Skip to main content

Full text of "Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände : . Bd. 11,2 D - J, und im Anhange Artikel über die katholischen Glaubenslehren von F - K"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
at google. com/] 




















6000109941 


yo 





Zur Nadhridt. 


Von der fiebenten Driginalauflage dieſes Werks find drei verfchiebene 
veranftaltet worden, die zu folgenden Preifen ſowol durch den Verleger 
alle andre Buchhandlungen des Ins und Auslandes bezogen werden koͤr 

Mr. 1, auf weißem Drudpapier, Pränumerationspreis für das ga 

15 Thlr., oder 27 ZI. Rhein. 

Mr. 2, auf gutem Schreibpapier, 20 XThlr., oder 36 Fl. Rhein. 

Mr. 3, auf ertrafeinem Velinpapier, 36 Thle., ober 64 Fl. 48 Kr 
Sammler, die ſich in portofreien Briefen an ben Verleger wenden unt 
trag ihrer Beftellung gleich beifligen, erhalten auf ſech s Eremplare di 
frei oder koͤnnen, wenn fie verſchiedene Ausgaben wählen, bei einem 3: 
wenigftene 105 Thalern Ein Siebentel davon ale Rabatt in Abzug briı 


Allgemeine deutſche 


al- Encplopäbie 


für 


die gebildeten Stände 
Konverfations-Lerifon,) 


In zwölf Bänden, 





Neunter Band. 
A His Schu. 


Eiebente Originalauflage. 
Wie fie der Verfaſſer ſchrieb, | 


Mühe ſtets zu Grunde. 
Calderon. 





— 
3 A. Brodbaus, 





1827. 
Lg. 


Allgemeine deutſche 


al— Enchklopadit 


für 


die gebildeten Stände 


onverſations-Lexrikon.) 


— — — — —— 


In zwoͤlf Baͤnden. 
Neunter Band 
AR His Schu, 


jebente Driginalauflage 


Wie fie der Berfaffer fchrieb, 

Richt wie e der Diebſtahl druchte, 

Deffen iſt, daß er richte 

Aubrer Mühe ftets su Grunde, 
Galberon. 





— 
8 % Brodhbaudß 





LH. 


2 Rabbaniten Rabbiniſche Sprache und Literatur 


genheit, mo feine heldenmuͤthige Gattin feine Gefahren theilte, durch Verrätt 
ergriffen, vom Revolutionstribunale zum Tode verurtheilt und hingerichtet im & 
1793. Seine Gattin flürzte fi in der Verzweiflung in einen Brunnen, wı 
den Zod fand. Alle, die ihm Schuß gegeben hatten, kamen auf das Blutger 
Unter R.'s Schriften ſchaͤtzt man „Le rieux Cevenol‘ (London 1779, n.? 
von Boiſſy d'Anglas 1821), und „Précis de I’hist. de la revolut. france.” ( 
ſchichte der conftit. Berfammtl. ; n. A., mit dem Leben bed Vf. vom Gr. B 
d'Anglas, Paris 1822). 

Rabbaniten, oder Rabbiniten, auch Talmudiften, f. Su 
und Talmud. 

Rab bi (hebraͤiſch Lehrer, Meifter,, auch Rabbiner, ein Lehrer des 
ichen Geſetzes, insbeſondere ber Vorſteher einer Synagoge. 

Rabbiniſche Sprache und Literatur. As die Rabbiner 
den Arabern aus Babrlon, dem damaligen Sitze der jübifchen Gelehrſamkeit, 
trieben, fich in Europa, vornehmlich in Spanien niederliegen und Schulen g 
deten, fühlten fie fich bald dasch) die gelehrten amd gründlichen Forſchungen 
‚Araber uͤber die arabifche Sprache aufgefobert, auch ihre Sprache, die aus 
Althebraͤiſchen in eine verborbene haldäifche Mundart ausgeartet war, kritiſe 
bearbeiten umd in ihrer Reinheit herzuftellen. Sie fuchten daher den bibliichen 
braiömus wieder zur Schriftiprache zu machen, waren aber nicht im Stande, 
der, aus ber Grammatik alle haldäifche Formen auszufcheiden, ba fie den Mag 
dafuͤr bereits verloren hatten, noch fich auf die eigentlichen Bedeutungen der X 
ser zu befchränfen , da fie zur Bezeichnung fo vieler neuen Begriffe nicht mehr 
reichten. So entftand eine neuere hebr. Schriftfprache, welche von den Rabb 
in Epanien, Portugal, Italien und Deutfchland gefchrieben und deßhalb 
sabbintfche genannt wurde. Für ihre Erlernung find eigne Sprachlehren und I 
terbücher und andre Hülfsmittel (von Gellarius, Reland, v. d. Dardt, Toch 
Burtorf u. X.) ausgearbeitet worden, und allerdings belohnt der Reichthum 
rabbinifchen Riteratur, den man u. A. aus den liberfichten eines Burtorf, Be 
loecius und Wolf Eermen lernt, ein ſolches Studium. — Wir nennen nur ei 
Schriftſteller aus der blühendften Periode des Mittelalters. Als Sprachle 
machten ſich Aben Efra, David Kimchi (gefl. um 1232), vomehmlidy aber € 
Levita, durch ein (mehrmals gedrucktes) talmudiſches Woͤrterbuch Nathan 
Jechiel (1100), und durch ein hebraͤiſches, welches lange in claffifchem Anfehee 
ftanden, David Kimdi berühmt. Der erfle, der nad) den Forſchungen « 
Aben Eſra, Maimonibes (geb. 1139, ſ. Maimon), Salomo Jarchi und D 
Kimchi eine groͤßere kritiſche Reviſion des Pentateuchs, wobei die Maſora 
Richtſchnur war, vornahm, war zu Anfange des 13. Jahrh. Mener Hallevi 
ramah) aus Toledo; ihm folgte der Rabbine Menachem de Lonzano (deſſen 
Torah” mit dem „Schete Jadoth”, Venedig 1618, gedrudt worden), und bi 
Salomo Norzi, deffen Arbeit an Umfang und Gruͤndlichkeit alle frühere uͤber 
Unter den Auslegern des A. X. find die bemertenswertheften der fprachgel 
aber dunkle Aben Eſra, der dunkle und an Sprachtenummiffen arme Salomo . 
chi (um 1180), of. Kimi (um 1160), einer der gelehrteften Juden, und 
Sohn, der oft genannte David Kimchi; Levi Ben Gerfon (vor 1370) und I 
Arbarbanel (vor 1508). Maimonides fuchte dem Inhalt feiner heil. Natie 
ſchriften durch philofophiichetheologifche Erörterungen zu Hülfe zu kommen; u 
den vielen Commentatoren waren Rafchi und er die vorzuͤglichſten. Zur Wer 
digung ihres Glaubens fchrieben der genannte Levi Ben Gerfon und Lipman 
Muͤhlhauſen (1399). --- Um die Erdkunde der mittiern Zeit haben ſich durch R 
befchreibungen verdient gemacht Mofes Perachia aus Megensburg (vor 11 
Benjamin von Tudela (feit 1160) und Perigot aus Avignon (um 1950). 3 


Rabelais Rabener 9 


nut, Añronomie, Philoſophie und Medicin wurden von den Juden, vor⸗ 
auf den Schulen der Araber in Spanien, mit großem Eifer ſtudirt und 
*: da aber von ihren wiffenfchaftlidhen Werken wenig gedtuckt iſt, fo 
sit und beunügen, den oft genannten Maimonides anzufuͤhren, der als 
# Arifiotelifche und Platoniſche Philojopbie mit der Kabbulah und dem 
dermiſcht, in jeinen mediciniſchen Werten aber '„Aphorismi‘’ und „De 
e sanitacis”‘) fich al& ein Anhänger Galen's zeigt. M. 
abelais Francçois), bumaociftifch : farnriicher Schriftſteller, Verf. des 
mus und Pantagruel“, geb. su Chinon in Zouraine um 1483, wo Teint 
ı Sultwirth,, nach X. ein Apotheker war. u Fontenaule:Gonite trat er 
sniscanererden. Der Mangel an wahrer Gelehrſamteit verleidete ihm 
a Aufantbalt; uch reiste er durch Spotterei und jugeudiichen übermuth 
Verfolgung gegen fih auf. Mir Clemene VII. Erlaubniß tar er in den 
werorden (um 1.23), ging jedoch bald als Weltprieſter nach Montpellier, 
wmiichen Studien fortzufegen , erhielt daſelbſt den Doctothut und lehrte 
die Medicin. Reue oder Furcht tief ihn bei Paut IN. um Abiolution wes 
Aug des Kloſters anhalten, die der Papſt ibm auch gewährte. Eine 
kebte er nun als Kanonikus in der Abtei zu Saint⸗Maures des Foſſes, 
= irin Beichüser,, der Gardinal Jean du Bellan, gebracht, und wo er 
extenden Theil ſeines, Pantagruel“ geichrieben haben jo. Endlich ward 
here nach Meudon verfeßt. Er ſtarb 1353 zu Paris. Voltaire u. A. 
4 „Sargantua und Pantagruel”, worin der Geſchmack der damaligen 
keneuerlichen Wunderfcenen und die Unmiffenbeit der Mönche mit ſchar⸗ 
Igewaichen werden; allein diefe Übertreibungen des Niedrigkomiſchen muß 
dem Geiſte der Zeit, in welcher R. lebte, als feinen Geſchmacke zurech⸗ 
m er freilich weit binter Gervuntes geblieben ift. M. gehört zu den Erſten, 
ke noch rauhen und übeltönenden Mutterſprache Geſchmeidigkeit und 
Mezaben. Boileau nannte ihn ia raison en masque, und Rouffeau le 
sale franceis. lÜÜbrigend war er ein gewiffenbafter Volkslehbrer und 
be äteude daran, feinen Pfarrkindern den Kirchengefang zu lebren. Sein 
x in VBerfummiungsort der Gelehrten, fein Beutel war ſtets deu Huͤlfs⸗ 
un geöffnet und jene Kenntniffe in der Heilkunde wurden feiner Gemeinde 
Kh. Unter den Altern Ausgaben jeiner jebt ſchwer zu verſtehenden und 
wöhnlich mit Wort: und Sacherklaͤrungen gedruckten Werke ift die von Le 
mit Kupfern von Picart die befte (Amit. 1541, 3 Bde., die neuefle Pa- 
8, 3 Bde., mit 78 Kupfern und in verfchiedenen Kormaten,. Johann 
82 ’Y. d.) lieferte 1552 eine freie deutſche Bearbeitung dee „Gurgantun 
Kayruel‘‘, weldye mehrmals aufgelegt worden, 1785 - 85 aber ungläd: 
sarteitet von Editein (Dr. Sander in Kopenhagen) erſchienen iſt. 
abener (Gottlieb Wilhelm), der Satnrifer, geb. 1714 zu Wachau bei Leip⸗ 
im Bater war Beſitzer diefed Dorfs und Anwalt beim Oberhofgericht In 
1738 bezog R. die Kandfchule zu Melßen und 6 Jahre fpäter die Univers 
ripzig, wo er mit Gärmer und Gellert ein enges Areundichaftsbändnig 
b Theil an der Gründung der „Bremifchen Beiträge” nabın. 1741 war) 
nexter des Leipziger Kreiſes, 1553 Oberfteuerfecretnir in Dresden. Beim 
es firbenjährigen Krieges ward er zum Steuerrath ernannt, welches Amt er 
bekleidete, in welchem Jahre ein Schtagfluß fein Leben endigte. R. war 
sirdig als Menſch und ale Gelehrter. In feinen Satyren erlaubte ei 
keiönlidyeeiten, da feinen Brumdfäsen nach der Sutvriter zwar die Thor: 
beigen, nie aber bämifche Seitendlicke thun, noch weniger frinen Witz an 
der burdy alte Sitte ehrwuͤrdig gewordenen Dingen auslaffen darf. In 
hepabe hersusgegn. Monntefchrift: „ Beluffigungen bes Veritandes und 


1 * 


4 Rabulift Rabutin 


Witzes“, trat R. 1741 zuerst als Satyoriker auf. Seine in Zeitichriften ent! 
tenen Aufſaͤtze füllen die erften 2 Bände feiner Schriften. Der 3. erfchien 17 
betitelt „Satyriſche Briefe”; 1795 dert. Nach feinem Zode erichienen die 
ihm geſammelten „Sreundichaftlichen Briefe, nebft einer kurzen Biographie 
Berf. von Chriftian Felix Weiße” (1772). Neue Ausgabe feiner (auch ins Fre 
und Hollind. uͤberſetzt) Schriften Leipzig 1771, 6 Bde. R.'s reicher und ed 
Wis, fein feiner Beobachtungsgeiſt, feine beitere Laune, der aber ein moralif 
Ernſt zum Grunde liegt, f. leichte und anziehende Darftellungsgabe und die zierl 
Reinheit feiner Schreibart erheben ihn Über die meiften feiner Zeitgenoffen; ı 
wenn er weniger gelefen wird, fo liegt wol der Grund darin, dag Manches 
nothwendig veraltet erfcheinen muß, was damals treffend und anzichend war, a 
überhaupt mehr feinem Erfahrungskreife und den Sitten Sachſens angehörte. 
Rabuliſt. Die Anwendung der Rechtswiſſenſchaft zeigt Häufig, eine ' 
Eehrte Richtung , einmal indem fie von einer bloß buchſtaͤblichen Geſetzkunde a 
geht und fid) um den höhern Sinn und Zweck einer gefeglichen Beftimmung u 
bekuͤmmert, daher auch durch eine wörtlicdhe Anwendung auf Fälle, an welche x 
bei Abfaſſung des Geſetzes nicht dachte, oft der eigentlichen Abficht des Geſet 
bers gerade entgegenhandelt. In biefen Sehler find fchon ganz yelehrte und fch 
finnige Männer verfalien, wenn fie bei der Auffaffung eines Rechtsſyſtems 
weder die Aufklaͤrungen der Geſchichte (die Kenntniß der Verfaffung, Religion: 
Philoſophie, der Sitten, der Außern und innern VBerhältniffe eines Volks) verfchm 
ten, oder ihr hiſtoriſches Studium der Gefege nur auf Einzelheiten, nicht auf 
allgemeinern Grundlagen ber Gefesgebung gerichtet war. Einen Mann, roeld 
nur eine foldye wörtliche Kunde der Geſetze beimohnt, nannte man Legule 
Zweitens aber wird die Anwendung der Rechtswiſſenſchaft nicht bloß fehlerh 
fondern ſchaͤndlich und firafbar, wenn die Beilimmungen der Gefege durch | 
nutzung der im wörtlidien Ausdruck unvermeiblichen Unvollfommenheiten und dı 
liſtigen Gebrauch der Formen dazu gemißbraucht werben, dem Unrecht den € 
au verfchaffen, die Proceffe zum Schaden beider Parteien in die Länge zu zie 
und wol gar die betrligerifchen Abfichten eines Glienten zu befördern. Für ei 
ſolchen Raͤnkeſchmied braucht ſchon Feftus das Wort rabula. 37 
Rabutin (Roger), Graf v. Buſſy, geb. 1618 zu Epiry in Nivern 
ein Enkel des Grafen Francois v. Buſſp⸗Rabutin, der fid) durch feinen „Comm 
taire sur les faits des guerres en la Gaule belgique entre Henri Il et U’E 
pereur Charles \” bekanntmachte, diente im Regimente feines Vaters 
Muhm und erhielt anfehnliche militairifche Stellen. 1665 ward er Mitglied 
franz. Akademie; bald darauf erfchien feine „Histoire amoureuse des Gauls 
ein Werk, welches die Galanterien zweier am Hofe fehr angefehenen Damen 
Melt bekanntmachte. Diefe Schrift fand fowol durch ihren zierlihen Styl 
durch) ihren Wig großen Beifall; allein Ludwig XIV., der dem Verf. ohnedies 
geneigt war, ließ ihn in die Baftille fegen, dann auf feine Güter verweifen. $ 
hier aus ſchrieb er eine Menge Briefe an den König, welche aber ohne Wirk 
blieben. Aus Verdruß und um nicht in der Melt vergeflen zu werden, macht 
auf Boileau’s Epiftel über den Rheinuͤbergang Ludwigs XIV. fütrrifhe Ber 
tungen, bat aber Boileau durd) einige Freunde um Verzeihung, als dieſer ihn 
für züchtigen wollte. Nach Lrjähriger Verweifung erhielt R. die Erlaubniß, 
die Hauptftadt zurüdkehren zu dürfen; da ihn aber Ludwig fortwährend ger 
ſchaͤtzig behandelte, fo ging er wieder in feine Cinfamteit nad) Chuzen. Zu 
Einfaͤllen, die ihn hier beſchaͤftigten, gebört die Einrichtung einer Gemaͤldegal 
beftehend aus Bildniffen von Zeitgenoffinnen, die er mit fatorifchen Infchriften 
ſah. (S. Miuin’s „Reife in die mittäglichen Depaut. von Frankreich“.) R. f 
1693 zu Autun in einem Alter von 70 Jahren. — Seinen Schriften ift G 


Racen der Menfchen Racine (Ian) 5 


ost eirganter Strl nicht abzuſprechen, aber als Menſch war R., mweniafleng 
ars Kühern jahren, nicht achtungswerth. 

Bacon der Menfchen, f. Menſch. 

Racine (Jean). Diefer große franz. Zragifer, geb. den 21. Dec. 1639 
mein, einige Meilen von Paris, verlor feine Altern in fruͤheſter Jugend 
rhielt ſeine Erziehung in der Abtei Port-:Ronal des Champs. Schon hier 
ro die Richtung , die fein Geiſt fpittechin nahm , in feiner Liebe für die alte 
wide Dichtkunſt. Curipides war fein Liebling. Aus Port:Ronal kam R. 
s Gelegium Harcourt, wo er feine Studien vollendete. Seine fchriftftellerifche 
betr begann er mit einer auf die Vermählung Ludwigs XIV. gedichteten Ode, 
ihm durch Colbert's Vermittlung ein Jahrgeld, melches ipäterhin bis auf 
Excrs erböht wurd, und ein Geſchenk von 100 Louisd'or erwarb. Bon nun 
ı Boris lebend und Boileau's treuer Freund, widmete er ſich ganz der Dicht⸗ 
ı Jöh4 erfchten fein erftes Trauerfpiel: „La Thebaide, ou les freres enne- 
und erhielt, obgleich weit entfernt von der Vollkommenheit feiner fpätern 
b. zielen Beifall. Er hatte in demfelben Gorneille zum Vorbild genommen ; 
nieigenden ging cr mehr feinen eignen Weg. Sein „Alexander“ (1666), den 
wie nicht günftig heuctheilte, fand faft allgemeinen Beifall in Paris, noch 
tAadtemache (1668). Bei allen Schwächen und Folgewidrigkeiten dieſes 
Birk ſich Daran ſchon erkennen, was des Dichters Kraft vermögen werde. 
Iran wurde R. von feinen Landsleuten faſt durchgängig dem früher fir un- 
Ber sehaltenen Corneille vorgezogen, wozu hauptfächlich feine leichtere und 
Bauern Berfiftcation und die in feinen mehr als in Gorneille's Stuͤcken her» 
herzv Schilderung airtlicher Liebe beitrug, die aber freilich den Stempel 
Bir und Umgebung trägt. Des Marſchalls Crequi und des Grafen von 
wu itaeſchmackte Kritik feiner „Andromache” fertigte MR. mit einem Epigramm 

Bar ſchwerern Kampf hatte er mit St⸗Evremont zu beitehen, der damals, 
Bez ſagen, das Amt eines Obergeſchmacksrichters in Frankreich eben nicht 
Neeäıbme verwaltete. 1668 erfchien R.'s Beine Luftfpiel „Les plaideurs“, 
Be kifiephanes’8 „Wespen’ zum Grunde liegen. Es erregt den Wunſch. 
en Erf. noch mehr für das komiſche Theater gefchrieben haben möchte. Am 
be chi iſt die hiſtoriſche Schliderung in f. „Britanniens” (16701. „Bere: 
571 und „Bajaieth” (1672) find am wenigſten gelungen und hifter. tich- 
Ken. ,Mithridat“ (167,3) hat auch nur einzelne vollendete Scenen und 
kr „Phaͤdra“ (1677), die und Deutichen durch Schiller's Bearbeitung 
Beriegung näher gerischt ift, will gleichwol unfern Erwartungen von einem fol: 
Exefft noch nicht recht entſprechen. Diee gilt noch mehr von der ? Jahr früher 
nm „Spbigenin”, in welcher die griech. Heldenzeit noch yepußter und mo⸗ 
Peter erſcheint (mete. verdeutſcht in Peucer’s „Claſſ. Theater der Franzoſen“, 
u, Leipzig 1823). An der „Athalie“ (IH, die früher in Frankreich den 
Ben Beifall fand, bat R. den ganzen Umfang jeiner Dichtertunit dargelegt. 
Imard R. in die Acadeniie frangaise aufgenommen, und einige J. fpäter 
Beiuan von Ludwig XIV. aufgefodert, die Geſchichte feiner Regierung zu 
ken and zum Diftoriographen des Koͤnigs ernannt; doch kam er darin nicht 

ai in der Folge mißverfinndene Frömmigkeit den eifrigen Dramatiker von 

abzog, auf bie ihn nur das Merlangen der Frau von Maintenon zu: 

* verirrte ſich R. ſo weit, eine „Eſther“ zu ſchreiben. Gleichwol fand 
Crid bei feinem Erſcheinen an dem damals in Froͤmmelei verfunfenen Hofe 
we I6RN von ben Zöalingen in dem von der Maintenon yeftifteten abeligen 
enoshaufe zu St.⸗Eyr aufgeführt) außerordentlichen Beifall. - So heil im 
k ter Hofgunft R.s Leben bisher dabin gefloffen war, je ſehr trübte es 
gen das Ende, und der gleichfam nur in Dir Gnade eines Konigs \chende 


6 Racine (Rouis) . Radegaſt 


Dichter ſtarb, man kann jagen, am gebrochenen Herzen, da fein Element ihm en 
. gen murde. Diefes Schidfal zog ihm ein Auftrag der Maintenon zu, bieihn angel 
ten, die Laften des unter der Eitelkeit u. Verſchwendung Ludwigs feufzenden Volt 
einer Abhandlung zu ſchildern, die natürlidy den Unwillen eines Könige reiste, 
nur an Weihrauch gemöhnt war. MR. ftarb den 22. April 1699. - - Seine W 
hat jeher genau Boisgermain (Paris 1767, 7 Bde.) herausgegeben. Um gı 
rig zu mürdigen, was er leiftete, muß man mol unterfcheiden, welche von 
Mängeln feiner Sthde dem Wefen der franz. Bühne (vgl. Franz. Liter 
Schauſpielkunſt) überhaupt, und melde ihm zur Laſt fallen. Eine gen 
Steifheit und Kälte, ein aus der römifchen, griechiſchen und andrer uralten | 
hergeholter , mit franzöfifcher Galanterie und Abgefchliffenheit behandelter St 
eine fireng geregelte Form, die aller freiern Lyrik, ja felbft des Anſtrichs der f 
mantik entbehrte und die Daraus entfpringenden Abgefchmadtheiten, Luͤcken 
Fehler: dies Alles kann Racine's Verdienſt nicht berabfegen, fondern muß e6 
Gegentheil erhöhen. Er benugte mit großer Kunſt den engen Spielraum, ber I 
franz. Tragiter freigelaffen war, zur Steigerung des Gefühle und der Handke 
feine zarten Schilderungen der Liebe verdienen meifterhaft genannt zu merden, und 
der vor noch nach ihm iſt die Sehnſucht eines durch widerfprechende Leidenſcha 
krankhaft bewegten Gemuͤths treffender gefchildert morden, als von ihm. Überbieß ı 
er unuͤbertrefflich in wohlklingender VBerfification u. Anmuth bes Ausdruds. G 

Racine (Louis), des Vorigen jüngerer Sohn, geb. zu Parisden 2. Nov. 10 
Boilenu widerrieth ihm die Befchdftigung mit der Dichtkunſt. Democh ſchrieb 
Gedichte: „De la religion‘ und „De la Gräce”, die, wenn auch nicht durch ho 
Dichterſchwung, doch durdy einen leichten amd zierlichen Versbau ſich auszeicht 
Den anfangs erwählten geiftlihen Stand verließ er, fowie fein Water, fpäter! 
und erhielt auf Verwendung feines Gönners, des Cardinal Fleury, eine Si 
hei der Finanzverwaltung. Noch fchrieb er mehre Oben und didaktiſche Poef 
die ſich durch Empfindung auszeichnen, eine Xebensbefchreibung feines Watı 
ziemlich weitfchtweifige Bemerkungen über deffen Dramen, und eine Überfep: 
von Milton’6 „Verlornem Paradiefe”. Er ftarb den 29. San. 1763 nady me 
jaͤhriger Trauer um den Verluſt eines hoffnungsvollen Sohnes. Ein Iobenswert 
Zug in R.'s Charakter war Befcheidenheit und hohe Verehrung für feinen Ba 
Einſt ließ er fi) malen, mit dem Finger auf die Stelle in der Phädra zeigend ”,,N 
fils inconnu d’un si glorieux pere”. Seine „Deuvres” erfchienen 1750 zu ? 
fterdam in 6 Ybn. 

Radnik Goſeph Friedrich, Freih. zu), trat in feinem 17. 3. in kurfü 
ſaͤchſ. Mititairdienfte und wohnte den Feldzuͤgen 1761 und 1762 bei. . Den 9 
fen inniger vertraut geworden, verließ er 1769 die Kriegsdienfte, ward 17748 
merherr, 1790 Hausmarſchall, fpäter Hofmarfchall, wobei ihm das Director 
der muſikaliſchen Gapelle und der Theater Übertragen war, ſodann Oberkuͤchenr 
fier, und 1800 erfter Hofmarfchall. Er flarb den 10. Apr. 1518 zu Dresden. 
Seine vorzüglichften Schriften find folgende: 1) „Briefe tiber Karlsbad und 
Naturproducte der Gegend” (Dresden 1780); 2) „Briefe über die Kunſt 
eine Kreundin” (mit Kupfern, 1792 fa., 4.); 3) „Darftellung und Geſchichte 
Geſchmacks der vorzuglichften Völker, in Besichung auf die innere Auszierung 
Zimmer und auf die Baukunſt“ (Leipzig 1796, 4., mit vielen trefflichen Kpf. ; 
Merk, das von Velefenheit, Beurtheilung und Gefchmad zeugt) ; +) „Skizze e 
Geſchichte der Kuͤnſte, befonders der Malerei in Sachfen” (Dresden, 1812). \ 

Radegaft, Redegaſt, Riedegaft, eine alte norbifche Gottheit, 
befonders bei den Obotriten (heutigen Medimburgern) verehrt und gewoͤhn 
mit einem Vogel auf dem Haupte, einem Ochſenkopf auf der Bruft, Shi : 
Speer in der Dand, abgebildet wurde. 


—— — —— — — 
vie Reichen feit dem Ftieden abgenommenen) Eintommentare, unter 

80 Zamitien nur 656,000, bie jener Taxe unterworfen waren, weil fie 50 
Art. Einnahme und darüber hatten. Der ganze Grund und Boden aber 
Hiaden von etwa 33,000 Familien! Je weniger nım, bei der fortdauern . 
der Rationalſchuld und bei dem plöglichen Stillſtand fo vieler Gewerbe, 
king in bie Döhe gebracht hatte, eine Verminderung der allgemeinen Taxen 
mögich war, defto mehr flieg die Unzufriedenheit des großen Haufens. 
nbe kioß den Reichen die Eintommentare abgenommen ; die Armen übers 
ıdem Elend!“ Der durch foldye Klagen immer mehr gereizte Daß der Ar: 
pa bie Reihen wurde bald fuͤr die politifchen Meformationsplane einiger 
ka en willlommener Stüppuntt. Mehre Whigs traten auf die Seite 
kaiseformers. Diefe verlangten jest, von Sir Rob. Wilfon (j.d.y, 
kb Sir Francis Burdett(f.d.) im Unterhaufe unterjtügt, und von Cob⸗ 
1819 aus Nordamerika nad) England zuruckgekehrt war, durch Schrifs 
pamzitert, eine freie und gleiche jährliche allgemeine Parlamentswahl; dann, 
tie, werbe Verminderung der Taren u. f. w. von felbft folgen. Für dies 
Msarden Ausfchüffe errichtet, Beſchluͤſſe gefaßt, Bittſchriften übergeben 
ı Ba alle Schritte fruchtlos waren, fo flieg mit ber Exbitterung die Kühn» 
Bupine Vereine verfagten ſich den Genuß des Thees, Gaffees u. a. Aiti— 
bie Verminderung der Zollgefaͤlle die Regierung in Berlegenheit ſetzte. 
a den Frauen bildeten ſich Reformerciubbs. Zulegt fprady man von 
ung; das Voll, von einigen Parteimännern, Hunt, Watfon, Thiſtle⸗ 
Ierfton u. A., geleitet, übte ſich in militairiſchen Bewegungen mit Piten 
um; endlich hielt Bunt in Mancheſter d. 16. Aug. 1819 eine Berfamm: 
bemahe 100,000 Menſchen. Da befchloß die Regierung Ernſt zu zeigen, 
Derigkeit lie, um Hunt mit feinen Gehuͤlfen zu verhaften, nad) Verlefung 
iracte, die Yecmanry (berittene Miliz), von Hufaren und Infanterie 
RK einbauen, wodurch mehre aus dem Wolke getötet und verwundet wur⸗ 
rt Berhafıung Hunt's und 14 Anderer erfolgte ohne Widerftand. Diefes 
Wehen erregte in London und in der Provinz ein wildes Gefchrei: Zu den 
Marke fr don Mark in Manchofter! Darauf hislton Winner in Ranhan 


8 Radicalreformers 


nannten Triumpheinzug in London, bei welchem die Reformers mehre Fahnen 
gen, darunter cine rothe mit der Freiheitsmuͤtze und der Inſchrift: Freiheit c 
Tod. Doch enthielt fich das Volk jeder gejegwidrigen Handlung, und das Ge 
endete mit einer Mahlzeit. Waͤhrend die Regierung die Unterfischung der 5 
niſſe zu Mancheſter verſchob, zerfielen die Häupter der Neformers, Hunt, U 
fen und Thiſtlewood, unter ſich: die Buͤſte des Erftern wurde, weil er ſich der 
tigkeit einer Genoſſen widerſetzte, von den Radicalreformers zerſchlagen; er ſe 
zeg ſich aus der ffentlichkeit zuruck, um eine Zabrit von Surrogat-(Radie 
Caffee und Thee amulegen, und hielt, ſowie Cobbet, Vorträge über Mäft 
und Volksmoral, bis er nach dem Ausgange feines Proceſſes, im März 1 18 
ins Gefänanik wandern mußte. - Dennod) erklärten fich einige Große und Wi 
ven anerkannt edelm Charakter für die Sache des Volke, 3. B. der Herzog v.9 
fett, der Graf Fitzwilliam, die Lords Egremont, Dundas, Milton und € 
Albemarle. Sie nahmen an mehren Volksverſammlungen Theil und ftimmn 
den Beſchluͤſſen bei, welche in Anfehung der blutigen Vorfälle zu Manchefter 
faßt wurden. Nun zeigte das Minifterium mehr Entfchloffenheit und Kraft. ; 
Graf Fitzwilliam, Englands eriter Pair, wurde wegen feiner Theilnahme an 
Bolksverfammiung zu Vork am 14. Oct. feiner Stelle als Lordlieutenant entf 
Die Megierung vermehrte die Truppen mit 10,000 M. und ließ überall die b 
tene Meomanrr aufbieten. Auch fchienen in diefer Sache die ausgezeichnet 
Männer der Dppofition, wie die Lords Grenville und Grey, und Mr. Tier 
auf die Seite der Minifter zu treten. Dennoch fuhren die Reformers fort, fai 
allen Städten Englands und Schottlands zahlreiche Verfammlungen zu hal 
Seibft in Irland regte fi) aufs nene die wilde Eidgenoffenfhaft der Bandmd 
(f. Whitebors,, deren Grundſaͤtze ein Gemifch von engl. Radicalismus 
religiöiem Sanntismus find. Sie wollten weder Zehnten entrichten Wi 
ſtanten um fich dulden, und ihrer Wuth, die 1821 am heftigften ausbrach, Bas 
erft nach arofer Strenge Einhalt gethan werden. In England und Schott 
mo das Volk feltener Die öffentliche Ruhe ftörte, vereinigten fich viele angefel 
Burger und Gorporatienen zur nachdruͤcklichen Aufrechtbaltung def Ordni 
Defte kuͤhner near die Sprache der Flugſchriften. Hobhouſe, Sohn eines Pi 
mentsgliedes, warb deßhalb in Newgat eingeſperrt. Nun brachten die Min 
Fünf Bills ins Parlament, wegen Stempelung der Flugblaͤtter, gegen polit 
und religiofe chandfchriften, wegen Beſchraͤnkung der Volksverſammlungen, 
gen Verbote ber militahrifchen Übungen und die MWegnahme der Waffen in 
Häniern vetreffent. Dieſe Bills gingen fammtlich durch und erhielten den 
Dec. die koͤnigl. Zuſtimmumg. Zugleich bewilligte das ‘Parlament, um arme 2 
wanderer zu verioraen, zur Anlegung einer Colonie auf dem Gap große Summ 
Georg IV, damals noch Prinz:Megent, beſtimmte feinem Wald von Dartm 
sum Anbau fir Die Armen der Hanptftadt, und 1822 wurden (GGeldſammlu 
reranitaltet, um der drudenden Hungersnoth, vorzüglich in Irland, zu ſter 
Auch erließen mehr reiche Yandbefiger ihren Pächtern einen Theil des Pachtgei 
Alten che dies gefchah und che die umfaffenderen Vorfchläge von Owen 
Brougham (j. des Legtern beruͤhmten Bericht über das englifche Armenwefen) e 
Erfolg haben konnten, wandte fich der Haß der Nadicalreformers, nach der. 
loͤſung des bisherigen Unterhaufes, mit verboppelter Wuth gegen die Minifter. 
tiefer Zeit bildete fich das ſchreckliche Complott, ale Minifter, 14 an der 5 
am 23. ‚sehr. 1820, wo fie beim Lord Harrombr fpeifen feliten, dafelbft in 
bringen. Zum Glüd wurde Lord Harrombr am Morgen diefes Tages durch « 
Brief, den ihm ein Unbekannter bradyte, mit der Gefahr befanntgemadht. 
zeigte dies fogleich den Miniftern an, die ihre Maßregeln fo nahmen, daß 
denſelden Tag, Abende gegen 8 Uhr, Magiftratperfonen, von Polizeiben: 


Radiren Raeburn 9 


raten unterſtuͤtzt, die Verſchworenen in ihrem Verſammlungshauſe, 
Ara unweit der Wohnung des Lords Harrowby, uͤberfielen, als fie 
lung von Granaten, Patronen und andern Zubereitungen befchäftigt 
Nie Verſchworenen, 25 an der Zahl, vertheidigten ſich mit Piftolen und 
ei ein Polizeibeamter getödtet und mehre Gonftables, auch einige . 
derwundet wurden. An ihrer Spise befand ſich der berächtigte Arthur 
d. Nach einem kurzen Kampfe wurden 9 derfelben ergriffen, die 
Kprangen, unter ihnen auch Thiſtlewood. Doch wurde diefer [yon am 
Morgen verhaftet, fo auch die übrigen Verfchworenen, meiftens arme 
Ziamerleute, Schuhmader u. ſ. w. Die bei den Verhafteten gefun: 
Were enthielten zwar Entwürfe im Geiſte des wildeften Radicalismus; 
Biele in dem Ganzen Eeinen eigentlichen Revolutionsplan, fondern nur 
Br Mord. Die Verhafteten waren ſaͤmmtlich ebenfo roh ald arm. Man 
sn feinen Schilling baar. Sie ftanden mit feinem Manne von Beben: 
Imhättmiften. Bloß politifcher Haß und perfönlihe Noth fchienen fie 
mtichen Mordverfuche beftimmt zu haben. Ihr Proceß vor der Grand: 
den 16. April in Oldbailey feinen Anfang ; unter mehr ald 150 Zeugen 
m zwei Minifter und einige begnadigte Mitfchuldige abgehört. Am 
a Thiſtlewood, Ings und Brunt (ein Schuhmacher), fodann Tidd und 
as Hochverräther zum Tode verurtbeilt und den 1. Mai 1820 gehan- 
in, Brabburne, Strange, Cooper, und Harrifon, nebft Gilchriſt, die 
Be für ſchuldig erklärt hatten, wurden ebenfall zum Tode verurtheilt; 
Rinig verwandelte die Todesftrafe der fünf Erften in Iebenslängliche De. 
web Botammbai, und Gilchriſt blieb im Gefängniffe zu Newgate auf un: 
3er. — Die allmälige Verminderung der drüdienden Noth und andre 
Me, wie der Proce der Königin, die Krönung des Könige 1821, Eon: 
Weibitmord , lenkten die unruhige Stimmung des drmern Haufens von 
Isder Radicalreformers ab, ſodaß Hunt, als er im Oct. 1822 feiner. 
Meſter entlaffen wurde, nur wenig Theilnahme unter feinen vorigen 
kareate. 

Biren, f. Kupferfichertunft. 

Bias (Halbmeffer), f. Diameter. 

dzivill, ein altes polnifches Gefchlecht, welches feinen Urfprung vom 
» Großherzog von Lithauen, herleitet und 1515 vom Kaifer Marimi- 
wm Reichsfuͤrſtenſtand erhoben wurde. Es hefist in Polen, befonders 
Ign Lithauen, bedeutende Herzog: und Fuͤrſtenthuͤmer, als Slutyk, 
‚ Birze, Dulimky, Klezk, Olpka, Kopnl u. f. w und theilt fich in 4 
denen die der Ordinaten zu Klezk und der zu Birze die bekannteften 
Michael VE. aus der Klezkiſchen Linie, der mehre Würden im ehema⸗ 
men bekleidete, iſt Befiper des Majorats von Klezk, zu Nieborom. Ihm 
bier Schn, Ludwig Nikolaus, geb. den 14. Aug.1773. Er refidirt 
Bente in Lithauen. Sein zweiter Sohn, Anton Heinrich (geb.d. 15. 
4, vermäblte fidy den 17. Mär; 1796 mit der Prinzeffin Louife, ein: 
des Prinzen Kerdinand von Preußen, und wurde 1819 von dem Koͤ⸗ 
kstthalter des Großherzogthums Pofen und fpäter zum Mitglicde des 
5 Staats raths ernannt. Cr befist die Majorate Niswicz, Mir und 
Bert zu Poſen, hat vier Söhne und zmei Töchter, und ift ein großer 
Kımik, befonders der Muſik. 

burn (Sir Henry), Portraitmaler, Prafident der Akademie zu Edin- - 
ed der londner Akademie ſowie mehrer gelehtten Geſellſchaften, geb. 
kodtribge hei Edinburg. Seiner Altern früh beraubt, wurde er von 
m Bruder, der die Manufartur feines Vaters fortfeste, forgfültia exzo⸗ 


10 Rafael Sanzio 


gen und in feinem 15.3. der Lehrling eines Goldſchmieds in Edinburg. 
fing er an, fi) im Miniaturmalen zu üben und zwar ohne alle Anleitung u 
felbft Mufter gefehen zu haben. Diefe Verſuche erweckten Aufmerkfamteit. 
Meifter gab ihm Gelegenheit, die Bildniffe des Portraitmalere David 
zu fehen, welche, obgleich diefer nur ein mittelmäßiger Künftler war, eine 
Eindrud auf den Jüngling machten. Er fegte feine Beſchaͤftigung mit M 
malerei fort, fing aber bald auch die Ölmalerei an und Martin lieh ihn 
zum Copiren, ohne ihn durch Unterricht Ju unterflüsen. Aus der Lehre 
fen, widmete er fid) gänzlich der Portraitmalerei, und als er, 22 J. a 
Frau mit einigem Vermögen genommen hatte, ging er, um zu höherer 
dung zu gelangen, nach London. Joſua Reynolds erkannte die großen‘ 
des jungen Kuͤnſtlers, und ermunterterte ihn, Italien zu befuchen, wohin 
die beften Empfehlungen mitgab. Gr benuste einen zweijährigen Aufen 
Italien fehr fleißig, und kam mit gereifter Kunftfertigkeit 1787 zurüd, 
bald feinen Nebenbuhler Martin verdunfelte. Die Kraft und Würde feiner 
mag er wol feiner ausfchließenden Bekanntſchaft mit den Werken ber großen 
Meifter zu verdanken haben; im übrigen ift er eigenthuͤmiich. Seine 
zeichnen ſich durch die fprechendfte Ahnlichkeit aus, aber höhern Aunftwer 
ihnen die geiſtreiche Daritellung des Charakterausdrude. Er mußte die P 
weiche er malte, während der Sisung auf eine lebendige Erörterung ihrer Li 
gegenftände zu leiten, und faßte fo den Eräftigften Ausdrud auf, deffen ih 
fähig waren. Seine Zeichnung ift correct, fein Colorit reich und fein Pin 
und frei. Die Beiwerke, fowol in Draperien ald Landfchaften, find q 
behandelt, nie aber zu fehr ausgeführt. Thiere und befonders Pferde f 
mit großer Wahrheit dar, und feine Meiterbilder gehören zu feinen vorzuͤ 
Merten. Cr arbeitete ungemein fchnell, nie aber aus dem Gedächtniffe, w 
Beiwerke bildete er der Natur nah. Er hat beinahe alle berühmte Maͤr 
malt, die Schottland in ben legten vierzig I. befaß. Seine Mußeſtunden 
er der Mechanik, den Naturwiffenfchaften und der Bildhauerkunft. Im gi 
Umgange erwarb er ſich ebenfo viel Achtung ale in feinem Kuͤnſtlerberu 
verleugnete auch hier nicht die Eigenfchaften, die aus feinen Werten fr 
Leichtigkeit, Einfachheit und einen Eräftigen männlichen Geift. Der König ı 
bei feiner Anweſenheit in Schottland diefem berühmten Kuͤnſtler die Ritt: 
und ernamnte ihn zum Hofmaler. Er ftarb plöglich am 8. Yuli 1823. 
Rafael Sanzio oder de’ Santi, der größte Maler der neuern 
wie Manche wollen, der fette der alten Kunftperiobe, geb. zu Urbino, an 
freitage, d. 8. März 1483, ftarb zu Rom am Charfreitage d. 7. Apr. 1520 
Water, Giovanni Sanzio, ein unbedeutender Maler, wurde durch eine von 
die Hofwand des väterlichen Haufes, ohne fremde Beihlilfe , gemalte Made: 
dem Jeſuskinde (dies Gemälde wurde fpäter in ein Zimmer diefes Hauſes [am 
Stud Wand, worauf es gemalt war, verfegt und ift noch zu fehen) von de 
laͤnglichkeit feiner Kräfte zuc weitern Ausbildung feines Sohnes Überzeugt, u 
denfelben in die Schule eines geößern Meifters zu bringen. Auf fein Bitte 
Pietro (Vanucchi) Perugino den jungen R. unter die Zahl feiner Schüler auf 
übertraf R. feine zahlreichen Mitſchuͤler, und erreichte in kurzem die Behand: 
feines Lehrers fo weit, daß man Beider Werke aus diefer Periode kaum unter 
ann. Hiervon zeugen R.'s erfte öffentliche Arbeiten: die Krönung des H. Ni 
Zolentino, ein gekreuzigter Heiland zwifchen zwei Engeln, eine heil. Famil 
Verlobung der Maria, vor allen aber eine Krönung der Marla für das Klo! 
Francesco in Perugia, ſaͤmmtlich Arbeiten aus fenem 15. bis 18.9. — 
rend der Zeit war einem von R.'s ehemaligen Mitfchlilern, Pinturicchio , d 
malung bes Bücherfaals im Dom zu Siena Übertragen worden. Diefer 


Rafael Sanzio 41 


eier Arbeit zu helfen. Schon hatte R. einen großen Theil der Car: 
Arbeit vollendet, als er erfuhr, daß in Florenz die Gartons des 
und Leonardo da Vinci, welche von biefen beiden größten Künftlern 
‚auf Veranlaffung einer Preisaufgabe des hohen Rathes zu Zlorenz, 
m, öffentlich ausgeftellt waren. Er brannte vor Begierde, fie zu 
te nach Florenz. Aber nicht allein diefe Gartons, fondern auch Flo: 
mals der Sig alles Schönen und. Trefflichen, machten einen tiefen 
das jugendliche Gemüth ; ebenfo wohlthätigen Einfluß hatte die Be⸗ 
nancher jungen Künftler von Bedeutung , des Ghirlandajo, A. S.⸗ 
an auch R.'s Biographen nicht ausdruͤcklich Davon reden, baß der: 
z die Werke der frühern großen Meifter, eines Gimabue, Maſaccio, 
cchio, Ghiberti, fleifig fludirt habe, ſowie ed Michel Angelo und 
Imci gethan, fo iſt es doch nicht zu bezweifeln ; auch leuchtet die® 
{bft verfertigten Bildern hervor, unter denen vornehmlich eine Ma⸗ 
ı Ainde (jest in der Tribune zu Florenz) ſchon von Vaſari überaus ge: 
— Der Zod feiner Altern rief R. ſchnell nad) Haufe, und während 
Schfchaftsangelegenheiten in Ordnung brachte, vollendete er in den 
Muße mehre Gemälde, 3.8. zwei Madonnen, einen heil. Georg, 
nlich auch das Gegenftüd dazu, den heil. Michael (nod) in Paris), 
besenden Chriſtus im Garten (in Paris) und 1504 die Trauung 
walizio, jept in Mailand). R.'s Liebe zu ferner zweiten Vaterſtadt 
g ihn, bald dahin zuruͤckzueilen. Hier bewährte er feinen Ruf durch 
de: eine Madonna fir die Kirche der Frati de’ Servi, eine mater 
m meldyer R. in einem zweiten Bilde Gott den Vater vorftellte (jept 
mmna au Rom), und außer andern Staffeleigemälden einen Chriftus 
Vater, von mehren Heiligen umgeben, für das Heine Camaldu⸗ 
ein erſtes Frescogemaͤlde. Alle diefe Arbeiten grenzen nod) an den 
hrmeiſters, und zeigen noch nicht die Größe, ben Adel und das Ge: 
paͤtern Arbeiten, zeichnen ſich aber durch Empfindung und Gemäth, 
haften, die der frühern Schule eigenthümlidy find, aus. — Sein 
weiterer Ausbildung 309 ihn zum zweiten Male nach Slorenz. Hier 
Studien nad) den obgedachten Altern Meiftern eifrig fort; die Be⸗ 
tFra Bartolomeo, den man R. faft an die Seite fegen kann, leitete 
Grundfägen im Colorit. Überhaupt ſcheint er die ganze Zeit feines 
ithalts auf feine Bildung verwendet zu haben, wenigftens weiß man, 
ænz nur einige Portraits und den Carton zu feiner Grablegung aus⸗ 
Das Bild ſelbſt malte er in Peruyia, von mo es fpäter in den Palaſt 
Rom gekommen ift. Diefes Gemälde ift ein Wunderwerf der Com⸗ 
Zeichnung und des Ausdruds, deffen Vortrefflichkeit von wenigen 
Arbeiten übertroffen wird. Nach Beendigung deffelben ging R. 
ale nach Florenz, wo Studien wieder feine Hauptbefchäftigung waren ; 
aus biefer Zeit nur die herrliche Madonna, genannt la bella Giar- 
in Paris), und eine andre Mabonna mit den Kirchenvaͤtern (in 
ed Bilder, die nicht völlig von N. vollendet wurden, mit Beftimmt: 
fen. — R.'s wiederholter Aufenthalt zu Florenz ift für ihn felbft, 
ganze neuere Epoche der Kunft, von dem größten Einfluß geworben. 
daters und Perugino's Leitung hatte er das Mechanifche der Kunſt 
Nefen unentbehrlihen Vorkenntniſſen betrat er das Athen talieng, 
„daß Cimabue, Giotto, Fiefole und die Damals noch lebenden flo: 
Önftier mit feinem Lehrmeifter in allen Theilen der Kunft nicht nur 
nten, fondern einige derfeiben, Maſaccio, Fra Filippo Lippi, Ma: 
welli, Ghirlandajo umnd Fra Bartolomeo durch wohlgeordnete 


12 Rafael Sanzio 


Eompofitionen,, richtige Zeichnung und lebhafte Färbung ihn übertrafen. J 
Merken Ghirlandajo's, und vor allen des Mafaccio, fand er, wonach er am m 
firebte, einen größern Styl in Formen, Gewaͤndern, Umtiffen. Hatte nı 
Schon die Vorzüge der größten Meifter feiner Zeit in der ganzen Romagna fi 
worben, fo eignete er fich jest auch alle Vorzüge ber florentinifchen Schul, 
daher feine große Achtung für diefelbe. Ein auffallendes Beifpiel dieſer Verel 
gab er u. a., indem cr zwei Figuren von Maſaccio, welche man in der Carm 
kirche zu Florenz noch jest fehen kann, in feinen Logen ohne die mindefte Ab 
rung copirte, naͤmlich Adam und Eva, wie fie der Engel aus dem Parabiefe ı 
— Unterdeffen hatte Papft Julius H. durch Bramante die erfte dee zum ı 
Bau der Peterskirche und zur Verfchönerung des vaticanifchen Palaftes ausf 
laffen. Auf Bramante's Veranlaffung ward R. 1508 nad) Rom berufen. 
Papſt empfing ihn mit ausgezeichneter Güte, die Kuͤnſtler Rome aber mit der 
ten Achtung. Er ftellte hier im zweiten Zimmer neben dem großen Saale bes 
Itantin, die Stanza della Segnatura genannt, auf einer Steinwand die DU 
oder den Streit der Kicchenväter vor. Man findet ziwifchen diefem Gemäß 
‚feiner Grablegung eine Ähnlichkeit, was bei feinen fpätern Arbeiten nidyt nmel 
Fall if. In der Gruppirung hat er fich hier noch an den Stni feiner früheren: 
gaͤnger gehalten. Mur ift die Disputa meit vollendeter; Alles Leben, Bewe 
Handlung, die Abwechſelung in den Charakteren bewimdernswuͤrdig, jeber € 
voll Bedeutung, Seele und Geift. Nehmen wir für R.’s Arbeiten mehre] 
den an, wovon bie erfte feine frühern, noch in Perugino’s Manier verf 
ten, die zweite aber diejenigen umfaßt, melde er in Urbino, Florenz u. ſ. w. 
endete, fo bemerkt man in der Disputa den Übergang zur dritten Manier, v 
in der Schule von Athen, dem zweiten Hauptgemälbe in diefem Zimmer, 
noch beflimmter ausfpricht. Diefes Gemälde (dem mwahrfcheinlich der Pa 
als das dritte Hauptgemälde des Zimmers, vorhergegangen ift) zeigt weit ı 
Kreiheit in der Behandlung, mehr Männliches und Kräftige. Auch geuen 
erft dadurch die Gunſt des Papites fo fehr, daß diefer die Frescomalereien a 
Künftler im Vatican faft fännmtlich vernichten lief, um die Zimmer burd 
ſchmuͤcken zu laffen. R. malte an deren Stelle in der obgedachten Stanze DU 
gorifchen Figuren der Theologie, Philofophie, Gerechtigkeit und Dichtkunft, | 
in den Eden des Plafonds den Fall Adams , die Sterntunde, Apollo und Ma 
und Salomo’s Urtheil, ſaͤmmtlich in Bezug auf die vier Hauptbilder des Zinm 
zulegt aber auf der vierten Hauptwand über den Senftern die Klugheit, Maͤß 
und Stärke, darunter den. K. Juſtinian, der das römifche Recht dem Tribe 
ingleihen Gregor X., der die Decretalen einem Gonfiftorialadvocaten uͤbe 
und unter denfelben Mofes, und eine bewaffnete allegorifche Figur. — 
waren die ſaͤmmtlichen Arbeiten in der erften Stanze vollendet. Nun fol eu 
Vaſari's Angabe mehre, weniger bedeutende, aber treffliche Srescogemälbe 
heitet haben, den Jeſaias in St.=Nuguftin, die Propheten und Sibnlien ht « 
Marin delta Pace, und feine befannte Madonna di Koligno (im Vatican). — 
R. in dem ihm eigenthuͤmlichen Styl mit Riefenkraft immer flieg, davon F 
folgendes Gemaͤlde in den Stangen, bie Vertreibung des Heliodor aus dem 
pet, Beweis. Hier ift der Stol weit ernfter, größer, kuͤhner und gewaltiger 
Behandlung weit geiftreicher und meifterhufter. Diefem folgte 151%, une 
Regierung des neuen Papftes, Leo X., fein Attila, der von Nom durch La 
Großen entfernt wird; Petri Befreiung aus dem Gefaͤngniß; und der PE 
diefer Stange, Moſes im brennenden Bufc) , den Bau der Arche, Iſaaks 
und Jakobs Traum voritellend. Ungefähr gleichzeitig damit find die Staffe 
mälde: die bertihmte Madonna del Pesce (im Escorial), welche in Park 
Holz auf Leinwand übertragen wurde, feine ebenfo fchöne Cecilia, welche von 


Rafael Sanzio . 18 


ümbet worden fein foll, eine heil. Samilie, la Perla genannt (im Es⸗ 
chiels Traum, unter mehren Madonnen bie dell’ Impannato, die 
ia, befannt u. d. N., lo Spasimo di Sieilia (jest in Madrid), Chri⸗ 
Siorie von Heiligen umgeben, le cinque Santi, fodann fein eignes 
tin Mündyen), das Portrait Laos X. (in Paris) u. A. Albr. Dürer, 
Rubm bewogen, fol damals ihm fchriftlich ein Freundſchaftsbuͤndniß 
und ihm mehre feiner eigenhändig geaͤtzten Kupferblätter und fein Bild: 
und dagegen eine Anzahl Zeihnungen von R.'s Hand zum Geſchenk 
en. Mit dem Incendio del Borgo, das Leo durch fein Gebet Löfcht, 
dritte Stange im Vatican an; dieſes Gemälde ift durch Stärke und 
es Ausdrucks, Schönheit der Formen, Wahl der Gruppirung und 
igkeit ein Meifterftüict geworden. Ihm folgte die Krönung Karls d. 
Inhtfertigung Leos IH. bei Karl, und Leos IV. Sieg Über die Sata: 
fi, an weldyen jedoch R.'s Schüler nach feinen Zeichnungen viel ge: 
en. — Hierauf vollendete er die von Bramante unvollendet gelaffenen 
aticaniſchen Palaſtes, d. h. die Galerien, welche die Zimmer des Pa⸗ 
igen, und verfertigte die Zeichnungen zu den Malereien und Stucco: 
mit fie verziert werden follten. Durch Giulio Romano und andre 
IR. die Gemälde (deren nur vier von feiner Hand find), durch Johann 
ber die Stuccaturen ausführen. Und fo wurde ein Cyklus von Kunft: 
det, die für ewige Zeiten ein Vorbild für alle Künftler fein werden 
etcanifchen Palaft zu einem Kunftheiligthume erhoben haben. Der 
zädt von der Vortrefflichkeit diefer Arbeiten, trug R. die Auszierung 
wdern Saales im Batican mit Bildniffen der Heiligen und Apoſtel auf, 
a am Oberauffeher über alle Verfhönerungen biefes Palaftes und 
a mit Ehrenbezeigungen. — Während der Zeit lieferte R. noch viele 
eichnete Arbeiten; er verfertigte zu mehren Paliften, welche in Rom 

dten Italiens erbaut wurden, die Zeichnungen, und vollendete die 
Wr die Kirche St.:Sirt zu Piacenza (in Dresden), unitreitig eins der 
Kfeines Pinſels. Die Hoheit, Würde und Erhabenheit, gepaart mit 
Bde und Schönheit, welche in diefem Bilde herrfchen, möchten wol 
meiht bleiben. Arbeiten aus diefer Periode find ferner: der heil. 
We Portraits der Beatrice von Ferrara, feiner geliebten Kornarina , des 
(ey in England), ded Grafen Caſtiglione, der wunderfchönen Johanna 
um (beide in Paris). — Bon legterm find zwei alte treffliche Gopien, 
Hür Arbeiten bes Künftiers ſelbſt Hält, eine beim Grafen Fries in Wien, 
ae Mater Wocher in Bafel. Hierher gehören aud) die Srescogemälde in 
22, das Leben der Pſyche in zwölf Bildern und die Galathea vorftellend, 
dem legtgedachten, von feinen Schülern ausgeführt; ſodann die von 
tbreichenden Zeichnungen aus der Fabel der Pſyche, 38 an der Zahl; 
kMadonna della Seggiola (in Paris). — Wahrſcheinlich fpäter fertigte 
wertin Ghigi die Zeichnungen zum Bau und zur Auszierung einer 
Era: Maria dei Popolo, und für Leo X. die weltberühmten Car⸗ 
) zu den Tapeten für eins der Zimmer ded Vaticand. Diefe Tapeten 
er alljaͤhrlich am Fronleihnamsfeite im Vatican ausgeſtellt, find aber 
dm Zeiten zerftreut worden. Dies ift um fo mehr zu betrauern, da 
m Rafael'ſchen Stanzen in Hinſicht auf Compofition, Hoheit des 
Mannigfaltigkeit des Ausdruds, der Gruppirungen, Stellungen 
per oft vorgezogen worden find. — Zur Ausmalung der vierten Stange, 
Ifantine, in DI, hat R. nur einige Zeichnungen, befonders zur Schlacht 
win und Maxentius, binterlaffen, die von Giulio Romano und andern 
denm man in der Folge die Arbeit uͤbertrug, ‚benupt worden find. Bon 








