-
plura feruntnr carmina et ad dinersos instmcte eleganti^ epistole.
Legi ipsins in stychologiam Bebelianam Carmen.
[W^Endeliniis Sueans, patria Pborcensis et ibidem in pbi-
losopbia lector, bomo studiosus et emditus in secularibus litteris,
qoi et carmine et prosa qnedam scripsisse dicitor, e quibus extät
in laudem Bebelij Carmen saphicum. Viuit adbnc'
Eine Reihe von Süddeutscben, welcbe als Verfasser von Bar-
barolexen und Disputationes quodlibeticae bekannt wurden, beban-
delt gleichfalls Butzbach; icb babe die Biographien bereits in der
Zeitschrift des Bergischen Geschicbtsvereins 7 S. 282 ff. yeröffentlicbt.
Unmittelbar hinter denselben stehen auf fol. 83b die folgenden:
[l]Ohann€S CharisfeuSf cuius patrie vel nationis nomen ignoro,
bomo equidem in secularibus litteris egregie doctus et diuinarum
non ignarus, ingenio excellens et sermone disertus, Greci peritus
sermonis atque latini, philosophus et orator insignis, fertur non-
nuUas lucubraciones edidisse, quas tamen nondum memini me vi-
disse, de quibus feruntnr
Orationes plures li. j.
Et quedam alia.
Quo autem tempore hie damit similiter ignoro, puto tamen
eom ynum ex supramemoratis fore neotbericis et forsitan adhue
viuit 159 [d. i. 1509].
[C]Ratho Vdemhemiiis, natione Teutonicus, vir in liberalibos
soiencijs excellenter emditus et diuinarum non expers litteramm,
peritia artium quippe magister ogregius et Sletstatinis scholis pre-
fectus famosus, ingenio cultus et sermone clarus et tarn bone-
state vite quam doctrina auditoribus suis venerabilis, plura scri-
psisse perbibetur, sed nil adhuc ad [fol. 84a] lectionem meam
peruenisse memini, lector mens studiosus illa inquirat. Mortuas
est ante paucos menses cum magna auditorum suorum querela et
pulcbro cuiusdam epitapbio bonoratus sub Maximiliano anno do-
mini 159 [1509].
[tjOhannes HiU Rotwylensis, natione Teutonicus, bomo bo-
naram artium oppido studiosus et diuinamm scripturaram noticia
sufficienter imbutus, philosophus acutus et Heidelbergensis gym-
nasij decus insigne, ingenio subtilis et acer, sermone clarus et dis-
putator de quolibet acutissimus, fertur scripsisse aliqua lectione
digna sc.
Questionum disputatamm li. j
Quodlibeta varia li. j
Orationes plures li. j
Et nonnulla similia, quorum tituli me fugiunt; puto quod
viuit adhuc.
Als Grammatiker wird aufgefärt fol. 151 :
189
[W]EnUefilaus Brack^ natione. Alemanus, homo in studijs
litteralibos continue exercitacionis, liberaliura artium professor et
examinator rectorque scholarnm apud Constaniiam vigilantissimas,
metro yalens et prQsa. Scripsit ad Ttilitatem et profectum scho-
lipetamm suorum de significatione reram opas graramaticnm quod
Vocabularium rerum prenotare voluit li. j „Malta ad te
prestans iauenia"
Et alia quedam. Glarait sub Friderico 3^ apud Saeaos fa-
moaiBBlmas.
Als Astronom wird auf fol. 155 behandelt:
[t]0anne8 Liudllius, natione Germanus ex oppido Heilbronensi
alias fons salutis dicto oriundos, homo certe quam in dioinis tum
in secolaribus scienqjs et vel maxime in astronomia stodiosos et
doctos, izigenio simüiter et sermoue prestans, coios opera et stu-
dio scripta loannis de Monte Regio in lucem producta sunt. Scri-
psit et ipse in astronomiae scientia nonnnlla quibus nomen et em-
ditionem soam claret scilicet Ephemeridem nouam li. j „Cum supe-
rioribos annis non paucos".
Alia eins opuscula nondum videre (ergänze „merui"). Claruit
statim post prefatum Joannem Regimontanum.
Elberfeld WCreceHns
Zur Wortforschung
XII
1 Deutelkolbe m. typha zu Alem. VI 155: Deuttvang. Dios-
coridis, de medicinali materia — Francof. 1543 S. 265 : typha ger-
manice: moßkolben, narreokolben, Deiitelkolben^ liesknoi^en. Im
Bagister: dytteUcolben. Tabemomont. ed. Bauhin 1664 S. 559:
DeUelkoU)m. Zwinger, Ki'äuterbuch Basel 1694: typha niederl.
Dodde, Lischdotte, Densen. In teutscher Sprach: Ließkolben,
Narrenkolben, Wasserkolben, Ließknospen, Weyerkolben , Maur-
kolben, (Morkolben? Bück), Dietelkölben S. 313. Die merfachen
Leüdbä^ sten zum ON Tatilinpach nicht Tutilinpach. Vgl. auch
den Namen Deutelmoos in Schwaben, den Familiennamen DetUd-
Moser in Riedlingen. In Fischers Statistisch-topogr. Beschreibung
des Borggrafthnms Nürnberg u. s. w. 1787 I S. 176: TeichMben^
lieBohkolben. Zu Bölsier = typha stimmen die Sumpf -Flur-
namen: Bolster, Bolstern, aber nicht die beiden Bolstemang, die
nie sumpfig waren, noch es sind. Im 9. Jarbd. saßen da noch
einaelna Romanen, sollte bostar Rinderhütte hereinspilen?^)
2 Gnsel adj. subst. geil, aufgeregt. „Ein new abentürlich
Practica Docktor Johannis Roßschwantz von Langen Lederbach **
1) Die Lesart Bo^ernang kommt im 13. Jh. widerholt vor. In
derlei Namen ist wol allerhand zusamraengeronnen. Man denke an
die naheligenden : ahd. pulstar (pelta), püliz (boletus), häristal (Vieh-
stelle) und an die alten CoUectiva auf -erach (em) z. B. hcislerach (has-
kren); gerteraeh (gertren) ; längerrach, lengrach, lengem u. s. w. (Back)
190
•
(alem.) Cap. XIV: Die münchnrerden dis jar vil keß samlen, wann
das ffiter ist wo! geraten, das wirt sie faßt stechen and gusd
machen, Toranß die noch schopff nnd schwantz haben. Mittig. von
Crecelius. Willing (Alem. VI 87 Anm.) in seinen Predigten 9Sb :
„dieweil unser fleischlicher Adam so gusel und geil ist — so ist von
nöten, daß der mensch sein fleisch mit seinen glüsten täglich lerne
abwürgen und tödten — dem halsstarrigen alten esel sein gnü<^
brechen u. s. w.'' „Die Maulesel springen au£P die stfttten, so ge*
laden, beyßt sy in die mänin und in rugken; daß jm diser gusd
vergange sol man sy ein weyl eynspannen und das mülinrad ziehen
lassen: das selbig machet jn etwas zämer.** Gesner-Forer Tier-
buch 1563 Bl. 49b. Gii^e^ m. Gänserich. Baar. Sunthausen. Am
Bodensee hört man strichweise güs^penis, güsen = coire. R.Back
schreibt mir : Ertinganis (Ertingen, Oberschwaben) est güs puden-
dum, mentula; güH 1) homo lascivus, luxuriosus 2) qui puellas
frequentat 3) homo hilaris et garrulus et gestaosus (= Geck auf
der Zwifalter Alb). CHisen cohabitare; nackgüsele n. puerulos
nudus, qui pudenda non tegit; parentes hoc basiatura dicunt. Pro
güsen etiam nunc quibusdam in locis verbo güslen utuntur, unde
giisel detraham. Eadem yocabula reperi in valle Lutrae Munigi*
singensium (Münsingen, Lautertal). Altorfenses pronuntiant gosm
pro ludere lascive, uti aliud verbum gopen. Verbum gtisi sonat
simile alter! pro basiatore scilicet fusi, Wangensibus alpinis : htisi.
Schmid Schwab. Wb. 250 kennt Ous, Gusel = Gans; in der Kinder-
sprache. Sohmeller V 951 gusel adj. sich g. machen, lustig machen
(1456) Frisch I 384c nennt ein Güselsross, ein Pferd das den
Reiter abwirft, offenbar zu unsrem Worte oben gehörend. Seine
Belegstelle ist Altenstaigs Vocab. entnommen: strenax, frisch, gails
gusds Roß das einen bald vber ab würflet. Diefenb. Gl. 551. AB
3 Zu Sebastian Bfirster ^). Zu den von Birlinger allbereita
besprochenen Wörtern aus Bürsters Chronik erlaube ich mir in fol-
gendem nachträglich einige Bemerkungen zu machen:
S. 12 ist nach uff röhr ein Fragezeichen gesezt, stat dessen
wäre die Silbe -en anzuhängen, uffrören = in Fülle zusezen;
anfrören = Pulver auf die Zündpfanne schütten, dann zusezen,
reichlich geben überhaupt, ist in dem wirtembergischen Donantal
noch volksüblich. — 251 hrüdtertrager ^ Brettertrager. Ober-
schwäbisch Britt = Brett (in Lindau damals schon derselbe Bretter-
handel wie in Ulm). S. 24 heisch ist wol der heisch =■ klatschen-
der Hieb, Schlag, oberschwäbisch bätsch. Zeitwort: bätschen,
klapfeu; schlagen, daß es klatscht. — ängeri (Engerling) heißt in
einem dem Freyherrn von Freyberg- Justingen gewidmeten Auszug :
Caii Plinii bist. nat. von Heyden. Frankfurt 1505 : emgerichi (tds
Barbenköder angefOrt). — anspeniger in Thomas Weißenhorner
1) Sih Alem. Ol 276—285; IV 286—244.
191
Giiroii. ed. Banmann. S. 19 : etliob edel und ainspenig, S. 29 da-
ni ein raysiger sswispeniger knecht. — S. 99 hsckaidt^ zwischen
wagnerbanß, scheyren und anderen Geb&nlichkeiten des Kl. Salem
genannt: wol = Bescheidstabe. Eine solche fand sich nach den
Anlendorfar Yerbörsprotokollen nm 1680 im Schloß zn A. —
hräisckig. Im Donantal ist brätschen = ausklopfen, fionen aus-
brfttachen = reifs Bonenkeme ans den Schoten schlagen (vgl. brU'
sdien). — baeize f. ist noch üblich ftlr Pflasterboden, bes. vor
St&Uen« — dachsgäbel heißt in Oberschwaben auch die zweizackige
ESsengabel mit der die Garben auf den Wagen gehoben werden.
— dmmer jest noch = dämmerig, halbdunkel. — erfileen. Ein
Anlendorfer Protokoll von 1717 sagt: der Pfarrer werde ihme
Metmem einen braffen Filz geben haben = Verweis (Band 1717
8. 862b). — erworgenj jezt verwargen, ersticken. — groppe ist
goUo Tulgaris, dagegen gründet cobitis barbata und taenia, welche
aneh das Volk nnterscheidet. — Ob grudel m. nicht von grudeln ?
Lflctera bedeutet beute brodeln, sieden. Wir sagen ja noch „der
Siedige und der Heiße ist mir den Buckel hinaufgelaufen.*' —
kkdge nacM ist in der Ravensburger Gegend als kin^t noch vor-
handen. — - kOr ^ Keller, jezt noch ; die sogenannte Klingenberger
Ohron. ed. Henne sagt S. 140: hattend dadurch (die Stadtmauer)
in einen ^jgegraben. — Die Heggbacher Chr. (ed. Baumann)
a. a. 0. S. 289: mnker, müleeren. — der schwarze Kaspar = Ten-
hl ist noeh übliche Bezeichnung. — kastspuolen; hier in Ehingen
karspuel = Spülicht, Spülwasser. — hrogen voU, jezt groglet voll
und grMet sowie groppet voH^ scheint eher zu einem Zeitwort
rebeln » rebeln, wuseln, wimmeln als zu krock (Rize) zu gehören.
Vgl. punlet voll, gruselet voll, gwuselet voll, alles mit derselben
Bedeutung = wimmelnd voll, g und b wechseln ja oft genug. —
Lidi f. Lastschiff. Richentals Chronik (Aulend. Codex): Item das
holti • . . ain guoÜ arger ledi vmb ain pfond heller . . . vnd ain
minder arger ledi vmb XYIII ßd^, — Klingenb. Chr. S. 852: fuor
ain acheff als ain schitterledi (Scheiterlastschiff). — laichen. Wenn
die Geistlichen und Lerer Ferienreisen machen, sagt der Bauer:
die hearro l&ichet. Der zuckende Bliz one hörbaren Donner heißt
W^MtarlSich. — rofienbrüderische Knnrst: Anspilung auf die bekann-
ten Rosenkreuser. — latzfnan: 1) in Laub oder Reis eingekleide-
ter Frflhling^buz. Von im singen die Kinder: stilla, stilla, it so
loat| der latsma h£tt o dicke hont, eor hätt o h^te wäf», eor ist
heont nftoht verschläft und wenn men hett it gweckt, so lag er
00 im bett 2) Schelte = Lümmel. — einen schnee herlegen ist
noeh gebränchfich. — lozen heißt man in Oberschwaben auch die
Anhiebe (der Zimmerleute) am Randholz, das man zu beschlagen
snftngt und die ovalen Holzabfälle davon. — lückem, verlUckem
% entdeoken, ausfindig machen, ist in ganz Oberschwaben ge-
brftnohUoh. — niauderig 1 = betrübt eingeschüchtert. 2 trüb (vom
Wetter) in ganz Oberschwaben. — ölherger = Schlafhaube, fauler
192
Mensch (in Friedberg OA Sauig.). — schapper. Was ist der alte
Ulmer Familiename Schaprunius? ^) — schick: — er hette einen
gegenständ und so es einen schick abgebe, wolte er solchen zur
Ehe nemmen. Aldf. Protok. 1672. — schidwein. Disem entspricht
unser oberschwäbisch schidwecken, m. = Abschidsessen; wird stets
Abends gehalten. — zu schnapp wird wol uoser yerschnappen =
sich unbesonnen verreden, gehören. — alß hueren, schnuaren soll
man usser der herrschaft bieten. Aldf. Maigebot von 1609 S. 5 —
schöpfen (schöpfen ), der Sinn ließe auch unser schwäbisch schöpfen
= abfangen zu. — segi: — 1416 vnd sol man alweg mit der
segy uff gemaynen kosten Tischen. Eönigsegger Orig.-Urk. — In
Buchau sagt man für Sege, die 2!ögi, weil es, wie Fischer KnoU
meint, von ziehen herkomme (sagena). — thürgerichi Türpfosten
noch allgemein. — trom Balken, trömen mit Balken decken, unter-
ziehen: das irämt Gebälke (Aulendorf). — unglü^er^ in Ertingen
heute das aangleinster. Ebendort heißen die Feuerfunken gleinster
neben glaneinster und glanäisten. Einige sagen auch granäisto
und sogar granlaiste. — verdössen vgl. die Stelle aus Forer^
Gesners Tierbuch (19) bärenschmalz mit räbenaschen . . . duscht
alle geschwulsten. — verwarlosen, noch üblich = durch Unachtsam-
keit zu Grunde richten. — zu weite möchte ich bemerken, dafi es
in der Schweiz als schwette wider vor kommt. Vgl. watt: wette;
Schwad: schwader(-loch). Vgl. Rochholz A. S. 1, 16ä. — A. 924
(locus) Uuat beiRümlang. !Neug. — Langwatt ist die BachmuttBr,
welche als Farweg benüzt wird. A. 1 194 villa Langata, Geschichts-
freund 4, 262. — 13. Jh. Waetfluo ib. 17, 251. — 1346 in dem
wat (an der Albe) Ettlingen. Moqe Ztsch. 6, 341. — WaUgafi
bei Tobel (Schweiz) Grimm, Wst. 4, 406. wadegaß ib. 5, 648. —
1324 Languat. Steichele, Bisth. Augsb. 3, 1275. — Schon im J«
987 heißt der Rehbach bei Speier Lancwata. — 1393 item sie
haut ein langwatt in dem Ebach (Gemeindebach), Grimm Wst. 4,
303. — untz an die Langotten (bei Wiedikon) ib. 1 342 die laut-
wat (das Wasser bei Villingen). Mone a. a. 0. 8, 121. — 1458
(das Wasser) die Langweg bei Vendenheim ib. 8, 166. — im gwatt.
Zuggen, Geschichtsfir. 25, 135. — 1219 Wanbrehteswate. Wirt.
Urkb. 3, 78. — 1420 uff der langwatten. Habsthaler Urkb. S. 41.
— der Watpach 1714 zu Merxheim. Grimm, Wst. IV. — Wie Bie-
der zu slat, so verhält sich swader zu swat. J. 1266 swaterlo.
Ztsch. f. G. des Obr. 28, 386. — 13. Jh. swaderleg (Schwader-
mühle an der Zusam) Steichele 3, 845. — 12. Jh. swadirouua.
Geschichtsfr. 17, 250. — 1375 schwaterlo. Mone 6, 359; dort
S. 360 ein Mann der Swaterler. — 1516 swaderloch by zell an
der Schüssen. Vanotti Gf. v. Montfort S. 625. — Schwatterloch
bei Lauffenburg etc. etc.
Ehingen a. d. 1). Dr. RichardBuck
1) Wie verhält sich der schapper (das Vließ der Sofaalay tent
194
vnd zeittlicher siessigkait. Die sibent Staffel entziechung gött-
liches drostes leiplicher vnd m&tlicher empfintlichait. Die achtet
Staffel verlengerung des einganges ewiger Äred vnd entlicher selig-
kait. Der jedliche hat ain besunder zu geaignet fred, in die sy ver-
wandlet wirt, als dise nach geschriben materi anzaigen wirt.
Die erst Staffel gaistlicher drawrigkait ist pitter schmerz-
liche rew der boswlrtikait, die peniget den waren rewer schmerz-
lichen, den so er sieht vnd erkent in dem liecht der gnaden, das
er durch sein begangenn sind sein edle seil so hartt verwundet,
die drew vnd das gelipt des gelabes an got gebrochen vnd got
so groß dar durch belediget vnd erzirnet hat. Dise ermesung
vnd bedrachtung machent schmerzen vber schmerczen in dem gemAtt
des warens rewers: disse drawrigkait wechst vnd nympt z& in
dem herzen des menschen, so er in embsigen gemytt vnd sieht vnd
bedracht die hailsameii gietter der genaden vnd dngeten, der er
sich durch seinn sintliches leben, so er in zeit gefiert hat, sdbs
ber&bt vnd vntailheftig gemacht, auch die penen zu dem er sich
durch begangen sind vnd versimpten g&tthat verpfändet hat vnd
got so seh warlich belöget ; vnder den ieczgemelten drawrigkait ist
die edelest vnd hechst die den entspringt auß göttlicher belonung.
Der barmherczig giettig got, so er sieht vnd erkent disse draw*
rigkait mit abgrunter dieffer rew, kan er sich nit lenger enhaiten,
sunder er güst jm ein die genad verzeichung aller begangen sind,
durch die dann alle drawrigkait auff gehept vnd hin genamen
Wirt vnd in gaUtlichen fred verwandlet vnd bekert: dar vmb die
erst Staffel gaistlicher fred ieczgemelter drawrigkait in grossen hoff-
nung, göttlichen genaden, verzeichung begangner sünd, vers4mpte
g&tthat| veterliche barmherczigkait, so gott jm gaist von inen zu
dem menschen rett wie z& Maria Magdalena: dir werdent abge-
lassenn dein sünd, stand auff vnd gang im frid Jhesn vnsers
herren.
Die ander Staffel gaistlicher drawrigkait mit irer tu geaigne-
ter gaistlicher fred ist erkantnus aigner bruchselligkait ^)* So nun
der mensch enpfint die erlangte gnad gottes ee er in im selbe
nymt war: d& bist gesund, bis fursichtig vnd beh&ttsam, das dir
nichs ergers begegne, seczt vnd nympt vestigclich für sich, Got
vleisigclich in ennzinter andacht zu ddnnen vnd die vberigen ver-
lichne tag in göttlichem lob vnd zu verzeren vnd enden; in dem
so begegnet vnd stand dem menschen zu merckliche hindemus vnd
grosse beschwemus im auß gang der sinden im ein gang der ge-
naden. wan der feind aller seligkait, so er seiner herberg vnd ein
wonung durch die ersten Staffel Verstössen vnd verdriben ist, so
brucht er alle sintlichen aigenlistigkait wider den menschen» wie
er wider besiezen mecht sein alte herberg, behusung vnd ein
1) HinmUigkeiL A4j. in Weist. 2, 569.
IM
wirft vnd vber in verhengt, die er nit änderst an nympt wan ab
ain zaichen vnud merokliohes anzaigen göttlicher vngeiüideii, auch
etwas schwerer ynnd peinlicher ist weder die vor gemelta draw-
rigkait. Wan nach dem vnd der mensch in gaistlichen dugetsamen
gietter zi nympt vnd aofif steigt, also wechst auch vnd steigt
auff die driebseligkait, die fiäst z& zeitten als wmi das der in
göttlicher straff sich selbs vrt< zfi sein in der zall der verdamp-
ten menschen vnd acht sich selbe in aigem vrtal als ain aoß ge-
dretten vnfruchber stock der dem für werden sol, sprechent in im
selbs: ach got du ewiges gut, all obgemelten genade hab ich ver-
sdmig schlefferlich lassen hin gan vnd mich nit darin nach mei-
nem vermügenn vnd deinen gnaden geibt vnd die za fruchten bracht,
darvmb billich da mir die als dem himel regen, donner wider en-
zogen hast. Also murmlet er vnd zimit nit wider got, besundor
allain beschuldiget er sich selbs vnd sein aigne sftmseb'gkaü. So nun
aber der brun aller barmherczigkait Jhesu der giettig erkent vnd
sieht selliche dise diemüttigkait des menschen, so verwandlet er
zfimal aber dise drawrigkait in grosse fred, als vns das geldb-
lich anzaigt der erlich prophet Dauid jm buch der psallem also
sprechent: nach der vnzalberlichait der schmerczen meines heraeim
habent gedrest dein süsse drestung mein sei. Darvmb die viertt
Staffel gaistlicher fred gemesne verleichung zeittlicher driebsalig*
kait durch die drostung göttlicher süssigkait.
Die fünft Staffel gaistlicher drawrigkait ist zeweiffel des
Stands aigner weßlichait zewissen den grad göttlicher straff auß
der er besorgt sich zfi sein in der zaU der abgeworffen verstoasne
von den genaden gottes vud der verdampten stat der menschen
in grossen zeweiffel der hoffunng an ainem vnd der forcht am an-
der tail, ob er sey in genaden oder vngenaden gottes; wan als die
geschrift sagt, so waist der mensch nit gewislich ob er sy in ge-
naden oder vngenaden gottes. Durch sellichen zweiffei feit der
mensch in grosse drawrigkait, auß der er kunt in grossem die-
müttigkait, auß der er wider kumpt zu göttlicher drostung, von
der den grosser fred erstat den die vor gemelten fred der gena-
den gottes; den so lernet er den fred zft haben vnd suchen in
aller leiblichen vnd gaistlichen driebsaligkait, sprechent mit dem
heiligen sant Pauls: vberflissig bin ich in frewd in aller drieb-
saligkait, bedenck wie Gristus sein crücz mit freden hab gedragen zft
der »tat der marter vnd durch sein leiden bese«»» sein aigen glori ynd
himlischcn erbschaft zu der kain mensch kumpt den durch leiden.
Die sechst Staffel gaistlicher drawrigkait ist wider sagen vnd
ganz abkerung in irdischer drostung vnd zeittlicher süssigkait. Die
andecbtig begirlich sei auß gemelten gnaden erkent sy wollkumenlioh
das irdisch leiblich drostung zeittlich süssigkait^) vnd gaistlich
1) Dise zwei Zeilen sten doppelt in der schlechten Handschrift.
Die cz sind durchaus mit s hier gegeben.
198
II
Van den syhen iebung des menschen herczen auf die grtuU
vnd geseez ist alle ghthaU vnd volhumenhaU des innem menschen.
Beraittent ewr hercz dem herrenn, also etat geschriben «ni
ersten b&ch der küng am sybentem capitel Tnd send die wort dei
hailigen propUete Samels zfi den kinder yon Israhel; mügent b&
gel^tt werden ainem ietlichem cristen menschen, der dem herreo
begert z& machen vnd bawen aiu herberg gaistlioher zfi kunft. Die
hailig geschrifb zaigt vns an vnd weist auß syben iebnng des
herczen, anff den gruntt vnd geseozt ist frey ledigkait aller g&i-
hait vnd wolkumenhait des inern menschen, die aofi den sybea
gaben got des hailigen gaist entspringent vnd waehsent. Die erst
iebung ist vleisige beraittong, kampt auß der gab göttlicher
forcht. Die ander ernstlich behiettung, entstat auß der gab gött-
licher kunst. Die dritt schnelle offnung, wechst auß der gab
göttlicher giettigkait. Die viert veste sterckung, entspringt anfl
der gab göttlicher' sterckin. Die fünft hiczige vber gebung, flttsf
auß der gab göttliches rattes. Die sechst begirliche erhebung^
zAcht sein außgang auß der gab göttlicher verstentnus. Die sibent
diemüettige abdötung, nimt sein grund auß der gab göttlickei
weißhait.
Die erst iebung des herczen ist vleisige beraittung. Z& vlei«
siger beraittung des herczen send nott drw ding: das erst auß
dreibung verganger beganger sind durch pittern rew vnd pein«
lieber driebsaligkait vnd bäßwirdigkait; das ander abzng ^e^w
wirtiger sünd durch vleissige virsichtigkait. Durch disse drew
ding wirt dos menschen hercz gerainget vnd zfi vnschuldigei
rainigkait beraitt zfi gaistlicher zfikunft des herren durch die gal
göttlicher forcht. Die ander dan die sind krefUgklich außdribt
vnd das hercz mit rainer warer vnschnld ziert. Die andre iebuog
des herczen, auff der dan statt die volkumenhait des inerin menschen«
ist ernstliche behüettung. So nun das hercz durch die ersten ie*
bung mit vleiß ist beraitt dem eingang vnd gaistlicher zfikunft dei
herren, so sol es durch die iebungen der behüttung drwlich behüi
vnd bewart werden, da mit die außdreibung sintlicher vnseyberkail
durch semige vnbehfitsamigkait nit wider einflus, als vns dai
lernet der weiß am bfich der sprich am vierten capitel, sprechent
mit sunderm vleiß behütt dein hercz, wan von jm fiüst das leben,
aller stand vnsers lebens, gfit oder beß, wirt geurtailt auß den
herczen, von dem dan als auß der wurcz vnser werck gfit oder böC
geurtailt werden. Sollich erstelichen behiettunge wirck der menscl
nit auß aiger craft, sunder auß der gab göttlicher kunst. Die driti
iebung des herczen ist schnelle effnung: des menschen hercz, mü
vleiß beraitt in der ersten iebung, mit ernst behüt in der andren
sol schnei dem herren vnd dem edlen cosperlichen schacs gAttüMm
genoden in gaistlicher zfikunft geöffnet werden, das (vnd) er von a^faiei
MO
ger ewiger liebin ynd in . der ofihung an dem stam des haillg
crücz sein heroz vor an vnnerdent geben im leben vnd jm tod,
gSttlich vnd menBchlich, dar vmb als der hailig saot Bembart
schreibt: berr, icb waas vnd erken wa dein bercz lei, da ist dein
scbaca, dein heroz ist bey vns, so seyen vnd wir dein schaos. Dar
vmb der bilUohait halb nach, so geben wir biloh vnser hearca nye-
mant dan got; sollichem vbergeben floß aoß der gab g6ttliohs
rattes, nit anß aigner verstentnus, dar vmb wir vnstrefflich standen
vor aUem himlischen hdr. Die sechst jebnng des hercaen ist begir-
liehe auff erhebong zS Oot. Zfi dem eingan der gnaden ist nit
gnog herczlich beraitung behietung offnnng vestenoag vnd vber-
gebang, sunder der mensch m&ß das begirlich sn got aofferheben
in vier weg : s& dem ersten in der verstentnns der warhait, z& dem
andren in lieb habender begirliohait, z& dem dritten in dngetsam
Wandel der zichtigkait, zu dem vierten in geformeter maynung der
gerechtikait. Von den awaien zu dem ersten erhebungen schribt der
hailig sant' Bembart vnd spricht: als vil der mensch got erkent,
als vil liebt er im, wann es ist vnmüglich, das der mensch got er-
ken vnd nit lieb hab; sellich erhebong des herczen wirckt der
mensch dan wirdigclich, so er aller lielbdn begirlichen ding diaer
weit verordnet in gottlichem liebin ; solliche erhebung der liebin in
got ist das hftchst klainat vnd der beschloß menschlicher volko-
menhait aof erde, durch die der mensch got eingelibt verainiget
vnd ain gaist mit im wirt, als das eyssen im fewr aigner form ledig
stat, also statt der mensch form- vnd pildlos aller zeittlichen ding.
Zu dem dritten sol das hercz in got erhebt werden in dugetsamen
wandel, das der mensch mit sant Pauls müg sprechen: mein wo-
nung ist in den himlen; das beechioht dan, so der leichnam allain
leiplich lebt auf erde vnd alle inwendige krefb des menscbln wonet
^y gotf dar mit der mensch sprechen mag mit der lieb habenten
sei: ich schlaff leiblicher außwendig syn vnd kreft halb, aber mein
hercz mit dem ersten innem menschen wachet in gott. Z& dem
vierten sol das hercz inn got erhebt werden in ^erierter rechter
mainung der gerech tikait; des beschicht, das alle wort, gedencken
vnd werck gaistlich vnd leiblich in ainer rechten mainung auff vnd
in got geordnet werden. Sollich erhebung des gemyttes in got
wirckt göttlich verstentnns, durch die der mensch flucht irdischen
vnd suchet die himlischen guter. Die sybent jebung des herozen
in got die ist diemüttige abdotung, des nicbs anders ist den die
diemuttigen abdotung des herczen von aller leiblicher vnd nottorf-
tigen begird vnd von allem dem, das den menschen hindert vnd irt
ann der genaden gottes; sollichen abzug wirck göttliche weishait,
die dan ain jedlichen menschen lert alle ding an zu nemen als
sy send: got als got, duget als duget, die synd als sind. Seiich
herzlich iebung vnd wirck in vns der edel gaist Jhesu der mylt
durch farbittung vnd beystand Maria vnd alles himlisch hör.
amen.
202
klayder tragen. Wen ains ain hoflariig klayd an legt vnd eich ein-
prfst vnd so hept den ains an vnd gefeit jm selber vnd beschanweat
dich vnd so kumpt den dir die ynkeuschaitt dar anß, geleich als
ain kart die^ da rawoh ist vnd des dnoh hipsch. -Also auch rauche
klayder sollent ir tragen vnd sollent auch diemiettig sein, die
macbent den den leib gelatt, das ist kewsch: das ist die dritt.