14 Rafael Sanzio 


feiner eignen Hand find jedoch wahrfcheinlic die Bilder ber Gerechtigkeit‘ 
Freundlichkeit in diefem Saale. Mehre Staffeleigemälde jcheinen auch um ° 
Periode von R. verfertigt worden zu fein, u. a. Johannes in der Wuͤſte (von ’ 
mehre faſt gleich gute und einander faft gunz ähnliche Bilder vorhanden find, r 
li) in Slorenz, in London, aus der Galerie des Herzogs v. Orleans, in * 
und in Darmfladt; daher man nicht weiß, welches von diefen das Original 
ferner feine Madonna mit dem Chrifttinde , das von einem Engel mit Blume’ 
flreut wird, und die heil. Margaretha. -- : M.’& letztes, nicht völlig vollen! 
Gemälde, die Verklaͤrung Chrifti, befindet fich wieder im Vaticın. Wenn‘ 
die Kritiker dieſem Bilde vorgeworfen haben, „es enthalte zwei Dauptgegenfli 
und beftehe aus zwei Bildern; fo müffen doch Alle zugeben, daß es das ve 
detſte Meifterftück ift, welches die neuere chrifkliche Kunft hervorgebracht hat. - 
Compojition ift fo edel, die Zeichnung fo vollendet, der Ausdrud fo erhaben 
ernſt, es herrfcht in den Charakteren fo große Mannigfaltigkeit, das Colorit, 
weit ed von R. herruͤhrt, ift fo wahr und kräftig, wie man in feinem andern F 
R.s diefe Vorzüge wahrnimmt. Der Kopf des verklärten Chriftus, in web 
diefe Vereinigung am meiften bewundert wird, fol feine legte Arbeit geweſen 
Von einem heftigen Fieber ergriffen und durch eine falfche Behandlung geſchw 
ſtarb der treffliche Kuͤnſtler in der Blüthe feines Lebens, 37 3. alt. — „Um 
, bar war der Schmerz, in den ganz Nom bei diefer Nachricht verſank, grenze 
die Trauer feiner Schüler. Diefe verloren in ihm ihren Vater und Freund, b 
wohlwollendes Herz fie ale zu Einem Streben begeifterte. Sein Leichnam w 
in feinem Studienfanle im Angefichte feiner Verklärung auf einem prächtigen: 
tafalk aufgeftellt und dann mit einer feierlichen Zeichenbegleitung in die K 
Sta: Maris Rotonda (fonft Pantheon) zur ewigen Ruhe gebracht. Dort Ü 
feine Gebeine noch jest, bis auf feinen Schädel, der fpäterhin im die Akad 
S.⸗Luca verfegt wurde. Sem von Carlo Maratti dort mufgeftelltes, von Na 
gefertigtes Bruftbild, nebft einer Infchrift des Cardinals Bembo: 
Ile hic est Raphael, timuit quo sospite vinci 
Magna rerum parens et nıoriente mori. 

bezeichnen jeine Srabftätte”. — Alle gleichzeitige Schriftfteller ſchildern R. 
einen höchft gutmüthigen, zuvorkommenden, dienftfertigen, befcheidenen unt 
benswürbigen Mann, der bei Hohen und Niedern gleich geachtet und beliebt ı 
Die Schönheit feiner Geftalt, die edle, Zutrauen erwedende Bildimg ſeined 
fichte nahmen ſchon beim erften Anblick für ihn ein. Er flarb unverheirathet, 
war er den Frauen keineswegs abhold. R.'s Nachlaß fiel, feinem legten WB 
gemäß, an feine Lieblingsfchüler, Giulio Romano und Francesco Pemni. 
Wenn man die ungemeine Anzahl von R.'s Gemälden (fo ſtreng man auch in 
ficht ihrer Echtheit fein muß) detrachtet, fo glaubt man kaum, daß ein volles I 
fchenteben zur Vollendung derfelben hinreichend fei. R. hat dadurch die Fruchtba 
feined Genies, ſowie die Leichtigkeit, mit der er arbeitete, aufs deutlichſte head 
Bedenkt man Überdies, daf R. zu siner Menge von Arbeiten, die feine Sch 
ausführten, die Entwürfe und zu feinen größern Gemaͤlden vielfache Stu 
machte (mie die vielen Skizzen zu Madonnen, zur Schule von Athen, zum 
chenfteeit ıc. beweifen), und oft erſt alle Figuren nadt zeichnete, um den Wur 
Gewänder und Kulten den jedesmaligen Stelungen defto mehr anzupaffen ; 
denkt man ferner, daß ihm die Auflicht ber den Bau der Peterskirche, der ( 
wurf von Planen su Erbauung andrer Kirchen und Palaͤſte, und mehre dergi. 
benarbeiten übertragen wurden: fo muß die Bewunderung feines Genies 
Hoͤchſte fteigen. --- Anfangs war feine Zeichnung, dem Geichmad damaliger 
und dem erhaltenen Unterrichte gemäß, etwas ſteif und troden; fpäter, als e 
Natur und Antike fleißig ſtudirt hatte, erfchuf er fid) ein Ideal, das wegen fi 


Rafael Sanzio 16 


z gar Natur, zum Menfchlichen, das Gemüth des Menſchen in Ans 
ww, wenn das griech. Ideal mehr durch Hoheit überwältigt. In feinem 
x gewann feine Zeichnung immer mehr um Freiheit, und Alles wurbe 
Bewegung in jeinen Geftalten. Seine Gemänder find immer einfach, 
m vorzüglich in fpätern Arbeiten große Maffen, und find vortrefflich 
ſodaß das Nackte durdy fie nicht verdeckt wird. In den Verkuͤrzungen 
sach und minder volllommen in der Perfpective. Im Golorit war er 
ffalls trocken, bis er, durdy Fra Bartolomeo belehrt, einzig die Natur 
03. Wenn er eö aber auch in diefem Theile der Kunſt nicht zu Tizian's 
zgio's Höhe gebracht hat, indem feine Faͤrbung immer zu ſchwer umd 
äg ericheint, fo bemerkt man doch, 3.3. in feinem heil. Johannes in 
s der Fornarina, und in feiner Verklärung, wie weit er ed auch darin 
x: und bloß ang diefer Tann man eigentlich urtheilen; denn feine uͤbri⸗ 
aus der beften Zeit find meift von feinen Schülern ausgeführt, hoͤch⸗ 
hm retouchirt. Die Vertheilung von Licht und Schatten verfland R. 
aber in Dinjicht des Helldunkels hült er den Vergleich, mit den obgedach 
a Coloriften nicht aus. Die Compofition und der Ausdrud dagegen 
bie man gleichfam ald R.'s ausfchließendes Eigenthum betrachten muß 
un er feinen würdigen Nebenbuhler gefunden hat. Er wählte in feinen 
sen immer den Augenblidt der Handlung, welcher die Gemuͤthsſtim⸗ 
hendeinden Perfonen am deutlichſten ausdrüdte. Dabei vermied er allen 
kaftauftvand,, alle Überladung, und fuchte, allein mit dem durzuftellen- 
ſtend befcdyäftigt, den handelnden Perfonen nur fo viel Bewegung zu 
Inöchig war. Daher findet man bei ihm oft ganz gerade, faft einfältige 
8, die doch fo ſchoͤn an ihrem Drte find und der Darftellung bes In⸗ 
bs Spielraum laflen. Im Gegenfag anderer Maler überdachte er immer 
ka der darzuftellenden Gefchichte und den allgemeinen Charakter des 
I, ging dann zu den Figuren und zulegt auf die einzelnen Theile derſel⸗ 
& So wurden feine Bilder ganz Gemuͤth und Seele, fo erhielten fie 
mie, nach welcher viele andre Künftier vergeblid) geftrebt haben. Goͤthe 
Win von ihm: „Er machte Das, was alle Andre wünfchten gemacht zu 
- 3u feinen ausgezeichnetfien Schülern gehören: Giulio Pipi Romano, 
wi it Fattore, Polivoro Caldara di Caravaggio, Benvenuto Garofalo, 
Bine, Bartolomeo Ramenghi il Bagnacavallo. Diefe, fowie ihre 
m ſpaͤtern Nachahmer, bilden die von R. geftiftete römifche Schule, die 
de Berzlige, welche ihrem Begründer vorzliglic eigen waren, immer 
Ben ausgezeichnet hat, wenn fie auch bier und da nur ale fhwacher 
won R.'s Vortrefflichkelt erfcheinen. — Die neueften Biographien R.'s 
kam (Wiesbaden 1815); von Züßli (Zürich 1815); und von Qua: 
'Dainen (Paris 1825). -— In Münden, Mainz und Berlin feierten 
we Kuͤnſtler, forie die Runftatademie zu Berlin, feinen 300jährigen 
Bot. Toͤlken'sRede bei der Gedächtnißfeier Rafael's, welche zu Ber: 
Kprit 1820 von der Akademie der Künfte und des Geſanges und dem 
wi begangen wurde” (Berlin 1820, 4.. - - Marc. Antonio (Ant. 
Bach R.'s Zeichnungen in Kupfer, und R. jelbit fol auf einige Piatten 
geſtochen Haben. -- Ein „Catalogue des estampes gravees d’apreu 
u Tauriscus Euboeua“ (Graf Lepelt), erfchien Frankf. a. M. 1819, 
indes calquees et deasinées d’apres 5 tableaux de Raph. acconıp. 
are au trait et de notices hist, et crit.” von Emer. David zu Paris 
här.); dieſe > Gemälde find das Agnus Dei, la Perle, la Visitation 
R. von De6noyert) , In Vierge au poisson und lo Spasimo , die 1813 
ich kamen, daſelbſt reſtaurict wurden und A819 nad) Spanien zurtid: 


16 Raffiniren Raitzen 


kehrten. Auch ſ. m. „Rafael Sanzio, von Fror. Rehberg‘ (Muͤnchen 1824 
Fol., nebſt lithogr. Bl. nach R. und feinen Vorgaͤngern). Ein Text voll Geif 
Gemuͤth iſt „Rafael's Kunft, und Kuͤnſtlerleben“, in Gedichten von Karl F 
(mit Kpf. nach Gem. v. R. Leipz. 1827). 

‚ Raffiniren, in der Chemie das Feinmachen, Reinigen, Läutern g 
fer Subflanzen. Doch wird diefer Ausdruck hauptfächlidy nur bei Laͤuterun 
Zuckers (ſ. d.) (daher Raffinade), des Kamphers nnd des Tinkals oder r 
Borar gebraucht, fowie in ber Hüttenkunde bei der Stahlbereitung. 

Rafflesia Patma. Diefer Koloß in der Blumenwelt, den |; 
1824 Dr. Blume in Batavia befchrieben hat, übertrifft an Größe bei weiten 
bis jest bekannte Blumen. Zu Ehren des britifhen Gouverneurs Star 
Raffles, des Geſchichtſchreibers von Java (geft. zu Lond. am 5. Juli 1826), 
diefe Blume, deren javanifcher Name Patma ift, Rafflefin genannt. Sien 
in der Nachbarfchaft des Meeres der Sundainfeln. Ihre Blumenknosper 
fphärifh, von rothhrauner Farbe und von der Größe eined Kohlhauptes. 
Blume hat drei Fuß im Ducchmeffer. Sie fist als Schmarozer auf den Mia 
einer Liane und hat einen Blumenſtiel. Ihr Geruch ift wie verborbenes | 
fleifh. Jede Blume hat nur Ein Geſchlecht. Dr. Blume rechnet fie zu der t 
der Dilleniaceen. 

Ragufa, ehemaliger Eleiner Freiftaat ſlawiſchen Urfprungs in dem 
Jllyrien, am adriatifhen Meere, der 656 n. Ch.‘gegründet, 25 TIM. groß 
mit 60,000 Einw., und von 1427 — 40 blühte. Bon 1358 — 1536 
diefe Republik unter dem Schutze der Krone Ungarn. Sie begab ſich aber 
unter den Schuß der Osmanen und zahlte einen jährlichen Tribut. Endlich 
auch fie Durch die von Frankreich ausgehenden gewaltigen Erfchütterungen vn 
tet. Die Religion der Bewohner des Eleinen, größtentheile gebirgigen Gebiet 
bie römifch-Eatholifche ; ihre Sprache ein Gemiſch von Slavoniſch und Stalia 
Die Regierungsverfaffung , an deren Spige ein Rector ftand, der monatliche 
felte, war ariftofratifc und nach dem Mufter ber venetianifchen eingerichtet. 
naparte erpreßte von ihr auf feinem Zuge nad) Aanpten 70,000 Dulaten. { 
befegte der franz. General Lauriſton Ragufa, ungeachtet diefe Republik bie fire 
Neutralität beobachtet hatte, worauf die Ruſſen und die Montenegriner € 
und Gebiet feindlich behandelten. 1811 vereinigte Napoleon Ragufa mit fa 
41809 gebildeten Generalgonvernement Syrien; 20. Jun. 1814 war! 
Stadt mit Capitulation von öfter. Truppen beſetzt. Sie bildet jest einen Arei 
Königreichs Dalmatien. — Das alte Epidaurus, 589 v. Ch. von einen 
chifchen Colonie gegründet, jest Ragufa vechin, wurde 164 v. Ch. eine 
Golonie. 656 nad) Eh. unterfochte ein ſlawiſcher Volksſtamm die Eolonifte: 
zerftörte Epidaurus, worauf die Slüchtlinge das heutige Ragufa gründeten. 
(1548, 1562) und Erdbeben (1667) zeritörten den Flor diefer vormaligen H 
ftadt der Republik und erſten Pflegerin der ſlawiſchen Literatur. Sieift bef 
und liegt am Fuße eines hohen, Eahlen, fteilen Berges, auf einer Halbinſe 
abriatifchen Meeres. Cie hat breite, regelmäfiige Straßen , einen prächtigen 
laſt, vormals die Mefidenz des Rectors, 1200 H. und 7000, font 40,00 
welche, außer einigen Fabriken in Seide und Tuch, Schiffbau und Danbe 
300 eignen Schiffen treiben. Der Hafen bei der Stadt ift Elein, aber deſ 
täumiger der nördlid) gelegene Hafen von Gravoſa. Die Stadt erhält ihr U 
durdy eine Wafferleitung. Sie hat einen Erzbiſchof, ein Gomnaſium und 
höhere Lehranſtalt der Piariften (Liceo Convitto). 

Raimar (Freimund), ſ. Rüdert. 

Raitzen; eigentlich Rafcier, ei Volk fimvifchen Stammes, das in‘ 
vien und Jliprien feine Wohnplaͤtze hatte, gegenwaͤrtig aber quch in Slaro 


enders ım Innern, wo die Waffen fremder Eroberer noch nicht haben 
Bauen, finden ſich viele völlig unabhängige Rajahe. : - Die Pforte 
Wift. Unterthanen Rajahs, d.i. Skaven. ' 

te, in der Feuerwerkskunſt, eine von Papier gedrehte Röhre, weiche 
Dorn mit Pulver vollgeſchlagen, an einem langen Stab befeftigt, per 
aufgehängt und entzündet wird, dann ſenkrecht oft mehre tauſend Fuß 
duft fteigt. Die Congreve’fchen Raketen (ſ. Congreve) beftehen aus 
mm, auf dleſelbe Art wie bie gewöhnlichen mit Pulver vollgeſchla⸗ 
8, die ebenfalls an einem Stode befeftigt iſt, jedoch nicht fenfrecht fteigt, 
tyontal auf ein Geſtell in eine Rinne gelegt und entzündet, ſich in der= 
tung mit gewaltigem Raufchen fortbewegt Bis hierher gleiche fie der 
mRafete. Born befindet fid aber eine eiferne mit mehren Löchern und 
e verfehene Rugel, weiche mit einer Maffe, die dem gewöhnlichen 
Ihelidy zu fein ſcheint, gefällt ift. Diefe ſpruͤht, ſobald fie entzuͤndet 
u ſich, das ſich Überall anhängt , nicht zu Löfchen iſt und tief einbrennt. 
Iffe erſchoͤpft, fo fpringt die Kugel wie eine Granate. Die Engländer 
IR Raketen gegen Zruppen (bei Leipzig und an ber Görde) und befons 
Magerungen (Kopenhagen, Wittenberg). Man hielt biefe Erfindung 
kihr wichtig; doch hat die Erfahrung gezeigt, daß biefe Raketen, duch 
Imre Zufälligfeiten gar fehr irre gemacht, ganz von ihrer Richtung 
n ſelbſt oft umkehren. Sie thun Im Felde weit weniger Schaden als 
SGeſchutz, und belagerten Städten ſchaden fie nicht mehr ald Brands 
mit Brandfag gefüfite Bomben. Auch ihre Bufammenfegung ift kein 
üngfiches Geheinmiß als man gewöhnlich meint ; denn bei der Öftreichie 
ſchen und andern Artillerien find fie ſchon nachgeahmt, ja befonberd bei 
tvernollfommnet worden. 

1,9 (umrichtig Ragogv), eine berühmte, in männlichen Cr aus» 
re Samilte im Siebenbürgen, bie einige Zeit hindurch diefes Fürften: 
Kite , ſich um die religiöfen "md politifchen Rechte der Siebenblirger 


18 Raleigh 


resmacht entgegenſtellen konnte, eroberte er den groͤßten Theil Ungarns und 
tens, nahm viele Feſtungen und nahte ſich mit raſchen Schritten den A 
Wiens. Vergebens fuchte jegt Leopold den Frieden herzuftellen; der unerſch 
liche R. foderte, daß Ungarn in ein Wahlreich verwandelt, alle geduldete R 
nen in ihren Freiheiten hergeftellt,, ihm die Fuͤrſtenwuͤrde über Siebenbuͤrger 
£annt, und ihm und feinen Anhängern alle eingezogene Güter ihrer Väter z 
. gegeben werden follten. Marlborough's und Eugen’s Sieg über daB vı 
franzöfifch-bairifche Heer bei Hochftädt fegte den Kaifer in den Stand, dem 
fien R., der noch immer Siebenbürgen nicht ganz erobern Eonnte, eine g 
Heeresmacht entgegenzuftellen. Aber ſchon während der Rüftung ftarb 2 
(1705) und fein Sohn und Nachfolger, Sofeph I., bot unter Englands un! 
lands Vermittelung den Mißvergnügten vergebens den Frieden an. Öftreid 
daher den Kampf mit verfläckter Macht fort. Umfonft ſuchte R., von f. 4 
gluͤck verlaffen, die Pforte für fich zu gereinnen. Berlorene Schlachten u 
Meft rieben fein Heer auf. Neuhäufel und a. Seflungen, die er innehatte 
gen über, worauf er fich in gütliche Unterhandlungen mit Öftreic) einließ. 
Reiſe nach Polen, wo Peter d. Gr. war, den er für ſich gewinnen wollte, 
ohne Erfolge. Man fegte‘ während feiner Abweſenheit die Friedensunterha 
gen in Ungarn fort, die d.29. Apr. 1711 zu Szathmar geendigt wurben. 
verfammelten ungarifchen Stände unterzeichneten (1. Mai 1711) zu Kavol 
Vergleich mit ſtreich, durch welchen allen Verſchwornen gänzliche Amneſi 
Zuruͤckgabe der eingezogenen Güter, den geduldeten Meligionsparteien freie | 
des Sottesdienftes und der ganzen ungarifhen Nation die Derftellung de 
lorenen Freiheiten und echte zugefichert wurde. R. ging nad) Frankrei 
endlich nach Rumelien, wo er auf ſeinem Landgute (1735) ſtarb. Er hat 
moires sur les revolutions de Hongrie“ (Haag 1738, 2 Bde. in 4 
6 Bde. in 12.) hinterlaffen , die von vielem Geifte zeugen. Das Testamen 
litique et moral du prince Ragotzki” ſoll nicht von ihm ſein. 
Raleigh (Sir Walter), aus einer alten Familie, auf einem & 
Bodley in Devonfhire 1552 geb., ftudirte zu Orford und London die Rechte 
1569 mit Hülfstruppen, welche die Königin Elifabeth den Hugenotten f 
nad) Frankreich, und focht nachher mit den Niederlaͤndern gegen die S 
Nach feiner Zuruͤckkunft nad) London unternahm er 1579 mit feinem Halb 
Humphrey Gilbert eine Entdedungsreife nach Nordamerika ohne Erfolg. 
1580 in Irland eine Empörung gegen die Engländer ausbrach, welche ve 
Spaniern mit einer Landung unterſtuͤtzt ward, bekam er eine Hauptmam 
unter den Truppen des Grafen v. Ormond, und zeichnete ſich in dieſem Kr 
aus, daß er ſpaͤterhin zum Statthalter von Cork ernannt wurde, auch zur | 
nung feiner Dienfte große Güter in Irland erhielt. R. befaß viele Gewan 
ein ſchoͤnes Äußere und jenen Anſtrich von Ritterlichkeit, der in Elifabeth#1 
fo hohen Werth hatte. Als die Königin einmal auf einem Spaziergange dur 
moraftige Stelle aufgehalten wurde, fol R. feinen Eoftbaren Mantel abgens 
und ihn vor ihr zur Fußdede ausgebreitet haben. Als er den Herzog v..d 
der fich um der Königin Hand beworben hatte, aber mit einer abfchlägli 
wort und großen Ehrenbezeigungen entlaffen worden war, nach den Mi 
zuruͤckbegleiten mußte, war er zugleich der Überbringer geheimer Botſchaf 
den Prinzen von Oranien. 1583 ruͤſtete er auf eigne Koſten ein Schiff auf 
feinen Halbbruder Gilbert auf deſſen Reife nach Neufundland zu begleiten; 
durch eine unter feinem Schiffsvolk ausgebrochene Seuche ward er genöthk 
ruͤckzukehren. 1584 erhielt er ein ausgebehntes Patent zu Entdediung und 
ter Länder und Anlegung von Colonien in den von chriſtlichen Mächten noch 
befegten Ländern Nordamerikas. R. war der Erfte in England, der den u) 


Raleigh 19 


den Colonien in Amerika machte; vorzuͤglich richtete er ſeine Aufmerk⸗ 
f Nordamerika. Er brachte bald am Hofe und unter den Kaufleuten 
ihaft zufammen, welche zwei Schiffe ausrüftete, die 1585 unter den 
ee Capt. Barlow und Amidas nach Morbamerika fegelten, in ber Bai 
que im heutigen Garolina landeten und mit Waaren, die fie von den 
Ziden eingetaufcht hatten, nad) England zuruͤckkamen. Man fchidte 
hr 7 Schiffe dahin und legte eine Colonie an, die bald aber durch eigne 
Eeloniften zu Grunde ging. — WR. wurde 1584 zum Abgeordneten 
fhire im Parlament erwaͤhlt und nicht lange nachher von der Königin 
smannt. Moch einträglicher war ihm ein Patent, das ihm allein im 
igreiche Die Befugniß ertheilte, den Kleinhindlern mit Wein Erlaubniß- 
ieſem Dandel su geben. Außerdem wurden ihm mehre große Güter in 
benkt. 1586 ward er zum Senefchall der Derzogth. Cornwallis und 
um Lordwarden (Dberauffeher) der Zinnbergwerfe ernannt; ja, er 
ein Gunft bei Eliſabeth, daß ihr erfter Liebling, der Graf v. Leicefter, 
mrubigt, dem Grafen v. Effer emporhalf, um R. einen Nebenbubler 
1587 ward R. Hauptmann der koͤnigl. Garde und Generallientenant 
u — Als die fpanifche Armada an Englands Küften erfchien, kam 
a eignen Schiffen der koͤnigl. Flotte zu Hilfe und trug viel zur Beſie⸗ 
zindes bei. Die Königin ernannte ihn nachgehende zum Mitgliede ib» 
meithes und wies ihm beträchtliche Finfünfte an. Dies Legtere war 
zen feine geringe Gunft; denn obgleich er ruhmfüchtig, prachtliebend 
iz war, fo verfänmte er doch eine Gelegenheit, welche ihm zur Wahr⸗ 
kmes Vortheils durch feine Hofverbindungen dargeboten wurde, ſodaß 
u, durch feine Bitten beldftigt, ihn einmal fragte: „Wann doch, Sir 
wär Ihr aufhoͤren ein Bettler zu fein?” -- „Wann Ihro Majeſtaͤt“, 
I, „aufhören werden eine Wohlthäterin zu fen”. Auch machte er 
wien, Beftechungen anzunehmen. Selbſt Kirchengliter wußte er an fich 
band deffenungeachtet blieb er bei dem Wolke ebenfo beliebt wie bei 
E — 1592 rüftete er in Sefellfchaft mehrer Andern eine Klotte aus, 
Be anzugreifen und eine fpanifche Flotte aufzufangen. Diefe Unter: 
uite jedoch Feine andern Folgen, als die Eroberung eines reichen ſpani⸗ 
ki. — Die übertriebenen Befchreibungen, die man damals von der 
Bniana in Suͤdamerika machte, indem man fie ale eine wahre Gold: 
rado) fchilderte, reiste auch den für alle große Entwürfe empfänglichen 
3ug dahin zu unternehmen. Cr feqelte 1595 ab, nahm die Inſel Tri: 
fig und ging den Dronofo hinauf. Als er uber die erwarteten Meich- 
tfand, kehrte er bald zuruͤck, heftärkte jedoch durch feine Nachrichten 
ned Land verbreiteten Wahn. Bei der Unternehmung gegen Gadiz 
eit er ein Commando unter dem Grafen Effer , zeichnete ſich durch Ta: 
'Rtugheit aus, und ward im folg. I. unter Eſſex's Oberbefehl Contre⸗ 
we Klotte, welche zur Wegnahme ber fpanifchen MWeftindienflotte ber 
, Ein Angriff, den R. anf die feindtichen Schiffe machte, 309 ihm 
Bien zu, und er wuͤrde ohne die Verwendung feiner mächtigen Fremde 
en fein , obgleich fein Angriff mit Sieg gekrönt war. Späterhin mard 
Mhalter von Jerſey ernannt. Gr trat als Zeuge gegen feinen großen 
r, den Grafen Eſſer, auf, deffen Hinridytung er auf eine ungeziemende 
Mleunigen fuchte und aus einem Fenſter des Zeughaufes mit anfah. --- 
Igte viel Widerroilien gegen R., als einen Mann, der die kön. Gewalt 
Imolle. R. ward deßwegen auf eine kraͤnkende Art zuruͤckgeſetzt. Beſchul⸗ 
an einer Verſchwoͤrung gegen den König genommen zu haben, ward er 
wäther vor Gericht geftellt. Aber er vertbeidigte fich mit eineı fo uͤberreu⸗ 


2% 


20 Rallentando Ramaͤjana 


genden Beredtſamkeit, daß man ihn nicht des Todes ſchuldig finden konnte. 
warb in dem Tower gefangen geſetzt. Hier ſchrieb er feine Weltgefchichte (‚ 
story of the world”), die nach einem vielumfaffenden Plane angelegt iſt, 
ſchon in der Mitte der römifchen Gefchichte aufhört. Die Kortfegung derf 
verbrannte er in einer Anwandlung von Unmuth über die Ungewißheit der bil 
ſchen Beweife. Erſt nach einer 12jährigen Gefangenfchaft erhielt er feine Frei 
Um feinen zerrütteten Bermögensumftänden aufzubelfen, befchloß er eine 
Fahrt nad) Guiana, mo er Goldgruben zu entdedden hoffte. Er fand viele X 
nehmer, und erhielt einen koͤnigl. Erlaubnißbrief dazu, ohne dag Jakob das 
ihn gefprochene Urtheil wegen des angeblichen Hochverraths zuruͤknahm. 1 
fegelte R., der fein ganzes Vermögen auf diefe Ausrüftung verwandt hatte, 
12 Schiffen ab. Die Spanier, von feiner Unternehmung benachrichtigt, & 
fid) an eben der Landfeite, welche ihm angewiefen war, niedergelaffen und K 
werke eröffnet. R. kam krank an der Mündung des Oronoko an und feine g 
Unternehmung fcheiterte. Als er 1618 nady England zuruͤckkam, ward er zu 
mouth auf Befehl des Königs verhaftet. Vergebens fuchte er nach Franfrei 
enttommen. Seine Berufung auf die ihm anfcheinend bewilligte Begnabi 
ward verworfen, und man erlaubte ihm nicht einmal die Vertheidigung feines 
tragens hei der legten unglüdlichen Unternehmung. Das Tobesurtheil war! 
fpeochen und d. 29. Det. 1618 vollzogen. Männlich und ſtark hielt er eine 
an das Volk, ließ ſich Dann das Beil zeigen , unterfuchte die Schärfe deffelben 
fagte: „Es ift eine fcharfe Arznei, aber ein fiheres Mittel gegen ale Übel”. 
er gefragt wurde, auf welcher Seite des Blocks er feinen Kopf hinlegen wolle, 
wortete er: „Wenn das Herz nur rechtfchaffen ift, fo iſt es einerlei, wo ber. 
liegt”. So fiel R. im 66. Jahre feines Alters durch einen ungerechten Urtt 
ſpruch, den nur Jakobs I. Charakterfchräche erklärt. R. war ein Dann 
großem, unternehmenbem Geifte, der aber freilich auch viel verſchuldet hatte. 
feiner außerordentlichen politifchen Thaͤtigkeit befchäftigte ex fich viel mit den | 
fenfchaften. Seine Schriften find poetifchen , geographiſchen, politifchen, | 
tairiſchen, philofopbifchen und gefchichtlichen Inhalte. Seine Poefien, met 
Lieder, waren zu jener Zeit nicht ohne Werth, doch hat er ale Dichter nich 
glänzt. Seine Weltgefcyichte, freilich nicht vollendet und für unfere Zeiten 
mehr brauchbar, trägt das Gepräge feines großen Geiſtes. Er war der Erf 
ter den Neuern, ber eine pragmatifche Geſchichte ſchrieb. Die neuefte Ausg. 
felben ift 1736 in Fol. erfchienen. Von feinen verm. Schriften („Misoellan 
works") fam zu London 1748 eine Ausg. in 2 Bdn. 4. heraus, 

Rallentando, auch ritardando ober lentando, zeigt in der Tom 
an, daß bei der damit bemerften Stelle eines Tonſtuͤcks das Zeitmaß wege 
Ausdrucks etwas verzögert oder langfamer werden fol. Der Eintritt des Fri 
Tempos erfolgt entwweber nad) einigen Takten von felbft, oder wird durch a u 
ausdrücklich angezeigt. 

Ramajana, eine berühmte Epopde in Sanskrit. Dieſes Heldenge 
von einem alten indifchen Dichter, Namens Valmiki, — oder vielleicht da 
meinfame Werk eıner alten inbifchen Dichterſchule —, in welchem die Thaten 
Abenteuer des Rama (f. Indiſche Mythologie, befungen find, wird: 
Wilh. v. Schlegel zu Borm Fritifch berichtigt und mit latein. Überf. verfehen 
Bdn. in 8. herausgeben, da die Ausg. zu Serampore (1806— 10, 3Bde., 4.) 
vollendet wurde. Es fchließt fich an das philofophifche, in ganz Indien beruͤ 
Gedicht „BhagavadsGita’’ an, welche eine Unterredung des Krifchna und Arı 
über göttliche Dinge enthält (ebenfalls von Schlegel herausg., Bonn 1823). 
Ramäjana behauptet nebft dem Mahn: Bharata den erften Rang unter ben 
thelogifchen Gedichten, welche die Indier Puranas, d. i. alte Überlieferm 


der Sonne. Diefes Ramafanfeft, fewie das Beiramfeft ([.d.), 
ueber hinter dem Ramafan kommt, find die beiden größten Feſie der 
qemedaniſcher Religion. 
aber %, (Johann Heinrich), einer unferer talentvollſten Hiftorien = und 
In und Üger, geb. zu Danover 1763. Sein Vater (handverfcher Hof: 
wurcch Unterricht in der Perfpective und Ölmalerei, den er dem Sohne 
poßen Anlagen deffelben zu entwickeln. Während einer Reife auf dem 
Ikete dieſer in wenig Tagen mehr als ein Dugend Zeichnungen aus, wel⸗ 
intifchen Anficyten dieſes Gebirges gewaͤhren. Sie wurben von dem 
vm König vorgelegt; dieſet ließ dem jungen R. das Reifegeld nad) Eon: 
en, gab ihm eine Stelle in der Malerakademie und forgte für feinen 
R. Hlieb 9 I. in London und vervollkommnete fid) umter Reynolbe’s 
a feineg Kunft. Die gefchictteften Kupferft. Englands, Murphy und 
Lerbeiteten nadı Xs Zeichnungen. Er verfertigte religiöfe Stüde für 
‚Bapelle zu St⸗James, Scildereien für die Bopdell’fche Shakfpeare: 
Iien Poetenfaal, wie auch den Übergang Aleranders über den Grani⸗ 
wüenhoufe. "Georg IH. feibft nahm oft mit Vergnügen feine Schnellig: 
kam wahr und fdidte ihn 1788 nach den Niederlanden und Jtalien, 
Menon eine innige Freundſchaft anfnüpfte. Hierauf kehrte er nach Ha: 
## und ward zum Hofmaler ernannt. --- Wenig Zeichner und Maler 
id gearbeitet ald er. Aber die Schnelligkeit feiner Arbeiten verhinderte 
1 Uasbildung feines Talents. Mehr als 50 Kupferft. Englands und 
6 haben der Fruchtbarkeit feines Pinſels nicht nachkommen können. 
rxiqhnet ſich R. im humoriftifchen Zerchilde aus. Die Zeichnungen zu 


Kihen Kpfn. ber Prachtausgabe von Wieland's Werken find von ihm. .. 1 


Ne für 2 Bde. derf. die Titelkupfer, das eine mit der Überfchrift: Idris. 
Beichnungen lieferte er zu Almanachs⸗ u. a. Kupfern. Dan wirft feinen 
ine gewiffe Famiſienaͤhnlichkeit vor, und feinen Compofitionen im Au: 
eine förende Überladung an Nebendingen, 3.3. Staffirungen von 
mb Kopen. R. ift Mitglied der philotechnifchen Geſeliſchaft in Pas 
ı feine Werke, befonbers uͤber feinen Zug Aleranders Über den Grani⸗ 





22 Ramler 


machte die Oper „Hippolyte und Aricie“ von Pellegrin, welche R. in einem 
mals völlig neuen Styol geſetzt hatte, trotz der Verunglimpfungen feiner Ne 
ausnehmendes Gluͤck. Won nun an ward Alles, was R. componirte, mit enı 
fiaftifhem Beifall aufgenommen, und fogar feine Oper „Zoroafter” in Drei 
ins tal. über]. und aufgeführt: eine Auszeichnung, die bis dahin noch Bei 
franz. Mufitftüd widerfahren war. R. fchrieb 22 Opern, aber feine Anfoden 
gen an die mufifalifche Sefangscompofition kann man wol aus feiner Äußerung 
nehmen: „Au’on me donne la gazette d’Hollande et je la mettrai en ı 
sique”. -- Zum Capellmeifter des Königs ernannt und in den Adelftand erho 
follte er eben den Orden des heil. Michael empfangen, als ihn der Tod 1764 & 
eilte. Sein Leichnam ward mit vielem Pomp in der Kirche St.:Euftadye in P 
neben Lully beigeſetzt. So groß R.'s Verdienfte als Tonfeger waren, fo wur 
fie doch von den Verdienſten, die er fich durch feine Werke tiber Harmonie und - 
neralbaß erwarb, Übertroffen; denn er war es, der zuerft die Grundregeln 
Harmonie gründlicher entwidelte. S. über ihn Gerber’ „Tonkuͤnſtlerlexikon“ 
Ramler (Karl Wilhelm), Inrifcher Dichter, Überfeger und Kritiker, 
1725 zu Kolberg geb., ftudirte zu Halle und wurde 1748 Prof. der ſchoͤnen Wif 
haften bei dem Gadettencorps in Berlin. 1790 legte er diefes Lehramt nieder : 
ward Mitdirector des Nationaltheaters in Berlin. Seit 1796 zog er fi) von a 
Geſchaͤften zuruͤck und ft. 1798. R. trat in einer duͤrren, an ausgezeichneten D 
terwerken nicht ergiebigen Zeit ald Lyriker auf und Enüpfte, indem er feinen Ki 
verherrlichte, feinen Ruhm an den Ruhm bes größten Helden feines Sahrh. 
raz, der den Auguſtus preift,, war das Mufter, dem er nachftrebte, und inn 
ren feiner Oden ift die Nachahmung nicht zu verfennen. Inſofern fann man 
den beutfchen Horaz nennen, da diefer als Lyriker in vielen Faͤllen ebenfalls N 
ahmer griech. Vorbilder war. An Inrifcher Kraft und lebendiger Phantafie 
bleibt er ebenfo weit hinter Horaz zuruͤck als vielleicht diefer hinter feinen Muſt 
Überhaupt fehlte R. der aus eigner Kraft fchaffende Dichtergenius; dagegen 
faß er einen feinen Gefhmad und Sinn für Correctheit. Als Mufter des fi 
fältig geglätteten und correcten Ausbruds hat er ſich um unfere Sprache bleib 
Berdienfte erworben. Den Herameter aber und die Horazifhen Versmaße br 
noch fehr unvolllommen nachgebildet,, forvie ihm uͤberhaupt der Bau und daß | 
fen des antiten Verfes durchaus verborgen blieben ; denn er ging von bem Gri 
fat aus, daß jedes einfylbige Wort nad) Willkuͤr kurz und lang gebraucht we 
tönne, fo ſehr auch Ausfprache und Gehör dawider ftreiten. Dies wird hir 
hen, den Werth feiner Überf. aus dem Horaz, Martial, Catull, der Sapphif 
Oden u. f. w. zu beftimmen. Ebenſo wenig hat er fich den Dank der Freunde € 
ner's dadurch erworben, daß er die Idyllen deffelben nad) feiner Art in Heran 
übertrug. Mit den Gedichten Anderer, die er in feine „‚Lnrifche Blumenleſe“ 
feine „‚Kabellefe' aufnahm , erlaubte er ſich manche nicht zu billigende Verände 
gen. Daß er dem „Fruͤhling“ feines Freundes Kleift und den Gedichten G 
feine Seile angedeihen ließ, ift von Voß in Schuß genommen worden. Bon 
nen eignen Gedichten verdienen nächft feinen Oben die Cantaten erwähnt zu | 
den, von denen „Der Tod Jeſu“ durch Graun's Mufit berühmt geworben ift. 
prof. Werke find eine „Kurzgefaßte Mythologie” und eine Schrift über alle 
gorifche Perfonen, zum Gebrauch für Kuͤnſtler. Außerdem lieferte er eine B 
beitung von Batteux's „Einleitung in bie ſchoͤnen Wiffenfchaften”. Um bie 9 
dererwedung Logau's machte er fich gemeinfchaftlid) mit Leffing verdient. U 
haupt fland er mit den trefflihften Männern feiner Zeit, deren Achtun 
mit Recht befaß, in freundfchaftlichen Werhältniffen und wirkte mit ihnen 
meinfchaftlich, fern von Streitfucht und Parteigeift, sum Nugen unferer Liter« 
Nach feinem Tode erfchienen feine Gedichte in einer vollftändigen Sammlung. 


KRammelöberg Ramsden 28 


Z. Ramler's poetiſche Werke“ (2 Thle., Bert. 1800, 4. u. 8.; Tafhen- 
nd. 1825, 2 Bbe., 12.). 
ımmelöberg, ein 1820 Fuß hoher Berg des Harzgebirges, ich 
Kat Goslar, welche an feinem Fuße liegt, gehört, was feine Oberfläche 
adem bersoglich braunfchmweigifchen Kreisgerichte Harzburg, in Rüdficht 
aiihen Erzeugniffe aber zum fogenannten Gommunion= Hatze, alfo Ha: 
Braunſchweig gemeinfchaftlid, und zwar fo, daß erfteres-t, letzteres 
mmt. Diefer Berg ift wegen feiner ergiebigen Bergwerke merfwür: 
a derechnet die jahr. Ausbeute auf 10 Markt Gold, 3600 Mark Sit: 
0 Etr. Gloͤtte, 5600 Etr. Blei, 2500 Etr. Kupfer, 5200 Etr. Zink, 
wien, 20 Gtr. blauen und 1600 Gtr. grünen Vitriol und 2200 Gtr. 
. Der reine Überfchuß beträgt jährl. fiber 30,000 Thlr. Die Maffe des 
beſteht vorzuͤglich aus derbem blumigblättrigen Bleiglanz, gelben 
km, bunten kupfrigen Schwefel= und Arfeniktiefen, ſchwatzer und raus 
wımd Gifenerzen. Diefe Metalle und Salze finden fid nicht einzeln, 
alle in einem und demfelben Erzgemenge, welches, da es zur gewöhn= 
xengarbeit zu feft if, durch Keuerfegen gewonnen wird. Vor den Stel 
Gruben naͤmlich, wo das Erz gewonnen werben foll, errichten die wegen 
we faft nackend arbeitenden Bergknappen Holsftöße, die jeden Sonna: 
b angeslindet werben und das Erz mürbe brennen. Vom Sonnabend bis 
bleiben nur die Keuerwärter in dem Berge; vom Montage bis Sonna: 
des mürbe Erz losgebrochen und zu Zage gefördert. Das Keuerfegen 
Reitungen gewährt einen impofanten Anblid, wie benn Überhaupt die 
& des Rammelsberges vor allen andern befucht zu werben verdienen. 
th ron dem Feuer zicht durch die obern, alten Baue, bildet hier Vitriol 
Hunch alte Schächte zu Tage aus, und der Berg hat dann das Anfehen 
Med. Der Holsverbrauch beträgt jährlich) an 6000 Malte. Bon 
Aden gehören der Stadt Goslar vier, doch muß diefe die Erze für einen 
Mfreis dem Sommunionbergamte abliefern. Der Berg gewährt eine 
Wehe Ausſicht auf die Ebene Niederſachſens. — Die Entdedung der 
Bis Rammeldberges fällt in das Jahr 963, in die Regierungszeit Otto 
ke Lange waren fie zwifchen Goslar und den Herzogen von Braun: 
bitte. Die Lestern, denen Kaifer Kriedrich IL. 1235 den rammelöbergi: 
sten ald Reichslehn erb⸗ und eigenthuͤmlich ertheilte, hatten ihn 1373 
Rart Silber an Goslar wieder käuflich überlaffen. Diefes weigerte fich 
wegen ber großen, auf das Bergwerk verwendeten Koften, den Zehnten 
Ken, bis nad) langem Streit und Kriegen Herzog Heinrid) der Jüngere 
11552 zu dem Vergleiche zwang, wonach bie jegige Communionherr⸗ 
RK nur den Beſitz von den ehemals gemwerkichaftlichen Gruben, fondern 
kerichtsbarkeit über die vier Gruben der Stadt, das Vorkaufsrecht aller 
ben Zehnten und den Stollenneimten echielt. 
möden (Sohamm), Verfertiger mathematifcher Inftrumente, geb. den 
30 zu Halifar in Horkfhire. Sein Vater, ein Tuchfabrikant, hatte ihn 
en Geſchaͤft beftimmt; aber der berühmte Optiker Dollond, deſſen Toch⸗ 
ubete, Lehrte ihm die Kunft, mathematifche Inftrumente zu verfertigen. 
Kichen Arbeiten machten ihn fchon feit 1763 berühmt. Mehre optifche 
ſtronomiſche Inſtrumente find durch ihn gluͤcklich verbeffert, mehre durch 
'erfunden roorden, unter denen feine Theilungsmafchine obenan fteht. 
t fie befonders befchrieben (Paris 1790, Fol., m. Kpf.). 1786 warb 
) der koͤnigl. Gefeltfchaft zu London. Auch als Schriftfteller hat er fich 
ige Abhandlungen, die man in den „Philosophical transactions‘' fin: 
egemacht. Er ftarb den 9. Nov. 1800. Pinzzi be'chrieb fein Leben. 


24 Rance Rang 


Rance (Dominique Armand Jean le Bouthillier de), zu Paris der 
San. 1626 geboren, zeigte in feiner Jugend Anlagen für die ſchoͤnen Wiffenfchaf 
In der Folge ward er Chorherr an der Kirche NotresDame und wibmete ſich 
Theologie. Nach Vollendung feiner Studien überließ er fich weltlichen ; 
freuungen und Genüffen, beſonders einem Hange zum weiblichen Geſchle 
Ploͤtzlich verließ er jedoch die Hauptſtadt und den Hof, zog fih-auf,fein Gut bei Te 
zurüd, und fing bier das einfame beſchauliche Leben eines Mönche an, verka 
fogar fein Gut und ſchenkte das daflır gelöfte Geld, 300,000 Livres, an das £ 
Dieu in Paris. Cr felbft that Profeß in der Abtei von Parceigne 166%, 
im Klofter la Trappe, wo er, nad) erhaltener Erlaubnif von Rom, die alte Str 
wiederherſtellte. Sein Klofter warb fortan der Sig der ſtrengſten Entfagung. 
Trappiften.; Zu diefem Behufe ſchrieb Rance feine Abhandlung üben 
Heiligkeit und die Pflichten des Moͤnchsſtandes. Muͤde des Regierens in ber 
meihten Mauern, legte R. feine Stelle nieder, und flarb den 26. Oct. 1700, ı 
im Tode die Regel feines Ordens beobachtend, auf einem Afchenlager. E 
Schriften über Möncysthum, Über Obliegenheiten der Chriften u. ſ. w. geben 
weiß von der afcetifchen Strenge feines Gemuͤths. Als Beranlaffung feiner p 
lichen Sinnesänderung wird eine VBegebenheit bei dem Tode feiner Geliebten 
zahlt, was jedoch ducdy des Abt von Marfellier Leben Rancéè's (neue er 
Paris 1758) widerlegt wird. 

Rang, die Ordnung, wodurch fi, im äußern ein Vorzug des Einem 
bem Andern ausiprechen fol; Rangordnung, eine Vorfchrift über das 5 
haͤltniß, in welchem die Claffen der Unterthanen, die Staatsbeamten, die am 4 
erfcheinenden Fremden, und befonders auch die Gefandten fremder Staaten zu 
ander in diefer Hinficht ftehen follen. — Der Rang hat ſchon oft zwiſchen 
Staaten, ihren Oberhaͤuptern und deren Gefandten ernfthafte und ſehr laͤcher 
Streitigkeiten veranlaßt, denen man zumeilen durch finnreiche Mittel abzuhe 
gefucht hat. (S. Geremoniel der europdifhen Maͤchte.) Ein Da 
ſchauplatz Lächerlicher Rangftreitigkeiten waren in frühern Zeiten alle Orte, wo 
ſchiedene Stände des deutfchen Reiche und ihre Gefandten oder Bevolimächti 
sufammentrafen, weil eine jede Claſſe nicht nur eine fharfe Auszeichnung vor 
geringern, fondern aud) volltommene Gleichftellung mit der höhern verlan 
Jetzt find die Rungftreitigkeiten zwiſchen den Staaten durch die Humanitaͤt 
Monarchen faft ganz verbannt worden. Sie kommen ale Gleiche ohne alle 
fette zufammen; bei Unterzeihnungen wählt man, wie bei den großen diplon 
(hen Verhandlungen feit 1813, die alphabetifchye Ordnung. (S. Ceremot 
der europ. Mächte.) Die Rangorbnung unter den Glaffen der Beamter 
Einwohner ift nirgends fo genau beftimmt als in England, wo fie (nad) den J 
zen des Eönigl. Haufes) von dem Erzbifchof von Canterbury und dem Lord: Hau 
anfängt und in 62 Abftufungen bie zu den bloßen Handwerkern und Xagiöh: 
(labourers) herabfteigt. Die Alteften Söhne eines Barons gehen body auch 
koͤnigl. Geheimenräthen nody vor, und die Söhne eines Baronets oder Kit 
‘haben den Rang vor den Oberiten, nad) welchen fodanı die Doctoren des e 
Rechts (Serjeants of law), die Doctoren der Facultaͤten, die Esquires, Gentle— 
u. f.w. Eommen. Dagegen weiß man dort von den Rangitreitigkeiten der um 
Staatsbeamten nichts. In andern Staaten war das 16., 17. u. 18. Jahrh 
Blüthenzeit der Rangitreitigkeiten und Rangordnungen (f. Hellbach's „Handl 
des Rangredhts”, Ansbad) 1804), und dabei wurde dem niedern Adel ohne i 
weitere Verdienft oder Amt ein immer größerer Vorzug vor den erften Beam 
des Staats, wenn fie unadeliger Geburt waren, eingeräumt. Diefe Ungere 
heit, welche den Altern Gefegen, felbft den Reichsgeſetzen entgegen war, fängt is 
neuern Zeit an fich wieder zu verlieren. In Rußland ift der Rang nad den 


Fiasm urforängli ftein 

ubans Ranzau, und ift der Stammvater aller noch blühenden gräfl. 
ı Einien des Ranzau’fchen Haufes. — Noch find berähmt: 1) der dis 
im, Job. v. R. (geb. 1492, geft. 1565). Er machte große Reifen 
ta Serufalem zum Ritter gefhlagen. Als er den D. Luther in Worms 
Amuthvoll und kräftig vertheidigen hörte, warb er ganz für ihn einges 
ab war nachher ein Hauptbeförberer der Reformation in Dänemark. 
1 8iogheit verhalf er dem König Friedrich I. auf den daͤniſchen Thron, 
ügefegten König Chriftian Il, der in Norwegen eingefallen war, mehre 
ı lese bie Ruhe in diefem Reiche her. Kaifer Karl V. und Franz I. 
ih wünfchten Beide R. in ihre Dienfte zu bekommen, aber er blieb ſei⸗ 
ide treu. — 2) Heinrich, Graf von R. (geb 1526, geſt. 1599), 
even Holſtein, einer der eifrigften Befoͤrderet der Wiſſenſchaften; er 
k@eichrten mit außerordentlicher Freigebigkeit, ſammelte eine vortreff- 
ihet, die er möglichft gemeinnügig zu machen fuchte, und ſchrieb mehre 
aifronomie und Aftrologie, Arzneitunde, Kriegskunſt u. f. w. -— 
Br. v. R. (geb. 1529), ſtudirte in Wittenberg, machte Reifen, diente 
a V., dann in bem dänifchen, und fchlug als Oberbefehlshaber mehre 
Wiweden, 1563 und 1567. Er blieb 1569 bei der Belagerung von 
apalland. — 4) Joſias, Graf v. R. Marſchall v. Frankreich und 
ren Duͤnkirchen, vorher General in ſchwed. Dienften, kam 1635 mit 
nach Paris, warb von Ludwig XIII. angeſtellt, und erwarb ſich durch 
mtalent und feinen perfönlicen Muth die höchfte Berounderung. Er 
ker Mann, befaß viel Geift und Berebtfamkeit, verfiand alle Haupt⸗ 
pas und farb 1650. — Die Grafſchaft Ranzau in Holftein befteht 
He ReusRanzau, den Marktfleden Barmftebt und Elmshorn nebft 26 
Dre Herzog Friedrich von Holſtein⸗Gottorp verkaufte fie 1649 an 
ER. für 200,000 Thlr. Kaifer Ferdinand erhob den v. Ranzau in 
and, und das Amt Barmftedt zu einer Reichögraffchaft, welche auch 
hm Mitſtande des niederſaͤchſ. Kreiſes aufgenommen wurde. Als 
ef Ghriftian Detlev auf Anftiften feines itınaern Bruders erfchoffen 





26 Rapp 


tique de l’etablissement des colonies greoques“ (1815, 4 Bde.) e 
Inſtitut den ausgefenten Preis. Biel Gelehrfamkeit und eine gluͤckti 
nationdgabe,zeigte er in f. „Antiquites grecques du Bospore eimmér 
ris 1822, mit Kupf.), wozu ihm zwei gelehrte ruffifche Freunde die A 
alter Denkmaͤler mitgetheilt hatten. Denn er ſelbſt hat jene alte € 
Pontus nie gefehen. Hr. RR. machte vor einigen Jahren eine 9 
Schweiz, wo er die ausgezeichneten Männer aller Parteien kennen lernt 
fchrieb er feine „„Lettres sur la Suisse” (2 Bde., neue Aufl., Paris 
1824 u. 1825; ein 3. Thl. Paris 1826), fowie feine „Histoire de la 
helvetique de 1798 a 1803" (Paris 1823). In erftern tritt diefi 
oft als Sachwalter der Finfterniß auf; legtere Schrift ift reich an Chaı 
und gilt auch in der franz. Literatur ald ein Mufter des hiftorifchen € 
iſt des Verfaſſers Urtheil oft einfeitig und hart abfprechend; baher hat 
ger im Waadtlande, Charles Monnard, in f. „Observations sur l’his 
revolut. helvet. de M. Raoul-Rochette‘' (Paris 1824), die fchiefer 
und hiftorifchen Unrichtigkeiten diefes Werks geruͤgt. Auch f. „Hist. d 
(Paris 1825) ift nicht von Einfeitigkeit frei. 1821 gab RR. feine 
als Mitglied der damals beftehenden Genfurcommiffion. 

Rapp (Iohann, Grafvon), franz. General während des R 
Trieges, geb. 1772 im Elſaß. Er trat 1788 in Kriegsdienfte. Als A 
Generals Defair machte er die Feldzüge in Deutfchland und Ägypten 
Defair bei Marengo gefallen war, wurde R. bei Bonaparte, dem er die 
ſchaft meldete, Adjutant. 1802 vollzog er den Auftrag des erften Gc 
den Schweizern die Einftellung der Feindfeligkeiten zu fodern und Frank 
mittelung des Parteienfampfes, der den Frieden bes Landes feit der Bei 
felben durch franz. Heere geftört hatte, anzutragen. Die Schweizer u 
fi) Bonaparte's Entfcheidung. Im folg. Jahre wurde R. an die Ufe 
mündungen gefchidt, um Schanzen zur Schutzwehr gegen eine Landun 
länder aufwerfen zu laffen. Beim Ausbruch des Kriegs 1805 gege 
begleitete er Napoleon, und nach der Schlacht bei Aufterliß, wo er di 
Barden durdy einen fühnen Reiterangriff in Unordnung brachte und d 
Repnin gefangen nahm, wurde er zum Divifionsgeneral erhoben. Au 
ßiſch⸗ruſſiſchen Kriege focht er mit Ruhm und erhielt im Sommer 180 
Generals Lefebvre den Oberbefehl in Danzig. So druͤckend diefer P 
den damaligen Umftänden auch fein mußte, fo hat dennoch General R 
fo benommen,. daß ſelbſt ftreng urtheilende Augenzeugen*) feiner Hand 
im Allgemeinen Gerechtigkeit widerfahren laffen. Er blieb (eine &ı 
brechung 1812 abgerechnet, wo er in Rußland fich auszeichnete) 7 Zah 
haber von Danzig, das er nad) dem Ruͤckzuge des franz. Heeres aus H 
1814 während einer harten Belagerung vertheidigte, wobei er alle J 
des Genies und der glänzendften Tapferkeit aufbot, und erft nach € 
aller Vertheidigungsmittel und von Hungersnoth gebrängt, die Sta 
dingungen übergab. Er wurde ald Kriegsgefangener nad) Kiew gefüh 
nad) Frankreich zuruͤckkehrend, ward er vom König mit Auszeichnung 
men und erhielt im März 1815 den Befehl über das erfte Armeecorpt 
poleong Fortſchritte aufhalten follte. Als der Abfall des ganzen Heerei 
derftand unmöglich machte, ging auch R. zu Napoleon über, ber ihn zuı 
haber der Rheinarmee ernannte, welche die Linien an der Lauter und vı 
burg befegt hielt und ſich längs dem Rhein bis Hüningen ausdehnte. 
gen Gefechten gegen einen Überlegenen Feind zog ſich R. unter die Ka 
Strasburg zuruͤck. Als Lubwig XVII zum zweiten Mal nad) Pa 


*) ©. Bleh’s „Geſchichte der fiebenjähr. Leiden Danzigs” (Danz. 1815, B 


Swan nn mm Don mn a nn 0 nn am . 
eontemporaina”, 1. ief.). Diefe find echt; einer frähern Ausg. 
e Witwe des Generals. 

ei, f. Wahnſinn. 

"Rasmus Chriftian ), Profeffor der Literargefchichte und Unterbis 
ser Univerfität zu Kopenhagen, ein um bie ffandinavifche, insbeſon⸗ 
indiiche Literatur und um die Linguiſtik überhaupt verdienter Sprachs 
1784 von armen Landleuten zu Brendekilde bei Obdenfee auf der Ins 
irte in Kopenhagen, lebte dann einige Jahre in Island und madıte 
te Reifen nach Schweden, Finnland und Rußland. Bei feinem fels 
genie ward es ihm leicht, ais er 1808 bei der Univerfitätsbibliothek 
wangejtellt wurde, ſich mit den älteften Quellen der norbifchen Ges 
mt za machen. Seine „Anleitung zur Kenntniß der islaͤndiſchen, 
Kim Sprache” (Ropenh. 1811), |. „Angelfächfiiche Sprachlehre“ 
5% f. „Unterfuchungen über den Urfprung ber alten nordiſchen, ober 
Bgradye‘, eine von der daͤniſchen Geſellſchaft der Wiffenfhaften ges 
kift (Kopenh. 1818) und ſchaͤtzbare Beiträge zu andern Schriften 
wifche Literatur, ſowie die Herausgabe von Biden Haldorfen’s „I6= 
sche” (Kopenh. 1814), bewieſen bas ausgezeichnete Talent dieſes 
t vergleichende Sprachforſchung. 1819 unternahm R. für biefen 
kije dutch Rußland nach Perfien, wo er in Tauris, Teheran, Pers 
ira vertweilte; dann ging er, von Abuſchekr am perfiichen Meerbu⸗ 
4 Bombay um hielt ſich bis 1822 in Indien und Ceylon auf, von 
tRopenhagen wieber eintraf. R. hatte in Oftindien 113 zum Theil 
eltene orientaliſche Handſchriften für die Univerficät zu Kopenhagen 
ter 33, welche die alte perfifche Kiteratur, vorzüglic den Zend: Avefta 
vevon einige ben Forſchungen des gelehrten Anquetil bu Perron ent» 
5 19 derfelben find in der Zendſprache, die übrigen im Pehlwi abges 
wichriften gehören einem bisher faft unbekannten Theile der altindis 
ran. — Deutſchland kannte diefen gelehrten Sprachforſchet ſchon 
m Bemerkungen Über bie Sprachen und die Literatur bed Nordens 
t Wiener Nabrbücher”; Enaland lernte ihn aus feinen Abhandluns 


28 Kite Rationalismus 


4713 wurden oͤſtr. Seite durc) den Prinzen Eugen von Savoyen und von 
Frankreichs durch den Marfchall Villars die Unterhandlungen angefangen, 
ben fpanifchen Exbfolgeftreit durdy den Raſtadter Krieden vom 6. 
41714 endigten. Da das Reich nicht mit darin begriffen war, fo fand ein 
Gongreß zu Baden in der Schweiz flatt, mo Eugen und Villars den Friede 
zwiſchen dem beutfchen Reich und Frankreich (Baden, d. 7. Sept. 1714) 
zeichneten, durch welchen Landau an Frankreich abgetreten, die Kurfärft 
Köln und Baiern wiederhergeſtellt, der Utrechter Friede, ausgenommen in 
was Spanien betraf, anerkannt, Mantua jedoch, Mirandola und Commac 
Hſtreich Überlaffen wurden. Spanien allein blieb noch im Kriegsſtan 
Dftteih. — Der 2. Congreß zu Raftadt vom 9. Dec. 1797, unter Preufe 
Sſtreichs Mitwirkung, zu Abfchließung eines Friedens zwiſchen Frankrei 
dem deutfchen Reiche eröffnet, ward vom Kaifer (7. Apr. 1799) aufgeloͤß 
Congreffe) Die franz. Gefandten, Noberjot, Bonnier und Jean d 
zeiften, nachdem bie zur Abfchließung des Friedens beauftragte Reichsdep 
fi) (23. April 1799) für ſuspendirt erfiärt hatte, mit Päflen bes kurman 
rectorialgefandten, Freih. v. Albini, verfehen, den 28. April Abende ab, ı 
aber ungefähr 200 Schritte weit von ber Vorftabt, auf dem Wege na P 
dorf, von einem Trupp Szekler Hufaren überfallen. Roberjot und Bonukı 
ben ermordet, die Papiere genommen und ihre Leichname gepländert; J 
Bry, obgleich verwundet, und ber Secretair Rofenftiel entkamen zurhd na 
fladt. Der Reichstag zu Regensburg ordnete eine Unterfuchung an, w 
den Paiferl. Hofe überließ. Ungeachtet der Strenge, mit welcher ber Er 
Karl die Einleitung betrieb, ift fie nachher doch liegen geblieben. Merkrok 
der Bericht, welchen von Dohm im Namen aller Gefandten wegen dieſes: 
erftattete, und melcher da6 Märchen, daß bie bamal. franz. Regierung felb 
ſelben veranftaltet habe, oder daB franz. Emigranten ſolchen veräbt hätten, 
ſchlaͤgt. Gohier in f. „Mem. du Direot.” (1,59) nennt die Urheberin, im 
fi) auf den Pubtliciften Koch beruft. Andre nennen den Gr.v.&. — We 
Eoger’s „Briefe über die Auflöf. des Raſt. Congr.“ (Braunſch. 1809, 28 
Raͤthſel, die umfchreibende Darftellung eines Gegenftanbes, wel: 
Zweck hat, das Nachdenken zum Auffinden (Errathen) defjelben zu reizen. 
gehört aber, daß er nicht nur nicht felbft genannt, fondern auch die gemwä 
Beziehung vermieden wird. Diefes Spiel des Wiges und des Scharffin 
um fo volltommener fein, je fhärfer und zugleich treffender und ungewähnit 
Gegenftard bezeichnet und je mehr zugleich dem Nachdenken überlaffes 
Poetiſch it das Näthfel, je mehr die einzelnen Merkmale zu einem anſche 
Ganzen verbunden werden. Das Räthfel darf nur auf den einzigen Gege 
der gemeint ift, paffen, und muß infofern zwar beflimmt, aber doch dunk 
Dazu gehört, daß von den Eigenfchaften des Gegenftandes fo viele angegek 
den, als zu feiner ausfchließlichen Bezeichnung erfoderlich find, aber auch 
wenig genug, um Etwas zuerrathen übrig zu laffen. — Abarten des Rächk 
die Charade (f. d.) oder Snibenräthfel und der Logogriph (Wort: oder 
ftabenräthfel), bei welchem man durch die angebeutete Wegnahme ober Ver 
einzelner Buchftaben verfchiedene Dinge in einem Worte, und daraus emdl 
Mort felbft errathen läßt u. ſ. w. Das Räthfel war ſchon in dem Altern Oxh 
miſch; es hing mit der fombolifhen Betrachtungsweife zufammen umb vw: 
didaktifchen Zweden häufig benugt, wie ſchon aus den Salomonifchen ' 
chen erhellt. Einen größern Nachbrud erhalten fie durch bie poetifche Form 
Rational, f. Rationell. A 
Ratienalismus (Vernunftglaube). Die Nothwendigkeit der R 


durch Vernunftgruͤnde darzuthun, war dad Streben der weifeften Minn 


Me gift? Wozu eine kuͤnftige Belohnung, da die Bel der Tun 
Bu Ich muß das Gute thun um des Guten wollten, man 
Yon Hörfäten : der Menſch ift frei, erhaben und ſich ſelbſi Geſetgebet. 
ie Gottheit außer der Natur und unfter Vernunft fuchen, da wir fle 
13 Was durch ſich feihf eftehen, Ducch fich ſidſt gut und gerecht fein 
at noͤthig, anßer ſich einen Grund biefer Güte und Gerechtigkeit zu 
ılange wir baber feine ſonnenklaren Beweiſe von ihrem Daſein außer 
Ratur haben, und uns bloß mit Glauben, Ahnen und Muthmaßen 
fen, wird ihre Anmahme immer unzureichend bleiben. — Die Ber 
ıgegen bie praktiſche Wirkſamkeit der Vernunftreligion find folgende : 
u meralifches Gefeg anerkenne, fo muß ich aud von der Möglichkeit 
my überzeugt fein. Da mir nım die Vernunftreligion nie Gewißheit, 
Ruttmaßungen geben kann, fo fehlen ihr hierdurch bie nothwendigen 
mr Gittlichkeit. Bei den Lockungen der Woltuft, der Hab» und 
wand unter dem Sturme der Leidenfchaften, welche auch die meifeften 
—ãe— führen, iſt der bloß phiiofophiſche Glaube nicht ſtark ges 
Wenn Philoſophen fo oft in dieſem Kampfe erliegen, wie 
eisen auf ein ganzes Volk wirken? Sokrates hat gewiß das er⸗ 
(uberfeiben auffgeſtellt und es durch Leben und Tod bekräftigt ; dennoch 
kühre biefe Wirkung nicht hervor. Sein Schuͤler Ariftipp und deffen 
herr haben mehr prattifche Befolger ihrer Lehten gefunden als diefer 
t Bernumftreligion. — Gin noch viel ſprechenderes Beifpiel von der 
Inpverläffigkeit dee Vernunftreliglon haben wir In unfern Zeiten er ⸗ 
vergebliche Mühe gaben fid nicht Ronffenu, Kant, Fichte, Jacobi 
1 &chmle ber fogenannten Theo-Philanthropen, dem reinen Wernunfts 
iſhen Eingang im bie Gemuͤther der Menfcyen zu verſchaffen! — Es 
Ferthum welcher beſonders unfer Zeitalter außgeichnet, wenn man 
Me Berfaffungen und Anflalten bloß aus den Vorfchriften der reinen 
x sielmehr des Verftandes hervorgehen müffen; denn diefer Meinung 
E ganze Weitgefcyichte, ja die befonnene Vernunft ſelbſt, indem fie 
inreift, daß die Zeiten der grübelnden Vernunft gerade auch bie Zeiten 


20 Rallentando Ramaͤjana 


genden Beredtſamkeit, daß man ihn nicht des Todes ſchuldig finden konnte. 
ward in dem Tower gefangen geſetzt. Hier ſchrieb er feine Weltgeſchichte (, 
story of the world‘), die nad) einem vielumfaſſenden Plane angelegt iſt, 
ſchon in der Mitte der römifchen Gefchichte aufhört. Die Fortfegung derſe 
verbrannte er in einer Antwandlung von Unmuth über die Ungeroigheit der hiß 
{chen Beweife. Erſt nach einer 12jährigen Gefangenſchaft erhielt er feine Frei: 
Um feinen zerrütteten VBermögensumftänden aufzubelfen, befchloß er eine : 
Fahrt nad) Guiana, wo er Goldaruben zu entdeden hoffte. Er fand viele T 
nehmer, und erhielt einen koͤnigl. Erlaubnißbrief dazu, ohne daß Jakob das 
ihn gefprochene Urtheil wegen des angeblichen Hochverraths zuruͤkktnahm. 1. 
fegelte R., der fein ganze® Vermögen auf diefe Ausrüftung verwandt hatte, 
12 Schiffen ab. Die Spanier, von feiner Unternehmung benachrichtigt, ha 
fid) an eben der Landfeite, welche ihm angewiefen mar, niebergelaffen und B 
werfe eröffnet. R. kam krank an der Mündung des Oronoko an und feine g 
Unternehmung fcheiterte. Als er 1618 nad) England zuruͤckkam, ward er zu $ 
mouth auf Befehl des Königs verhaftet. Vergebens fuchte er nad) Frankreit 
enttommen. Seine Berufung auf die ihm anfcheinend bewilligte Begnabig 
ward verworfen, und man erlaubte ihm nicht einmal die Vertheibigung feines 
tragens bei der legten unglüdlichen Unternehmung. Das Todesurtheil wart 
fprochen und d. 29. Oct. 1618 vollzogen. Maͤnnlich und ſtark hielt er eine # 
an das Volk, ließ fic dann dad Beil zeigen, unterfuchte die Schärfe deffeiben 
fagte: „Es ift eine fcharfe Arznei, aber ein fiheres Mittel gegen alte Übel”. 
er gefragt wurde, auf welcher Seite des Blocks er feinen Kopf hinlegen wolle, 
wortete er: „Wenn das Herz nur rechtfchaffen ift, fo ift es einerlei, wo ber 4 
liegt”. So fiel R. im 66. Jahre feines Alters durch einen ungerechten Urth 
ſpruch, den nur Jakobs I. Charakterſchwaͤche erklärt. R. war ein Dann 
großem, unternehmendem Geifte, ber aber freilich auch viel verfchuldet hatte. 
feiner außerordentlichen politifchen Thätigkeit befchäftigte er fich viel mit ben 1 
fenfchaften. Seine Schriften find poetiſchen, geographifchen, politifchen, ı 
tairiſchen, philofophifchen und gefchichtlichen Inhalte. Seine Poefien, meif 
Lieder, waren zu jener Zeit nicht ohne Werth, doch hat er ale Dichter nich 
glänzt. Seine Weltgeſchichte, freilich nicht vollendet und für unfere Zeiten ! 
mehr brauchbar, trägt das Gepräge feines großen Geiſtes. Er war der Erſte 
ter den Neuern, der eine pragmatifche Gefchichte ſchrieb. Die neuefte Ausg. 
felben ift 1736 in Sol. erfchienen. Bon feinen verm. Schriften („Miseellane 
works”) kam zu London 1748 eing Ausg. in 2 Bon. 4. heraus. 

Rallentando, aud) ritardando oder lentando, zeigt in der Tont 
an, daß bei der damit bemerften Stelle eines Tonſtuͤcks das Zeitmaß wegen 
Ausdruds etwas verzögert oder langfamer werden fol. Der Eintritt des fell 
Tempos erfolgt entweder nach einigen Takten von felbft, oder wird durch a wei 
ausdrüdlich angezeigt. 

Ramäjana, eine berühmte Epopde in Sanskrit. Dieſes Helbenge 
von einem alten indifchen Dichter, Namens Valmiki, — oder vielleicht bad 
meinfame Werk einer alten indifchen Dichterfchule — , in welchem die Thaten 
Abenteuer des Rama (f. Indifhe Mythologie) befungen find, wird 
With. v. Schlegel zu Bonn Eritifch berichtigt und mit Iatein. Überf. verfehen 
Bdn. in 8. herausgeben, da die Ausg. zu Serampore (1806— 10, 3Bbe., 4.) 
vollendet wurde. Es fchlieft fich an das philofophifche, in ganz Indien beruͤl 
Gedicht „Bhagavad:Bita’’ an, welche eine Unterrebung des Krifchna umd Arg 
über göttliche Dinge enthält (ebenfalls von Schlegel herausg. , Bonn 1823). 
Ramajana behauptet nebft dem Daha : Bharata den erften Rang ımter ben 
thologiſchen Gedichten, melde die Indier Puranas, d. i. alte Überiiefersm 


KRamafan Ramehu 21 


un beſteht aus 24,000 Diftihen. Einheit der Hanblung, lebendige 
ung eines heroifchen und patriarchalifchen Zeitalters, Reihthum und Man: 
kit wenderbarer Dichtung, malerifche Scenen ber indifchen Natur, ergrei: 
küberung der Charaktere und Leidenfchaften, geben nad) Schlegel's Urtheil 
heticht, Bas in einer uns ganz fremden fittlihen Welt die inmigfte Theil 
k serhängnißoolle menfchliche Lagen erregt, einen eigenthümlichen Reiz. 
ısmafan, Mamadan, der neunte Monat beiden Türken. Er tritt, da 
6: Rehammedaner, nach Mondenjahren rechnen, jedes Jahr um elf Tage 
u, fedaß er innerhalb 33 3. alle Jahreszeiten durchläuft. In biefem 
sahen ie Mohammedaner ihre große Kaften alle Tage vom Aufgang bis 
ug der Sonme. Dieſes Ramafanfeft, fowie dad Beiramfeſt (f.d.), 
itfbar hinter dem Ramafan kommt, find die beiden größten Feſte ber 
wiasımebanifcdyher Religion. 

ımberg (Johann Heinrich), einer unferer talentvolften Hiftorien = und 
ker und Aser, geb. zu Danover 1763. Sein Vater (handverfcher Hof: 
e durch Unterricht in der Perfpective und Ölmalerei, ben er dem Sohne 
großen Anlagen deffelben zu entwideln. Während einer Reife auf dem 
sitete Diefer in wenig Tagen mehr ald ein Dutzend Zeichnungen aus, mel» 
montiichen Anfichten dieſes Gebirges gewähren. Gie wurden von dem 
dem König vorgelegt ; biefet ließ dem jungen R. das Reifegeld nach Eon: 
ken, gab ihm eine Stelle in der Malerakademie und forgte für feinen 
L R. blieb 9 J. in London und vervolltommnete ſich unter Reynolds's 
is feneg Kunſt. Die gefchicteften Kupferft. Englands, Murphy und 
A erbeiteten nach R.'s Zeichnungen. Er verfertigte religioͤſe Stüde für 
L&apelle zu St.⸗James, Schilbereien für die Boydell'ſche Shakfpeare: 
bien Poetenfaal, wie aud) den Übersang Aleranderd über den Grani⸗ 
Isttenhoufe. Georg III. ſelbſt nahm oft mit Vergnügen feine Schnellig: 
Minen wahr und fchidte ihn 1788 nad) den Niederlanden und Italien, 
Menon eine innige Sreundfchaft anknuͤpfte. Hierauf kehrte er nach Ha⸗ 
de und ward zum Hofmaler ernannt. --- Wenig Zeichner und Maler 
il gearbeitet als er. Aber die Schnelligkeit feiner Arbeiten verhinderte 
ı Ausbildung feined Talents. Mehr als 50 Kupferft. Englands und 
8 haben der Fruchtbarkeit feines Pinfels nicht nachkommen koͤnnen. 
zeichnet fid) R. im humoriftifchen Zerrbilde aus. Die Zeichnungen zu. 
Klicken Kpfn. der Prachtausgabe von Wieland's Werken find von ihm. 
Igte fuͤr 2 Bde. derf. die Titelkupfer, das eine mit der Überfchrift: Idris. 
Zeichnungen lieferte er zu Almanach = u.a. Kupfern. Man wirft feinen 
ine gewiffe Kamilienähnlichkeit vor, und feinen Compofitionen in AU: 
eine ftörende Überladung an Nebenbingen, z. B. Staffirungen von 
uud Katzen. R. ift Mitglied der philotechnifchen Gefellfchaft in Pa: 
u feine Werke, befonders über feinen Zug Aleranders Über den Grani⸗ 
man eine Schrift von 3. C. Neumand: „Über Ramberg's Kunft und 
ke’ (1792). LR. 
meau (Jean Philippe), Muſiker und Tonſetzer, geb. 1683 zu Dijon, 
SR die Anfangsgründe der Tonkunſt und übte fie bei einem herumsiehen: 
stheater ohne fonderlicyes Gluͤck aus. Später ging er nach Stalien und 
hanf dern Glavier fo, daß er hierin bald dem berühmten Marchand an die 
qt ward. Mach feiner Zuruͤckkunft erhielt er die Stelle eines Organi⸗ 
e Domsticche zu Clermont, folgte jedoch Marchand bald nad) Paris und 
a efriger Schuͤler. Hier gründete er durch feinen „Traitc de Pharmonie“ 
ge der Harmonie) (Paris 1722) feinen Ruhm als Theoretiter in der Mu: 
mar. Weniger erwartete man von ihm als Gomponiften. Demos 


20 Rallentando Ramäjana 


‚genden Beredtſamkeit, bag man ihn nicht ded Todes fchuldig finden konni 
ward in dem Tower gefangen gefept. Hier ſchrieb er feine Weltgefchicht 
story of the world”), bie nad) einem vielumfaffenden Plane angelegt il 
ſchon in der Mitte der römifchen Gefchichte aufhört, Die Fortfegung d 
verbrannte er in einer Anwandlung von Unmuth über die Ungewißheit der 
ſchen Beweife. Erſt nach einer 12jährigen Gefangenfcyaft erhielt er feine d 
Um feinen zerrütteten Bermögensumftänben aufjuhelfen, befchloß er en 
Fahrt nad) Guiana, wo er Golbgruben zu entdecken hoffte. Er fand viel 
nehmer, und erhielt einen koͤnigl Erlaubnißbrief dazu, ohne dag Jakob d 
ihn gefprochene Urtheil wegen bes angeblichen Hochverraths zuruͤknahm. 
fegelte R. , der fein ganzes Vermögen auf diefe Ausruͤſtung verwandt hat 
12 Schiffen ab. Die Spanier, von feiner Unternehmung benachrichtigt, 
fi) an eben der Landfeite, welche ihm angetiefen war, niedergelaffen uni 
werke eröffnet. R. kam krank an der Mündung des Oronoko an und feir 
Unternehmung ſcheiterte. Als er 1618 nad) England zuruͤckkam, ward er 
mouth auf Befehl des Königs verhaftet. Vergedens fuchte er nad) Frant 
enttommen. Seine Berufung auf die ihm anfcheinend bemilligte Begn 
ward verworfen, und man erlaubte ihm nicht einmal die Vertheidigung feiı 
tragen bei der legten unglüdllicyen Unternehmung. Das Todesurtheil n 
ſprochen und d. 29. Det. 1618 vollzogen. Männlich und ftark hielt er elı 
an das Volk, ließ ſich dann das Beil zeigen, unterfuchte bie Schärfe deſſell 
fagte: „Es ift eine ſcharfe Arznei, aber ein ſicheres Mittel gegen ale Übel“ 
er gefragt wurde, auf welcher Seite des Blocks er feinen Kopf hinlegen wol 
moortete er: „Wenn das Herz nur rechtfchaffen ift, fo iſt es einerlei, wo d 
liege”. So fiel R. im 66. Jahre feines Älters durch einen ungerechten U 
ſpruch, den nur Jakobs I. Charakterſchwaͤche erklärt. R. war ein Ma 
großem, unternehmendem Geifte, ber aber freilich auch viel verſchuldet bat 
feiner außerorbentlichen politifchen Thätigkeit. befdyäftigte er fich viel mit Du 
ſenſchaften. Seine Schriſten find poetiſchen —S politifcher 
talcifpem, philoſophiſchen und gefchichtlichen Inhalts. Seine Poefien, z 
Lieder, waren zu jener Beie nice ohne DBertp, doch hat er als Dicyter 1 
glänzt. Seine freitich nicht 

mehr a ie —* 


0, zeigt in der] 

das Zeitmaß w 
. Der Eintritt des 
felbft , ober wird durch a 


tt Sandkeit. Diefes Helde 
6 Valmiki, — ober vielleicht 
—; in welchem die Ti 

‚ögie) befungen find, w 
(at amd mit Intein. Überf. verſel 
ce (1806— 10, 3Bde., 





Ramaſan Rameau 21 


wm beſteht aus 24,000 Diſtichen. Einheit der Handlung, lebendige 
ug eines heroifchen und patriarchalifchen Beitalters, Reihthum und Dan- 
ft wunderbarer Dichtung, malerifche Scenen der indifchen Natur, ergrei: 
lidernng der Charaktere und Leidenfchaften, geben nach Schlegel’8 Urtheil 
keiht, das in einer uns ganz fremden fittlichen Welt die innigfte Theil 
k verhängnißvolle menfchliche Lagen erregt, einen eigenthlimlichen Reiz. 
imaſan, Ramadan, der neunte Monat beiden Türken. Er tritt, ba 
k Rehımmedaner, nach Mondenjahren rechnen, jedes Jahr um elf Tage 
r, ſedaß er innerhalb 33 3. alle Fahreszeiten durchläuft. In diefem 
Ken die Mohammedaner ihre große Zaften alle Tage vom Aufgang bis 
mder Sonne. Dieſes Ramafanfeft, fowie das Beiramfeft (f.d.), 
zibar hinter bem Mamafan kommt, find die beiden größten Feſte bet 
Waumebanifcher Religion. 
uberg (Iohann Heinrich), einer unferer talentvollfien Hiſtorien⸗ und 
nund Äger, geb. zu Hanover 1763. Sein Vater (handverfcher Hof: 
educhh Unterricht in der Perfpective und Ölmalerei, den er dem Sohne 
ofen Anlagen deffelben zu entwickeln. Während einer Reife auf dem 
iste biefer in wenig Tagen mehr als ein Dugend Zeichnungen aus, wel⸗ 
mtifhen Anfichten diefes Gebirges gewähren. Sie wurden von dem 
m König vorgelegt; diefet ließ dem jungen R. das Reifegelt nach Een: 
km, gab ihm eine Stelle in der Malerakademie und forgte fr feinen 
R Bieb 9 I. in onden und vervolltommnete ſich unter Rernelbs's 
ſeinex Kunſt. Die geſchickteſten Kupferft. Englands, Rerrtr und 
mbeiteten nad, Rs Zeichnungen. Er verfertigte religiete Srüde für 
Bnpelle zu St.⸗James, Schildereien für die Berteiftde Snefiseare: 
m Poetenfaal, wie auch den Übergang Aleranbert Eher ten Sermi: 
fe. Georg III. ſelbſt nahm oft mit Berszuarr jene Sfaeiliz: 
nen wahr und ſchickt ihn 1788 nadı den Rietezianber zer Serien, 
mon eine innige Freundſchaft anfnärft. Biest kehmı m ach D=: 
' und ward zum Dofmaler emanı. Senu Zähne > Mir 
gearbeitet als er. Aber die Schunilinter ieme Arberer serien: 
i g ſeines Talents. Mer us HK Life Eri:are oe 
I, haben der Fruchtbarkeit feines Pinieis mie nachkemmen 8ım-r- 
inet fich R. im humoriftifchen Zerrbide amt. Die Zesrur:c im 
hen Kpfn. der Prachtausgabe von Wieland's Bert =-2 -.- = 
für 2 Bde. derf. die Titellupfer, das eine me de Kirn ana 
kIhaungen lieferte er zu Amanachs-u. a. Auer W-- 2 'o- 
'sewiffe Bamiftenähmlichkeit vor, und feinen Erm:=-.-- — 2; 
w flörende liberladung an Nebendingn, WR S--=—.- .. -- 
ı Kopen. I. ft Mitglied der philotehmiler Er: -—- — =- 
Une Werke, befonders über feinen Zug Ama !:- - - =. — 
u eine Schrift von I.C.Neumand: „Ave Kam-_ - =» — =. 
(1792). U 
tau (Sean Philippe), Mufiter ni Ze 1 ı:. - >— 
die Anfangsgrände der Tonkunft wub Ike fe 1 » - .— —— 
Mer ohne fonderliches Süd aus. Enke gm -— - .. --— -- —— 
dem Giawier fo , daß er hierin ba Dem Inn — .. = __ — - -. 


Radh feiner Zuchktunft ick & — 











u 2 
z \ 


Rallentando Ramäjang 


den Beredtfamteit, dag man ihn nicht des Todes ſchuldig finden 

zb in dem Tower gefangen gefegt. Hier ſchrieb er feine Weltgı 

ory of the world”), die nad) einem vielumfaflenden Plane ang 

yon in der Mitte der römifchen Geſchichte aufnöet Die Fortfet 
erbrannte er In einer Antwanblung von Unmuth über die Ungewißh⸗ 
den Beweiſe. Erſt nad; einer 12jährigen Gefangenfcyaft erhielt er 
Am feinen zerrütteten Vermoͤgensumſtaͤnden aufjuhelfen, befchloß 
Fahrt nad) Guiana, wo er Goldgruben zu entdedten hoffte. Ex far 
nehmer, und erhielt einen koͤnigl Erlaubnißbrief dazu, ohne daß J 
ihn gefprochene Urtheil wegen des angeblichen Hochverraths zurüch 
fegelte R. , der fein ganzes Vermögen auf diefe Ausruͤſtung verwar 
12 Schiffen ab. Die Spanier, von feiner Unternehmung benacht 
ſich an eben der Lanbfeite, welche ihm angewieſen war, niedergelafl 
werke eröffnet. R. kam krank an der Mündung des Dronoto an u 
Unternehraung ſcheiterte. Als er 1618 nach England zuruͤckkam, w 
mouth auf Befehi des Koͤnigs verhaftet. Vergebens fuchte er nach 
enttommen. Seine Berufung auf bie ihm anſcheinend bewilligte 
ward verworfen, und man erlaubte ihm nicht einmal die Vertheidige 
ttagens bei der legten ungluͤcklichen Unternehmung. Das Todesun 
ſprochen und d. 29. Det. 1618 vollzogen. Maͤnnlich und ftark hie 
an das Volk, ließ ſich dann das Beil zeigen, unterfuchte die Schärfe 
fagte: „Cs ift eine fcharfe Arznei, aber ein ſicheres Mittel gegen allı 
er gefragt wurde, auf welcher Seite des Blocks er feinen Kopf hinleg 
mortete er: „Wenn da6 Herz nur rechtfchaffen ift, fo iſt es einerlel, 
liege”. &o fiel R. im 66. Jahre feines AÄlters durch einen ungere 
ſpruch, den nur Jakobs I. Charakterſchwaͤche erllaͤrt. R. war € 
großem, unternehmenbem Geifte, ber aber freilich auch viel verfchr 
feiner außerordentlichen politiſchen Thaͤtigkeit beſchaͤftigte er ſich vic 
fenfdyaften. Seine Schriften find poetifchen , geographifhen, p 
tairifchen, phitofophifchen und geſchichtüchen Inhalts, Seine P 
Lieder, waren zu jener Zeit nicht ohne Werth, doch hat er als 
glänzt. Seine Weltgefhichte, freilich nicht vellendet und für u 
mehr brauchbar, trägt das Geptaͤge feines großen Geiſtes. Erı 
ter den Neuern, der eine pragmatifche Geſchichte fehrieh. Die 
felben ift 1736 in Fol. erſchienen 

works“) dam zu London 1748 

Rallentando, ı 





22 Ramler 


machte die Oper „Hippolyte und Aricie“ von Pellegrin, welche R. in einem 
mals völlig neuen Stol geſetzt hatte, trotz der Verunglimpfungen feiner Rı 
ausnehmendes Gluͤck. Won nun an ward Alles, was R. componirte, mit er 
fiaftifhem Beifall aufgenommen, und fogar feine Oper „Zoroafter” in Des 
ins tal. über]. und aufgeführt: eine Auszeichnung, die bis dahin noch ke 
franz. Mufitftüc widerfahren war. R. ſchrieb 22 Opern, aber feine Anfodı 
gen an die muſikaliſche Sefangscompofition fann man wol aus feiner Außerun 
nehmen: „Au’on me donne la gazette d’Hollande et je la mettrai en 
sique”. - Zum Gapellmeifter des Königs ernannt und in den Adelftand erhı 
ſollte er eben den Drben des heil. Michael empfangen, al ihn der Tod 1764 ı 
eilte. Sein Leihnam ward mit vielem Pomp in der Kirche St.Euſtache in 9 
neben Lully beigefest. So groß R.'s Verdienfte als Tonſetzer waren, fo wi 
fie doch von den Verdienſten, die er ſich durd) feine Werke über Harmonie und 
neralbaß erwarb, übertroffen; denn er war es, der zuerft die Grundregels 
Harmonie gründlicher entwidelte. S. über ihn Gerber’s „Tonkuͤnſtlerlexikon 
Ramler (Karl Wilhelm), Igrifcher Dichter, Überfeger und Kritiker, 
1725 zu Kolberg geb., ftudirte zu Halle und wurde 1748 Prof. der ſchoͤnen WI 
ſchaften bei dem Gadettencorps in Berlin. 1790 legte er dieſes Lehramt nieber 
ward Mitdirector des Nationaltheaters in Berlin. Seit 1796 309 er ſich von 
Geſchaͤften zuruͤck und ft. 1798. R. trat in einer duͤrren, an ausgezeichneten ] 
termwerfen nicht ergiebigen Zeit als Lyriker auf und knuͤpfte, indem er feinen 4 
verherrlichte, feinen Ruhm an den Ruhm des größten Helden feines Jahrh. 
raz, der den Auguftus preift,, war das Mufter, dem er nachfirebte, und in 
ven feiner Oden ift die Nachahmung nicht zu verfennen. Infofern fann mai 
den deutſchen Horaz nennen, da diefer als Lyriker in vielen Sällen ebenfalls 9 
ahmer griech. Vorbilder war. An Inrifcher Kraft und lebendiger Phantafie 
bleibt er ebenfo weit hinter Horaz zuruͤck als vielleicht diefer hinter feinen Muf 
Überhaupt fehlte R. der aus eigner Kraft fhaffende Dichtergenius; dagegen 
faß er einen feinen Gefhmad und Sinn für Correctheit. Als Mufter des 
fältig geglätteten und correcten Ausdruds hat er fid) um unfere Sprache bleil 
Berdienfte erworben. Den Herameter aber und die Horazifchen Versmaße h 
noch fehr unvollfommen nachgebildet, fowie ihm überhaupt der Bau und das 
fen des antiten Berfes durchaus verborgen blieben ; denn er ging von dem Gi 
ſatz aus, baß jedes einſylbige Wort nad) Willkuͤr kurz und lang gebraucht w 
koͤnne, fo ſehr auch Ausſprache und Gehör damiber ftreiten. Dies wird h 
chen, den Werth feiner Überf. aus dem Horaz, Martial, Catull, der Sapph 
Oden u. f. w. zu beftimmen. Ebenſo wenig bat er fi den Danf ber Freunde 
ner's dadurch erworben, daß er die Idyllen deſſelben nad) feiner Art in Hera 
übertrug. Mit den Gedichten Anderer, die er in feine „Lnrifche Blumentefe* 
feine „Fabelleſe“ aufnahm , erlaubte er ſich manche nicht zu billigende Veraͤnd 
gen. Daß er dem „srühling‘ feines Freundes Kleift und den Gebidhten € 
feine Seile angedeihen lieg, ift von Voß in Schug genommen worden. Vol 
nen eignen Gedichten verdienen naͤchſt feinen Oden die Gantaten erwähnt zu 
den, von denen „Der Tod Jeſu“ durch Graun's Muſik beruhmt geworden ift 
prof. Werke find eine „Kurzgefaßte Mythologie“ und eine Schrift Uber alle 
gorifche Perfonen, zum Gebrauch, für Kuͤnſtler. Außerdem lieferte er eine 
beitung von Batteux's „Einleitung in die ſchoͤnen Wiffenfchaften”. Um die 
dererweckung Logau's machte er ſich gemeinfchaftlid) mit Keffing verdient. | 
haupt ftand er. mit den trefflichſten Männern feiner Zeit, deren Achtw 
mit Recht befaß, in freundfchaftlichen Werhältniffen und wirkte mit ihne 
meinfchaftlich, fern von Streitfucht und Parteigeift, zum Nutzen unferer Liter 
Nach feinem Tode erfchienen feine Gedichte in einer vollftändigen Sammlung 


Rammelöberg Ramsden 23 


8. w Samtr s poetifche Werke” (I Thte., Bert. 1800, 4. u. 8.; Tafhen- 
den. 1825, 2 Bde., 12.). 
ammelsberg, ein 1830 Fuß hoher Berg des Harzgebirges, Kite, 
Stat Goslar, welche an feinem Fuße liegt, gehört, was feine Oberfläche 
adem herzoglich braunfchreeigifchen Kreisgerichte Harzburg, in Rüdficht 
ulrihen Erzeugniſſe aber zum fogenannten Sommumion = Harze, alfo Has 
# Braunfchweig gemeinſchaftlich, und zwar fo, daß erftered t, legteres 
dumm. Diefer Berg ift wegen feiner ergiebigen Bergwerke merfwür: 
Iın berechnet die jährl. Ausbeute auf 10 Mark Gold, 3600 Mark Sit: 
M Er. Gloͤtte, 5600 Ctr. Blei, 2500 Gtr. Kupfer, 5200 CEtr. Zink, 
‚weifen, 20 Gr. blauen und 1600 Gtr. gruͤnen Vitriol und 2200 Gtr. 
L Der reine Überfchuß beträgt jährl. fiber 30,000 Thle. Die Maffe des 
3 befteht vorzuͤglich aus derbem blumigblätteigen Bleiglanz, gelben 
ren, bunten kupfrigen Schwefel: und Arfenikiefen, ſchwarzer und brau⸗ 
Heund Eiſenerzen. Diefe Metalle und Salze finden fidy nicht einzeln, 
Fe ade in einem und demfelben Erzgemenge, welches, da es zur gewoͤhn⸗ 
gemgarbeit zu feft ift, durch Feuerfegen gemormen wird. Vor den Stel 
m Gruben nämlich, wo das Erz gewonnen werben foll, errichten die wegen 
im faft nackend arbeitenden Bergknappen Holsftöße, die jeden Sonna⸗ 
ih angeslindet werden und das Erz mürbe brennen. Vom Sonnabend bis 


ıKriben nut die Keuerwärter in dem Berge; vom Montage bis Sonna: 


Wh mürbe Erz losgebrochen und zu Tage gefördert. Das Feuerfegen 
Batıngen gewährt einen impofanten Anblid, wie denn überhaupt die 
u des Rammelsberges vor allen andern befucht zu werden verdienen. 
hen dem Feuer zieht durch die obern, alten Baue, bildet hier Vitriol 
Lierch alte Schächte zu Tage aus, und der Berg hat dann das Anfehen 
Ben. Der Holzverbrauch beträgt jährlich an 6000 Malter. Bon 
F gehoͤren der Stadt Goslar vier, doch muß dieſe die Erze fuͤr einen 
Preis dem Communionbergamte abliefern. Der Berg gewaͤhrt eine 
Mche Ausficht auf die Ebene Niederfachfene. — Die Entdedung der 
his Rammelsberges fällt in das Jahr 963, in die Regierungszeit Otto 
fa. Lange maren fie zwifchen Goslar und den Herzogen von Braun: 
katig. Die Lestern, denen Kaiſer Friedrich II. 1235 den rammelöbergi: 
ten als Reichslehn erb= und eigenthuͤmlich ertheilte, hatten ihn 1373 
Bart Silber an Goslar wieder käuflich uͤberlaſſen. Diefes meigerte ſich 
wegen der großen, auf das Bergwerk verwendeten Koften, den Zehnten 
ben, bis nach langem Streit und Kriegen Herzog Heinrid) der Süngere 
1552 zu dem Vergleiche zwang, wonach die jegige Communionherr: 
e nur den Beſitz von den ehemals gewerkfchaftlihen Gruben, fondern 
kerichtöbarkeit Über die vier Gruben der Stadt, das Vorkaufsrecht aller 
den Zehnten und den Stollennemten erhielt. 
möden (Iohann), Verfertiger mathematifcher Snftrumente, geb. den 
30 su Halifar in Yorkfhire. Sein Vater, ein Tuchfabrikant, hatte ihn 
en Geſchaͤft beftimmt; aber der berühmte Optiker Dollond, deffen Toch⸗ 
‚ lehrte ihm die Kunſt, mathematifche Inftrumente zu verfertigen. 
Arbeiten machten ihn fchon feit 1763 berühmt. Mehre optifche 
ſtronomiſche Inftrumente find durch ihn gluͤcklich verbeffert, mehre durch 
erfunden worden, unter denen feine Zheilungsmafchine obenan fteht. 
fie befonder® befchrieben (Paris 1700, Kol., m. Kpf.).. 1786 mard 
d der koͤnigl. Geſellſchaft zu London. Auch als Schrifefteller hat er ſich 
ige Abhandlungen, die man in den „Philosophical transactions“ fin: 
ntgemacht. Er ftarb den 9. Nov. 1800. Pinzsi beichrieb fein Leben. 








24 Rance Rang 


Rance (Dominique Armand Jean le Bouthilier de), zu Par 
Tan. 1626 geboren, zeigte in feiner Jugend Anlagen für die ſchoͤnen Wiffe 
In der Folge ward er Chorherr an der Kirche RotresDame und widmet 
Theologie. Nach Vollendung feiner Studien überließ er fich weltli 
fireuungen und Genüflen, beſonders einem Dange zum meiblidhen ( 
Ploͤtzlich verlieh er jedoch bie Hauptſtadt und den Hof, z0g ſich auf. ſein Gut 
zuruͤck, und fing bier das einfame befchaulicdye Leben eines Mönche an, 
fogar fein Gut und ſchenkte das dafür gelöfte Geld, 300,000 Livres, an 
Din in Paris. Er felbft that Profeß in der Abtei von Parceigne 1 
im Kloſter la Trappe, wo er, nach erhaltener Erlaubniß von Rom, die alt 
sieberherflellte. Sein Klofter ward fortan der Sig der ſtrengſten Entfa: 
Trappiſten. Zu diefem Behufe ſchrieb Rancé feine Abhandlung 
Heiligkeit und die Pflichten des Moͤnchsſtandes. Muͤde des Regierens 
meihten Mauern, legte R. feine Stelle nieder, und ſtarb den 26. Oct. 1’ 
im Tode die Regel feines Ordens beobachtend, auf einem Afchenlage: 
Schriften über Moͤnchsthum, Uber Obliegenheiten der Chriften u. f. w. . 
weis von der afcetifchen Strenge feines Gemuͤths. Als Beranlaffung ſe 
lichen Sinnesänderung wird eine Begebenheit bei dem Tode feiner Gel 
zählt, was jeboch durch des Abt von Marfellier Leben. Rance’s (neue 
Paris 1758) widerlegt wird. | 5 | 

Rang, die Ordnung, wodurd fi im Außern ein Vorzug des 
dem Anbern ausiprechen fol; Rangordnung, eine Vorfchrift über 
haͤltniß, in welchem die Glaffen ber Unterthanen, die Staatsbeamten, die 
erfcheinenden Fremden, und befonders auch die Gefandten fremder Staa 
ander in biefer Dinficht ftehen follen. -— Der Rang hat fchon oft zw 
Staaten, ihren Oberhäuptern und deren Gefandten ernfthafte und fehr 
Streitigkeiten veranlaßt, denen man zumeilen burdy finnreihe Mittel ı 
gefucht hat. (S. Seremoniel der europäifhen Mächte.) Ei 
ſchauplatz lächerlicher Rangftreitigkeiten waren in frühen Zeiten alle Drt« 
fchiebene Stände des deutichen Reichs und ihre Gefandten oder Bevolr 
sufammentrafen, weil eine jede Claſſe nicht nur eine ſcharfe Auszeichnun 
geringern, fondern auch vollkommene Gleichftellung mit der höhern 
Jetzt find die NRangftreitigkeiten zwifchen den Staaten durch die Hunt 
Monarchen faft ganz verbannt worden. Sie kommen als Gleiche ohn 
fette zufammen; bei Unterzeihnungen wählt man, wie bei den großen | 
(hen Verhandlungen feit 1813, die alphabetifche Ordnung. (S. Cer 
der europ. Mächte.) Die Rangordnung unter den Claſſen der Bei 
Einwohner ift nirgends fo genau beftimmt als in England, wo fie (nach 
sen des koͤnigl. Haufes) von dem Erzbifchof von Canterbury und dem Koı 
anfängt und in 62 Abftufungen bie zu den bloßen Handwerkern und X 
(labourers) herabfteigt. Die Äiteften Söhne eines Barons gehen doc) 
koͤnigl. Geheimenräthen noch vor, und die Söhne eines Baronets od. 
haben den Rang vor den Oberſten, nach welchen fodann die Doctoren 
Rechts (Serjeants of law), die Doctoren der Facultaͤten, die Esquires, ( 
u. f.w. fommen. Dagegen weiß man dort von den Rangflreitigkeiten | 
Staatsbeamten nichts. In andern Staaten war das 16., 17. u. 18.. 
Blüthenzeit der Rangftreitigkeiten und Rangordnungen (f. Hellbady's „, 
des Rangrechts“, Ansbach 1804), und dabei wurde dem niedern Adel 
weitere Verdienft oder Amt ein immer größerer Vorzug vor den erften 
des Staats, wenn fie unadeliger Geburt waren, eingeräumt. Dicfe I 
heit, welche den Altern Gefegen, felbft den Reichsgeſetzen entgegen war, fi 
neuern Zeit an ſich wieder zu verlieren. In Rufland ift der Rang na 


Ranzau Raoul⸗Rochette 25 
we Militairdienftes beſtimmt, und die bloße Geburt gibt gar Beinen 
37 


sau, eine alte Samilie im Dänifchen, Holſteiniſchen und Mecklenbur⸗ 
Se leitet ihre Abflammung von Cuno, einem reihen Gutsbefiger im 
ben, ber. Wolf, ein Urenkel beffelben, erwarb in der alten Mark große 
u, welche das balfamer Land genannt wurden. in Enkel des Letztern, 
IL, vertaufchte das balfamer Land mit der Grafihaft Groitzſch im 
m; Kaiſer Heinrich IV. machte diefen kriegerifchen Grafen Wiprecht von 
1083 zum Burggrafen von Leifnig und belehnte ihn mit der Markgraf: 
in Die von feinem ditern Sohne abſtammenden Burggrafen von Leif: 
11538 aus. Der jlingere Sohn jenes Wiprechts aber, Otto I., wel⸗ 
mem urfpränglichen Waterlande Holftein niedergelaffen hatte, baute 
mrhaus Ranzau, und ift der Stammpvater aller noch blühenden gräfl. 
ra Einien des Ranzau'fchen Haufes. — Noch find berühmt: 1) der daͤ⸗ 
ker, Joh. v. MR. (geb. 1492, geft. 1565). Er machte große Reifen 
sin Jerufalem zum Ritter gefchlagen. Als er den D. Luther in Worms 
re muthvoll und kraͤftig vertheidigen hörte, warb er ganz für ihn einges 
zu mar nachher ein Dauptbeförderer der Reformation in Dänemark. 
u Riugheit verhalf er dem König Friedrich I. auf den dänifchen Thron, 
Ieigeiegten König Chrifttan IE., der in Norwegen eingefallen war, mehre 
B Heise die Ruhe in diefem Meiche her. Kaifer Karl V. und Franz I. 
bei wünichten Beide R. in ihre Dienfte zu befommen, aber er blieb feis 
wände treu. — 2) Heinrich, Graf von R. (geb 1526, geft. 1599), 
beten Holſtein, einer der eifrigften Befoͤrderer der Wiffenfchaften; er 
le Gelehrten mit außerorbentlicher Freigebigkeit, ſammelte eine vortreff: 
Insbet, Die er möglichft gemeinnügig zu machen fuchte, und ſchrieb mehre 
be Iſtronomie und Aftrologie, Arzneikunde, Kriegsktunft u. f. w. -— 
MM Gr. v. R. (geb. 1529), ſtudirte in Wittenberg, machte Reifen, diente 
ut V., dann in dem dänifchen, und fchlug als Oberbefehlöhaber mehre 
Wieden, 1563 und 1567. Er blieb 1569 beider Belagerung von 
#dsland. — 4) Zofias, Graf v. R., Marſchall v. Frankreich und 
Bson Dünkicchen, vorher General in ſchwed. Dienften, kam 1635 mit 
much Paris, ward von Ludwig XII. angeftelit, und erwarb fich durch 
rıtalent und feinen perfönlichen Muth die Höchfte Bewunderung. Er 
War Mann, befaß viel Geift und Beredtfamteit, verftand alle Haupts 
keepas und ftarb 1650. — Die Grafſchaft Ranzau in Holſtein befteht 
fe Reu:Ransau, den Marktfleden Barmftedt und Elmshorn nebft 26 
Der Herzog Friedrich von Holftein-Sottorp verkaufte fie 1649 an 
we R. für 200,000 Thlr. Kaijer Ferdinand erhob den v. Ranzau in 
Kmd, und das Amt Barmftedt zu einer Reichsgrafſchaft, welche auch 
Kam Mitſtande des niederfächl. Kreifes aufgenommen wurde. Als 
Braf Chriftian Detlev auf Anftiften feines jüngern Bruders erfchoffen 
ga ewiger Gefangenfchaft verurtheilt wurde, nahm Dänemark 1726 
cafſchaft Beſitz, und hielt fich deßhalb zum wetterauifchen Grafencol- 
P. N. 


mlsRochertte (Defire), ſeit 1818 Conſervator des Antiken- und 
uts ber koͤnigl. Bibliothek zu Paris (Millin's Nachfolger), Mitglied der 
demie, Paläograph und Numismatiker, in Frankreich gefchägt ale geift: 
kiftfieller, und dabei von zuvorfommender Gefälligkeit gegen deutfche 
keren Sprache und Literatur er genau kennt, ift geboren zu St.:Amand 
be war früher Profeffor am kaiſerl. Lyceum, dann neben Guizot Prof. 
iGeſchichte bei der Faoulte des lettres de Paris. Seine „Hist, an- 


26 Rapp 


tique de l’etablissement des oolonies greoques” (1815, 4 Bde.) er 
Inſtitut den ausgefepten Preis. Biel Gelehrfamkeit und eine glüdlid 
nationegabe, zeigte er in f. „Antiquites grecques du Bospore cimmeri 
ris 1822, mit Kupf.), wozu ihm zwei gelehrte ruffifche Freunde die At 
alter Denkmäler mitgetheilt hatten. Denn er feibft hat jene alte Si 
Pontus nie gefehen. Hr. R.:R. machte vor einigen Jahren eine R 
Schweiz, wo er die ausgezeichneten Männer aller Parteien kennen lernte 
fchrieb er feine „Lettres sur la Suisse” (2 Bde., neue Aufl., Paris : 
1824 u. 1825; ein 3. Xhl. Paris 1826), ſowie feine „Histoire de lar 
heivetique de 1798 a 1803” (Parie 1823). In erſtern tritt diefer 
oft als Sachwalter der Finfterniß auf; letztere Schrift ift reich an Char 
und gilt auch in der franz. Literatur als ein Mufter des Hiftorifhen S 
ift des Verfaſſers Urtheil oft einfeitig und Hart abfprechend; daher hat « 
ger im Waadtlande, Charles Monnarb, in f. „Observations sur l’hist 
revolut. helvet. de M. Raoul-Rochette‘' (Paris 1824), die ſchiefen 
und hiſtoriſchen Unrichtigkeiten dieſes Werks gerügt. Auch f. „Hiat. dl 
(Paris 1825) ift nicht von Einfeitigkeit frei. 1821 gab RR. feine C 
als Mitglied der damals beftehenden Genfurcommiffion. 

Rapp (Johann, Grafvon), franz. General während des Re 
krieges, geb. 1772 im Elſaß. Er trat 1788 in Kriegsdienfte. Als Adj 
Senerald Defair machte er die Feldzuͤge in Deutfchland und Agnpten ı 
Defair bei Marengo gefallen war, wurde R. bei Bonaparte, dem er die‘ 
ſchaft meldete, Adjutant. 1802 vollzog er den Auftrag des erften Goı 
ben Schmweizern die Einftellung der Feindfeligkeiten zu fodern und Franke 
mittelung des Parteienfampfes, der den Frieden des Landes feit der Beſe 
felben durch franz. Heere geftört hatte, anzutragen. Die Schweizer un 
fi) Bonaparte's Entfheidung. Im folg. Jahre wurde R. an die Ufer 
mündungen gefchidt, um Schanzen zur Schugmwehr gegen eine Landung 
länder aufwerfen zu laffen. Beim Ausbrud) des Kriege 1805 gegen 
begleitete er Napoleon, und nad) der Schlacht bei Aufterlig, wo er die 
Garden durch einen kühnen Reiterangriff in Unordnung brachte und dei 
Repnin gefangen nahm, wurde er zum Divifiondgeneral erhoben. Aud 
ßiſch⸗ruſſiſchen Kriege focht er mit Ruhm und erhielt im Sommer 1807 
Generals Lefebvre den Oberbefehl in Danzig. So druͤckend diefer Po 
den damaligen Umfländen auch fein mußte, fo hat dennody General R. 
fo benommen, daß feibft ftreng urtheilende Augenzeugen*) feiner Handl 
im Allgemeinen Gerechtigkeit widerfahren laffen. Er blieb (eine Eu 
brechung 1812 abgerechnet, wo er in Rußland ſich auszeichnete) 7 Jahrı 
haber von Danzig, das er nach dem Ruͤckzuge des franz. Heeres aus Ri 
1814 während einer harten Belagerung vertheidigte, wobei er alle H 
des Genied und der glänzendften Tapferkeit aufbot, und erft nach Eı 
aller Vertheidigungsmittel und von Hungersnoth gedrängt, die Stab 
dingungen übergab. Er wurde als Kriegsgefangener nach Kiew geführ 
nach Frankreich zuruͤckkehrend, ward er vom König mit Auszeichnung « 
men und erhielt im März 1815 den Befehl über das erfte Armercorps, 
poleons Fortichritte aufhalten follte. Als der Abfall des ganzen Heeres 
derftand unmoͤglich machte, ging auch R. zu Napoleon über, der ihn zun 
haber der Rheinarmee ernannte, welche die Linien an der Lauter und von 
burg befegt hielt und ſich längs dem Rhein bis Hüningen ausbehnte. S 
gen Gefechten gegen einen Überlegenen Feind zog fi R. unter die Kar 
Strasburg zurüd. Als Ludwig XVIIL zum zweiten Mal nad) Par 


7 © Bled's „Belchichte der fiebenjähr. Leiden Danzigs” (Danz. 1815, Bd. 


Raſerei Raſtadt J 27 


R. den ihm von Napoleon übertragenen Oberbefehl Über die 5. Dis 
: Sept. deſſ. Jahres, wo die Armee entlaffen wurde. Er zog fi 
: zurüd, kam aber bald wieder nad) Paris. Als die Nachricht von 
de ankam, hatte R. eben den Dienft bei dem König, und die Bot: 
n fo beftig, daß er laut fein Gefühl ausſprach. „Ich bin kein Un- 
ach er und entfernte ſich fogleih. Der König, von R.'s edelm Be: 
ichtet, ließ ihn zu ſich kommen und richtete die Worte an ihn: 
8, daß Sie fehr gerührt über die erhaltene Nachricht find, dies 
herzen Ehre, und id) liebe und achte Sie darum defto mehr”. N. 
rrallieutenant der Cavalerie 1822. Nach feinem Tode erfchienen 
; „Viemoires du gen. Rapp, ecrits par lui-m&me‘ (Paris 1823, 
sontemporaina”, 1. Lief.). Diefe find echt; einer frühern Ausg. 
r Witwe des Generale. 

1, f. Wahnſinn. 