Die viert Staffel das ist: dein red sol veminftig sein vnd be-
schaidenlich, als sant Ambrosins schreipt von den jnnckiVawen: uner
jnnckfrawen red sol sein vernünftig vnd ainfeltig vnd sollent mit
•soham geziert sein. Das ist veminftigklioh r6d, wenn du etwas reden
wilt, so lauß vor von der vemnnfb gerechnet werden, ob es nit
schaden pring vnd ob man dein failmit nit dar bey mereke vnd
was dn r^en wilt, das lauß vor für die Yemünfk knmen ee das
es in den mnnd kn« vnd solt nit fßl schwecera ; wen ains also tu
anszerichten hat vnd zeschweczen so gednnckt mich das geleidi
das nit ain rechter gmnd da sey. Dar nach sol sy sein ainfeltig, nit
das man Sprech: ey wol kan das mensch so recht wol reden wm
dn bey den lefitten bist gewesen vnd das dn haim knmest, ey das
hett sich recht wol daranff ge6egt vnd fachent den an vnd nmet
wider sich selbs vnd anff ain yetlichs wort so kumet sy ain naaS
seczlin des sol vberal nit sein, snnder sy sol ainfeltig sein. Dar nach
so sol sy sein selten, das ist ain (entberliche Person) ftnnot vnd da
nit nucz anß entspringt vnd nit fSl gefSrts machen, schlecht: Oot
grieß dich! vnd da mitt anff vnd dannen; dar nach sollent sy ge-
ziert sein war mit die schäm soll geziertt sein ainer junckfhiweo
red, die schäm nit mit zierlichen werten.
Die fanfb stapfei, das ist : dn solt dich bieten vor schencknngen
vnd vor kramen, was (wan) das pringt oft ainem menschen grossen
schaden. Ey, sprichst dn, was solts den schaden, wenn man schon
ainem etwas schenckt? Ja werleicb, es pringt M vnkensohait, wen dir
schon ainer etwas kramet, so mainstn nit allain das kramet sunder
auch den kramer, nit den kramer der vnder dem ladenn syst, den
der dir das kramat gefit; wen d& z& im kumpst, so m&stn im
dancken vnd mtst sprechen: Gnad herr oder Gnad jnnckherr vnd
beost den im die hannd, den so kumpt das ander her nach, das ich
dir woll sagen wollt; vnd hebelst den also schon als sey es hayl-
tum vnd wen du am morgen anff stast, so beschawest in am aller
ersten vnd erspringt den aines nach dem andren. Dar vmb so biet
dich dar vor.
Die sechst stapfei das ist ain gutta cristenlicbe vnd göttliche
fraintschafft solt d& haben, das ist, bist du ain man vnd lanß aine
sein wie gaistlich sy woll so hab sy lieb mit dem gaist vnd nit
mit leiplicher bey wonung; des geleichen ain junckfraw sol ganoi
kain bey wonnung haben bey den mannen vnd solt erschrecken wen sy
ainen man ausech, aber sy erschrecken geleich als ain essel, dem
ain sack empfelt, nitt das es in gottes namen angefangen ward vad
in (Hs. im) des teüffels namenn ain auß gang hab oder des (dase es) itt
203
gotiet Damen gezetlet werd vnd in (Hs. jm) des teüffels namen aaß
gewindet werd; nit leit die Cristenlich fraintschaft^ das man ain
ander ob dem tisch für leg vnd aio ander ere machen — nun weit
dar TOD» wann es kampt etwa ftil vngemachs dar von.
Die sibent stapfei, das ist diemüttikait. wen die janckfrawen
ye sprechen, wen man gen in spricht: fraw, so sprechent sy: dein
mftter ist ain fraw, vnd mfigen nit leiden daß man gen in sprech —
vnd die aller rainest jonckfraw Maria ztt der man spricht: Fraw;
man sprich nit: vnser liebe janckfraw, man sprich vnser lieben fraw —
vnd sprechent den: ye got sey gelopt, ich bin ain janckfraw, vnd
vberhebent sieh irer jnnckfrawschafft also vast, vnd da sprich ain
lerer von den selben janckfraw mein liebe gesponß gottes, seyder
min die jnnckfraw dem lemlin nachvolget, so ftircht ich nun die
hoffurt vnd die geschwalst mach das da nit nachvolgen mfigest
dem lemlin darch die engenn porten noch kindest volgen jnn ewige
sftligkait, das ist wen ains ain hoffart in im hatt vnd das es also
aaff geschwelt ist vnd höcher der hoffart in im hatt vnd sich
böseer gedfinckt den ander leüt vnnd sich selber ako groß macht,
das es nit dem lemlin nach kan volgen vnd darch die engen por-
ten kan kamen in die ewige säligkait, wann aaß hoffart kampt
vnkeüsch. ye sprichst da, wie kan vnkeüschait aaß hoffart kamen? Nan
hat es doch kain geleichnas, ich gelaab wol ee e» kam vnnlauter-
kait aaß essen vnd drinckenn. merck: wen man die zw& sind immer
sdber ansieht so kampt aine nit aaß der andren, aber got ver-
hengt ye Über ain menschen von hoffart wegenn vnlaaterkftit. merck :
da hast etwenn ain solich hoffart jn dir, aber da merckst vnd hast
nit dar f^, das es sind ist, vnd vber nimbst dich deiner janckfrawen-
sdiaft also vast vnd da dos nit roercken wilt, so kampst da dan
dar vmb vnd feilest in vnlaaterkait vnd merckst den, das es den
sind ist; vnd also hast da den das für ain sind vnd waist das es
sind ist. dar vmb sollen die janckfrawen diemüttig sein, das sy nit
vmb ir janokfrawenschaft kamen vnd sollent sich des nit über-
nemen, das sy nit vor der geschwalst kannen einkamen in ewige
siligkait durch die engen port, vnd sol gedencken an ir arben-
aeligkait, das sy doch ir selb so gar nit trawen darff, das sy nit
wajst was got über sy verhengt vnd sol nun döster diemütti-
ger sein.
Die achtet stapfei das ist: behüt deine sinn das ist des ge-
fleht vnd des gehör vnd des greiffen vnd die andrenn. Zam ersten
so hab dein gesiebt inn hatt vnd lag nit vast vmb, vnd ersieh
nit alle ding, wan du magst uff ainmal sechen das du dar nach
wol fier wachen zeschaffen hast, biß das du es nyder truckest ; wann
wenn da als vast vmb wilt sechen vnd alle ding beschawen wild,
so geschieht dir geleich als ainer die in ain frembs land kern vnd
wöltmin beschawen, wie die frawen in iren schlayren giengen, die
WM'd irr des ganges vnd ward gefeit von ainem, dar vmb so sollen
Jmekfrawen ire aagen in beh&tnuß haben. Z&m andren des ge-
204
hör: wan man an hept dich ze loben vnd etwas lobHch Besagen,
so ker dich dar von vnd merck nit auff vnd nym dich des nit an.
Zum dritten so l&g das du dich nit vngeschafifenlich an greiffest, nit
wen du ainn morgen auff wachest, das da den dem teüffel an der
ketten vmb treibest vnd gedenckest: also ist es ain ding vnd an
hebest dich selbenn an gezegriffen vnordenlich: da biet dich, vor
anß ain junger mensch wenn er auß schlaft, das er nit lang in dem
bett lyg, wen es hebent sich an beß gedencken in im auff se gan
vnd greift den sich selber an schantlieh. Dar vmb ir müttereo, hast
du ain doehter die also lang lefit vnd nit auff will, so nim ain
prigel oder ain tremel vnnd tremel sy auß dem bett. Ey, sprichst
du, sy ist noch jung, wer sy alt so bederft es nit. vnd dfür vmb
sprich ich : wen du erwachest, so stand auff vnd halt dein hend be-
hntsamlich bey dir vnd lauß dir es sein als ob ich des sech oder
dein engel der ist alwegen gegenwirtig vnd Oot vor an, dar sieht
alle deine werck, vnd dar vmb so halt ewre synn in beh&tsamkait
oder mach dir ain erbermiß gegenwirtig.
Die neundt stapfei das ist: du solt nit lang verharren auff
vnlauttem gedancken oder einfellen, als wen dir etwas einfeit: also
leyt der eeman vnd die eefraw mit ainander. vnd also wer es wen
dir etwas soUichs oder anders einfeit, so verhar nit dar in vnd ker
dich geringe darvon auff etwas anders, es sey arbaitt oder was es
ist; so Schutt den köpf, das dein hercs mit etwann andrem bekft-
meret sey. vnd es wil dasselbig dennocht nit helfenn : du gedenckest
den nach dar an, wie wol du arbaist — wen es mag dennost ains
etwas annders auch gedencken wen auff die arbait, wann es firsaca
des heroz nit als samd ; seltenn die frawen wircken was sy im köpf
betten, die weyl sy neend, sy ddrsten es nit iren mannen sagen
noch saigen^; desgeleichen auch die janckfrawen, selten sy ir gedenck
die sy ob der arbait band dar ein wircken, sy dörsten es die v&ter
vnd die mAter nit vast sechen lassen — dar vmb so soltu etwas ton,
das dir dein hercz gancz vnd gar vast vnd das dn nichs anders
dar neben gedencken künnest : das ist ain starck mechtig gepett des
dir das hercz gefasset, aber das muß eryebt werden, wan es dir
schon wider ein feit, so ker dich wider dar von vnd das treib ymma
darfur, bys das du in ain g&tte gewanhait kumbst. die alt vetter
sprechen: es sy geleich vmb des menschen hercz als vmb ain müll,
wan man g&t koren auff ain müll schitt so melt sy, kument dann
fluigen dar ein vnd andren vngeschaffne ding, das melzs auch; ist
dan nichs dar jn, so verzert sy sich selber: also ist es auch vmb
dein herz. Kurz es mftß gedacht haben: so lag vmb gfit koren
vnd gedenck als mer etwas g&ts als etwas args, so du ye ge-
dencken mftst, so Ifig das dfi gfit koren habest, das send gfit ge-
denck vnd gewen dich an gfit gedenck die von göttlichen dingen
send vnd so melt dein herz das gfitt koren wen frölich gfit ge-
denckt dar ein schizst; aber wen du das gfit koren nit hast, das
send die gftten gedenck, so m&ß es dennocht malen, so ksmaa dm
206
etwas zftaiatt, das in el^n ist, so beleibent sy ain (an = one) man; den
geschieht geleioh als ainem federlio, des also schwept, es mag leicht
ain windlin kumen, so feit es auff den ortt; knmpt den ain klaines
windlin so feit es auf disen ort. Gleich t&nd sy auch also: wann
in nit ettwas za statt, das sy maynen das in ehen sey, ye sprechen
sy, ich mag mich nit in das kott myschenn vnd heleibent ee an
man. das soll nit sein, du solt dich gancz Got ergehen vnd nit also
getailt sein, das du Got wollest gefalle vnd der weit, das sy nit
leiden mügen, wen nun ain schlayr nit recht pryssen (nesteln, ein-
hängen) ist, es tatt sich nit also.
Die dreyzechen Staffel das dn solt ainen Spiegel haben. Die
junckfrawen han Spiegel, dar jnn sy sich sechentt ob sy mt meler
oder masen habenn vnder den äugen, vnd muczent sich dar vor anff
vnd lagent wie in das lachen anstand vnd macheu also ain äffen
spil: also soltu auch ainen spiegel haben, dasistCristus vnser herr,
in dem sollen mir vns beschauen. Der spigel ist auß glaß gemacht
vndweylnun das lauter glas da ist, kanst du nicht dar jnn seohen,
man macht aber pley binden an das glaß, so kan man sich darin
soeben. Das lautter glaß ist die Gotthait, das kinden mir nitt
Sechen, dar jn hatt er an sich genommen die balligen menscbait, daa
ist das pley, das mir ainem spiegel an im betten, das wir alle in
sechen. Wen ich in sich an demCreücz in aller gedult, so sich ich
mich in aller Tngedult, ynd sich in in aller armfit, das er nit bett
das er sein baupt auff nayget vnd ich han aUe reichtung vnd
sich das er hie auff disem erdtreich nie kainen gutten tag bat ge-
heptt ynd ich leb in allem wollust, vnnd* find mich selbs ganos
brechenbaft vnd das mein leben seinem leben gancz yngeleicb
ist vnd das laß dir den zi herczen gan vnd erseufczge den vnd
bittgot, das er dir vergeh, wa zeigt man mir den spiegel? da gang
an die predig vnd wen du den baym kumpet vnd so gedenck was
dn gehört habest: das vnd des sey vnrecht vnd erken also dein
sind vnd dein mausen, als die med ye den junckfrawen sagen: da
band ir ain melin vnd so weschst sy es dan ab. was helf wen sy
(ver)langt das man ir das^ sagt vnd sy that es nit nacher oder
wasch abher ? Dar vmb so sol maus abher weschen.
Die vierzechen Staffel ist das zum dickeren mal beich-
ten, dar mit weschst man ab die massen das send die sind;
dar vmb so sol man zum dickern mal beichten vnd da
weschen vnd die alten lumpen her färziechen vnd auß weschen,
auch sol in der beicht sein der gelaub vnd die boffnung vnd auch
die lieb, das send der zecher, das ist das du wainest mit jamer*
lieben äugen.
Die funfczecben Staffel das ist verbarrlicbait. Der teufel der
last dich anfachen, aber er hatt acht deiner fersen, das ist er Ikgt
erst ob er dich an dem Iftsten end verfdrete vnd darvmb sol man
verharren. Was wer es wen da die XV stapfei auff gangen werest
vnd wider dar voun liesest, als ye die junckfrawen irend, wen sy ye
206
IV
Dpß nachgeschriben red ist am predig van der j%
gemachelschafl vnsers herre Jesu Eristi.
„ Veni in ortnm menm, soror mea, spoosa mem et veni" kam ia
meinen garten mein Schwester vnd mein gemaohel. Also spricht der
jonckfrawen s&n z& dir ynod deinen geleichen jn dem b&ch der
gesang aller gesang. Vnder allem dem, das menschlich heroa Tnd
gemüet erfreen mag in diser zeit, so ist zä zergenoklichenn Ynd li
gaistÜchen dingen eins der allerfrelichosten ding wenn ains Tn-
bedacht g&tt neye fröliche m^r hdrren wirt. £ya nun ist mir eokr
pfolchen worden, das ich dir Tnd andren an schimpf die aller*
pesten mer yerkinden sol; nun wer mich hat aoßgesant an swet-
ffel mit grossem ernst nit ain ritter oder ain graff, nit ain irdi*
scher küng oder kayser, die all d&ttlich send, wer mich hatt aoA-
gesant der den himel ynd erd geschaffen hatt, der gewaltig herr,
der die weytenn weit mit ainer hand yerfacht, der, des reyehtom
nymer zerrinnen mag, des weyßbait nyemannt laichen mag, des gtttte
aUe ding yber wint, des wesen kain annfang noch end hat, der
himlisch yater, der doch an din yerdiennen dich barmherzigk-
lieh beschaffen hatt, der dir z& dem cristenlichen dAff barmhersigk-
lichen geholffen hatt, ynd der aller barmherzigklichest yon dem
ewigen tod dnrch seinen allerliebsten snn erlöst hat: dise^ groMW
herr hatt mir enpfolchen zewerben an dich die fröliohen bottsohaft,
die ich yor dir weil ich bey dir was nit werben dorst ynd ist
das die: Er haut ainen lieben snn der ain m&tter hatt anff «rd
an einen yatter ynd jm himel ainn yatter an ain m&tter. Sein
matter ward sein schwanger ynd gepar in jnnckfi:aw, jn sein ant*
lit beeret zesechen die engel, seiner schonij wandert sidi sanen
ynd monn, seynen schacz mag niemannt erschepffen, sein gewalt
hat kain end, sein land ist anmessigklich weyt, seiner diener ist yn-
mäsigklichen yil, wan der haylig Daniel sach das im dienet ae taa*
sentmalen tausent ynd bey im standen ze zechen tausentmalen hau-
dert tanset englisch gaist. Disen leutseligen jangling, — gib mir das
frölich bottenprot — wil dir der himlisch yatter z& ainem gemachel
gen ynd hernach zfi seiner ee, wilt auch du, wenne da nnn in ia*-
genten grosser wirst? wie sälig dein yater ynd miter ist, das in
got ye ain solliches gebott yerUchen hatt. Sälig send dy fraind,
vber aller saliger bist da das da ain sollichem herre macht getailt
werden. Doch hat mir der edel jangling entpfolchen dir ynd allen
rainen herzen ze sagen, wie wol das sy, das er geren wone in dem
hanß elicher keuschait mit XXXfeltigem Ion ynd noch lieber aaff
dem grenen feld witemlicher lauterkait mit LXfeltigem Ion, noch so
feü er niendert lieber sein den in dem plienden garten mägtlicher
rainkait, die da dret hundertfeltig frncht; l&g er hat yecz ain woll-
gefallen an deinem keuschen leib, den er z& seinem laoteren diewi
berait hat: seinen gdttliohen äugen gefeit das da jm dMa
210
in iod, du mostest wagen ob er wnrt ain zerer oder ain eepredier
oder sin drincker oder ob er nymer gutten tag mit dir gelebt, dein
h&zzig, dein veind, vnd die burdin musest nacht vnd tag ze bött ynd
ze disch bey dir habenn. Gewonneetn den kain kind, so hett er kai-
nen irid mit dir Ton der ynfrachtperkait deines leibs vnd hetteat
ftn ewigs belangen vnd sennen nach kinder; gewonesta den kind, so
wirt dir sorgen nymer paß, du wordest deinen ynwiderpriiJdi'
eben schacz des plomen der magtlichait verlieren vnd alle jar
ainest deins todXs wartenn, in nnlust vnd bledigkait vil monat
schwerlich tragen, mit sterbender not schmerczlich geberoo, mitt
grosser müe sägen vnd vber deine kind nimer &n sorg b^eibeiL
Waffen! almechtiger Got mit wie maniger bitterkait eelicher leyt
s&ligkait vberlat ist! Solt ich dir der eeleit druckt, angst vnd
nott erzelen, so zenmn mir papir vnd federen, vnd darvmb, mein
liebes kind, wirt wiczig an fremden schaden, folg mir vnd vberhebt
diqh der hörten eeleüt angst vnd nott, ergib dich allaui dem herren,
der allain herozen firid mag geben, dem, der da spricht: mein por-
din ist ring vnd mein joch das ist siVßi nim war des rata sant
Pauls, der spricht: nit, das gepotten sey von demm herren
junckfrawe ze beleyben, aber ich ratt es, wan ich wolt, das alle
menschen werent als ich, leg hin all vngeamott forcht vnd ain
weyplich gemüt, merok ¥rie manlich ful der junckfrawe den sig irs
Streits behalten haben, darvmb leg an ain manlich gemütt, gedenck
wie dick du bis herr müUest absterben yecz füll jar deinen sund-
lichen begirden, die dir weret dein muter, vnd das biUich, der ich
hoff, du habest nun, denn grossen tcdl vberwunden mit manigem
willen prächen ; war aber, das der veind alles g&ten * willen ymermer
kumen wurt vnd deinem keuschen gemüt ainen man furhaben, so
sprich als ze ainem mal sprach die haylig sant Agnes: gang von
mir, du brand des tods, du merer der bofihait, vnd du r&ber aller
rainikait, wan ich pin für kumen von ainem anderen mann der edler
ist den du, sein vatter weiß vmb kainen sun, seine mutter vmb kainen
man, die engel diennet jm vnd ab seiner scheny verwundert sich
alles himlischs hör, von seinem r&ch werden lebentig die dotten,
von seinem angreyffen werden gesunt die syechen, sein lyebin ist die
edel keüschaitt, sein angreyffen ist ain lautter hayligkiut vnd sein
veraingung ist magtlich rainikait. Aber das dich yemant wolt aie-
chen mit werten oder wercken von deinem gutten fursacz, so
sprich die wort der hayligen sant Agaten da man derselbe vil
verhieß vnd fül darnach drewet, das sy aiuen man nem, do sprach
sy also: mein gemüt ist gefestnet auf ainen starcken felsen vnd in
Gristo Jhesn gestifb vnd gewitmet vnd darvmb so sent ewr wort
der wind, ewrer trewon der regen, ewer erschrecken send wasser, wie
wol ir an das hauß meins herzen stiment noch so muget ir es
nit vmbwerffen. Diser saligen junckfrawe folg nach, so hab ich
mein potschaft wol geworben. Nun laß mich au ainer kurcae wiasaiif
was deinn maynung aey den Worten, da« ich meinem alten kemp
.1 ■ ■■ .1
212
ans nicht. Den höheren Aberglanben, des WallenBteinB Astrologie,
verstanden seine Soldaten nicht, die wie Pachhelbel höchstens noch
von einem onheilvollen Kometen etwas wissen mochten. Wenn die
zwei Mörder Deyeroox und Macdonald als Hauptlente ans „ Ge-
frorensein ^ glauben und es offen aussprechen (W. Tod Y 2), so kann
man das den abergläubischen Fremdlingen noch gestatten: Schiller
streift aber damit hart an die Grenze des Unerlaubten in seinem
Drama, das wol verlangt, dass schon im Lager auf die traurige
Katastrofe, wiewol kaum bewusst, noch in weiter Feme angespilt
wird. Wenn der erste Jäger dem Aberglauben, als sei der Genera-
lissimus stich' und hiebfestj entgegentrit mit der Elendshaut:
Er trägt ein Koller von Elendshaut
Das keine Kugel kann durchdringen
so streift dises Koller doch ser nahe an Aberglauben, wenn auch
gerade bei im nicht. Das stich' und hiebfestsein konnte der ge-
meine Mann und Soldat nicht recht von der Elendhaut trennen.
Wallenstein trug ein solches Koller, das stet in mereren Berichten
über in und so fand es Schiller. Terzky trug auch eines, auch er
sei fest oder gefroren gewesen, erzält Antonio Paullini's Gurieuses
Bücher-Cabinet, dritter Eingang, Göln und Frankfurt a. M. 1711
S. 544, er muste zulezt mitMusqueten tötgeschlagen werden. Die
Vomemen nur keimten solches Ledercollet tragen, für die andern
war es zu teuer. Daher ist wol auch eine Reimerei aus jener Zeit
„Elendhaut*' aufschlussgebend. Von einer Schönen aber Stolzen,
Aufgeblasenen heißt es:
Mein Fleisch und meine Haut ist einig für die Reichen,
Es kann kein Leder sich mit meinem Leder gleichen.
Vgl. den Bericht Forer-Gesners im Tierbuche XLa (1562): «Seyn
haut aber gribt (von den weißgärbern mit häring- oder anderm
Fischschmalz zubereit) gar gute leibgöller^ das sy ragen, so auch
stich- und schwärtschläg aufhebt vnnd etwan an statt eines harmr
sches eu vnsem eeiten angelegt wirt. Ein EUendshaut gilt etwan
drey biß in vier Ducaten vnd wirt als vnderschidlich von einer
Hirzenhaut erkent u. s. w.^ Im Norden sind die Hosen aus Elend-
leder ser geschäzt. Der Aberglaube mit den ElendskUmen war im
16. 17. Jhd. allgemein und volkstümlich: was konnte den Soldaten
oder Bauern hindern in gleichfalls aufs Leder überzutragen? Man
muß nur die Akkommodationsweise des gemeinen Volkes kennen.
Zum Belege des Gesagten diene z. B. was Aberglaubens Forer und
Tabemamontanus bringen.
„Ellendsklawen wie N. N. schreiben, so man die am blossen
halß vnd brüst hencke, dz'sy den fallenden siechtagen heile vnd
den so da emider gefallen, schon schäume, z& stund erledige.*' In
Polen sollen die Presthaften gefeilte Klauen im Wein zu trinken
bekommen. „Etlich tragen ein ganzen klawen bey jnen, etlioh
machen jnen ring darauß, die sy ansteckend.'' Gesner meint «was
also der arzney gebraucht werde, da etwas Aber^^anbeD bey aein
213
innfi.^ AsBtat der „Ellendklawen** hätte man schon damals von
Seite der Betrüger dem Volke Kuhklanen angehängt. Taberna-
montanns (Ausg. 1592 S. 167a) sagt: „Es ist ein gemeiner Wahn,
ein Ringlin von Elendklaw an die Finger gesteckt oder sonst wie
man wöll, bey sich getragen, helffe für das Vergicht und fallenden
Wehetagen. Ich h^bs oft versucht, aber keinerley hülff befan-
den.* Der Glanbe verdankt dem Anblicke eines verendeten Elends
mit den langen steifen geraden Beinen den Ursprung, heute noch
üUioh.
2 Wenn der Kapuziner sagt: drum kann er (Wallenstein)
den Hahn nicht hören kr ahn — » der Wachtmeister : wenn der Hahn
hrähtj so machis ihm Grauen — , der erste Jäger : das hat er mit
dem Löwen gemein — so begegnen wir darinn wider einer altem
volkstümlichen Anschauung. Bei Forer 102a stet vom Löwen :
dises thier hat auch eine große forcht vnd schräckcn ab dem gügel-
hanen vnd seinem geschrey, dermaßen, daß er von seinem kamben
vnd gesang gantz erstaunet u. s. w. Vgl. dazu Boxbergers An-
merkungen in seiner Ausgabe Schillers III 36, wo eine darauf Jse-
lügliche Grabschrifb stet. — Ueber die Wal des Kapuziners stat
Augustiners ein andermal.
3 Das Drama fordert eine Vorgeschichte, eine kurze Schilderung
der Persönlichkeiten die bei der Katastrofe in erster Linie beteiligt
sind; änlich wie das Volkepos den Hagen Sigfrids Jugendzeit und
Drachengeschichte erzälen läßt. So macht uns denn der bidere, an alte
Mannentreue lebhaft erinnernde Wachtmeister mit dem traurigen
WaUer Buttler^ dem heimatlosen Iren, bekannt. Der erste Jäger
muß uns auch etwas Vorleben des Haupthelden Wallenstein erzälen
und sa dem gehört ganz besonders das Studentenleben, wärend
uns Gordon, der Wallenstein seine Stellung verdankte, aus der
Burgaaer Pagenzeit , wo er mit im zusammenlebte , Mitteilung
macht, auch ein Beitrag zur. Würdigung seines Benemens bei dem
Morde. Also zur sog. Carcergeschichte in Altorf. Mich erinnert
sie an die Teufelssagen des Mittelalters. Der Altfeind schließt
einen Vertrag: er baut über Nacht eine Kirche oder Brücke; sein
Lon ist die erste Seele, die hineintrit. Der Tag bricht an, das
Werk stet fertig da : sih, da schiebt einer einen Hund, einen Bock
oder gar ein Schwein vor und der betrogene Teufel fllrt aus Zorn
mit davon. So habe W. seinen Hund in den Carcer geschoben, da-
mit alter Sitte gemäß derselbe nicht seinen, sondern des Hundes
Namen für alle Zeiten erbalte: daher er auch Hundeloch benannt
ward. Antonio Paullini S. 485.
Wir begegnen hier einem Studentenhunde wie im Faust dem Ma-
gisterhund. Schiller und Goethe gebrauchen den Namen Pudel, was
durchaus nirgends früher zu lesen ist. Das Halten der Studentenhunde
adieint nicht einmal der Kraft- und Geniezeit vor 100 Jaren ent-
^mngon zu sein. In Tübingen ist wol von Jagdhunden der Studenten
214
kurz die Bede, alleio in dem Sinne, wie wirf heute zu nemen gewont
sind, begegnen wir nichts Aenlichem. Ich redete von der Kraftseit : der
große Hund ist germanisch, sächsisoh, englisch, nordisch; der kleine
Hund mit allen seinen Lastern romanisch. Der germanische Hund
ist der Hofwart, er hat meist nur gute Eigenschaften, der kleine
romanische schlechte. Pudel heißt in Alemannien der Hund schlecht-
hin und anderwärts, besonders in den Volkssagen, jeder Hund
mit zottichten Haren wie in Goethe im Faustbuche vorfieind. „'s
Puddili ist yerkarret'' sagten die Bauern als mir mein junger
glathariger Hund überfaren ward (Wurml. Tuttlingen). Die Doggen,
die Bernhardiner haben den sog. Studenten-Pudel verdr&ngt. Aber
wo studentische Verhältnisse in Rede kommen ist „ Pudel ^ üblicher
und, möchte sagen, höfischer. Lessing und Schiller (Räuber) ge-
brauchen „Budel''. Weigand Wb. H 403 belegt Pudelhund, Pudel
seit 1678 und sagt, „es ist eine kraushaarige, gelehrige leicht zur
Wasserjagd abzurichtende Hundeart **. Daher „budelnaß". Zeid-
lers Lexikon XHI 1186 nennt Jagdhundenamen: Weydemann, Wald-
mann, Euckebusch, Stockebusch, Elöckner, Küster, Cantor; die
Wasserhunde: Budel^ Schütze, Spion, Taucher. Die rauhen und
zottigten sonst Budel-Hunde genannt (S. 1183). „Diese Art Hunde
lasset sich zu allerhand Künsten und Sprüngen am besten ab*
richten.*' Daher als Studentenhunde beliebt; es sind warschein-
lich die schon im 16.Jhd. gesuchten englischen Wasserhunde. Ich
ziehe ganz keck das mittelniederd. und mitteld. bodele, Wasser-
blase auf wallendem Wasser an ; pudeln schüttelnd und plätschernd
schwemmen oder waschen.
4 Zu der gelungenen Scene mit dem Bauer im Lager möchte
ich den gewichtigen Zeugen aus der Zeit des SOjärigen Krieges,
J, Ristf etwas sprechen lassen. Ich muß die wenigen Reime, deren
Titel auch Goedeke, aber unbestimmt, anf%Lrt, aus Martin 2^eillerB
Handbuch, Ulm in Verlegung Oeorg Wild Eysens a. 1656, 1. Teil
S. 4 fiP. nemen, da mir das Original nicht zu Händen ist. Zeiller be-
merkt vorher: zwar mancher Bauer, der doch sonsten wol fromm
und einfaltig blieben wäre, zum wenigsten ein Bubenstücklein für
sein Lehrgeld, so er den Soldaten geben im nächsten (gegenwärti-
gen) Krieg, gelemet hat und viele so verschmitzt worden, daß
man sie nicht für j^auersleute u. s. w. Von welchen Einer
Reimen gemacht hat:
„Man darfP nicht weit Soldaten suchen
die Bauren können besser fluchen ^),
1) und wo hört man mehr blasphemieren
Ali hier in den Friedländisohen Kriegsqaartieren ?
Und wo steht denn geschrieben sn lesen
Daß sie (Josoa, Davm) solche Flnohmäuler gewesen?
215
als die nur reden frfth and spat
was sie der Kri^ gelehret hat.
Was sag ich femer vom Betrag
vnd andern Schindereyen,
die man nicht lehren (lernen) kann heim Pflag
Und wo die Hirten schreien?
Der Krieg kann bald in diesen Sachen
aoß Baaren solche Künstler machen,
and daß mancher der sonst viel versteht,
sehr schwehrlich ihrer List entgeht.
H. J. B. in Holsteins erbärmlichem Klag- and Jammerlied.*'
6 Wenn der Kapuziner am Schlaße seiner Bede Wallensteins
eigne Worte gebraucht
Er müsse haben die Stadt Stralsund
Und war sie mU Ketten an den Himmel geschlossen
so war das damals eine gewönliche Bedensart, die bei Konstanz
and Ueberlingen widerkert. Ich füre dahei noch an: „der Hom
habe zu Gonstanz nicht in das Paradieß und zu Ueberlingen nicht
in die Höll kommen können **. Von gleicher Allusion (sagt die
Sehatikammer des Bosenkranzes, Kempten 1690 S. 278) ist auch
liaoh dem ersten Sturm die Scherzred kommen: der Teuffei hab
aoa „der Höll die Stadt Ueberlingen stürmen wollen**. Höll ist
eine bekannte Stadtörtlichkeit in Ueberlingen, Paradies eine Vor-
stadt in Konstanz; Teuffei war der Name eines schwedischen Offiziers.
6 Zu der Gehässigkeit gegen Wallenstein, die alle Katho-
liken in Deutschland besonders die Klerisei erfüllte und gleichsam
volkstümlich war, (sih Kapuziner:
Ja freilich ist er uns allen ein Stein
Des Anstosses und Aergemisses usw)
will ich aas Salem und Augsburg einen schlagenden Beleg mitteilen.
In dem von einem Augsb. Benediktiner verfassten Buche : Summarischer
Verlaofibegriff oder kurze wahrhafite Historia Schwed : Augsburg :
denkwürdigen Sachen a. 1653 Augsb. Aperger, 4^ S. 67 wird frei-
lioh irrig schon zum Jare 1533 bemerkt: „Entzwischen wäre die
Wallstainische Conspiration wider Ihr Kays. May. vnd das Hoch-
löUiche Hauß Oesterreich, ja wider das gantze Bömische Beich, der-
^eichen keine bald zu finden, auß göttlicher Verhängnuß in Bö-
heimb entdeckt und die interessierte oder zusammen geschwomen
mit ihrem Haupt oder Bädelführer, dem Wallstainer selbsten, umb-
Der Oaildorfer Pfarrer Georg Albreoht in seinem Fluch ABC Schwab.
Hall 1644 klagt: vor Jahren war das Fluchen nicht so gemein, es
flachten allein die Krie^sgargeln , die man darum Marterhansen ge-
nennet — aber jetzo — flachen nicht nur die Männer u. s. w. — Goties-
listem hat in Limpurg, in Geildorf überhand genommen, dermassen,
daß fut nit ein Hauß, nit ein Mensch vnder uns zu finden, der nit mit
denselben angestecket wäre u. s. w.
216
gebracht ynd zu verdienter Straff hingerichtet. Daß solche Gon*
spiration denen Ängsburgem nicht gäntzlich unbekannt gewesen, ist
aoß deme leichtlich zu erkennen, daß sich ein sonders wol jeder
man bekandter ohngeferd zwo Monat vor, ehe solche Lasterthat
entdeckt wurde, öffentlich in deß (schwed.) Statthalters B^hansong
zusagen nicht gescheuchet: Es wären etliche newe Anschlag ob-
handen, welche, da sie in das Werk solten gericht werden, wurde
der römische Adler nicht mehr hoch fliegen/ (Reginbald Möhner
hieß der Mönch.)
Sebastian Bürster aus Salem (ed. v. Weech) drückt sein Stau-
nen über das schöne wolgepuzte Eriegsvolk im Salemer Tale aus:
„waß großen nuz hätten die kenden schaffen und verrichten wan
kain betrug und fabchhait darbei wer gsein, hetten die Suedische
alle zuemahl uff das kraut hinweg kenden freßen und in dem.
Boden See kenden verseufen. So ist aber nichts wenigerß gedacht
worden, dan eß ihnen zue schlagen vom Wahlstein verbotten ge-
weßen, daß mier ain rüdtmayster Golinidsch sagte und auch vil
andere, eß gange nit recht her, eß werde etwaß underm häÜem
gespüU, sie hetten schon kenden schlagen, man wöll doch nit
schlagen u. s. w. kayßer, soltest doch ain mal greufen, wie an-
trew man mit dier umbgehet und so fälschlich underm hüetliii
mit dür spült! Solutio: die hier ist zeitig worden und die kraid
ainist an den tag komen, dan, wie volgen wird, ist der Wahl-
stainer oder Früdlender erstochen und nach und nach die rädle-
füehrer gefangen und eingezogen!"
7 Wir finden Wallenstein im Verkere mit Seni vom Äherglau'
ben befangen, der aber unvolkstümlich ist und sich auf die Astrth
logie bezieht; volkstümlich ist, wenn auch nicht durchweg, die Ge-
schichte mit der goldenen Kette, die in dem Augenblicke zerspringt^
als der Kammerdiener im Mantel, Ringkragen und Feldbinde ab-
nimmt: „Aus Gewohnheit trug ich sie bis heut, — Aus Aber-
glauben, wenn ihr wollt — Mir muß fortan ein neues Glück be-
ginnen — denn dieses Bannes Kraft ist aus." Ich erinnere an:
„das Ringlein sprang entzwei" im Volksliede und in Sagen, an das
Glück von Edenhall, das in altadelichen Familientraditionen West-
ÜBilens sich noch vorfindet. Ganz volkstümlich ist in der Unter-
redung mit Pachhelbel, dem Bürgermeister von Eger: — Ihr saht
doch jüngst
Am Himmel die drey Monde?
Davon sich zwey in blutge Dolchgestalt
Verzogen und verwandelten u. s. w.
Bürgermeister: Wir zogens auf den Türken.
Wallenstein: Türken! Was?
Zwei Reiche werden blutig untergehen
Im Osten und im Westen, sag ich euch usw
Dise Seite des auch aus dem Götz v. B. Goethes bekannten
abergläubischen Wesens des 16. 17. Jhds. ist in den Historien, mer
217
ftb anem lieb, betont. Eine Anzal bieher gehöriger Waraeichen
bringt Martin Zeillor Handbuch 1. Teil Ulm 1655, die ich, weil
es gleichzeitige Mitteilnngen, hier abdrucken lasse.
„Siehe meine 825. Epist. ynd viel wunderliche Exempel, die
sich nur beym nftchsten Teutschen Krieg, die 30 Jahr über, auch
etliche wenig Jahr suvor, ynnd seithero begeben, in den getruckten
Relationen, vnnd sonderlich dem 6. Theil deß Europsischen Schau-
platz, in Verlegung Herrn Matthiei Merlans, seeligen Angeden-
okens, imd seiner Erben, am Franckfurt außgangen. Ich wUl nur
atlich wenige allhie erzehlen. Als daß deß Jahrs 1643 über der
Cihiir-Sftohsiisohen Festung Eönigstein, ein groß streitend Eriegs-
heer su Boß ynd Fuß ist gesehen worden.
Anno 1625 den 8. Maij, zu Mittag vmb zwey Vhr, hat man
ma Leiptzig in der Luffb weisse Würmer sehen fliegen, in grosser
Jf enge, ynd sehr dick in einander. Ghron. Lips.
Anno 1628 den 3. August! ist in der Hinder-Pommerischen
Statt Schlawe gegen dem Abend ymb 7 ynd 8 Vhr ein ynge-
^^rohnliches weisses 'Greutz in der Lu£ft gesehen worden, darüber
mUh m&nniglich hat yerwundem müssen. Es ist yom Norden kom-
anen, ynnd hat sich dem Süden gewendet, daß es den gantzen
JHorisont ymb die Statt, so wol nach der Länge als Breite, be-
^prifiim. Ob es nun ein Vorbott der Pest gewesen, die darauff deß
Orts gefblget isti oder ob es noch ein grössers bedeute, ist Gott be-
gannt; saget Microlius lib. 5 Pomer. p. 215.
Anno 1648 den 20. Jenner, seyn bey dem Stättlein Seelow,
Sn der Marek Brandeburg, Abends zwischen 7 ynd halb 9 Ybren,
^bnty Wnndersteme gesehen worden.
Anno 1642 den 24. Brachmonats, ist zu Piritz in Pommern,
^fachts, eine Todtenbaar im Mond erschienen, welche etliche Stun-
den gestanden, ynd yon vielen Leuten gesehen worden.
Anno 1629 hat man zu Brück an der Leytha, in Nider-
Oesterreich, im Felde zwey grosse Kriegsheer miteinander streiten
Igeaohen.
Im Jahr 1643 hat es yngefehr vmb den 10. Jenner, hinder
dem Schloß Bobenhausen, in der Wetteraw, ein vngewohnliohes
Teaentralen Schiessen gehabt, vnnd ist auch Fewer davon auff die
Srden gefallen.
Anno 1647 den 12. Mertzen, Abends vmb 7 Vhr, istzuBuchau
sun Federsee, ein halbe Stund lang, Fewer, so klein, wie Regen
irom Himmel gefallen, daß die Schiffer auff dem See vermeynt, sie
würden mit den jhrigen verbrennen.
Anno 1645 den 17. vnd 27. Aprilis, Abends zwischen 5 vnd
6 Yhren, hat man zu Dinckelsbühl, vor dem Segeringerthor, die
Sonnen gantz Blntroth gesehen, daß auch auß denselben ein vn-
nhlbare Meng blaw, schwartz vnd fewrige Kuglen, wie Granaten
gefahren, die sich hin vnd wider vertheilt, viel über vnd in die
Stett, in der Gegend deß weissen Thurns, gefahren seyn. Hernach
218
den 9. — 19. Henmonats, ist die besagt« Statt voller kleiner weissen
Yögelein geflogen, welche, ausser daß sie Flügel gehabt, vnd etwas
grösser gewesen, den Omeissen gleich gesehen haben.
Vmb das Jahr 1622 ist ^e Statt Oroßglogaw in Schlesien,
fast gantz abgebronnen. Niemand hat recht wissen können, wie
das Fewer außkommen. Die Hirten anf dem Felde haben damahls
über der Statt, in der Lofft, zween grosse Männer miteinander
ringen gesehen, vnnd ist darau£P das Fewer wonderbarlich, von
einem Ort zum andern, über Eck gesprungen, vnd femers an*
gangen. Antor tom. 4 Theat. Eorop. fol. 974a Anno 1646 nach
Eingang deß Wintermonats, Hesse sich allhie zu Glogan, am Him-
mel, wider ein merckliches Wnnderzeiohen sehen, in Gestalt zweyer
gegen einander streitenden Heeren, woranff endlich sich , eine grosse
Rnten herfür thate, die sich gegen Polen gewendet hat
An dem Tag, an£P welchem deß Jahrs 1633 den 1. Wdn-
monats, der Hertzog von Friedland, den Schwedischen General Du-
balden, vnnd den alten OrafiEen von Thnm, bey Steinaw, in Schle-
sien geschlagen, vnd sie gefangen, hat man über Golberg in Pom-
mern, ein groß förmliches schwartzes Grentz, an den rothen Wol-
cken gesehen.
Anno 1644 den 18. — 28. Wintermonats, hat sich zu Minden
in Weetphalen, Nachts, der Himmel Creatzweiß eröffnet, daß das
Fewer über gedachter Statt gestanden, vnnd die Sohildwacht vor
deß Herrn General von Königsmarck Hof hell vmbleuchtet hat.
Anno 1654 den 24. Hornung, frühe zwischen 4 vnnd SVhr,
ist in der Lufft es hin vnd wider gefahren, vnd gezischet, welohes
endlichen bey hellem Himmel gegen Nordosten sich gesetzet, vnnd
anzusehen gewest, wie von obenher eine grosse gewundene mit
einem krummen langen Schwantz sich erstreckende Schlange, so
fast eine Stund gestanden. Dergleichen Wunderzeichen haben sich
mehr hin vnnd wider begeben. Augustin. Limmer, in der Rela-
tion, von der Leiptziger newen Jahrs- biß Ostermeß dieses 54. Jahrs
pag. 37.
Zum Beschluß, will ich noch einer sonderbaren Geschieht, auß
deß Adelarius Erichs Gülchischer Ghroniok gedencken, obwohln sie
eygentlich vnter den obgesetzten Titul nicht gehörig ist. Der
schreibet nun, im 6. Buch am 14. Gap. daß deß Jahrs 1592 wenig
Zeit, nach deß Hertzogen Willhelms zu Gülich vnd Cleve Todt, im
Mertzen, der Sturmwind zu Emerich am Rhein, im Fürstenthumb
Gleve, im Kloster S. Hieronymi ein Esche auff dem Stamm mitten
von einander gebrochen vnd als man sie zu schneiden vnnd zer-
scheitem ließ, habe man in einem jeden Schnitt vnd Spalten et-
liche Hauffen Kriegsvolck abgebildet gesehen, darunder Trummel-
schläger, Fenderich etc. gemeine Soldaten etc. allerdings, als ob sie
mit Fleiß also abgemahlet wären, zuerkennen gewesen etc. Was
hierauff, als hocbgedachten Hertzogen Herr Sohn Anno 1609 her-
nach gestorben, vor Krieg vnd Ynmhen in selbigen Gülohischen
819
Landen vnd noeh Ynlftngsten erfolgt, daa ist noch zum Theil in
frischer Gedächtnaß. ^
Dasn füge ich einen Bericht des Hauptmanns Bemal Diaz
del Gastillo über die Eroberung Neu-Spaniens (ed. Ph. J. von Reh-
fiief, Bonn Marcos 1838 8 Bd. S. 284):
„Die Mexikaner erzählten Folgendes, was sich kurz vor unsrer
Ankunft in Nen-Spanien zngetragen hatte.
Am Hinmiel erschien ein Zeichen in runder Oeetalt, wie ein
Wagenrad, dessen Farben zwischen grün und roth spielten. Kurz
darinf erhob sich ein zweiter ähnlicher Kreis, der sich gegen Osten
in Bewegung setzte, und mit dem ersten vereinigte.
Moteousuma, der damals schon das große Reich regierte, ließ
ssine Priester und Wahrsager vor sich kommen, und gab ihnen
auf, dieses nie gesehene Himmelszeichen zu beobachten und zu
denten.
Die Priester fragten ihren Ck>tt Huitzilopochtli, und erhielten
die Antwort, daß das Meteor große Kriege und schwere Pestilenz
bedeute, und daß man Menschen-Opfer anstellen müsse.
Kurz nach diesem Himmelszeichen erschienen wir in Neu-
Spanien, und zehen Monate darauf kam NarvaSz und brachte einen
N^ger mit, der die Pocken hatte. Dieser Unglückliche steckte
simmtliche Einwohner von Sempoalla an, von wo aus sich die
ftirchtbare Krankheit, wie eine wahre Pest, über ganz Neu-Spanien
▼erfareitete«
Wie wir nun in der Nacht der Trübsal den blutigen Rückzug
ans Mexico machten, auf dem uns von dreizehenhundert Mann,
die wir in diese Stadt eingezogen waren, fünfhundert und fünfrig
getödtet und den Götzen geopfert wurden, fand man die Deutung
jenes Himmelszeichens vollkommen bestätiget. Diese Sache erzähle
idh wörtlich den Mexikanern nach, wie sie das Meteor in ihren
kieroglyphisehen Schriften abgebildet, die wir immer als zuverlässig
belnnden haben.
Folgende Erscheinung habe ich aber mit meinen eigenen
Augen gesehen, und Jeder, wer wollte, hat sie sehen können. Im
Jahr 1527 wurde bei Nacht ein Zeichen am Himmel sichtbar,
welches vollkommen die Form eines langen Schwerts hatte. Es
stand zwischen der Provinz Panuco und der Stadt Tezcuco und
blieb ganzer 20 Tage hindurch anveränderlich. Die Mexikaner
deuteten es auf eine Pestilenz — was auch eintrat.** ABirlinger
Der geisüiche Vogelgesang
Im 17. Jarhundert entstand im südwestlichen Deutschland ein
Lergedicht, welches an den Gesang und das Oebaren der Vögel
HHry^ Betrachtungen und Vorsehriften der Lebensweisheit an-
220
knüpfte. Bereits 1650 erschin es in Angsborg im Dmck. Seit-
dem muß es vilfache Verbreitung gefunden haben. Aus dem 18.
Jarhundert sind merere Drucke und handschriftliche Anfeeichnungen
erhalten. Die Herausgeber des Wunderhoms namen es in dem
dritten Band, der 1808 erschin, unter die Einderlieder auf. Eü»
sorgfältige kritische Behandlung erfur der Text durch W. Wacker-
nagel (Yoces variae animantium 2. Aufl. 1869 S. 112 ff.). Zulert
ist diser geistliche Vogelgesang in der Ausgabe des Wonderhoms
von Birlinger und mir II S. 455 ff. abgedruckt.
In änlicher Weise, aber in breiterer Ausfurung, hat bereits
1593, ebenfalls im südwestlichen Deutschland, ein mir sonst nicht
bekannter Dichter, Johann Jakob Gugger^ die Stimmen von yier
Vögeln geistlich ausgedeutet und Warnungen vor Oottesyeracbtung,
Kezerei, fleischlicher Sicherheit und Sünden aller Art daraus h^
geleitet.
Obgleich das Gedicht Guggers in Freiburg gedruckt ist, könnte
der Verfasser doch ein Baier sein. Er hat jenes nemlich dem
Probst zu Bayrdiessen gewidmet. Diessen aber, zum ünterschid
von Schwabdiessen auch Bayerdiessen genannt, ist ein Marktflecken
am Ammersee, wo sich ein Stift regulirter Ghorherm befand. Da
die Sprache des Gedichtes sich an die damals bereits durchge-
drungene neuhochdeutsche Schriftsprache anlent, so läßt sich da-
raus über die Herkunft des VerfSsissers nichts bestimmen.
Der Druck in 4^ bestet aus 7 Blatt, jede Seite ist mit einer
reichen, bald schmälern, bald breitem Zierleiste eingefisJ^t. Titel:
Vier Chriftliche an- \ zeygungen vnd bedeütungeti, In \ difer
frftlichen angehenden Somers zey- | ten luIUg zubeher-
tzigen : Warumb der liebe Allmechtige | Gott den vier nachfolgenden
Vögel, dem Gnckguckh, der | Ganß, dem Raben, vnd der Eulen,
jr angebome ftimm al- | fo angeordnet vnd erfchaffen habe, alles
in Teütfche Rey- | men verfaffet, vnd zu vnderthenigem wolge-
fallen, | auch gebürenden Ehren dediciert, | vnd zugefchriben, || IjSm
Ehrwürdigen in Gott Geift- | liehen Herrn, Herrn Baltha-
farn, Probfte | deß würdigen Gottshauß vnd Elo-jfters
Bayrdieffen. Meinem | Gnedigen Herrn. || Durch: | Johann
Jacoben Gugger. | Getruckt zu Freyburg, im Jar M.D.XGHL
Auf der Rückseite des Titels stehen folgende Verse:
Vier Vögel hie, nit alfo fchlecht,
Wie man Ce licht, merck mich jetz recht,
Anschawen folt, gantz wol betracht,
In folch jr Gfang, Gottes Allmacht,
Dann die all vier, erinnern dich,
Wie diß Leben fey zerg&ngklich,
Das künfftig aber Ewig werdt,
Wol dem der Chriftlich darnach fibrebt.
Mit Aij b^nnt darauf das Gedicht :
221
Zum Chriftlichen Lefer
Nach dem ich hewr in Sommers zeit
Hit einem Mafi durchs feld hinfchreit
Vnd kommen thet wol in das holtz,
Hdrt ich gar manchen Vogel ftoUz
5 Singen mit ftimm nach jrer art,
AUda ich eiogedencken wardt
Des lieben Gotts AUmechtigkeit,
Der folchs gefchaffen weyt vnd breit,
Himmel vnd Brd, Menfchen ynd Thier,
10 Die Flfoh im Meer vnd Yftgel hier,
Die Loben oR nach jrer art
Mit jrer (timm den Sch^pffer zart,
On zweyffel Idagen fie auch Gott
Ir Jammer, trAbfal, angft vnd noth,
16 Wie folchee Damd auch bekennt,
Vnd die Baben mit Namen nennt,
Darzn Paulus der heylig Mann
Zun Römern am achten zaigt an,
Das alle Creatoren fich
20 S&hnen vnd &ngften Mttiglich,
Diß als ich in bedencken nam,
Vnd aufiP die vier Vögel kam.
Doch nicht wie die Egyptier,
Oder die Gottloß Z&uberer,
25 Die all jr Glück vnd Vnglück frey
Stellen auff der VAgel gefchrey
Vnd ander Aberglaubens mehr,
Daruon Ich hiemit ProteXtier.
Sonder diß alles Geyltlich bdacht,
80 Darzu mich Peters Han hat bracht,
Der Han das zettergfchrey volbracht,
Bald Petrus an fein Sund gedacht,
Sah fich bald vmb gantjs trawriglich,
Vnd beweinte fein Sund bitterlich.
85 Alfo folln wir vns all anfehen.
So offt wir hören den Hanen kr&hen
Vnd andere Trawrzeychen mehr,
Derhalb vns in der zeit bekehr,
Von vnfem Sünden laufen ab,
40 Die Bfiß nit fparen biß inns Grab,
Sonder wend dich zu Gottes Son,
Deinen Heylandt vnd Gnaden Thron.
Zweyffel auch nicht an Gottes Gnad,
Wie Judas der Verr&ther that,
46 Erhenckt fich felbft, vnd praft entzwey.
222
Laß dirs ein fchrAck Exempel fein.
Vnd halt dich veßt an Jefam Chrift,
Der nach vns ficht zn aller frift,
Naiget fein Haupt gegen vns fehr,
50 Zu hdm vnfer Bitt vnd beger,
Zaigt vns auch feine Wanden rodt,
Damit er vns erlftffc vom todt,
Sein Arm auch außgeftrecket f indt,
Zu vmbfahen vns Arme Kindt,
55 Drumb ich Dichter dich fleifßg bitt,
Wilts nit loben, I&ftera auch nit,
Vnd merck mit fleiß wie ichs jetz mein,
Mein lohn ift gring, Welt danck ift klein,
Gott aber erkenn das Hertze mein.
Vom Guckguckh
60 Der Guckguckh fchreyt zur Lentzes zeit,
Vnd vermeldt vns des Sommers freüd,
Vnd rftfiFt gwikh guekh on vnderlaß,
Merk auff was da bedettttet daß.
Weil aU drey Ständt wol in der Welt
65 Sich aU zu vU gantz lAffig fbelt,
Da rAffet er all Q-epftUchen^
Das fie follen ftndieren gern,
Vnd guckhen in die SchHfft wol vmb,
Auch geben acht auff Ghrifti füm,
70 Der jn gibt recht Inftruction,
Das fie in ^feinem Namen fchon
B&ß vnd Vergebung Predigen folln,
Weh den, die es nicht hdren wolln,
All jrrthumb, Sect, vnd Eetzerey
75 Zu wider legen fleiftig fey,
Auch Oberkeyt vnd Vnderthon
Auß Gottes wort berichten fchon,
Loben auch felbfb in Ewigkeit,
Das gefeit Gott zu yeder zeyt.
80 Darzu rMt auch der Guckguckh fein
AUr Oberkeyt^ groß, hoch vnd klein.
Das sie seinr ftimm folln nemmen war,
Vnd guckhen in jr hmpter zwar.
Das es recht gehe zu jeder zeit,
85 Vnd nicht befchweren Arme LeÜt,
Sehen auch auff jr Dimer eben,
Was fie für gfchwinde Ffactick geben.
Mit aufflatz vnd befchwerung vil,
Welchs doch den Herrn nit ttvtMn will,
90 Vil Vdgte^ Schreibir vnd Amptfifel
228
Haben hieuon die befte Beut,
Darüber vil Herrn werden Arm,
Die Diener Reich, welche Gott erbarm.
Deßhalb fo riUQPb der Gackgnckh recht,
95 Du Oberkeyt guckh aiuff dein Knecht,
Halt auch ein Vifitation
Mit deinem Hoffgefindt gar fchon,
Schreib an£P was er f&r 6&t so klein
Hat, ehe er ward ein Diener dein,
100 Darzu addier Tein DienXtgelt zwar.
Das du jm gibft ein gantzes Jar,
Snmmiers vnd halts gegen leim G&t,
Ynd gnckh wie er Haoßhalten th&t.
Der Guckgnokh rAfit auch jedermann
105 Mann, TFetd, Vnd wie ichs nennen kan,
Das jeder guckh in feinen Standt,
Brauch jn mit Ehm ohn alle fchandt,
Hab Glaub vnd Lieb auffrichtig fein
Gegen Gott vnd dem N&chilen Tein,
110 Furcht Gotty halt Oberkeyt in Ehm,
So wirdt Gott Glück vnd Heyl berchem.
Das ift des Qwikgucka Vogdgfcmg:
Der Widhopff jungt im koth vnd ftanck,
Alfo wir auch empfangen werden
115 Im koth der Sflnd au£P difer Erden.
Drumb guckh gantz wol das eilend leben,
Daruon man miß Gott rechnung geben,
Das will ich dir jetz rathen eben.
Von der Ganß
Die Arm dürftig Ganß fchreyt. Ach, Ach,
120 Solche bedeüt gwiß groß vngemach
Vber die ffroffe Sicherhetft^
Darinn die gantze Welt jetz leyt,
Vnd will vns hiemit zaigen an,
Was Gott der Herr im Ann th&t han,
125 Das er vmb der Welt boßheit zwar
Wirdt ftrafTen gwiß gantz ofiFenbar
Mit Peftilentz vnd Thewrung gfchwindt,
Darzu mit Kriegen, wie fie fingt;
Dann weil der fromme liebe Gott
130 Trewlich vns warnet one fpott,
RiUft vns mit V&tterlicher Xtimm
Zur Bfißy ich bitt mich recht vernimm,
Das mehrfte theil gehnt aber hin,
Es hdrts, vnd fchlegts bald auß dem finn,
186 Veracht die Geyfblich Oberkeyt,
224
Vnd lebt in Sünden alle zeyt,
Laffet die Gnadftand laii£Fen auß,
Schl> Zeichn vnd Wander in die paoft,
Nimbt auch der ftraffen keiner wahr,
140 Erf&afit in allen Laftem gar.
Rennt mit gewalt der Hdllen zfi,
Ynd macht im felbft Ewig Tnrh&:
Dramb fchreyt die Ganfi bilHch, Ach^ Äch^
Das wir dem End nit dencken nach.
145 Derhalb Cch yederman befinn,
Wa er zu letzt will fahren hin,
Dann weil yetznndt vil Ketger fein,
Die Wort Yhd Sacramrat gantz rein
Verf&lfchen wollen Tnuerfchampt,
150 Ynd fich doch rAhmen allefampt,
Als das Ae rechte Ghriften weren,
Welche doch nnr die Leat verf&hren
Mit jrer falschen Lehr gefchwindt,
Ach Gott Xtra£P folch Teüffels Oefmdt.
155 Auch fchreyet die Ganß Ach ynd Layd
Vber OwaU vnd YngreehHghayt^
Darza vber den Bekihm itfam»,
Der nun fein aygen nutz ficht an,
Ynd fehindt der Annen fleifch vnd bl&t,
160 Das marckt auch aoß den knoden gut.
Die Lieb vnd hilff will nit mehr fein,
Es wird verßlfeht Bier vnd der Wein,
In Elen^ Maffen^ vnd Gewicht
All BAberey ifb auffgerioht,
165 Vnfauberkeit man mifchen Ihfit
Ynder das fchftne Trayde git^
Ynd gibts au£Ps theürfb dem Armen Man,
So ers in feiner Noth foU han.
Ach, Ach vnd wehe^ vnd aber wehe,
170 Wie will man doch vor Gott beftehn,
Wann man fiftr fein Gericht foll gehn.
Yom Raben
Der alte fchwartz vnachtfam Rab
Der Ichreyt on vnderlaß grab, grab,
Ynd obs gleich ilt fein Aygen ftimm,
175 Die Gott der Herr hat geben jm,
So ift fie doch vergebens nicht
Yon Gott dem Herren fo zu gricht,
Dann difes Yogels Gfang zaigt an,
Das fich bedencke jederman,
180 Das er einmal hie fterhlich fejß^
225
Vnd keiner von dem Todt fey frey,
Wie vns die Schrifft anch kl&rlich meldt,
Den Todt vns für die Nafen ftelt.
Noch fAbrt die Welt ein dnmmen fin
185 Vnd lebt in allen Laftern hin:
Die Ketzer f&lfchen Gottes Wort,
Vnd richten an groß Seelen Mordt,
Der Türgkifch Hundt ft&ts einher bricht
Ins Teütfche Beich, wie man wol ficht,
190 Wider die Arme Ghriftenbayt,
Vnd th&ndt jn an groß Hertze laydt —
Das grab, darzu das Jüngft gericht,
Wirdt bey jnen betrachtet nicht.
Alfo geht es mit andern anch,
195 Welchen der Gott nnr ift jr Banch,
Die Epicurifi^ Mhftfchtoeiny
Die Leben in den fanß hinnein,
Als wer kein ander Leben nicht,
Verachten Gott vnd fein Gericht,
200 Der Name Gottes wirdt gefchendt,
Sein Wort veracht an vilen Endt,
Vngehorfam nimbt vberhandt,
Haß, Neyd, Vnzucht will fein kein fchandt,
DiebstaU, Geytz, vnd der Wncher groß,
205 Liegen vnd das groß Affterkoß,
Verleümbden, Schmehen, falfche klag,
Nimbt vberhandt, merckt was ich fag.
Derhalben rAfft billich der Reib:
Bedenck dich Mehfch, fchick dich zum grab,
210 Vnd Xteh von deinen Sünden ab.
Laß dirs layd fein, vnd Glauben hab
An Chriftum Jefnm Gottes Sohn,
Den Einigen Genaden Thron,
Der vnferthalb auch lag im Grab,
215 Darmit er vns zuuerftehn gab,
Das wir auch alle Iterblich fein.
Weil wir von fleifch, haut vnd von bein
Von Adam alle kommen her,
Beladen fein mit Sünden fchwer,
220 Chriftus aber all vnfer Sündt
Befcharren in des Grabes grundt,
Er wider Aufferstanden ift,
Ein ander Wohnung zugerüfb
Denen fo an jn Glaubig fein,
225 Vnd abfteheut von Sünden fein,
Solchen Ibll fein das jrdifch Grab
Nor ein SoUaffkamer, wie ich fag.
mt 15
226
Vnd wie ChriTt anflPerftandeii iH
Alfo follen fie zq der £rift
230 Aach widemrob reizi anfferXtelm
Vnd in das Ewig Leben geho,
Die fiob aber beke&en nicht,
Fragent nicht nach Gottes Gericht,
Die werdent aoß dem Ghrab hinnein
285 Gehn wol in die Ewige pein.
So offt du nun th&Xt hdren fein,
Den Rabn das Grab anßfohreyen fein,
So bedenck dein Endt ynd Ichick dich drein,
Tracht nach der Frewd, hAt dich vor pein,
240 Das Rath ich dir von hertsen mein.
Von der Eulen
Die groffe Eül man Hu Hu nendt,
Air menfch anfF Erdt diefelbig kendt,
Dife führt wol ein kl&glich jRimm
Des Nachts, das man Xich f&roht vor jm,
245 An wAXten Orthen fie Xich holt,
Vnd dnrchwandlet die groffe Welt,
Des tages fchlafft vnd ficher ift,
Zur Nacht an heulen jr nichts gbrift,
Vnd fchreyt on vnderlaß Hu Hu^
250 Der kl&glich Stimm hdr eben sn,
Dann difes heulen zayget an,
Wie es dem Gottlofen werd gähn,
Der jetz den tag des Heyls verjbhlftfit,
Vnd wartet nur der Sund gefch&fft,
255 Lebet im Werkh der Finflemiß,
So folget dann endtlich gewiß»
Wann er all Warnung hat veracht,
Vnd Gott mit jm ein Ende macht,
Das er von difer Welt jetz fehrt,
260 Das Hellifch fewr wirdt jm befchert,
Da hebt fich an groß hertze laydt.