Rasmus Chriftian ), Profeffor der Literargefchichte und Unterbi⸗ 
er Univerfität zu Kopenhagen, ein um die flandinavifche, in&befons 
indifche Literatur und um die Linguiftit überhaupt verdienter Sprach» 
1784 von armen Randleuten zu Brendekilde bei Odenfee auf der Ins 
stein Kopenhagen, lebte dann einige Jahre in Island und machte 
z Reifen nady Schweden, Finnland und Rußland. Bei feinem fels 
yenie warb es ihm leicht, als er 1808 bei der Univerfitätsbibliothek 
gangeitelt wurde, fich mit den Alteften Quellen der nordifchen Ges 
at zu machen. Seine „Anleitung zur Kenntniß der isländifchen, 
dm Sprache“ (Kopenh. 1811), f. „Ungelfächfifche Sprachlehre‘ 
 f. „Unterfuchungen über den Urfprung der alten nordifchen, oder 
Iprache”’, eine von der dänifchen Geſellſchaft der Wiffenfchaften ges 
heift (Kopenh. 1818) und fchägbare Beiträge zu andern Schriften 
diſche Literatur, fomwie die Herausgabe von Bjoͤrn Haldorfen’s „Is⸗ 
eche“ (Kopenh. 1814), bewiefen das ausgezeichnete Talent diefes 
vergleichende Sprachforfhung. 1819 unternahm R. für diefen 
kife durch Rußland nach Perfien, wo er in Tauris, Teheran, Per: 
hiraz verteilte; dann ging er, von Abuſchekr am perfifchen Meerbus 
h Bombay und hielt fid) bis 1822 in Indien und Geylon auf, von 
I Ropenhagen wieder eintraf. R. hatte in Oftindien 113 zum Theil 
kitene orientalifche Handfchriften für die Univerfität zu Kopenhagen 
ker 33, roelche die alte perfifche Literatur, vorzuͤglich den Zend: Avefta 
Bevon einige den Forſchungen bes gelehrten Anquetil du Perron ent: 
3 19 derfelben find in der Zendfprache, die übrigen im Pehlwi abge: 
wihriften gehören einem bisher faft unbekannten Theile der altindi» 
ran. — Deutichland kannte diefen gelchrten Sprachforfcher ſchon 
m Bemerkungen über die Sprachen und die Literatur des Nordens 
eWiener Jahrbuͤcher“; England lernte ihn aus feinen Abhandlun⸗ 
in in den Denkſchriften der Gefeifchaften zu Bombay und zu Co: 
dien kennen und ſchaͤtzen. Nach feiner Ruͤckkehr gab R. eine „Spa- 
tif” (Kopenh. 1824), und eine „Frieſiſche Sprachlehre” (Kopenh. 
‚ Seine Abb. „Über das Alter und die Echtheit der Zendfprache 
Aveſta“ hat 5.9. v. d. Hagen überfest (Berlin 1826). Seine 
u die thrakiſche Sprachelaffe” hat Water überf. in ſ., Vergleichungs⸗ 
u. Stammſprachen und der ſuͤdweſtaſiat.“ (Halte 1822). 20. 
bt, Stadt mit 4200 Einw. im Großherzogth. Baden, am Fluſſe 
kim von Karlsruhe. Das fchöne Schloß Favorite war bis 1771 Re: 
migrafen von Baden-Baden. -— Huf dem Gongreffe zu Raftadt 


80 Rationalismus 


etwas Inneres, durch das Äußere nur zu Ermwedendes und zu Bildendes, 


Dervorzubringendes; der Supernaturalift ald etwas Außeres, Gegebenee. _ 
Sefchichte diefes Kampfes finden wir beide Theile oft im firengen Gegenfa 
beftreitend; von Zeit zu Zeit aber traten Vermittler auf und fuchten beide P 
zu vereinigen. — Obgleich der Bernunftglaube theile ale reiner Gegenfag des 
barungsglaubens, theild nur zum Theil mit ihm befreundet, von jeher das 
thum einzelner Mitglieder der chriftlichen Kirche war, fo kann man doch nı 
Hauptepochen deffelben anführen, in welchen er ein vorlibergehendes Über— 
über den Supernaturaligmus erlangt, einen großen Theil der Bekenner bei 
ftenthums für fid) gewonnen und dadurch zur vorherrfchenden Denkart in ber 
lichen Kirche fi) erhoben hat. Sm 16. Jahrh. waren es die beiden Socine, 

ihm die Bahn zur Herrfchaft brachen, und im 18. Sahrh. Kant. —-- Der & 
nismus, als die früher herrfchende Form des Rationalismus, Eonnte nicht 
mein herrſchend werden, weil der Zeitgeift dazu noch nicht fo vorbereitet wi 
zu den Zeiten Kant's. Che Kant auftrat, hatten fchon die Engländer mit 
Theismus und Skepticismus, die Sranzofen aber durd) ihren groben Epikur« 
und ihren bloßen Vernimftglauben einen fo mächtigen und das fittliche Zell 
Deutfchen fo entnervenden Einfluß erlangt, daß es für den fomol durch Ge 
Genußluſt als audy durch eingebildeten Beiftesreihthum zur Selbftfucht 
gerten und geftimmten Zeitgeift nur noch eines Vermittlers bedurfte, us 
willkommene ausländifhe Waare in Deutfchland allgemein zu verbreiten. 
franzsfifch gebildeten Vornehmen und Gelehrten unter Friedrichs I. Reg 
übernahmen diefen leichtfertigen Handel, nicht wähnend, daß fie einft ſchwer 
büßen dürften, die erften Verräther an dem deutfchen Glauben und dadurch 
deutfchen Treue geworben zu fein. In diefer Zeit bedurfte es fuͤr den grim 
Deutfchen nur noch eines ernften und tiefen Denkers, der dem herrfchend 

denen Zeitgeifte feine Beftätigung gab, und dies war Kant ohne feinen & 
Kant wollte die Örenzen der Vernunft erforfchen, um das Eitle der dogme 
und das Unhaltbare der fEeptifchen Syſteme defto gründlicher nachzumeifen. - 
Ergebniffe follten eigentlidy in Beziehung auf Offenbarung zur Demuth fi 
allein der felbftifche Zeitgeift ergriff diefe Waffe, welche im Anfange nur ges 
dogmatifchen und fEeptifchen Formen der Zeitphilofophie mit Glüd geführt 
um alles Beftehende vor den Eritiichen Nichterfluhl der Vernunft zu ziehe: 
vor Allem das der fleptifhen und epikuräifchen Sinnesart fo laͤſtige Chriften 
— Als man anfing, in diefem Kampfe gegen den Offenbarungsglauben zu 
gehen, und die Offenbarungsgläubigen diefe Philofophie ale Giftmifcherin de 
lichen Sefeufhaft anklagten, traten Mehre ald Vermittler auf und zeig 
Übereinftimmung derfelden mit dem Chriſtenthume, z. B. Schmid, Tie 
Ammon, Stäublin u. A. Diefe Bemühungen aber waren nur ängftlihe 
handlungen zwifchen einer Philofophie, die nicht nachgeben wollte, weil fi 
Sägen eine allgemein geltende Gewißheit zutraute, und zwifchen einer Mi 
die nicht nachgeben fonnte, weil fie auf göttlichen Anfehen beruht. Daher 
der Kampf fortgeführt und in der neueften Zeit, namentlidy durch Reiz 


Äußerung (daß man bei der Entwerfung eines ſtreng wiffenfchaftlichen Lehrt 


vom Chriftenthume entmweber ſtrenger Supernaturalift oder Rationalift fein 
ein Mittelweg aber gar nicht flattfinden Eönne), fehr lebhaft erneuert. Ar 
traten mehte Vermittler auf. Bor Reinhard's Äußerung hatte ſchon Nitzſch 
ſchlagen: bie Offenbarung als ein von Gott veranftaltetes Bekannt» und G 
machen der Religion durch Xhatfachen, das zunaͤchſt auf Herz und Leben, ni 
Wiffenfchaft berechnet war, zu betrachten, und den Nationalismus auf den £ 
den Supernaturalismus auf die Art und Weife der Offenbarung zu bezichen. 

der Behauptung Reinhard's erfchienen folgende Vorfchläge: Schott beha 


Rationalismus | 81 


er philofophirenden Vernunft bei der Behandlung der Bibel einen 
uß geftatten; Tzſchirner fchlug vor: den Zweck der Offenbarung in 
einer Kirche zu feßen, den Inhalt der Offenbarung aber auf die bloß 
ft erkennbaren Religionswahrheiten zurüdyuführen; Andere riethen 
ng Gottes gläubig anzunehmen, doch fo, daß der reine Inhalt der: 
nihlichen Zufägen erft vermittelit der Vernunft zu fondern fei; noch 
beide nicht als unter=, fondern ald beigeorbnet unter dem Begriffe 
inigen. — Außer diefen Bermittlern gibt es Mehre, die ih Diem 
he außer und nicht indem Menfchen ift, leugnen, dahin gehören 
', Weiß und Löffler. Letzterer behauptete, die Offenbarung fei ent⸗ 
das Chriftenthum als Religionslehre koͤnne erfegt werden durch die 
e, wenn ihr das Beſte gelänge, vielleicht die Angaben der Offenba- 
mftanichauungen verwandeln, aber den Vernunftanſchauungen ohne 
ictoritaͤt und insbefondere ohne Hülfe des Glaubens an die höhere 
nie allgemeinen Eingang in die Gemüther der Nationen, ober we⸗ 
Meibende Herberge in denfelben wuͤrde verfchaffen können. — Die 
b Sefchaffene), fagt dagegen der Supernaturalifl, darf nie ein Vor: 
Dffendarung des Schöpfers behaupten und an ihrem Inhalte regeln 
Sie ift zwar die Mutter der Religion, aber e8 muß ihr von Außen 
itive göttliche Offenbarung beitommen, um das heilige, fchöne, all- 
nde Gotteskind zur Welt zu bringen, und wir müffen der göttlichen 
rauen, daß fie dieſes Bedürfniß einer pofitiven Offenbarung für bie 
echergefehen und zeitlich dafür geforgt habe. Da uns die Vernunft 
e Dinge nicht fiherftellen und nur Ahnungen und Glauben geben 
5 Sott, wenn er ift, feine Religion auf außerorbentlidhen Wegen 
. Eine echte, wirkſame Religion muß eine pofitive, eine geoffenbarte 
uch) bewirkte Glaube wird alsdann durch feine goͤttliche Kraft eine poſi⸗ 
mg. Daher finden wir auch bei allen pofitiv Glaͤubigen, fomolinihren 
as in ihrem Leben und in ihrem Tode eine Zuverficht, eine Feſtig⸗ 
Wimmtheit, welche noch eine Vernunftreligion hervorbringen Eonnte, 
Beweife für die Göttlichkeit einer Offenbarung. Gegen das Leben 
kierertob eines vernunftgläubigen Sokrates gibt und die Heiligen: 
eſchichte taufend Beifpiele des herrlichften Glaubenstriumphes; und 
tes in Plato's Gefprächen durch Eünftliche Gründe feinen Schuͤlern 
Bette® und die Unfterblichkeit der menfchlichen Seele erſt mühfam dar: 
hricht Moſes ale ein von Gott Gefandternut mit wenigen Worten : Sch 
dein Gott, bu follft Feine fremde Götter neben mir haben; und fogleich 
wies Volk feine Goͤtzen und fällt anbetend auf die Knie. So wirkfam 
ı und Dandlung ifl eine geoffenbarte Religion, und Gott follte als 
de uns das Eräftigfte Mittel unferer Erziehung nicht gegeben haben? 
abeſteht nicht, wie ein philofophifches Suiten, aus Begriffen, Ur- 
Schtüffen, fondern eben dadurch beurfundet -fie ihre Söttlichkeit, daß 
rin, Glaubensartitein und Symbolen zufammengefegt ift; denn 
& und feine Religion den Menfchen offenbaren wollte, mie fie an ſich 
ie er fie alle in Götter verwandeln. Ob nun fchon die Ideen von 
Isgen über die Grenzen unferer Vernunft gehen, fo darf doch eine 
mölchre nichts enthalten, was dieſer oder der reinen Moral offenbar 
Wenn alfo, wie 5.3. in den chriftlichen Glaubensfombolen, von 
Bateit in der göttlichen Natur, von einem Sündenfalle, von Wieder: 
Kidfung des Menfchengefchlechte, von einem Gerichte Gottes, von 
Hoͤlle gefprochen wird, fo überfteigen diefe Glaubensfäge freilich die 
Bernunft; allein da wir durch die Unterfuchungen und Nachforſchun⸗ 


e 


4 


82 RKationalismus 

gen mehrer Philoſophen, z. B. Sokrates, Plato, Leibnitz und Sant, ſ 
unferer Vernunft ſchon Ahnungen davon finden, fo koͤnnen fie doch nicht, alı 
die Vernunft ftreitend, verworfen werden, ohne deßhalb bloß Vernunftreli 
fein. Nichte Außeres können wir begreifen ohne das Innere, zumal geift 
fheinungen vermögen wir nur aus unferm «ignen geiftigen Leben zu vei 
Keine Sprache verftehen wir ohne die allgemeine Grammatik, die nur in un 
liegt, feinen Denker ohne die allgemeine Logik; die Kunft befteht hier alfı 
das Befondere aus dem Allgemeinen zu deuten, ohne es doch in dieſes auf 
Aber die Möglichkeit einer Offenbarung im gemöhnlidyen Sinn zugeftan 


muß doch im Menfchen ein Vermögen liegen, diefelbe aufzufaffen. Ja, 


auch die Kraft haben, Religion in ſich zu erzeugen; denn nad) che die q 
Dffenbarung in die Welt getreten war, haben die Völker ihre Religion, wer 
untein, gehabt, und noch jest, fern vom Lichte des Chriſtenthums, mit 
Dunkel der Wildheit, finden wir Die ſchwaͤchern oder ſtaͤrkern Schimmer t 
gioͤſen Glaubens. Wie man diefe Anlage zur Religiofität aud) nennen md 
tuͤrliche Religion oder Vernunftglaube, es geziemt dem nachdenkenden, gel 
Proteftanten, darüber ins Klare zu kommen, und bie in aller Menfchen ®: 
liegende Wahrheit mit der göttlichen Lehre Chrifti zu vergleichen, ob zwiſche 
Widerſtreit fei oder übereinſtimmung. Es gilt hier das Verhältniß des Al 
nen zum Befondern; im Chriftenthume erfcheint das Allgemeine und Ew 
Meligion, zwar in der größten Reinheit und Vollkommenheit, aber in einer 
dern Seftaltung. "Die Kunft der echten Schriftauslegung, fotwie der ganze 
eifchen Theologie, wird fein, das Allgemeine im Befondern zu finden, un 
aus jenem zu verftehen; mo hier und da noch Dunkelheit bleibt, zu war 
Herren und feines Lichtes. Nur wer mit den ewigen Ideen der Vernunft t 
ift, wird in den Geift des Chriftenthums eindringen können. Der Einwe 
fo das Göttliche und Ewige dem menſchlichen Urtheile unterworfen und ım 
Herrichaft des Verftandes geſtellt werde, beruht Auf einem Mißverſtaͤndniß 
Berftand ſoll ja nicht die ewigen Wahrheiten der Religion erfinden und f 
fondern nur als nothwendig in uns liegend anerkennen. Der Glaube iſt vo 
er ift das geiftige Band, das uns mit der unfidhtbaren Welt verbindet ws 
un ſelbſt emporzieht. Der Menſch kann nicht® davon und nichts dazn thus 
er vermag nicht nur deffen geheimen Regungen im lebendigen Gefühle zu 
fondern auch ſich deffelben in klarer Selbftanfchauung bewußt zu werden. 
Menfchen ift ein inneres Auge gegeben, durch welches er, wenn er die verfch 
Ihätigkeiten und Lebensäußerungen des Gemuͤths verfolgt, in der Tiefe det 
Lebens den Quell entdecken wird, ans welchem jene himmlifche Flamme, bi 
erwaͤrmt und erleuchtet, hervorbricht. Entdeden wird er fie, aber nicht erg 
— Auch der Einwurf ift nicht zu fürchten, daß wir durch jene Forſchungs 
Anſicht das Chriſtenthum zu einer bloß menſchlichen Erfcheinung herabrekt 
indem wir inihm nur die ewigen Wahrheiten des Vernunftglaubens, wm 
dazu in einer zeitlichen Geftalt wiederfänden. Allein nennen wir nicht De 
lich, was hoch tiber allem Wandel in emwiger Klarheit und Hoheit ſtrahlen 
über unfer wandelbares zeitliche8 Dafein, Über die vergänglichen Erfcheinung 
Beſtrebungen bes Menfcyenlebens emponhebt zur Erinnerung an unfer 
Sein, an unfere höhere Abkunft und an ben heiligen Urquell aller Dinge, w 
und cben dadurch IAutert, ftärft, beruhigt und heilige? Wo anders ahn 
Gottes Wert und Spur, als wo wir, von Gedanken des Überſchwenglich 
Unergrimblidyen ergriffen, uns über die Schranken des endlichen Seins u 
endlichen VBetrachtungsart der Dinge aufichwingen zu einer höhern Anfd 
im Glauben und in der Ahmmg? -- Und fo erfennen wir im Chriſter 
eine göttliche Erſcheinung, well mir in ihm die erhabenen ewigen Ideen be6 


Rationell Rauch 83 


Haren Gebanten, in begeifterten heiligen Gefühlen, mit der Allgewalt 
tzeugung bervortretenfehen; weil wir in ihm die Erhebung des Gemuͤ⸗ 
irbare Ruhe der Seele, die Kraft der Begeifterung und Andacht finden; 
nen in deſſen Gründung das Werk der göttlichen Gnade, weil es in einer 
rütteten Welt in geiftiger Urfchönheit und ungetrübter Klarheit, aus 
ver Ewigkeit felbft hervorgegangen, mit freier, uͤbermaͤchtiger Geiſtes⸗ 
anken feiner Zeit-dbucchbricht, Die Zügel der Weltherrfchaft ergreift, und 
der Geiſt des Chriſtenthums über allen Wechfel der Zeit und ihrer Bil- 
‚mannigfaltigen Umwandlungen der Kirche und ihrer Formen, triumphi⸗ 
:Soheit dafleht. (S.DOffenbarung u. Supernaturalismus.) 
Staͤudlin's, Geſchichte des Rationalismus und Supernaturalismus‘' 
326). Üb. D.Hahn’e „Diss. de rationalismi, qui dicitur, vera indole 
1827), vgl. m. Krug’s „„Philofoph. Gutachten” (Leipʒ. 1827). W.L. 
‚nell, rational, wird inber Wiffenfhaft(f. d.) dem Empiri- 
ngefegt und bezeichnet die Erkenntniß, welche aus Vernunft durch 
jeichöpft wird. Inder Medicin (f. d.) nenmt man rationell das 
ich fpftematifchen Grundfägen und miffenfhaftlichen Heiltegeln, em: 
zen das Darreichen eines Heilmittel aus dem Grunde, weil es in 
vn Falle geholfen hat. Es liegt am Tage, daß das empirifche Ver- 
ſei als das rationelle, denn es mußten erft Erfahrungen vorhanden 
a wiffenfchaftliche Heilregeln aufftellen konnte. Das Elarfte und rich: 
über das Verhältniß der rationellen und empirifchen Heilkunft trägt 
ıder Vorrede zu feinen „Acht Büchern von der Medicin“. 16. 
(rapina, robbaria), Wegnahme einer fremden bemeglichen Sache 
ı der Perfon ihre® Inhabers verübte Gewalt, fei diefe nun wirklich 
niifchhe Gewalt (vis ablativa), oder bloß Drohung, pſychiſcher Zwang 
Baren phufifchen Übeln (vis compulsiva). Geht die angewandte 
Bebentberaubung, fo wird der Raub zum Raubmord; ſowie es 
‚ fonbern bloßer Diebftaht ift, wenn der Dieb die bereite i in feis 
——ã— geſtohlene Sache oder ſich ſelbſt mit koͤrperlicher Gewalt 
kshung vertheidigt. Vollendet iſt der Raub erſt, wenn die Sache 
a Beſitz des Raͤubers gekommen iſt. Die Römer ſahen auch dieſes Ver: 
a nicht Öffentliche Gewalt und Störung der oͤffentlichen Sicherheit 
m war, ale bloßes Privatverbrechen an, welches mit Gelbftrafen ge- 
In den germanifchen Staaten hat man die Idee verfolgt, daß jeder 
nen Landfriedensbruch enthalte, und daher ift die Strafe des Schwer: 
üch bei dem Ötraßenraube (begangen auf einem Öffentlichen Wege), 
auch in die peinl. Serichtsorbn. des deutfchen Reiche von 1532, Art. 
nm. Die neuern Gefeggebungen (Preuß. allg. Landr., U, XX, 1187; 
‚üb. Verbrechen, $. 169; Kranz. Strafgefegb., A. 382; ; Bair. Straf⸗ 
36) beſtrafen ben Raub nur dann mit dem Tode, wenn er mit lebens⸗ 
Behandlung eines Menfchen verbunden gewefen ift (das franz. Geſetz⸗ 
& denn, wenn mehre andre erfchwerende Umftinde dazu kommen). 
raub, um Jemand feiner Freiheit zu berauben oder zur Wolluſt zu 
gebört nicht unter den Begriff des Raubes. 37. 
Inögel, ſ. Voͤgel. 
h, der ſichtbare Dampf, br von einem ſtark erhitzten oder brennen⸗ 
a bie Luft auffleigt. Er ift ein Erzeugniß der Verbrennung, d. i. eine 
Bennen gebildete Zufammenfegung bes Sauerftoffs in der Luft mit den 
ades brennlichen Körpers, die aber noch nicht voliftändig mit Sauer: 
kind, weshalb fie nicht nur sichtbar auffteigen, fondern auch noch 
meh find. (S. Verbrennen ımb Thermolampe.) Da iu 
Eiehente Aufl. 86. IX, 3 


34 Rauch (Chriſtian) 


ben meiſten Faͤllen die Luft nicht ſtark genug in die innern Theile bi 
Körpers eindringt, um alle dafelbft auffteigende Dämpfe in Klamır 
dein, fo bemerken wir bei den mehrften Flammen einen Rauch uͤber 
der, je weiter er fich von der Flamme entfernt, ſich deſto mehr abfi 
breitet. Die oͤlichten und harzichten Theile verdicken fich bald in der 
sen ſich an den naͤchſten kalten Körper ale fchroärzender Ruß an. : 
Iheile bes Rauchs beftehen in Kohle, die meift mechaniſch mit fort 
auch mol in den gebildeten Luftarten aufgelöft fein kann; in gebildet 
in brandigem DI (Theer), dem zugleich mehr ober weniger brandigı 
mengt fein kann. Übrigens muß der Rauch, da er aus gewiffen | 
des Brennmaterials gebildet wird, nach Befchaffenheit des brenne 
verfchteben fein, movon uns nicht nur feine verfchiedene Farbe, fon 
Geruch, fowie die Schätfe, mit welcher er auf die Augen und die I 
Athmens wirkt, und endlich) aud) die hemifche Unterfuchung der au 
abgefegten Erzeugniffe deutlich überzeugt. Letztere zeigt u. a., daß d 
thieriſchen Stoffen fluͤchtiges Laugenfalz enthält, roährend das Holz 
und harzichten Theilen Wafferfloffgas und gebildete Effigfäure lie 
beim Kohlenbrennen im Großen ald Sauerwaſſer auffängt und beni 
fo mehr von dem Brennmaterial ungenugt verloren geht, je mehr dat 
geftalt aufiteigt, fo hat man in ben neuern Zeiten allerlei Verbeſſeru 
ben, um vornehmlich durdy Vermehrung des Luftzugs die vollftändig 
des Brennmaterial6 zu befördern. — Daß Übrigens da, mo die Luft fı 
daß fie leichter ift als der Rauch, diefer nicht auffteigt, fondern fich ı 
wie wir dies auf hohen Bergen wahrnehmen, folgt aus den Geſetzen 
Rauch (CHriftian), Prof. der Bildhauerkunft bei der Akad. 
Berlin und Ritter des tothen Adlerordens, ift am 2. San. 1777 3 
Waldeckſchen geb. Die Kunftgegenftände im fürftl. Schloffe zu 2 
die Liebe zur Skulptur geweckt haben, die R. von frühefter Jugend a 
wurde zum Hofbildhauer Valentin zu Arolfen in bie Lehre gegebi 
doch nur mit Verzierungen in Holz und Stein zu Bilderrahmen unt 
befchäftigt ward. Später ging er nad) Kaffel zu dem Bildhauer Pr 
er mit ähnlichen Arbeiten feinen Unterhalt erwarb, um die übrige 3 
dium des Mobellicens zu widmen. Eine Erbfchaftsangelegenheit fit 
nad) Berlin, und durch ein Zufammentreffen der Umftände fchien 
fremdartigen Lebensbahn zugemwiefen zu werben. Allein gerade Di 
Ausbildung als Bildhauer hätte aufhalten koͤnnen, fchärfte nur mı 
gung, ſodaß er mit unermüdetem Eifer jede Stunde nuͤtzte, welche i 
gefchäfte frei ließen. Da er ald Dilettant betrachtet wurde, fo geno| 
Unterricht des Director Schabow nur wenig; aber er hatte mit tale 
gen Kuͤnſtlern Sreundfchaft gefchloffen, das Vertrauen der höchften 
getvonnen und Gönner unter den einflußreichften Männern gefund 
jeßtregierende König feine Neigung zur Kunft befördert... Obgleich 
chen Hinderniffen hatte R. doch während diefer Zeit große Fortſch 
wovon mehre Bildniffe nach der Natur und Beinere Arbeiten, vor A 
ßes Relief nad) einem Entwurfe von Schadow, welches jest den Si 
hen Inftituts zu Berlin ſchmuͤckt, das genügendfte Zeugniß geben. 
R. Berlin, um in Geſellſchaft und durch Unterſtuͤtzung des fchlefifd 
drecky durch das füdliche Frankreich über Genua nach Rom zu gehen, 
eintraf. Außer der Geneigtheit des damaligen preuß. Minifters zu 
heim v. Humboldt's, gewann er fid) bald durch Fleiß und Kunſtlie 
feine Perfönlichkeit die Freundſchaft der bedeutendften Kimftler, nam 
waldſen's, defjen Kunftteiftungen nächft der Antike den meiften Ei 


Rauch (Ehriftian) 85 


ech war R. niemals fein Schüler. Mit Canova, ſowie mit allen 
eichneten Kuͤnſtlern, vorzüglich mit Lund, gegenwärtig Prof. bei 
mie zu Kopenhagen, fand er in freundfchaftlichen Verhaͤltniſſen. 
ten des fleifigen Künftlere während feines Aufenthalts in Rom bie 
eir nur die Reliefs Hippolnt und Phädra für den kaiſ. ruff. Kammer: 
Mars und Venus von Diomedes vermundet , für den Staatsmi⸗ 
olbt; ſowie die Statue eines elfjährigen Mädchens, die [päter in 
Führt ward; feine Buͤſten des Könige von Preußen (koloffal, ge: 
peißen Saale des Schloffes zu Berlin); die lebendgroßen der verft. 
jefig des Gr. Magnis in Schlefien; die des Gr. Wengersky, des 
id die Buͤſte des Rafael Menge flr die Sammlung des Könige von 
illen bewunderte man fchon damals eine Naturmahrheit und eine 
khrung,, fowie eine geiſtreiche Auffaffung , die jeden Singer, man 
de Klaue von feiner Hand bemerklicy macht. Kunftreifen nad) Nea⸗ 
3 gaben feinem Eifer neuen Trieb. 1811 berief ihn der König (der 
on ein kleines Jahrgehalt zugefichert hatte) nach Berlin, um mit 
Kuͤnſtlern Vorfchläge zu einem Denkmale der allbetrauerten Koͤni⸗ 
. Da fein Entwurf vor den andern Beifall fand, fo wurde ihm 
z hbertragen. Kaum war bie Arbeit begonnen, fo befiel den Künft: 
ieber, deffen Kolgen, wie die Ärzte verficherten, nur durch Italiens 
erden Eonnten. Diefer Umftand verfchaffte R. die Erlaubniß, feine 
m ausführen zu dürfen. Er that dies 1812 in Carrara felbft, wo 
Marmor kaufte. Hier gab ihm auch ein lebender Adler Gelegen> 
eften Stubium dieſes koͤnigl. Thierd, das an mehren Werken R.’s 
einer der Natur abgelaufchten Lebendigkeit und Treue vorkommt. 
nm Abler an dem Piebeftal des Denkmals zu Charlottenburg waren 
we jener Naturſtudien. In Rom vollendete er 1813 die in Berlin 
Statue der Königin, die zu jenem Denkmal gehört. Dann brachte 
u in Garrara zu Stande, wo auch fein Freund Prof. Fr. Tied den 
das Denkmal der Königin ausführte. Im Winter 1814 Eonnte 
t zurückkehren, um das Denkmal an der geweihten Stelle aufzurich⸗ 
Rom bie Statue der Königin unter den Künftlern allgemeinen Bei: 
atte, ebenfo großen Enthufinsmus erregte fie zu Berlin, und ber 
ER.’ Verdienſt auch durch eine Profeffur und die Mitgliedſchaft im 
femate. 1815 gab ihm der König den Auftrag, die Statuen der 
iinhorft und Bülow v. Dennewig, melche in ber Eindenftraße zu 
tet werben follten, zu verfertigen. Aufs neue eilte ber Künftler da: 
ke, um Marmor zu faufen, fah ſich aber gezwungen, auch die erfte 
utuen dort zu vollenden, meil keine Schiffe von hinreichender Größe 
zdie Bloͤcke in ihrer rohen Form mweiterzubringen. Bei feinem dies⸗ 
Khalte wurbe außerdem eine Statue bes Kaiſers Alerander (den er in 
m Leben mobellirt hatte) für den Grafen Oftermann Tolſtoy in Ars 
u, unb jene Candelaber, durch welche das Officiercorps der preuß. 
ubgebliebenen des Anführer im Vendeekriege, des Marq. La Roche 
Agte; doch iſt nur der eine derfelben von R., der andre war feinem 
Übertragen. Bei einem kürzern Aufenthalte in Rom war er für das 
der Antiken thätig. Aber die Vollendung der angefangenen Ar: 
vorbehalten, wohin er 1818 zurückkehrte, um die Marmor: 
—* deren Aufdeckung im Fruͤhling 1822 erfolgte. Waͤhrend 
R. noch die Buͤſten des Koͤnigs, der Koͤnigin, der Prinzeſſin 

Is Fieſten Hardenberg, des Kaiſers Alexander, bie der Fr.v. Mahl: 
Bin von Gothe und FF. Wolf. Überhaupt arbeitete der Künftler 


3 * 


s6 | Rauch (Guftav v.) 


von 1799 — 1824 69 Büften mit eigner Hand aus dem Marmor, morunt 
20 toloffal große find. Noch in Carrara, da6 R. am 21. April [818 verlie 
hielt er von der Provinz Schlefien den Auftrag, ein Koloffalbild zum ‚Anl 
des Fürften Blücher und feines Heeres in Bronze auszuarbeiten, das auf de 
fentlichen Plage zu Breslau aufgeftelit werden follte. Die eigenthümlichen S 
rigkeiten einer Portraitſtatue im modernen Coſtum hatten einen eignen Reis f 
Kuͤnſtlers ſchaffendes Talent. Er wählte zur Darftellung den Moment, wo 
cher, mit bloßem Schwert in der Rechten, die Linke zum Dimmel erhoben, 
vorroärtsfchreitend dem Volke „Mit Gott für König und Vaterland” zur M 
Schlefiens zuzurufen ſcheint. Sie ift im Guffe glüdlidy vollendet. Diefe 
tue (10 F. 23. Höhe) ift am 9. Zuli 1827 zu Breslau auf ein Piedeftal von 
nit aufgeftellt worden. Eine andre Bluͤcherſtatue ward ihm nad) des Fer 
ſchalls Tode vom Könige aufgetragen. Wie jene von Bronze und von g 
Größe (die Statue mißt mit Sodel und Plinte 11 Fuß preuß.) Fam fie glele 
auf ein ganz bronzenes 16 Fuß hohes Piedeſtal zu fliehen. Nach gluͤcklicher 
endung der Statue, die ben Feldherrn nad) erfämpftem Frieden in umfichb 
ber Stellung zeigt, arbeitete R. an ben reichen mit Scenen aus dem bem 
digen Kriege belebten Reliefs, welche das Piedeftal ſchmuͤcken (Aprit 1 
Sie ift das erfle Denkmal, das vom Boden auf Metal ift, und wurbe 
aufgeftellt. Bronzeguß und Granitfchleiferei werden unter R.s Leitung fo 
gefördert, daß die in Berlin gelieferten Arbeiten jede Vergleihung mit aus 
ſchen aushalten, viele hochgepriefene ſchon übertreffen. Noch muß der A 
erwähnt werden, den R. an den 12 Statuen hat, jebe von 7 Fuß Höhe, ı 
das in Eifen gegoßene 60 Fuß hohe Nationaldentmal auf dem Kreuzberge bei 
lin fhmüden. Die Statuen, weldye die Schlachten von Paris und Belle A 
bezeichnen, find nad) Mobellen von R.'s eigner Hand in Eifen gegoffer 
Schlachten von Laon und von Grofbeeren find vom Prof. Tieck, die übrig 
nad Entwürfen der beiden genannten Künftler, vom Prof. Ludwig Wi 
unter R.'s Leitung ausgeführt. Vgl. „Abbildungen der vorzüglichften 
Chr. Rauch’s, mit erläut. Terte vom Dr. G. F. Waagen” (Berlin 1827, Fol.) 
Rauch (Suftav v.), preuß. Generallieutenant, Chef des Ingenieur 
Pionniercorps und Generalinfpecteur ſaͤmmtl. preuß. Feſtungen, geb. den 1. 
1774. Bon feinem Vater (zulegt Generalmajor im Ingenieurcorpe und Di 
ber 1806 aufgelöften Ingenieuralademie zu Potsdam) auf das forgfältigfte : 
richtet, trat der junge R. 1788 fo gründlich vorbereitet ald Eleve in die Inge 
akademie ein, daß er fhon 23. fpäter als Secondelieutenant im Ingenieu 
dem Feldzuge in Polen 1794 und ber Belagerung von Warſchau beimohnte, 
ter aber mit Seneralftabsarbeiten in Polen und in Schlefien beſchaͤftigt wurde 
- ihn 1796 der Generalquartiermeifter und Chef des Ingenieurcorps, Genera 
v. Geufau, zu feinem Abjutanten wählte. Bel der neuen Bildung des Ge 
ftabes 1802 trat er als Quartiermeifterlieutenant in denfelben und wurde 
Major und Quartiermeifter. Auf Veranlaffung des verft. Feldmarſchalls (I 
ligen vortragenden Generaladjut. Oberften) v. Kleiſt demfelben als Gehuͤlf 
gegeben, wohnte er den unglüdlichen Seldzügen von 180% im Gefolge des 4 
bei und begleitete als Chef des Generalftabes den uff. General Grafen Kam 
bei der zum Entfag von Danzig beftimmten Unternehmung, wo er ſich den | 
Berdienftorden, den ruſſ. St.:Wiadimirorden Ater und den St.=Annenorden 2 
erwarb. Mach dem tilfiter Frieden warb er zu der damals fehr wichtigen 
eines Directors der 2. Divifion des 1809 errichteten allgemeinen Kriegsdepa 
rufen. Hier erhielt er Gelegenheit, zu der Umgeftaltung des Heeres und 
Verfaſſung und zu den ſtillen Vorbereitungsmaßregeln weſentlich mitzuwirken 
che 1813 die plögliche Entwidlelung einer nicht geahneten Maffe von Streitt 


Rauchen 87 


muhten. Insbeſondere legte er hier nach Scharnhorft’8 Anfichten ben 
a der fpäter vollendeten Seftaltung bed Ingenieurcorps durch zweckmaͤßige 
eLung deffelben mit dem bie dahin getrennt beftandenen Corps der Mis 
d Piommiers. 1810 wurde dee Major v. R. außer der Reihe zum Oberſt⸗ 
sund 1812 zum Oberſten und Generalguartiermeifterlieutenant ernannt 
arten feinen bisherigen Leiftungen im Generalftabe und im Kriegsdepart. 
wundo des Ingenieurcorps übertragen. Beim Ausbruch des Kriegs 1813 
ekreich ging G. v. R. zum activen Heere ab umd wurde als Chef des Ges 
edes 1. Armeecorps unter dem Befehle des Gen. v. York angeitellt. Au: 
Nenftreibe zum Generalmajor befördert, folgte er mit Beibehaltung feines 
iſſes im Generalftabe dem verft. Scharnhorft als Chef des Ingenieur: 
Mech während des Waffenfliliftandes wurde er zur Vertretung des damals 
m mit dem Militairgouvernement von Schlefien und der Bildung der 
sm befchäftigten Generale v. Gneifenau zum Generalftab der großen fchle- 
me unter dem Feldmarfchall Bluͤcher berufen. Bei dieſem verblieb er 
Eriuge 1813 und nahm an den denkwürbigften Schlachten und Gefechten 
sin ber König 1813 im Dec. zum einftroeiligen Chef beim Kriegsbepart. 
ad wieder in feine Nähe zog. In diefer Eigenfchaft wohnte er dem Feld: 
11814 im großen Hauptquartiere ber verbündeten Monarchen bei, wurde 
xwoöhnlichen Dienftleiftungen gebraucht und u. a. audy mit den im Febr. 
tufignn bei Troyes gepflogenen, jeboch erfolglofen Waffenſtillſtandsver⸗ 
sn beauftragt. Die Verleihung bes eifernen Kreuzes 2ter und Iſter Claſſe, 
lenſtordens mit Eichenlaub, des kaif. ruſſ. St.-Georgenordens Lter, St.s 
kardens Ster und St. Anmenorbens Ifter Claſſe, wie auch des k. bairifchen 
Dens, belohnten feine Leiftungen während dieſes Feldzugs. Nach dem 
begleitete er ben König nach England. Bei der neuen Bildung des 
aiums zum Generalinfpecteur fämmtl. preuß. Seftungen ernannt, 
Ihätigkeit ein wichtiges Feld angewiefen, welches feiner urfprünglis 
g ganz entfpradh. ine wefentlid veränderte Abgrenzung des 
Bine ſtarke Vermehrung des Ingenieurcorps, die Herftellung und Er: 
Buchrer älterer Feftungen, die Ausführung neuer Befeftigungsanlagen, 
wmerlaͤßlich bedingt. Hiernaͤchſt fiel ihm bei dem Wiederausbruch des 
15 die Sicherftellung der weftlichen Grenzpläge anheim, wie die dahin 
yabm Vertheidigungsanftalten. Da fie feine volle Thätigkeit in Anſpruch 
‚Bar es ihm nicht verftattet, dem Burzen, aber entfcheidenden Feldzuge 
Sperföntich beizumohnen. Was dagegen in dem Zeitraume von 10 J. 
me Feſtungen, befonders bei den ausgedehnten und wichtigen Feſtungs⸗ 
n Rederrheine, unter feiner obern Leitung gefchehen ift, hat ihm naͤchſt 
mg der Zeitgenoffen, das Vertrauen und den Dank feines Monarchen 
t, der ihn 1817 zum Generallieutenant erhob, ihm nach und nad) die 3 
es rothen Adlerordens und 1820 deffen Großkreuz verlieh. 9. 
suchen (Tabackrauchen) in didtetifcher Hinfiht. Wenn es wahr ift, 
um6 bis jegt bekannte Völker gewiffe Reiz: und Betäubungsmittel kann⸗ 
haen außer Speife und Trank mehr oder weniger zum Bedürfniß gewor⸗ 
If marı bem unter ung fo häufigen Gebrauche des Rauchtabacks nicht fo 
das VBerdammungsurtheil fprechen, als es namentlih im 17. Jahrh. 
ıtbeelogifcher Seite her gefhah. Weniger gefhah dies dem Gebrauche 
woftabads, und noch jest iſt, wenigſtens bei uns, die Tabacksdoſe in 
ke, wie im Hörfaal und im Audienzzimmer erlaubt, die Tabackspfeife un> 
Democh liegen diefe beiden Gebrauchsarten des Tabacks fo wenig weit 
rt entfernt, und find einer dritten, dem Kauen des Betels, fo nahe 
t, daß manche Seeleute das köftliche Kraut fparend, es erft kauen, dann 







ö8 Rauchen 


trocknen und rauchen, und endlich mit ber Afche deffelben den Schnupftabad 
fen. Alle drei Arten bed Tabacksgenuſſes, Kauen, Schnupfen und Raı 
fheinen wegen des kuͤnſtlichen Reizes gefucht zu werben, den fie hervorbı 
und beffen der Menſch unter dem Einfluffe mandyerlei ſchwaͤchender und al 
pfender Verhaͤltniſſe bisweilen zu bebürfen fcheint. Das mehr bei Seeleute 
Küftenbewohnern übliche Kauen fcheint bei und durch den feit einigen Jahren 
führten Gebrauch der Cigarren ein Analogon gefunden zu haben. Das Schr 
wirkt augenfcheinlich als ein Reiz auf das Gehirn, und defhalb find wei 
Bloͤdſinnige fo unmäßig nad) Schnupftabad begierig, da bei diefem krank 
‚Zuftande ein ſolches Beduͤrfniß fortwährend vorhanden fein muß. Das Re 
übt ebenfalls eine reizende Wirkung auf die Theile bes Mundes aus, fchein 
von einer mehr betäubenden Einwirkung auf das Gehirn und auf das Mer 
ſtem überhaupt begleitet zu fein. Seine naͤchſte Einwirkung zeigt e6 auf bi 
ſchmackswerkzeuge durch Abftumpfimg des feinern Geſchmacksſinnes, dah 
chen und Weinhaͤndlern das Rauchen unterſagt iſt; ferner wirkt es bei Neu 
und Schwaͤchlichen brechenerregend, bei Geuͤbtern abfuͤhrend, ſcheint auch 
mittelbar nach der Mahlzeit genoſſen, die Verdauung einigermaßen zu | 
Auf die Speicheldrüfen des Mundes wirft es als ein bie Abfonderung des 
chels vermehrender Reiz und kann von diefer Seite Abzehrung hervorbringe 
dem es eine zu große Menge Speichel aus dem Körper führt; vielleicht gef 
etwas Ahnliches an der Bauchfpeichelbrüfe und verurfacht das Abführen. 
das Neryenſyſtem wirkt es betäubend und ſchwaͤchend, kann Schwindel, 3 
wol felbft Lähmung hervorbringen. Übrigens kann es den Augen fchädlich w 
beſonders da6 Rauchen von Cigarren. ine andre nadıtheilige Wirkung bu 
backsrauchens ift die, daß es die einzuathbmende Luft verdirbt, und aus | 
Grunde ift das Rauchen im Freien wenigftens dann nicht zu empfehlen, wen 
ben Aufenthalt im Freien der reinen Luft wegen gewählt haben. Mediciniſt 
pfohlen hat man das Tabacksrauchen bei eheumatifchen Zahnfchmerzen und I 
riöfen Zähnen, wo es theils als betäubendes, theild als antifeptifches Mitt 
Een kann; ferner bei Stodungen und verminderter Abfonderung des Spei 
bei hartnädiger Stuhlverhaltung und chroniſchen Unterleibsbefchwerden, wo ed 
dings oft heilfam wirken kann; enblid, empfiehlt man es auch bei veralteten 
migen Bruſtkrankheiten. Die vermeintliche Schutzkraft des Rauchens gegı 
ftedende Krankheiten, befonders folcher, deren Anftedungsftoff ſich durch di 
verbreitet, ift fehr unficher und kaum je wirklich erwwiefen.. Wol aber kann 
ben unvorfichtigen Gebrauch, fremder Zabadöpfeifen Fortpflanzung mancher J 
heiten erfolgen. Im Ganzen alfo ift das Tabadsrauchen mehr ſchaͤdlich ald 
lich und nur ale ein durch die Verhältniffe der kuͤnſtlichern Lebensart herbeig 
tes libel zu betrachten. Wol kann aber der an diefen Genuß Gewoͤhnte ſich 
Maͤßigkeit, ſchickliche Wahl der Zeit u. dgl., vor den Nachtheilen deffelben 
tentheild bewahren. Weber unmittelbar nach dem Aufftehen am Morgen, 
zunaͤchſt vor und fogleich nach der Mahlzeit iſt das Rauchen zuträglich; eben 
nig bei fehr heißer Jahreszeit oder beim fchnellen Gehen und anftrengenden : 
ten. Erhitzende Getränke, wie Wein, Punſch, Chocolade, eignen ſich zum 
genuß des Tabacksrauchens nicht, aber auch kaltes Waſſer ift unpaflend 
Bier und Caffee fcheinen ſich am meiften mit dem Rauchen zu vertragen. 
kommt auf die Sorte des Tabacks und auf die Zubereitung deffelben an. X 
fterer Hinficht unterfcheidet man leichtere und ſchwerere Tabade, wobei freili 
Gewohnheit fehr in Betracht kommt; die morgenländifchen und ungarifche: 
ben Zabade werben für die Meiften von uns ſchwer fein, d. h. fie machen X 
fligung, Herzklopfen, Übelfein, Zittern sc. Hinſichtlich der Zubereitung : 
fcheiden fich auf den Fabriken die verfchiebenen Beizen, die namentlic) den vo: 


Räuchern 89 


rm Sorten gegeben zu werben pflegen, und ein wachfames Auge der Me: 
äcrfodern. (Vgl. J. Chr. 5. Harleß, „Die Taback⸗ u. Effigfabrication, 
ge Gegenftände der Medicinalpolizei“, Nümb. 1812, 4.) Schaͤdlich 
as zu oft und zu reichlich erfolgende Ausfpuden beim Rauchen, noch 
ber das Herabſchlucken des mit Tabacksrauch gefchwängerten Speichels. 
dehr, welches zum Rauchen benust wird, iſt nicht gleichgültig; milder 
z teird der Tabad durch lange Röhren als durdy kurze; Thonpfeifen 
reinlichfte Rauchen, doch nicht ohne Nachtheil für die Zähne, wenn 
a ron Federkiel u. dgl. ihnen angefegt werden. Am mildeften wird ber 
&, wenn man Ihn nach perfifcher Sitte Durch Waffer freichen läßt. -- - 
ur Tabacksraucher find „Nicotiana, oder Taſchenbuch für Tabackslieb⸗ 
efin 1800, mit Kupf.); K. J. Kilian, „Diaͤtetik für Tabadsraucher‘ 
; 3.C.Mever, „Anweifung, ohne Nachtheil für die Gefundheit Ta: 
im” (Pirna 1804). 16. 

Gern beißt 1) Rauch entwideln, um die Luft zu verbeffern und 
teffe aus ihre zu entfernen. Gewöhnlich fucht man diefen Zweck durch 
ı foicher Dinge zu erreichen, die in der Wärme einen angenehmen Ge: 
‚ Räucyerpulver, Raͤucherkerzen. Der angenehme Gerudy allein iſt 
slänglidy, einen übeln Geruch zu befchwichtigen, aber nicht zu entfer: 
t üble zugleich ſchaͤdlich für die Gefundheit, fo wird dies durch den 
bleineswegs aufgehoben. Friſche Luft bleibt das befte Luftverbeffe: 
l, ſobald die Üble Luftbeſchaffenheit nur zufällig ift und von einer vor: 
m Urſache herrührt. Gegen wirklich ſchaͤdliche, anſteckende, in bie 
wnmene Stoffe dienen vorzüglich faure und gewuͤrzhafte Mittel, wie 
man ducch gelinde Wärme verdunften läßt, oder Kampher, Knoblauch), 
Kraͤuter, aus denen der Effig die kräftigen Beſtandtheile ausgezogen 
R, Vinaigre à quatre voleurs), und womit man ſich zu ſchuͤtzen Ge: 
Inde waͤſcht und die Zimmer befprengt. Beſſer noch find mineralfaure 
pa, welche man mit drei verfchiedenen Säuren, mit der des Schwe⸗ 
AUpeters und des Kochſalzes, anftellen kann und deren jede ihre Vor: 
3u den Räudherungen mit Schroefelfäure nimmt man eine Vermi⸗ 
poei Theilen Schwefel, denen man des befjeen Brennens wegen einen 
eter, und des Geruchs halber ebenfo viel Wachholderbeeren, etwas 
ver Weihrauch, auch wol Kiefer: oder Tannenfproffen zufest, und laͤßt 
wöhnliches Räucherpulver auf Kohlen verbrennen. Diefes Raͤucher⸗ 
ienten fich die Ruſſen bei der volhyniſchen Peft (1771) mit großem 
halb es auch den Namen des Peftpulverd von ihnen erhalten hat. 
Schwefel oder Schwefelfäden auf Kohlen verbrannt haben dieſelbe Wir: 
hefe Art von mineralfauern Dämpfen fcheint viele Vorzüge vor den bei- 
genden zu befigen, nicht nur wegen ber leichten Derbeifhaffung des 
fendern auch weil feine Dämpfe in der geringen Menge, als fie ſchon 
d wirken, von den Lungen unſchaͤdlich ertragen werden und nie die 
Folgen der orpdirt falzfauern Luft hervorbringen. Es iſt naͤmlich fehr 
Ih, daS die dabei entwickelte fchmweflige Säure fich mit den Anftedungs- 
Daft zu einem neuttalen und unfchädlichen Producte verbinde, gleichwie 
Bäure mit den Karbeftoffen macht, denen fie die Farbe fo lange raubt, 
e derbunden ift, aber nicht wie die opydirte Salzfäure zerſtoͤrt. Raͤu⸗ 
wit Salpeterfäure werden nach dem Engländer Smith, der ihren gro: 
ı durch viele Erfahrungen beftätigte, folgendermaßen angeftellt: In 
moefäß ſchuͤtte man einen Theil geftoßenen Salpeters, ſetze den zehnten 
sr hinzu, ruͤhre Alles wohl um, ygieße nun vorfichtig einen Theil Vi: 
æ deſtaͤndigem Rühren hinzu, und fuche die erfolgte Erhisung neh 


40 | Raucourt 


durch Dfen = und Kohlenwaͤrme zu unterhalten, bie die Miſchung keine D 
mehr gibt. Die von Guyton Morveau empfohlenen und fehr gerühmten R 
zungen mit oxydirter Salzfäure (Chlorine), um die mit verborbener Luft any 
ten Räume mit neuer Lebensluft (Sauerftoff) zu verfehen, werden aus 
Theile ſchwarzen gepulverten Braunfteins (Magnefium), der mit Waffer 
feuchtet wird, daß dieſes nicht abläuft, und mit drei Theilen Kochfalz vermer 
durch Übergießen mit zwei Theilen Vitrioloͤl entwidelt, wobei man das Ger 
gut umrührt. Das Waffer ift dabei nöthig, wie neuere Verfuche von B 
gelehrt haben. Der auffteigende Dampf, welcher orpdirte Salzſaͤure iſt 
nad) allen Erfahrungen die Eigenfhaft, Anfteddungsftoffe zu zerſtoͤren, fe 
Farben gänzlich zerſtoͤrt; um aber diefen Zweck zu erreichen, ift eine fo ſtark 
wickelung deffelben nöthig, daß der ganze angeftedite Luftraum damit bie zı 
durchſichtigkeit angefüllt und lange Zeit, mit Vermeidung alles Luftzuges, 
erhalten wird. Da aber.in einem folchen mit orydirter Salzfäure angefuͤllten I 
Niemand wegen Erftidungsgefahr athmen kann, und eine minder ftarfe Anwe 
nicht6 oder body fehr wenig fruchtet, fo ſchicken fich jene zwei erfigenannten 
Athmen minder [hädlihen Raͤucherungen viel beffer für Krankenſaͤle und I 
zimmer, diefe falzfaure Räucherung hingegen vorzüuglicher für menfchenleere 
me, wo zugleich angeftedte Kleidungsftüde, Geräthe und Waaren aufgel 
und aufgeftellt werden koͤnnen, um den ihnen anhängenden Anftedungsftoff 
ftören. Übrigens flimmen auch die öffentlichen Nachrichten darin uͤberei 
die falzfauern Räucherungen gegen heftige anſteckende Seuchen, 3. B. geg 
gelbe Sieber in Malaga , in der Höhe derfelben wenig gefruchtet haben, de 
gen fie gegen ſolche Krankheiten, die von Sumpfluft (getohltem Wafferftı 
oder eingefperrter Luft (mie die in den verfperrten Sälen, worin Seidenn 
gezogen werden und welche die Wärter frank macht) herfommen, ſchon im 
ger Menge dienlich gewefen ift, wie auf Waicheren und auf der Schelb 
2) Räudern, d. i. durch Rauch dörren, wird vorzüglich beim gefalzenen 3 
bei Sifchen u. f. w. angewendet, um diefe Körper gegen Faͤulniß zu ſchuͤzen 
als Nahrungsmittel aufbewahren zu innen. Sie werden zu dem Ende bem 
che des Holzes ausgeſetzt, deffen Wärme nicht allein austrocknend auf fie 
fondern deffen uͤbrige Beſtandtheile (die dunftförmige Effigfäure, Kohlen 
vbrandiges aͤtheriſches DL, verflüchtigte® Harz u. f. w.) das Fleiſch auch chemiſch 
dern und bie Ahlage zur Faͤulniß unterdrüden. Vorzuͤglich werden zu dieſem 
Holzarten empfohlen, die, wie Wachholder, viel Harz und riechendes Ol verflüd 
Raucourt (Sophie), tragifhe Schaufpielerin des Theätre fri 
geb. 1760. Sie betrat die Bühne unter unglinfligen Umftänden, ba ihr 
fhüserin, Madame Veſtris, die Abficht hatte, fie ald Mebenbuhlerin einer | 
jtigten Schaufpielerin auftreten zu laffen. Sie wurde daher vom Publicu 
übel empfangen, befonders in der Rolle der Phädra, morin fie ſich fpäter | 
Ruhm erwarb. Auch made fie fid) in den Rollen der Roxane, Den 
Agrippina, Semiramis und Kleopatra berühmt. In jeder hatte fie Geleg 
ihr dramatifches Zalent und beſonders ihre Kraft im Ausdrude der Leidenfd 
geigen. Sie war vorzüglich zur Darftellung tragifcher Heldinnen gefchickt 
bei ein ſtolzer Wuchs und eine volle Stimme fie begünftigten. Zur 3 
Schredensregierung wurde fie, wie faft Alles, was zum Theater gehörte, a 
daͤchtig verhaftet. Als fie nach Robespierre's Sturze ihre Freiheit erhielt, 
fie 1796 aus den Überreften des franz. Theaters eine neue Geſellſchaft, die b 
Sept. 1797 fpielte, wo das Directorium die Schließung diefer Bühne vero 
die man für einen Sammelplatz der Eönigl. Partei hielt. Mile. R. kam d 
in große Verlegenheit, betrat jedoch im folg. Jahre die Bühne wieder. W 
Murat's Regierung ging fie nad) Neapel, wo ihre bie Leitung des Xheaterd 


Raugraf Raumer (Friedr. Ludw. Georg v.) 41 


ed, and ſtarb 1815 in Paris. 1782 ſchrieb fie ein Schaufpiel Hen⸗ 
wi nicht ohne Beifall gegeben ward. Ihr Leben war reich an galanten 
wı Auch bildete fie die Dem. Duchesnois für die tragifche Darftellung. 
leugraf, im Mittelalter eine (jet erlofchene) Bezeichnung gewiſſer gräfl. 
de. Manche wollen in dem Beiwort Rau das alte oder verftümmelte 
iben, und glauben, daß diefe Grafen von den Kaifern eingefegt worden waͤ⸗ 
Bin den Zeiten des Fauſtrechts Ruhe und Ordnung aufrecht zu halten. 
kim e3 von den Landſtrichen her, die von diefen Grafen befellen wurden, 
Gebirge und Waldungen wegen damals zu den rauheften Deutfchlands 
n 68 gab Raugrafen zu Daffel (am Solingerwalde) und Raugrafen am 
ja ver Gegend von Zrier, Kreumad) und Alfey. Nachdem diefe Befiguns 
Ham Srlöichen des raugräfl. Stammes an bie Pfalz gekommen maren, ers 
vier Rurfürft von der Pfalz, Karl Ludwig, 1667 diefen Titel, dody ohne 
Int u verbinden, zu Sunften feiner ihm an bie linke Hand getrauten Ges 
klszife v. Degenfeld, die fortan Raugräfin hieß. 
Rem. Unter Raum wollten die fharffinnigften Denker bald die unſicht⸗ 
Wösteit, den Ather, bald die Luft, die den Abſtand der Körper, 3.3. ber 
Branimmt, verstanden wiffen, ja man erhob den Raum in Verwechfelung 
Besreifung der Allgegenwart Gottes zur Gottheit felbft, und Newton 
das Senfortum der Gottheit. Leibnig dagegen nimmt Raum als den . 
Verhaͤltniſſe und der Ordnung an, in welcher Börperliche Dinge zu eins 
Doch auch diefe Erklärung ift nicht hinreichend, meil bei allgemeis 
‚al Größe, Härte, Schwere und dal., nothivendig ein Gegenftand 
muß, wenn jene Worte und ihre Bedeutung nicht Unfinn enthals 
weiches aber nicht nothwendig Ift bei dem Gedanken an Raum, der ohne 
and fehr gut gedadyt werben kann. Nach Kant ift der Raum bie 
Form des Anſchauens oder eine reine Anfchauung, bie Bedingung, 
dem äußern Sinn das Objective ſich darftellt. Hieraus ergibt ſich 
& Unmöglichkeit, den Raum hinwegzudenken, da derfelbe bleibt, wenn 
Inftand die ganze Schöpfung in Gedanken aufhebt (durch Abftraction 
. Gtleihwol kann man den Raum auch nicht leer (von allen Ges 
denken, und wenn er body fletig und unendlidy genannt wird, wie kann 
ia angefchaut werden? Wir find daher ebenfo genöthigt den Raum als 
Anſchauung, denn als reale Form der erfcheinenden Dinge anzuneh⸗ 
Bis die Unbefchränktheit des Raums betrifft, fo kann fie von uns Endli⸗ 
aus Erfahrung bargethan werden, da die Erfahrung bloß befchränkte 
Bade, bie eben durch ihre Beſchraͤnkung Object für unfere Sinne werben, 
wiom. — Räume gibt es übrigens nicht, da Das, was mir darunter 
I nur Theil des Einen Raumes ift. In der Mathematit wird der Raum 
Im vorausgefest. Die Säge der Geometrie: Der Raum hat nur drei 
(Höhe, Länge, Breite) und zwei Dinge können nicht einen und den» 
einnehmen, find zwar Grundlagen diefer Wiffenfchaft, können aber 
fra werden. 
keumer (Friedrich Ludwig Georg von), ber Altefte Sohn des um die ans 
eLandwirthſchaft im Deffauifchen fehr verdienten, 1822 verft. Kammerdi⸗ 
Geerg Friedrich v. R. geb. in Woͤrlitz bei Deffau den 14. Mai 1781, 
Finem 12. Jahre auf das joachimsthaliſche Gymnaſium nad) Berlin, mo 
Bathatt in dem Hauſe des Kammerpräfidenten von Gerlach auf feine Bil- 
weithätig einwirkte. Im 17. Fahre bezog von R. die Univerfitdt, um die 
ws Kameralwiſſenſchaft zu fudiren. Nach dreijährigem Aufenthalt in 
m Böttingen verweilte er geraume Zeit in Deffau, um von feinem Vater 
ken Sachverſtaͤndigen praktiſche Kenntniß der Landwirthſchaft zu erwer⸗ 















* 
' ⁊ 


48 . Raumer (Friedr. Ludw. Georg v.) 


ben. 1801 ward er ale Referendarius bei der Furmärk. Kammer a 
begleitete im nächften Jahre den jegigen Oberpräfidenten von Baſſew 
Preußen zugefallenen Eichefelde, wo er fi in mannigfaltigen Gefd 
Zeitung feines trefflichen Sreundes zu üben Gelegenheit fand und zum 
nannt ward. Dabei verlor er die Gefchichte feit feiner Univerfitätszeit 
Augen und begann fhon 1803 in Berlin die Vorarbeiten zu dem 
die Hohenftaufen und ihre Zeit. Während des erften franz. Krieges 
Stand er einem Departement der Domainenkammer zu Wufterhaufen be 
fand aber zugleich Muße, in feinen gefchichtlidyen Arbeiten bedeutend 
und hielt zum erften Male hiftorifche Vorlefungen. 1809 erhielt er 
organifirten Regierung in Potsdam eine Natheftelle, und ward 1811 
lin berufen, um im Sinanzminifterium bei der Abtheilung für bie St 
zu arbeiten. Der Staatökanzler v. Hardenberg befchäftigte ihn jegt n 
die lehrreichſte Weife, im wichtigen Angelegenheiten, fondern nahm 
feine Wohnung auf und würdigte ihn feines täglichen Umgangs. So 
Verhaͤltniß erfchien, fo günftige Ausfichten es für weltliches Fortkomm 
täglich fah v. R. deutlicher ein, daß Geſchaͤftsfuͤhrung in fo hohen R 
ganzen Menſchen in Anſpruch nimmt, und er diefe, oder feine gefchid 
bahn völlig aufgeben muͤſſe. Schon drei Sabre früher war er faſt 
fih, auf Joh. Muͤller's Kürfprache, bei einer fübdeutfchen Univerfitdt 
laſſen; jetzt trat diefer Gedanke von neuem hervor, und er entwarf fi 
binetsordre, wodurch ihn der König 1811 zum Profeffor in Bresla 


Hier lebte er der Wiffenfchaft und feinen Sreunden, bis 1815 eine Ne 


nedig dazu beitrug, ihn immer mehr von der Nothwendigkeit zu über 
größere wiffenfchaftliche Reife zu unternehmen. Auf die Empfehlu 


. nifteriums, und insbefondere des Kürften Hardenberg, bewilligte ihr 


hierzu Urlaub und Unterftügung. Er war vom Sommer 1816 bis. 
1817 abwefend, und fand in Deutfchland, der Schweiz und Italien 
liche Ausbeute für f. „Gefchichte der Hohenftaufen”. 1819 ward er q 
der Staatswiffenfchaft nad) Berlin berufen, hat aber, außer den Vorle 
Staatsrecht und Statiftit, nady Ruͤhs's Tode, vorzugsweife gefchichtlis 
gehalten. Unter feinen Schriften nennen wir: „Sechs Dialogen übe 
Handel” (1806; anonym, durch Joh. von Müller zum Druck beförd 
beitifche Beſteuerungsſyſtem u. ſ. w.“ (Berlin 1810); „Die Reden t 
und Demofthenes über die Krone” (Berlin 1811); „CClemendation 
las genealogicas Arabum et Turcarum” (Heidelberg 1811); 

merkwuͤrdiger Stellen aus den lat. Geſchichtſchreibern des Mittelaltere 
1813); die (an geiftvollen Blicken auf Leben, Staat und Literatı 
„Herbſtreiſe nach Venedig” (Berlin 1816, 2 Bde); „Borlefungen i 
Geſchichte“ (Reipzig 1821, 2 Bde.), in welchen das wahrhaft Wiffen: 
der Gefchichte des Orients und Griechenlands (bi6 281 v. Chr.) aus 
in fachreicher Beziehung auf fortwährende Intereffen, wohlgeordnet ı 
einfach dargeftellt iſt. Endlich die aus der Vergangenheit felbft be: 
„Geſchichte der Hohenftaufen und ihrer Zeit“ (Leipzig 1823 -— 25, 
Kpf.). Außerdem fchrieb er mehre gehaltvolle Necenfionen in den „F 
und „Wiener Jahrbüchern‘‘ und im „Dermes’ u. a. Bl. Insbefonder 
von genauer Kunde des Innern der Staatsverwaltung zeugende Ge 
Beurtheilung der Verwaltungsbehörben in Preußen von 1808—13, ı 
ber Manfo’fchen „Geſchichte des'preuß. Staats feit 1763”, den eindrir 
Fchäftsblic® dDiefes Gelehrten. Bor Allem aber erkennt man in f. „G 
Hohenſtaufen“ den tiefen Blick des Denkers, die gereifte und Elare 
Santefundigen Mannes, die Heiterkeit und Ruhe eines freien Gei 


Kaupach Raute | 48 


t unbefangener Forſchung. Schule und Welt haben ſich in dieſem 
ich vereinigt, um uns ben vollen, frifhen Kern feiner Wiffenfchaft 
ı Form einer gebiegenen Darftellung und einer reinen Sprache zu zeis 
waͤrtig befchäftigt ſich Hr. v. R. mit der Gefchichte der drei legten 
e. Seine legte Schrift ift „Über die gefhichtliche Entwickelung ber 
ı Rechte, Staat und Politik“ (Leipzig 1826). — Sein Bruber, 
aumer, geb. zu Wörlig den 9. Apr. 1783, Profeffor der Dinera« 
lau, feit 1819 in Halle, gab 1821 diefe Stelle auf, und ſchloß fich 
eihen Erziehungsinftitute in Nürnberg an. 1827 wurde er zum 
aturgeſchichte zu Erlangen ernannt. Er hat ſich durch geognoftifche 
lanntgemadht. 
‚ah (Emft Benjamin Sulomo), dramatifcher Dichter, geb. den 
34 su Straupig, einem Dorfe unweit Liegnig in Schlefien, verlor f. 
afeibft Prediger war, an f. 10. Geburtstage und kam hierauf nad 
er das Gymnaſium befuchte, das unter der Leitung des geiftreichen 
mann ftand. Zu Oftern 1801 bezog er die Univerfität Halle, um 
ſtudiren. Mach beendigter Studienzeit ging er 1804 nad) Peters: 
h fein Älterer Bruder, Johann Friedrich, fchon feit 7 Jahren befand. 
ta Jahre feines Aufenthalts in Rußland verlebte er als Etzieher in 
a und befam dadurch Gelegenheit, ſich die Kenntniß der Landesfpras 
wn. Nachdem er fpäter anderthalb Jahre zu Petersburg privatifirt 
rer 1816 beider dafigen Univerfität ald Ordinarius der philofophi- 
kt angeftellt und verband im folg. 3. mit dem Lehrftuhl der deutfchen 
sungleich wichtigern dev Geſchichte. 1821 begann die bekannte Un- 
keüber ihn und einige feiner Collegen verhängt wurde. Da das Ende 
Kabzufehen war, fo verließ er 1822 Rußland; fpäter foderte und er: 
Entiaffung von der Univerfität. Seit der Zeit lebte er bald hier bald 
Wand, machte auch eine Reiſe nad) Italien. Seit einigen Sahren 
in Berlin an einer ausgezeichneten Bühne Gelegenheit gefunden 
Erſchienen find von ihm folgende bramatifche Arbeiten: „Timoleon“, 
ECãcilia“; „Die Fuͤrſten Chawansty‘ (1818 und 1821); „Die Er: 
820); „„Die Gefeffelten”‘ (1821); „Die Königinnen‘ (1822); „Der 
eis’ (1824); „Die Sreunde” (1825); „Das Märchen ein Traum”, 
be es ſo!“ (in Rochlitz's „Mitcheilungen” fir 1822u.1823); „Sfi: 
x’ (Rp. 1826). Ferner „Erzählende Dichtungen” (1820); „Hirfe⸗ 
fe aus Italien“ (1823) und mehre Beiträge zu Zafchenbüchern. 
beiten find, mit Ausnahme der „Briefe aus Stalien” und einiger Blei: 
für Zafchenbücher, 1810— 20 entftanden, doch nicht in der Folge, 
hienen find. R.'s erfte dramatifche Dichtungen erhielten vielen Bei⸗ 
mb darın neue und intereflante Situationen, oft auch ben Eräftigen 
fer Leidenfchaft und vorzüglich eine gedankenreiche, ebenfo glänzende 
heerſprache und einen wwohlgefälligen, an Abwechfelung reichen Vers: 
h muß diefe poetifche Außenfeite oft den Mangel innern dramatifchen 
m. Ginige, z. B. „Die Fürften Chawansky“, und vorzüglic „fi: 
r, verfehlen felbft in der Bühnendärftellung ihre Wirkung nicht. In 
kamatifchen Erzeugniffen hat der Dichter Begriffe durch Handlung 
wfircht, wie zum Theil [chen die Titel einiger Stüde zeigen. In 
kso Briefen‘ hat er ung eine Art von Luſtſpiel aus dem Stegreif gege: 
R Benedig Über das damald vom Congreß belebte Verona nad) Rom 
), überall feinen Stoff aus den nächften Umgebungen fchöpft. In 
haben feine Luſtſpiele getheilten Beifall gefunden. 
e, f. Rhombus. 