Ach vnd wehe werdt in Ewigkayt,
Das ift jamer vnd grolle noth,
Vnd fchreyen in den flammen roth,
265 Mit Zeenklappem man heulen thftt.
Solches bedeüt der Eulen m&th.
Dammb du lieber HenTch bedenok.
In Sünden dich nicht willig fenck.
Brich deinen bAfen lüften ab,
270 Vnd merck wol draoff was ich dir XSftg.
Thfi Bftß, vnd Glaub ftarok feft vnd rein
An Jefam Gbrift den Heylandt dein«
227
Aii£F daB du nit kombft an diß orth^
Da Ach vnd wehe it&ts wirdt gehört,
275 Sonder fchiok dich zum Himmels Thron,
Da du mit GhriXto Oottee Sohn
In Ewigkeit mftgft leben fein,
Frdlich vnd g&tter dinge fein,
Wünfch ich allen wol in gemein,
280 Milsiiia meldt den Namen mein.
Bemerkungen
1 hewr hener, in diesem Jare. — 2 hinschreU^ ursprüngliche
Form jes Praeteritnm, wofür jest hinschriü mit dem Vocal des
Plnralis eingedrungen ist. — ^ ich ward eingedenken, eine sohon
im Mhd. gebräuchliche Umschreibung des Verbs, welche dem La^
teiniachen ,,meminis8e coepi** entspricht; in nhd. Zeit besonders im
Volkslied und überhaupt in vollütümlichen Schriften angewendet.
Das von ingedenke (eingedenk) hergeleitete ingedenken findet sich
schon mhd. als substantiviisrter Infinitiv (vgl. Lexer n. d. W. tn»
bOden). Im DWB ist als Verb eindenken und ingedenken, aber
nicht eingedmken verzeichnet — 18 eun (zu den) Bömem ad
Bomanos. — 18 eaigt; der Diphthong ai findet sich noch in dem
Verb jer«t^cn V. 51. 123. 178. 251, naiget 49, U^d oder laydt 156.
191. 210. 261. mgrechiigkayt 156, aygen 158. 174, trayde 166,
CkristenhafftX^O^ Ewigkatft 262. Sonst stet für mhd. ei bereits
ei oder ey; es ist demnach in Freiburg zu Ende des 16. Jarh.
die bairisch-österreichiscbe Lantreihe ei (U bereits durch die fränkisch-
obersächsische e» et verdrängt. Vgl. Zarnke Narrenschiff S. 274. —
20 shhnen, mhd. senen. — 21 als alles. — 21 in bedeneken nam,
mhd. ein bedenken nemen, neben disem findet sich nhd. schon bei
Luther in hedencken nemen s. DWB. n. d. W. — 23 frey, oft
Tersioherungspartikel, und nicht selten als Flickwort im Reim ge-
braueht; hier könnte es allerdings auch im Sinne von offen unge^
mert gemeint sein. — 38 bekehr^ des Reimes wegen für bekehm.
So ist auch V. 75 im Reim sey für seyn gebraucht, obgleich der
Diditer nicht überall im Reim genaue Uebereinstimmung im Schluft-
consonanten verlangt, vgl. V. 169 ff. wehe: beaiehn: gehn, — 45
fraet barst, von dem mhd. noch aligemein üblichen breeten, wofür
seit Luther das nd. bersten zur Geltung gekommen ist. — 56
wQta wolle es; hier ist wol eine Vertauschung der 2. Sg. Prites.
(dm wOt) und des Imperativs weUe anzunemen. — 57 jetg so auch
118. 122. 258. 259, jeder 84, jederman 104. 179, yeder 79, yeder-
man 145, yeUnmdt 147. Die Aussprache ist wol die diphthongi-
sehe (vgl DWB. IV, 2 Sp. 2275 n. d. W. je und 8p. 2317 u. d.
W. jetst), obgleich in unserem Gedichte der Reim nirgends Anhalt
fswftrt. Die Anwendung des j im Druck ist nicht entscheidend;
isnn in allen Formen des Pronomens der 3. Person (jm jn jr)
in jrthum und jrdisch ist j statt i gesezt, wogegen die Prä-
228
Position in (sowie im = in dem) ich nnd ist immelr mit i gedruckt
werden. Vgl. zu V. 142. — 59 erkenn 3 Sg. Gonj. = erkenne,
wenn nicht ein Dmckfeler für erkent vorligt. — 65 sieUf des
Reims halber ist in einer Art von constrnctio xutä avvsoiv (all drey
' Ständt = jeder der drei Stände) der Sing^ular für den Plnralis ge-
sezt. Vgl. zu V. 133. — 71 schon altes Adverb, wofür wir jezt
das umgelautete (adject.) schön gebrauchen. Es ist übrigens häu-
fig, und zwar nicht nur in dem vorligenden Gedicht, Flickwort im
Reim. Vgl. V. 77. 97. — 75 sey, vgl. zu V. 38. — 83 ewar för-
war (aus ze wäre in Warheit), nicht selten Flickwort im Reim, so
V. 100. 126. — 86 eben genau sorgfältig. — 87. gsckwind ge-
schwind (ungestüm kün); Practick, wie franz. pratiques, Ränke,
unerlaubte Kunstgriffe. — 89 auffsatz Auflage. — 90 rtfft^ so auch
V. 104. 131. 208; es ist abzuleiten von dem schwachen Verb ahd.
hmofjan, mhd. ruofen und rüefen, welches sich auch im Nhd. er-
halten hat, vgl. Brants Narrenschiff 38, 43 und 65, 94, wo rüefft
wol auch Praes. Ind. sein wird. — 105 ichs ich sie. — 109 gegen
mhd. und auch noch im 16. Jarh. allgemein mit dem Dativ ver-
bunden. — 113 ^un^ei} schon mhd. = jung werden, vgl. DWB. —
118 eben s. oben zu V. 86; hier, wie auch sonst allgemein, Flick-
wort im Reim. — 122 leyt, mhd. lit, ligt. — 133 gehnt, Plural
nach das mehrste theil, — 137 lauffen auß, auch sonst in dem
Sinne von ablaufen^ das Bild ist wol von der Sandur entlent, vgl.
DWB. u. d. W. — 138 Schlägt in die pauß = schlägt in den
Wind. Es ist kaum an das aus dem Lat. entlente Pause zu den-
ken; eher an ein Subst. zu dem Verbum phnüsen pfüsen püsen
(blasen) in der Bedeutung von „Wehen, Wind^. Allerdings kann
ich ein solches in oberdeutschen Dialekten nicht nachweisen (das
von Schmeller angefürte „nach der bauß oder pauß'', d. h. „in
Fülle** gehört wol hierher, aber das zu Grunde b'gende Verb hat
die Bedeutung „anschwellen** angenommen). Von dem entsprechen-
den nd. pusten gibt es ein Subst. püsty gewönlich als atem ge-
fasst, doch sollen auch Redensarten vorkommen, wie in de püst
gän^zn Grunde gehen. — 142 im; sonst wird festgehalten, daß
die Dat. und Acc. des Pronomens jm und jn gedruckt werden,
s. zu V. 57. — 146 Wa wo. — 160 marckt felerhafl für Mark.
— Enoden, man erwartet Knochen und ist geneigt das im Text
stehende Wort als Druckfeier anzusehen. Da aber Knoden d. h.
Knoten sich merfaoh mit Knochen berürt (s. DWB. u. d. W. Ktiote),
so wäre zu untersuchen, ob hier nicht eine volkstümliche Wendung
zu Grunde ligt. An Knote im Sinn von „Gelenkknochen** ist
nicht zu denken, da dise gerade kein Mark enthalten. — 163
Elen, mhd. de neben eUe und eine ein eilen, nhd. Elle. — 163
Maffen = Maßen. — 166 Trcofde, auch mhd. einzeln treide statt
getreide getregede. — 184 Noch trozdem dennoch. — 184 dummf
ahd. und mhd. tumby bewart sonst im 16. Jarh. gewönlich die
tenuis, selbst im 17. ist tkimib nnd tu/mm ser häofiff. Im Mhd,
229
hat es auch die Bedeutung jugendlich unerfaren, one Welt- und
Menschenkentnis. Dise verschwindet im 16.*Jarh. allmählich und
es bleibt nur die schlimme Bedeutung töricht stumpfsinnig^ welche
übrigens schon ahd. vorkommt. — 191 thtnät] wenn hier kein
Dmckfeler (statt ^^n^) vorligt> so ist es wider eine constructio
Mtfo avvsciv (der Tärgkisch Hundts die Türken), — 197 in den
sau/i hinnein leben, mhd. in dem süss leben (vgl. Lexer u. d. W.).
198 t<7er= waere. — 205 Liegen, alte richtige Form, wofür später
das unorganische lügen eintrat. — 205 das groß Affterkoß^ Nach-
rede Verleumdung. Mhd. kommt dae afterkoese vor, daraus könnte
Äfterkos mit Wegwerfung des umlautwirkenden e (i) und mit
Bückumlaut entstanden sein. Im DWB. feit das Wort. Ist hier
villeicht Abwerfen des n im Reim (s. zu V. 38) und der Infinitiv
afterkasn (afterkosen) anzunemen? — 221 Befcharren\ entweder
ist hescharret zu lesen oder das Wort dH (V. 220) in ml zu än-
dern. Für befcharren gibt das DWB. Belege von Luther bis Opitz ;
aafgefürt wird es noch von Frisch. — 262 wer dt wäret dauert. —
Elberfeld WCrecelius
Volkstiimliches ans dem Elsafz
I Sprüche in Wirtsstuben
Beim Trinken
Wer will trinken und essen,
Der darf Gott und den Wirt nicht vergessen.
2
Trink un iß,
Gott nit vergiß,
Sterwen isch gewiß!
8
Wer will trinken und essen.
Der muß Gott und den Wirt nicht vergessen :
Gott muß er sagen Dank für seine Gaben,
Und den Wirt mit bai*em Geld bezalen.
4
Heut um^s Geld,
Morgen umsonst!
5
. ( ,.
Komm herein, mein lieber Gast,
Wenn du Geld im Beutel hast;
Geh' hinaus auf deine Straß,
280
Wenn da miob besalet hast;
Denn es ist haut nioht der Tag
Wo der Wirt dir borgen mag. Amen.
6
Seit der Oredit gestorben ist,
Sind alle Lumpen mißvergnügt,
Und stehen Durst and Hunger ans,
Zum Borgen ist kein Wirt su Haus.
7
Solche Gäste liebe ich,
Die erbor discuriren,
Die gut und redlich zalen mich
Und frölich abmarschiren.
8
Hier ligt in dunkler Nacht
Ein Wirt den seine Schulden umgebracht.
9
Im Biärz mueß me trinke aß wie e Heb*,
Im April aß wie e Geis,
Im liai aß wie e Kueh,
Do wird Ei'm 's ganz Johr d*r Wi nit thue.
10
Der Säufer zum Glas
Ich beschwöre dich bei deinem Geist,
Dass du mV nit in de Kopf 'nein steigst.
Jetz mecht i awwer die Ursach wisse
Werum du mich Naeoht in Grawe g'schmisse.
Jetz was soll dein Straf sein? .
Das Glas am Mund:
Marsch mit dir ins Loch hinein! ')
11
Inschrift an einem Glase
Bist du voll, so bin ich leer.
Bist du leer, so bin ich voll.
12
Trink ich, so hink ich,
Trink ich nit, so hink ich doch,
Drum will ich liewer trinke
Un hinke
Als nit trinke
Un doch hinke.
1) Das Gemisch von SohriAdenisch und Mundart kommt häufig
solchen Reimen vor.
281
II Nachtwäohterrofe
1
Um 7, 8, 9 ür
Hänn Sorg zn^ Für nn Liecht,
DaA euch Gott behüH.
Um 10, 11, 12, 1, 2 ür
Loset was ich euch will sage.
Die Olock het sehni (n. s. w.) g*schlage.
Bei Tagesanbmch (Sommer)
Loset was ich ench will sage,
Die Olock het zwei geschlage,
Der Tag kommt anznschleiche
De'n Arme wie de Reiche,
Der edele Tag den Gott uns gab,
I wünsch euch alle 'ne gate Tag!
(Simdgaa)
2
Hört, ir Leut, ich tu euch kund!
Es ist nnn die zehnte Stund ;
Nemet Feuer und Licht in Acht,
Gott geh euch eine gute Nacht.
Hört, ir Leot, ich tu euch kund,
Es ist um die 2te Stund;
Die Morgenstund am Himmel schwebt,
Und wer den neuen Tag erlebt
Der lobe Gott den Herren!
(Barr)
3
Höret was ich euch will sage,
Die Glock hat zehni g'schlage;
Bewaret Feuer und Licht,
Daß Niemand ein Unglück geschieht,
Und lobet Gott den Herren!
(Bnchsweiler)
Im Jar 1793
Loeet was ich euch will sage,
Die Glocke hat zehne g*scblage,
Bewaret Feuer und Licht,
Daß kei'm kei Unglück geschieht,
Und lobet Gott den Bürger!
(Münster)
232
5
Scherzruf
Höret, ihr Lait, was ich aich will sache,
Die Glock hat seh' geschlaehe,
Lesche Faier an Ample,
Legen ins Bett an stnunple!
(Weißenbarg)
m Inschriften an Häasern, Ställen a. s. w.
Der Segen Gottes komm über dieses Haas,
Das h. Greatz treib alle Feind' hinaas.
Unter dein' Schatz, o Maria, nimm es aaf,
Sant Sebastian, wende ab alle Pest!
(Sennheim)
Sant Maariz, ein wachbarer Schildwacbt sei !
Sant Agatha, mach es frei von Feaers Branst!
Sant Barbara, laß Keines sterben
Ohne das Sacrament» noch verderben!
Sant Andreas, mache weichen
Und Sant Helena mit dem Crentz Zeichen,
Treibt alle Hexerey von diesem Haaßgesind
Und laß es fromm leben ohne Sund. Amen!
(Sennheim)
Ein reines Hertz S. Agatha hat.
Freywillig war sie in der That,
Die Ere hat sie geben ihrem Gott,
Errett das Vatterland aas der Noth.
S. Agatha, bitt für uns allesammen,
Errette uns vor zeitlich und ewigen Flammen !
S. Agatha, bitt für ans in der Fears Gefar,
Und aach in Leib and Seel Gefar,
Darch Jesam Christam axisem Herrn!
Amen. 1811. (Sennheim)
Gedrackter oder geschribener Zettel an Scheunen- oder
Stalltüren, meistens in Gebirgsortschaften :
Mentero sanctam f spontaneam f honorem
Deo t et patriae liberationem. Sancta
Agatha. Ora pro nobis. C. H. B. ')
(Rimbach-ZeU)
1) Caspar, MeloMor, Balthasar.
283
Wer will bauen an die Staraßen
Muß die Leute reden lassen;
Es gibt der Neider immer sehr Tiel,
Aber es geht doch wie es Gott haben will.
fEschentzweiler)
Am alten Oasthaas sur Traabe, unter den Bildern von Josna
und Kaleb, die eine riesenm&ßige Traabe an einem Stock tragen:
Wenn wir gleich hier zu Land nicht solche Tranben tragen,
So bringen sicherlich auch kleine Trauben Wein,
Dies werden Josua und Kaleb selber sagen,
Wer es nicht glauben will kehr in dies Wirtshaus ein.
(Hülhausen)
Am Rathaus
1) Non tarn pro moenibus, quam pro legibus pugnandum.
2) Einerley Recht sey unter euch, dem Froembden wie dem
Heimischen.
3) Hier außen lege ab
Haß, Freundschaft, Furcht und Gab,
Gar oft sind Haß und Hohn
Des frommen Richters Lohn.
4) Integritas consilii non eventus reepidendus
Deliberandum diu quod statuendum semel.
5) Praemium et poena. Non sequere vota sed rationem.
(Hülhausen)
Am Rathaus
1604. Renovat. 1846.
Dem Heyligen Reich ist dieses havß
Zuo lob vnd ehr gemachet avß,
Darin die wahr gerechtikeit
Gehalten wirt zuo jeder Zeit.
(Kaisersberg)
Im Beinerhaus bei der Pfarrkirche:
So ist's recht,
Da liegt der Meister bei seinem Knecht.
(Kaisersberg)
Auf einem steinernen Brunnengehäuse
1618
Drincks tu Wasser in dein Kragen,
Ueber Disch erkftlt dein Hagen,
Drinck mftsig alten subtilen Wein
Rath ich und las mich Wasser sein.
Mathias Hiffel MDCXVIII Elisabeth Birklerin.
(Kaisersberg)
284
In der Hafitiergasse (HanrinBchrift)
Jetzt bin ich als fremder Gast
Herför gegangen ander dem Balast,
Ach got wie geht es noch immer zu,
Das die mich noch hassen wo ich nichts thu,
Die mir nichts gönnen and aach nichts geben,
Die mfissen doch leiden das ich tha leben,
Und wenn sie meinen ich sey verdorben.
So haben sie vor sich selbst za sorgen«
Inschrift mit einem Feaerstein an einer Fensterscheibe
desselben Haases
Flache nicht in meinem Haas,
Geh nar bald zar Thfir hinaas,
Sonst könnte Gk>tt vom Himmelreich
Strafen dich and mich sagldcfa.
(Kaisersberg)
Am Bathaas
1) Concordia res parvae crescant, discordia maximae dila-
bantar.
Einigkeit aas kleinen Sachen
Grosse yienderding ^) za machen.
Wo die Hertzen s^ynt zertrennt
In der Welt das Glück sich trent.
2) lastida in se virtatem complectitar omnem.
Gerechtigkeit begriffen that
Was nar mag tagend heisen
Verwahre sie in gaten Hat
Deren sich than besohliessen
Der Richter dieser lieben Stadt
Der das Schwerd in banden hat.
3) Initiam sapientiae, timor Domini.
Vor alle Ding hab lieb dein Gott
Im Glaab vertraa, werst nie za Gott
Schmacht nicht sein Gnad, Foroht ihn allein
Regieren laß ihn, dein Hertz behalt rein
Nach Gott sollst da den Nächsten lieben
Ihm Gats erzeagen and nicht betrieben
Einem jedem tha wie da selbst wolt
Das anderer halten solt
4) Diligite jasticiam qoi jadicatis terram.
Dem Rechten nach, kein valsche maas
Leacks niemand za lieb oder Haß
1) Feindsdiaften.
285
Die Ooties Furcht lern erBÜich eben
Dadurch wird dir bestandnus geben
Wie geschrieben recht billig und wohl
Auch des Nächsten lieb verleben soll
Und unser leben sey zu verzehren
Zu Gottes Reich und jenem Ehren.
(Schlettstadt)
An einem Haus in der Eirchgasse
1564
In Oottes Namen geh herein,
Der will mein gutter göner sein.
(Zabem)
Am ehemaligen Weißenturmtore i
Gottes Barmhertzikeit
Der pfaffen grytikeit
Und der bauren bosheit
Durchgründet niemanß
Uf minen eit 1418. (Straßburg)
Dise Inschrift bezieht sich darauf, daß die Bauern im ge-
nannten Jare den Fruchtzehenden, den sie järlich an das Stift St.
Thoma abzurichten hatten, auf dem Felde verbrannten, weil das
Stift sich geweigert, inen „die gemeine Zech an brodt und wein
auszurichten". — grytikeit, Geiz, Habgier. — Die Jarszal war die
älteste in arabischen Zi£Pem geschribene in Straßburg.
In der Draohengasse
Wo Landsknecht sieden und braten,
Pfaffen zu weltlichen Sachen rathen,
Und d* Weiber führen das Regiment
Do nimmt's selten ein guts End.
158S. (Straßburg)
Auf den verlierenden Krieg bezüglich, den die Zwistigkeiten
unter den katholischen und lutherischen Domherren des hohen
Stiftes bei der Bischofswal hervorgerufen.
Am Speierbad, in der Alten Weinmarktgasse :
Das Havs stot in Gotes Haut
Vnd ist im Spirbad gnant.
Do die Wand mit Gvadersteinen
Gmacht war, zalt man 1576,
In der Zit was es volent
Do die Schwitzer von Zirch gnent
Fvoren in dm Dag herab mit Gwalt,
Brachten mit ihnen ein Hirsen
In rechter Gstalt der war noch warm
236
Vnd sies do zuStrosbvrg war das Schiesen,
Das sag ich onvermessen,
Vf der Mvrer Stab war der gegesen.
Die Schrift ist doran gemacht
Wer do fir get das er bedracht
Wan das Schiesen ward volent.
Domit bring ich den Rimen zyiu Eod. qoo. D. F. B.
(Straßbarg)
Die noch vorhandene Inschrift bezieht sich anf das große
Freischießen, zu welchem die' Stadt auch die Schweizer, ire alten
werten Bundesgenossen eingeladen hatte, welche die Fart von
Zürich nach Straßbarg zu Wasser In einem Tage zurücklegten.
Job. Fischart hat sie in seinem „Glückhaften Schiff" verherrlicht.
An der ehemaligen Kleinen Metzig:
Im Ochsegässel bin i gebore,
Zum Ochsemetzjer bin i erköre,
Im Ochsekopf haw i feil,
In der Viehgaß bin i daheim. (Straßbarg)
Die Kleine Metzig, die in den Jaren 1838 — 1840 abgerissen
and durch neue schöne Häuser ersezt wurde, bestand aus einer
Reihe von Schoppen, in der Mitte nur war eine dieselbe über-
ragende Behausung angebracht, an deren Dach ein großer Ochsen-
kopf aasgehauen war, darunter standen die mitgeteilten Reime.
IV Mülhauser Malefiz-Ordnung (Mitte des
17. Jarhunderts)
Ein Papierheft von sechs Folioblattern, weit geschrieben ; das
Wasserzeichen trägt den sogenannten Baselstab. Die Kanzlei be-
zog bis ins vorige Jarhundert beinahe sämmtliches Papier aus
Basel, wo auch die obrigkeitlichen Mandate, Ordnungen, Statuten
u. 8. w. gedruckt wurden. Gegenwärtiges Formular bezieht sich auf
den endlichen Gerichtstag, nachdem vorher durch geheime Unter-
suchung, beziehungsweise auch die Folter, das Geständnis er-
folgt war.
Der Blutvogt
Sagt ehe man non sitzet und Jederman stehet: Dieweil nächst
vergangenen Mittwochen Mein Gnäd. Hrn. Herren Bürgermeister
und Rath erkant haben daß auff den heutigen Tag ein öffentlich
Malefitz und peinlich Halß Gericht solle gehalten werden, so will
ich Ew. Ehren Wht. (Weisheit) gefragt haben ob es dem Tag und
lauten nach Zeit seye. , >
Hierauff wird umgefragt
Vom Hm. Burgermeister, und erkant daß es dem Tag und
lauten nach Zeit seye.
237
Blutvogt
Will dise Urteil Niemand wiedersprechen, znm Iten, zum
2ten und zom Sten mahl?
Hierauff setzen Bich die Richter und wird durch einen Amt-
knecht das Gericht verbandt.
Blutvogt
N. Verbietet M. Onad. Hm. das jhr öffentlich Malefitz
Gericht.
Amtknecht
Ich verbiet Meinen Gnad. Hrn. das ihr öffentlich Malefitz und
peinlich Halß Gericht welches sie dißmahlen aus hochem obrigkeit-
lichem Gewalt besetzt haben zum Iten mahl.
Das wiederholt Er zum 3teu mahl.
Daß Niemand nichts darein rede, handle oder fümemme denn
dem es erlaubt ist und von Rechts wegen gebühret bey der Straff
und Büß und Beserung so darauff gesetzt ist.
Blutvogt
Wer am Rechten zu schaffen hat, der melde sich an.
Schultheiß
Weilen meine Klag die ich im Nammen der Statt und mei-
nes tragenden Amts thun solle schwär und wichtig ist, so bitte
ich mir einen Fürsprech zu vergönnen.
Fürsprech
Demnach der Hr. Schultheiß meiner begehrt, so wäre mein
Schuldigkeit zwar und guter Willen wohl Ihme bedient zu seyn:
Indem es aber« eine so wichtige und beschwärliche Sach antrifft,
hätte ich wohl leyden mögen, daß Er einen anspräche, der Ihme
seine Klag besser wüßte vorzubringen als meine wenige Persohn.
Jedoch weil Er mich dazu erneut hat, so will ich mir jeder Zeit
vorbehalten haben, alles was die gewohnliche Rechte Inhalten und
vermögen, auch wo ich etwas versäumen würde, daß der Hr. Schul-
theiß seinen ordentlichen Absprung nemmen, und fahren möge vom
ersten biß auff den 2ten, von dem andern biß auff den 3ten, und
das so lang und viel biß Er einen überkombt, der Ihme seine
Sachen genugsam vorbringe, und darthue wozu Er Recht hat.
Blutvogt
Der Beklagte kan sich auch um einen Fürsprech bewerben.
Beklagter
Begehret eines Fürsprechs, welcher Ihme zugelassen wird,
und entschuldiget sich auff die weis und mit dem Vorbehalt, wie
des Hrn. Schultheißen Fürsprech.
Kläger
Des Hm. Schultheißen Fürsprech sagt: Dieweilen unser Ge-
gentheil sich um einen Beystand beworben, so begehre ich für
238
meinen Beystand Herren Bnrgermeister NN., bitt hiemit Ew. Ehrs.
Weisheit wolle mir hierin eine gönstige Willfahr erweissen.
(Es geschiechet auch etwan, daß der Kläger und Beklagter
den zweiten Beystand erbittet über den vorigen.)
Blutvogt
Dieweil Ew. Ehrs. Wsht. und flbrigen Herren Räthe zu Bey-
stand begehret worden, so können sie hiemit jhren Partheyen freund-
liche Willfahr leisten, und zu jhnen stehen.
Kläger
Hieranff klagt des Hm. Schnltheifien Fürsprech wie folgt:
Herr der Blutvogt, wie auch Edle, Ehretiveste u. s. w.
Es ist so wohl in Göttlichen als weltlichen Rechten clar und
heiter versechen daß .... (hier, eine Lücke). Dessen allem ohn-
geaoht, so hat doch gegenwärtiger NN. sich nicht gescbeüet u. s. w.
DieweO er nun dessen überzeugt und selbs geständig, so
klag ich im Nammen des Hm. Schultheißen auff sein Leib und
Leben, auff sein Out und Blut u. s. w.
Und begehre dessentw^en, daß Er den Rechten und unse-
rer Statt Gebrauch nach alles Ernst« abgestraffb und condemnirt
werde.
Beklagter
bittet und begehrt durch seinen Fürsprech, daß seine Bande Uime
geöffnet werden, damit Er sich desto besser gegen einer so wich-
tigen und schwären Klag verantworten könne.
Kläger
Das wiederspricht des Hm. Schultheißen Fürsprech.
Urtheil
Hieranff wird erkant, dieweilen jhme seine Band so hart ge-
bunden, schwer anligen, daß jhm dieselben auff sein Begehren ge-
öffnet sollen werden, jedoch daß Er hiemit in guter Oewahraamme
gehalten und den Rechten nicht entzogen werde.
Blutvogt
Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen zum Iten, 2ten
and 3ten mahl?
Beklagter
Verantwortet sich durch seinen Fürsprech.
Kläger
An solche Verantwortung kan der Hr. Schultheiß nicht kom-
men, dann • • •
Hier folgt was dar wieder zureden sey . . .
Begehre deßwegen, daß die Veijüchten '), welch der Be-
1) Mhd. vergthtf vergicMj Geständnis, Bekenntnis.
289
klagte gut und peinlich^) gethan, vor dem ganzen Umstand ver-
lesen werden solle.
Beklagter
bittet dnrch seinen Ffirsprech dafür.
UrtheU
Die Verlesung der Veijücht wird erkant.
Blutvogt
Will diese ürtheil Niemand wiederspreohen, zum Iten, 2ten
und 8teo mahl.
Stattsohrdber
Verlieset die Veij&chten.
Kl&ger
Weil diese Veijücht verlesen, so begehr ich, daft man auch
die sieben nnpartheyischen Mann') verhören soll.
Beklagter
Ist seiner Veijücht allerdingen geständig, und bittet daß die
Verhörung der sieben nnpartheyischen Mann underlassen werden
soll, weil es dessen nichts bedorfe.
Kläger
Dieweil der Beklagte der Klag allerdingen geständig, so be-
gehrt der Hr. Schultheiß zu vememmen, ob Er nicht bessere
Kundtschall*) geftkhret.
Urtheil
Hierauff wird erkant, daß der Hr. Schutheiß die bessere
Kniidt8cha£ft geführet.
Blutvogt
Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen, zum Iten, 2ten
und 3ten mahl?
Kläger
Weil dann meine Klag völlig erwiesen, und der Beklagte der
allerdinges geständig, so begehr ich zu vememmen ob der Hr.
Schultheiß das bessere Recht und der Beklagte Unrecht habe.
Urtheü
Wird erkant, daß der Hr. Schultheiß das bessere Recht und
der Beklagte Unrecht habe.
Blutvogt
Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen, zum Iten, 2ten
und 3ten mahl?
1) Gütlich und auf der Folter.
2) Die Siebner waren Bürger, welche vom Beklagten alt Schieds-
richter, Expertem berufen und, wenn das Gericht es für gut fand, ver-
hört werden konnten.
3) Bessere Gründe zum Beweise der Sobald des Beklagten.
240
Kläger
Dieweil dan der Hr. Schultheiß das besaere Recht geführet,
and der Beklagte Unrecht hat, so begehrt Elr an einer Urtheil zu
vernemmen, wie der Maleficant selbige Terbessern soll.
Urtheil
Hieraujßr treten die Richter ab.
Alsdann wenn sie wieder sitzen fragt der BlutTOgt, was sie
in dem Abtritt und Bedencken gut befanden. Wird demnach er-
kant, daß der Uebelthäter solches Unrecht mit seinem Leib und
Leben, Gnt and Blat verbesseren solle.
Blatvogt
Will diese Urtheil Niemand wiedersprechen, znm Iten, 2ten
und 3ten mahl?
Kläger
Nachdem £. E. Malefitz-Gericht hiemit erkant, daß der Uebel-
thäter mit seinem Leib and Leben yerbessem solle, so begeret der
Hr. Schaltheiß hiemit za vememmen, aaff was Weis and Form
solches solle geschechen.
UrtheU
Hierauff wird erkant daß der arme Sünder von dem Schran-
cken genommen, hinauß aaff die gewohnliche Richtstatt geführet|
and vom Leben zum Tod hingerichtet werden solle, mit dem N
and was demselbigen zugehörig.
Blatvogt
Will diese Urtheil Niemand wiedersprecheo, zam Iten, 2ten
and 3ten mahl?
Kläger
Es begehret der Hr. Schaltheiß za wissen, wer diese Ur-
theil an ihm vollstrecken solle.
UrtheU
Durch den geordneten Nachricht^ soll diese Urtheil an ihme
vollstreckt werden.
Blatvogt
Will diese Urtheil Niemand wiederspreohen, zum Iten, 2ten
and 3ten mahl?
Dem Stdtthotten wird mit Namen geruffen, und befohlen den
Scharfrichter zu holen.
Beklagter
In mitler Zeit bittet dessen Fürsprech für denselben, and
um Fristnng seines Lebens so viel Dirne m^lich.
Blutvogt
Wann der Nachrichter an dem Schrancken sich erzeigt, wird
Ihine des Gerichts letste Urtheil and Erkentnufi mündlich angezeigt,
j 242
Mülhausen hatte kein eigenes Oesezbnch; die Richter arteil-
ten „nach Wissen und Gewissen*^ ; — „nach VerständniB nnd Gut-
dünken ", wobei sie sich an Gebrauch und Herkommen hielten. Den
Juristen unter inen waren der Sachsen- und der Schwabenspiegel
nicht unbekannt'); im 15. Jarhnndert drang das römische Recht
durch und bei Criroinalsachen fand im folgenden Jarhnndert Kaiser
Karls y peinliche Gerichtsordnung (Carolina) vre Anwendung auch
in Mülhausen, wie wir später sehn werden. Großen Einfluß flbte in
disem, wie in manchem andern Bezüge, die eidgenössische Schwester-
Stadt Basel auf die kleine Republik Mülhausen aus, deren Stadt-
schreiber meistens auf der dortigen Universität studiert hatten oder
selbst Baseler waren, wie Zichlin, Petri, Lauterburg, Wild, Gysier
u. A. Uebrigens wurde vom 16. Jarhnndert an keiner als Stadt-
schreiber angenommen der nicht Licentiaius tUriusque juris war.
lieber die ausgesprochenen Strafarten und Strafwerkzenge soll
hier nichts beigebracht werden, dazu wird sich, wo es nötig ist,
bei den nun, nach der chronologischen Reihenfolge mitzuteilenden
Verurteilungen bessere Gelegenheit geben.
16. Jarhnndert
1
Mishandlung der Eltern. Hanß Jacob K. der sein Matter
geschlagen und den Vater herauß gefordert, hat nach aoßgestan-
dener Gefangenschafft und Abbitt des Malefitz, ein Urphed schwören
müssen, daß Er außer seiner wacht kein gewehr mehr tragen,
ferner sich aller Hochzeiten, Wirthshäusern und Thorstüblein '), aach
anderer Gesellschafft müßigen wolle, außer der Schenke auf der
Zunft 8). 1582.
2
Bürgerlicher Äufrur gegen die Obrigkeit^) in den Jaren
1583 bis 1590. — Im Jar 1588 wurden etwa 400 hiesige Bürger
1) P. Viron-RSviüe, les anciennes jurisdictions de TAlsace, p. 13
und 14.
2) Die TarstübUin waren ein Vereinigungsort, wo Frennde und
Verwandte die auf der Wache befindlichen Bürger zu besuchen pfleg-
ten. Es wurde da geschwazt, getrunken und gespilt; wegen Unfug
wurde diß jedoch mermals von der Obrigkeit verboten.
3) In Mülhausen bestanden biß zur Vereinigung mit Frankreich,
im Jare 1798, sechs Zünfte: Becker, Schneider, Schmide. Mezger, Reb-
leute und Ackerbauer; die vier ersten hießen die gro&enj die beiden
leztern die kleinen Zünfte. Jeder Bürger muste sich auf einer dersel-
ben einschreiben lassen. Die Zunftmeister sassen im Kleinen Rate.
4) Die Verhör- und Oerichtsprotokolle umfassen merere Folio-
bände und sind auf dem Stadtarchive aufbewart. Der Prediger David
Zwinger, ein Augenzeuge, hat den ganzen Verlauf der Ehnporung in
einem noch in Handschrift vorhandenen Foliobande aufgezeichnet.
Kürzere Berichte darüber geben Mathias Graf und Mathias Mieg in
iren Geschichten von Mülhausen.
244
6
Selbstmörder, 6örg ß^s Erben geben 100 Thaler wegen dessen
ErhenkoDg. 3. August 1637*).
7
Unbefugte Copulation, Herr Tb., Pfarrer von Zimmersbeim*),
daß er in seiner Flöchtung ^) alihier, einen Soldathen mit seiner
Köchin zusammen geben, ist in Thum gelegt, und umb 100 fl.
gestrafift worden, vngeacht des Bischoffs Intercession. 23. August
1637.
8
Knospen abgehauen, Hanß St. daß er Knospen *) in der Sin-
nen^) gehauen, ward um 10 Pfd. gestrafft und gethürmt. 7. August
1639.
9
Felddiebstal. Wegen eines Felddiebstahls soll eine yerbfir-
grerte Person 4 fl. erlegen, und die Hintersassen aber mit der
Trille^) oder der Geygen'^) gestraft werden. Mandat vom 25. August
1648.
Ein Kind soll 1 fl. geben ; Einer der es sieht bey seinem Eydt
angeben, und die Wächter an den Toren visitiren. 18. Juni 1662.
Yon der Kanzel herab und vor der versammelten Gemeinde seines Ver-
brechens wegen g^etadelt und zur Buße ermant wurde.
1) Disem Urteilsspruch ist von folgendem Zusaze, einer spätem
Hand, begleitet: Wegen Caspar K. war der Frevel 50 Pfd. und dem
Scharfrichter 20 Pfd. 26. August 1683. — Samuel P. 160 Pfd. 15. Au-
gust 1714.
2) Ein südöstlich von Mülhausen gelegenes Dorf, welches damals
und biß zur französischen Revolution nebst dem größten Teil des Ober-
elsaßes zum Bistum Basel gehörte.
3) Flucht.
4) Eine Art Schilf, dessen Blätter zum Verstopfen der Faßdauben
dienen. Das an den Stadtgraben wachsende Gras und Gesträaeh machte
einen Teil der Besoldung des Stadtschreibers und des Baumeisters aus.
5) Ein Zweiggraben- der 111.
6) Die Triüe war eine Art cylinderforroiger Käfig oder bestand
ans zwei hölzernen dicken Sparren, die kreuzweise auf einem im Boden
stehenden Holzblock ruhten, in der Mitte waren sie durch einen star-
ken Eisenstift vereinigt und konnten im Kreise herumgedreht werden;
der Delinquent wurde in die Trille gesezt oder, im zweiten Falle da-
rauf gebunden und so lange herumgetrillt biß er, beti^ungsweise bei
Obstdiebstal, das corpus delicti wieder von sich gegeben. Die Trillen
waren gewönlich an den Toren angebracht.
7) Die Geige bestand aus einem Brett, das man dem Felddieb
mit einer Kette am Hals befestigte; zu beiden Seiten waren runde
Löcher, wodurch die Arme heraus gestreckt werden konnten. Mit disem
Strafwerkzeuge wurde der Dieb von einem Stadtkneebt an einem
Markttage herumgefurt Manchmal ward im das Geetolene auf den
Rücken gebunden.
246
15
KirchendiebstcU^), G., Bürger der Stadt, so Geld ans der
Bächae in der S. Stephanuskirchen genommen, auch andere Dieb-
stähle begangen, ist zum Schwert verurtheUt worden. Ist den 3.
August 1683 hingerichtet worden.
16
Sodomü ward mit dem Schwert gerichtet und verbrantU.
18. Juli 1688 «).
17
Hülffe hey Kapueinem gesucht. Clade S. T. wurde des Nachts
in seinen Laden gebrochen und etliche Stuck Tuch geraubt. Der
ließ durch einen Schneider zu Lanßer') bey den Eapusinern Hülff
suchen, darauf der Dieb sein Wahr^), theils für sein Hsoß, und
theils beym Träubelgäßlein ^) des Nachts wieder ablegte, — (Clade)
wurde um 85 Pfd. gestrafft, und der Bott^) in Thum gel^^
29. October 1690; 14. Merz 1691.
18
Duell. Als zwey frantzösische Capitain hier duellirt'^) und
Einer todt geblieben, wurde der Frevel mit dem Major auf 100
Thaler verglichen. 11. Merz 1691.
19
Teufelsbeschwörer. Peter Dax, daß Er ein Teufels Be-
schwerer aus dem Solothurner Gebieth geholt, und mit dessen Hilff
auf dem Münchs Berg ®) vergeblich nach einem Schatz gegra-
oder schleppten eiserne Kugeln an den Füßen, wärend sie, unter Be-
wachung der Stadtknechte, schwere Arbeiten zu verrichten hatten. Am
Hut oder an der Müze waren ScheUen angebracht, die bei der gering-
sten Bewegung klingelten.
1) Hundert Jare nach diser Verurteilung wurde zu Colmar mere-
ren Kirchendieben zuerst die rechte Hand abgehauen, hierauf wurden
sie in mit Schwefel getränkten Hemden öfifentlich verbrannt. Ordon-
tiances d^Älsace.
2) Cf. Carolina Cap. CXVI.
8) Landser, ein südöstlich von Mülhausen gelegenes Städtchen;
ehemals Siz der Herschaft gleiches Namens, Besiztum der Grafen von
Habsbur^, später der Erzherzöge von Oesterreich, als Landgrafen des
obern Elsaßes; es gehörten dazu 25 im Sundgau gelegene Ritterdörfer.
Das Kapuzinerkloster daselbst wurde im Jare 1664 gestiftet.
4) Seine Waare.
5) Trägt seinen Namen von dem darin gelegenen Gasthaus Zur
Traube. Sih oben No. 12.
6) Der Schneider.
7) Wärend des Kriegs zwischen den Kaiserlichen und den Fran-
zosen unter Ludwig XIV.
8) Mönchsberg, volkstümlich Münzberg, gehörte „seit uralten Zei-
ten dem baslerischen Hohen Tbumstifft, welches V4 des großen Frucht-
und Weinzehenden bezog^S Den 10. Oktober 1682 kaufte Mülhausen
die Rente um die damals bedeutende Summe von 8000 Gulden zurück.
248
18. Jarhundert
24
Feuer einlegen^), Anna Maria K. so zu Illzach Feuer einge-
legt, mit dem Schwert gerichtet. 4. Juli 1703.
25
CrlminalfaU. Ein Weberknecht, Namens Joseph Karrer, aus
fürstl. Sankt Gallischer Herrschafft, als er mit einem Andern, Na-
mens Marx Meyer, von Langeuaa bey Angsburg, von Golmar nach
Basel zu reysen abgangen vnd zimelich viel Gelt bey ihm vermerkt,
nähme ihme vor denselben zu ermorden. Derowegen als sie za
Battenheim^) übernachtet, und sich bey anbrechendem Tag, den
19. October 1705, auff den Weg gemacht, ergriff er bey dem so-
genannteu Entenloch, Illzacher Bahns, einen Stein, schlug ihn mit
demselben zu Boden, nahm ihm sein eigen Messer anß dem Sack
und schnitt ihm die Gurgel ab. Die göttliche Räch verfolgte ihn
aber alsobald, denn da er vermeinte den Weg auffwärts nach Basel
zu nehmen, nahm er ihn hinunterwärts, und traffe bald zwey Rix-
heimer^) an, die auff Wildbrett in die Hart ^) gegangen waren und
wieder heim wolten; solche fragte er, ob das der rechte W^eg nach
Basel seye. Als sie ihme mit nein geantwortet, und ihn mit sich
genohmen, traffen sie gleich den Toden Leichnam an. Weil sie
nun an besagtem Menschen Blut sahen, auch sonsten seine Reden
ihnen verdächtig vorkamen, führten sie ihn gefangen nach Rixheim;
daselbst erkannte ihn bald ein Schweitzer Fuhrmann, der ihn die
Nacht vorher in dem Wirthshauß zu Battenheim nebst dem £Ir-
mordeten gesehen hatte, er auch unter dem Geld, so man ihme
auß dem Sack gethan, ein Stücklein, so der Ermordete wechslen
wollte, gleich kannte, worüber er gleich zur Bekantnuß gebracht,
und nach Landser^) geführt worden, allwo der königliche Amt-
mann, ungeacht der Mord auff dem Mülhauser Boden geschehn,
sich gantz ernstlich unterfienge vnd Wächter auff das Orth schickte,
den Leichnam zu bewahren. Hingegen wolte die Stadt ihr Recht
auch nicht versäumen, sondern schickte gleich eine Fuhr samt
einigen Deputirten den Ermordeten abzuholen, welche eben zu
rechter Zeit noch ankommen, da die Rixheimer ihn schon auffladen
wolten. Als auch ferner der Ambtmann, auff beschehenes Ersuchen,
1) Nach Cap. CXXV der Carolina sollten die Mordbrenner leben-
dig verbrannt werden.
2) Dorf an der Departemental - Straße von Colmar nach Basel,
nördlich von Mülbausen gelegen.
3) Rixheim, großes Dorf, südöstlich von Mülbausen.
4) Umf augreicher Wald, der sich von der Nähe von Basel, west-
lich vom Rheine bis gegen Colmar erstreckte, jezt aber teilweise aus-
gehauen und zu Ackerfeld umgewandelt worden.
5) Sih oben No. 17 Anm. 3.
250
Außtritt^, and wider der Eltern Willen getroffenen Heyrath ge-
holfen, Würde um 50 Pfd. gestrafft. 22. April 1722.
28
Die Bettelmutter^) im Spithäl so den Armen das Brod sam
Theil entwendet und yerkaufft, wurde ans Halßeyfien gestellt nnd
veruneßen^). 10. März 1723.
29
Harte Straff wegen Capuziner schlagen^). Ein Fuhrmann
das er einen Franciscaner geschlagen, mußte deprecieren, alle
Kosten, 80 sich hey 100 Liv. heioffen, ersetzen, 14 Tag gethümU
werden, ein halb Jahr infam seyn und dem Convent 80 Li?, für
Satisfaction zahlen. 19. Juli 1723.
30
Todschlag und Baüb, Der Metzgerknecht Johannes Seh., der
seinen Kameraden Daniel Steffen mit einem Hammer erschlagen,
den er in einem Wirthshaus gestohlen, den Leichnam in Stücke
verhauen und in die Sinne^) geworfen, wurde vom Malefitz(gericht)
so auf offenem Platze gehalten, condemnirt lebendig gerädert m
werden, so daß wenn ihm die 2 Untertheil entzwey geschlagen, er
mit einem Strick erwürgt^ sodann auff die Arme getroffen und der
Hertzstoß gegeben; sodann der Leib an das auff der Landstraß
auffgerichtete Badt geflochten. Die Execution soll auff dem Bahn-
loch, rechter Hand so man vom Oberthor hinauß gehet, hey einem
solches auch kein Itaub oder Baptus zu nennen." Das Ehegeriek^
welches für alle Ehesachen bestellt war, bestand aas den 8 Bürger-
meistern, 2 Seckelmeistem und 4 Predigern göttlichen Wortes. Art
I§ 1.
1) Flucht.
2) Aufseherin der Stuben, in welchen Bettler warend einem oder
merern Tagen beherbergt wurden.
3) Aus der Stadt verbannt.
4) Fürstenberger, 1. c. B. XI Cap. 14, gibt nachfolgende nähere
Umstände über die Begebenheit: „Es ist auch dieses Jahr das alte
Sprichwort er fallt worden:
Wer nichts hat zu schaffen,
Der schlage einen Juden oder Pfaffen.*'
„Es (nenge bey Modenheim bey starkem Regenwetter ein Franciscaner
von Ruffach, der wohl zu Mittag gespeißt und dabey das Trinoken
nicht vergessen, Namens Polycarpus, für Michael Sengelin, so neben
seinem Wagen gienge vorbey, grüßete ihn, indem zwahr Sengelin ge-
danckt, aber Regens halben den Huth nicht abgezogen, der hieße Uin
einen groben Dölpel. Sengelin gab spizige Antwort, so daß es zu
Streichen kämme, und der Franciscaner übel verwundet sich auf Mal-
hausen führen ließe, und klagte es dem Bürgermeister, welchem gut
Recht zu halten versprochen wurde, worauf er sich nach Buffach fahren
ließe . . ."
5) Sihe oben No. 8.
252
obrigkeitlichen Respect zuwider eingegebene Schrifft Yor Rath^
wurde von dem Ambtknecht öffentlich zerrissen und hinweggewarf'
fen, der Author mußte sie revocieren und deutlich um Verzeihung
bitten, auff 2 Tage in Thurn und 20 fl. Straff büßen. 10. Januar
1731.
35
Schmachreden tcider den Kleinen Roth. Heinrich L — ch, so
wider E. £. Rath und einige Herren des Ehrenregimenta ins be-
sondere, injuriose Reden außgestoßen, wurde gethümt und mußte
ürphede schweren^), 21, 27. Februar 1732. — Als er nicht nach-
gelassen und gen Dornach ^) gezogen, wurde er ergriffen und in
ewige Gefangenschafft condemnirt. 5. 16. Juli 1732. — Die Sache
dauerte bis zum 28. November 1736, während welcher Zeit sein
und seiner Frau um Gnade Bitten immer abgewiesen wurde. (Spä-
terer Zusaz.)
36
Beligionssachen. Hans Georg Hammer, wegen irriger Mei-
nung in Religionssachen, so er öffentlich außgebreitet, mußte vor
Bann ^) revocireti, wurde in Thurn erkannt, und Vs «^^^r ins Hauß
bannisirt^}, den Herren Pfarrern befohlen wieder dieses Laster
öffentlich zu predigen, und ihne in der Gemeind nicht mehr anzu-
nehmen biß er Proben seines bessern Glaubens von sich geben wird.
2. Juni 1734. Die Hauß Bannisation <^) auffgehebt. 28. Juli 1734.
37
Vergiftungsverstich. Hans Georg Ermendinger, so seiner Frauen
Spongrün^) auff die Linsen gezettlet, die sie aber nicht geessen^),
wurde an den Pranger gestellt, mit Ruthen gestrichen und ^ofint-
siret. 15. 18. Februar 1736.
1) Eidliches Versprechen, nach bestandener Strafe sich nicht
wieder dasselbe Vorgeben zu Schulden kommen zu lassen, noch sich an
den Klägern oder Richtern zu rächen. Bei Landesverweisung musie
der Verwisetio schwören das verbotene Land oder Gebiet nicht wieder
zu betreten. Diso Versprechen musten manchmal schriftlich abgegeben
werden. Sih Mülh. Statuten und Gerichtsordnung 1740 Art. XXX
§ 5: Vom Stadt -Frieden und Urpheden.
2) Zu diser Zeit besaßen die Edeln zu Rhein das bei Mülhausen
gelegene Dorf Doruach als Lehen; da dieselben auch Bürger von Mül-
hausen waren, so war die Stadt zur Gefangennemung des Delinquenten
befugt.
3) Vor Gericht.
4) Dise Form für bannen, banniren wurde vorzugsweise im Ober-
Elsaß angewandt; auch Moscherosch gebraucht sie.
5) Diser Ausdruck feit in Grimm's Wörterbuch.
6) Grünspan.
7) Diso Form für „gegessen^' ist mir sonstwo im Elsaß weder in
Uandschriften uoch in Gedrucktem vorgekommen, sonst aber gewönlich.
254
nnd Dieben eine hohe Obrigkeit geschöteUf snm Klappersiem con-
demnirt; ex gratia zu 50 Pfd. und zweytägiger Thürmung miti-
giert^). 7. Februar 1748.
43
lAiderliche Aufführung. £in Schandlader mit Trinken nnd
unzüchtigen Anßgelaßenheiten in Johannes Geyelin^s Haus in lU-
zach, wird mit V4J^^i^ig®°> ScheUemoerk bestrafil. 12. 19. Jnni
1748.
44
Verleumdung des Vaters^), Eine Tochter die gesagt ihr
Vater habe sich wollen erheuken, den Klapperstein zu tragen er*
kant. 21. Mai 1749.
45
Beschimpfung der Obrigkeit, Jacob E., der ü. G. H.')
meineidig geheißen, daß sie ihm wollen einen Vogt ^) setzen, 8 Tage
in W(ü1centhum erkant; soll den Klappersiem an aUe 4 Thore
tragen. 30. Juui 1749.
46
Wollendiebstäle, Eine Wollendiebin, obschon sie sich ver-
glichen, wurde in den Kefig^) gelegt nnd an der Geigen an Me
4 Thore geführt, mit einem Säcklein WoUe hinten anhangend.
13. August 1749.
Martin St. und seine Fran die ihrem Hausmeister sm nnter-
oder der Schulden; später, und bis noch jezt im Sundgau, li'essboten
genannt.
1) Gelinder bestraft.
2) Vgl. oben No. 10.
3) Unsere Gnädigen Herren, d. i. Bürgermeister und Rat.
4) Art. XXXVI § 2 und 3 der Statuten vom Jare 1740 sagt
hierüber: „ . . . Ofifenbare Verschwender, die durch gütliche Vermah-
uang sich von ihrem Lasterlehen nicht abhalten lassen, sollen vor E. E.
Rath gestellt, ihre schandliche Lebensart ihnen öffentlich vorgehalten,
und wann sie sich nicht besseren, auf kündbare Nachricht ihres schlim-
men Wandels, mit der Thürnung, Schellenwcrck, Verweisung, und an-
deren willkührl ich en Straffen, nach Größe des Verbrechens, und Ge-
stalt der Umständen, andern zum Exempel, angesehen werden. — In-
sonderheit solle, wann es die Nothdurfft erheischte, ihnen die Verwal-
tung ihres Guts genommen, und gleich den Minderjährigren, Vögte ge-
setzt, auch damit jedermann dessen berichtet seye, offentlieh als be-
rüchtigte Verschwender ausgeruffen, und ausgekündet werden.'* Das
öffentliche Ausrufen geschah, nach beendigtem Morgengottesdienste,
durch einen Amtsknecht, von dem sogenannten Schreisteglein herab,
welches neben der Haupttüre der Kirche an der äußern Mauer ange-
bracht war und aus einigen steinernen Staffeln, oben mit eisernen
Stangen eingefast, bestand.
5) Auch Narrenhäuslein genannt, eine Gefangnisstube im untern
Boden des Rathauses, wo man Nachtschwärmer, auf der Tat ertappte
Verbrecher oder solche, welche eine andere Strafe verwirkt, provisorisch
einsperrte.
265
sohiedlichen mablen über die Wollenkammer gekommen, zn einem
namhafiften Ersatz und die Frau Va Stund mit der Geigen am
Hals auf das JRathhatishänklein zu stehn, dann an nlle 4 Thore
geführt, und V4 J^^^ ^^^ Schellenwerh geschlagen zn werden con-
demnirt, der Mann aber so sich flüchtig gemacht, angeschlagen.
27. August 1749.
47
Kindesaussezung. Elisabeth F. von Eglisau , die ihr unehe-
liches Kind vor dem Spiegelthor im Schilterhäußlein exponirt, von
Zürich abgeholt, an alle 4 Thor mit dem Strohkram ^) geführt,
der Stadt ewig bannisiert und ihr das Kind mitgegeben. 18. Fe-
bruar. 18. März; 8. April 1750.
48
Lüderlich Leben^). Johannes K., wegen seinem lüderlichen
Leben ein Jahr in die Spinnsttibe auf Wasser und Brod erkannt.
1. April 1790.
Derselbe, der sich vom ScheUenwerk zu dem er nachher ver-
urtheilt, flüchtig gemacht und catholisch worden, auch gottlose
Reden gegen die Statt und Hrn. Bürgermeister Hofer ausgestoßen ;
nachdem er wieder in die Stadt gekommen, eingesteckt, verhört
und biß auf weitern Bescheid in des Lederleih* s Castell^) im Spi-
tal aufbehalten. 13. November 1751.
49
Verleumdung, Anna Z. so gesagt Johannes Frank habe Hrn.
Postmeister Rissler^s Scheuer angezunden und ihn einen Mord-
brenner geheißen, zum Klapperstein condemnirt. 29. November
1752.
50
Betterdiebinnen, Catharina St., Johannes B's Frau, und Anna
Z. von nizach, so Better aus den Ställen mit einander gestohlen;
die erste an Pranger gestellt, mit Ruthen gestrichen und verwie-
sen; die zweite unten daran gestellt, ans ScheUenwerk erkant und
soll mit einem Blech auf dem Rucken durch die Stadt geführt wer-
den. 14. 21. Februar 1758.
51
Jarmarktdiebin. £ine Diebin die auf dem Jahrmarkt gar
vielerley Articul hin und her gestohlen, 1 Stund an Pranger^ 6
Streich und gebrandmarkt, 20. September 1756.
52
Veruntreuungen. Die Bettelmutter im SpitaP) wegen Un-
1) In Colmar mosten die Delinquentinnen spizzulaufende Stroh«
hote tragen.
2) Vgl. No. 43 u. 45 Anm. 4.
3) Vgl. No. 37 Anm. 2.
4) Vgl. No. 28 Anm. 2.
256
treo mit der Geigen an alle 4 Thor geführt and 4 Wochen ans
Seheüenwerk geschlagen. 5. Janoar 1758.
53
Marktdicbmnen an Pranger gestellt, mit Buthen gestrichen;
die einte gebrandmarkt nnd verwiesen. 28. Jnni; 4. Jnli 1758.
54
Bigamie. Johannes M., ein Schirmsverwandter ^), wegen be-
gangener Bigamie, da die Frau erster. Ehe conniviert '), ein Stnnd
an Pranger gestellt, die Buthen hinten aufgesteckt und ewig ver-
wiesen. 25. April; 2. Mai 1759.
56
Baumw6lldiehinnen% Junge Mägdlein die Baumwolle ge-
stohlen, 14 Tag ins Castdl und mit der Kuglen zu schaffen con-
demnirt; sollen auch alle 3 Tag oö^^priS^eU werden. 21. November
1759.
56
Kleiderdiebin. Eine Landtfarerin, die 2 Kindern vor dem
Thor die Kleidlein außgezogen, die zwar wenig werth waren^
1 Stund an Pranger gestellt, an 6 Orten mit Buthen gestrichen,
gebrandmarkt und verwiesen. 26. Juli 1760. •
57
Indienne-Biebstul mit dem Strang bestraft. 21. November
1760.
58
Leinen- und Wollendiebstal. Rudolff Sigrist, von Meister-
schwanden ^), der ab dem Spithal- Graben einige Stuckh weiß leinen
Tuch, und ab dahisiger Ramme ein Stuckh Wolleutuch gestohlen;
Michel Spring, von Reitingen, Berner Gebiets, so ihm dazu An-
leitung gegeben und an dem Diebstahl theil genommen, auch son-
sten noch einige Diebstahl begangen, beyde peinlich befragt, and
1) Schirmsverwandte oder Hintersiiß konnten das gefreite Bürger-
recht erkaufen; sie musten aber wenigstens 3 Jare in der Stadt ge-
wont, guten Leumund, drei Gewerfe abgerichtet und ir eigenes Haas
haben.
2) Damit einverstanden war; deswegen wurde er zu einer gelin-
dem Strafe verurteilt; denn in der Mülhauser Ehegerichts -Ordnung
Art XVII [ § 3 ist bestimmt: „Ein Mann der bey Lebzeiten seiner
Frauen noch eine andere Frau nehmen, oder eine Frau die noch einen
andern Mann nehmen würde, soll nach der Hals -Gerichts -Ordnung
Kaysers Caroli V., peinlich, das ist am Leben oder mit dem Sltoufr-
Besen gestraft werden." Cf. Carolina Art. CXKL
2) Die erste Baumwollzeug- oder Indienne-Fabrik zu Mülhausen
wurde im Jare 1746 durch Jacob Schmalzer, Samuel Köchlin und Johann
Heinrich DoUfus gegründet. Es folgten ir bald merere andere, wo-
durch nach und nach vile, auch fremde Arbeiter herbeigezogen wur-
den. Diebstaie in denselben wurden aufs schärfste gestndft.
4) Canton Aargau.
257
nach gehalteDem Gonsilit) zu Basel, obschon das Verbrechen groß,
mit dem Strang verschont; für 8 Jahr auf die Galeerm oder den
Galeeren gleiche Straff condemnirt; 1 Stund an Pranger gestellt,
an 3 Thore geführt und wieder in die Gefangenschafft ; auf diesem
Weg aber an 9 Orten scharf mit Buthen gestrichen. 11. 28.
April; 28. May; 19. Juni 1760.
Sind fiir obige Zeit allhier in Ketten und an den Karreti
erkant worden. 3. Juli 1760; haben aber Mittel gefunden sich
aus dem Gasteil über die Ringmauer flüchtig zu machen. 4. Fe-
bruar 1761.
59
Weindiebin, Eine Magd die ihrem Meister Wein gestohlen,
mit der Geigen herumgeführt , ein Krug hinten an ; hannisiert,
17. Juny 1761.
60
Reinhard M. von Illzach, der im Wii-thshans gesagt, er
wolle nicht in Himmel, und noch dazu Betheuerungen gebraucht,
2 Tag in Walkenthurn gelegt, alsdann soll er zu Illzach in Thurn
bleiben und allda ein Kirchenstand thun. 11. November 1761.
61
Kleiderdiebin. Eine fremde Frau die in Meister Theobald
Steinbach's Hauß in Illzach ein Pack Kleyder gestohlen, so über
200 Livres werth wäre, so man aber gleich wieder zu Händen ge-
bracht; wegen dem Gesinde mit dem sie herumfart, die Daumen-
Stock angelegt*), an Pranger gestelt, an 8 Orten der Statt mit
JRiU?ien gestrichen und bannisiert, propter gravitaiem, mit dem
Zeichenbrennen verschont. 13. 18. Juli 1763.
62
Kindesmörderin. Anna Maria G. von Fortschwihr, bei Col-
mar, so bei einem Becker der Statt gedient, zum Schwert erkant,
weil sie ihr Kind getödtet. 8. P'ebruar 1765.
63
Betrügerin, Rosina H. die in Commissionen von YerkaufiP und
Pfandern allerhand Betrug ausgeübt, und eines unehelichen Kinds
niederkommen, als ein lasterhafftes Mensch, Vi J&^^ ^"s Schellen-
werk geschlagen, mit einem Blech auf dem Bücken. 16. April
1766. Zum 2ten mal, 2. Novembris 1767.
64
Gottlose Beden, Hans Georg E., der Schneider, wegen gott-
loser Reden und Fluchen, 1 Jahr ins Castell auf Wasser und Brod
erkant. Indessen solle ihm durch die Herren Geistlichen zuge-
sprochen werden. 22. Juni 1767.
65
Anzügliche Schriften. Hr. Johann Georg Seh. jgr., der an-
1) gefoltert.
Birlinger, AlemMmiA VU 8 17
258
stößige Schriften voll critisch politischer Boßheit gegen U. 6. H.
die Schweizer und die Leder-Commission ^), auch gegen den Hm.
Bürgermeister Hofer und den Stattschreiber aufgesetzt:
1^ Zur schrifftlichen Äbbitt condemniert,
2^ Die Schrift zerrissen,
3® Drei Jahre seines Dreier- Amtes*) suspendirt,
4^ Alles Libellieren ^) bey Strafif eines Stohrers der allge-
meinen Ruhe ^) verbotten. 25. Jannar; 1. Februar 1768.
66
Lederstempcl verfälscht. Paulus Seh., so beim Lederbureau *)
angestellt, hat mit einigen Andern falsche Lederstempel , nach
einem Muster das er im Bureau entwendet, verfertigen lassen.
Mehrere dieser Hämmer wurden bey dem Saffianer Peter E. ge-
funden, welcher bannislert. Paulus Seh. zu 14 Tag Thurtn und
3 Monaten ins Haus hamiisiert und sein Amt verloren. Seine
Mutter soll 200 Livres Restitution zahlen und 300 Livres Geld-
strafe. 10. 15. März; 19. April 1773.