44 Rautenglad Ravaillac 


Rautenglas, Polyeder, ein auf einer Seite eben, auf ber ander 
edig gefchliffenes Glas, durch welches ſich dem Auge der dahinter fiehende ( 
ſtand in gehöriger Entfernung fo vielfach) darſtellt, als Flaͤchen auf der einer 
sefchliffen find. Bei optifhen Darftellungen bedient man ſich der Polyel 
Vervielfachung der Gegenftänbe. 

Rautentrone. Der k. fähfiihe Hausorden der Rautenkrone ( 
de la couronne royale de Saxe) ifl, nad) Annahme der Koͤnigswuͤrde ur 
dem Vorgange andrer deutfcher Höfe, im Juli 1807 geftiftet und zuerſt 
geben worden. Das Großmeifterthbum beffelben ift mit der Krone verb 
Die koͤnigl. Prinzen, mit Inbegriff der Neffen, find geborene Ritter des 
ordend. Das Ordenszeichen befteht in einem goldenen, achtſpitzigen, h 
emaillirten, mit fchmalem, weißen Rande und goldenen Faden an ben Eck 
fehenen Kreuze, welches im weißen Mittelſchilde auf beiden Seiten einen 
fechözehnblätterigen Rautenkranz zur Einfaffung hat.*) In dem Schiit 
auf der einen Seite die goldene Chiffer F. A. mit einer Koͤnigskrone, auf | 
dern Seite die auf die verhängnigvolle Epoche der Stiftung hindeutende £ 
devife mit goldenen Buchſtaben: PROVIDENTIAE MEMOR. In b 
Mitteleden zeigen fi) goldene einfache Rautenkronen. Diefe® Kreuz x 
: einem breiten, gradgrünen, gewaͤſſerten Bande auf der rechten Schulter ge 

und der auf der linken Bruft zu befefligende, achtedige, filberne Stern zeigt 
Mitte die Ordensdeviſe, mit filbernen römifhen Buchftaben auf eine ; 
Sonne geftidt. Der Drden hatnur Eine Claffe, und bie Mitglieder n 
führen den Titel Ritter (Chevalier). 

Ravaillac (Srangois), der Mörder Heinrich IV. von Franten 
zu Angouleme 1578, wurde grober Ausſchweifungen wegen aus dem 
Feuillans verſtoßen, in dem er ſich anfangs durch Fleiß und gute Auffkchei 
liebt gemacht hatte; bald darauf eines Mordes angeklagt, jedoch mia 





trieb er, um fich zu erhalten, unter der Hand juriftifche Prarie, womit et 
nicht gluͤcken wollte, ſodaß er ſich endlich vom Unterricht der Bürg 
Seburtsorts naͤhrte. Der Verdruß über die Beſchraͤnkung f. aͤußern Laf 
bunden mit einem von Natur finſtern Gemuͤth, ſtimmte ihn zu melancht 
Trübfinn, der bald in eine wilde Schwärmerei ausartete, als er anfing, : 
den Religionshändeln zu befchäftigen, die fein unglüdliches Vaterland dame- 
immer zerriffen. Seine Seele, von wilden Haß gegen die neue Lehre 
wöhnte fi, den guten und menſchlichen Heinrich als Hauptfeind der K- 
betrachten, den zu vernichten ein verdienſtliches Werk ſei. Dieſe Stimmum 
bald den Gegnern des Koͤnigs am ſpaniſchen Hofe bekannt, die nicht und⸗ 
den noch ſchlummernden Vorſatz in ihm zu ſtaͤrken. Zwei Mal war ee E 
Paris gewefen, in der Abficht, das Blut feines Königs zu vergießen, wu 
daran behindert; endlich gegen Oftern 1610 erfchien er abermals, wahtf. 
von Heinrichs Feinden aufs neue in feinem Vorſatze beftärkt, und am 1- 
führte er ihn wirklich aus. (S. Heinrich IV.) Er ward ergriffen, zu 
verurtheilt, und am 27. Mai das Urtheil an ihm voliftredt. Er ftarb 3 


*) Bekanntlich führt das ſaͤchſiſche Wappen im zweiten Felde über acht S 
und ſchwarz balkenweiſe gezogenen Streifen einen Rautenkranz wegen des Hert̃ 
Sachſen, deſſen neuermähtter Herzog Bernhard 1. diefes Wappen 1181 vo 
Friedrich 1. befam. Grundlos ıft die Cage, ber Kaifer habe, ats Bernharky, 
maliger Sitte fein Schild tragend, worauf bie Ballenftädtifchen ſchwarz mb 
Ballen befindlich waren, vor ıhm erfihien, wegen der Eonnenhige einen Reg 
auf dem Haupte gehabt, diefen abgenommen, über den Schild des Herzogs zu 
und ihm zugleid) als Wappen verehrt. Böhme (De origine vera ruta® 
cae“, 1756) glaubt, daß diefer Routenkranz dreiblätterige goldene Kronſpite 
Überhaupt war bie Raute ein heraldiſches Zeichen. 








Hang EWIE VER WERE SUMUIE DEUHERD 66 ver Weuumıyın. Ypiee 
fömifcdyen Sal ihren Sig; nad) Untergang des abenbländifchen 
ie gotbifchen Könige, dann bie Erarchen. Diefe wurden im 3. 752 
ıbarben vertrieben, weldyen jedoch der fränkifche König Pipin: ſchon 
t nebft dem ganzen Erardhat (f. d.) wieder abnahm und Beides 
:Stuhl fhenkte. Bon 14401508 war die Stadt in den Händen 
t, denen fie in Folge der Ligue von Cambrai entriffen wurde. Seit 
ie wieder dem Papfte. R. liege umgeben von Sümpfen, die aber 
tem durch Ableitung in die Fluͤſſe Montone und Ronco ſowol als 
Bebauung der Umgegenb vermindert worben find. Der ehebem an 
iadliche Hafen am adriatifchen Meere iſt durch neue Landanfegungen 
figung bed Meeres nad) den illyriſchen Küften zu jegt ungemein ver⸗ 
DR., das fonft hart am Strande lag, ift nun faft eine Stunde 
Hfernt. Im der Nähe, nach Forli zu, iſt das Schlachtfeld, auf dem 
ſtanz. Feldhert, Gaſton de Foir, 1512 über die [panifchen und päpftl. 
zund fiel. Neben ben Gebeinen der Kaifer Honorius, Konftantinus 
I. und denen der Tochter des großen Theodofius, Galle Placidia, 
1 ebeine Dante Alighieri’& in Ravenna. 

I Mitglied der franz. Deputirtentammer, und feit 1818 — 27 
13 vom König zum Präfidenten derfelben ernannt, zeichnet ſich Durch 
!@egentwart des Geiſtes aus, mit welcher er die oft ſtuͤtmiſchen Bes 
tet, den wefentlichen Inhalt berfelben zufammenfaßt und die Ertoͤrte- 
"den Hauptgegenftand im Sinne ber Regierung hinlenkt. Ex ſpricht 
und gut. Bein Anftand ift ernft und twürbevoll; feft in feinen Ans 
tnger Ropalift, hält er ſich genau auf des Linie der Mäßigung und 
8. Geb. im Loirebepart. 1770, und zum Rechtsanwalt gebildet, 
ſeit 1791 in yon, durch die muthige Vertheibigung ber eibfcheuen 
amt. In Folge der Ereigniſſe vom 31. Mai 1793 kämpfte er in den 
yonefer gegen die Conventstruppen. Nach der Einnahme von Lyon 
Doocat zu Bordeaur, wo er einen Verein fliftete, deffen Zweck war, 
tung ber neuen Ideen zu toiderfegen. Indeß erklärte er 1806 öffent» 
uhmheit araen bie Paifer! Familie Mach har Misherhorftelting d⸗ea 





46 Kay Raynal 


Gelegenheiten mit großer Klugheit, um die Anträge ber rechten Seite ge. 
flügen, was ihm die line, u. A. Aler. Lameth, oft zum Vorwurf #' 
Am fchwierigften mar feine Stellung bei Manuel's Ausſtoßung. 8 
warb ihm die Reitung der Verhandlungen in den Sigungen von 18% 
1825, wo die Oppofition gegen das Mentengefeg , das Budget, die Septr 
tät und die Entfehädigung der Emigranten nur wenige Stimmen zählte. 
Det. 1824 ernannte ihn Karl X. zum erſten Präfidenten des k. Gerichtsh 
Bordeaur. | 

Ray CJohn), oder Wray, Naturhiftoriter, der Sohn eines Huffä 
zu Black-Notley in Effer, geb. 1628, ftudirte zu Cambridge Theologie w 
bis 1662 Prediger. 1660 erfchien fein „Catalogus plantarum circa Can’ 
giam nascentium” , ein Verzeichniß von 626 Pflanzen, die um Cambribg 
wachfen und die er in oͤkonomiſcher, medicinifcher und andrer Rüdficht sd: 
- Eine Reife durch Frankreich, Holland, Deutfchland, die Schmelz und „- 
gewährte ihm eine reiche Ausbeute naturhiftorifcher, beſonders botanifcher 
rungen, fobaß er 1670 ein Berzeichniß der Pflanzen Englands und der angt 
den Inſeln („Catalogus plantarum Angliae et insularum adjacentium” 
ausgab, worin er gegen 1050 Pflanzen wie in dem obigen Werte bei 
Seine Reifebemerkungen: „Observations topographical, moral and phy 
gieal, made on a journey through a part of the Low Countries, Ger] 
Italy and France”, find überaus reich an naturhiftorifchen und andern Erf 
gen. Jetzt ward Botanik fein Hauptflubium, und 1682 gab er den vortä 
Entwurf zu einer allgemeinen Pflanzengefchichte („‚Methodus plantarum % 
heraus, dem 1688 die „Historia plantarum generalis”, in 2 Bon. Fof. 
worin an 6900 Pflanzen befchrieben werden; noch immer eins der vorzäg! 
botanifchen Werke der Engländer,‘ und überhaupt unfchägbar. Durch bief 
fuche einer foftematifchen Aufzählung und Befchreibung ber Pflanzen regte 
wiffenfchaftlihe Stubium der Botanik fchon vor Zournefort wirkſam am. . 
gab er eine foftematifche Naturgefchichte der vierfüßigen Thiere und des S 
gefchlechte (‚Synopsis methodica animalinm quadrupedum et serpentin# 
rin" , 1693) heraus, weiches feit Ariſtoteles's Zeit das erfte Werk in diefer An 
und dem bald nachher eine Naturgefchichte der Fifche und Vögel und eine & 
fetten folgten. — Durch feine theologiſchen Schriften ſtellte er ſich als einen 1 
fen, aber vorurtheiföfreien Ghriften dar. Er ftarb im 77. 3. feines Afı 
Motiey, wo ihm ein ſchoͤnes Denkmal errichtet wurde. 

Raynal (Bulllaume Thomas Francois), ein berühmter Schrifi 
Mitglied der Akademien von London und Berlin, geb. 1713 zu St.-Ge' 
Guieme, trat frühzeitig in den Orden der Sefuiten. Als Priefter erwarb 
durch feine Kanzelberebtfamkeit Ruhm; aber fein Hang zur Unabhängigke 
trug ſich nicht mit dem Ordensleben, und ſchon 1748 verließ er ben Order 
fi) in Paris niederzulaffen. Liternrifche Arbeiten gewöhnlicher Art waren aı 
fein einziges Hülfsmittel. Werke von größerm Umfange, die er darauf 
nahm, die Gefchichte des engl. Parlaments, und der Statthalterfchaft der I 
lande, machten auch wenig Auffehen, aber bie Gefchichte der Scheidung b 
nigin Katharina von Heinrich VIII. lenkte ſchon die Aufmerkſamkeit auf ihn. 
„Histoire philosophique des etablissemens et du commerce des Eure 
dans les deux Indes” (deutſch vom Abt Reſewitz, von Mauvillon umb 
Ungen.) gründete zwar feinen Ruf, doch erfannte er felber die Mängel 
Werks, dem man viele falfche Anfichten und thatfächliche Irrthümer vo 
und unternahm Reiſen durch Frankreich, Holland und England, um feine. 
niffe zu erweitern. Nach feiner Ruͤckkehr gab er 1781 eine neue Ausg. jenet 
kes zu Genf heraus, die viele Unrichtigkeiten ber erſten verbefferte, aber 


Raynouarb Reaction | 47 


ſhaft, Pfaffenthum und Fanatismus nod) Eräftiger ſprach als die 
3 ibn 1781 vom Parlament Landesverweiſung zu, und die Sorbonne 
Werk als den „Erguß der Verirrungen einer nichtswuͤrdigen Seele”. 
mehre deutfche Höfe, erhielt aber bald die Erlaubniß, nad) Frank: 
wehren, und kam 1788 audy nad) Paris. In den erften Zeiten der 
lebte er im ziemlich bebrängter Lage, bis er nach dem Sturz der Jaco⸗ 
2er, trotz ber in feinen Werken gepredigten Fürftenherabfegung, nicht 
ne Verhältniffe fich einigermaßen befferten, unb er ernſtlich anfing, 
fritellerifche Arbeit fortzufegen. Aber ſchon 1796 machte der Tod feir 
it ein Ende. Die ermähnte „Histoire philosophique eto.“ ift unter 
ifren die ausgezeichnetfte und erwarb, beſonders in England, ihrem 
uhm, weil er darin eine Menge neuer Ideen uͤber Menfchenwerth und 
ke, freilich auch mit manchen Austwüchfen und verwerflichen Übers 
waart, darlegte. Daß er 1783 den Stiftern der ſchweizeriſchen Frei⸗ 
x Inſel im Vierwaldftätterfee ein Denkmal mit Beifeguug feines Nas 
ten ließ, tft wol nur ein Beweis von Eitelkeit. Nach v. Dohm iſt 
tefflicher, freimüthiger, beredter, philofophifchee Polititer und Sta- 
# aber Sefchichtfchreiber; ein Urtheil, welches auch durch feine frü- 
‚ die „Histoire da Parlement d’Angleterre‘’ und die „Histoire du 
u", beftätigt wird. Seine „Gefchichte der Revolution in Nord: 
ude von Thomas Panne widerlegt. — Zu den Widerfprüchen in R.’8 
ebörte, daß er felbft Actien in dem Sklavenhandel befaß, den er doch 
mbder Berebtfamteit, und nicht ohne Ahnung zum Theil fchon in Er⸗ 
ugener Ereigniſſe, beftritten hatte. 
zouard (François Juſte Marie), einer der vorzuͤglichern neuern 
ie (nicht zu verwechfeln mit feinem Landsmann, dem Buchhändler und 
Menouarb), geb. zu Brignoles in ber Provence, d. 18. Sept. 1761, 
vocat, nachmals Mitglied ded gefeßgebenden Corps. Durch fein 
gefröntes, und von J. Immerzeel, Hang 1804, ind Holländ. 
: „Soerate dans le temple d’Aglaure‘, machte er ſich zuerſt be- 
vorzüglichftes Wer? find jedoch die „Templiers” (Tempelherren), 
kin 5. Aufı. Sie erfchien zu einer Zeit (1805), wo man in Frank⸗ 
damit befchäftigt war, die Unfchuld diefed Ordens zu erweifen. 
eiten indeffen erfegen nicht, roa& ihr an Klarheit der Handlung abs 
engweilt die allzu häufige Wiederholung ber Worte „unfchulbig‘‘ und 
nel den Lefer ald den Zufchauer. Deßhalb fand das Stuͤck in Deutfchland 
ymeinen Beifall, der ihm in Frankreich zu Theil ward. Gluͤcklich vers 
ned 1819. Geſchichtlich wichtig find die hiftorifchen Nachrichten über 
een und ihren Proceß, welche R. diefem Trauerſpiel vorangefchickt 
Ih wegen ber darin mitgetheilten Actenftüde. Karl Friedrich Cramer 
edle fuͤr die deutſche Bühne bearbeitet (Xeipz. 1806), und dabei bie 
handlung ebenfalls ind Deutfche Überfegt. 1807 wurde R. Mitgl. des 
ud 1813 Mitgl. des gefeßgeb. Körpers, welchen Napoleon auflöfte. 
in der franz. Akademie als beftänbiger Secretair an Suard's Stelle. 
mie R. eine Auswahl von Driginalpoefien der Zroubadoure in 3 Bdn. 
diefen find beigefügt die Elemente ber romanifchen Sprache und eine 
er Troubabourfprache. In einer langen Abhandlung wird Über das Alter 
ben Sprache, über Romantik, über die verfchiedenen Dichtungsarten 
ws umd die Lebensweiſe derfelben viel Anziehendes mitgetheilt. 
tion, in ber Mebicin die von einer äußern Einwirkung hervorgerufene 
Sorganifchen Körpers ; man bezeichnet die Fähigkeit dazu mit dem Aus⸗ 
tionsvermögen. Wenn durch genoffene Speife die Verdauungs⸗ 


48 Reaction, politifche 


kraͤfte in Thaͤtigkeit gefegt werden, fo ift dies ebenfowol eine Reaction, als 
in Folge eines genoffenen Giftes Erbrechen erfolgt; der Muskel rengirt au 
Einfluß des Willens, d. 5. er vollzieht die Bewegung, die wir wollen; er vı 
aber auch auf widernatuͤrliche Reize und zeigt dann Krampf und Zudung. mi 
das Reactionsvermögen bie Selbftändigkeit des Organismus zu erhalten ſucht 
es ald Naturheilkraft (Vis naturae medicatrix) in Krankheiten unter den ma 
faltigften Erſcheinungen auf. Sogleich nach einer Verwundung zeigt fid) das! 
tionsvermögen des Körpers als wieberherftellende Bildungsthätigkeit in ber 
zuͤndung und Eiterung ; nad) den meiften heftigen Einwirkungen zeigt es fik 
Sieber, welches Eritifche Ausleerungen und mit ihnen Hebung der Krankhe 
Folge hat; fremde Körper oder abgeftorbene Theile des Organismus entfer 
Natucheilkraft durch Eiterung und Abftoßung, wie fie [hädliche Stoffe, d 
genießen, durch Erbrechen fortfchafft c. Dem Wirkungsvermögen gege 
ſteht die Empfänglichkeit oder Meceptivität ded Organismus, bie Fähigkeit, | 
Eindrüde in fi) aufzimehmen. Auf manche äußere Einwirkungen reagirt bs 
ganismus nur durch Sinneswahrnehmung oder Empfindung. — 
Reaction, politiſche (Gegenwirkungſ. Wenn im Kampfe zwele 
gegengeſetzter Kräfte die eine zuruͤckgedraͤngt wird und die andre nun mit um‘ 
gehinderter Freiheit ausläuft und wirkt, fo wird fie in dem Grade ſchwaͤchen 
fie fi) ausbreiten und ihrem Ziele nähern kann. Sie ſchwingt ſich auch wei. 
dieſes Ziel hinaus und verliert dadurch den Punkt, auf welchen fie fich ftügem 
Die entgegengefeste Kraft hebt fi) empor, indem der fie übermältigende Dez 
tinger wird, und da fie unter Umftänden alles Das gewinnen muß, was je 
liert, fo ift fie nun ihrerſeits die ftärkere, oder fcheint ed wenigftens zu fehl 
auch fie in ihrem neuen Schwung ihren Mittelpunkt wieder überfchreitet umd, 
mal8, vieleicht ftärker ald zuvor, unterdrückt wird, ober bis fich beibe ent 
wirkende Kräfte in eine Art von Gleichgewicht gefegt haben, und ein Wechſ 
beginnen, welches nur förbernd und belebend, aber nicht zerftörend wirkt. - @- 
verhalten ſich die geiftigen Kräfte der Menfchheit gegeneinander, deren Epk' 
Stoff der Gefchichte liefert. Das Gefeg der Reaction ift ein Theil von Dem 
die Alten unter dem Namen der Nemefis als eine gewaltige, alles libermaß ! 
fende Naturkraft, als das alles übermüthige Vertrauen der Menſchen auf ih 
nen Kräfte bemüthigende Schidfal verehrten, indem fie wahrnahmen, d 
Reaction da, wo die Kraft der Befiegten für immer gebrochen zu fein fehle 
irgend einem plöglichen Ereigniß, dem zufälligen Tode des Siegers mitten ke 
feiner Siege, oder einem Aufruhr der Elemente gegen die ficherften Berechn 
hervorgerufen wurde. Die Gefchichte der Menfchheit ift eine Gefchichte ber 
tionen, ſowol auf dem Eleinen Schauplage einzelner Völker und Staaten, 1 
Großen. Der wilde Despotismus der roͤmiſchen Imperatoren war eine Ri 
gegen das Streben der alten Welt nach einer mißverflandenen Freiheit; bie” 
fchritte der rohern Völker erzeugten die Reaction der freien und gereinigter 
meinbeverfaffung gegen die willfürliche Alleinherrſchaft. Selbſt das Chriftes 
würde man in feinem Beinen Anfange eine Reaction gegen das in Wort unb 
Form erſtorbene mofaifche Geſetz, ſowie gegen die Leerheit und Sittenvern 
des Heidenthums nennen können, wenn e8 nicht hier richtiger wäre, bloß w 
immer fortwirkenden höhern Kraft, anftatt von einer Ruͤckwirkung zu fpa 
Der Islamismus aber kann wiederum nur als eine Reaction einer finnlichen 
ligion gegen bie Verirrungen bes ChriftenthHums in der Hand der Menfchen * 
tet werden, fowie die Reformation eine Reaction gegen Nom mar und Ihe 
wieder in ſich felbft eine Menge Reactionen erfahren hat. Sie hatte in ihrem 
Jahrh. bei weitem mehr Raum gemonnen, als fie jegt befigt, und hat ſeitdens 
den Katholiciemus immer nur verloren ; es iſt aber mit großer Sicherheit w 


Keagentien Real (Pierre Francois, Graf) 49 


‚Ih auch ihre Zeit wieder erfcheinen wird. So ift es aud) in den politischen 
mTasegangen. Karl V. fland auf dem Gipfel feiner Macht, ale er burd) 
re zesen Philipp von Heffen und gegen die Proteftunten überhaupt die 
at. Kurfurſten Morig und Heinrichs I. von Frankreich hervorricf, welche 
Kim Erbaute wieder jerflörte. Co ging es im 16. Sahrh: Ludwig XIV., 
Seden in Deutſchland und Karl XI. Befonders reich an Wechieln diefer 
ir franz. Revolution. Die Exceſſe der alten Berfaffung Frankreichs führ: 
Arrtumg der untern Stände, die Erceffe der Volksherrſchaft den militai: 
Deedotiemus herbei, welcher ſich auf gleiche Weife filbjt feinen Sturz be: 
Ya der Revolution wurde der Ausdrud ber Reaction hauptfachlich in dem 
sm Sinne Ublidy, daß man Darımter das wechfelfeitige Erheben der Ju: 
zit Ne.aciften verſtand, welches die gemöhnliche Kolge jeder Nirderlage 
wenevon beiden erlitt. Die gleiche Erſcheinung zeigt fich in allen Verhätt: 
eo Menfchheit. Unglauben führt zu Aberglauben und Srömmelei, und diefe 
zimem; Misbraucd der Gewalt und Mißbrauch der Freiheit wecken die 
gtz13 der entzegengefesten Kräfte, und ewig wahr wird dir Sag bleiben: 
edem aufer der Mitte liegenden Ziele, je näher dem alle. — In ei: 
Ben Ziune iſt der Ausdrud Reaction neuerlich gebraucht worden, du 
Kim beionnenen, vermunfts und naturgemäßen Vorwaͤrtsſchreiten der 
Det, der Reform entgegengefegt, und das Beftreben damit bezeichnet hat, 
BB der Zeit ruͤckwaͤrts zu drehen und die unvermeidlich. Entwickelung des 
ben Geiſtes mit Gewalt zuruͤckzuhalten. Es ift möglich, daß ein folches 
von Cinigen für ausführbar und heilſam gehalten wird, aber nichtsdeſto⸗ 
Rywis, daß es nie gelingen kann und ebenſo unmweife als ungerecht iſt. 
chirner, „Dis Neactionsſyſtem“ (Leipzig 1824). 37. 
sgentien, gegenwirkende, ruͤckwirkende Mittel, werben in der Chemie 
t, welche entweder durch die Veränderungen, bie fie felbft erleiden, 
Br Wirfungen, die fie hervorbringen, die Gegenwart und Befcaffen- 
Stoffe anzeigen, oder diejenige Subſtanz, mit welcher man eine um: 
hung prüft. Mehre Planzenfäfte find Nengentien, denn du fie durd) 
et und Alkalien in ihrer Farbe verändert werden, fo zeigen fie das Da- 
Exl;e oder Alkalien in andern Dingen an. So bedient man ſich zur 
der Saͤuren in der Chemie häufig des Veilchenſaftes, der Ladmus- 
Rb:L, beren blaue Farbe durch Saͤuren in Noth verwandelt wird. Zu 
ien gchören außer vielen andern alle die Materien, deren der Chemiker 
gsmittel bedient, 3. B. das feuerbefländige Alkali, das aus der Sul: 
tie aufgelöfte Kalkerde niederfchlägt. 
Real, eine ſpaniſche Münze; ber real de plata (Silberreal) beträgt etwas 
&., ter real de vellon (Kupferreal) beträgt ungefähr 1 Gr. 8 Pf. 
leal (Pierre Frangois, Graf), aus einer niederländ. Familie entfproffen, 
1789 su Paris das Amt eines Procureur au chätelet. Ausgeſtattet 
ba Talenten, für die Sache der Freiheit begeiftert, war er der ausgezeich- 
Döner der Gefellfchaft der Amis de la constitution, welche fpäter u. d. N. 
bliner beruͤchtigt wurde. Seine Verbindung mit Danton hätte ihn bald 
Ar des Terrorismus gemacht. Als nach dem 10. Auguft 1792 Danton 
Bifer wurde, ernannte er Real zum Öffentlichen Ankliger des Revolu— 
as. Seine wilden Eifers ungeachtet machte ſich N. feiner Grauſam⸗ 
Bis, die Girondiſten fließ er aus dem Nationalconvent, ſchonte aber ihr 
Nech Danton's Tode wurde er ald Feind des Regierungsausſchuſſes, als 
Ber einer zuͤgelloſen Preffreiheit angeklagt und verhaftet, erlangte aber bald 
it und trat ald Anwalt der Zribunäle auf, wo er die Angrklagten aller 
ie rrelmüıthig vertheidigte. 1793 gaber das „Journal de l’opposition” 
Re. Eiebente Aufl. 3b. IX. 4 










50 Keal Realinſtitute 
heraus; em Jahr ſpaͤter wurde er Hiftoriograph der Republit. 1799 ( 
nementscommiffair des Depart. ber Seine, leiftete er dem Generat Bo 


„durch Vorbereitung ber Nevolution des 18. Brumaire wichtige Dienfte, 


der erfte Conful durch die Ernennung zum Staatsrath belohnt. Zum 
des Polizeiminifteriums ernannt, übernahm er 1804 das Verhör eines ı 
Querelle, der die Anfchläge George Cadoudal's, Pichegru's und andrer Ve 


renen wider das Leben Napoleons entdedte. Seitdem durchkreusten fi 


geheimen polizeilichen Thätigkeit Fouche, Dubois und Real; es gab an 

vier verfchiedene geheime Polizeien und um fo viel mehr Angeber und € 
Noch nicht aufgeklaͤrt ift R.’8 Theilnahme an des Herzogs v. Enghien Kata 
(S. Savary.) Um diefe Zeit erhielt er das Commandeurkreuz der Ehri 
und 100,000 Franken. Mit der Ruͤckkehr der Bourbons hörte R.'s W 
£eit auf; während der hundert Tage war er Pollzeipräfect von Paris u 
dann auf die Lifte der 38 aus Frankreich Vermiefenen. Er ging nach den 
landen, bald darauf nach Nordamerika. Hier befigt er bedeutende Läı 
und eine große Liqueurfabrit. Die 1818 ertheilte Erlaubniß zur Ruͤckke 
Frankreich benugte er bis jegt nicht. . 

Real, dem Idealen erttgegengefegt, heißt 1) fo viel ald wahr, d. 
lich, oder mahrhaft feiend, 2) auch unabhängig von unferm Vorftellen 
Das Reale: Das, mas unabhängig von unfern Vorftellungen ift — ni 
das koͤrperliche Sein — und im höchften Sinne Das, was an fi ur 
ſich iſt. 

Realgeld, Sachgeld, ſteht dem Ideal- ober Grebitgelbe e 
und bedeutet ein Geld, das aus einer Materie beſteht, welche den Wer 
man ihr beilegt, in ſich ſelbſt hat, alſo wir kliches Geld. (Vgl. Idea 
Das jetzt in der ganzen civiliſirten Welt übliche Realgeld iſt das Metallgell 
piergeld, Banknoten, find unfer gewoͤhnliches Credit⸗ oder Idealgeld. (S. 
An frühern Zeiten, wo der Verkehr noch fehr unvolllommen war, und um 
tern, wo bis jegt noch die Givilifation auf einer niedrigen Stufe feht, | 
und bedarf man auch eines allgemeinen Taufchmitteld. Aber die Materien 
man dazu wählte, waren fehr unvolllommen im Vergleich mit ben edeln D 
in deren Wahl zum Gelde bie civilifirten Voͤlker fich vereinigt haben, uml 
alle rohe Nationen gleichfalls annehmen, fobald fie einen höhern Grad de 
fation ‚srreihen. So dienten den Griechen und Römern Ochfen, Sch 
andres Vieh zum Realgelde, und da® Geld fcheint baher von den Römern | 
genannt worden zu fein. In Merico gebrauchte man in frühern Zeiten Ci 
nen, Federkiele, mit Goldftaub gefüllt, dünne Stüde von Zinn, ale 9 
Noch wird z. B. in Äthiopien und Abpffinien Steinfalz, in Vieginien dei 
wie Geld im Kleinhandel angewandt; im Reiche Siam, Bengalen u. f. w 
die Kauris (f.d.) zur Scheibemünze. 

KRealinjurie, eine Beleidigung durch thätliche Behandlung, S 
Stoßen, Werfen u. dgl. Solche Thätlichkeiten verlegen ſtets auch das Ei 
Deffen, dem fie widerfahren, und Können nicht leicht von dem Vorfag el 
aͤchtlichen Behandlung getrennt fein. Das römifche Recht, welches bie 
überhaupt zu den Privatverbrechen zählt, infofern nicht die Perfon des Be 
es zum öffentlichen macht, wie bei dem Majeftätsverbrechen, geftattet eis 
auf eine Geldfumme. Die Gefege gegen die Duelle aus dem 18. Jahrh. 
nen häufig fehr ſchwere Strafen, Ehrlofigkeit, Vermögensconfiscation, br 
fängnißftrafen gegen bie Urheber der Mealinjurien. Die neuern Geſetzg 
find wieder etwas milder, Indem fie Geld und Gefängnißftrafen feftfegen. 

Realinſtitute (oder polytechnifche Inſtitute). Schon in dem v 
der entworfenen Plane für die Einrichtung der hoͤhern Schule zu Riga (neı 


Realinftitute 51 


iron’ abgebrudkt) findet ſich die Idee jener neuen Art von gelehrten 
ie mit den Gymnaſien übrigens parallel und mit ihnen verbunden, nur 
iefen verfchieben fein follten, daß fie, ftatt des ausfchließenden Unter: 
alten Spradyen, Mathematik, Naturwiffenfhaften, Geſchichte u. f. f. 
le der höhern Geiftesbildung und übung hervorhöben. Als eine geift: 
ıf einem felbftändigen Wege gelungene Annäherung an die Herber’fche 
ch die fpäter in Berlin errichtete Realfhule betrachten, während auf 
Seite das in Paris errichtete, in der neueften Zeit aufgehobene Real: 
miſche Inftitut bei aller f. Einfeitigkeit jene Sdee wieder auf andre Weiſe 
ng bringen mußte. — Der legtern Anftalt, die ihre Entftehung aus der 
it der franz. Mevolution herleitet, fah man es freilich an, daß fie ein 
Zeit mar, die auf ber einen Seite alles lange Beflandene, Gute wie 
umftürzen und zerftören wollte, auf der andern aber ftatt aller bisheri⸗ 
mbildimg nur jene Tauglichkeit und Fertigkeit der Zöglinge bezweckte, 
Yürfnig jener für Frankreich gefahrvollen Eriegerifchen Tage am ange: 
und damals, mo dem jungen Stangofen faft für nichts Andres ale für 
at und Sinn geblieben fchien, in der fürzeft möglichen Zeit zu erwer⸗ 

Dennoch verdient fie fo fehr als irgend eine andre Bilbungsanftalt 
zeit Beruͤckſichtigung. Es ift erwiefen, daß die meiften jener Talente, 
n Jahrzehend in Frankreich ſowol in den Künften des Kriegs als des 
hauszeichneten, in dem polptechnifchen Inſtitute geweckt waren und in 
enthuͤmliche Richtung erhalten hatten. Jene Anftalt genoß aber auch 
te Zeit einer vorzüglichen Vorforge der Megierung. Eigens dazu er= 
miffarien mufiten jährlich alle etwas bedeutendere Städte Krankreiche 
‚aus den Provinzialfchulen die ausgezeichnetften Köpfe, beſonders aber 
ih für mathematifche Studien zu eignen ſchienen, auswählen. Auf 
de Vorkenntniffe warb auch fhon bei der Aufnahmeprüfung vorzüglich 
ither Diefen warb von Seiten der neu Aufzunehmenden bloß einige Fer⸗ 
Stel8 in der Mutterfprache, etwas Zeichnen und fo viel Latein erfodert, 
Mehen eines fehr leichten lat. Schriftfteller® hinreichte. So hatte die 
Mangel an Zöglingen, die ſich gerade für die Unterrichtögegenftände, 
muptfache waren, meiften® in einem vorzütglichen Grade eigneten. Die 
km unter 300 an der Zahl) waren in 3 Claffen vertheilt; in allen be- 
‚ber Unterricht auf Mathematik, Technologie, Chemie, Phyſik, Natur: 
d Geſchichte. Die gemiffe Ausſicht auf eine baldige Anftellung, zum 
ie Strenge, toomit der Übertritt aus einer niedern in eine höhere Glaffe 
d befchränft wurde, vor Allem aber der günftige Umftand, daß die Zoͤg⸗ 
ach aͤußern Zufall, fondern durch die eigenthuͤmlichen Richtungen der 
und Anlagen in die Anftalt geführt wurden, ließen faft burchgängig 
utendes Leiften. — Auch im Königreiche Baiern wurden zwei Real: 
Augeburg und zu Nürnberg errichtet, die gleich den Gymnaſien als 
söihulen für die Univerfität oder für die verfchiedenen Zweige der 
md Kunft dienen follten; fie find jedoch 1816 wieder eingegangen. 
linftitute ftehen, als höhere Bildungsanftalten, mit Realfcyulen in 
‚ worin fich meiftens die Zöglinge für das Realinſtitut bilden, die aber 
m höhern Bürgerfchulen einiger andern Provinzen Deutfchlands ent: 
Die Realfchulen, worin die Schüler meift nur bis zum 14. oder 15. 
n, find in 2 Glaffen getheilt. Sn der untern wird vorzuͤglich in Re: 
echnen, Slementargeometrie, Kosmographie und Geographie, deutfcher 
tallen Dazu gehörigen Übungen, im Stanzöfifchen und im Zeichnen un⸗ 
m der höhern tritt an die Stelle der Kodmographie und Geographie 
Rund Gefchichte; der übrige Unterricht wird fortgefegt, ſodaß die Zoͤg⸗ 

4 * 


52 Realismus Realſchulen 


linge, wenn ſie ins Inſtitut uͤbertreten, eine ziemliche Fertigkeit im Styl der 
terſprache haben, Arithmetik bis zur Lehre von den Potenzen, Geometrie u 
verſtehen. — Seit einiger Zeit iſt auch zu Wien eine vortreffliche Anſtalt jen 
u. d. N. eines Polytechniſchen Inſtituts errichtet, die mit der in Baiern beſ 
nen einen ziemlich aͤhnlichen Lehrplan hat. Sie iſt zunaͤchſt zur hoͤhern Bild 
anftalt für Alle, bie ſich im Fabrikweſen, in der Technologie u. a. auszeichnen 
len, beftimmt, und der Kaifer hat jener beglinftigten Anftalt bereits das ihm 
hörige vortreffliche phyſikaliſche Cabinet und ein prächtiges Gebäude nebft 
andern Material geſchenkt. Unter ber Leitung der Lehrer diefer Anftalt un 
Prechtl beforgt, erfcheinen feit 1819 „Iahrbücher des k. k. polytechnifchen 
tuts". (S. Polytechnik.) 

Realismus, im Gegenſatze des Idealismus, dasjenige philoſo; 
Syſtem, welches annimmt, daß die Dinge unabhängig von unfern Vorſtell 
und außer ihnen wirklich vorhanden find. Die Erklärung der Außenwelt 
was hier darunter verftanden wird, des wirklichen Daſeins der Dinge auf, 
ferm Gemüth, zerfällt im Realismus felbft wieder in verfchiedene Spfteme, ı 
der Spinozismus eins der wichtigften if. Es nimmt nämlih Spinoza 
eine einzige Realität, Urrealität, an und lehrt, alle andre Dinge (Suhftanzen 
nur Mobdificationen dieſes einzigen realen Wefens, das er ald Gattheit ann 
Der Realismus ift ferner Materialismus (f.d.), wenn er die Materi 

- Eörperliche Subftanz als einzige Grundurſache der Dinge betrachtet und bie 
fetbft als eine materielle Subftanz anfieht. Er findet fidy au) im Dualißı 
(S. d. und Fdeal) Zu dem Realismus gehört auch Leibnitz's Monadı 
der zufolge eine Theilung der Subftanzen bis ins Unenbdliche undenkbar, ur 
sulegt ein Untheilbares (Monade, f. d.) vorhanden fein müffe, das aber 
darum, weil es untheilbar, den Begriff der Körperlichkeit aufhebt, Beine Au 
nung hat, keiner Auflöfung fähig ift und alfo auch durch Trennung der | 
nicht untergehen kann u. f. m. , und endlich Kant's Lehre von den Dingen & 
welche ald negativer Realismus betrachtet werden fann. Denn wenn diefe 
loſoph lehrt, wir würden zum Bewußtſein des Dafeins in der Zeit nicht ge 
Eönnen, wenn den Erfcheinungen außer dem vorftellenden Gemüthe nicht 
Wirkliches zum Grunde läge, fo bezeichnet diefes Etwas, obgleich nur n 
von ihm angedeutet, doch das Dafein eines Realen, und die Unmöglichk: 
Daſeins der Dinge an ſich, ober eines von unfern Vorftellungen unabhängig: 
verfchiebenen Grundes der Erſcheinung, ift, nad Kant (f. d.) felbft, unerw 
auch von keinem weder Altern noch neuern Idealiſten erwiefen worden. De 
lismus ift feiner Quelle nad) empirifcher ober rationeller Realismus, je nach 
auf finnlihe Wahrnehmung oder VBernunftbegriffe gegründet ift. 

Realiften, die Anhänger des Realismus in der Philofophie, nam 
eine Partei der Scholaftiler, welche als Gegner der Nominaliften (I 
Art.) lange Zeit hindurch kämpften, bis endli die Scholaftiß untergin 
mehre neu aufgeftellte Philofopheme, u. a. das des Descartes, die Aufme 
keit der Denker zu befchäftigen anfingen. 

Realität nennt man In der Philofophie das Mirktichfein oder Begı 
fein eines Dinges durch gemiffe Thatfachen, und mit dem Beifage obje 
Realität das Sein der Gegenftände außer unferm Vorftellen und unab 
von demfelben. (S. auch Objectivität.) Auf dem empirifchen Stant 
legt man diefe Realität nur den finnlid) gegebenen Segenftänden bei; da Hl 
für die wahrhaft philofophirende Vernunft nur das Überfinnliche, fiber die € 
nung Erhabene unbedingte Realität Haben kann. 

Realmünze, f. Realgeld und Geld. 

w SRealjhunlen, f.Realinftitute. 


[4 


Roͤaumur Recapitulation 58 


aumur (Rene Antoine Ferchault de), 1683 zu Rochelle geb., war 
srößten Naturforfcher feiner Zeit und feines Volkes. 1708 varb er 
der Akademie zu Paris, und 1709 erſchien in den „Memoiren der 
me Schrift „De la formation et de l'accroissement des ooquilles des 
' worin er den Sag aufftellte: die Schalen der Schalthiere entfläns 
em Erhärten eines Saftes, der aus den Poren diefer Thiere bringe. — 
‘er eine Abhandl. heraus uͤber die goldfuͤhrenden Fluͤſſe Frankreichs, 
ugleih zeigte, wie dieſes Metall am leichteften aus ihnen zu gewinnen 
eine vielfachen Berfuche Über die Verwandlung des Eifens in Stahl hat: 
vn fehr nüßlichen Erfolg, und leiteten ihn zugleich auf die Methode, 
sicher das Gußeiſen in Schmiedeeifen umgefchaffen werden könne, wor: 
722 eine eigne Schrift herausgab. Die Verfertigung des Porzellang, 
Berſchiedenheit deffelben, befchäftigten ihn fehr. Er bemühte ſich, das 
Porzellan nachzuahmen, und kam dabei auf den Gedanken, aus ges 
: Blasmaffe Porzellan zu bereiten. Zwar war das gewonnene Erzeug⸗ 
virklichen Porzellan nicht glei an fchöner meißer Farbe, zu technifchen 
der ift es ebenfo brauchbar als jenes. — Vorzüglichen Ruhm erwarb ſich 
h durch Anfertigung feines Weingeiftthermometers und eine babei auf: 
ene Eintheilung der Scala, die man beibehielt, als man [päterhin den 
Imit dem Queckſilber vertauſchte. (S. Thermometer.) 1756 über: 
ber Akademie eine Schrift über die Kunft und Verfchiedenheit, mit der 
igfachen Arten der Vögel ihr Neft bauen, audy ftelfte er Beobachtungen 
berdauung dieſer Thiere an. Eins feiner groͤßten Werke: „Memoires 
ir a l’histoire naturelle des insectes” (Paris 1734, 6 Bde.), gibt 
e Auffchlüffe über Sortpflanzung, Verwandlung und Febensart mehrer 
fee Gattung. — R. ftarb auf feinem Landgute Bermondiere in der Land» 
ie, 1757. 

dma nn (Andreas Georg Friedrich v.), Präfident des k. bairiſchen Ap⸗ 
dichts des Rheinkreiſes (zu Zweibruͤcken), Ritter des Verdienſtordens 
en Krone und der Ehrenlegion, iſt geb. 1768 zu Suͤzzenheim in Fran⸗ 
kin Vater, ein Beamter des Ritterorts Steigenwald, lebte. Der 
ımmb gut vorbereitete Anabe bezog mit dem 15. J. die Univerfitit Erlan⸗ 
wüenbete feine Stubien in Jena. Bon 1794—96 lebte R. als Schtifts 
hfurt, mo er viele Berfolgungen erdulden mußte. Beſondere Verhält: 
eben lebhaften Süngling in die Wirbel der franz. Nevolution. Daher 
adolles Schidfal! Anfangs Zribunalrichter zu Mainz, fpäter zu Trier, 
ter Rapoleon, Präfident der Zuchtpolizeifammer des kaiſerl. Gerichte- 
Rainz, wo er fich durch feine Unterfuchung der Räuberbande des Schin> 
befanntmachte, ward er endlich 1814 im bairifchen Rheinkreiſe Appel: 
ihtspraͤſident. Ihm verdankt der Mheinkreis großentheils die Beibehal- 
kähern franz. Einrichtungen. Sein Charakter ald Menſch, feine Be⸗ 
fein Eifer für das Rechte und Wahre erwarben dem geiftvollen,, höchft 
wid thätigen Mame die allgemeine Achtung. In frühern Jahren hatte 
ch Romane, Satyren und politifche Schriften befanntgemadyt, unter 
ir „Deinzich von Neideck, ein romant. Gemälde a. d. Mittelalter” 
1793) , die „Neltenblätter” (4 Thte., 1792—95), „Hans Kiedindies 
He" (1794 fg.) nennen. Ein ſchwaͤchlicher Körperbau und 20jähr. 
kit erſchoͤpften Rs geoße Lebenskraft. Er ftarb am 16. Sept. 1824 zu 
R 









tapttulation, Anakephaldäofis, in der Rhetorik, ift die Wiebderho- 
fin Hauptgebanten am Schluß der Rede, um mit Nachdruck auf die 
"wirken. 