67
Gelddiehstäl. Feißel Kabz, ein Betteljud, sich von Sept^)
angebend, stiehlt im Kornhauß dem Metzger Schollen, von Batten-
1) Die Ledercommission ^ auch Lederbureau genannt, wurde im
Jare 1760 vom Magietrat eingesezt, um die Ausfur des in Mülhaasen
fabrizierten Leders nach Frankreich zu erleichtern ; dasselbe war einer
bestimmten Taxe unterworfen und muste gestempelt werden.
2) Die Dreier waren je drei Bürger, die aus jeder der 6 Zünfte
gewält uud dem Großen Rate beigegeben wurden. Sie waren im Jare
1740 eingesezt worden, bei der demokratischen Umwandlung des Stadt-
regiments.
3) Ein obrigkeitliches Mandat vom 9. Dezember 1733 hat hier-
über folgenden Beschluß gefast:
„Wegen dem überhand genommenen PasquiÜen- Aussirenen, ist
folgende Ordnung per mandatum auf den Zünften gemacht worden:
P Jeder Bürger soll bey Ehr und Eid anzeigen, wenn ihm der
Urheber und Verfasser der ausgestreuten Pasquillen bekant ist.
2^ Wer es angibt soll verschwiegen bleiben und 100 Thaler Be-
lohnung erhalten.
3^ Wer künftighin eine Pasquille findet, soll sie gleich zerreissen
und verbrennen und niemand etwas davon sagen, sonst soll er für den
Thäter gehalten werden.
4° Die Wächter sollen des Nachts auf diese Nachtvögel fleißig
Achtung geben und die Verdächtigen gleich anhalten.*'
4) „Wer wieder die beschehene Angelobung den Frieden bricht
und Thätlichkeiten verübt soll als ein Stöhrer der allgemeinen Buh
angesehen, und nach Befinden an Leib und Gut gestrafft werden." Sta-
tuten der Stadt Mülhausen vom Jare 1740 Art. XXX § 4.
5) Sih No. 65 Anm. 1.
6) Die beiden Dörfer Ober- und Nieder-Sept ligen im Largtale,
Kreis Altkirch.
259
beim^), eine Blatten mitt Lonisd'or, Silbergeld, nnd wirft sie bin-
terdie Sack; 1 Stund an Pranger gestellt, an 7 Orten der Statt
mit i^tt/^» gestricben, gebrandmarcki und ewig bannisiert 14. 15.
20. Mart. 1775.
68
Biebstal und Hurerei, Barbara Mooß, von Ziramersbeim *),
wegen Diebstabl und Uurerey mit dem Strohkranjs und der Geigen
an alle 4 Thore geführt. 26. Mai 1779.
69
Lästerliche Beden. Chriscbona, von BibP), Niclaus V's Frau,
wegen ärgerlicber, lästerlicber Reden, zum EJapperstein condem-
nirt. 28. Februar 1781.
70
Diebstäle. In den Jabren 1780 und 1781 fielen zablreicbe
Diebstähle in den Fabriken, Bleichen und dem Robrscbützenbause^)
vor. Die Schuldigen , ^ 7 an der Zahl, wurden also gestraft: 20
Jahre auf die Galeeren; lebenslängliches Zuchthaus und mit Eu"
then gestrichen; Ualseisen und 20 i9,hT Baspelhau^\ Z id^hre Sehet-
lenwerk. Einer der entwischte wurde in effigie an den Galgen
gehängt; ein Anderer, den die Marichaussee ins Burgundische
bringen sollte, wo er ebenfalls gestohlen, wurde bei der Ziegel-
scheune zu Pfastatt^) erschossen, weil er entwischen wollte und
ohne weiters durch Hrn. Amtmann zu begraben befohlen.
71
Fälsche Schriften, Charles Guerin, der Gärtner von Sie-
rentz*), der zum Verkauf seiner Bäumlein falsche Brief gemacht,
wird zum Ersatz condemnirt und zweimal ans Schellemverk oder
an Pranger (gestellt) und die Btähen hinten aufgesteckt. 1. 5.
Juni 1782.
72
Diebstäle auf den Bleidien, Am Ende 1782 und anfangs
1783 kamen auf den Fabriken- Bleichen wieder zahlreiche Dieb-'
stähle vor. Die Herren Köchlin entdeckten zu verschiedenen malen
in Beifort verkaufte Waare; zwei solcher Verkäufer wurden noch
Golmar geführt, Johannes Schneider und Johannes Heklin von Ge-
venat bei Masmünster''). Sie werden den 12. und 21, Februar
1783 ex capite criminis majaris reclamiert und nebst ihren Wei-
bern ausgeliefert, den 5. März. Anton Heklin von Gevenat und
1) Sih oben No. 25 Anm. 2.
2) Sih No. 7 Anm. 2.
3) Bühl, im Gebweilcr Tale.
4) Vor dem Jungcütore, jezt eine Bierbrauerei.
5) Dorf, welches damals zum Amte Brunnstatt gehörte; jezt im
Canton Mülhausen gelegen.
6) Großes Dorf auf der Straße von Mülhausen nach Golmar.
7) Westlich von Mülhausen.
260
Johann Helg von Tranbach^) werden als Mitschuldige erklärt,
reqnirirt und aasgeliefert, den 8. und 12. März. Den 81. März
wird nnn, nach gehaltenem Criminal-llathe, wegen obiger Dieb-
stähle erkant: Johann Schneider und Anton Heklin zum Strang \
Johann Heklin und Johann Helg, den Strick am Hals mit den
Vorgenannten, nach gehaltener Malefiz, zum Galgen geführt^ mit
Buthen gestrichen; der erste für ewig; der zweite fElr 20 Jahr
zur Galeere verurtheilt. Ihre Weiber ans Halseisen gestellt, als
Mithelferinnen, und mit Buthen gestrichen; doch die Eine, wegen
Schwangerschaft, verschont.
Den 4. April 1788 wurde Malefiz gehalten und die Urteile
exequirt. Weil die Maleficanten katholisch, so wurden inen zwei
Herren Patres Kapuziner von Landser^) berufen, die sie zum Tod
bereiteten, neben inen im Malefiz sassen und mit ihnen biß zur
Execution giengen.
Dise Toleranz und Begleitung ist im Lande wol aufge-
nommen und die Urteile gelobt worden. Golmar^) war sehr za-
rieden. 3. April 1783. (Josua Hofer.)
73
Hausdiebstal, Barbara G., wehren gestohlenen Hauben, Man-
chetten und Spitzen bei Hrn. Zunftmeister Cornetz, wo sie ge-
dient, mit der Geigen an alle 4 Thore geführt und bis Johannis
mit den Kugeln am Fuß in die Spinnstube gesetzt. 13. Februar
1784.
74
Kirchendiebstal, Jacob D., der Todtengräber, bestiehlt zu
mehrern malen die beiden Opferstöcke der französischen Kirche,
indem er durclj die Oeffnungen ein Fischbein mit Pech beschmiert
hineinsteckt und so Geld herauszieht. Diesen Diebstahl trieb er
mehrere Jahre, und fährte sogar einen seiner Knaben dazu an.
(Er hätte den Strang verdient.)^) Es wird gegen ihn erkant:
Er solle den Strick am Hals vom Halseisen zum Galgen geführt;
im Rückweg, an 9 Orten mit Buthen gestrichen, gebrandmarkt und
für ewig auf die Galeere verurtheilt sein. So lange der Vater am
Halseisen stand, wurde der Sohn Heinrich auf dem Bathliausbänk-
lein ausgestellt; alsdann zu 6 Monat ScheUenwcrkarbeit verur-
teilt, des Bürgerrechts verlustig erklärt und für ewig aus der
Stadt verbannt. Der Ersaz des gestohlenen Geldes betrug 300
Livres. 17. 30. März; 4. April 1785.
1) Südwestlich von Mülhausen.
2) Vgl. No. 17 Anm. 3.
3) d. h. die Richter des Conseü souverain d*Älsaeef welches in
Colmar seinen Siz hatte.
4) Zusaz des Stadtschreibers Josua Hofer.
261
75
Vagtibund. Joseph First, ein Judenstudent, aus Halle in
Sachsen, wird als Vagabund an alle 4 Thore geführt. 25. Fe-
bruar 1789.
76
Jahrmarktdiebin. Catbarina Beck, von Pfaffenheim ^), wird
wegen Diebstahl in einem Laden, am Jahrmarkt, 1 Stund auf das
Bathhausbänklein gestellt ; mit der Geige an alle 4 Thore geführt ;
erhält 12 Prügel und wird bannisiert. 26. Mai 1790.
77
ungestüme Äuffürung, Peter St., der Kiefer, führt sich in
Illzach gar ungestüm auf; für 8 Tag in Thurn und 1 Jahr eir-
und wehrlos gemacht 13. Juni 1792.
78
Unbürgerliche Beden, Paulus M., der Vater, wird wegen
unbürgerlichen Reden zu 600 Livres verurtheilt. 10. October
1793.
79
Charivari '). Ein ärgerliches Gharivari vor Peter Reinhard's
Haus bestraft. 27. August 1794.
80
Beschimpfung eines Zunftmeisters, Jacob W., der Färber,
wegen Unbescheidenheit gegen den Herrn Zunftmeister auf der
Ackerleutzunft, wird Vä Ja^^r des Dreier- Amtes ^) stillgestellt. 6. No-
vember 1794. Aug. Stoeber, Mülhausen i. E.
Alachmannen oder Allemannen?
In den Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 16 S. 217
bis 277 hat Herr Dr. Baumann in Donaueschingen einen Aufsaz
unter dem Titel: „Schwaben und Alamannen, ihre Herkunft und
Identität" abdrucken lassen, dessen vilfach beachtenswerte Resul-
tate bereits von Andern gebürend hervorgehoben worden sind.
Möchten auch nur einige derselben neu sein, so hat doch der Ver-
fasser es verstanden , durch Zusammenstellung aller von im und
von andern gefundenen Säze eine überwältigende Wirkung hervor-
zurufen, und man darf im wol großen Dank für die umsichtige
und fleißige Arbeit zollen, wenn man auch mit einzelnen Behaup-
tungen, die er im Verlauf der Erörterung vorbringt, nicht einver-
1) Dorf, südwestlich von Colmar.
2) Eine Kesselmusik die, biß in die dreißiger Jare noch, vor
einem Hochzeitsbause aufgefürt wurde, wenn eines der Brautleute oder
beide Wittwer oder Wittwe waren.
3) Sih No. 65 Anm. 2.
262
standen ist. Um den Eindruck diser gehaltvollen Abhandlung, die ich
leider erst in lezter Zeit zur Haud bekommen habe, mir selbst and
andern nicht zu stören, will ich die sachlichen Einwände, die ich
gegen dise uud jene Argumente darin zu machen hätte, jezt noch
zurückbehalten. Hingegen kann ich es nicht unterlassen, darza-
tun, daß der Verfasser, wo er sprachliche Unterrsuchungen er-
klimmt, sich zu weit auf die Aeste hinaus wagt. Die nachfolgen-
den Blätter werden diß zu erweisen suchen. Der vilbesprochene
Alleuiannen-Name bedurfte nach Herrn Baumanns Hypothese einer
neuen Erörterung, die um so weitschichtiger angelegt werden
musto, je ausgedenter und verwickelter das Nez von Irrtümern an-
gewachsen ist, das sich allmälig um den Ursprung dises berümten
Volksnnmens gelagert hat. Es wird dadurch den Lesern onehin
zum Bowustsein gebracht werden, eine wie schwinge Sache es ist
um die Erklärung altgermanischer Namen, deren Verständnis noch
lange nicht dadurch nahe gebracht wird, daß man sie leidlich zu
übersezen weiß. Meine Arbeit bedarf der Nachsicht ; auch bin ich
befriedigt, wenn man ir nachsagt, sie habe wenigstens die richtige
Karte getroffen. Die Hypothese von der Identität der Allemannen
und Semnouen braucht dadurch nicht zu fallen; die Allemannen
können Semnonen sein, wenn auch ir Name anders als mittels des
heilfgen Haines erörtert wird.
Es mag sich hier zuerst um die Frage handeln, was für eine
Betloutung der zweite Bestandteil des Compositums Alamanni ge-
habt habe. Neuere Erklärer dises Namens hielten sich arglos an
di<» jo/.igü Bedeutung des Wortes Mann und übersezten entweder
allorloi Männer" oder „ganze, tüchtige Männer, Helden^)". Mit
IWht behauptet Dr. Bauraann, daß bei der Erläuterung des Na-
mon« Alamanni das Wort man nicht in seiner virtuellen, sondern
\n noinor humanen Bedeutung aufgefaßt werden dürfe; allein einer-
n^itM wagt er dise Ansicht^) nur schüchtern zu äußern; anderseits
ttutorläst er eine ordentliche Begründung derselben, und drittens ist
or uioht. der erste, der dise Ansicht äußert, sondern bereits Jacob
Orinnn hat im Wörterbuche seine frühere Ansicht in disem Sinne
moiiiii/'ioi'^*
Um die älteste Bedeutung des Wortes man zu ermitteln,
^inlon wir gut tun, die synonymen Ausdrücke der altdeutschen
;g|>raohe, welche den Sinn Mann und Mensch tragen, einmal zu-
H^UiHnizuNtellen ; es sind diß hauptsächlich^): firahi, wer, charl,
Ij^o, man. Von firah homo ist nur der Plur. firahi homines
1) So Jacob Grimm in der Grammatik Bd. 2 (1826) S. 627. Gott.
^^ AuK. 1835 S. llOo (Kl. Sehr. 5, 196). GDS. Bd. 1 (1848) S. 498.
X|h|0I'" diiKegen Wörterb. Hd. 1 (1854), Sp. 218.
2) I>aß man die Bedeutung Mensch gehabt habe, ist selbstver-
gH^dlloh nicht erst heute entdeckt worden. Sih Grimm Gr. 8, 319.
0) Andere sehe mau bei MüUenhoff u. Soherer, Deukm. 2. Afl. S. 253.
268
nachzuweisen; dises Wort scheint den Menschen von seiner leih-
haftigen Seite aufzufassen, indem das Stammwort ferah Fleisch und
Blut, Leih und Lehen hezeichnet; aus dem Nibelungenliede wird
jedem der „verchwunde Sifrit", einfallen. Dem lat. vir entspricht
buchstahlich gotb. vafr, ags. ver, altn. verr. Im Ahd. ist dises
Wort nur noch in Zusämmensezungen enthalten: werikelt com-
positio viri (verschiden von dem modernen preußischen „Wehr-
geld^); weralt sevum, saaculum; werodheod complexus hominum;
werwolf lycanthropus (muß schon ahd. oder altfränk. vorhanden
gewesen sein, da das afr. garou in loup-garou darauf zurückfürt).
Vildeutiger als diso beiden vorangebenden Wörter scheint ahd.
charal charl gewesen zu sein, das im Sinne von vir, maritus und
senex gehraucht wurde. Im Altn. bezeichnete karlkyo das genug
masculinum und karldyr hieß mas. Die Angelsachsen sonderten
ceorl von carl in der Weise, das carl den Mann als Helden, ceorl
den Mann als Ehegatten bedeutete ; inen hieß carlfugel das Männ-
chen der Vögel, und wie wir Allemannen beute noch das Verbum
wib<> im Sinne des uxorem ducere vom Manne aussagen, so auch
die Angelsachsen vifjan und die Engländer noch zu Shakespeare's
Zeiten to woman: daneben sagten die Weiber in Altengland von
irer Verehelichung ceorljan wie weiland die Römerinnen nubere.
Bei so mannigfacher Concurrenz konnte das ahd.. gomo, gotb. ags.
guma, altn. gurai auf die Dauer keinen sichern Bestand fristen;
es ist bekanntlich nur noch in unserm „Bräutigam^ erhalten und
wird wegen seiner formalen Urverwandtschaft mit homo doch eigent-
lich auch den Menschen und nicht den Mann bezeichnet haben.
Alle dise Wörter überlebte das uralte, in seiner mythologischen
Verwendung (Mannus) bis in die Morgenröte deutscher Geschichte
zurückreichende Substantiv man, welches im Laufe der Zeit eine
mannigfaltige Anwendung in den deutschen Zungen gefunden hat.
Ursprünglich den Menschen von seiner geistigen Seite fassend, be-
zeichnete es in spätem Entwickelungsphasen der deutschen Volks-
gesellschaft bald den unireien Menschen in allen seinen Abstu-
fungen vom geknechteten Leibeigenen bis zum vornemen Dienst-
mann, bald den Mann als Helden und als Ehegatten. Es ist mir
nicht schwer nachzuweisen, daß das Wort man in altgermanischer
Zeit und bis zu Ende der Völkerwanderung den Sinn von homo,
nicht den von vir und conjux gehabt haben muß.
Ich brauche nicht einmal auf Mannus, den Vater aller Men-
schen (Grimm mythol. 319. 544. 52) hinzuweisen. Den ersten
Beweis liefert die goth. Sprache mit irem man, Mensch ; gaman,
Mitmensch ; manleika, Menschenbild ; manamaurthrja, Menschen-
mörder; nianas^ths, Menschensaat ; manniskddus, Menschlichkeit,
unmanariggus unmenschlich; dem entsprechend auch im Ahd. ma-
naheiti, manalihho, manaperga, manchunni, manezzo, manslecco,
manslaht: im Ags. manaeta, manböt, mancild, mancvealm, mancyn,
manmägen, mauslaga. Den zweiten Beweis nfime ich her aas der
264
Verwendung dises Subst. als unbestimmtes Pronomen. Zwar braucbt
der Gothe sein man oder manna dnrcbaus nur noch in der con-
creten Bedeutung yon Mensch, gerade wie auch der Römer sein
lat. homo nur concret verwendete; erst in der Verbindung mit
der Negation gewann der Gothe sein Indefinitum ni man und der
Lateiner' sein nemo (nehomo). Aber gleich mit den frühesten
Aufzeichnungen anderer deutscher Zungen erscheint man als Pro-
nomen: im ahd. Hildebrandslied, im altsächs. Heliand, im ags.
^ Beövulf, in der altn. Edda, gleichwie homo auch im ältesten Denk-
mal der franz. Sprache, in den Straßburger Eiden, auftritt (vgl.
Grimm Gr. 4, 220; Diez Gr. 3^, 292). Wie wäre es nun möglich
gewesen, dises Wort als Indefinitum zur Vertretung aller Personen
und Geschlechter in abstractester Weise zu verwenden, wenn man
als Subst. ursprünglich die Begriffe vir, heros, conjux bezeichnet
hätte? Wie könnten deutsche Schriftsteller das Pronomen man anch
von Frauen gebrauchen, wenn das Subst. Mann einst nur das
starke Geschlecht in sich gefaßt hätte? Von wesentlicherm Be-
lang für unsere Erörterung ist aber drittens, daß schon der Gothe
aus seinem Subst. man ein Adj. manisk, und daß ebenso das ahd.
mennisk, das ags. mennisk, das altn. menskr in evidenter Ab-
stammung von man doch nur die Bedeutung menschlich (hnmanus),
niemals die von männlich (virilis) haben, wie denn aus disem ahd.
mennisk geradezu ein neues Substantiv, nämlich mennisko (Mensch),
erwachsen ist. Nun wäre doch sonderbar, daß der Sinn des Ad-
jektivs auf dise Bedeutung (Mensch) des Substantivs man zurück-
füren sollte, wenn zur Zeit seiner Entstehung bereits die andere
Bedeutung (Mann) die herschende gewesen wäre. Es lert uns
viertens die Rechtsgeschicht«, daß ahd. man als Masc. den un-
freien Mann, altn. man als Fem. das unfreie Weib, mithin man
überhaupt den unfreien „Menschen", nicht bloß den unfreien
„Mann** bezeichnete, und daß manahoupit den Leibeigenen gleich-
sam als ,, Haupt Mensch** dem ,, Haupt Vieh" an die Seite stellte.
Und wenn das alles noch nicht überzeugend genug wäre für die
aufgestellte Neutralität des Sinnes, so mögen endlich noch Com-
posita wie gomraan und charlman angefürt werden, welche neben
dem ags. vifman (engl, woman) den .,Mannsmenschon'' dem „Weibs-
menschen** gegenüberstellen.
Aus diser Auseinandersezung hat sich ergeben, daß unser
deutsches Wort man anfänglich den Menschen und nicht den Mann
bezeichnete. Wir sehen uns daher gezwungen, das Wort manni
in dem Namen Alamanni im Sinne von homines zu interpretieren
und alle Deutungen, die auf viri, viri fortes, heroes u. dgl. aus-
gehen, abzulenen. Zum Ueberfluß wird unsre Auslegung noch
unterstüzt durch das bekannte Gitat des Agathias (um 550) aus
Asinius Quadratus (um 250): ol de ^AXaf.iavoi "Evitikvitg (a. L.
'E;vyxkv6bg) siaiv uvd-gwnoi (nicht uvSgsg) xat juiyaSsg^ d. h. die Alle-
manneu sind zusammengekommene (nach der andern Lesart .: zu-
265
8am mengespülte, durch Zufall zusammengebrachte) und gemischte
Menschen (nicht Männer). Hiczu stimmt auch der goth. Ausdruck,
den die Skeireins VIII 11 bei Auslegung von Job. 7, 46 ge-
braucht: sildaleikjandans fraujins laisein svikuntbaba in alläim ata-
mannam fauravisan rahnidedun , d. h. ,,bei allen Allmenscben^^ ^).
Disem Worte man^ welches nur Mensch bedeutete, will Herr
Dr. Baumann mit Recht das goth. vair, ags. ver, ahd. wer als ein
solches gegenüberstellen, welches den Sinn Mann gehabt habe.
Wenn er nun aber dises Wort wer in dem zweiten Bestandteil der
Völkernamen Angrivarii, Ampsivarii, Bajuvarii, Boructuarii, Chas-
uarii, Ghattuarii, Ripuarii, Teutovarii wieder finden will und den
sprachkundigen Jacob Grimm (GDS. 542, noto) darüber tadelt,
daß derselbe dises varii zu goth. varjan, ahd. werjan defendere
stelle, und daß er aus dem ags. vare, altn. veri (nicht weri) den
Sinn incola folgere, da doch aus dem Begriffe des Verteidigens
keineswegs one Sprung der des Bewonens hervorgehe — so
werden unsere Leser das Grundlose dises Tadels ser leicht her-
ausfinden, wenn sie folgende drei Wörter, die nicht verwechselt
werden dürfen, auseinander halten.
1) Da es wichtig ist, in welchem Zusammenhang diser Ausdruck
sich befindet, so will ich in hersezeD. Im Evangel. Joh. 7 wird der
gewaltige Eindruck geschildert, den die Worte Jesu auf das Volk mach-
ten, als er wärend des Laubhüttenfestes von Galiläa aus plözlich im
Tempel zu Jerusalem erschin und unter Anknüpfung au jene Ceremo-
nie, bei welcher der Priester zur Zeit des Morgenopfers unter Musik
und Gesang in goldener Kanne Wasser aus der Quelle Siloah in die
Altarschalen goß, seine durchschlagende Rede über das Wasser des Le-
bens hielt. Die Wirkung diser Rede muß überwältigend gewesen sein,
da sie eine große Aufregung im Volke für und gegen in hervorrief.
Die einen erklärten in für einen Propheten, ja sogar für den längst
erwarteten Messias; die andern aber ärgerten sich an im und stießen
sich besonders an seiner Herkunft aus dem verachteten Galiläa. Seine
längst erbitterten Feinde aber, die Pharisäer, Schriftgelerten und
Priester, welche mit Bangen seine Popularität zunemen sahen, erach-
teten dise Gelegenheit für günstig, um in endlich unschädlich zu machen,
in diser Absicht schickten sie Häscher aus, welche in fangen sollten;
allein dieselben scheuten sich, Hand an in zu legen, „weil, heißt es nun
in der Skeireins, seine heilige Kraft unsichtbar ire Bosheit noch un-
schädlich machte und nicht erlaubte, vor der Zeit in zu greifen. Es
kamen daher die Diener zu den höchsten Priestern und Pharisäern, und
diso sprachen zu inen: Warum habt ir in nicht gebracht? Die Diener
aber antworteten und sprachen, daß nie ein Mann so geredet habe wie
diser Mann. Dise Antwort aber gereichte jenen zum Tadel, zur Ver-
dammung ires Unglaubens. Denn die Diener antworteten auf die Frage,
warum sie in nicht gebracht hätten, one Rücksicht auf die Bosheit der
Fragenden, sondern vilmer weil sie über des Herrn Lere erstaunt waren
und weil sie glaubten, dieselbe würde hei allen ÄUmenschen ofienbar
werden. Doch jene ertrugen in irer Verdorbenheit die Antwort irer
Diener nicht, sondern versezten voll Zorns, indem sie sagten: Seid ir
auch verfürt ?*
266
T. Ooth. vasti Kleid (oder vilmer ein Terlomet Stammwort
vaH Gewand), ahd. wer gaweri, mhd. wer gewer inTe«titiira fmit
d<^m aus a umgelauteten e) : davon das schwache Verbom goth.
vasjao, ahd. warjan, mhd. wem kleiden, bekleiden (wieder mit
dem Umlaut e).
II, Güth. Adj. vars behntaaro, ahd. stark. Fem. wara. mhd.
wäre war Aufmerksamkeit, Acht, Obacht, Schnz (lat. r^-eor); da-
von das schw. Verbum goth. varjan. ahd. warjan weijan. mhd.
wern schüzen, verteidigen, ebenso ags. verjan verteidigen nnd altn.
verja 1) verteidigen, schüzen: 2i hegen, im Arm halten (alles,
wie man siht, mit dem l'mlant e) : davon ital. gnarire. altspan.
guarir, prov. garir, 4*ranz. gnerir heilen.
III. Goth. vair, ahd. wer der Mann (mit dem ans i ge-
brochenen e); davon das schw. Verbum ahd. weren. mhd. wem
gewern gewäreu, bürgen : davon mlat. warens, ital. gnarento, span.
garante, franz. garant. prov. noch mit altem Stammvokal gnireu,
Gewärsmann, hievon endlich garantir guarentire etc.
Ks ergibt sich aus disen drei Wortgrnppen, dass die schwachen
Verben unter I) und II durchaus nicht zum Stammwort der drit-
ten Gruppe gehören, weil das schlechterdings der Vokalismus ver-
bitet; es ergibt sich femer zur Evidenz, daß von dem Stamm-
worte der dritten Gruppe das von den Römern in zusammenge-
sezten Völkernamen überlieferte -varii nicht kommen kann, weil
das wiederum schlechterdings der Vokalismns verbitet. Schon
Jacob Grimm hat Grammatik 1-641 davor gewarnt, daß man vafr
wer mit disem -varii zusammenbringe.
Wie deutlich wer und -varii von einander geschiden sind,
erhellt am besten aus der ags. Sprache. Dort finden sich von .
ver Mann die Composita : folc-veras Volkmänner, leod-veras Leute-
männer (dazu von veri>d turha, agraen, multitudo: eorl-verod, flet-
verod\ Neben disen Substantiven weist jene Sprache aber fol-
gende, mit -varii stimmende auf: burhvare Bürger, Cantvare
Einwoner von Cantia« ceastervare castrenses, eordhvaras Erdbe-
woner, ge>-ar:*n c:ves. flätvere Chattuarii (Beov. 4720. 5827. Scop.
vids. 33 ■. hellevaraa Höllenbewoner, Rdmvare Einwoner v. Rom,
sigelvare Sonnenlvwoner. Aethiopen, Sodomvare Einwoner von So-
dom, svev^rdvei^ Schwertträger; ferner die Collectiva : buruhvaro
Bür>ren?chal>. Cantvam complexus Cantuarensium, landvara pro-
vinoia. ot'astervaru arx. Disem vare entspricht altn. veri, Plur.
verjar in sk:pvori rauta. skogverjar qui silvam incolunt, Silvani,
Rdinverj*^r Komani, eyverjai- insulani; fem. Hevör Gnnnör Eyvör;
ahd. HeriuAra Guntwar* Albuera Frithawar Fnlcoara Haimoara
ll^^iwam Hildi^vam l.eul>overa Leudovera Raginwara Sigoara
l^ /a uaur^uchen bleiben noch die ags. OrUnamen: Billanora
267
Sovil ergibt sich , daß das -varii lautlich mit vollem
Rechte zur zweiten Gruppe gestellt worden ist, wenn auch zuge-
geben werden kann, daß die Bedeutung des Wortes uns noch
nicht durchsichtig genug erscheint *). Für die wissenschaftliche
Etymologie kann nicht dringend genug die Forderung aufgestellt
werden: Man soll nicht zuerst eine Sach- und BegrifiPsableitung
sich zurechtlegen und alsdann den Wortlaut darnnch meistern,
sondern man soll bei jeder Etymologie, die man aufstellen will,
zuerst die Lautlere und die Grammatik überhaupt in Betracht
ziehen! Dise Forderung, welche alles Etymologisiren nach der
alten Mode, und wäre es noch so geistreich, unbarmherzig unter-
sagt, bildet eine Hauptregel der Sprachwissenschaft, wie sie von
Grimm und Bopp begründet worden ist.
Nachdem Herr Bauraann die Ansicht, als bezeichne der Name
AUemanneu eine Bundesgenossenschaft verschidener an der Main-
linie wonender Völker, zurückgewisen, und nachdem er angedeutet
hat, es sei das Allemannenvolk von Anfang an ein Suebenvolk
gewesen, sucht er die Identität desselben mit dem Semnonenstamm
darzutun, jenem Kernvolke der Sueben (caput Sueborum), welches
im lezten Viertel des 2. Jarhunderts von der Spree (oder der Lausiz)
an den Main gewandert sei '). Den neuen Namen Allemannen hätten
dise Semnonen hier im Süden von iren Nachbarn, etwa den Chat-
ten, Heimunduren und Burgundern, mit denen sie sich widerholent-
lich herumgeschlagen, empfangeu; besonders den Hermunduren,
als unmittelbaren Nachbarn der Semnonen, sei der Hain des sue-
bischen Nationalgottes Ziu im Semnonenlande gewissermaßen der
Götterhain par excellence gewesen; sie hätten darum dem suebi-
Boganora Bäccesora Bucganora Readanora Cumenora Boxora Toppo-
sora Icenora bei Leo, Rectitudines 79. 80.
1) Uebrigens sind die Begriffe verteidigen, weren, hegen, pflegen,
vereren gar nicht so unvereinbar, wie Dr. Baumaun glauben machen
will; man darf nur die Bedeutungen des altn. Verbums vorja und der
romanischen Ableitungen ins Auge fassen.
2) One Herrn Baumanns Schrift und Meinung zu kennen, habe
auch ich ungeför gleichzeitig bei Abfassung und I)rucklegung des 3.
Bogens ^1876) meiner Geschichte des Schweiz. Bundesrechtes Bd. 1, 39
nach dem Vorgange von Jacob Grimm (GI)S. 1, 498. 518) die Vorstel-
lung einer Conföderation verschidener Völkerschaften, die man gewön-
lich mit dem Namen Allemannen verband („allerlei Mannen*'), abgewisen
und die Herkunft der Allemannen aus Norddeutscbland und zwar aus
der unmittelbaren Nachbarschaft der Angeln vermutet, indem ich auf
die merkwürdige Einstimmung einer großen Zai englischer und alle-
mannischer Wörter und das ags. Wanderlied hinwis, wornach Angeln
und Schwaben neben einander zu einem Reiche verbunden waren (hcöl-
don fordh siddan Engle and Svsefe, svä hit OfFa geslöh. d. h. fortan be-
haupteten es, das Reich, Angeln und Schwaben, wie es Offa durch Kampf
erfochten hatte).