54 RKecenſionsweſen 


Recenſionsweſen, daz, betrifft die literariſchen Gerichtshoͤfe der n 
Zeit, bei welchen jeder Beiſitzer einzeln ſein Urtheil uͤber ein im Druck erſchie 
Buch oͤffentlich ausfpricht, ohne dadurch dem entſcheidenden Urtheile der oͤff 
chen Meinung, noch der Zeit vorgreifen zu koͤnnen. Außer der klugen Ur 
und Aufſicht des Vorſitzers eines ſolchen Gerichtshofs, der die literariſchen Sch 
ernennt, oder der Redaction, und außer dem eignen literariſchen Gewiſſe 
Urtheller ſelbſt, gibt es für die Recenſiranſtalten keine Vorſchrift noch 9 
Ihr Zweck iſt doppelt: Buͤcher anzumelden und ſie zu beurtheilen. Literat 
tungen und kritiſche Blätter bleiben für die Verbreitung bes wiſſenſchaftliche 
meingutd und für die Erweckung des öffentlichen Sinns in der Gebantenmw« 
teöffliche® Hülfsmittel, und wenn das geiftige Leben in Europa jegt reger err 
vielfeitiger ausgebildet und tiefer begründet ift als je, fo ift dies groͤßtentheil 
eine Folge des öffentlichen Urtheils in ber gelehrten Republik. Mit diefen W 
ift der Charakter, die Bedeutung und der Werth bes Recenſionsweſens a 
fprochen. Hierzu kommt, baß zu jeder Zeit die größten Köpfe gern ihr Urtk 
ſolchen Blättern niedergelegt, und manches goldene Wort, da fonft in feinem 
Piag gefunden, oder mit dem Buche felbft im Staube ſich vergraben hätte, 
zu Tage gefördert haben. So der unfterbliche Haller, fo Joh. v. Muͤller 
A.; fo ſelbſt Schiller und Goͤthe, einft die erfiärteften Feinde des Recenfior 
fens. — Immerhin fei die Recenfionsanftalt der Kampfplag einer Schule, 
nur tüchtige Kämpfer ihr Syſtem verfechten! Der Leſer will ja nicht das un 
liche Urtheil der Recenflonsanftalt ablaufen, ſondern er will ein gedachtes Ur 
das ihn zum Selbſtdenken reizt, Elar und bündig, gleichviel ob fcharf oder be 
den ausgedrückt, über ein Buch lefen, das überhaupt eine6 folchen Urtheils ı 
ift; von dem Inhalte aber will er nur fo viel erfahren, als er felbft zur allgem 
Würdigung des Buchs und der Beurtheilung braucht. Es verfteht ſich, baß 
daction und Recenfent überhaupt ihrem Gefhäfte gewachſen fein, und frei 
perfönlicher Rüdficht, den Zweck der Wiffenfchaft rein ins Auge faffen mh 
Iſt dies dee Fall, fo merden allemal bie kritiſchen Zeitfchriften einer Nation, 
die reifften Bluͤthen ihres literarifchen Geiſtes, nicht nur die Achtung der I 
noffen, fondern auch die Aufmerkſamkeit bes Auslandes und der Nachwelt vı 
nen. Möge auch der Recenfent fich irren, wenn er nur feinen Irrthum Hug 
ar, geiftvoll und emft, mit. ſtrengem Wahrheitsfinn und feft wie ein Mey 
taner ausfpriht. Denn fhon ber große Bacon hat gefagt: Raſcher trit! 
Wahre aus dem Irrthum hervor als aus der Verworrenheit. — Wie fehr Erl 
Blätter die Wiffenfchaft befördern, bemeift die Kiterargefchichte aller Völker 
ſich der Gedankenfreiheit und mit ihr eines geiftigen Lebens erfreuen bürfen. 
Franzoſen, denen überhaupt das Verdienft gebührt, bie Gelehrſamkeit in die $ 
fei es auch nur in den Salon, eingeführt zu haben, find die Erſten geweſen, n 
über Drudfchriften öffentlich und ruͤckſichtslos urtheilten. Louis Jacob (fl. 1 
ſoll durch feine „Bibliographie parisienne” , die jährlich alle zu Paris erfd 
nen Bücher beurtheilte, ben erften Gedanken zu dem noch blühenden ‚„Jourma 
savans‘ , deffen Stifter Denis de Salto (fl. 1669) war, gegeben haben. ! 
darauf begannen bie literarifchen Journale der Deutfchen: Thomaſius's „Fri 
thige Gedanken über allerhand Bücher” (Halle u. Lpz. 1688); Tentzel's „M 
liche Unterredungen” (Xeipzig 1689), und Otto Menken's „Acta eruditor 
feit 1682. (©. Literaturzeitungen.) In Deutfchland entftanden j 
erft um die Mitte d. 18. Jahrh. diejenigen beurtheilenden Zeitfchriften, d 
deutfchen Kritik (f. d.) eine ausgebreitetere Achtung verfchafften und aı 
Nationalliteratur einen vielfach förbernden Einfluß hatten. Dahin gehörten 
zuͤglich die durch Leſſing's, Mendelsſohn's und Nicolai's Geift und Thätigke 
deutend geworbenen ‚Riteraturbriefe” , die „Allgemeine deutſche Bibliothek!‘ 


Recepiffe Keceptirkunft 55 


a geiehrten Anzeigen”, bie „Allgemeine Literaturzeitung”, die „Leipz. 

eitang” und der „Hermes“. Das neuefte gelehrte kritiſche Inſtitut iſt 
rtuh für wiſſenſchaftliche Kritik“, welches feit 1827 in Berlin mit 
eiffenfhaftlichem Geifte redigirt wird. Im Allgemeinen zeichnen ſich die 
Blätter der Briten durch ein beftimmtes, tief eindringendes Urtheil aus, 
san dabei, um es richtig zu würdigen, ben Einfluß des auch hier oft nur 
m volitifchen Parteigeiftes auszufcheiden fuchen muß; die Eritifchen Zeit: 
der Scanzofen empfehlen ſich durch treffende und Elare Würdigung des 
Ron; und die der Italiener bucch fcharffinnige Zergliederung ; doc) Elebt 
gewiſſe Einfeitigkeit an, von der faft nur der Deutfche bei feiner Univer: 
d Sründlichkeit frei ift, wenn ihn nicht etwa ein herrſchendes Syſtem ein= 
Man hat Häufig die Frage aufgeworfen: Soll der Recenfent ſich nennen ? 
en: Mein; denn nur die Sache foll ihm gelten, wie dem Leſer. Das 
m fich ſelbſt rechtfertigen. Nennt er fi, fo if fein Urtheil, auch wenn 
tmil, noch glaubt, befangen; bem Leſer aber ift manchmal mit dem ges 
mauth des ungenannten Recenfenten mehr gedient als mit dem höflichen 
eines ſich nennenden Lobpreiſers. Nur muͤſſen dann die Redactionen kriti⸗ 
male ſich vorſehen, daß nicht ihr Recenſent in mehren Journalen daſſelbe 
dect beurtheilt, wodurch feine liter. Stimme bei dem großen Publicum 
wes Übergeroicht auf ungerechtem Wege erhalten kann. Als eine Ausars 
Recenfionswefen® ift die Bermifhung deffelben mit den Unterhaltungs: 
m betrachten, obgleich einige derfelben oft fehr geiftreiche Recenſionen 


Nepiſſſe, Empfangſchein, eine kurze ſchriftliche Beſcheinigung, Deich 
Hager dem Überbringer wegen richtiger Abgabe einer Sache von Wichtig: 
pbelen pflegt. — Insbeſondere werben auch die Scheine, welche die 
ar Bank für eingelegte Gelber oder Effecten ausftellt, Recepiſſen ge: 
Bir führen den Namen der Geldforten, auf welche fie lauten, Eönnen an 
„jedoch nur nach gewiffen Formen veräußert werben, und da fie baar 
len und ber rechtmäßige Befiger diefes ſtets dafuͤr bei der Bank (gegen 
Beoc. Abzug für die Aufbewahrung) erhalten Eann, fo ift ihr Preis auch 
Haberungen der Geldforten unterworfen, auf welche fi fie lauten. Werden 
uaite nach ihrer Ausftellung nicht erneuert, fo werden die eingezahlten 
enicht mehr ia natura zuruͤckgegeben, fondern es wird der Werth nad) 
berechnet und baar bezahlt. 
keptirtunft. Die Kunſt, Necepte (von Be. Rec., Recipe, nimm, 
at. Mecepten vorausgefegt wirb) zu ſchreiben, iſt ein Theil der praftifchen 
Es wird in berfelben jeboch weder die Wirkumgsart der Mittel, noch 
Bheit, in der fie nuͤtzlich find, fondern bloß die Art und Weiſe, diefelben 
riben, gelehrt, und alle jene Kenntniſſe werden als bekannt vorausge⸗ 
Ya Sitern Zeiten umfaßte fie die Pharmacie mit, weil ein jeder Arzt felbft 
8; daher denn auch die Bereitung der zufammengzfegten Arzneimittel, 
ibden Apotheken fchon vorräthig find, hier vorgetragen wurde. — Die Re: 
Inneiformeln (daher die Receptirtunft aud) wol Formulare genannt wird) 
ridorſchriften, werden bei uns gewöhnlich in lat. Sprache abgefaßt, weil 
race allgemeiner verbreitet ift als irgend eine andre, und Inteinifch ge⸗ 
ı Recepte daher in Rußland ſowol als in Stalien und Portugal bereitet 
benen; weil die Terminologie derfeiben viel beftimmter iſt als in irgend 
am Sprache (in der deutfchen 3. B. wird mandjes Kraut in jeder Provinz 
eannt); ferner weil fie viel kürzer ald andre und endlich es in vielen Faͤllen 
Keum für den Arzt, in manchen Fällen auch ſogar ſchaͤdlich für den 
in, wenn Bepterer das Necopt verſteht. Es herrſchen VBorurtheile gegen 









56 Receptirkunft 


manche Mittel, die ſchwer zu bekämpfen find, der Hypochondriſt grübelt in 
Recepte fhon, wenn er nur ein Paar Worte Latein verficht; und oft gibt e6 
Kranken Beruhigung, wenn er nur Arznei nimmt, fie mag aud) nod) fon 
wirkend fein. — Arzneiformeln merden eingetheilt in einfache und zufamm 
feste, in officinelfe (die immer vorräthig find) und ertemporirte oder Magi 
formeln (die dann erft bereitet werden, wenn fie der Arzt verfchreibt) und endli 
innere und äufere. In einem jeden, vorzüglich in einem zufammengefegten 
cepte unterfcheidet. man mehre Theile, die Baſis oder das Mittel, von den 
Heilung erwartet wird, das constituens oder Vehikel, das der Bafis die G 
gibt, die es haben foll, 3. B. Zucker ift Vehikel im Ölzucker, das Atherifche & 
Baſis. In vielen Ländern ift es mit Recht dem Arzte befohlen, feinen Namen 
den Tag der Verordnung, beizufügen. Die Beflimmung der Dofis der Mit: 
ein wichtiger Gegenftand in jedem Recepte. Sie wird entweder nad) dem A 
thefergemicht (f. d.) oder nad) Maßen angegeben. Die Maße der feften 
per find Faſcikel, fo viel man im Arme, Manipel, fo viel man mit der Hand (= 
wenn es ein Kraut ift, oder 5iij , wenn es Blüthen find), Pugill, jo viel 
mit den Fingern (—5j) faffen kann. Manche Stoffe, z B. Mandeln, mı 
auch nad) der Zahl beftimmt. Da biefe Beſtimmung nach Mag immer etwal 
ficher ift, fo bedient man fich lieber des Gewichts. Bei Flüffigkeiten ift das ! 
oder die Kanne —Tbiv.; ein Becherhen oder Theeſchale —Ziiy; ein gi 
Löffel —Zſy; ein kleiner Löffel —3j; und ein Tropfen bei fehr Teichten DI 
— Gr.ß, bei f[hweren Gr. j. — Es werden die Arznelmittel bald in fefter, 
in flüffiger Form angewendet, und es richtet fich die Wahl der Form theit 
der Natur des Arzneiförpers, theild nach den Zweden, die man erreichen 
theil8 aud) nach dem Gefchmade und den Wünfchen des Kranken. Die einft 
unter den feſten Formen ift die, das Arzneimittel in Subflanz zu geben, d. 
dem Zuftande, in welchen e8 erhirtten wurde, oder nur wenig zerfchnitten. $ 
den die Eubflanzen aber mehr zerftoßen, zerrieben, gemahlen, fo int 
Pulverform, in welcher man viele Arzneimittel gibt, die mit allen ihren 
theilen wirken follen, oder von denen man eine große Menge im Eeinften Raus 
den Körper bringen will. Mac) dem Grabe der Feinheit unterfcheidet man 
gröbere (grossus), oder. feinere Pulver (pulv. subtilissimus) ; jenes rich get 
lich aͤußerlich, in Kraͤuterkißchen u. f. w., angewendet. — In Pillen (pilulae) 
Heinen Kügelchen von ein bis zwei Granen werden folche Arzneien verfchrieben 
ſehr häftich ſchmecken oder riechen. — Den Pillen ähnlich ift der Bolus, B 
eigentlicdy eine größere Pille, die frifch bereitet und noch nicht erhärtet, welt 
auf einmal genommen wird. — Im Munde zergehen dagegen die Leckkuͤg— 
(trochisci) , und find immer wohlfchmedend ; ihr Vehikel beſteht daher aus z 
oder ähnlichen ſuͤßen Dingen. — Werden klein zerfchnittene ober pulverige & 
“mit heißem zergangenen Zuder gemiſcht, und dann in Eleine, laͤngliche Taufe 
goffen, fo entftehen die Morfellen; wird eine ähnliche Maffe in Elcine plate 
. gelchen getheilt, fo werden die Zeltchen (rotulac) gebildet. Hierher gehört e 
noch das Pflafter und Stuhlzäpfchen. Jenes muß leicht in der Wirme zu s 
chen und Elchend fein, und wird, wie bekannt, nur auf die Haut gelegt. 
Vehikel, das ihm diefe Eigenfchaften gibt, befteht aus Wachs, Fett und har 
Körpern. Stuhlzäpfhen (suppositorium) iſt eine fugelförmige, fefte, ı 
nachgiebige Maffe, beren Durchmeffer ungefähr * Zoll betraͤgt, die aus € 
Honig, Gummi, Di mit feftern Dingen, häufiger jedoch zu Haufe als 1 
Apotheke bereitet, und von denen Gebrauch gemacht wird, um zu Außleer 
zu reizen. — Eine ebenfo große Menge von Kormeln gibt es, die Arznei 
flüffig zu geben; fie find enttweder ſchon urſpruͤnglich fluͤſſig, und die einzelnen 
mein erfodern dann ein bloßes Zuſammengießen einzelner Fluͤſſigkeiten, ol 


Rech Rechberg (Grafen von) 57 


m feiten Körper durch Auspreffen, Auflöfen, Abreiben, Aufgießen, 
sormisteift des Waſſers oder einer andern Fluͤſſigkeit, irgend eine fluͤſſige 
ersebradht. — So erhält man durch Auspreffen frifcher Kräuter den 
nZuft (suceus expressus), der ſo haͤufig zu Fruͤhlingskraͤutercuren ges 
; die Mufiöfung (solutio) durch Vermiſchung irgend eines aufloͤsbaren 
Amit einer Fluͤſſigkeit. — Eine eigenthuͤmliche Form entſteht, wenn DI 
m iii mit einander verbinden und durch Waffer verdünnt werben. 
Miſchung ſieht der Milch fehr ähnlich und wird daher Pflanzenmilc) 
nannte. Wielen Pflanzenfamen kommt die Verbindung [hen von Na⸗ 
tele dürfen nur zerquetſcht und mit Waffer verbiinnt gerieben wer: 
ine Emulſion zu geben, Samenmilch; auch durch Eunftlidye Mifchung 
Zzoleims und Waſſers kann eine ähnliche Form bereitet werden, die un: 
ẽ ion cder Slmilch (emulsio spuria). — Fluͤchtige feſte Körper werden 
ſend durch darüber gegoſſenes Waſſer in einiger Zeit die wirkfamen Be⸗ 
zusgezegen; fo wird ein Aufguß (infusum) bereitet; davon unterfchei- 
Idrud, die Abkochung (decoctum), nur dadurch, daß das Waſſer 
am Zeil einfohen muß, um die wirkfamen Beftandtheile aufzuneh: 
Ich von der Dofis erhalten manche Arzneivorfchriften in flüffiger Form 
u Namen. Wird die Arznei tropfenweiſe genommen, fo heißt ſie Tropfen 
Irintdien (haustus) wird fie genannt, wenn fie auf einmal, Trank 
von te uf mehrmal genommen wird, Mirtur (mixtura) ift eine fluͤſſige 
4 meiiten Beſtandtheilen zufammengefegt und mehre Unzen au: 
Bir ei.0ffelwweife genommen wird. — Ptiſane (Ptisana) ift eine fo ſchwache 
gi, daß fie sum gemöhnlichen Getränk kenugt werden Eanıı. — Andre 
kaNumen vom Gelhmad, wie z. B. da3 Julep (julepus ober jula- 
xrerlich angenehm fhmedende Miptur bezeichnet, oder der Leckſaft 
‚wiegma), deſſen Vehikel irgend ein Syrup, Honig oder auch Schleim 
m) Ser angenehm ſuͤß fhmeden muß. — Noch andre endlid) werden 
zuchsart benannt, wie z. B. das Gurgelwaffer (gargarisma), die 
‚injectio), das Klyſtier (clysma) und die Baͤhung (fomentum). 
den feiten und flüffigen Arzneiformen flcht die weiche in ber Mitte. Da- 
Ei: Latwerge (eleetuarium), die Salbe (unguentum), der Breium: 
Balasnın), Senfumſchlag (sinapismus) u. ſ. w. B.P. 
geE, ein Vertrag, welchen man muͤndlich vor einer Behoͤrde macht 
N, oder ſchriftlich übergibt, beſonders auch ein ſchriftlicher Vergleich, 
n zi oder mehren Perſonen uͤber eine ſtreitige Sache abgeſchloſſen wird. 
az bezeichnet dieſes Wort die von den einzelnen Theilnehmern ald Bei: 
end nach vorgefchoffenen Koften zu den Grubenbauten n.dgl. Wenn 
ider Felge durch Gewinnung des Minerals die Auslagekoften gebedt 
—* die Theilnehmer den überſchus, u. d. N Ausbeute(ſ. d.) 
Meiß ihrer Einlage heraus. Noch wird Receß- oder Quatembergeld 
Remannt, die die Theilnehmer an einem Grubenbau dem Landesherren 
ln In manchen Gegenden heißt Receß auch Das, was man fonft 
Beides Proprereft nennt. 
berg und Rothenlöwen (Strafen von), ein ſchwaͤbiſches Dr⸗ 
est, das Schon im 11. Jahrh. bluͤhte und fpäter einen bebeutenden 
a Echwaben beſaß. Der Stammiater des gräfl. Haufee, Ulrich, war 
Michal des Herzogthums Schwaben; feine Enkel befasen ſchon 1227 
uf, und b fpäter führten diefe Dpnaßen das herzogl. hehenftaufifche Map: 
r Im Anfang des 17. Jahrh. nahmen fie ald Reichsgrafen, wegen 
Wisfichafe Aichheim und Hohentechberg, Sig und Stimme auf der 
An Bzafenbant. Gegenwärtig beſteht diefes Haus nur noch in der Weit: 






68 Rechnenkunſt 


ſenſteinſchen Linie, bie das alte Fideicommiß des Geſchlechts, eine 1806 m 
firte und feit 1810 ganz unter Würtembergs Hoheit ftehende gräfliche St 
herrſchaft Rechberg, mit dem Bergfchloffe und Hauptorte Hohenrechberg, 
der Stadt Weiſſenſtein, im Sartkreife, Donzdorf (Refidenz) und Ramsftel 
fammen. 24 IM., mit 8200 Einw. und 80,000 $1. Ein., befißst. (x 
Standesherr ft Aloys Stanz RXaver, Grafvon R. und Rothenlöwen, | 
bair. Staatsminiſter des Hauſes und der auswärt. Angeleg., bar. Reid 
geb. den 18. Sept. 1778. Er war 1799 Eurbairifcher Subbdelegirter (Geſa 
bei dem Congreß in Raftabt, nahm in berfelben Eigenfchaft Theil an den G 
ten der Reichsdeputation von 1802, unterzeichnete als koͤnigl. bairifcher Cor 
gefandter die Erklärung, Regensburg, den 1. Aug. 1806, durch welche fi 
Meichefürften und ein Reichsgraf, ale Mitgl. des Rheinbundes, vom Reiche 
tem. 1815 war er, als. bairifcher Miniſter am wiener Hofe, bei dem Co 
daſelbſt bevollmaͤchtigt. Dann leitete er mit in München die ſchwierige Ver 
(ung wegen der Zerritorialausgleichung mit Öftreich, weßhalb er auch dama 
Kronprinzen von Baiern nid) Mailand zu dem Kaifer Stanz begleitete, we 
Vertrag zu München vom 14. April 1816 zur Folge hatte. In demſ. J. 
er von feinem Hofe nach Wien gefandt, um den Ehevertrag des Kaiſers ın 
Prinzeffin Karoline von Baiern zu unterzeichnen. 1819 fg. wirkte er zu de 
ſchluͤſſen des karlsbader Gongreffes, zur Errichtung der mainzer Commifftg 
zu dem fcharfen Verfahren gegen die Verdächtigen in Baiern mit. Nach der 
teitt der Regierung des Könige Ludwig I. 1825 wurde er mit Penfion in | 
ftand verfegt. — Des Staatsminifters Bruder, Graf Joſeph, geb. den 3. 
1769, ift feit 1823 €. bairiſcher General der Infanterie, war bie 1826 auf 
Gefandter und bevollmächt. Deinifter am Hofe zu Berlin. Er befehligte I 
Feldzuͤgen 1813, 1814 und 1815 ein bairifches Armeecorps gegen Ftankreit 
Ein dritter Bruder, Graf Kart, geb. 1775, feit 1825 €. bairiſcher Oberkan 
here und Oberceremonienmeifter, ift befannt durch feine „Voyage pittoreng! 
Russie” (4 Bde., Fol., mit Kupf.) und „Les peuples de la Russie‘ (Paris ] 
mit 96 color. Kpfn., $ol.). | 
Rechnenkunſt. Rechnen heißt gegebene Zahlen nad) geroiffen Regel 
einander verbinden oder von einander trennen, um dadurch eine gefuchte Zahl 
Refultat zu finden. Die Gründe für das Verfahren beim Rechnen ergebe 
aus den Lehren der Mathematik, insbefondere der Arithmetik; zu den Vorl 
um fchnell und richtig zu rechnen, gibt aber die Rechnenkunſt Anleitung. Dei 
ſchaͤftsmann ift für Nechnungen im bürgerlichen Leben eine gewiſſe Fertigke 
entbehrlich, ohne daß er dazu einer tiefern mathematifchen Einficht bedarf. 
vier Specied oder Rechnungsarten mit unbenannten und benannten, ganze 
gebrochenen Zahlen, durch das fogenannte Einmaleins weſentlich erleichtern: 
verfchiebenen aus der Lehre von den Proportionen und Progreffionen hergel 
Kegeln (Regeldetri, die Rees’fche= und Kettenregel, die Geſellſchafts⸗, Wochſe 
oder Arbitrage:, bie Vermiſchungs- oder Alligations-, die Wahrfcheinlichl 
Leibrenten=, Zins⸗, Münzrechnungen und viele andre politifche, juriflif 
Eaufmännifche Berechnungen), die Außziehung der Quadrat» und Kub 
machen die Hauptgegenftände der Rechnenkunſt aus. Große Erleichterung 
gewaͤhren die Decimalvechnung,, die Logarithmen und die fogen. Kopfrechn 
wo man nad) gewiffen Regeln einfache Veränderungen der Zahlen ſchnell unt 
andre Hülfsmittel im Beifte vomimmt. (S. Koͤhler's, Anweiſ. zum Kopfrech 
4. Aufl. , Leipz. 1816.) — Nie darf ſich der Rechner unbedingt auf die Richt 
feines Reſultats verlaffen,, bevor er ſich nicht durch bie Rehnungsprobel 
überzeugt hat. Bei diefer nimmt man das Refultat und einige der gegebenen 
len als Site an und entwidelt gewöhnlich auf dem umgekehrten Wege die a 


Rechnenmafchine Recht 59 


Zcblen, als ob man fie nicht kennte. Ergeben fie fih, fo ift die 
nchtig. Auch für das Verfahren bei der Probe hat man eine Menge 
en Bet wichtigen Rechnungen ift es vathfam mehrerlei Proben anzu⸗ 
eit Adam Riſe's lange in Ehren gehaltenem Rechnenbuche hat man eine 
Aaleitungen und Huͤlfsmittel zum Rechnen Überhaupt, wie zu bes 
mungen. Unter ben neuern werden empfohlen: 3. Ph. Schellenberg’& 
nifche Atithmetit (7. Aufl. Rudolſtadt); Fr. Gottl. Buſſe's „Gemein⸗ 
edmenbuch fire Schulen” (2 Thle., 3. Aufl., Leipz. 1800); „Voll⸗ 
lehnenbuch von allen kaufmännifchen Rechnungsarten“ (2 Thle. Bert. 
‚MR. Leuche' 6 „Zolftänd. wiſſenſchaftl. bearbeit. Rechnenbuch für die 
ker, befonders für den Handelsſtand⸗ (2 Thle., Nürnberg 1821); 
her’ „‚Behrbuch zum erften Unterricht in der Zahlen: und Buchſtaben⸗ 
x Geſchaͤftsmaͤnner“ u.f.w. (2 Thle., 1815). 
hrenmaſchine, eine Erfindung der neuern Zeiten, die in ehem 
te beſteht, welches die zum Rechnen erfoderlihe Aufmerkfamteit erhal: 
ven Fehler im Rechnen fhügen fol. Viele Mathematiker, ſelbſt Leibnig, 
kefhaftigt,, dies Inftrument theils zu erfinden, theils zu vervolllomm- 
x den verfchiedenen Rechnenmafchinen empfiehlt fidy Die Gruͤſon'ſche ſo⸗ 
Einfachheit als Leichtigkeit im Gebrauch. Sie befteht aus einer 94 Zoll 
neffer haltenden Scheibe, um deren Mittelpunkt fih ein Weifer dreht; 
R Kreisbogen umziehen in einiger Entfernung den Mittelpunkt und 
Halbmeffer in neun Stüde von Kreisringen getheilt. In den von den 
mb Halbmeffern gebildeten Fächern ftehen nad) einem gemiffen zum 
genden Syſtem georbnete Zahlen. Auf dem Meifer befinden ſich die 
‚2,3, u. ſ. w. bi80. Don den 9 größern Studen der Kreisringe ift 
** Subtraction Eins, fuͤr Multiplication und Diviſion ſind die 
. An jedem für die Multiplication und Divifion beftimmten Stuͤcke 
eben rechts an der Spige ded Winkels ihre Nummer. Will man nun 
Ldividiren, fo wird damit alfo verfahren: angenommen, der Divifor 
kDividendus 31976, fo dreht man den Weiſer auf die Tafel, die mit - 
tät, und bringt ihn bis auf die Zahl 31, ale den erflen einzelnen Divi- 
Imre dieſer 31 wird man nun auf dem Weifer den Quotienten 4, am 
Rand der Tafel aber rechts nad) ber nämlichen Richtung zu den Reſt 3 
kefre Reſt, der im Hauptbividend folgenden Zahl 9 vorgefegt, gibt 39 
einzelnen Dividend, und wenn man hier nun abermals fo verfährt, tie 
t worden, fo erhält man den Quotienten 5, und den Reſt 4, woraus 
et, daß bei Fortfegung biefer Art zu verfahren man endlich den ganzen 
ı der als Dividendus gegebenen Zahl mit 4568 finden muß, wodurch 
N geloͤſt ift. Durch zwei fpäter dieſer Mafchine zugefügte Nechnenftäbe 
seite Scheibe kann der Gebrauch derfelben auch auf zufammengefegte, 
emannte Zahlen ausgedehnt werden. S. „Befchreibung und Gebrauch 
fendenen Rechnenmaſchine von Gruͤſon“ (Halle 1795), ferner: Guͤtle's 
mg einiger Univerfals und Particularrehnungsmafchinen” (Nürmberg 
Hügel „Mathemat. Wörterbuch”. 
ht, jenes große Wort, welches die Welt in fo vielfacher Hinſicht be: 
me Idee ausdruͤckt, welche zu dem Heiligſten der Geſellſchaft gehört 
der Herrſchaft blinder Naturnothwendigkeit in das eich ber Freiheit 
Altes verſetzt. Das Recht (jus, justum) fteht dem Unrecht (injustum, 
genhber, es ift die Aufrechthaltung der perfönlichen Selbftändigkeit ei⸗ 
Befens in der Wechſelwirkung mit andern freien Wefen; die Verein: 
fer individuellen Steiheit mit ber Freiheit Andrer, die Harmonie und 
hes Dafeine neben einander. Dies Recht finden die Menfchen feinen 


68 Rechnenkunft 


fenfteinfchen Linie, bie das alte Fidelcommiß des Gefchlechts, eine 180f 
firte und feit 1810 ganz unter Würtembergs Hoheit ſtehende gräfliche 
herrſchaft Mechberg, mit dem Bergfchloffe und Hauptorte Hohenrechb 
der Stadt Meiffenflein, im Sartkceife, Donzdorf (Refidenz) und Ramt 
fammen 24 [IM., mit 8200 Einmw. und 80,000 Fl. Eint., befigt. 
Standesherr ift Aloys Franz Xaver, Grafvon R. und Rothenloͤw 
bair. Staatsminifter des Hauſes und der auswaͤrt. Angeleg., bair. 9 
geb. den 18. Sept. 1778. Er war 1799 kurbairiſcher Subbelegirter (C 
bei dem Congreß in Raſtadt, nahm in derfelben Eigenfchaft Theil an der 
ten der Reichsdeptitation von 1802, unterzeichnete als Eönigl. bairifcher 
gefandter die Erklärung, Regensburg, den 1. Aug. 1806, durch meld 
Reichsfuͤrſten und ein Reichſsgraf, als Mitgl. des Rheinbundes, vom Re 
ten. 1815 war er, als k. bairifcher Miniſter am wiener Hofe, bei dem 
daſelbſt bevollmädhtigt. Dann leitete er mit in München die ſchwierige 
fung wegen der Territorinlausgleihung mit Öftreich, weßhalb er auch di 
Kronprinzen von Balern nad) Mailand zu dem Kaifer Franz begleitete, 
Vertrag zu München vom 14. April 1816 zur Folge hatte. In demf 
er von feinem Hofe nady Wien gefandt, um den Ehevertrag des Kaiſer 
Prinzeffin Karoline von Baiern zu unterzeichnen. 1819 fg. wirkte er z 
fchlüffen des karlsbader Congreffes, zur Errichtung ber mainzer Comm! 
zu dem fcharfen Verfahren gegen die Verdächtigen in Baiern mit. Nad 
teitt der Regierung des Königs Ludwig I. 1825 wurde er mit Penfion 
ftand verfegt. — Des Staatsminiftere Bruder, Graf Joſeph, geb. dei 
1769, ift feie 1823 €. bairiſcher General der Infanterie, war bis 1826 
Sefandter und bevollmaͤcht. Minifter am Hofe zu Berlin. Er befehlic 
Seldzügen 1813, 1814 und 1815 ein bairifches Armeecorps gegen Stan 
Ein dritter Bruder, Graf Kart, geb. 1775, feit 1825 E. bairifcher Obe 
herr und Oberceremonienmeifter, ift befannt durch feine „Voyage pittox 
Russie” (4 Bde., $ol., mit Kupf.) und „Les peuples de la Russie‘' (Pa 
mit 96 color. Kpfn., Fol.). 

Rechnenkunſt. Rechnen heißt gegebene Zahlen nach gewiſſen * 
einander verbinden oder von einander trennen, um dadurd) eine gefuchte 
Refultat zu finden. Die Gründe für das Verfahren beim Rechnen ec 
aus ben Lehren der Mathematik, insbefondere der Arithmetit; zu den A 
um ſchnell und richtig zu rechnen, gibt aber die Rechnenkunſt Anleitung. 
ſchaͤftsmann iſt für Rechnungen im bürgerlichen Leben eine geriffe em 
entbehrlich, ohne daß er dazu einer tieferen mathematifchen Einficht be= 
vier Species oder Nechnungsarten mit unbenannten und benannten, =s 
gebrochenen Zahlen, durch das fogenannte Einmaleins mefentlich erle 7 
verfchiedenen aus der Lehre von den Proportionen und Progreffionen E 
Regeln (Regel de tri, die Rees’fche= und Kettenregel, die Befellfchafts:, I 
oder Arbitrages, bie Vermiſchungs- oder Alligationd=, die Wahrſche 
Leibrenten⸗, Zins⸗, Münzrechnungen und viele andre politifche, jwe 
taufmännifche Berechnungen), die Ausziehung der Quadrat⸗ und SC 
machen die Dauptgegenftände der Rechnenkunft aus. Große Erleich & 
gewähren die Decimalrechnung, die Logarithmen und bie fogen. Ko p F 
wo man nad) gewiffen Regeln einfache Veränderungen der Zahlen ſchx 
andre Hülfsmittel im Geifte vornimmt. (S. Koͤhler's, Anweiſ. zum SE 
4. Aufl., Leipz. 1816.) — Nie darf ſich der Rechner unbedingt auf D & 
feines Reſultats verlaffen, bevor er ſich nicht duch die Rehnungs > 
überzeugt hat. Bei diefer nimmt man das Refultat und einige derge = 
Ion ale Sie an und entwidelt gewoͤhnlich auf dem umgelehrten UE = 


60 Rechtfertigung Rechtſchreibung 


Grundlagen nach in ſich ſelbſt, in der Geſetzgebung der Vernunft, als unal 
lich und unvergaͤnglich (Maturrecht); nur über die Mittel der Ausuͤbu 
Aufrechthaltung, nur über die Anwendung auf befondere zufällige Verhaͤ 
nur über die nothwendigen quantitativen Beſtimmungen bildet fich jebes 
theils durch ſtillſchweigende Übereinkunft und Anerkennung, theild durch au 
liche Gefege ein befonderes Recht, welches dem Vernunftrecht nicht übera 
bleibt, deſſen Gültigkeit im Staate auch nicht mit allgemeinen Grundfäg 
ftritten werden kann, welches aber doch immer nur durch die Übereinftimmu 
dem Vernunftrechte feinen Werth und feine Dauer erhält (Mofitives R 
Das Recht (jus) nennt man dann audy den Inbegriff, die Gefammtheit 
rechtlichen Beſtimmungen für ein Voll: das römifche, deutſche, franj 
Recht, ober auch das abgefchloffene Ganze der Beflimmungen über einzeln 
bältniffe: Staats, Privatz, Kirchen-, Criminals, Zehn, Proceß:, Da 
Bergs, Polizeis, Kriege, Voͤlkerrecht u.f.w. Das Recht oder bas | 
(jus, justum) ift Das, was mit den Vorfchriften des Nechts uͤbereinſtimm 
zwar entreber mit dem oberften Grundfage alled Rechts überhaupt oder n 
den befondern Vorfchriften eines pofitiven Rechts; wol auch nur, was um 
fondern Umftänden für Recht gelten muß (bloß formelled Recht), wenn & 
an fih dem Rechte nicht gemaͤß wäre. (S. Rechtskraft.) Hier kann 
dem Buchftaben des Rechts gemäß fein, welches der Idee der Gerechtigkel 
ganz widerfpricht (summum jus, summa injuria), und diefer Erfolg zei: 
eben am hiufigften dann, wenn man die Worte ber Gefege zu fehr anf bie, 
ftelt. Ein Recht (jus, obligafio) ift das Verhältnig zwifchen mehren 
fähigen Wefen, vermöge deſſen der Eine ſchuldig ift, ſich gegen den Andern 
fer Handlungen zu enthalten, oder beflimmte Handlungen zu feinem Vort 
verrichten; jenes find allgemeine Nechte (perfönliche, Standes: und Za- 
techte und dingliche Eigenthbums » und Nugungsrechte) , diefes find fpecielle : 
gationen, Foderungsrechte). — Ein Recht heißt endlich auch das bee 
welchem irgend ein Rechtöhandel entfchieden werden foll, wie Fuͤrſtenrecht, 
recht, Kriegsrecht, Mannenrecht u. dgl. » 
Nechtfertigung, imkischlihen Sinne, f. VBerföhnung . 
Nehtfertigung, Verantwortung; rechtlihe Begründung ein 
trags, befonders eines gegen ein Urtheil oder andre richterliche Verfügung. 
fenen Rechtsmittel. In diefem legtern Sinne gehört die Rechtfertigung. 
der vorgefchriebenen Zeit häufig zu ben Formalien der Rechtsmittel, bie. 
techter Zeit eingelegt (interponirt), dann bei dem höhern Nichter eingeführt 
ducirt) und dann gerechtfertigt (juftificiet) werden müffen. 
Rechtglaͤubigkeit, f. Orthodorie. - 
Rechtſchreibung (Drthographie, griedy.), die Art und Weife, in 
einer befondern Sprache Worte oder Zöne, ald hörbare Ausdrüde von GL 
und Empfindungen, durch die gehörigen Schriftzeichen regelmäßig zu vera 
lichen oder ſichtbar darzuſtellen. Der allgemeinfte Grundfag der Rechtſch 
ſollte wol für jede Sprache fein, die Schreibung möglid) einfad) der Rechtipr 
(Orthophonie oder Drthoepie, f. d.) nachzubilden. Allein bamit.f 
Schwierigkeiten für die Ausuͤbung bei weiten noch nicht gehoben, da die Re 
chung nod) viel häufiger vernachläffige wird als die Rechtſchreibung, wie f& 
Menge unreiner Reime bei den meiften unferer Dichter beweift. Ja, es iſt! 
bei der Nechtfprehung ſich nach der Rechtſchreibung zu richten, indem n 
Ausſprache der Rechtfchreibung fo nahe als moͤglich zu bringen fucht, als 
Eehrt, obgleich beide einander bedingen und unterftügen. Überdies mach 
jenem Grundgeſetz einige Sprachen faft zahllofe und willfürlihe Ausa 
Be/fonderd zeichnen ſich die engl. und franz. durch eine Launenhaftigkeit der £ 


Rechtfhreibungg 61 


Knrache aus. Kine beftimmte Nüdficht, die bei der Rechtfchreibung 
ig geben kamn, ift die Wortableitung, oder die erweislich wahre, ' 
kannte Abflammung. (Vgl. Etymologie) Man menbe alfo in 
abgeleiteten und zuſammengeſetzten Wörtern, fo weit es die allgemein 
Nusfprache und der einmal üblihe Schreibgebrauch verftatten, nur 
ran, welche das unmittelbarfte Stammmort nebft Ableitungs- und 
erfodert. Doc muß man vorfichtig fein, dag man nicht von ſei⸗ 
: Worten eins für des andern Stammmort annehme.. Mit den 
6, überall auf Wortableitung haltend, Amfig, eräugnen, Ebenteuer 
Auge, eventura) fchreiben, wollen wir nicht rechten. — Der Unter: 
Bedeutung rechtfertigt nicht die Veränderung der gewöhnlichen 
rihlautender Wörter, well es unmoͤglich ift, eine folche Untetfchei- 
uͤhren, und mweiloft für vermeintlich ganz verfchiedene Wörter eine 
zrundbedeutung auszuforfchen ift, die fich in Nebenbedeutungen ver- 
B.ahnen: 1) ergeiften, eine Vorempfindung fpüren; 2) Einem etwas 
en, um es ihm zu vergelten, daher rächen, trafen, gemöhnlich ahn- 
(önen, die Geiſter der Verftorbenen, daher Vorfahren: beides vom 
J. — Auch auf Gleichform oder Wortähnlichkeit ift bei der Recht: 
dicht zunehmen. So fcheint es richtiger, da6 Maß als das Maaß 
meil das mperfectum von meflen allgemein gefchrieben wird, ich 
mus mm das Allzugefuchte und Eigne vermeiden, wie die Vertaus 
b mit 5, 3.3. in Filoſofie, wolen ftatt wollen; denn der Schreib- 
dam Sprachkünftier, der das gangbare Wortgepräge verwiſchen will, 
kenze, welche er nicht überfchreiten darf. über Wörter, deren Schrei⸗ 
h den bisher angegebenen Rüdfichten nicht beftimmen laͤßt, folglich 
mm- und Wurzelwoͤrter und über alle ungewiffe ober folche Ableitun- 
fe Stammmötter veraltet find, entfcheidet der allgenfline Schreib: 
mal bei ähnlich oder gar gleich lautenden Wörtern, die befondere 
haben. Aligemeine Regeln uͤber den Schreibgebrauch laffen fich 
B; denn es unterfcheiden fich die befondern (bei verfchiedenen Völkern 
mchen in der Mechtfchreibung noch in vielen Stüden, und die Gram⸗ 
den Sprache hat barüber das Nähere anzugeben. 

ſeutſche und alle der deutfchen Sprache eingebürgerte Wörter, alfo 
Bornamen und Wörter, wenn fie durch den Gebrauch fchon zu deut- 
igeſtempelt worden find, fchreibe man gleihmäßig mit den eingeführ- 
hen, und bezeichne jeden deutlich gehörten Laut mit Beftimmtheit, 
ben üblichen Ausfprache gemäß; z. B. Euife, Marfhall, Mafchine, 
khaluppe, fcharmant, Schikane, Schimäre. Werden dagegen Ei- 
dſolche Wörter aus bekannten Sprachen eingeftreut, die noch immer 
chig betrachtet werden oder gar noch ihre fremde Seftaltan fich haben, 
bee Fremdartigkeit durch ihre urſpruͤngliche Schreibart, als das Ge⸗ 
mmben Urſprungs, zu erkennen gegeben werben; z. B. Agio, giriren, 
ihel Angelo, Shakſpeare, Spleen, Don Quirote, Rouſſeau, Che⸗ 
eurnal, Genie (weil man ſonſt die Abſtammung nicht erkennen wuͤrde 
kero, Girculation; aber Zirkel und Bezirk, weil fie ſchon der deut⸗ 
angeeignet und unter diefer, obgleich ausgearteten, Ausſprache all: 
wfind. Ebendaher werden auch die griech. Wörter, deren Ausfprache 
wit entartet ift, flatt mit K, nach römifcher Weife gemöhnlich mit C 
„B. Gentaur flatt Kentaur; dagegen wird von Vielen, der nächften 
ſeines Wortes gemäß, das griech. K oder das latein. E beibehalten, 
Fyrache geblieben ift; z. B. Katheder, Katholik, Ceremonie, Com: 
Mt des € verbopprit man Irber e zu Ende, 3.8. Canapee. — Wer: 


54 | Recenfionswefen 


Recenfionswefen, das, betrifft die literarifchen Gerichtshöfedern 
Zeit, bei welchen jeder Beifiger einzeln fein Urtheil über ein im Druck erfchler 
Bud, Öffentlich ausfpricht, ohne dadurch dem entfcheidenden Urtheile der ff 
hen Meinung, noch der Zeit vorgreifen zu Eönnen. Außer der Eingen Un 
und Aufficht des Vorſitzers eines ſolchen Gerichtshofs, der bie Literarifchen Sch 
ernennt, oder der Redaction, und aufer dem eignen literarifchen Gemiffe 
Urtheiter felbft, gibt es für die Mecenficanftalten keine Vorfchrift noch I 
Ihr Zweck ift doppelt: Bücher anzumelden und fie zu beurtheilen. Literatı 
tungen und kritiſche Blaͤtter bleiben für die Verbreitung des wiffenfchaftlichen 
meinguts und für die Erweckung des öffentlichen Sinn in der Gedankenwe 
teeffliches Hülfsmittel, und werm das geiftige Leben in Europa jegt reger erw 
vielfeitiger ausgebilbet und tiefer begründet iſt als je, fo iſt dies größtentheik 
eine Folge bes öffentlichen Urtheile in der gelehrten Republik. Mit diefen W 
ift der Charakter, die Bedeutung und der Werth des Mecenfionswefens aı 
fprochen. Hierzu kommt, daß zu jeder Zeit die größten Köpfe gern ihr Urth 
ſolchen Blättern niedergelegt, und manches goldene Wort, da fonft in einem! 
Pas gefunden, oder mit dem Buche felbft im Staube ſich vergraben hätte, 1 
zu Tage gefördert haben. So der unfterbliche Haller, fo Joh. v. Möller 
A.; fo felbft Schiller und Göthe, einft die erflärteften Feinde des Necenfion 
fens. — Immerhin fei die Recenfionsanftalt der Kampfplag einer Schule, ı 
nur tüchtige Kämpfer ihr Syſtem verfechten! Der Leſer will ja nicht das um 
liche Urtheit der Mecenfionsanftalt ablaufen, fondern er will ein gedachtes Urı 
das ihn zum Selbftdenken reizt, Elar und bündig, gleichviel ob fcharf ober bei 
den ausgedrückt, über ein Buch leſen, das Überhaupt eines folchen Urtheils n 
ift; von dem Inhalte aber will er nur fo viel erfahren, al& er felbft zur allgemi 
Mürdigung des Buchs und der Beurtheilung braucht. Es verfteht ſich, baß 
daction und Recenfent überhaupt ihrem Geſchaͤfte getwachfen fein, uiid fref 
perfönlicher Rüdficht, den Zweck der Wiffenfchaft rein ins Auge faffen nr 
Iſt dies der Kal, fo werden allemal die kritifchen Zeitſchriften einer Nation, 
bie reifften Bluͤthen ihres literarifchen Geiſtes, nicht nur die Achtung ber 3ı 
noffen, fondern auch die Aufmerkfamtleit des Auslandes und der Nachwelt ve 
nen. Möge aud) der Recenſent ſich irren, wenn er nur feinen Irrthum Hug 
Far, geiſtvoll und emft, mit ſtrengem MWahrheitsfinn und feft wie ein Rep 
kaner ausfpricht. Dem fchon der große Bacon hat gefagt: Raſcher tritt 
Wahre aus dem Irrthum hervor als aus der Verworrenheit. — Wie fehr kri 
Blätter die Wiffenfchaft befördern, beweift die Literargeſchichte aller Völker 
fi) der Gedankenfreiheit und mit ihr eines geiftigen Lebens erfreuen dürfen. 
Franzofen , denen überhaupt das Verdienſt gebührt, bie Gelehrſamkeit in die 9 
fei e8 aud) nur in den Salon, eingeführt zu haben, find die Erften gewefen, n 
über Drudfchriften öffentlich und ruͤckſichtslos urtheilten. Louis Jacob (fl. 1 
ſoll durch feine „Bibliographie parisienne” , die jährlicy alle zu Paris erſch 
nen Bücher beurtheilte, den erften Gedanken zu dem noch blühenden „Journa 
savana”, deffen Stifter Denis de Salto (ft. 1669) war, gegeben haben. | 
darauf begannen die literarifhen Sournale der Deutfchen: Thomaſius's „Fre 
thige Gedanken über allerhand Bücher” (Halle u. Lpz. 1688); Tentzel's „Mi 
liche Unterrebungen‘‘ (Reipzig 1689), und Otto Menten’s „Acta eruditorı 
feit 1682. (9. Literaturzeitungen.) In Deutfchland entflanden jı 
erft um die Mitte d. 18. Jahrh. diejenigen beurtheilenden Zeitfchriften, di 
deutfhen Kritik (f.d.) eine ausgebreitetere Achtung verfchafften und aı 
Nationalliteratur einen vielfach fördernden Einfluß hatten. Dahin gehörten 
zuͤglich die durch Leſſing's, Mendelsfohn's und Nicolai’s Geift und Thaͤtigke 
deutend gewordenen „Literaturbriefe”, die „Allgemeine deutfche Bibliothek“ 


Recepiffe Receptirkunft 55 


ger gelehrten Anzeigen”, die „Allgemeine Literaturzeitung“, die „Leipz. 

geitang” und der „Dermed”. Das neuefte gelehrte Eritifche Inſtitut ift 
Schuch für wiſſenſchaftliche Kritik“, welches feit 1827 in Berlin mit 
twiffenfchaftlichem Geifte redigirt wird. Sm Allgemeinen zeichnen fid) die 
Blaͤtrter der Briten durch ein beſtimmtes, tief eindringendes Urtheil aus, 
nan dabei, um es richtig zu würdigen, den Einfluß des auch hier oft nur 
en pelitifhen Parteigeiftes auszufcheiden fuchen muß; bie kritiſchen Zeit⸗ 
der Franzoſen empfehlen ſich durch treffende und klare Wuͤrdigung des 
gen; und die der Italiener durch ſcharfſinnige Zergliederung; doch klebt 
gewiſſe Einſeitigkeit an, von der faſt nur der Deutſche bei feiner Univer⸗ 
& Sründlichkeit frei ift, wenn ihn nicht etwa ein herrfchendes Syſtem ein: 
Din hat häufig die Frage aufgeworfen: Soll der Recenfent fid) nennen? 
sten: Nein; denn nur die Sache foll ihm gelten, wie dem Leſer. Das 
uf fich ſelbſt rechtfertigen. Nennt er ſich, fo ift fein Urtheil, auch) wenn 
ewil, noch glaubt, befangen; bem Lefer aber ift manchmal mit dem ges 
amuth des ungenannten Recenfenten mehr gedient als mit dem höflicyen 
eines fich nennenden Lobpreifere. Nur müffen dann die Redactionen Eritiz 
male fich vorfehen,, bag nicht ihr Recenſent in mehren Journalen daffelbe 
wuct beurtheilt, wodurch feine liter. Stimme bei dem großen Publicum 
tejes Übergewicht auf ungerechtem Wege erhalten Bann. Als eine Ausar⸗ 
Kecenſionsweſens ift die Vermiſchung deſſelben mit den Unterhaltungs⸗ 
pa betrachten, obgleich einige derſelben oft ſehr geiſtreiche Recenſi ionen 


kepiffe, Empfangſchein, eine kurze ſchriftliche Beſcheinigung, Beide 
Rager dem überbringer wegen richtiger Abgabe einer Sache von Wichtig⸗ 
weten pflegt. — Insbefondere werden aud) bie Scheine, melde die 
ker Bank für eingelegte Gelder oder Effecten ausftellt, Mecepiffen ge: 
Bie führen den Namen der Geldforten, auf welche fie lauten, können an 
im, jedoch nur nad) gewiffen Formen veräußert werden, und ba fie baar 
Küm und der rechtmäßige Befiger diefes ſtets dafür bei der Bank (gegen 
Proc. Abzug fir die Aufbewahrung) erhalten kann, fo ift ihr Preis auch 
Kaderungen der Geldforten umterworfen, auf welche fie lauten. Werden 
wate nach ihrer Austellung nicht erneuert, fo werben die eingezahlten 
⁊ nicht mehr in natura zuruͤckgegeben, fonbern es wird der Werth nad) 
dberechnet und baar bezahlt. 
tteptirkunſt. Die Kunfl, Necepte (von Br. Rec., Recipe, nimm, 
lat Recepten vorausgefegt wird) zu fchreiben, ift ein Theil der praßtifchen 
. Es wird in derfelben jedoch weder die Wirkungsart der Mittel, noch 
cheit, in der fie nuͤtzlich find, fondern bloß die Art und Weife, diefelben 
reiben, gelehrt, und alle jene Kenntniſſe werden ald bekannt vorausge⸗ 
Sa äitern Zeiten umfaßte fie die Pharmacie mit, weil ein jeder Arzt felbft 
te; daher denn auch die Bereitung der zufammengzfegten Arzneimittel, 
a den Apotheken ſchon vorräthig find, hier vorgetragen murbe. — Die Re: 
Irzmeiformeln (daher die Receptirkunft auch wol Formulare genannt wird) 
meisorfchriften,, werden bei uns gewoͤhnlich in lat. Sprache abgefaßt, weil 
ade allgemeiner verbreitet iſt als irgenb eine andre, und lateinifch ge= 
u Recepte daher in Rußland ſowol als in Stalien und Portugal bereitet 
; weil die Zerminologie derfelben viel beflimmter iſt ale in irgend 
dem Sprache (in der deutfchen 3. B. wird manches Kraut in jeder Provinz 
benannt); ferner weil fie viel kuͤrzer ald andre und endlich e8 in vielen Fällen 
zlenuem für den Arzt, in manchen Fällen auch ſogar ſchaͤdlich für den 
zit, wenn Letzterer das Mecept verfteht. Es herrfchen Vorurtheile gegen 


56 Receptirkunft 


manche Mittel, die ſchwer zu bekämpfen find, ber Hypochondriſt grübelt im 
Recepte ſchon, wenn er nur ein Paar Worte Latein verftcht; und oft gibt es 
Kranken Beruhigung, wenn er nur Argneinimmt, fie mag aud) noch fo w 
wirkend fein. — Arzneiformeln werden eingetheilt in einfache und zufamme 
figte, in officinelle (die immer vorräthig find) und ertemporirte oder Magif 
formeln (die dann erft bereitet werden, wenn fie der Arzt verfchreibt) und endlie 
innere und Äußere. In einem jeden, vorzüglich in einem zufammengefegten 
cepte unterfcheidet man mehre Zheile, die Baſis oder das Mittel, von dem 
Heilung erwartet wird, dad constituens oder Vehikel, das der Bafis die Ge 
gibt, die es haben fol, 3. B. Zucker ift Vehikel im Ölzucker, das Ätherifche 
Bafis. In vielen Ländern ift es mit Recht dem Arzte befohlen, feinen Namen 
den Tag der Verordnung, beizufügen. Die Beſtimmung der Dofis der Mitt 
ein mwichtiger Gegenſtand in jedem Recepte. Cie wird entweder nad) dem A 
thefergemwicht(f.d.) oder nad Magen angegeben. Die Maße der feften: 
per find Faſcikel, fo viel man im Arme, Manipel, fo viel man mit ber Hand (— 
wenn es ein Kraut ift, oder Ziij, wenn es Blüthen find), Pugill, fo viel: 
mit den Fingern (—5j) faffen kann. Manche Stoffe, z B. Mandeln, we 
auch nach der Zahl beffimmt. Da diefe Beftimmung nah Maß immer etwat 
fiher ift, fo bedient man fich lieber des Gewichts. Bei Fluͤſſigkeiten ift das $ 
oder die Kanne —tbiv.; ein Becherchen oder Theeſchale —5Ziiy; ein gg 
Loͤffel —5f; ein Eleiner Löffel —3j; und ein Zropfen bei fehr leichten DU 
— Gr.fs, bei ſchweren Gr. j. — Es werden die Arznelmittel bald in fefter, : 
in flüffiger Form angewendet, und es richtet fi die Wahl der Form heil 
der Natur des Arzneiförpers, theild nach den Zweden, die man erreichen 

theil® auch nad) dem Gefchmade und den Wünfchen des Kranten. Die einfa 
unter den feften Formen ift die, das Arzneimittel in Subflanz zu geben, b. | 
dem Zuftande, in welchen es erhalten wurde, oder nur wenig zerſchnitten. F 
ben die Subſtanzen aber mehr zerfloßen, zerrieben, gemahlen, fo ent 
Pulverform, in welcher man viele Arzneimittel gibt, die mit allen ihren Befb 
theilen wirken follen, oder von denen man eine große Menge im Eleinften Raum 
den Körper bringen will. Nach dem Grabe der Keinheit unterfcheidet man 
gröbere (grossus), oder. feinere Pulver (pulv. subtilissimus); jenes wirb gew 
fich äußerlich, in Kräuterfißchen u. f. w., angewendet. — Sin Pillen (pilulae) 
Heinen Kügelchen von ein big zwei Granen werden ſolche Arzneien verfchrieben 
fehr haͤßlich ſchmecken oder riechen. — Den Pillen aͤhnlich ift der Bolus, SH 
eigentlich eine größere Pille, die frifch bereitet und noch nicht erhärtet, mie 
auf einmal genommen wird. — Im Munde zergehen dagegen die Leckkuͤge 
(trochisci) , und find immer wohlfcehmedend ; ihr Vehikel beftcht daher aus 3 
- oder Ähnlichen flßen Dingen. — Werden Elein zerfchnittene oder pulverige X 
“ mit heißem zergangenen Zuder gemifcht, und dann in kleine, laͤngliche Tafel 
goffen, fo entftehen die Morfellen; wird eine ähnliche Maffe in kleine platte 
gelchen getheilt, fo werben die Zeltchen (rotulae) gebildet. Hierher gehört en 
noch das Pflafter und Stuhlzaͤpfchen. Jenes muß leicht in der Wirme zu ei 
hen und Elchend fein, und wird, mie befannt, nur aufdie Haut gelegt. : 
Vehikel, das ihm diefe Figenfchaften gibt, befteht aus Wachs, Fett und har] 
Körpern. Stuhlzaͤpfchen (suppositoriun) ift eine fugelförmige, fefte, ef 
nachgiebige Maffe, deren Durchmeffer ungefähr * ol beträgt, die aus © 
Honig, Gummi, DI mit feftern Dingen, häufiger jedoch zu Haufe als in 
Apothefe bereitet, und von Denen Gebrauch gemacht wird, um zu Ausleeru 
zu reizen. — Cine ebenfo große Menge von Formeln gibt es, die Arzneifl 
fluͤſſig zu geben; fie find entweder ſchon urſpruͤnglich fluͤſſig, und die einzefnen 
mein erfodern dann ein blofes Zuſammengießen einzelner Fluͤſſigkeiten, ode 


Receß Rechberg (Grafen von) 57 


em feſten Körper durch Auspreſſen, Auflöfen, Abreiben, Aufgießen, 
sermistetit des Waſſers oder einer andern Flüffigkeit, irgend eine fluͤſſige 
ergebeacht. — So erhilt man durch Auspreffen frischer Kräuter den 
ASaf: (suceus expressus), der ſo haͤufig zu Fruͤhlingskraͤutercuren ges 
3; die Nufiöfung (solutio) durch Vermiſchung irgend eines auflösbaren 
rg mit einer Fluͤſfſigkeit. — Cine eigenthuͤmliche Form entſteht, wenn DL 
im ſich mit einander verbinden und duch Waffer verdünnt merden. 
Miſchung fieht der Milch fehr Ahnlich und wird daher Pflanzenmilch 
zenannt. Vielen Pflanzenfamen kommt die Verbindung fchon von Na—⸗ 
> Biele dürfen nur zerquetfcht und mit Waffer verdünnt gerieben wer: 
ne Cmulfion zu geben, Samenmildy; auch durch kuͤnſtliche Miſchung 
ZtieimS und Waffers kann eine ähnliche Form bereitet werden, die un: 
"en oder Ölmilch (emulsio spuria). — Flüchtige feſte Körper werden 
rend Durch darüber gegoſſenes Waſſer in einiger Zeit die wirkfamen Be⸗ 
uegesogin; fo wird ein Aufguß (infusum) bereitet; davon unterfcheis 
Sud, die Abkochung (decoctum), nur dadurch, daß das Waſſer 
um Theil eineochen muß, um die wirkſamen Beftandtheile aufzunch: 
Ich von der Doſis erhalten manche Arzneivorfchriften in flüffiger Form 
Namen. Wird die Arzneitropfenweiſe genommen, fo heißt fie Tropfen 
Irinfdıen (haustus) wird fie genannt, wenn fie auf einmal, Trank 
er fe auf mehrmal genommen wird, Mixtur (mixtura) iſt eine flüffige 
8 mehren Beflandtheilen zufammengefegt und mehre Unzen aus: 
br ec ffehveife genommen wird. — Ptifune (Ptisana) iff eine fo ſchwache 
Ba::, das fie zum gemöhnlichen Getraͤnk kenußt werden kann. — Andre 
km Namen von Gefhmad, wie z. B. das Julep (julepus oder jula- 
u Nuerlich angenehm fchmedende Mixtur bezeichnet, oder der Ledfaft 
‚eiegma), deſſen Vehikel irgend ein Syrup, Honig oder auch Schleim 
med der angenehm ſuͤß fhmeden muß. — Noch andre endlich werden 
auchsart benannt, wie z.B. das Gurgelwaſſer (gargarisma), die 
(injeetio), tus Klyftier (elysma) und die Baͤhung (fomentum). 
bee feiten und flüffigen Arzneiformen ſteht die weiche in der Mitte. Da: 
tlie Latwerge (cleetuarium), die Salbe (unguentum), ber Breium: 
lasııa), Senfumſchlag (sinapismus) u. f. w. B.P. 
teß, ein Vertrag, welchen man mündlich vor einer Behörde madıt 
), oder ſchriftlich übergibt, befonders auch ein fchriftlicher Vergleich, 
m zwei oder mehren Perſonen über cine flreitige Sache abgefchloffen wird. 
aha bezeichnet dieſes Wort die von den einzelnen Theilnchmern als Bei⸗ 
md nach vorgefchoffenen Koften zu den Grubenbauten n.dgl. Wenn 
der Folge durch Gewinnung des Minerals die Auslagekoſten gededt 
herhalten die Theilnehmer den Überfhus, u. d. N Ausbeute (f.d.) 
Slerig ihrer Einlage heraus. Noch wird Receß- oder Quatembergeld 
zenannt, die die Theilnehmer an einem Grubenbau dem Landesherren 
müſſen In manchen Gegenden heißt Neceß aud) Das, was man fonft 
Kcder Proprereft nennt. 
hbberg und Rothenloͤwen (Grafen von), ein ſchwaͤbiſches Dr: 
ehe, das fhen im 11. Jahrh. bluͤhte und fpiter einen bedeutenden 
a Schwaben beſaß. Der Stammpyater des graͤfl. Haufes, Ulrich, war 
Michal des Herzogthums Schwaben; feine Enkel befafen fchen 1227 
fen, und fpäter führten diefe Dynaſten das herzogl. hehenftanfifche Wap- 
mm. Sm Anfang des 17. Jahrh. nahmen fie als Neichsyrafen, wegen 
kerfihaft Aichheim und Hohenrechberg, Sie und Stimme auf der 
m Grafenbank. Gegenwärtig befteht dieſes Haus nur noch in der Weil: 


68 Rechnenkunſt 


ſenſteinſchen Linie, bie das alte Fideicommiß des Geſchlechts, eine 18061 
ſirte und feit 1810 ganz unter Wuͤrtembergs Hoheit ſtehende graͤfliche S 
herrſchaft Rechberg, mit dem Bergfchloffe und Hauptorte Hohenrechberg 
der Stadt Meiffenflein, im Sartkreife, Donzdorf (Refidenz) und Ramsflı 
fammen 24 [IIM., mit 8200 Einw. und 80,000 1. Eint., befist. G 
Stanbesherr fi Aloys Stanz Xaver, Grafvon R. und Rothenloͤwen, 
bair. Staatsminiſter des Hauſes und der ausmärt. Angeleg., bair. Mel 
geb. den 18. Sept. 1778. Er mar 1799 Eurbaitifcher Subdelegirter (Gef 
bei dem Congreß in Raftadt, nahm in derfelben Eigenfchaft Theil an den € 
ten der Reichsdeptitation von 1802, umterzeichnete als Eöntgl. bairiſcher Er 
gefandter die Erklärung, Megensburg, den 1. Aug. 1806, durch weiche 
Meichöfürften und ein Reichſsgraf, als Mitgl. des Rheinbundes, vom Reidy 
tm. 1815 war er, als k. bairiſcher Miniſter am wiener Hofe, bei dem Gi 
daſelbſt bevolimächtigt. Dann leitete er mit in München die ſchwierige Wi 
fung wegen der Territorialausgleichung mit Öftteich, weßhalb er auch bamı 
Kronprinzen von Balern nad Mailand zu dem Kaifer Franz begleitete, w 
Vertrag zu Münden vom 14. April 1816 zur Folge hatte. In demſ. J 
er von feinem Hofe nady Wien gefandt, um ben Ehevertrag des Kaifers ı 
Prinzeffin Karoline von Baiern zu unterzeichnen. 1819 fg. wirkte er zu d 
ſchluͤſſen des karlsbader Songreffes, zur Errichtung ber mainzer Commiſſu— 
zu dem fcharfen Verfahren gegen die Verdächtigen in Baiern mit. Nach di 
teitt der Regierung des Königs Ludwig I. 1825 wurde er mit Penfion in 
ftand verfegt. — Des Staatsminiftere Bruder, Graf Joſeph, geb. den 3 
1769, ift feit 1823 k. batrifcher General der Infanterie, war bie 1826 au 
Sefandter und bevollmaͤcht. Miniſter am Hofe zu Berlin. Er befehligte 
Feldzügen 1813, 1814 und 1815 ein bairifche® Armeecorps gegen Frankte 
Ein dritter Bruder, Graf Karl, geb. 1775, feit 1825 €. bairifcher Oberka 
herr und Oberceremonienmeifter, ift bekannt durch feine „Voyage pittoremg 
Russie’' (4 Bde., Fol. mit Kupf.) und „Les peuples de la Russie’ (Paris 
mit 96 color. Kpfn., Fol.). | 
Rechnenkunſt. Rechnen heißt gegebene Zahlen nach geroiffen Regı 
einander verbinden oder von einander trennen, um dadurch eine gefuchte Zal 
Reſultat zu finden. Die Gründe für das Verfahren beim Rechnen ergeb 
aus den Lehren der Mathematik, insbefondere der Arithmetik; zu den Vorı 
um ſchnell und richtig zu rechnen, gibt aber bie Rechnenkunſt Anleitung. Di 
ſchaͤftsmann ift für Rechnungen im bürgerlichen Leben eine gewiſſe Sertigt 
entbehrlich, ohne daß er dazu einer tiefern mathematifchen Einficht bebar| 
vier Species oder Rechnungsarten mit unbenannten und benannten, ganz 
gebrochenen Zahlen, durch das fogenannte Einmaleins weſentlich erleichte 
verfchiedenen aus der Lehre von den Proportionen und Progreffionen herge 
Regeln (Regel de tri, die Rees'ſche- und Kettenregel, bie Geſellſchafts⸗, Wech| 
ober Arbitrage >, die VBermifhungs = oder Alligations⸗, die Wahrfcheinlid 
Leibrenten=, Zins⸗, Münzrechnungen und viele andre politifche, juriftifi 
taufmännifche Berechnungen), die Ausziehung der Quadrat: und Kubfku 
machen die Hauptgegenftände ber Rechnenkunſt aus. Große Erleichterung 
gewähren die Decimalrechnung, die Kogarithmen und bie fogen. Kopfred: 
wo man nach geroiffen Regeln einfache Veränderungen der Zahlen ſchnell un 
andre Hülfsmittel im Geiſte vornimmt. (SG. Koͤhler's „Anweif. zum Kopfrer 
4. Aufl., Leipz. 1816.) — Nie darf ſich der Rechner unbedingt auf die Rid 
feines Reſultats verlaſſen, bevor er fich nicht durch Vie Rechnungsprobe 
überzeugt hat. Bei diefer nimmt man das Refultat und einige der gegebenen 
lon als Ste an und entwidelt gewöhnlich, auf dem umgekehrten Wege die: 