268
sehen Kernvolke, nachdem dessen hieratischer Name durch den
Auszug aus dem Zialande hinfallig geworden, keinen prägnantem
Namen schöpfen können als den der Alahmann&, der Leute von
Zins alah, der „Leute des Götterhaines ", wenn anders sie in dem
neuen Namen auch die Herkunft irer Bedränger aosdrficken
wollten.
Es istf wie man hemerkt, hier wieder derselbe Gang etymo-
logischer Untersuchung eingeschlagen worden, wie er sich so oft
bei Geschichtsforschern findet: eine schon fertige Vorstellung von
der Sache soll nun auch noch die philologische Weihe empfangen;
einer historischen Hypothese zu Liebe, deren Annembarkeit ich
jezt nicht näher untersuchen will, muste ein entsprechendes Wort
im Wörterschaze aufgestöbert und so lange zurecht gehauen wer-
den, bis es zu Paß kam.
Durch solches Vorgehen, das immer noch seinen Beifidl fin-
det, wird die philologische Kritik angereizt, die Frage zu unter-
suchen: Ist die Ableitung des Namens Alamanni von alah mög*
lieh? Es verstet sich von selbst, daß ich bei Elrörterung diaer
Frage nicht von der Bedeutung, sondern von der Form des Ety-
mons ausgehe.
Alah kommt als selbständiges Wort im Ahd. nirgends mer
vor, sondern nur in Zusammensezungen von Ortsnamen und Per-
sonennamen wie Alahstat, Alahdorf, Alahesfelt, Alabesheim, Alah-
swint, Alahwich, Alahwin, Alahfrit u. dgl. Länger erhielt es sich
bei den alten Sachsen des Festlandes; denn im Heliand, wo doch
christliche Dinge besungen werden, findet sich das heidnische Wort
alah widerholentlich gebraucht. Im Angelsächischen biten gote
Handschriften die alte Form alh; daneben aber kommt immer
mer die umgclautete Form ealh eal in Gebrauch.
Allen disen Formen stet das goth. alh gegenüber, welches
feminini generis ist, wärend die vorhin genannten männliches Ge-
schlecht an sich tragen. Dem Altn. scheint das Wort zu man-
geln, müste aber dort nach Grimms Vermutung alr Gen. als lau-
ten. Es ist auch niclit außer Acht zu lassen, daß dises Wort
sich nahe berürt mit ahd. elaho alces alce, mhd. eiche, ags. eich,
engl, elk, altn. elgr, das Elenntier.
Käme nun der Name Alamanni von jenem alah, so mäste er
gelautet haben:
Sing. goth. Alhman Plur. Alhmans für Alhmannos
ahd. AI ahmen « A lähmen ^ Alahmanni
alts. Alahmau „ Alahman „ Alahmannoe
ags. Ealhman « Ealhmen ^ Elalhmenni
altn. Almadhr „ Almenn „ Almennir.
Se/en wir die .Abstammung des Namens Alamanni von aUi
mit Hrn. r>auniann vorläutig als richtig voraus, so entstet die
Frage : Waren die Römer im Stande, in irer Sprache das analan-
teude h des deutschen Wortes widerzogeben? Hr. Banmann vor-
269
neint dise Frage darch folgende Säze. Man darf sich, sagt er,
an dem Feien der Spirans h in der lat. (^und griecb.) Form des
Namens nicht stoßen ; denn
1) Den Römern und Griechen, welche uns den Namen der
Allemannen überliefert haben, verbot ire Sprache die Bezeichnung
eines auslautenden h (sie konnten demnach, obwol man inen Alh-
mannds Alahmannä vorsprach, mit dem besten Willen nichts an-
deres nachsprechen als Alamanni).
2) Wäre das auslautende a in alah nicht durch nachtönen-
des h gestüzt gewesen, so müsten wir wenigstens hie und da bei
den römischen Schriftstellern einer Form Alomanni, zu der das
Analogen Marcomanni, Langobardi drängte, oder einem abgeblaßten
Alemanni begegnen.
Es wird erlaubt sein, dise Behauptungen auf Richtigkeit oder
Unrichtigkeit zu prüfen.
Ad 1. — Was die Aussprache des h bei den alten Römern
betrifft, so hat Gorssen in seinem bekannten Werke dargetan, daß
der Buchstabe h im Altlateinischen sowol die gutturale oder pa-
latale Aspirata als auch den bloßen Hauchlaut der Spirans ver-
sinnlichte, daß aber freilich bereits zu der Zeit, als die Italiker
ire Alphabete aus Hellas entlenten, der Laut ch im Verschwin-
den begriffen war und sich vilfach zu dem Hauchlaute h verflüch-
tigt hatte. Spuren der altern palatalen oder gutturalen Aspirata
lassen in der Tat die beiden Wörter trahere tractum (goth. threi-
han, ahd. dringen), vehere vectum und weiterhin vectura vectis
(goth. gavagjan v^gs vigs, ahd. wagan) noch durchblicken. Aber
fremde Namen mit ch, wie z. B. die phönizischen Channibal Chas-
drubal Chamilcar sprachen die Römer bereits mit h. Die Natur
des lat. Hauchlautes war indeß so flüchtig, daß, obwol uns ein-
zelne Grammatiker dessen richtige Aussprache zu veranschaulichen
sich bemühen, die Volkssprache, ono die Theorie zu beachten, in
mer und mer vernachlässigte und auch die litterarisch gebildeten
Römer diser Nachlässigkeit allmälig nachgaben. Wenn daher schon
in lat. Wörtern Aussprache und Schrift schwankte (man findet ja
bereits seit Cäsars Zeiten eredes aruspex Ostilius oedos ircos ge-
schriben oder gemeißelt), so darf man sich nicht wundern, wenn
diß bei den Fremdwörtern ebenso der Fall war, die ins Latein
aufgenommen wurden, wenn also neben habrotonum halleluja Ham-
mon Hiberns Hister auch abrotonum alleluja Ammon Iberus Ister
gelesen wird. Vollends im Inlaute und hier in lateinischen wie in
fremden Wörtern verschwand der Hauchlaut zuweilen ganz : nehemo
nemo, vehemens vemens, prehendo prendo, nihil nil, und im Aus-
laute ist, soweit wir schriftliche Aufzeichnungen lateinischer Sprache
kennen, nie ein h geschriben worden. In den Töchtersprachen
des Lateinischen sind die h weiland lateinischer Wörter bis auf
wenige Spuren im Französischen und Walachischen verklungen^
wenn schon die Orthographie sie immer noch zähe festhält.
270
"Eh stet nicht zu erwarten, daß die Rdmer Wörter der deiit-
Mclion Zunge günstiger werden behandelt haben als diejenigen an-
der«;r Zungen; behauptet doch Pomponins Mela (in der Mitte
df!if 1. Jh. nach Chr.j von den Namen deutscher Berge: quorum
ijofnina y'ix est eloqui ore Iloroano. Und gleichwol wenn wir die
römischen Aufzeichnungen germanischer Namensformen mit den
i;ritM|>recbendcn Formen unsrer ältesten Sprachdenkmaler Terglei-
dum, so mÜBsen wir zugestehen, daß die Römer es nicht feien
lii;ßc'n an Genauigkeit der Widergabe und nur da yon dem, was
ifion vorgesprochen wurde, abwichen, wo die Eigentümlichkeit irer
Hproclie sie abzuweichen zwang. Zumal mit den deutschen Aspi-
rationen geriten sie in Verlegenheit, weil ire Sprache dergleichen
HO gut wie gar nicht besaß. Wenn nun gleichwol in den deut-
ffclien Namen, welche sie uns überliefert haben, bald ein h, bald
Ntatt deKselben ein c oder ch erscheint, so sind die Römer in sol-
chen) Wechsel der Bezeichnung erwisener Maßen nicht irer Will-
kür, Fondern der dialektischen Aussprache, wie sie bei einzelnen
d<;iitHcben Stammen schon für jene 2^it sich nachweisen läßt, ge-
folgt und nur eins kann auf Rechnung der Römer gesezt werden:
die L/nterdrücknng des h. Wir finden daher eine vierfache Be-
handlung des deutschen Hauchlautes in den von römischen Au-
iorim überlieferten deutschen Namensformen: Das h und dessen
Unterdrückung nach römischer Weise einerseits, aber auch die
Aspiration des h zu ch und dessen Verdichtung zu c. Beispiele:
Ilariobaudes Halidegastes Hartomundus Harudes H^mli Hilderieus
llilpericus Hunimundus Hunila Hermegisclus. Ariovistus l^gioyai-
no<; *AQif.i6v& lldico lldigisel. Chariomerus Charietto Xagioßtiv&rjg
(Ümmavi Chasuarii Ghatti Ghattuarii Cherusci XtXiiße^iog. Silva
('aesia Cauchi Caucaland Caiioviscus Cariovalda Gatumeros Ga-
tualdaGrocus; zur Bestätigung mag auch der Uunnenname hieher-
gezogen werden: Xovvoi Ghuni Hnni. Aber auch mit dem inlau-
tenden deutschen Hauchlaut verfur man so, daß man in bald an-
deutete, bald unterdrückte, bald aspirierte: Araharius Gumoharius
yfttO(A(jig ^Fi/ofAi()Tjg Ovdkdagog BavSaXagtog rofxaQiog Thusnelda
(f. Thursinhildaj Theodatus (f. Theodahatus) Droctoveus Bructeri.
Die wichtigste Frage für unsere Prüfung ist nun aber die:
Wenn die Römer im Auslaut irer Silben und Wörter kein h dulde-
ten, wie konnten sie denn l^ang und Form solcher deutscher Namen
widergeben, welche disen Auslaut enthielten? Antwort: Nachdem
h nicht möglich war, bliben noch zwei Arteu der Nachbildung
übrig, nämlich mit ch und c, und obendrein konnten sie den Laut
ganz unterdrücken. Beispile: Hunrich-us ^Ovcigi/'Og Malarich-us.
Oherusc-i Aduatuc-i Bac-enis Triboc-i Peuc-ini Groc-us Harderic-us
Hilderic-us Hilperic-us Theodoric-us Alaric-us XXw&ocuog Ghlo-
dovens.
Es ergibt sich hieraus, daß die Römer, wenn sie wollten,
Im Stande waren, das in deutsohen Namen auslautende h als c
271
und allenfalls als ch widerzugeben. Ire eigene Sprache weist ja
Wörter mit c im Anslaut: hie b»c hoc illic nee sie lac alec die
duc fac. Und wenn wir urverwandte Wörter germanischer und
römischer Zunge einander gegenüberstellen, so tre£fen wir dise Be-
obachtung bestätigt: haibs csecus, salaha salic-, varah porcus,
faihu pecu, faihs noix-iXog, nih nee, fraihnan precari, seh sec-are,
taihun dec-em, veihs vic-us. Solche auslautende h werden schon
in den germ. Sprachen bald festgehalten, zuweilen vergröbert, zu-
weilen unterdrückt, z. B. goth. anafilhs traditio, gafilhs sepul-
tura; ahd. elah alce, parah majalis, virah homo, walah peregri-
nus; ags. bearch majalis, vealh peregrinus. Ahd. malaha pera,
franz. malle, salaha salix, ags. sealh, voraha pinus, vuraha sulcus,
ags. vurh. marah equus, varah porcus, verah vita, ags. feorh.
Das Altnordische hat dise h im In- und Auslaute frühzeitig ver-
loren, ^. B. mar equus, valr peregrinus, fiör vita, und zuweilen da-
für media angenommen.
Vergegenwärtigen wir uns nun noch einmal das Wort alnh
in den verschidenen Formen, welche es in den germanischen
Sprachen annam, so konnten die Römer das h in alah, wenn sie
der Aussprache süddeutscher Völker folgten, unterdrücken und
ala sprechen und schreiben; oder sie konnten es zu ch oder c
vergröbern, wenn sie der fränkischen Aussprache nachgaben (alach
oder alac); oder sie konnten sich der gothischen Wortgestalt an-
lenen und dann gewannen sie alc. Demnach konnten sie, wofern
man das Etymon alah als das einzig richtige zu dem Namen der
Allemannen einstweilen annemen will, disen Namen dreifach wider-
geben: Alamanni, Alachmanni (Alacmanni) oder Alcmanni. Die
fränkische Form alach ist uns wol noch erhalten in dem alach-
falthio der LSalica, und die an^s gothische oder angelsächsische Wort
sich anlenende daueite in dem mlat. nlcha, d. h. penarium pars
sedis, in qua sunt cupse, fort, worauf icli nachher noch einmal zu
sprechen kommen werde. Zum Glück ist uns aber das Wort alh
alah AUS römischer Feder und zwar aus der des Tacitus erhalten
worden , wenn auch villeicht oder warscheinlich in misdeuteter
Anwendung. Germ. 43: apud Naharvalos antiquse rcligionis lucus
ostenditur: prsasidet sacerdos muliebri ornatu, sed deos interpre-
tatione romana Castorem Pollucemque memorant. £a vis numini,
nomen Älcis^): „Bei den Naharvalen zeigt man einen Hain von
altertümlicher Heiligkeit. Vorstand ist ein Priester in weiblicher
Tracht; aber als Götter bezeichnen sie, wenn man sich nach römi-
scher Weise ausdrücken soll, den Castor und Pollux. Diß ist das
Wesen der Gottheit, der (deutsche) Name aber Alken^\
Die Römer konnten also die Tenuis im Auslaute gebrauchen ;
1) Der Symmetrie mit numini wegen und nach dem lat. Sprach-
gebrauch (Gaio Mucio mihi nomen est) neme ich Alcis nicht wie Grimm
als Gen., sondern als Dativ.
272
sie konnten neben Alacmanni auch Alcmanni schreiben, wenn das
Wort alh alah zu Grunde lag; das so lautende Wort wäre inen
gewiß ebenso wenig widerwärtig gewesen wie die aus dem Grie-
chischen entlenten Namen Alcmseon Alcman Alcmene, oder der aus
dem Deutschen entlente Name alces Elenntier, oder die aus dem
Geltischen entlenten Wörter culcita coscnlium falco murcus olca
orca porca.
Aber die Römer schriben nun einmal nicht Alacmanni und
auch nicht Alcmanni, sondern Alamanni. Ebenso kennen die
Griechen keine AXanfiavol und keine ^Ahcfiavol^ sondern nur
^AXa/navoi, Wer nun gleichwol behauptet, das Ala komme von
alah her, der wird sich mit diser Tatsache abfinden müssen.
Ad 2. — Herr Baumann meint: wäre das Ala in Alamanni
ein deutsches ala, wie gewönlich angenommen werde, so müsten
wir bei dea römischen Schriftstellern hie und da einer Foi:m Alc-
manni, zu der das Analogon Marcomanni dränge, oder einem ab-
geblaßten Alemanni begegnen. Das konsequent erscheinende a
aber in der zweiten Silbe deute auf Deckung durch h. Verstehe
ich dise Behauptung richtig, so will damit gesagt werden: Die
Römer hatten die Neigung, auslautendes a in offener Silbe in o
umzuwandeln; bei Alamanni konnten sie diß deshalb nicht tun, weil
das auslautende a von Ala eigentlich durch h (alah) gedeckt war
und niclit in offner Silbe stand. Die Yoraussezung zu einer sol-
chen Folgerung kann ich nun durchaus nicht zugeben und muß
daher beides, Yoraussezung und Folgerung, als grundlos zurück-
weisen. Wir haben hier eine Zusammensezung aus ala und man
vor uns. Die Teile einer Gomposition werden gewönlich durch
einen Yokal vermittelt, von welchem frühere Grammatiker glaub-
ten, er sei nach Willkür eingeschoben, um die Aussprache der bei-
den Gorapositionsteile zu vermitteln, wärend die neuere Gramma-
tik, gostüzt auf sprach vergleichende Beobachtungen zu dem Re-
sultate gelangen muste, der sog. Bindevokal in Gompositis schließe
sich genau an den dem ersten Worte gebärenden Flexionsvokalis-
mus an. Nun ist Tatsache, daß die lat. Sprache einen Bindevokal o
so gut wie gar nicht kennt; denn die wenigen Fälle albogalerus
albogilvus merobibus werden anders erklärt: Bopp, vgl. Gram.
§ 966 (Bd. 3^ 441). Wo also bei den Römern ein o ab Binde-
vokal in einem Fremdworte zum Yorschein kommt, da haben wir
den Ursprung davon und die Yeranlassung dazu nicht im Latein,
sondern in derjenigen Sprache zu suchen, aus welcher das Wort
stammt. Bekanntlich verwendet insbesondere die griechische
Sprache das o f&r Nomina jedes Geschlechtes und jeder Deklina-
tion: ^fisgotfvXai olxoSofxoq fÄVOfia/Ja tooßa&ijg dQOSvoyeyi^Q, Wenn
nun die Römer uns componirte deutsche Namen überliefert haben,
einmal solche mit dem Bindevokale o, wie Langobardi Marcomanni
Tcutoburgiensis Malovendus Marobodnus Ariovistus InguiomeruB
Cariovalda Hariobaudes Bucinobantes Ghnodomarius, sodann solche
273
mit den Bindevokalen i, u, e und a, wie Segimerus Segimundns
Asciburgium, Catumerus, Ganinefates Halidegastes, Idisiavisus u. a.:
so ist das alles nicht rön|i8che Willkür und fluchtige Nonchalence,
sondern es ist anzunemen, diso verschidenen Bindevokale seien da-
mals schon in der deutschen Sprache vorhanden gewesen und die
Römer hätten sie einfach so nidergeschriben, wie sie dieselben
vernommen; zumal bei dem Vokale o sind wir zu diser Anname
förmlich gezwungen, indem wir dises o nur aus dem deutschen,
nicht aus dem Lateinischen erklären können. Daß a bei den
Deutschen in tonloser oder schwachbetonter Silbe zu o sich wan-
delte, dafür haben wir merfache Beweise; ich will nur zwei bei-
bringen. Goth. Eigennamen wie Attila Budila Totila Yulfila wer-
den ahd. zu Etzilo Putilo Zuozilo Wulfilo, und den goth. schwachen
Formen hana hanan, blinda blindan entsprechen ahd. hano hanon,
plinto plinton. In fränkischen Namen erscheint der Bindevokal o
ser oft: Dagobertus Vulfoleudus Gundobertus Karolomannus. Auch
in appellntivischen Compositis finden wir in gar nicht selten: ar-
beolaos spiloman samolih tagosterno. Dises o stet bald für a, wie
in Marcomanni Teutoburgiensiensis (marca thiota), bald für i wie
in Chnodomarius Gundomadus. Der Gothe hatte in solchen Fäl-
len immer noch die alten Vokale; nur in Fremdwörtern verfnr er
wie der Lateiner, indem er das o herüber nam: Aipafraüdeitos
Airmogaineis Antiaükia Nikaüdemus Gazaüfylakion. In den uns
überlieferten altdeutschen Zusammonsezungen mit ala( Grimm Gramm.
2, 627. 650) tritt nun nirgends ^) statt des auslautenden a ein o
ein, und wenn, was warscheiulich ist, diß auch früher nicht der
Fall war, so hatten die Römer keinen Grund, Alomanni nachzu-
schreiben, da sie doch nur Alamannds oder Alamann& hörten^).
Ob die Handschriften des Aurelius Victor, der Script, bist. Aug. eto.
einige Male Alemanni statt Alamanni lesen ''^), vermag ich aus
Mangel des kritischen Apparates nicht nachzuprüfen. Wäre es
aber auch der Fall, so ließe sich fragen, ob diß nicht Einwirkung
späterer Aussprache und mittelalterlicher Orthographie sei.
Aus disen Betrachtungen ziehen wir das Ergebnis: da die
Römer Ala schreiben, so haben sie auch Ala aussprechen hören,
und im Gegensaze zu Hrn. Baumann, der den Saz aufstellt, daß
die Römer, obwol jenes Ala von alah stamme, dises alah doch
nicht anders denn als Ala widergeben konnten, habe ich bewisen,
daß, wenn Ala wirklich von alah stammte, die Römer gar wol
Mittel gehabt hätten und zwar schon nach dem Vorgange deutscher
1) Nur zwei altsächs. Beispile sind bekannt: alowaldant alomahtig.
2) Einen andern Ursprung als unser ala hat natürlich das allo in
dem keltischen Namen AUobroges. Der Scholiast zu Juvenal. 8, 233
meint: Ideo autem Allobrogie dicti, quoniam hrogaGoWi agrum dicunt,
äUa autem aliud; dicti igitur, quia ex alio loco fuerant translati. Cf.
den deutschen Namen aliorunse bei Jornandes.
3) Grimm 6r. 2, 624. Forcellini, Lexicon s. v. Unten S. 282«
BIxUnger, AlenuumlaYIIS ^^
274
Yolksstämme, den angeblichen Namen Alhmannos Alahmannft Alac-
raannä durch die Formen Alcmanni und Alacmanni Dachzubilden.
Dieweil sie dises aber nicht getan haben, so gewinnen wir daraas
allen Anlaß anzuuemen, das Ala stamme nicht von einem Worte
mit austönendem Kellaute oder Hauchlaute, also nicht von
alah, sondern vilmer von einem Worte, das ein a in o£fner^ Silbe
hatte. Der Einwand, es hätte ein solch offnes a sich die Umbil-
dung in o gefallen lassen müssen, fällt, wie ich nachgewi8en,7&l8
grundlose Vermutung dahin. Die Betrachtung der lateinischen
Namensform Alamanni gibt uns also durchaus keine zwingende
Veranlassung, den ersten Bestandteil dises Compositums yon^'dem
Worte alh oder alah herzuleiten.
Ich könnte mich nun mit disem Resultate begnügen, will
aber, um nichts zu versäumen, sondern um alles . Beweismaterial
vorbeidefiliren zu lassen, was man etwa bei solch einer Erörte-
rung geprüft sehen möchte, auch noch den Blick werfen auf die
Art und Weise, wie die deutschen Hauch- und Kellaute kurz nach
der Völkerwanderung beim Niderschreiben behandelt wurden. Hier
zeigt sich uns zunächst bei romanischen Schreibern und denen, die
irer Schreibweise folgten, ganz dasselbe Schwanken in der Ortho-
graphie des h in deutschen Namen wie bei den alten Römern.
Wir finden im Anlaute: Charibert Cliaideruna Chardoin Chari-
mund Charoald Chadulf Childemer Chilliswint Chilpericus Ohio-
dochar Chrambert Chrodegang Chrodochilde Chugobert, und Cale-
tricus Cardaricus Crodico Cochilaicus, daneben aber Hariperaht
Haideruna Hartwin Herimunt Hariold Hathowulf Hiltim&r Hiltis-
wint Helfrich Flluthari Hramperaht Hruotganc Hruothilt Hngu-
peraht Halidrich Hardcrich Hugilaich, ferner one alle Spiration
Aribert Arduin Arimund Lothar Robert Roland Rambert Arlindis
Ildebrand Ildefons Ilderich Ugo Uncilen. Im Inlaut ist die Be-
handlung ebenso mannigfaltig: Eccard Fulcaris Arnaida Adelaida
Adalard Adalelm Badoildis Baldechildis Bernard Berner Berta
Bertier Piliilt Prunild Ewrard Gerard Giseler Gundicarius Gun-
dachar Ragnaris Raganhari Uliaris Wilihari ChlodovsBus Drocto-
veus Ostfalahi Walahun. Und ebenso im Auslaut: Alaric Aldric
Embrich Erarich Gaiserich Otloh Berinhoh Harderich Erowic Hlu-
dowich Hugilaich.
Wie nun heutzutage deutsch lernende Franzosen das deutsche
h unterdrücken, wo es hingehört, und umgekert ein h vorsezen,
wo es nicht hingehört („das Uhn at hein Hei hins Eu gelegt"),
so taten auch romanische Schreiber mit altdeutschen Wörtern,
z. B. erro üs undes agen agastalt, heber harbeiti helahun hachus-
tim*), zumal mit langobardischen arimanni Aripertus Ildipert, scnl-
dahis marpahis Ahistulf lahip Alpuhin. Im Altdeutschen, soweit
es von deutschgebornen und deutschredenden Schreibern aufge-
1) Zalreiche Beispile bei Weinhold alem. Gr. § 230—234.
276
durch Kriegsglücksgast Hartreich Scblachtkampf Risenkainpf Eriegs-
glücksstreit Adler weit Volksschlange zu übersezen wüste. Nun,
dise Weisheit hat allenfalls auch noch bei unser einem im Kopfe
Plaz! Allein jeder fült, daß mit solchen Uebersezungen dise Na-
men ebenso wenig erklärt sind, als wenn einer einem Lernbe-
girigen den Begriff einer „Locomotive" dadurch erklären wollte,
daß er im sagte, das sei „ein ßewegungsmittel, um vom Fleck zu
kommen". Gerade so ist auch bei Völkernamen wie Marcoroanni
Langobardi Burgundiones Franci absolut nichts erklärt, wenn ich
sie schon übersezen kann mit „Grenzmenschen Langbeile Burg-
winden Freie" ; sogleich kommen die Fragen: warum? wie so?
Ein anderes Bedenken erhebt sich gegen die vilfach angenommene
Meinung, daß, da die meisten Völkernamen nicht von iren Trä-
gern, sondern von iren Nachbarn ausgegangen seien, sie notwen-
dig einen nachteiligen Sinn, also Schimpf, Spott, Hon und der-
gleichen in sich schließen müsten. Ich wenigstens zweifle daran,
ob man alle Völkernamen von vorn herein von disem Standpunkte
aus richtig deuten wird.
Welchen Sinn hat nun das Wort alah? Vulfila übersezt mit
alh die Worte vaog (Wonung Gottes, Tempel) und Ugov (Heilig-
tum, heiliges Haus) im neuen Testamente. Da nun Tacitus den
Germanen eigentliche Tempel von Holz und Stein abspricht und inen
nur Waldkultus zuschreibt, so ligt es nahe anzunemen, auch alh
bedeute eigentlich einen heiligen Gotteshain, und so faßt auch
Herr Baumann den Sinn des Wortes auf. Allein bei näherm Nach-
denken über den gothischen Sprachgebrauch in der Bibelüber-
sezung muß dise Auslegung Bedenken erregen. Bekanntlich nennt
Paulus den Leib einen Tempel des h. Geistes ; die Hauptstellen
darüber 1 Gor. 6, 19. 3, 16 feien freilich in der gothischen Bibel;
aber 2 Cor. 6, 16 und Ephes. 2, 21 bewegen sich ebenfalls in
diser bildlichen Anschauung. Die leztere Stelle lautet: „Ihr seid
Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, auferbaut auf
dem Grunde der Apostel und Propheten, da der Eckstein Christus
selbst ist, in welchem der ganze Bau zusammengefugt wächst zu
einem Tempel heilig im Herrn (goth. in thammei alla gatimrjo
gagatilöda vabseith du alh veihäi in frdujin)*^. Ich bitte um Alles :
was soll der gläubige Gothe sich vorgestellt haben, wenn alh hier
den Sinn Wald hatte? „Der Leib ist ein Wald des h. Geistes! In
Christus zusammengefügt, wächst der ganze Bau (der Kirche) zu
einem Walde heilig im Herrn!" Ich glaube, wenn alh jemals den
Sinn von Wald oder Hain gehabt haben mochte, was ich bezweifle,
so konnte diß Wort solchen Sinn zu Vulfilas Zeiten nicht mer
haben. Bereits hat J. Grimm MytK 57 fgg, eine Reihe von
deutschen Ausdrücken erörtert, welche künstlich erbaute Tempel
bedeuten, und Belegstellen angefürt, die troz Tacitus deutlich dar-
tan, daß die Germanen gebaute Tempel zum Kultus hatten.
Etymologisch 3tellt sich alh zu dem urverwandten lat. arcere
278
müssen, der sich in der Limburger Chronik noch nicht voll-
zogen hat.
Hienach wäre alh ealh alah eher ein steinernes burgänliches
festes als ein bloß hölzernes Gebäude gewesen, und von dem an-
geblichen Begriffe „Hain^, „heiliger Wald*' ist weder bei Vulfila
noch im Ags. noch in den übngen germanischen Sprachen auch
nur eine Spur zu finden. Wollen wir also dises Wort in den Na-
men Alamanni hineinzwängen, so dürfen wir denselben nicht, wie
Hr. Baumann tut, mit „Leute des Götterhaines ^ übersezen, son-
dern nur etwa mit „Menschen des Tempels, des Hofes, der Burg".
Tempelmenschen, das kann heißen: Leute, welche zum Orte
ires Kultus ein Tempelgebäude besizen, oder Leute, die einem
Tempel dienstbar sind*), da ja man oft auch den unfreien
Menschen des männlichen und des weiblichen Geschlechtes be-
zeichnete. Die ÄUemannen wären sonach eine Art germanischer
Lernten! Wie der Stamm Levi bei den Israeliten eigens für den
Tempeldienst bestimmt war, so wären es nach diser. Erklärung
auch die Semnonen-Alachmannen bei den Sueben zum Dienste
des Ziutempels gewesen. Wie die Leviten zwar die Neben Ver-
richtungen beim Gottesdienste versahen, sich aber dem Heiligtume
nicht nahen durften, so durften es auch die Semnonen-Alachmannen
nicht, außer in Fesseln. Und wie die Leviten 35 Städte zuge-
wisen bekamen, so bewonten die semnonischen Tempelmenschen
hundert Gaue. Wer Lust hat, mag diso Parallele fortsezen.
Ich habe die Konsequenzen der Baumann*schen Etymologie
auch in irem sachlichen Gehalte bis zur Grenze des Möglichen
verfolgt und brauche den Leser kaum noch darauf hinzuweisen,
daß der Sinn von „Teropelleuten, Hof- oder Burgmenschen*', den
Alahmann& einzig haben könnte, mit Tacit. Germ. c. 39 durchaus
unvereinbar ist. Recapituliren wir, so haben wir folgende Ergeb-
nisse aus der vorangegangenen Erörterung zu verzeichnen:
Angenommen, der Name Alamanni komme von alah und man,
wie behauptet wird, so fallt auf:
1) daß die Römer nicht Alacmanni oder Alcmanni schreiben,
da inen diß doch ebenso nahe oder näher als Alamanni lag;
2) daß auch die spätem Romanen durchaus Alamanni schrei-
ben und nie zur Abwechselung, wie es doch bei Namen, die zu
alah gehören geschiht, mit Zulassung des h, also nie Alahmanni;
3) daß das Wort alah in keiner germanischen Sprache die
Bedeutung des heiligen Waldes, des Haines hat, wie die Herlei-
tung der Alachmannen von .den Semnonen als Leuten des Ziu-
haines erfordert,
und es ergibt sich, daß der Name Alamanni aus Gründen
der Form und des Inhaltes nicht von alah abgeleitet werden darf.
1) Wie etwa dor Name Electeo, ahd. Alahdio, gotb. Alhthius aus-
drücken müate. Grimm GDS. 638.