Rechnenmaſchine Recht 59 


Zebien, als ob man fie nicht kennte. Ergeben fie ſich, fo iſt die 
richtig. Auch für das Verfahren bei der Probe hat man eine Menge 
m. Bei wichtigen Rechnungen ift es rathſam mehrerlei Proben anzus 
eit Adam Riſe's lange in Ehren gehaltenem Rechnenbuche hat man eine 
N Anleitungen und ‚Hülfsmittel zum Rechnen überhaupt, wie zu bes 
demgen. Unter den neuern werden empfohlen: 3. Ph. Schellenberg’s 
üfche Arithmetik” (7. Aufl. Rudolftadt); Sr. Sottl. Buffe’s „Gemein⸗ 
edmenbusch fire Schulen” (2 Thle., 3. Aufl., Leipz. 1800); „Voll⸗ 
lechnenbuch von allen faufmännifchen Rechnungsarten“ (2 Thle., Berl. 
MR. Leuchs's, Vollſtaͤnd. wiſſenſchaftl. bearbeit. Rechnenbuch für die 
Iade, befonders für den Handelsftand” (2 Thle., Nürnberg 1821); 
bet „Lehrbuch zum erften Unterricht in der Zahlen : und Buchftaben: 
u Sefhäftsmänner” u. ſ. w. (2 Thle., 1815). 5. 
Inenmafchine, eine Erfindung der neuern Zeiten, bie in einem 
te beſteht, welches die zum Nechnen erfoberliche Aufmerkſamkeit erhal: 
m Fehler im Rechnen ſchuͤtzen foll. Viele Mathematiker, felbft Leibnis, 
beſchaͤftigt, dies Inſtrument theile zu erfinden, theil® zu vervollkomm⸗ 
r ben verfchiebenen Rechnenmafchinen empfiehlt ſich die Grüfon’fche fo= 
Einfachheit als Leichtigkeit im Gebrauch. Sie befteht aus einer 94 Zoll 
Beffer haltenden Scheibe, um deren Mittelpunkt ſich ein Weifer dreht; 
hr Kreisbogen umziehen in einiger Entfernung den Mittelpuntt und 
‚Häbmeffer in neum Stlide von Kreisringen getheilt. In den von den 
sand Halbmeffern gebildeten Fächern ftehen nach einem gemwiffen zum 
genden Syſtem geordnete Zahlen. Auf dem Weifer befinden fich die 
‚2,3, u.f. mw. bi80. Bon den 9 größern Stüden ber Kreisringe ift 
ke und Subtraction Eins, für Dultiplication und Diviſion find die 
. An jedem für bie Multiplication und Divifion beftimmten Stüde 
sten rechts an der Spise ded Winkels ihre Nummer. Will man nun 
dividiren, fo wird damit alfo verfahren: angenommen, ber Divifor 
&Dividendus 31976, fo dreht man den Weifer auf die Tafel, die mit 
KA, und bringt ihn bis auf die Zahl 31, als den erften einzelnen Divi- 
Bater diefer 31 wird man nun auf dem Weifer den Quotienten 4, am 
Rand der Tafel aber rechts nach ber nämlichen Richtung zu den Reſt 3 
Kelr Reſt, der im Hauptbividend folgenden Zahl 9 vorgefest, gibt 39 
einzelnen Dividend, und wenn man hier nun abermals fo verfährt, mie 
K werden, fo erhält man den Quotienten 5, und den Reft 4, woraus 
leht, daß bei Fortfegung diefer Art zu verfahren man endlich den ganzen 
ı der als Dividendus gegebenen Zahl mit 4568 finden muß, wodurch 
ed geloͤſt ift. Durch zwei fpäter dieſer Maſchine zugefügte Rechnenftäbe 
weite Scheibe kann der Gebrauch derfelben auch auf zufammengefegte, 
benannte Zahlen ausgedehnt werden. S. „Befchreibung und Gebraud) 
Yendenen Rechnenmafchine von Gruͤſon“ (Halle 1795), ferner: Guͤtle's 
ung einiger Univerfals und Particularrechnungsmafchinen” (Nürnberg 
Kugel's, Mathemat. Wörterbudy”. 
bt, jenes große Wort, welches die Welt in fo vielfacher Hinſicht be⸗ 
ine Sdee ausdrückt, welche zu dem Heiligften der Geſellſchaft gehört 
Ider Herrſchaft blinder Naturnothwendigkeit in das Meich der Freiheit 
Wed verfest. Das Recht (jus, justum) fteht dem Unrecht (injustum, 
menüber, es ift die Aufrechthaltung der perfönlichen Seltftändigkeit eis 
Befens In der Wechſelwirkung mit andern freien Wefen; die Verein: 
Kfes individuellen Steiheit mit der Freiheit Andrer, die Harmonie und 
hers Dafeind neben einander. Dies Recht finden die Menfchen feinen 


60 Rechtfertigung | Rechtſchreibung 


Grundlagen nach in ſich ſelbſt, in der Geſetzgebung der Vernunft, als una 
lich und unvergaͤnglich (Maturrecht); nur uͤber die Mittel der Ausuͤbu 
Aufrechthaltung, nur über die Anwendung auf beſondere zufällige Verhe 
nur über die nothwendigen quantitativen Beſtimmungen bildet ſich jebed 
theils durch ſtillſchweigende Übereinkunft und Anerkennung, theild durch au 
liche Geſetze ein befonderes Necht, welches dem Vernunfteecht nicht übera 
bleibt, deſſen Gültigkeit im Staate auch nicht mit allgemeinen Grundfäg 
fritten werden kann, welches aber doch immer nur durch die Übereinftinnmu 
dem Vernunftrechte feinen Werth und feine Dauer erhält (Pofitives R 
Das Recht (jun) nennt man dann audy den Inbegriff, die Gefammtheit 
rechtlichen Beflimmungen für ein Vol: das römifche, deutſche, fran 
Hecht, oder auch das abgefchloffene Ganze der Beflimmungen über einzeln 
bältniffe: Staats-, Privatz, Kirchen, Griminals, Lehn⸗, Proceß:, Da 
Bergs, Polizei, Kriegs, Voͤlkerrecht u.f.w. Das Recht oder dab 
(jus, justum) ift Das, was mit den Vorfchriften bes Rechts uͤbereinſtimm 
zwar entweder mit dem oberften Grundſatze alled Rechts Überhaupt ober n 
. den befondern Vorfchriften eines pofitiven Rechts; wol auch nur, was un 
fondern Umftänden für Recht gelten muß (bloß. formelled Net), wenn e 
an fid) dem Rechte nicht gemig wäre. (S. Rechtskraft.) Hier kann 
dem Buchſtaben des Rechts gemäß fein, welches der Idee der Gerechtigkel 
ganz mwiderfpricht (summum jus, summa injuria), und diefer Erfolg sel 
eben am hiufigften dann, wenn man die Worte der Gefege zu fehr auf die, 
ſtellt. Ein Recht (jus, obligafio) ift das Verhältnig zwifchen mehr 
fähigen Wefen, vermöge deffen der Eine fchuldig ift, fich gegen den Andern 
fer Handlungen zu enthalten, oder beflimmte Handlungen zu feinem Vortl 
verrichten; jenes find allgemeine Rechte (perfönliche, Standes unb da 
rechte und dingliche Eigenthums » und Nutzungsrechte), diefes find [pecielg , 
gationen, Foderungsrechte). — Ein Recht heißt endlich auch das 
welchem irgend ein Rechtshandel entfchieben werden foll, wie Fuͤrſtenrecht, 
recht, Kriegsrecht, Mannenrecht u. dal. 
Rechtfertigung, im kirchlichen Sinne, f. VBerföhnung. 
Nechtfertigung, Verantwortung; rechtliche Begründung ein 
trags, befonders eines gegen ein Urtheil oder andre richterlihe Verfügung. 
fenen Rechtsmittels. In diefem legtern Sinne gehört die Rechtfertigung 
der vorgefchriebenen Zeit haͤufig zu ben Formalien der Rechtsmittel, die- 
vechter Zeit eingelegt (interponict), dann bei dem höhern Nichter eingeführt 
ducirt) und dann gerechtfertigt (juftificiet) werden müffen. 
Rechtglaͤubigkeit, f. Orthodorie. . 
Rechtſchreibung (Drthographie, grieh.), die Art und Weife, in 
einer befondern Sprache Worte oder Töne, ald hoͤrbare Ausdrüde von Ga 
und Empfindungen, durch die gehörigen Schriftzeichen regelmäßig zu ver 
lichen oder ſichtbar durzuftelen. Der allgemeinfte Grundfag der Rechtſch⸗ 
folte wol für jede Sprache fein, die Schreibung möglid) einfad) der Rechtſpr 
(Orthophonie oder Drthoepie, f. d.) nachzubilden. Allein damit | 
Schwierigkeiten für die Ausuͤbung bei weiten noch nicht gehoben, da dieNe 
hung nod) viel häufiger vernachlaͤſſigt wird als die Wechtfchreibung, wie fc 
Menge unreiner Reime bei den meiſten unferer Dichter beweift. Ja, es iſt 
bei der Nechtfprehung ſich nach der Nechtfchreibung zu richten, indem ra 
Ausfpradye der Rechtſchreibung fo nahe ald möglich zu bringen ſucht, als 
kehrt, obgleich beide einander bedingen und unterftügen. Überdies mack 
jenem Grundgefeg einige Sprachen faft zahllofe und willfürliche Ausn 
Beſonders zeichnen ſich die engl. und franz. durch eine Launenhaftigkeit ber 


Rechtſchreibung | 61 


eziſzrache aus. Eine beftimmte Nüdficht, die bei der Rechtſchreibung 
zeig geben kann, tft die Wortableitung, oder die ermeislich wahre, ' 
kefannte Abflammung. (Bol. Etymologie) Man mende alfo in 
„abgeleiteten und zufammengefegten Wörtern, fo weit es die allgemein 
: Ausfprache und der einmal übliche Schreibgebrauch verftatten, nur 
en an, weiche das unmittelbarfte Stammmort nebft Ableitungs⸗ und 
ıerfodert. Doc muß man vorfidhtig fein, daß man nicht von ſei⸗ 
m Worten eins für des andern Stammmort annehme. Mit den 
die, überall auf Wortableitung haltend, aͤmſig, eräugnen, Ebenteuer 
, Auge, eventura) fchreiben, wollen wir nicht rechten. — Der Unter: 
? Bedeutung rechtfertigt nicht die Veränderung der gewöhnlichen 
gtrihlautender Wörter, weil e8 unmöglich ift, eine folche Unterfchei= 
afuͤhren, und weiloft für vermeintlich ganz verfchiedene Wörter eine 
Grundbedeutung außzuforfchen ift, die fich in Nebenbedeutungen ver- 
.B. ahnen: 1) ergeiften, eine Vorempfindung fpüren; 2) Einem etwas 
nlen, um es ihm zu vergelten, daher rächen, ftrafen, gewöhnlich ahn- 
Ahnen, bie Beifter der Verftorbenen, daher Vorfahren: beides vom 
m). — Auch auf Sleidhform oder Wortähntichkeit ift bei der Recht: 
Radficht zunehmen. So fcheint e& richtiger, dad Maß als das Maaß 
', meil das Imperfectum von meffen allgemein gefchrieben wird, ic) 
muß man das Allzugefuchte und Eigne vermeiden, wie die Vertau⸗ 
SH mit F, z. B. in Filofofte, wolen flatt wollen; denn der Schreib: 
ſt dem Sprachkuͤnſtler, der das gangbare Wortgepräge verwifchen will, 
GBeenze, welche er nicht Überfchreiten darf. über Wörter, deren Schreis 
ah ben bisher angegebenen Rüdfichten nicht beftimmen Iäßt, folglich 
km» und Wurzelwoͤrter und über alle ungewiffe oder folche Ableitun⸗ 
nichſte Stammmörter veraltet find, entfcheidet der allgemtine Schreib- 
I bei ähnlich oder gar gleich Iautenden Wörtern, die befondere 
haben. Allgemeine Regeln tiber den Schreibgebrauch Laffen ſich 
; denn es unterfcheiden fich die befondern (bei verfchiedenen Völkern 

heachen in der Mechtfchreibung noch in vielen Stüden, und die Gram⸗ 
Iten Sprache hat darüber da6 Nähere anzugeben. 

Deutfche und alle ber deutfchen Sprache eingebürgerte Wörter, alfo 
Vornamen und Wörter, wenn fie durch den Gebrauch ſchon zu deut⸗ 
mu geſtempelt worden find, fchreibe man gleichmäßig mit den eingeführ: 
yihen, und bezeichne jeden deutlich gehörten Laut mit Beftimmtheit, 
tſchen üblichen Ausfprache gemäß; z. B. Luiſe, Marſchall, Mafchine, 
Schaluppe, ſcharmant, Schikane, Schimaͤre. Werden dagegen Ei: 
ud ſolche Wörter aus bekannten Sprachen eingeſtreut, die noch immer 
tuchig betrachtet werben oder gar noch ihre fremde Geftaltan fid) haben, 
ihre Fremdartigkeit durch ihre urſpruͤngliche Schreibart, als das Ge⸗ 
femben Urſprungs, zu erkennen gegeben werden; z. B. Agio, giriren, 
Michel Angelo, Shakſpeare, Spleen, Don Quixote, Rouſſeau, Che⸗ 
Jeurnal, Genie (weil man ſonſt die Abſtammung nicht erkennen wuͤrde 
Vcero, Circulation; aber Zirkel und Bezirk, weil fie ſchon der deut⸗ 
he angeeignet und unter dieſer, obgleich ausgearteten, Ausſprache all⸗ 
aat find. Ebendaher werden auch die griech. Wörter, deren Ausſprache 
Kaxt entartet ift, flatt mit K, nad) römifcher Weife gewöhnlich mit C 
LB. Gentaur flatt Kentaur; dagegen wird von Vielen, ber nächften 
Meines Wortes gemäß, das griech. K oder das latein. E beibehalten, 

e geblieben ift; z. B. Katheder, Katholit, Geremonie, Som: 

Btatt des & verboppelt man lieber e zu Ende, 3. B. Canapee. — Wer: 


62 . Rechtfchreibung 


den fremde Wörter ober Namen als folche angeführt, z. B. ein ave Mari 
Eigennamen, fo wäre es eine Ungereimtheit, diefe umkleiden zu wollen. - 
deutfche Rechtfchreibung hat im Laufe der Zeit verfchiebene Wechfel und Rı 
gen erfahren. Veraltet iſt z.B. die Schreibart: Cron (Krone), Hertzog, 
graf, gnebig, unterthenig, menniglich, Eyd, Böhelmb (Böhmen), Am 
Amt, aus Ambacht zc. Außerdem find aud viele einzelne Faͤlle ſo ſchwanke 
willfürlich, daß fie ſich nur mit einiger Wahrfcheinlichkeit entfcheiden laſſen. 
bier alfo hat man Das zu befolgen, worin die bewährteften Schriftfteller übers 
men; abgefchmadt aber würde es fein, ohne anderweite Gründe das W 
anzunehmen. — Einen großen Anfangsbucjftaben erhalten im Deutfchen nl 
alle Anfangsroörter einer Rede und eines Perioden und gewoͤhnlich auch jeb 
in einem Gedicht, fondern auch: 1) Alle Eigennamen, z. B. Deutfchland ; 
ſchreiben auch noch fo die davon abgeleiteten Beiwoͤrter: das Deutſche Wolf 
Deutſch, fowie die ſich auf Landeshoheit beziehenden Wörter: Kaiferlich, . 
ich. 2) Nennwoͤrter, die als Hauptwoͤrter ftehen, d. h., vor benen man ein 
mendes oder unbeflimmendes Gefchlechtöwort (einen Artikel) denken fan 
Bann, die Bahn, das Meinund Dein, ein Wenn und ein Aber. Doch haben 
in mit lat. Schrift gedruckten Gedichten auch die Hauptwörter mit Beinen 
ftaben eingeführt. 3) Die ſich auf angeredete Perſonen beziehenden Kür 
Sie ıc. Ihr ꝛc. in Briefen u. dgl., auch Du ıc. Dein ꝛc. 4) Gewöhnlich as 
als Bahlwort. — Die Spibenabtheilung richtetfich zuerfi nach der Zufanınsen 
ber Wörter, z. B. besobsachten, Erb⸗laſſer, er⸗blaſſen, Erb⸗recht, ihr er 
em⸗ pfinden, wo p das f verſtaͤrkt. Eine willkuͤrliche Ausnahme macht | 
fremden Wörtern, die man gewoͤhnlich nach der Ausſprache trennt, z. B. & 
Sy⸗ nonym, Mikros⸗kop, Teleskop, asboptirt, Po⸗ſtille, Pros fein 
ftinction, Di⸗ſtriet. Zwei durch ein ausgefloßene® e vereinigte Hauptlaut 
ben entweder zur folgenden Sylbe gezogen, z. B. Verfin⸗ſt'rung ober, we 
zweite ein Lift, getrennt. Zwei Grenzlaute (Ditlauter) zwifchen zwei & 
lautern (Selbftlautern) eines abgeleiteten Wortes werben getrennt, da dem, 
eine Sylbe auf ſ ausgeht, das Schluß s eintritt: räus-pen. Man hat: 
Steiheit genommen, dies auch auf fremde Wörter anzumenden: :De&spot, | 
ſias⸗ mus, Mi⸗ krokos⸗ mus. Doc, bleiben zufammengefeste Zeichen ein 
fachen Lautes beifammen (db, pb, fh, ß, tb auch ff umd Er), und 
ber Gleichform gemäß am füglichften zur folgenden Sylbe gezogen; ck und 
werden wegen nur lofer Zufammenziehung gemeiniglich ber Ausſprache n 
trennt, wo dann ck in feiner eigentlichen Geftalt erfcheint als ER, 3.8. gli 
er⸗ goͤt⸗ zen. Von drei oder mehr Grenzlautern wird, außer in zufammeng 
Wörtern, bloß der legte zur folgenden Sylbe gezogen: Erb⸗ſe; doch iſt! 
bisweilen wiederum ein zufammengefegter Buchftabe, wie in Herbfle. — 
folben werden nicht der Ableitung, fondern der Ausſprache nad) vom Stamm 
getrennt, ſodaß fie deffen legten Hauptlauter anfichziehen, 3. B. heilisge 
ten. 1) In längern Zufammenfegungen, naͤmlich in dreis und mehrtheilige 
knuͤpft man gern bie vorderen zufammengefegten Worte mittelft eines Bin 
ſtriches: Real⸗Schul⸗Buchhandlung; 2) ferner follteman durd) den Bindun 
verbinden ein deutfches mit einem fremdfprachigen zufammengefegtes Wort: 
ments-Arzt; 3) einen mit einem Gattungdnamen zufammengefesten Eigem 
Neu: Preußen; doc) weichen Beiwoͤrter wie Oberfächfifch und Niederfächfi| 
4) frembartige Worte, die in ihrer Mutterfprache keine folhe Zufammen 
eingehen: Regiments : Chirurgus, Jaſp⸗Achat; 5) folhe Wörter, in der 
und derfelbe Grenzlaut drei Mal hinter einander zu fiehen kommt: Schiff» 
Knall⸗Luft, Stil: Lager, Still-Leben, Stamm: Mutter, Gewinn: Ra 
Ars Mede, Bett⸗Tuch (man follte Daher auch ftatt Mittag und Schifffahrt 


Rechtſchreibung 63 


3 und Schiff⸗Fahrt; doch iſt es auf ähnliche Weiſe eingeführt, 
eiben, ſtatt Hohheit wie Rohheit); 6) durch Zuſammenſetzung be: 
m, wenn das beſtimmte, weil es wiederholt werben müßte, nad) der 
nung meggelaffen wird: Ab: und Ausfonderungen, hoch: und Elein: 
sei ohne und verbundene befondere Beflimmungen: Kaiferin- Köni: 
mm werden zufammengefegte Wörter als ein einziges Wort gefchries 
e in ben vorigen Fällen neuerdings thun. Was übrigens ale Wort: 
25 angenommen werben muß, und was nicht zufammengezogen 
darüber ausführliche Anweiſung zu geben, ift nicht dieſes Ortes. 
el, dag man in zweifelhaften Fällen der Deutlichkeit wegen bie Worte 
als zufammengefest fchreibt. — Zu Zahlzeichen bedient man ſich 
der arabifchen Ziffern 1, 2 ıc., die als Zähler ſchlechthin gefegt wer⸗ 
Worte des gezählten Begenftandes voranftehen: 3 Tage, als Orb» 
ıber das gewöhnliche Zeichen der Abkürzung (.) erhalten, und dann 
; ihrem Hauptworte nadhftehen können: am 3. Tage, d. i. am drit⸗ 
3.,d. i. auf ber dritten Seite, und in ähnlichen Fällen. In der Orb: 
fhaftsfolge Hat man die römifchen Ziffern beibehalten, welche nach⸗ 
; Karl XII., d. i. Karl der Zwoͤlfte. Außerdem bedient man fich ver⸗ 
Krzungszeichen; doch darf diefe Nachläffigkeit nicht uͤberall ſtattfin⸗ 
serden gewiffe häufig wieberfehrende Ausdrüde felten ausgefchrieben: 
„(zum Beifpiel, das iſt, et eetera), d. b. u. f. w. (das heißt, unb 
Über die Anwendung der zur leichtern Verftändlichkeit gebräuchlichen 
ichen ſ. Interpunction. Die Rautdehnung oder Verlängerung 
Awird dem deutfchen Schreibgebrauch zufolge gewöhnlich angebeus 
L durch h Hinter dem Selbftlauter und zwar vor ben flüffigen Buch: 
n, r: Zahl, zahm, Zahn, Ohr. Doc wird i durch h gebehnt 
kwörtern ihm, ihn, ihr und den davon abgeleiteten. Ober IL. durch 
des Selbftlauters, insbefondere 1) dad a vor &, I, x, 8, t, in wes 
Kfoibigen, Urworten, 3. B. Kraak (Schiff mit 3 Maften ohne Köche), 
Baare, Aas, Saat und den davon abgeleiteten; außerdem noch in 
wevorl,n, r, ff und t in wenigen Urworten und ben bavon abges 
‚Seele, Beere, Geeſt, Beet und in dem frembfpradyigen Rundeel; 
den auf einen gedehnten Stimmlaut ausgehenden Urworten ober 
m Benennungen, Klee, Idee, und wo es die Stelle des im Franzoͤ⸗ 
ketenten e vertritt: Gaffee; 3) das o vor k, r, 8, Bund tin weni- 
1: Mook (Honigkuckuck), Moor (Sumpf), Moos, Schooß (gre- 
kımb in den davon abgeleiteten Wörtern. — Tritt ein Umlaut ein, 
der urſpruͤngliche Stimmboppellaut in biefen zufammen und e8 bleibt 
43.3. die Äfer. Oder II. durch Hinzufügung eines e bei gebehnter 
Bi, 3.3. nie. — Die Grenzdoppellauter bb, dd, ff, gg, ck (flatt 
„nn, pp, er, IT (am Emde einer Sylbe und vor t aber ß), tt, — 
noch einem gefhärften Stimmlaut: Krabbe, Kabdig (Wacholder), 
Men), Flagge, und am Ende nur dann, wenn bei möglicher Endver⸗ 
Grenzdoppellaut vor folgendem Selbftlauter in der Ausfprache hers 
,‚ Bud, fig, Lamm, Mann, Seripp, Wirrwarr, Kuß, faßlich von 
0 darf wenn, ſchlaff und ſchaff Milch nicht nach Wolke's „An: 
Krben werden, daß es klingt wie wen, Schlaf und Schafmilch. Um 
Ktimiter, wie b und p, ch und g, d undt, g und E, s und am 
Borte® oder einer Sylbe nicht zu vermechfeln, braucht man nur eine 
ung anzufügen, fobaß fie vor einem Selbftlauter zu ftehen kommen, 
ke Ausſprache ber Unterfchied bemerklich wird, z. B. Korb, Korbes; 
kei; Sieg, Sieger; ficch, fischer; Tod, Todes; Brot, Brote; 


64 \ Rechtögelehrfamkeit 


Klang, Klanges; ſchlank, ſchlankes; Reis, Reiſes; Reiß, Reißes. - 
allgemeinen Bemerkungen moͤgen noch einige beſondere, die ohne weſen 
nahmen ſind, uͤber die einzelnen Buchſtaben folgen. Ch ſteht in der 
lich und icht, als Endung eines Nebenwortes: kuͤnſt⸗lich, aͤhn⸗lich (d 
lich: den Ahnen etwas gleich), kuͤnſt⸗lich, thoͤricht, und den davon a 
Woͤrtern. Dti ſteht nur, wo es aus det zuſammengezogen iſt: gewandt 
in Stadt. G ſteht in der Nachſylbe ig, als Endung eines Nebenwort 
der Nachſylbe ßig, zig (von zug) in Zahlwoͤrtern, und in von jenen at 
fel=ig, drei=Big, einzig, Selzigkeit. J fteht nur von einem Selbſt! 
K 1) zu Anfang: kein; 2) nad) einem Mitlauter: Dank; 3) nad) ein 
nen ober gebehnten Stimmlauter, ſpuken als Gefpenft, bloͤken wie e 
4) auch oft flatt des Iatein. e, mo daſſelbe feine Ausſprache wie k beibel 
Akt, Punkt. Ck, welches eine Verboppelung des E ift, fteht nur nad) eineı 
ten oder geprellten, herausgeftoßenen Seldftinuter " fpuden, Speidhe 
anden Block fchliefen. Ph fteht nur in Eigennamen und folden U 
aus dem Griechiſchen ſtammen, mo es bf gefprochen wurde, welcher Lı 
Pfui! erhalten hat. Es wird daher nicht vollftändig erſetzt durch f, 
Dhantaft und Symphonie. Eu fteht immer flatt fm: Qual. & fle 
Anfang, s nur am Ende einer Sylbe, aber am Ende eines Wortes nur d 
bei möglicher Endvermehrung nur ein einfaches fanftes ſ hervortönen wuͤ 
Iatein. Schrift fs) fteht am Ende eines Wortes nur vor £ 1) als Grenzl 
z. B. ift von effen, nicht ift von fein; oder wenn es ein gefchärftes fr 
gebehnten Selbftlauter vertritt, wo ed dann bei Endvermehrung beibehe 
das Maß, die Maße, nicht die Maffe, d. i. der Stoff. 2) In Zeitwoͤr 
ſich die dritte Perfon des beftimmten Präfens auf Er, es mag im Infin 
ſſ ſtehen: genießt, praßt, von genießen, praffen. V fteht nur vor eine 
lauter, ausgenommen vor u, und felten am Ende: fo fchreibt man fü 
Flaus, wie Fell, von vellus. N iſt griech. Worten eigenthuͤmlich; 5. | 
100 e6 i lautet, urfprünglich aber wahrfcheinlich uͤ: daher e6 als Mißbo 
fehen ift, ſtatt i im urdeutſchen Wörtern y zu ſetzen. 3 fteht nur 1) zu 
2) nad) einem Mitlauter: Erz, wo Hr. Wolke es mit 8 vertaufcht, 
sand ſtatt ganz fehreibt; 3) nach einem gebehnten Stimmlaute: ( 
4) ftatt des franzöfifchen c oder des lateinifchen ti, bem ein andrer € 
folgt: Strapaze, Juſtiz, Horazifh. 13 fteht nur nad) einem geprellt 
lauter: Blig. — Ausführlichere Belehrung Über deutfche Nechtfchreibi 
J. C. Adelung’s „Vollſtaͤndige Anmweifung zur deutfchen Orthographie, r 
Heinen Wörterbuche für die Ausfprache, Orthographie, Biegung und: 
(Leipzig 1788, 2 Thle.); „Die Kunft zu lefen und recht fchreiben 3 
v. F. Dlivier (Deffau 1801); C. Krufe, „Anweifing zur Orthog 
deutfchen Sprache, mit Inbegriff der aus fremden Sprachen entlehnte 
(3. Aufl., Oldenburg 1807); „Unterricht in der deutſchen Rechtfcht: 
Kehrer und Lehrlinge niederer und mittler Schulen, nebft einem Anl 
gleich = und ähnlich =lautenden Wörtern”, von G. Zimmer (Fulda 18 
M. Roth, „Anmweifung zur Orthographie” (1802), ſodann bebeut: 
tert in deſſen „Anfangsgrlinden der deutſchen Sprachlehre und Ort! 
(2., vollftändigere und verbefferte Aufl., Gießen 1814). Aud gib 
Mn feinen Merken über deutfche Sprachlehre gründliche Anweifung ; 
fchreibung. | 
—Rechtsgelehrſamkeit (veraltet Nechtögelahrtheit), die Ne 
fenfhaft (f.d.); Rechtsgelehrter, Derjenige, welcher fich im fl 
Wiffenfhaft befindet, fei er dazu nun auf fchulgerechtem Wege (dure 
„, Etaate angelegten Bildungsanſtalten, das quinquennium ober trien 


Rechtskraft 65 


eder durch eignes Studium gelangt. Der wiſſenſchaftliche Juriſt un⸗ 
ih vom bloßen Rechtskundigen, indem dieſer nur eine oberflaͤch⸗ 
ũ der rechtlichen Regeln oder Formen befigt, die er auch wol nur empi- 
orus putus practicus, oder ald fogenannter deutfcher Advocat) erlangt 
Rechtsgelehrte, welcher ſowol die hiftorifhen als rationalen Grund: 
tem ganzen Umfange und bis in ihre legten Grunde zu erforfchen 
eoretiker), wird dann auch Anwendung im Leben und Gericht (als praf: 
ſt, Rechtsüͤbender, jurisconsultus, ICtus) mit Leichtigkeit handhaben, 
ebirjtein der Speculation, ald Nahrungsftoff für die Theorie nicht ge⸗ 
„zumal da der Nechtögelehrte im höhern Sinne nicht allein die beſte⸗ 
the kennen, fondern auch über ihre Unvolltommenheiten und deren Ver⸗ 
sth au geben im Stande fein foll. 37. 
tstraft (res judicata, chose jugee). Es liegt in der Natur ber 
Gewalt, daß ihre Ausfprücdhe einmal auf einen Punkt gebradyt wer: " 
suf weichem fie nicht mehr angefochten werden koͤnnen, fonbern zur 
ig gebracht werden, und das Nechtöverhältniß, welches fie betreffen, 
ich entfcheiden, oder, wie man zu fagen pflegt, ein förmliches Recht 
des beſteht, wenn ſich auch nachweiſen ließe, daß das wirkliche Recht 
uͤbereinſtimme, ja nicht einmal uͤbereinſtimmen koͤnne. Es iſt jedoch 
in Fehler der Gerichtsverfaſſung zu betrachten, wenn die Faͤlle, mo das 
&t von dem wahren abweicht, und diefes unter bloßen Formen verloren 
grorfommen, und die Rechtskraft auf biefe Weife der Ungerechtigkeit 
mmt. Da die Nechtskraft fehr häufig auf ſtillſchweigenden Verzicht: 
kr Parteien beruht (auf ſtillſchweigenden Eingeftändniffen und Ver: 
I, fo kann fie ſchon aus diefem Grunde in Eriminalfällen nicht mit voll: 
kung eintreten. Einem Berurtheilten kann man zu keiner Zeit, felbft 
e Strafe, vermehren, feine Unfhuld noch auszuführen, und fogar' 
morauf die Verurtheilung ſich gründete, Eönnen ihm nicht im Wege 
geftattet felbfl den Verwandten eines unfchuldig Hingerichteten, fein 
Id, eine förmliche neue Unterſuchung zu rechtfertigen (rehabilitation), 
eich, der Familie Calas und andern Echluchtopfern eines uͤbereilten 
Km Verfahrens der Gerichte zu Theil wurde. Gegen den Verurtheil: 
beher in der That keine Rechtskraft, fondern nur inſoweit laͤßt fich da⸗ 
u daß die Straferkenntniffe, wenn die regelmäßigen Mittel der Ber: 
begegen erfchöpft find, voliftredt werden. ine ftreitigere Frage if, 
heechendes Urtheil zu Gunften des Angefchuldigten einer frengern 
fähig fei, und ob nicht auch der Staat wegen neuer Beweife der Schuld 
Kefuchung anordnen koͤnne. Die Geſetzgebung der Staaten ift hierin 
md. In Frankreich geftattet man dem Staatsanwalt, in Griminal- 
R zu gelinde Beftrafungen Mechtömittel einzulegen (Appel a minima), 
Sreifprechungen (denn hier tritt die Unmöglichkeit ein, den Aus: 
— einer zweiten Prüfung zu unterwerfen), und eine nochma⸗ 
Kung wegen neu aufgefundener Beweiſe findet nie ftatt („Code d’instr. 
1360). In den geringern Straffälten, wo Eeine Gefchwornen zuge: 
, kann der Staatsanwalt auch gegen die Freiſprechung appelliren. 
d farm auch wegen einer Anklage Niemand mehr ald Em Mat vor Ge: 
Imerden (non bis in idem). In bürgerlichen Rechtsſachen find nur 
tterliche Entſcheidungen ftreitiger Nechtsverhältmiffe, nach erfolgtem 
behoͤt beider Theile, der Mechtskraft fähig, nicht aber bloße Decrete, 
Anbringen erlaffen. Eine fchon einyetretene Rechtskraft kann in 
durch Nichtigkeitsklagen und Reftitutionen (befonders auch vergen 
käme Beweißmittel, wegen Beſtechung der Zeugen, wegen Falſchheit 
t Eihente Kufl. 8b. IX. 5 


66 Rechtsmittel _ Rechtspflichten 


der Urkunden, worauf die Entſcheidung beruhte) wieder aufgehoben werden, 
es iſt natuͤrlich, daß eine Entſcheidung, welche als formelles Recht guͤltig ſein 
ſelbſt den Formen des Rechts gemaͤß ſei. Daß die Rechtskraft eines gefaͤllten 
kenntniſſes auch in fremden Staaten von Wirkung fein und vorzüglich ſowo 
Execution nachſichziehen als auch eine nochmalige gerichtliche Verhandlung 
felben Sache hindern müffe, fagen zwar manche Lehrbücher des Proceffed, 
es verträgt fich Died weder mit dem Begriffe eines unabhängigen Staats, noı 
es zwiſchen den Staaten herkoͤmmliches Recht. (S. Gerichte) Denn 
Staat hat die Pflicht, darauf zu ſehen, daß in ſeinem Gebiete nur feinen Gel 
nachgegangen werde, und zugleich feine Unterthanen gegen Eingriffe frember 
richte zu ſchuͤtzen, und aus dieſem Prineip ergeben ſich ſehr bedeutende Beſch 
kungen des Satzes, daß ein rechtskraͤftiges Erkenntniß auch in andern Staatei 
formelles Recht gelten müffe. Daher laffen auch die Staaten die Requiſiti 
auswaͤrtiger Gerichte nicht unbedingt voliftreden, fondern nur in Kraft einel 
fondern Volljiehungsbefehls (Exequatur, Parcatia), welcher nicht ertheilt zu. , 
den pflegt, wenn das auswärtige Gericht 3. B. diejenigen Grenzen feiner Cl 
teil; Überfchritten bat, welche das Voͤlkerrecht anerkennt, obgleid) es vielleicht b 
Landesgeſetze für competent erflärt war, oder wenn in dem auswärtigen er 
niß Die gebietenden Geſetze bes Staats verlegt worden find. 
Rechtsmittel (remedia juris), im Allgemeinen jedes Mittel, fein® 
geltend zu machen, daher auch die Klage, die Einteden gegen die Klage (Exch 
uch), die Gegenreden (Repliken) gegen die Einteden, und die Widerreden 
pliken) gegen die Repliken u. ſ. w. Rechtsmittel genannt werden. In eine 
gern Sinne ſind es die Mittel, wodurch wir eine uns unrecht und nachtheilig 
nende richterliche Entſcheidung einer nochmaligen Pruͤfung entweder eines 
Richters (devolutive Rechtsmittel, f. Appellation) ober deſſelben Gerichtd, 
mit andern Urtheilsfindern, Referenten, Actenverſendung (ſuspenſive Rech 
unterwerfen. (S. Proceß) * 
Rechtspflege, ſ. Gerichte und Proceßordnung. 
Rechtspflichten, Rechtsverbindlichkeiten, find bie 
Pflichten gegen andre Menfchelt, welche uns das Rechtsgeſetz auflegt. Due 
ijt ein Gefeg der Vernunft fiir das Verhaͤltniß freier Weſen zu einander in H 
ihrer äußern Handlungen. Es verbietet jedem vernünftig finnlichen Wefen, = 
unbeſchraͤnkten, die Freiheit Andrer ftörenden Gebraudy von feiner Frelhe 
machen, und legt ebendadurch Jedem eine Pflicht auf, welcher Pflicht au 
Seite de8 Andern, auf welchen unfere Handlungen Einfluß haben, die Foba 
gegenüberftcht, als ein freies, felpftändiges MWefen anerkannt zu werben, uf 
Befugniß, feine Kräfte zur Verfolgung feiner felbftgemählten Zwede zu ge 
den, fo weit badurdy die Freiheit Andrer nicht aufgehoben wird (ein Re 
weitern Sinne), fodaß dieſes Gefeb Jeder gleichfam den Andern gibt. * 
Foderung allgemein iſt wie die Freiheit, welche die zur Erreichung der fi 
Beſtimmung des Menfchen nothwendige Bedingung ift, und da fie aufeln, 
res Rechtsverhaͤltniß geht, welches durch gemeinfchaftliche Thätigkeit unter.“ 
ſchen, felbft gegen den rechtswidrigen Willen der Einzelnen, errichtet werder 
fo kann die Erfüllung der Nechtepflicht auch durch Aufern Zwang gefodert m- 
und nur durch einen geſetzlich beftimmten und durd, Vereinigung der Kraͤf 
wirkten Zwang wird eine Aufere Rechtsgeſellſchaft möglih. Daher werd⸗ 
Rechtspflichten auch Zwangspflidhten, und inſofern dieſelben nicht bloß 
eine innere Geſetzgebung oder das Gewiſſen, ſondern auch durch die Foderur 
vernuͤnftigen Menſchengemeinſchaft ober durch eine aͤußere Geſetzgebung as! 
werden, auch äußere Pflichten genannt; dahingegen die Tugendpflichten, va 
ploß von der innern Gefinnung abhängen und dem Gewiffen eines Jeden $-' 






Rechtsphiloſophie Rechtsſtand 67 


nitbin auch aͤußern Zwang ausſchließen, innere oder Gewiſſenspflichten 
»erden. Man hat erſtere auch häufig vollkommene genannt, weil ihre 
unter jedem Verhältniffe und ohne Einſchraͤnkung von jedem freien We: 
zang gefobert werden kann, wiewol die Verpflichtung, welche die Ver: 
est, immer eine volllommene, und jede Nechtöpflicht übrigens auch Zus 
it. — Alle Rechtöverbindlichkeiten find urfprünglic) negativ, d. h. fie 
che beftimmte Handlungen, fondern die Beſchraͤnkung unferer Kraft 
sein in Ruͤckſicht auf andre, ebenfalls freie und ihre menſchlichen Zwecke 
bein verfolgende Werfen; mit andern. Worten, fie verbieten, Die vernünf: 
thäsigkeit Andrer willkürlich zu ſtoͤren, ſo z. B. die Pflicht, fich an bes 
und Leben nicht zu vergreifen. Pofitive Rechtspflichten entfpringen 
6 durch wechfelfeitige Übereinkunft oder durch Beftimmung des bürger- 
8 im Staate Rechte, die vorher nicht vorhanden waren, feitgefegt 
Da Rechte und Pflichten ſich immer gegenfeitig beflimmen, fo gehört die 
den Rechtspflichten vorzüglich), aber nicht einzig, in die philofophifche 
r; inſofern nämlich rechtliche Handlungen auch innerlich geboten find 
Banction des Gewiſſens erhalten, gehören die Mechtöpflichten auch in 
. (S.Naturredt.) T. 
hiöpnilofopbie, f. Naturrecht. 
besſtand, derjenige Zuftand, weldyer auf das Mecht gegruͤndet ift 
teen Beſitzſtande, der bloß tharfächlichen Ausübung gewiſſer Rechte, 
ſett wird. Zwiſchen den beiden Endpunkten des in jeder Hinficht voll: 
KRechts, welches in Beziehung auf äußere Gegenflände nur im Staate 
‚ und des von allem Recht entblößten, durch Gemalt, heimlidy ober bitt⸗ 
sten Beſitzes, Liegen noch mancherlei Abftufungen, bes juͤngſten ruhi⸗ 
uf einen Mechtstitel gegründeten, des umreblichen, welcher fid) der Un: 
ſeines Rechtstitels bewußt iſt, des redlichen, des durch eine Reihe von 
igeſetzten Beſitzes. Der bloße Beſitzſtand muß mit der Zeit in ben 
Wübergehen; unter welchen Bedingungen und in welcher Zeit dies aber 
MM, fanrı nur durch die pofitive Gefeggebung beftimmt werden. Je höher 
derfaſſung eines Volkes ausgebildet wird, defto länger werben die Zeit: 
ımeichen die Verjährung, oder jenet Übergang des Befigftandes in den 
R, vollendet werden kann. Sie rüden im roͤmiſchen Rechte von 1 und 
er 12 Tafeln fort bie zu LO (und gegen Abweſende 20) 3., bis zu 30 
& den Umftänden 40, gegen die römifche Kirche 100 J. Gar keine 
anzunehmen, wie im engl. Rechte, ift aber auch eine Unvolllommen: 
ehtöverfaffung. Dort gilt nur die fogen. unvordenkliche Verjährung, 
Ind, von welchem fich Fein Anfang, aber auch nicht einmal das ehema- 
weines entgegengefesten Zuſtandes nachweiſen läßt. Am widhtigften ift 
ſch zwifchen Rechteftand und bloßem Thatbeftand.in den Verhältniffen 
zung zu dem Volke geworben, indem hier fehr oft eine auf bloßer Gewalt 
stion beruhende Regierung (das Gouvernement de fait), welcher aber 
Seite und den Staatsbehoͤrden gehorcht wurde, von der eigentlichen recht⸗ 
Ieierung (dem Gourernement de droit), welche aber keine Macht be: 
Pichten gegen den Staat zu erfüllen, oder was eins ift, ihre Rechte in 
wöjuhben, getrennt und mit demfelben in Widerfpruch mar. Zu fügen, 
Aſtand hier ſogleich oder nie in den Rechtsſtand übergehe, und daß die 
ierung (von den Altern tyrannis absque titulo genannt) Feine gul: 
derbindlichen Staatehandlungen vornehmen koͤnne, führt Beides in die 
Mm Echroierigkeiten. Denn es gibt wenig Staaten in Eucopa, deren 
Recht in feinem Anfange von Ufurpation frei gemefen wire, und body 
Rd ſchwerlich einem verffänbigen Danne einfallen fönnen, die braun 
5 * 


68 Rechtswiſſenſchaft 


ſchweigiſche Dynaſtie in England, ſo lange noch ein Zweig des Hauſes Stuart leb 
für weniger legitim halten zu wollen a I&die capetingiſche in Srankreih. Di 
muß alfo, wie Kant ganz richtig bemerkte, dem Anfange einer Herrfchaft niı 
nachforſchen, fondern das Volk, welches zu Eeiner Zeit einer Regierung entbehr 
kann, ift berechtigt, ſich von derjenigen leiten zu laffen, welche die Gewalt, d. h. 1 
Mittel in den Händen hat, die Pflichten einer Regierung zu erfüllen, ohne b 
man darum fagen Eönnte, daß auch Alle verpflichtet feien, eine folche neue Reg! 
rung anzuerfennen. Daraus folgt aber auch, daß die Handlungen der ufurpirt 
Megierung wahre Staatshandlungen find und nicht unbedingt für ungültig geht 
ten werben Eönnen. In England exiſtirt ein Gefeg vom $. 1495 (11. Henr.VI 
ce. 1), welches alle Diejenigen von Verantwortung freifpricht, welche einer befl 
henben, ‚obgleith unrechtmaͤßig en Regierung gehorcht haben, und ſchon früher ha 
man unter Eduard IV. aus dem Haufe Vork noch Diejenigen beftraft, weldye | 
unter Heinrich IV. von Lancafter eines Hochverraths fehuldig gemacht hatten, ' 
gleich die drei Könige des Hauſes Lancaſter durch eine Parlamentsacte für Wi 
patoren erklärt worden wocıren. Es ift befannt, welche Schwierigkeiten in 
neuern Zeit in verfchiedenen Beziehungen über diefe Punkte entftanden find, -ı 
wie abweichend die Anfichten waren, welche von den Regierungen über die Guͤl 
£eit der Negierungshandlungen des Königs von Meflfalen, ded Großherzog 
Frankfurt, des Kaiferd Napoleon, aufgeftelit vourden. In Frankreich werben, 
gleich Ludwig XVIII. feine Regierungsjahre nicht von der Reftauration, fonk 
vom Todestage feines Neffen an zählte (wie Karl II. in England bie feinigen x 
Zode Karls I. an), dennoch alle Regierungshandlungen, Geſetze und Beſchl 
der Convention, ded Dirertoriums, der Confuln und des Kaiſerthums für recht 
ftändig anerkannt, inſoweit fie nicht durch neuere Gefege und Verorbnungen 
ruͤckgenommen worden find. u 3 
Rechtswiſſenſchaft (jurisprudentia, justi injustigue scienti: 
die aus ihren legten Gründen entwidelte Kenntniß des Rechts, und zwar m 
bloß nach den pofitiven Gefegen eines Staats, fondern an und für ſich, und uͤl 
haupt. Denn nicht bloß über Das, was in einem gegebenen Staate jest ale 
gilt, fondern auch darlıber, wie e8 Recht geworden iſt, und Uber was Recht 
foltte, muß die Rechtöroiffenfchaft Auskunft geben. Sie ift demnach eine en 
rifcherationale Wiſſenſchaft, indem eiherfeits die Kenntniß der menfchlihen 2 
hältmiffe, welche nur durch Erfahrung möglich ift, vorausgehen muß, wenn re 
liche Regeln für diefelben aufgeftellt werben follen, andrerfeits aber die Erfahr 
niemals binreicht, eine moralifche Nothwendigkeit, welche dem Begriffe des Ne 
zum Grunde liegt, darzuthun. Daher ift auch die geſchichtliche Behandlung 
Rechtswiſſenſchaft ebenfo unentbehrlich als die rationale, und jede für ſich al 
unzureichend. Es iſt anmöglich, die gegenwärtige Rechtöverfaffung eines Vo 
richtig zu verftehen, wenn man nicht die Hiftorifche Entſtehung derfelben und 
Urfachen Eennt, welche iht ihre jegige Geftalt gegeben haben. Allein durch die 
gefchichtliche Behandlung können niemals die allgemeinen Grundfäge entt 
werben, welche zur Fortbildung des Nechts, zur Abänderung der gefeglichen ' 
ftimmungen, welche mit veränderten factifchen Verhältniffen ihre Braudbaı 
verlieren, und zu Ausfüllung der Luͤcken und Berichligung der Fehler ganz un 
behrlich find. So wahr es auch iſt, was Schloffer, Hugo, v. Savigny und. 
Schuͤler (die ſich jegt den Namen der biftorifchen Schule fcheinen gefallen zu 
fen) behaupten, daß die Rechte eines Volkes nicht das ausfchließliche Product e 
beliebigen und willkuͤrlichen Aufftellung von Gefegen find, fondern daß vieln 
der größere Theil das Reſultat der in dem Volke ohne Zuthun eines Gefeggel 
bertfchend gewordenen Yegriffe von Religion, Moral und Recht ift: fo iftes I 
auch nicht minder wahr, daß eben biefe hoͤhern Quellen ber Gefepgebung nid) 


Rechtswiſſenſchaft 69 


enden Begriffen der Menge, wo ſie ſtets mit Vorurtheil und Irrthum 
ſind, ſondern nur in der wiſſenſchaftlichen Ausbildung des denkenden 
ten Theils der Nation zu finden ſind. Hier treffen ſie aber ganz mit 
mmen, was man gewoͤhnlich Naturrecht, Vernunftrecht, philoſophiſche 
ꝛe nennt, denn auch dieſe kann, wenn man nur das als gültig Anerkannte 
xerſteht, nichts Andres fein als das Ergebniß der‘geiftigen Cultur des 
a Durchſchnitt; nicht, wie Einzelne, vielleicht ihrem Zeitalter vorausei⸗ 
daſſelbe gedacht haben, aber auch nicht, wie die gedanfenlofe Menge c8 
a Vorftellungen aufgefaßt hat, fondern, wie e8 Eigenthum der Verftin: 
d Bebilbetern geworden ift. Hierin, db. h. in der philofophifchen Nedhts- 
‚ich num fehr Vieles, ja das Werfentliche faft ohne Ausnahme als gemein: 
? Überzeugung aller Zeiten und Völker nachweiſen, und die Verfchieden- 
he in den Anfichten darüber angetroffen wird, gilt weniger den Refulta= 
r Art ihrer Begrimdung. Die Sache felbft entroidelt fich aus den Tie- 
unfhlichen Natur, beren Geſetze ſtets diefelben bleiben und nur in der 
mg und in Nebendingen fich verfchieden zeigen koͤnnen. Daher läßt fid) 
rauf dem bloß empirifchen Wege der vergleichenden Rechtsgeſchichte ein 
ges Ganze folcher rechtlichen Wahrheiten auffinden, welche unter allen 
and zu allen Zeiten ald unabänderliche Grundlagen jeder möglichen 
faffung gegolten haben; die Philofophie aber, indem fie ben innern Zu: 
ang und die oberften Gründe derfelben nachweiſt, erhebt jene empirifche 
zur wiffenfchaftlichen Einficht und erweitert fie zu einem für alle Men⸗ 
igen Gefegbuche der Vernunft. Dies war und ift die Baſis aller pofi- 
be, und Beine Befeßgebung kann ſich von demfelben entfernen; fie ift um 
mener, je mehr fie mit demfelben übereinftimmt, und das pofitive 
mift nur ein Bemühen, jencd ideale Recht in immer größerer Reinheit 
ſeit auf Die vorfommenden Verhältniffe anzumenden. Dies macht fi) in 
m zu keiner Zeit fo von felbft, al man wol zuweilen gefagt hat, wenn 
Unternehmen der Gefegreformen (der Abfaſſung neuer Gefegbücher) als 
ig hat tadeln wollen; es ift vielmehr bei einer nothwendig gewordenen 
mg der Sefege, weil die beftehenben mit den Anfichten und Beduͤrfniſ⸗ 
ft nicht mehr in Einflang ftehen, dunkel, unvoliftändig, in einer frem- 
che abgefaßt find, neben dem, daß man die herrfchenden Anfichten über 
Hflicht in wiffenfchaftlicher Form auffaßt, auch eine rationale Thätig: 
heſetzgebers unentbehrlich. Die forafältigfte gefchichtliche Entwidelung 
doch nur den Standpunkt, auf welchem er jest fteht, nicht aber die Eleinfte 
g Über den Schritt, welchen er zunächft zu thun hat. Diefe rationale 
ag auf die Kortbildung des Rechts, welche ſich durch klares Bewußtſein 
de und Zwecke von dem ſtillen Einfluſſe der Sitten und Meinungen eines 
ae deutliche Vorſtellung eines Zieles unterſcheidet, hat auch von jeher 
tgeſchichte den meiften Stoff geliefert, und er muß mit der Gultur des 
kmer zunehmen, daher auch in den fpätern Zeiten die ausdrädliche Ge- 
) immer zunimmt (feibft bis zum Überfchreiten des rechten Maßes) und 
teigende Gefeggebung des Gewohnheitsrechts in immer engere Grenzen 
ſſen wird. Hiernach laffen ſich in der Rechtswiffenfchaft zwei Richtun⸗ 
ſcheiden, die hiſtoriſche und rationale, welche beide gleich nothiwendig und 
nbeten Juriſten unentbehrlich find, aber ſich auch gegenfeitig bergeftalt be: 
md ergänzen, daß jede ohne die andre einfeitig und ſelbſt ungeſchichtlich 
mal sugleidy werden muß. Die einfeitig gefchichtliche Behandlung ent: 
belebenden Geiſtes und des Zufammenhangs, weil diefe nur durd) das 
geben werben können, und fie verfällt unvermeidlich in ein Chaos Elcinli- 
Hheiten und zufälfiger willkuͤrlicher Syſteme, in ein Gewirre ohne Jack 