279
Der Einwand : Warum bringen denn die Römer nie die Form Alo-
manni, wenn ala etwas anderes als alah sein soll? beseitigt sich
dadurch, daß sie nie Alo zu hören bekamen, sondern nur Ala.
Jacob Grinini hat in seiner Grammatik 2, 447 einen Augen-
blick, aber auch nur für einen Augenblick, den gleichen Einfall
wie Herr Baumann gehabt. Er sagt dort: „Kann das h (bei alah)
wegfallen, so dürfen auch Eigennamen wie Ala-reiks (Alaricus)
u. a. hieher gezählt werden". Allein wenige Bogen später (S. 627),
bei erster Gelegenheit, hat er disen Einfall wieder zurückgenom-
men mit den Worten : „Die Vermuthung S. 447 ist falsch".
Billigermnßen hätte dise Korrektur unsers grösten Sprach-
kenners Herrn Baumann abschrecken sollen, einen alten etymolo-
gischen Einfall wieder aufzunemen und aufzutischen, der sich nach
allen Seiten hin als verfeit ergibt.
Nachdem ich die Ableitung des Ala von alah alh in dem
Volksnamen Alamanni als unmöglich zurückgewisen habe, komme
ich auf das von Dr. Baumann verschmäte Adjektivum ala zurück,
als auf dasjenige Etymon, welches bei der Erklärung dises Na-
mens allein in Betracht kommen darf.
Unsere alte Sprache hat in* zusammengesezten Nominibas
zimlich deutlich zwei Adjektiva all und ala geschiden, die wol
ursprünglich einem einzigen Worte entsprossen sind.
I. all, — Goth. alls, ahd. mhd. alts. al, ags. eal, engl, all,
altn. allr entspricht durch Urverwandtschaft dem griechischen oXogj
dem lat. salvus, dem skr. sarva*). Es bedeutete, wie sich aus
diser Verwandtschaft ergibt, zuei*st ganz, d. h. nicht zerstückelt,
nicht verlezt, nicht verdorben, also totus. Da aber das Ganze
immer auch eine Art Summe der zu im gehörigen Teile bezeich-
net, so entfaltete sich aus disem Begriffe ser leicht der Sinn von
all., integer. Ganz und all unterscheiden sich gerade so wie totus
und integer ; totus wie ganz gehen auf die Einheit des Zusammen-
gehörigen und auf deren Vollkommenheit; all und integer deuten
auf die Unverleztheit, auf die Summe aller Bestandteile. Der
französischen Sprache ist tout (totus) der Ausdruck für die All-
heit geworden, wie uns das all, wärend entier (integer) den Sinn
der Ganzheit hat annemen müssen.
II. ala. — Gotb. ahd. alts. ala, ags. äl, altn. al ist eine
jüngere Form des vorigen Nomens, dessen Consonanz vereinfacht
worden ist wie oXoc: aus oXFog oder oskisch sollus aus solvus.
Die Bedeutung ist aZ/, integer cunctus, universus, omnis, also im
Sinne der Vereinigung aller Teile, der Gesammtheit, der Vollzälig-
keit, mit Ausschluß alles Mangelnden, alles Vereinzelten, aller Aas-
namen.
Im Neuhochdeutschen hat sich diser Unterschid durchaus ver-
1) L. Meyer, vgl. Gram. 2, 435.
280
wiflobt; wir unterscheiden weder durch die Orthographie^) noch
durch die Bedeutung Worter wie AUod (alot) mere proprium von
Allmacht (alamaht) omnipotentia; wir bedürfen schon einiges Nach-
denken, um nur einen Unterschid herauszufinden. Dises Verwischen
und Vermischen stammt aber nicht erst von heute. Schon den
mhd. Wörtern diser Zu^ammensezung ist nicht mer anzusehen, ob
nh aus all oder ala entsprungen ist; im Ahd. schwanken die
Quollen ebenfalls zwischen all und ala, indem sie die Bedeutungen
vormongon ; auch im Ags. gibt es Wörter, die bald so, bald so
gesohriben werden, z. B. liest man älvihta und ealvihta, älvealda
und (lalvealda, allic und eallic. Nur im Altnord, und Goth. sind
iM^ldorlei Formen deutlich und scharf auseinander gehalten. Die
VnrderbniH dises Unterschides muß also hoch hinauf gehen und
trügt nicht wenig dazu bei, daß die Erklärung des Namens Alle-
umnnun für uns so schwing geworden ist.
Ursprünglich sollen Composita mit alls'al eal allr griechi-
Hohen Wörtern, die mit oXo- zusammengesezt sind, entsprochen
hnbun, z. B. goth. allbrunst oloxuvoioq^ Composita aber mit ala
lil al griechischen Wörtern mit tzwito-; z. B. goth. alatharba nay-
iiftfto(fo^. Damit wir uns aber den Unterschid der beiden Zu-
Müninionsezungen eher verdeutlichen können, will ich nicht erman-
guln, wenigstens die Reihe der so componirten Substantiva, welche
J. (irimm Gr. 2, 650 verzeichnet, nebst einigen Ergänzungen hier
vor/. u füren, indem ich die so componirten Adjektiva beiseits lasse.
I. Composita mit all-, oXo-. Goth. allbrunst bXoxavowg. —
Ahd. albrandopher v),6xui(nog, — Ags. eallofirung oXoxavaroc:^ eal-
HUftlf ambrosia. — Altn. allgildi plenum pretium, allgiörvi panoplia,
nllhysi integrum praedium, allkiötvi pancreas, allklsedhnadr integer
vestituM, allvepni panoplia.
II. Composita mit ala-, navio-, Goth. alamans nafinhj&sig
tlyÜQdinoi, Alamods ii. pr. nufxxpv/pq^ alatharba navd&Xioq, — Ahd.
Alaman, alewalto omnipotens, alenamo prsenomcn. Die meisten
Ntohen in adverbialen Redensarten : a) mit in und dem Akkus. :
in aladräti vehementissime, in alafesti firmissime, in alagahi citissi-
me, in alagahün, in alahalba undique, in alahant undiquaque, in
alaltchi omnimode, in aleinaht vehementissime, in alanot accura-
ÜHHime, in alawar verissime, in alawisün omnimode; ß) mit in oder
tfi und dem Dativ: in alagähe, in alahalbon, in alanahi proxime,
In alerihte rectissime; zi alawilru, zi alawäre, zi alasperi omnino^).
1) Mit Recht schreibt darum auch J. Grimm im Wb. 1, 218 un-
lern VolksnamcD wieder nach altherkömmlicher Weise -4W€Wianwen, nicht
AloODAnnen. Vgl. meine Geschichte des Schweiz. Bundesrechtes 1, 38 note.
Atem. I 264 n.
2) Wohin gehören alzuges coniiniio, alwec semper? Unter den
iMllb. Glossen der LSul. finden sich alacharde tota virgula, alathagio
OHl loqui non potest, niutus. Siho die Glossen der LSal. v. fl. Kern.
Suir 1369 S. 104. 106.
281
— Agg. älfylce multitudo, älmiht omnipotentia, älnht omnis crea-
tura. — Altn. Alflfa n. pr. GDS. 540, algleyroingr amnestia,
alheimr macrocosmus, alhugi serietas, almsetti omnipotentia, al-
mügi plebs, alrocmi fama vulgaris, alvara serietas, alvidra mollis
undique aer, aludh beuevolentia, althing comitia, altbyda plebs.
Unser Volksname müste in den yerschidenen germanischen
Sprachen also heißen:
goth. Sing. Alaman Plnr. Alamans = Alamannds
ahd. Alaman Alaman = Alamanna ^
alts. Alaman Alaman = AIamann6s
•■ •• ••
ags. Alman Almen = Almenna
altn. Almadhr Almenn = Almennir.
Herr Baumaun glaubt nun nicht, daß Ala in dem Namen
Alamanni das verstärkende Präßx sei; denn im zufolge 6ndet das
Präfix ala nur Anwendung in Adjektiven, Adverbien oder zu Ad-
verbien gewordenen substantivischen Formeln; nie aber verbindet
es sich mit waren echten Substantiven.
Es sind hier ebenso vile Unrichtigkeiten und Irrtümer als
Säze ausgesprochen. Zunächst siht man aus der widerholten Be-
zeichnung „Präfix", daß Herr B. das Wort ala nicht für das alte
oben geschilderte Adjektivum, sondern für „eine an sich bedeu-
tungslose Vorsilbe'' hält. Schon das ist bezeichnend. Was soll
man aber dazu sagen, daß er behauptet, ala verbinde sich nie mit
waren echten Substantiven? Was sind denn alewalto, alenamo,
was sind die ags. und altn. Ausdrücke? Doch halt! Wenn ein
Substantiv im Laufe der Zeit adverbial gebraucht wird, wie die
übrigen ahd. Composita, die oben aufgezält sind, dann verlirt
es ja nach der Meinung des Hrn. B. sein Anrecht auf den sub-
stantivischen Taufschein. Weil heim^ ursprünglich ein Hauptwort
von der Bedeutung Haus, Heimat, jezt nur noch als Adverb ge-
braucht wird, das lediglich die Richtung einer Tätigkeit anzeigt
(heim gehen), so hat es alles Recht auf seine substantivische Her-
kunft verwirkt? Weil die Wörter überhaupt^ zufrieden im jezi-
gen Sprachgebrauche iren nominalen Sinn von Flaupt und Frieden
eingebüßt haben, so sollen sie nie Substantiva gewesen sein? Haben
denn die französischen enfin, vis-ä-vis, derechef oder die lat. ex-
templo, invicem, obviaro sich ires Rechtes, substantivischer Her-
kunft zu sein, deswegen begeben, weil man im gewönlichen Sprach-
gebrauch inen keine substantivische Kraft der Bedeutung mer an-
fÜlt? Nein, sondern alle so gebildeten Adverbien sind einmal wäre
Substantive gewesen. Das zufrieden war einst ein wirkliches ^n'c-
den mit der Präposition zu , wie wir das noch halb und halb em-
pfinden in der Redensart: einen Zornigen zufrieden (zu Frieden)
stellen. Das überhaupt war noch im Mittelalter ein Fechteraua-
druck (über houbet), welcher Luftstreiche über den Kopf weg be-
zeichnete. So sind nun auch die oben aufgezälten ahd. Ausdrücke,
wenn sie gleich adverbialisch gebraucht sind, von und mit waren,
282
echten Substantiven gebildet; ire adverbialische Verwendung tut
irem Ursprung keinen Abbruch, und es ist daher vom Standpunkt
der historischen Grammatik aus irrig zu behaupten, jene mit ala
zusammengesezten Substantiva seien keine waren Substantiva.
Wenn wir nun nach dem Sinn des Namens Alamanni forschen,
80 stossen wir zunächst wieder auf eine alte Deutung. Da ist es
ja freilich richtig, daß spätere römische und griechische Geschicht-
schreiber oder Lexikographen deutsche Namen gedankenlos aus
dem Lateinischen oder Griechischen deuteten; so z« B. Libanius
3, 317 den Frankennamen: ii)^vog narfQuyiittvov nghq rä twv noksf-iCüv
fQyu; so Dexippus nach dem Etym. magn. den Herulernamen: änb
Jiov ixsias eXwy "EXovqoi xtxkTH'ua; so den Gepidennamen das £tym.
magn. aus dem Griechischen: rrjnatisg oiovsi rerinai^egy ol rszuiv
naiöeg^ Isidorus aus dem Lateinischen: Gipedes pedestri prcelio
magis quam equestri sunt usi, et ex hac causa ita vocati. In die-
selbe Kategorie der Gedankenlosigkeiten gehört nun auch die Er-
klärung des Allemannennamens bei Servius (ad Virg. Georg. 4, 278):
Populi habitantes juxtn Lemannum lacum Alemanni dicuntur, die
auch Isidor^) wieder aufgenommen hat: Alemanni a fluvio (!) Le-
mano, Worte, die uns höchstens die schäzbare Notiz auf indirek-
tem Wege vermitteln, daß man zu Servius Zeiten schon Alemanni»
neben Alamanni sagte, was mir oben (S. 273) entgangen ist. Aber
neben solchen Albernheiten sind uns auch Erklärungen aus dem
Deutschen aus alter Zeit auf bewart, welche den Charakter von
Volksetymologien an sich tragen ; so wenn Orosius 7, 82 von den
Burgundern sagt: hos Burgundiones quondam subacta interiore
Germania a Druso et Tiberio per castra dispositos ajunt in mag-
nam coaluisse gentem, atque etiam nomen ex opere praesuropsisse,
quia crebra per limitem habitacula constituta, burgos vulgo vo-
cant. Orosius, ein spanischer Priester, Schüler des h. Augustinus,
schrib seine Weltgeschichte nm 417; er hat seine Etymologie nicht
erdichtet, sondern offenbar aus deutschem Munde vernommen; sie
ist auch, was das Etymon betrifft, richtig, nur die Begründung ist
falsch. Eine Volksetymologie ist es, wenn das Etym. magn. den
Namen AoyyißuQÖoi erklärt, roviaon ßa&Biav vni]i7jv (Schnurrbart)
xal ^axgäv s/ovug, was Isidorus und Paul. Diao. widerholen. Eine
Volksetymologie ist es, wenn Jornandes den Namen der Gepiden
als einen Spottnamen ansiht, der dem Volke wegen seiner lang-
samen Ueberfart aus Scandinavien gegeben worden sei; gepanta
bedeute auf gothisch pigrum aliquid tardumque.
Es fragt sich darum : Wie ist die Erklärung des Allemannen-
namens durch Asinius Quadratus aufzufassen, als gedankenlose
Flause oder als Volksetymologie ? Hat Quadratus zu seiner Den-
1) Es ist mir unbopjrciflich, wie Hr. B. behaupten kann, im frühem
. Mltt^'lalter habe je^dermann gemeint, der Volksname sei von Lemannus,
•* — LimmatüuBse H). abflreleitet.
288
tung die lat. und griechische oder die deutsche Sprache zn Rate
gezogen? Asinius Quadratus lebte im dritten Jarhundert nach
Christo zur Zeit des Kaisers Philippus Arabs (244 — 249); denn
er schrib eine römische Geschichte in griechischer Sprache unter
dem Titel ^ Pw/naiKij yiXiag/iu auf das tausendjärige Jubiläum der
Stadt Rom a. 248. Auch alle seine andern Bücher, so die par-
thische und deutsche Geschichte, soll er griechisch abgefaßt haben,
loh erwäne diß darum, weil Agatbias in sonderbarer Weise av^g
^iTaXiwTTiQ und nicht "^Pcofidlog nennt. ^iTaXiciiTjg kann zweierlei be-
zeichnen: entweder einen Griechen, der in Italien wont. besonders
einen Bewoner von Großgriechenland oder Unteritalien, oder aber
einen Römer, der griechisch schreibt und durch seine griechisch
geschribenen Werke der griechischen Litteratur angehört. Da der
Mann einen lateinischen Namen trägt, so trifft bei im natürlich
nur das leztere zu. Mit diser Tatsache gewinnen wir zugleich die
Anname, daß Agathias das Citat aus des Quadratus Geschichte der
Deutschen warscheinlich wörtlich anfürt: ol di ^AXa^iavoi^ et ys
ygil ^Aoivno) Kovadgaifo bjiso&m^ avSol IiakuirTj xai rä rsg/aaviyä
hg To aKQißec AvaysyQafi^ivw^ ivvijXvdig (a. L. "^yxXvSbg) slaiv äv'
&Qa)noi X€U fÄiyadsc^ xal xoiw dvvarair avwtg ^ iniowinla. Der
lezte Zusaz deutet darauf hin, dass wir hier eine Volksetymolog^ie
vor uns haben, d. h. eine Worterklärung, die Quadratus nicht
selbst gemacht hat weder mit Hülfe einer klassischen, noch mit
Hülfe der deutschen Sprache, sondern die im aus deutschem Munde
als allgemein angenommene Erklärung der Allemannen überliefert
worden ist: xai ravw dvvaxai avroig ff inwwfiia „und dises be-
deutet inen die Benennung'\ Aus dem griechischen SXkoq konnte
Quadratus den Namen Alamanni nicht so deuten, wie er es ge-
tan hat; denn äXXo- heist in Zusammensezungen wie als Sim-
plex ander, fremd, abgeneigt, feindlich; uv&gwnot äXkof/vXoi z. B.
sind fremde Menschen, Leute von anderm Stamme, aber nicht „zu-
sammengelaufene und gemischte* ^ Ebenso verhält es sich mit dem
lat. alius und seinen Compositis. Also bleibt in der Tat nur die
Anname übrig, daß wir hier eine interpretatio e vemaoulo ser-
mone vor uns haben.
Es ist nun nicht nötig zu glauben, daß die deutschen Ge-
wärsmänner gerade das philologisch richtige Etymon ires Yolks-
namens getroffen haben oder daß sie es, wenn sie auch das* rich-
tige im Auge hatten, gerade richtig auslegten; die Volksetymo-
logie kennt die philologische Akribie nicht; es genügt ir, wenn
sie einen plausiblen Grund für eine Benennung anzugeben weiß.
So mögen denn auch die etymologisirenden Allemannen in dem ala-
ires Namens schon nicht mer den Begriff der Ganzheit, sondern
den der Allheit gefült haben, und leicht mochte inen vorschweben,
diso Allheit, dise Gesammtheit sei ein Allerlei, eine Vereinigung
viler verschidener und mannigfaltiger Menschen, one daß inen da-
bei, wie iren modernen Nachbetern, irgendwie die Vorstelluog
284
eines Yölkervereines yerschidener Stämme einfallen konnte, inen,
die alle sich ires suebischen Geblütes so ser bewußt waren.
Dem Ganzen und Vollkommenen stet das Halbe nnd Unvoll-
kommene gegenüber. Wir besizen eine kleine Anzal altdeutscher
Eigennamen, welche Mischlinge, Kinder gemischter Eltern bezeich-
nen. Halbwalah bei Schannat, Halbdurinc bei Goldast und Schannat
ans dem 8. und 9. Jarhundert. Halbinc Halbker Chalpaida mögen
änliches bezeichnen. Die Ausleger sind über den Sinn nicht ganz
einig. Mone im Anzeiger 1835 S. 389 meint, das seien Leute,
die einen Thüringer und Welschen zum Vater, aber eine fremde
Mutter haben; Grimin Gr. 2, 633 glaubt, dise Namen drückten
Abkunft aus der Ehe einer Thüringerin oder Italienerin mit einem
fremdem Manne aus. So wird auch der Healfdene Semidanus ^)
im Beovulf 377 einen Mann bezeichnen, der nur von einer elter-
lichen Seite her ein Däne ist, vermutlich so» daß die Mutter eine
Ausländerin war. Der Halbinc mag ein Kind sein aus uneben-
bürtiger Ehe, d. h. ein Kegel, ein Bastart*). Wir sprechen jezt
noch von halben Geschwistern und halber Geburt. Man kann mit
jenen Namen vergleichen gr. ^uißagßaQog ^fiiAXijy ^uuovdcuog
^fuxQijg rif.iidovXw;^ lat. semibarbarus semigrascus semignecnlus se-
mijudaeus semimedus seminumida semipersa semiplacentinus.
Mischung bezeichnen offenbar auch Hazc6z Hessengothe, Diot-
g6z Theotgot Theudgaud und Thendigotha Volksgothe Thentgothe,
Hüngdz Hunnengothe, Snävegotha Schwabengothin (worüber ich in
der Gesch. des Schweiz. BR. 1, 77 Note 4 eine Vermutung ange-
deutet habe).
Der Mischlingsgeburt stet die reine, Abkunft gegenüber;
dise bezeichnet die alte Sprache mit dem Adj. erchan (allem, urcbe
pnrus), z. B. erchanprnoder frater germanus. Darum werden wol
auch die Eigennamen Ercangaud Erchanswäp Erkanwalh mit
^reiner Gothe, Schwabe, Walche** zu übersezen sein. Heuteutage
deuten wir dise unvermischte Nationalität bei einigen Stämmen mit
dem Adj. alt an : Altbaier, Altengländer, Althesse (gegenüber dem
Hanauer und Schaumburger). Altsachse (zwischen Weser nnd Elbe
angesessen, gewönlich Nidersachse genannt). Schon fniher kannte
man dise Namengebung : Altswftp Altturinc Altwalh Altbün'); das
ags. Ealdseaxen meint auch die Sachsen zwischen Weser nnd Elbe.
Beine edle Geburt mag ferner ausgedrückt sein durch Namen wie
Adalgaud Adilg6z Edelgothe, Adalheit edle Person, Adalhün Edel-
kwune, Adalsw&p Edelschwab, Adalwalah Ekielwalch, Adalman Edel-
IMnn (dises zusammengezogen in Alman, wie Adalbero Adalberht
1) Prof. Birlinger ül>er8ezt „Kleindäne'' aus Dakini, die wie die
Qtikiui sich vom Hauptstamme trennten.
2) Bastart lH»zcichnet urspr. nicht von unehehclter Geburt, sondern
^ bento noch Kn Schweinen und andern Tieren von gemischter Race.
8) Natürlich ist alter Hün im Hildebrandslied ganz anders ge-
285
Adalbrant Adalfrit Adalfuns Adalmuot Adalrich Adalwfn in Albero
Albert Albrant Alfrit AlfoDS Alomot Alrich Alwin); änlich mag
auch Mogangoz den reinen echten Gothen ausdrücken. So könnte
denn in Alamanni die Reinheit des Volksstammes angedeutet sein;
es würde dann das ala das Vollkommene und Reine gegenüber dem
Vermischten und Unechten bezeichnen, — wenn es nur zu den Ala-
manni analoge Alafranci Aladuringä Alagothi Alasw&pä gäbe. Da
diß nicht der Fall ist, wird dise Auslegung abzuweisen sein.
Noch kommt mir ein anderes Wort in die Quere, mit dem
ich mich abzufinden habe. Bei den Langobarden gab es wie bei
andern deutschen Stämmen einen zwischen den Sklaven und den
Vollfreien mitten inne befindlichen Stand der aldii oder aldiones,
welcher entweder durch Geburt oder durch Freilassung erworben
werden konnte. Der Aldio genoß eines geringen Wergeides, das
nicht einmal die Hälfte von demjenigen eines Freien betrug. Blib
er auch seinem Herrn für immer zu gewissen Zinsen und Diensten
verpflichtet, so galt sein Verhältnis doch nicht für ein servitium^
sondern nur für eine obedientia; nicht für Leibeigenschaft^ sondern
nur für Hörigkeit, und sein Herr hieß darum nicht dominus, son-
dern patronus. Der Aldio war nicht rechtlos, sondern rechtsfähig ;
sein abhängiges Verhältnis beruhte nicht auf persönlicher Willkür,
sondern auf dinglicher Uebereinknnfb ; er selbst konnte wie ein
Freier Land und Leute zu Eigen besizen, konnte ein dominus sein.
Aber selbständig war er darum doch nicht; seine Rechtsgeschäfte
bedurften der Genemigung des Schuzherrn; sein im anvertraates
Gut konnte er und die Seinigen nicht verlassen. Kurz, die Aldio-
nen hatten einen Fuß noch in der Knechtschaft, den andern schon
in der Freiheit.
Das Wort aldii aldiones get in seinem zweiten Bestandteil
zurück auf goth. thius Knecht, thivi Magd, thivan dienen (synonym
andbahtjan, skalkiu6n), thivadi (wie skalkinassus) Knechtschaft, tÜa-
magus Dienstknabe. Im Ahd. findet sich diu dio nur in Eigen-
namen, von denen ich die merkwürdigen Adaldiu Erchandiu Lr-
mindiu Thiotdiu und Aladin erwäne; selbständig ist das Wort
diorna (eig. diuwarna) die Dirne, d. h. ancilla; dionon servire ist
verkürzt aus diuwinon, dionust aus diuwinust. Die fränkische
Form war vermutlich theo, wie sich aus der malb. Glosse und aus
einigen n. pr. ergibt. Im Ags. bedeutete theöv den gänzlich un-
freien Sklaven theöva ancilla, theövdoni servitus, theöyjan servire,
theövboren serviliter natus ; nicht anders das altn. thyr scrvus, th^
ancilla, thiona servire, thia in servitutem redigere.
Es kann kein Zweifel darüber walten: aldii und aldiones ist
ein Compositum mit disem dio und mit al; aldiu scheint ursprüng-
lich geheißen zu haben ein ganzer Sklave, ein echter Knecht, so
gut als cUein ganz einzig, cUröt ganz rot. Die Germanisten scheuen
sich vor diser Etymologie, weil der Sinn des Wortes im longo-
bardiachen und bairiflchen Rechte damit in Widerspruch atet^ inr
286
sofern als die longobardischen und bairischen Aldionen keine völli-
gen Sklaven, sondern yilmer Hörige mit persönlicher Freiheit und
dinglicher Abhängigkeit waren. Diß könnte darauf f&ren, anzn-
nenien, wir faßten jezt allgemein, wenn auch gemäß der Ueber-
lieferung, das Wort dio mit seinen Ableitungen in vil zu hartem
Sinne auf; dio sei urspr. nicht der Sklave harter Leibeigenschaft,
sondern bezeichne wol einen freier gestellten Diener oder Unter-
gebenen; das sehe mnn an der Ableitung diot und diota, das Volk,
nämlich in seinem Verhältnis zum Könige ; niemals habe in Deutsch-
land das Volk die sklavische Unterwürfigkeit orientalischer Unter-
tanen geduldet, und doch gehörten diot und diota zu dio. Oder
man müste die Ansicht aufstellen, der Name aldiones habe zwar
ursprünglich Leibeigene der härtesten Knechtschaft bezeichnet;
aber dise Leibeigenen seien beim bairischen und langobardischen
Volksstamme entweder allmälig oder durch einen plözlichen Akt
und jedenfalls in prähistorischer Zeit auf die Stufe der Freige-
lassenen oder der Colonen vorg(Tückt ; man habe aber, wie das oft
geschehe, den alten Namen bei disen Leuten fortgebraucht, und
für die eigentlichen Leibeigenen wieder andere Bezeichnungen in
Umlauf gesezt.
Nun hatte, wie oben S. 264 gezeigt worden ist, auch das Wort
fnan den Sinn des dienenden leibeigenen Menschen. Darum würde
zu dem aldio ein alman als Synonyuum treten, wenn ein solches
alman anderswie sicherer als aus den Ortsnamen Almansdorf Al-
mansberg zu belegen wäre. Dagegen entspräche dem Alaman in
diser Vergleichung jedenfalls der Name des goth. Feldherrn Ala-
thcus (Alathius), und es wäre ser instruktiv, genau zu wissen, wie
sich der Sinn 'zwischen Alatheus und aldio schide, da sich daraus
auch die Differenz zwischen Alaman und alman ergäbe.
Wie dem aber auch sei, wir werden die Erklärung des Wor-
tes Allemannen kaum im Spiegel der Aldionen suchen dürfen; denn
die Allcmannen waren keine Sklaven und keine Hörigen, man müste
denn zu der bedenklichen Auskunft seine Zuflucht nemen, die Be-
xeiohnung ,,Ganzknechte^^ ,,Alldiener^^ sei inen von iren gehässigen
Nachbarstämmen als Schimpfwort erteilt worden.
Es bleibt uns also nur noch eine Auslegung übrig. Die
Nidurdeutschen brauchen das Wort allmann jezt noch im Sinne
von jedermann. De van nSt kumt to et, dat is all manne verdret
(Verdruß). G6d is g6d, man alto god is allmanns narr. Im Mün-
iturlando heißt es : Sclve is en gud krüt, ower 't wäst nich in
iJIvmanns g6ren. Frommann MA. 4, 143. 5, 429. 6, 430 (wo
^ Herausgeber diß Wort als gen. plur. deutet, da doch
llHi brem. Wb. 3, 123 einen nom. allmann kennt). Auch den
lliandinavischen Sprachen ist diser Ausdruck noch geläufig und
IfAr aIh Appellativuni ^) : schwedisch allmän, dänisch almeen (alle-
%■■
Almonningon sind große Pläze in der Stadt Bergen in
t
287
mands ven, i allemands munde); vgl. altn. allmennr vulgaris, com-
munis; almenningr nniversitas. Holländisch alleman jedermann,
Jan alleman Hans Jedermann. Unser Allmende, das jezt den Sinn
von ausgedentem Heideland einer Gemeinde, Gemeinweide ange-
nommen hat, get zurück auf ein ahd. alamannida, der Weideplaz
der Allmenschen, die gemeine Trift.
Die Allemannen sind etymologisch die Allnwnschen : daran ist
formell kein Zweifel. Wie das aber in jenem grauen Altertum,
das hinter aller Geschichte im Nebel stet, beim Aufkommen des
Völkemamens gemeint gewesen sei, darüber kann man wol nur
Vermutungen aufstellen. Eine solche Vermutung will ich hier an-
deuten, jedoch mit allem Vorbehalt besserer Erkenntnis oder besse-
rer Belerung.
Gesezt, die Allemannen seien, wie Herr Baumann zimlich
plausibel gemacht hat, identisch mit den Semnonen, dem caput
Sueborura, so muste dises Volk nach allem, was wir von im wissen,
ein festes Bewußtsein davon haben, daß es ein zähes statliches
Ganze, eine universitas bildete; hegte es doch ein starkes Bewußt-
sein seines eigentümlichen Kultus, wie Tacitus es bezeugt, und
pflegte es doch eines ausgeprägten einheitlichen Rechtes, das erst
vilo Jarhunderte nach der Völkerwanderung in die Brüche gieng.
Die Mitglider diser statlichen tinivcrsitaSt wie man noch im Mittel-
alter freie statliche Verbindungen gerne bezeichnete, nannten sich
mit einem gewissen Stolze alamanna, Leute des gemeinen Wesens,
gemeine Leute, Allraenschen, universi homines. Urkunden- Eingänge
späterer Jarhunderte geben uns noch einen Widerhall von diser
stolzen Benennung: universis hominibus vallis Uraniae, universitas
hominum intramontanorum u. dgl. Nicht anders ist der Ausdruck
lantliute von Ure, von Swits und von Unterwaiden gemeint. Wir
dürfen in ja nicht, wie uns der jezige Sprachgebrauch verlocken
will, im Gegensaz zu statliute fassen; das will er durchaus nicht
ausdrücken. Land ist in alter Sprache das Vaterland, dessen
(irenzen ein einheitliches Statsgebit einschließen; in Zusammen-
seznngen wird damit bald die große Ausdenung, bald das Heimi-
sche hervorgehoben (Landrecht Landesfürst Landesherr Landeskirche
Landmark Landfriede Landsgemeinde Landgericht landläufig Land-
pfleger Landsftsse Landschade Landstraße Landsturm Landtag Land-
wehr Landschade Landzwinger; Landesart Landesbrauch Landes-
tracht Landsknecht Landeskraft Landvieh Landwein u. 8. w.); so
sind auch lantliute nicht Bauern, sondern Landeseinwoner, Land-
sassen, Bürger des Landes; lantliute faßt die sämmtlichen Mit-
glider der statlichen Gemeinschaft zusammen, die universi homines,
alle Männer des ganzen Landes. Ebenso sind auch Alamanna die
Norwegen; Almendingeu und Almiudingen sind norwegische Dörfer,
deren Namen mit dem südd. Allmendingon homonym sind, nur daß
lezteres ahd. Alamuntinga hieß. Ein Almandbjerg erhebt sich in Nor-
wegen im Osten von der Stadt Aunc im Drivatal.