70 Rechtswiſſenſchaft 


und Folge, wie ein uͤppig wuchernder Haufen von Schlingpflanzen, denen 
fefterer Stamm Richtung und Haltung gibt. Dergleichen Einſeitigkeit iſt 
Schon in folchen rein hiftorifchen Werken, bei allem Werthe, welchen. fie durch 
nauigkeit und Gruͤndlichkeit fonft haben, nicht unbemerkt geblieben. So ift ff 
des großen Meifters von Savigny „Geſchichte des römifchen Rechts im Mitt 
ter” in ihren legten Bänden eine fehr unterrichtende Materialienfammlung 
die Literargefchichte des römifchen Rechts, aber weit entfernt Rechtsgeſchicht 
fein. Die bloß rationale Behandlung hingegen verliert, wenn fie ſich von 
hiftorifchen Standpunkte entfernt, den Boden, auf welchem fie doch den Weg ı 
fen foll, und veriret fih in das Phantaftifche, wovon fo viele philofophl 
Staats» und Rechtsſyſteme den Beweis geben. Die Trennung beider Rich 
gen der Rechtswiſſenſchaft darf alfo nur eine formale fein, und es ergeben 
daraus folgende Zweige berfelben: I. Rationale oder philofophifche Rechtsle 
Sie entwickelt das oberfte Gefeg des Rechts aus der menfchlihen Vernunft (ev 
Rechtslehre) und wendet folches auf die unter den Menfchen möglichen Verhaͤlt 
an (angewandte Rechtslehre). (S. Näturredt.) Ein befonderer Zweig di 
Wiſſenſchaft if die Philofophie des pofitiven Rechts, welche Einige, vor A 
Hugo, mit dem Namen Naturrecht bezeichnet haben und gewiffermaßen an 
Stelle beffelben fegen wollten. Sie hat wieder eine dreifache Richtung: a) ( 
bloß formale, werm fie nur den vorhandenen pofitiven Stoff in wiſſenſchaft 
Korm und Ordnung zu bringen ſucht. b) Eine univerfale, wenn fie unterfi 
was überhaupt unter den Menſchen in den verfchiedenen Zeiten und Ländern f 
ald Recht gegolten bat und gelten kann. Philoſophiſch iſt diefe Unterfud 
nur, wenn fie, von dem reinen Rechtsbegriff ausgehend, darauf gerichtet ift 
verfchiedenen Refultate nahzumeifen, zu welchen ein und derfelbe oberfte Gr 
faß führt, je nachdem er. auf verfchiedene Äußere Verhältniffe in den Stufer 
Gultur, in der Religion, dem Klima, den Belhäftigungen eines Volles c 
wenbet wird, indem z. B. das Eigenthbum unter einem Jaͤger- oder Hirte 
eine ganz andre Geitalt annehmen muß als in einem aderbauenden. Mo 
quieu's „Geiſt der Gefete” folfte diefen Zufammenhang zwiſchen den natürl 
Berhältniffen und den Gefegen darftellen, allein er faßte die Aufgabe etwas 3a; 
aus dem Standpunkte natlirlicher Nothwendigkeit. Das neuefte hierher geb 
Merk ift von Comte: „Traite de legislation‘ (Paris 1826 u. 1827, 43 de. 
Dieſe Philofophie des pofitiven Rechts hat den großen Nutzen, eine fehr gewoͤhn 
Taͤuſchung zu verhüten, durch welche man Das, was man in feinem germöhn! 
Geſichtskreiſe, welcher bei den Juriſten allenfalls noch das roͤmiſche Rech 
umfaßt, wahrgenommen, für allgemein und ſchlechthin nothwendig hält, ; 
Grundeigenthbum oder Privateigenthbum Überhaupt, eine Taͤuſchung, welcher 
Hugo in feinem „Naturrechte“ entgegenarbeitet. Aber man muß aud) den entg 
gefegten Fehler vermeiden, alle Einrichtungen, welche unter den Menfchen ı 
lich vorgefommen find, darum allein ſchon für rechtmäßig zu halten, wie SE 
rei und andre durch Eigennuß und Eitelkeit eingeführte und lange unterha 
Ungerechtigkeiten. ec) Phitofophifche Kritik des pofitiven Rechts. Diefe ni 
irgend eine beftimmte pofitive Gefeggebung zum Gegenftande, und unter 
theils ihre innere Rechtmäßigkeit, d. h. ihre libereinflimmung mit den Anfode 
gen der Vernunft und mit den unwandelbaren Principien der Gerechtigkeit, 1 
ihre Zweckmaͤßigkeit, ihre Brauchbarkeit für die Verhältniffe und Bedürfnif 
nes gegebenen Volkes, theild endlich ihre Übereinftimmung mit ſich felbft unt 
formale Vollendung. IL. Hiftorifhe Rechtswiſſenſchaften. Eine Gefchicht: 
in einem Volle geltenden Rechts ift eine der größten und würdigften Aufgabe 
den menſchlichen Geift. Zwar 1) Dasjenige, was man bie äußere Mechtögefd 
nennt, nämlich die bloße chronotogifche Aufzählung der Rechtsquellen, der G 


wien eines Xsolces deſtimmt werden, UND DIeje wieder mit der ganzen 
atut des Volkes zufammenhängen, ſodaß ſelbſt die Einſichten in die 
nſchaft einen fehr großen Einfluß auf die Vorſtellungen von Recht aus⸗ 
gt, daß jede rechtsgeſchichtůche Darſtellung im höchften Grade einfeis 
muß, wenn fie nicht immer ſich auf das Ganze aller diefer Momente 
fine wahre Rechtögefchichte ift daher nur möglich, wenn fie zugleich 
fhichte des Volks und des Staats, der Verfaffung, der Sitten, Res 
Philoſophie, des Landanbaus und der Gultur überhaupt gegründet ift, 
‚wie ſich verfteht, nur die Reſultate derfelben, nicht die Materialien 
d im der Darftellung mittheilen kann. Selbſt die Geſchlchte einzelner 
2, der Staatsverfaſſung, des Privatrechts, des Kiccyentechts u. f. w., 
den diefem hoͤhern Standpunkte aus aufgefaßt werben. Die Rechts: 
Raud) a) eine univerfale, welche ſich Uber alie Völker und alle Zeiten in 
!imfange der Rechtsverfaſſung verbreiten müßte. Diefe Aufgabe ift fo 
Keines Mannes Kräfte bei weiten nicht für diefelbe hinteichen, und 
er gelehrte Vereine, dergleichen chedem die Benedictiner in Frankreich 
Amer foldyen Arbeit gewachſen wären; ober erft dann, wenn bie einzel: 
beſonders bearbeitet find, die Zufammenfügung zu einem Ganzen mög: 
Die Werke von Goguet („De l’origine des lois, des arts et des 
Paris 1758, 3 Bde., 4.) und von Pafloret („Histoire de lögisla- 
4 1817—24, 7 Bbde., 4.) find unvolfftändig und von einer eigent: 
wsgefchichte in ber höhern Bedeutung noch weit entfernt. Zu einer 
Geſchichte einzelner Materien find neuerdings Verſuche gemacht wor: 
id von Gans („Das Erbrecht in weltgeſchichtlichet Entwidelung”, 
4,2 Bde.) und von Meyer („Esprit, origine et progres des insti- 
iciaires des prineipaux peuples de l’urope”, Haag 1819 fa., 
Dagegen ift b) für die Speciaitechtsgeſchichte einzelner Völker mehr 
Dos griechiſche Recht ift in den 3 legten Bbn. von Paftor.t abgehan⸗ 
in Deutſchiand an Schömann, Meyer, Platner, Heffter eifrige 
gefunden. Am meiften ift der Fleiß der Juriſten immer auf das roͤ⸗ 
K gerichtet gemefen, wo wir Bach, ‚Hugo, von Savign u. %. faum 


u mi 





72 Rechtswohlthaten 


Paris 1816) iſt doch noch nicht tief genug gefchöpft. Die Engländer habe. 
ältere, noch immer gefchägte Gefchichte ihres Rechts aus den Zeiten Cronm 
von dem damnligen Oberrichter Matth. Dale („History of the common is‘ 
England‘, zulegt 1794, 4 Bde.), neuerdings aber ein gruͤndliches Werk 
J Reeves („History of the english law”, 1814, 4 Bde.). Jetzt ift bie 
merkſamkeit auf die angelfächfifchen Gefege fehr angeregt worden (Pb 
„Geſchichte des angelfächfifchen Rechts”, Göttingen 1825) und befonders bie 
bifchen Rechte, welche durch ihre altgermanifche eigenthuͤmliche Ausbildung. 
großer Wichtigkeit find, haben früher an K. P. Ancher („Daͤniſche Recht 
ſchichte in feinen „Gefammelten Schriften”, Kopenh. 1807), und Kolderup⸗N 
ringe („Grundriß der dänifchen Rechtögefchichte”, überfegt von Homeyer, B 
1825) vortreffliche Bearbeiter erhalten. Zu erwähnen ift hier auch Ewers's8 
ältefte Recht ber Ruſſen in feiner gefchichtlichen Entwidelung dargeſtellt“ (De 
1826). — Die philofophifche und hiſtoriſche Behandlung der Rechtswiſſenß 
bahnt den Weg III. zu einer richtigen dogmatiſchen Darftellung irgend s 
Rechtsſyſtems, in welcher die allgemeinen leitenden Grundſaͤtze und die befon 
gefeglichen Beftimmungen in der Anwendung auf die vorfommenden Verhält 
entwickelt werben müffen. Diefe dogmatifche Darftellung ift a) encyEiopäk 
wenn fie das ganze Rechtsſyſtem in feinen Grundlagen umfaßt, wobei fie ſich 
nicht begnügen follte, nur die Dbjecte des Rechts in verfchiebene Abtheilunge 
bringen und von den hieraus entftehenden befondern Disciplinen des Staats⸗ 
Privatrechts kurze Umriſſe zu geben, fondern wobei beſonders die oberften Gr 
fäge, auf welchen ein jeder diefer befondern Theile der Rechtswiſſenſchaft bei 
und wodurch er ſowol von den übrigen weſentlich unterſchieden, als in ſich 
zur wiffenfchaflicher Einheit erhoben wird, dargelegt werden follten. Diefer } 
ſuch ift, einzelne Bemerkungen abgerechnet, noch nicht ein Dal gemacht wor 
b). Die dogmatifche Behandlung einzelner Rechtstheile ift bald eine compenbiarl 
deren Hauptverdienft in ſcharfer Beftimmung der Begriffe und confequenter | 
widelung derfelben beftehen follte. Allein feit einigen Jahrzehenden find leider h 
Jurisprudenz mehr als in irgend einer andern Wiffenfchaft fogenannte Grunl 
Mode geworben, weiche ohne alle reale Erklärung nur ein Fachwerk aufflı 
welches gewoͤhnlich nur mit Büchertiteln ausgefüllt if. Einige davon find 
in der That durch Reichhaltigkeit und Genauigkeit auögezeichnet. c) Ausfühı 
Merke bald in ber ehedem beliebten Form von Gommentaren zu einem gangl 
Compendium, bald als felbftändige Syſteme haben wir über die meiften Zr 
der Rechtswiſſenſchaft erhalten. d) Große Nepertorien, wie das franzoͤ 
große „Repertoire universel” von Merlin (4. Ausg., 18 Bde., 4.), oder das 
größere engl. „General abridgment” von Viner (1741, 24 BVe., Fol.) 
welche ſich wenn fie gut find noch mehr, als wenn fie ſchlecht find gegen fie | 
laͤßt, haben wir in Deutfchland feit Müller’d „Promtuarum juris‘ (1785 
Bde, und 1791, 7 Bde., 4.) nicht erhalten. 3 
Rechtswohlthaten (benefieia juris), gewiffe Rechtsbehelfe, mol 
Jemand, werm er davon Gebrauch machen will, den Schaden von ſich abwe 
kann, welcher ihn durch Erfüllung einer Verbindlichkeit nach der Strenge 
Rechts treffen würde. Dahin gehören das heneficium oder jus deliber 
(die Rechtswohlthat der Bedenkzeit), vermöge deren ein Erbe eine Zeitlanc 
Beſtand der Erbſchaft unterfuchen und überlegen kann, ob er fie antreten will 
nicht; dieſe Zeit beträgt, wenn eine Erklärung deßfalls verlangt wird, ein. 
wenn aber Eeine verlangt wird, 30 Jahre; — das beneficium inventarii, 
die Rechtswohlthat des Nachlaßverzeichniffes, welche den Erben berechtigt, 
die ihm zugefallene Verlaſſenſchaft ein gerichtliche8 Verzeichniß verfertigen z 
fen, und, wenn er die Erbſchaft nach demfelben angetreten hat, nidyt mehr € 


Recidiv Recitativ 73 


m zu dürfen, als fo weit bie Erbmaffe hinreiht; — das benefieium 
idiae, dad Recht cined Zeflaments = oder Inteſtaterben, in gewiſſen 
unter gewiffen Bedingungen, von jebem Vermaͤchtniß, Singularfidei- 
ad von der Schenkung einzelner Sachen oder des ganzen Vermögens 
desfall fo viel abzuziehen, daß ihm der vierte Theil der Verlaffenfchaft 
alcidia) übrigbleibt; — das bencficium restitutionis in integrum 
utioete); — das beneficium cedendarum actionum, das Recht 
2, von dem Gläubiger zu fodern, daß er ihm erſt feine fämmtlichen 
mten Schulbner abtrete, bevor er denfelben bezahlt; — das benchi- 
ionis, das Recht eines folibarifhen Bürgen, der für die ganze ver: 
mid in Anſpruch genommen wird, zu verlangen, daß feine Ditbürgen 
ua berbeigezogen werben; — das beneficium ejurationis, die einem 
dem feine Gläubiger die Abtretung feiner Habe nicht verftatten wol 
mde Rechtswohlthat, eiblich zu verfichern, daß er nichts von feinem 
bei Seite gefchnfft habe, oder daß er überhaupt nichts befige; — das 
‚excussionis, dad dem Bürgen verliehene Recht, ben gegen ihn kla⸗ 
ubiger zundrderft an den Hauptfchuldner zu verweifen, um von diefem 
ang beizutreiben; — das benchiciun S, C. Trebelliani, dag Recht 
gerben, bei der Reftitution der Erbſchaft den vierten Theil zuruͤckzube⸗ 
m ihm diefer nicht ſchon ungefürzt von dem Erblaffer hinterlaffen wor: 
- 238 benelicium S. C. Vellejani, das Recht eines Frauenzimmers, 
tgfhaft geleiftet hat, nicht nur eine beftändige Einrede, wenn fie des 
t wird, entgegenzufegen, fondern auch das ſchon Bezahlte mit der con- 
ii zuruickzufodern; — das benelicium separationis , bie Rechtswohl⸗ 
w die Geſetze folhen Concursgläubigern, die bereits Gläubiger des 
des gegenwärtigen Gemeinſchuldners waren, und durch deffen Ermwer- 
ieſchaft auch feine Gläubiger geworben find, verliehen haben, vermöge 
GSlaͤubiger die Abfonderung ber Erbſchaft, ſammt dem nad) dem Tode 
j noch dazu Gekommenen, von dem Dermögen des Erben und Ge- 
xs fodern können, um daraus, mit Ausfchliefung der Gläubiger des 
Befriedigung zu erhalten; — das beneficium competentiae (f. Com: 
— das beneficium cessionis bonorum (f. Cessio bonorum); 
meficium particularis solutionis, das Recht eines unglüdlichen 
z, terminweife, nöthigenfalls nach des Richters Beflimmung, zu be: 
-da8 beneficium dationis in solutum , dad Recht eines zur Erecution 
Echuldners, die beften feiner Sachen zur Befriedigung des Gläubigers- 
gzu bringen; u. f. w. 

div, f. Ruͤckfall. 

ipienten, Vorlagen, find Werkzeuge, deren man fich Jin der Erpe- 
Me und Chemie bedient, um flüffige Materien einzufammeln oder ein: 
‚3.3. die gläfernen cylindriſchen Gefäße, die bei Unterfuchungen ber 
ber die Löcher des Traggeſimſes der pneumatifchschemifchen Wanne an: 
mb, nachdem fie die Gasflüffigkeit aufgenommen, mit Waffer ober 
tgefchloffen werben. Auch die Glasglocke an einer Luftpumpe ift ein 
Ferner benennt man alfo dad Gefäß, das beim Deſtilliren mit dem 
Dalfe der Retorte verbunden wird, und beflimmt ift, den Stoff aufzu- 
er durch die Deftillation aus dem alfo behandelten Körper gewonnen 
e Form des Retipienten richtet ſich nach dee Verfchiedenheit der Arbeit, 
ex gebraucht wird. Die Chemiker bedienen fich, der Ducchfichtigkeit 
Enur glaͤſerner Recipienten. 

itativ iſt ber zmifchen der Mede und dem vollkommen entwidelten 
gende muſikaliſche Vortrag, und ein Recitativ iſt ein Mufitfag, in 


74 Recitativ 


welchem dieſer Vortrag herrſchend iſt. Zunaͤchſt gehört alſo das Recitativ 
ſangmuſik an; das Inſtrument kann jenen Vortrag nur ſchwach nad 
nämlich in feinen gewoͤhnlichen Gängen und Wendungen, nicht in feiner 

chen Bedeutung als Deciamation beftimmter, Begriffe bezeichnender Wor 
Recitativ nach der obigen Beftimmung nähert fi der Rebe oder dem Sp 
trage durch Freiheit der Bewegung und Tonverbindung, welche durch der 
des Vorzutragenden beftimmt iſt. Es hat daher das Recitativ an fich Fein 
gen Takt und Rhythmus (mar der Überficht wegen und um das Zeitverhaͤl 
Toͤne zu einander auf ungefähre Weife zu beſtimmen, wird es in Takt u 
ſtens in Viervierteltakt gefchrieben); die Dauer der Noten, In welchen bi 
tatio verzeichnet wird, iſt daher nicht pünktlich zu beobachten, und auch 

fchnitte des Vortrags werben durch den Sinn des Textes beftimmt. Die 
rechnung iſt überhaupt abmwechfelnder und unbeftimmter. In feiner Ann 
an ben Rebevortrag ift das Recitativ daher auch vorherrfchend folfabifcher | 
d. h. jede Sylbe erhält in der Regel nur einen Ton, und die Töne felbfl 
kuͤrzer angegeben als im ſtrengen Geſange. Es gibt daher ferner in der 
tativ feine fo beſtimmte, ausgebildete Melodie und regelmäßige Mobulati 
Tonfolge naͤmlich oder das Heben und Sinken der Stimme richtet fich e 
mehr nad) der durd) den Sinn und die grammatifche und profobifche Befche 
der Worte beftimmten Geltung, und der Vortrag kann nad Beſchaffen 
Textes durch verfchiedene Tonarten freier hindurchgehen. Won der gefpt 
Mede aber entfernt, und dem Gefange im eigentlichen Sinne nähert fidy d 
citatio dadurch, daß es vorherrfchend mufikalifche Töne, Toͤne von bef 
Höhe und Tiefe find, in welchen es vorgetragen wird — (id) fage vorher 
weil es eine Art von fogenanntem parlanten Recitativ, in der Opera bufl 
gibt, wo bie Gefangtöne ganz in Sprachtöne Übergehen) —, daß es bahn 
die Accente, welche der Tert fodert, beftimmter und Eräftiger als der Rede 
bezeichnet, und vermöge des Intervallenverhäftniffes eine mufikalifche Bey 
und einen Wechfel der Harmonie, wenigftene im Ganzen, zuläßt. Da, we 
noch mehr dem ausgebildeten Gefungftüde in Hinfiht auf ſtrengen T 
Melodie nähert, entfteht dad Ario ſo. Kurz, das Recitativ verbindet die 
des Nedevortrags mit der Kraft, durch welche der Gefangsvortrag die ? 
accentuiren vermag, es iſt eine Declamation in muſikaliſchen Toͤnen. €: 
tet ein, baß fich zu diefem Vortrag nun auch am meiften ein freier Text eig 
ztifchen der profaifchen Rede und dem Iprifchen Gedichte liegt. Sein Ir 
daher zundchft die Erzählung und poetifche Neflerion. Sein freieres Fort! 
eignet das Mecitativ aber auch zu ſchnell wechfelndem inhalt. Es kann d 
wol den ruhigen einfachen Bericht, wie die bewegte Schilderung und das 
vorübergehende Gefühl ausfprechen, den gleichmäßigen und ausgebildet: 
druck einer verweilenden Gefuͤhlslage einleiten, die auf einander folgende 
rungen verfchiedener Perfonen gegen einander ausfprechen, wodurch der elı 
Dialog fid bildet, und damit auch die fortfchreitende Hanblung in einem 
lifhen Drama vermitteln. Es tritt aus diefem Grunde aud) in ben GC: 
Dratorien und Opern zwifchen die Geſangsſtuͤcke im engem Sinne (%ı 
mehrftimmige Stüde), und iſt gleihfam die Profa der Muſik, womit e 
ſchon von ber gemeinen Profa abgefondert ift. Zugleich dient es dadurch 
wechſelung, indem es als freierer Vortrag die regelmäßigen und ausg 
Mufitftüde unterbriht. Wie ferner die rhythmiſchen und melobifchen 

des Recitativs, fo find auch die poetifchen Kormen ſeines Textes minder fire 
gebildet; der Rhythmus darf freier und abwechſelnder fein, und bedar 
kuͤnſtlichen Metrums. Man unterfcheidet als Arten des Recitativs das ı 
von Einigen auch das parlante genannt, und das accompagnirte oder richti: 


Recitiren Recke 75 


ı einfachen Recitativ findet. nämlich, auch Begleitung ſtatt, allein fie 
d einfachen Accorden, welche anhaltend oder abgebrochen und zwar 
noforte oder Flügel, oder dem Streichquartett angegeben werben. 
tm Recitativ hat die Inftrumentalbegleitung eine größere Bedeu: 
hier zwiſchen den Vortrag, verfiärkt die Empfindung, malt fie aus, 
ie Urfachen und Gegenftänbe derfelben, mechfelt oft geſpraͤchsmaͤßig, 
m fireitend, mit der mufifalifchen Recitation ab, und bedient ſich zu 
{aller dazu geeigneter Orcheflerinftrumente. Das obligate Recita- 
n Mitteln, die ed umfaßt, nur für eine ſtaͤrker und lebhafter wech⸗ 
bang anwendbar; das einfacdye mehr für reflectirende, ober rein 
'tellen und Übergänge. Da das Recitativ ein freier mufifalifcher Vor: 
ddiefer von dem Componiſten mehr angedeutet ale beſtimmt verzeich⸗ 
ber dem Sänger in diefem Vortrag bie größte Freiheit in Beziehung 
bewegung und Melodie gelafien. Im Allgemeinen muß diefer da= 
; fein Vortrag im Recitativ im Charakter dag Textes, gleichfam ale 
ide oder ein dem Sprechen äbnlicdyer Vortrag erfcheine und ſich der 
ungebundenen, nur durch muſikaliſche Töne verftärkten Declama⸗ 
3 weßhalb aud) Verzierungen im Recitativ von fehr befchränkter 
ad. Es kann dagegen in ſchneller und langfamer Bewegung hier freier 
beſchleunigen, bald anhalten, bald Elrzer, bald länger auf Noten ver= 
Maßgabe der Worte bald einen laͤngern Ruhepuntt, der aber durch 
wich Geltung der Sylbe und Bedeutung des Begriffs ſich rechtfer⸗ 
menden. (S. Cadenz.) Damit der Vortrag in Übereinftimmung 
ıvorgefchriebenen Accompagnement, fo bedarf der Sänger zum Reci⸗ 
harmoniſchen Kenntniß. In Dinfiht auf die Begleitung muß er, 
hei dem obligaten Recitativ, das Orcheſter ſtets im Auge haben, da⸗ 
ig einfallen und gewiſſe Uccente des Vortrags verſtaͤrken kann, 
uch ergibt, daß beim obligaten Recitativ der Sänger weniger unge: 
Bheim einfachen. Endlich, erfodert das Mecitativ fhon dem oben ent: 
wiffe nad) ein deutliches Ausfprechen ber Worte, und feine vorzuͤgliche 
Drama, die Handlung fortzuleiten, erhöht diefe Foderung. Leich⸗ 
Boch den füblichen Völkern, insbefondere den Stalienern, durch ihre 
Foderung zu erfüllen, als den nörblidyen; gleichwol da die Deat⸗ 
ber infirumentirte Recitativ häufiger anwenden als die SStaliener, fo 
he Sänger um fo mehr nady verftändlicher Ausſprache ftreben, weil 
Edes Vortrags verloren geht. Der recitativifche Vortrag ſcheint weit 
ausgebildete Sefangsvortrag zu fein. In der neuern Zeit rühmt 
Pefi, Euccini und GI. Monteverde als diejenigen Componiften an, 
we Recitativ vorbereitet haben; ferner Ceſti und Giacomo Gariffimi, 
wellmeifter in der erften Hälfte des 17. Sahrh., als Verbeſſerer def: 
ud. 4. Oper.) Das obligate Recitativ follen Leon. da Vinci und 
ı zuerft angewendet haben. Im großen ausdrudsvollen Recitativ 
Iund Gluck Meifter. In der neuern Oper glänzt Mozart auch 
ht. Dean denke an fein Recitativ zroifchen Zamino und dem Prie: 
ı Act; und an das große Recitativ im Don Juan: „D Dimmel, 
x., twelches der Donna Anna Erzählung von Don Juan's naͤchtlichem 
He; letzteres ift obligat. T. 
iren, f. Declamitren. 
(Elifa von der; Elifabeth Charlotte Gonftantia, Frau v. d. Ned), 
beichsgrafen Friedrich von Medem, geb. den 20. Mai 1756, in Kurs 
gechmütterlihen Gute Schönburg, ward, als fie, kaum zwei. Jahre 
uiter, eine geb. von Korff, verlosen hatte, von ihrer Großmutter, 


76 Rede 


Mitwe des Staroften von Korff, erzogen. Diefe hielt, als Gebieterin Ki 
dehnte Befisungen, fehr auf Zucht und Ordnung und zwar mit einer 
welche bei leicht erregbarer Leidenfchaftlichleit bisweilen in Härte aus— 
die Hausgenoffen durch Lift und Verftellung auszumeichen fuchten. De 
lige Einfluß ſolcher Verhaͤltniſſe ward jedoch von dem zarten Gemüthe di 
durch eine Wärterin gluͤcklich abgewehrt, deren. fromme Erzählungen ib 
zen zuerft die religiöfe Richtung gaben. Nur in der geiftigen Ausbift 
Elifa zuruͤck, weil.man fie meift ungefchiditen oder nachläffigen Lehren 
und ohne Prüfung ihr allein die Schuld" beimaß. In einer fo ungünfll 
weldye eine Erankhafte Stimmung in ihrem weichen Herzen zuruͤckließ 
das elfte Fahr erreicht, als die dritte Gemahlin ihres Vaters fie in dad 
Haus zurüdfoderte und ihre Unterweifung größtentheils felbft uͤbernah 
entfaltete fi) ungehindert und ſchnell ihr Gemuͤth gleihmäßig mit ihren 
Kräften. Sie war noch nicht 15 Jahr alt, als bie Anmuth und ber Lie 
ſchlanken hohen Geſtalt häufig junge Männer herbeizog, die um fie warb 
Fumilienrudfihten vermodhten die fonft fo vortrefflihe Stiefmutter, 
Etifa (1771) mit einem Freih. v. d. Rede zu vermählm, deffen Art zu 
der ihrigen im greliften Widerfpruche fland. Im zweiten Jahre ihrer € 
fie Mutter einer Tochter; allein die ehelichen Verhaͤltniſſe blieben za 
Einfam in einem oͤden Schloffe fand fie nur Unterhaltung In ideenreichen 
und in den Troͤſtungen der Religion. Dies gab ihren ſchon früh entw 
men Gefühlen eine gemwiffeliberfpannung, die ihre Stellung zu einem. 
jeber geiftigen Erhebung feindlich gegenüberftand, noch peinlicyer macht 
Giährigem Dulden erfolgte enblich eine Trennung, welche Frau dv. b. 
doch, fo lange fie konnte, in Beine foͤrmliche Scheidung verwandeln ließ, 
foderungen zu einer anderweiten Verbindung auszumeichen. Sie lebte jei 
tau ganz zuruͤckgezogen, ihrer Tochter umd ihrer eignen Ausbifbimg. 
kanntſchaft mit den alten claffifchen Schriftftellern verbantte fie Ihrem 
Joh. Friedrich v. Medem, den fie jedoch durch den Tod verlor. Kurz we 
ihre Zochter (1777). Diefe beiden harten Schläge des Schickſals gaben 
tung ihres Geiſtes zu der Geifterwelt einen noch Höhen Schwung, den € 
der damals nad) Mitau gekommen war, ſchlau benugte, um fie durch das B 
anſichzuziehen, daß er fie des Umgangs mit den Genoſſen der Verkiitume 
tig machen Eönne. Obwol mit Vorſicht, traute fie anfangs den Kü 
Gauklers; der Betrhger wurde bald entdeckt, aber von bem Wahnglau 
Möglichkeit eines nähern Umgangs mit abgefchiedenen geliebten Men| 
Frau v. d. Rede nicht fogleich geheilt. Ihre Gefundheit litt, und der Aı 
fie nach Karlsbad. Auf der Reife wurde fie mit Spalding, Teller, Zoͤlln 
lat, den Miniftern Struenfee und Heinig, mit Biefter, Bürger, d 
Stolberg u. A. bekannt, deren Umgang ein erhellende® Licht in den A 
mpftifchen Sdeen warf. Beſonders gab iht Bode in Weimar Über bie 
verberblichen Zwecke der Menfchen, denen Gaglioftro diente, die vollſt 
rung. Sie fchrieb ihr Buch über Gaglioftro, das mit allgemeiner ® 
gelefen und auf Befehl der Kaiferin Katharina ins Ruffifche uͤberſetzt wu 
dieſer Monarchin eingeladen, ging die Verfafferin nach Petersburg, wi 
reich aufgenommen und beim Abfchiede mit dem Niefbraucdhe des Gut 
grafen in Kurland auf ihre Lebenszeit befchenkt wurde. Dies befreit 
druͤckenden Sorgen, mit denen fie bei ihrem’ geringen mütterlichen Wer 
kaͤmpfen gehabt. Die edle Frau zog felbft dahin, um die fittliche umd 
Lage der ihr anvertrauten Unterthanen zu verbeffern. Well es an einer | 
lichen Behaufumg fehlte, fo bezog fie eine Gefindewohnung, eine Hütte 
Dütten ihrer Bauern, um den Bedürfniffen berfelben recht nahe zu fein. 


Reckum 77 


der Erziehung junger Maͤdchen. Nie foderte ober empfing fie für 
ob. So hat fie eine bedeutende Anzahl Pflegetöchter gebilbet, 
Sattinnen und Mütter geworden find. Ihre Kränklichkeit machte 
reifen nothwendig, wodurch in die Plane mit ihren Gutsunter⸗ 
Störung kam, obgleich fie ihre Stellvertretung bei denfelben der 
ge anvertraute. Da Karlsbad Feine gründliche Heilung ihres lei: 
$ bewirkte, fo ward ihr eine Meife in ein milberes Klima empfoh⸗ 
der Aufenthalt in Italien, fo wohlthaͤtig er auf die Hauptquelle 
en, auf die Nerven einwirkte, gab ihr nicht vollftänbige Heilung. 
fiel in die Zeit des Kriegs 1806, umd die Auftritte des Schredeng, 
a Theil Augenzeuge war, riffen in ihrer Gefundheit wieber nieder, 
lüfte unter dem italiſchen Himmel enıporgepflegt hatten: Frau v. 
ta. diefe Reife befchrieben (Berlin 1815 fg., ins Kranz: überf. von 
sier). Der Hauptgebante ihre® Buche iſt eine durch das ganze 
tinende Feier des evangel. Proteflantismus in feiner ernflen, er- 
ebenden Würde. In Verbindung mit der Schrift über Caglioſtro, 
8 über ben Oberhofprediger Start in Darmſtadt“ gefchrieben, 
Katholik geftorben if. Das Leben Neander’s, der fehr.viel zur 
erichtigung ihrer religisfen Überzeugungen beigetragen, fchrieb fie 
Zode 1803. Gleichzeitig mit dem 1. Bde. ihrer Reife erfchien 
a Gedichte, herausgegeben und mit einem Votworte von Ziege. 
Gebete und ascetifche Betrachtungen von ihr flehen in dem von 
em Halle beforgten „Sahrbuche für haͤusl. Andacht”. Seit 1818 
ezegen in Dresden, wo fie in einem Kreife würdiger Freunde ihre 
u Tage verlebt. Um den Unterftügungsfonds für junge in Leipzig 
ben zu vermehren, erfchien ihr fchon vor 32 J. auf der Inſel Al⸗ 
der fuͤrſtl. Familie Holft.: Auguftenburg verfaßtes Schaufpiel 
y oder Entwidelungen auf bem Maskenballe“ (Epz. 1826). Mehr 
iefer allgemein hodhverehrten Frau, die, was den Blauben ftir: 
n zur Andacht erheben kann, in ihrer Gchrift .„Gebete und relis 
gen‘ (Berlin 1826) ausgefpsochen hat, fagt ein trefflicher Auf: 
itgenofſen“, Heft XI, und das „Leben der letzten Herzogin 
Rartand‘‘ (der Halbſchweſter der Frau v. d. Rede), von Tiedge 


(Andreas von), koͤnigl. bairifcher Geheimerath und Commandeur 
Borbens, geb. zu Grünftadt in-Mheinbaiern 1765, warb von ſei⸗ 
Gutsbefiger war, forgfältig erzogen, dann unter der Leitung dee 
keimann und des nachmaligen badifchen Schuldirectors Alth in 
aftlih ausgebildet, flubirte auf der hohen Schule zu Mainz, . 
Veihe — Subdiakonat — im 21. Jahre, wurbe Gtiftscapitular 
bie. Damals erichienen von ihm einige Abhandlungen über ver: 
Mänbe aus ber beutfchen Reichsgeſchichte und dem beutfchen 
Rady erhaltener Dispenfatien vom Subdiakonat, die ihm der Erz⸗ 
in, in Solge bes emfer Congreffes, ohne päpftliches Zuthun, er: 
er dem Erzbiſchof fein Kanonikat, und trat als Oberbeamter zu 
Dofgerichterath zu Manheim in Eurpfalgbairifche Dienfte. R. 
jetze; aber ein Jahr nady ber erzbifchäfl. Dispens erfchien eine 
siche diefe für ungültig und folglich die Heirath des R. für nichtig 
m der Dof in Münden dem römifchen Stuhle ganz ergeben war, 
keit R. feine Dispens in Rom und damit feine Wiedereinſetzung 
Aut. Auch beſtand ber römifche Hof auf einer zweiten ehelichen 
ed darauf erhielt R. die Oberbenmtenflelle in Simmern auf dem 


78 Reclama Recognition 


Hundsruͤck, wo er den eben ausgebrochenen Aufftand ſtillte und um bie 
cultur durch die Urbatmachung mehrer taufend Morgen oͤden Landes, Ele: 
bes Kleebauß ıc., ſich verdient machte. Bei dem Einruͤcken der Franzoſe 
verließ er auf Befehl feiner Regierung, wie alle auf dem linken Rheinufe 
flellte kurpfaͤlziſche Beamte, fein Amt, vollzog dann einen Auftrag bes E 
Minifteriums bei. ben franz. Gefandten Barthelemy in Baſel, und war 
bei den Gapitulationsverhandlungen wegen Manheim gebraudyt. Die 
Intereffen verlegenbe Capitulation felbft ward ohne feine Theilnahme aby 
fen. 1797 zum Präfidenten der in Kreumady errichteten einflweifigen Ba 
gierung emannt, teug IR. mit dazu bei, daß die von den franz. Megierue 
miffarien als Ausgewanderte behandelten Abeligen bes linken Rheinufers 
Güter wieder eingeſetzt wurden. Seit 1798 Centralverwalter in Koblem; 
Bezickepräfeet.in Simmern, wo.er fchon damals die Vereinigumg beider pri 
tifhen Culten — obgleich ohne Dauer — bewirkte, wurde er 180% um! 
zum Mitglied bes Geſetzgebungskoͤrpers in Paris erwählt, vom Kaifer' ab 
Baron und Ritter der Chrenlegion erhoben. Herr v. R. blieb Mitglied & 
feggebung bis 1814, und war einer von den 770, welche Napoleons M 
fegung unterzeichneten. Während feiner Dienftverwaltung, in der er de 
Iandwirtbfchaftliche Verbefferungen bewirkte, und nachher gab v. R. 14 w 
dene Schriften über die ftatiftifchen und volkswirthſchaftlichen Verhaͤlnt 
linten Rheinufer heraus, in welchen er al& erfahrener Gefchäftemam und 
wirth Manches vorfchlug, was in der Ausführung ſich bewährte. 1810 
nahm er daB Schuldenliquidationsgefchäft für da6 Königreich Wälern in 
deffen Vollendung durch den Vergleich vom 25. April 1818, feine Erna 
zum koͤnigl. bairifchen Geheimenrathe und Gommandeut bed Civitverbienf® 
zur Folge hatte. Hr. v. R. lebt gegenwärtig theils in Manhelm, theil® auf - 
durch Natur und Kunft geſchmuͤckten Landgute in Kreuznach. ' 
Reclamn, der Anſpruch, wodurch Dinge, die genommen toorben, | 
gefodert werden, und auf die der Eigenthuͤmer feine Mechte gültig macht: 
Häufer « und Gütervertäufen, deßgl. bei der Schifffahrt, wo es ſich oͤfters 
dag Schiffe von Capern genommen werden, wenn fie auch mit güftigen ! 
verfehen waren, tritt dad Reclama ober bie gerichtliche Zuruͤckfoderung haͤuf 
Recognition, Anerkennung (jw.), das Anerkenntniß einer Perfi 
ner Sache, einer Schrift vor Gericht, für Dasjenige, wofür fie ausgegeben 
Man recognofelrt einen Menfchen, mit welchem man in Berührung gefomm 
eine Leiche fuͤr den Körper eines beftimmten Menſchen, eine Sache als fein | 
thum. Nach den Umftänden enthält alfo eine ſolche Recognition bald eine B 
tung, welche ertviefe werben muß, bald: ein Geſtaͤndniß. Im erſten Fall 
fie daher der Regel nad) mit einem Eide bekräftigt werben, um als glaub 
928 Zeugniß zu gelten, 3. B. wenn Jemand einen Andern ald Denjenigen, | 
beraubt bat, eine Sache ale bie ihm geftohlene vecoghoßcitt; im legten 
bringt die Anerkennung felbft ſchon, indem ic) eine von mir außgeftellte € 
recognoscire, bie Wirkung eines Beweismittels hervor. Wenn diefe Reco; 
verweigert wieb, fo genügt in der Regel nicht die bloße Angabe, fondern « 
ein Eid hinzukommen, daß man die vorgelegte Urkunde nicht gefchrieber 
amterfchrieben habe, noch habe fchreiben oder unterfchreiben laſſen, der Diffe 
eid. Die Gerichtsorbnungen find über die Wirkungen biefes Diffitirent 
gleich; nach einigen geht nur die Urkunde verloren, nad) den meiften die 
durch diefelbe begründete Foderung. In Sachſen muß eine jede, aud von 
Dritten gefehriebene Urkunde recognoscirt ober biffitirt werben; außer Sad 
ein Jeder nur ſchuldig, ſich auf folche Weife Über feine eignen Schriften zu 
ven. Der Resognition find öffentliche Urkunden nicht bebürftig; fie gelten 


Kecognofciren Redacteur 79 


Caien und fehlerhafte Urkunden ſind derſelben der Regel nach nicht 
tt ber Recognition kann Derjenige, welcher ſich auf eine Urkunde beru⸗ 
Heinen foͤrmlichen Beweis führen, daß ſie von dem angeblichen Aus⸗ 
virklich geſchrieben worden. 37. 
gzuoſciren, in militaitiſcher Hinſicht, heißt, ſich von der Stel⸗ 
Br oder der Natur irgend eines Gegend durch eigne Anfhauung 
Es if eins ber wichtigften Gefchäfte der Kriegführung und muß 
Ier mmbebeutenbften Unternehmung voraudgehen, Geſunder Blid, 
ige und fcharfe Beurtbeilungsfähigkeit, genaue Kenntniß der 
PR bes Kriege überhaupt, werden unumgaͤnglich dazu erfobert. Die 


men werben, in der Nähe der feindlichen Stellung, nicht felten felbft 


he Unternehmung, zu welcher ſtarke Truppenabtheilungen ausruͤcken, 
Ksynofcirenden zu deden, ald aud) den Feind aufzuſcheuchen, Bes 
when u. f. w. 

llectinnen, f. Sranciscaner und Ciflercienfer. 
avention, Widerklage, iſt die Klage, welche der Beklagte gegen 
in demſelben Gerichte anſtellt, in roelchem die Klage gegen ihn ſelbſt 
id, weil man glaubt, daß ein Jeber, mo er gegen einen Andern Recht 
a a zu Recht ſtehen muͤſſe. In einigen Laͤndern iſt das Recht der 
mf connere Sachen beſchraͤnkt. 

ificiren, eine durch Deſtillation erhaltene Fluͤſſigkeit durch nochma⸗ 
km von den ihr noch beigemifchten fremdartigen Theilen reinigen. Da 
Istionen oft gefchieht, dag mit der zu erhaltenden Fluͤſſigkeit fich noch 
BR hinein gehörende Dinge zugleich in dem Recipienten einfinden, fo 


sen dem eigentlidyen Stoff nur durch nochmalige® Deſtilliren entfernt 
Be.alfo zum zweiten Mal behandelte Fluͤſſigkeit heißt ‚eine rectificirte, 


BBeanntwein rectificiet genannt wird, wenn ihm durch wiederholte De⸗ 
erigen heile genommen worben find, die bei des erften Deſtillation 
Recipienten) mit übergegangen waren. — In der Mathe: 
man unter Rectification die Verwandlung eines. Bogens 
m Linie in eine ebenfo lange gerabe, ober, was Daffelbe fagen will, 
Ausdrudes bes Bogens in Zunction der: ihn begrenzenben Coor- 
g bazu ertheilt bie Höhere Analyſis (f. d.) 

88 (jur.), zuweilen fo viel als Regreß(ſ d.)s.aber auch eine Ber 
uche bei bern hoͤhern Richter ober. einer andern Staatsbehoͤrde gegen 
meiner andern erhaben mird. &o hatten fonft die Reichsftände, wenn 
‚ baf bie Meichögerichte die Grenzen ihrer Befugniffe uͤberſchritten, 
an den Reichstag, damit diefer das Reichskammergericht oder den 
h zur geſetzlichen Ordnung weiſe. Sin einigen Laͤndern ſind Recurſe 
ehesmittel (f.d.), z. B. in Preußen in geringfügigen Sadın, wo 
ten, ſondern bloßer Recurd zulaͤſſig iſt. 

steur. Bei literariſchen Unternehmungen, ju deren Yusfükuing 
keller und Gelehrte erfobert werden, find ein oder nach Verhältnig 
6 und der Ausbreitung des unternommenen Werks auch mehre Ne⸗ 










ig, die an der Spitze des ganzen Unternehmens fteben, baffelbe nach 


mten Plane fortführen, die verfchiedenen Beiträge der Mitarbeiter 
wechhfehen und fie der in der Anlage des Werks angenommenen Ord⸗ 


enruden. Kenntniffe, Geſchmack, Belefenheit, befonderd aber - 


M in Betreff der Unfichten einzelner Schulen und Spfteme find 
iffe eines guten Mebacteug6, ber bei feinem Gefchäft mit möglichfter 
den muß, da aufihn bie Berantwortlichkeit zuruͤckfaͤllt, wenn in dem 
egten Werke Aufiäge vorkommen, bie gegen Sitte, Religion, Geſetze 


—— 


80 Rede 


_ u. f. w. verflogen. — Nedaction iſt ſowol das Geſchaͤft als der Gef 
name der Vorſteher eines folchen literarifchen Unternehmens. - 
Mede, der (mündliche oder fchriftliche) Ausdruck der Gedanken durch SI 
im engern Sinne ein auf einen befondern Gegenftand ſich beziehendes Wi 
Beredtſamkeit. Bei der Rede in der erften Bedeutung wird überhaupt De 
keit Deffen, was man fagen will, und grammatikaliſche Nichtigkeit der T 
lung gefodert. - Bei der Rede in ber zweiten Bedeutung (oratio) twiz 
vollendete Form verlange. Schon im Äußern muß fie fi) von ber Ku 
gewöhnlichen-2eben (dem Eonverfationston) durch mehr gerundeten Period 
forgfältigere Wahl des Ausdrudes und der Bilder, Neinheit, Numern 
Wohilklang auszeichnen; in Hinficht der Innern Form aber Alles vern 
was -nicht wefentlich zum Zweck -der befprodyenen Sache gehört. Die 
engfler Bedeutung naͤmlich gehört zu der hoͤhern Gattung der proſaiſchen 
ſtellung und iſt der kunſtmaͤßige Vortrag eines Einzelnen, welcher in be 
dankeneintheilung den praktifchen Zweck hat, den Willen Andrer zu beftli 
Um diefen Zweck zu erreichen, muß der Redner ebenſowol Verſtand als Geflk 
Einbildungstraft in Anfpruch nehmen, befonders aber muß er Iebhaftes Ye 
fuͤr den Gegenftand erwecken. Stärke und Wärme des Gefühle find dahi 
Redner fo unerläßlich als noͤthiges Durchdringen feine® Gegenflandes, ımd 
ſchenkenntniß foll ihn in den Stand fegen, feinen Vortrag fo einzurichten, ' 
damit feinem Zweck gemäß den Hörer überzeugt und ergreift. Was bie dufedl 
ftellung anbelangt, fo find folgende Regeln hauptfächlich zu beachten: Zu 
Anhaͤufung der Bilder, ſowle die Wahl zu gefuchter, wird ſtets ein guter E 
vermieiben; denn obglelch ſolche Sprach: und Gedankenwendungen, mit Gefi 
und Einſicht angebracht, eirie Rede verſchoͤnern, fo ift ihr zu häufiger Gel 
doch nicht allein ermuͤdend, -fondern öfter auch völlig zweckwidrig. Ein Gi 
findet ftatt, wenn die Bilder ſchwuͤlſtig und unverſtaͤndlich find oder gar im 
meine fallen. Ein zu fanger, durch zu häufig eingefchobene Säge unverftänf 
Periodenbau wird von guten Rednern ebenfo vermieden, ale ein zu fichtliche®‘ 
ben nach Kürze, die den Gegenftand mehr andeutet ald entwidelt. (Es iſt b 
lich, daß der Redner noch mehr gehalten ift auf leichtfaßliche Deutlichkett zu 
als der Schriftfteller ; des Erſtern Worte verhallen, die des Letztern aber ſteh 
und Eönnen wieder überlefen werben). Daß außerdem ein Redner audy die © 
in welcher er fpricht, mit allen ihren Feinheiten und Wendungen völlig in 
Gewalt haben muͤſſe, bedarf wol kaum der Erwähnung ; daß aber der Außer 
zug eines guten Organe nicht wenig zur Wirkimg einer Dede dazu beiträgt, 
Jeder wiffen, der Gelegenheit hatte, trefflid, ausgearbeitete Reden durch el 
günftiges Organ vortragen zu hören. — Die Griechen und Römer ſtelle 
faft ımerreichte Mufter öffentlicher Beredtfamkeit auf. Heutzutage, mo, 
ders in Deutfchland, die Öffentliche Beredtſamkeit faft bloß auf Kanzelvoe 
eingefchräntt ift, und ein Staatsmann felten Vorträge an große VolkEver| 
lungen zu machen bat, ift die Kunſt, durch das lebendige Wort die Menge zu 
einem Entſchluß zu ſtimmen und zu begeiftern, nicht mehr fo weſentlich erfo 
für Den, der an der Spige eines Staates oder einer Verwaltung ſteht, als 
bei den alten republitanifchen Verfaffungen mar; doch find auch in den mı 
Zeiten, befonbers in England und Frankreich, Männer aufgetreten, deren ei 
gende Beredtſamkeit ſich nicht unwuͤrdig den großen Muftern der griechifche 
roͤmiſchen Vorzeit anſchließt. — Als Kanzelredner haben ſich berühmt ger 
Bourbaloue, Maffillon, Tiltotfon, Blair, Mosheim, Sad, Cramer, Jeru 
Zollikofer, Reinhard, Marezoll, Draͤſeke, Schleiermadher u. A.m. — Uni 
Staatsrednern des Alterthums-glänzen Demofthenes, Iſokrates, Lyſias, 
und der jüngere Plinius. (Bol. auch Rhetoren.) M. 


Redekunſt 81 


tebefunft, im weitern Umfange, iſt die Kunſt, dem ungebundenen (pro⸗ 
Bertrage der Gedanken für den Zweck der überzeugung (oder Belehrung), 
ung, Rührung, oder der Lenkung des Willens die angemeffene Form oder 
mn zugeben. Der Stoff und die Form der Rede im weiteſten Sinne ftchen 
iher Beziehung zum Erkenntniß⸗, Gefuͤhls⸗ und Begehrungsvermögen. 
bichre ift mehr oder meniger auf Wahres, Schönes und Gutes gerichtet. 
Kit daher entmeder didaktiſch (belehrend), ober aͤſthetiſch (unterhaltend), 
kit, und pathetiſch (auf Angelegenheiten des Willens gerichtet), inwiefern 
eslichhem Grade auf den Berftand, den Geſchmack oder den Willen berech- 
Ale diefe Zwecke können ſich fehr oft in derfelben Rede vereinigen, jede 
itaten vorherrfchenden Beziehungen aber wird ihr meiftens einen eignen 
u geben. In der engern Bedeutung ift Redekunſt die Kunft des Red⸗ 
edie Kunft, Öffentliche Vorträge abzufaffen und zu halten, welche geeignet 
Beſimungen ober den Willen Andrer zu beflimmen. Die Werke der 
Kin diefem Sinne find beftimmt, vor Zuhoͤrern mit Declamation und an: 
m Geberdenſprache vorgetragen zu werden. Sie erfodern daher auch eine 
Brttage angemeffene innere Einrichtung (f. d. vor. Art.), da hingegen viele 
Is Redekunſt in jenem mweitern Sinne nur zum ftillen, eignen Leſen oder 
ham Borlefen oder Recitiren beftimmt find. — Man unterfchieb bei den 
Bieri Gattungen: 1) die bemonftrative (welche ſich mit Lob und Zabel be⸗ 
wd das Urtheil beftlimmte) ; 2) die defiberative (welche auf den Willen 
gungen durch Zurathen und Abrathen wirkte) und 3) die gerichtliche 
end oder vertheibigend zu Werke ging). Nach der bei den Griechen 
Unterfcheidung des Stoff der rednerifhen Erfindung in Lehren, 
Semüthszuftänden (Aoyovs, 747 und zasr) wuͤrden die Reden vor: 
Belehrung, Wohlgefallen oder Rührung ausgehen, und es ließe fid) 
9 mit der obigen in Verbindung bringen. In demfelben Sinne 
Römer das genus dicendi tenue, mediocre und sublinie. Cine 
ilung der Werke der Nedekunft ift von ihrem Gebiet und Zweck her: 
Man unterfcheidet naͤmlich auch 1) atabemifche, 2) religiöfe (Kanzel: 
3) politifche Reden. Die beiden legtern allein geben zur Ausbilbung 
eit im Großen Veranlaffung. — Die Theorie der Redekunſt heißt 
Die Theorie der Redekunſt in jenem weitern Sinne trägt alfo die 
zeoſaiſchen Style nad) den verfchiedenen Zwecken der Gedankenmittheis 
x Gie betreffen die Abfaffung der eigentlihen Meden, der hiftorifchen 
Mr Abhandlungen und Lehrblicher, der Gefpräche und Briefe. Die Rhe⸗ 
Befem Sinne handelt alfo von ben Bedingungen jedes zweckmaͤßigen profai= 
Its, folglich von der Sprachrichtigkeit, vom Periodenbau, von den 
mmu.f.f., kurz von Allem, mas zur Klarheit, Deutlichkeit, Schönheit 
Ans Ausdrucks gehört. Sie unterfchelbet zwiſchen Beredtfamkeit und 
Iubeit. Senne bezieht ſich auf den Reichthum, das Anziehende und die 
haft der Materien. Diefe geht auf die fchöne, richtige, angemeffene Form 
Rast. Die Rhetorik im engern Sinne handelt von den Grundſaͤtzen, 
Bengern Sinne zu verfaffen und vorzutragen. Die Haupttheile der Rhe⸗ 
fen bie Erfindung und die Ausführung. Letztere erfodert a) die Anorb: 
Kpefition). Diele begreift: 1) den Eingang (exorılium), 2) die Erzaͤh⸗ 
zfe noͤthig ift), 3) die Propofition (Aufftellung des Hauptfages) und Ein- 
‚ 4) den Beweis oder die Widerlegung, und 5) die Schlußrede (epilogus). 
g (elocutie) Hetrifft ben Styl und erfodert Eleganz, d. h. Rein: 
mehichkeit und Anmuth. Die legte Wirkung aber hängt bei den eigentli= 
km von dem münblichen Vortrage (Ausfprache und Declamation) und zum 
m der Gefticulation oder Gehrrdrnfunft ab. Ariftoteles, Cicero und 
Ar. Biebente Kufl, 3b. IX. 6 










82 Redemptoriften Redende Kuͤnſte 


Quinctilian haben die Regeln der Rhetorik nach dem Beduͤrfniß ih 
Scharfſinn entwickelt, und mehre Neuere, z. B. Maaß, Schott u. A. 
Theorie noch mehr ausgebildet und beſonders auf die geiſtliche Bered 
gewandt. (S. auch Homiletik.) — Es iſt noch zu bemerken, inwiefe 
kunſt zu den ſchoͤnen Kuͤnſten gehoͤrt. Um feinen Gedanken Klachı 
und Nachdruck? zu geben, und feine Zwecke der Belehrung, Unterhaltur 
rung durch fie zu erreichen, bedient fich der Redner treffender Bilder, 
Schilderungen, und ſucht durch die Wahl der Worte, durch Bildung | 
und Ähnliche Mittel den Eindrud zu verftärken. Die Schönheit d 
beruht alfo auf Dem, was fie mit der Dichtkunſt gemeinſchaftlich hat; 
Beine reine Afthetifche Kunſt, wie diefe, fondern ſteht in dem Verhaͤltni 
Eunft zu den bildenden Künften. Die Schönheit ift hier der Zivedimäf 
georbnet. Am meiften nähert fich die Redekunſt im engern Sinne der 9 
fest die Dichtkunſt, welche eine bloße Unterhaltung durch ein Spie 
der Einbildungskraft verfpriht und doch unvermerft fo viel zur $ 
Gemuͤths beiträgt, weit über die Redekunſt, wilche mit höhern Anfı 
tritt als fie oft befriedigen kann, und vorzüglich als Überredungs 
fie aber nicht nothwendig und wefentlich ift) doch moralifd) zu verwerfe 
nennt er auch Rednerkunſt, welche durch den ſchoͤnen Schein hinter: 
die Schwächen der Menfchen berechnet find. Sie mag in der Politik 
Religion angewandt werden, fie bleibt gleich verwerflih. (©. Bered 
Die zweckmaͤßige Ausübung der Redekunſt fegt voraus: 1) klare Ei 
Materien, reiches Gedaͤchtniß und Scharfſinn; 2) fruchtbare Einbi 
den Gedankenausdrud auch durch Beifpiele zu beleben; 3) Gewand 
Sprache, Kenntniß ihres Reichthums, der Regeln ihrer Verſtaͤndli 
Mohllauts, wie aud) des Anftändigen und Schidlichen im Ausdrud. 

Was die wahre, edle Beredtfamkeit für eine bewundernswürdige Kun! 
fie jegt mit ſanfter Klarheit Licht verbreitet, jegt die Ihräne des Mitlei 
lodt, jegt die Bruſt zur Freude hebt und jedem Affect den treffend 
gibt, Das zu ſchildern, erfobert felbit einen Grab diefer Kunft, un 
Meifter derfelben, Cicero, liefert vieleicht am volftändigften die Zu 
Schilderung. — Unter den Deutfchen wirb J. J. Engel, ale ein Eing 
fer Kunft, nie aufhören, Geiſt und Herz jedes Gebildeten oder Bild 
den anfihzuziehen. Siehe J. G. €. Maag, „Grundriß der allgem. 
dern reinen Rhetorik” (F. Ausg., bearbeitet von Gruber, Halle 1827 

Kedemptoriften oder Ligorianer, eine in ber oͤſtreic 
nardhie durch das Decret vom 19. April 1820 hergeftellte Ordenscong 
Alfons Liguori (f. d.) geftiftet hat. Sie macht ſich, gleich ande 
geiftlichen, die eifrige Nachfolge Jeſu zur Ordenspflicht, fowie die X: 
drer zum echten roͤmiſch⸗katholiſchen Glauben mittelft der Seelforge 
Erziehung und Unterricht der Jugend. Als erſtes Drdenshaus war ih: 
Paffauerhof in Wien eingeräumt, nebft der Kiche zu Maria am Ge 
fol ihnen in Öftreich die Beforgung bes Unterrichts in den oͤffentlichen 
ten anvertraut werden. 

Redende Künfte nennt man gewöhnlich diejenigen, we 
Rede, d. h. zum Gedankenausdruck georbneter und verbundener Wo: 
Schönes und Erhabenes darzuftellen. Sie wenden ſich mittelft der Spr 
an den Verſtand, theilen Gedanken und in den Gedanken zugleidy Anſch 
Empfindungen mit, unterſcheiden ſich aber zunaͤchſt durch ihre Darftellu 
willkuͤrlichen Zeichen, die Worte, von den andern Kuͤnſten. Die beiden K 
man mit dem Namen der redenden bezeichnet, ſind die Dichtkunſt und 
ſamkeit (oder redende Kunſt im engern Sinne). Die letztere iſt imm 


Rebetheile Reding (Aloys v. — Theoborv.) 88 


wa änzern Zwecken befchräntt, und alles Schöne kann ihr nur als Zierbe, 
der Rebenzived dienen. (S. Redekunſt.) Auch laͤßt fie fich eher nach 
ad Beifpielen und durch Übung erlernen al die wahre Poefie, welche im- 
ian gerwifien Grad des fchöpferifchen Geiſtes vorausfegt. Denn biefe zeigt 
hun am größten, wenn fie den feuchtbarften und erhabenften Gedanken» 
en bloßes Spiel der ergögenden Unterhaltung zu behandeln fcheint und 
mbar geringften mittelft der Einbildungskraft eine tiefere Bedeutung zu 
ws. (©. Poefie und Kunft.) Ms. 
Tedetheile (partes orationis). Die Beftandtheile der Sprache find 
Da nun die Sprache ein Syſtem von articulirten Lauten ift, durch welche 
Bid, als denkendes Wefen feine Vorftellungen bezeichnet, fo find die Denk: 
ash Bedingung der Sprachformen, und e& kann nicht mehr Sprachfor- 
= als nothwendig find, um die Denfformen in der Sprache erſchoͤpfend 
Diefe nothiwendigen Spradyformen nermt man Rebdetheile, und fie 
x Battungen von Wörtern, weiche ben Sattungen und Grundverhaͤltniſ⸗ 
en Borftellungen entfprehen. Nun brüdt fich die Denkform am einfach⸗ 
 Danblung des Urtheilend aus, deffen Hauptbeitandtheile Subjectbegriff, 
katbegriff und die Copula ift. Zur Bezeichnung des Subjectbegriffö ge: 
Eubflantivum, wodurch das als felbitändig Gedachte bezeichnet wird, 
ittelbar feine Stelle vertretende Pronomen, das Zahlwort, durd) welches 
eder ber Umfang des Subjects, und die Präpofition, d. i. diejenige Form, 
ke das Verhaͤltniß des fubftantio Gedachten angezeigt wird. Das Präs 
bejeichnet unmittelbar durch das Abjectiv, Eigenfchaftswort, die Copula 
Sebindung der Begriffe durch das einfache Zeitwort (verbum substanti- 
ij, oder beide jind in dem Zeitworte (verbum adjectivum) enthalten. ‚ 
hört zur Bezeichnung bed Prädicats das von dem Zeitworte ſtammen⸗ 
gem, durch welches eine Eigenfchaft (Prädicat) mit der Beſtimmung 
oder Leidens, mithin ber Zeit, gefegt wird; ferner das Adverbium 
itswort, Umſtandswort), Durch welches bie in dem Adjectiv oder Ver: 
uͤckte Eigenſchaft nod) näher beftimmt wird. Dan kann aud) Sub: 
Biectiv (beide unter der Benennung Nomen zufammengefaßt) und Ver⸗ 
&undbeftanttheile der Rede, urfprüngliche Redetheile, die übrigen aber 
itete oder ſecundaire betrachten, und fie zufammengenommen Beſtim⸗ 
ter nennen, infofern durch fie die urfprünglichen Redetheile und Säge 
tung nad) begrenzt werden. Zur Verbindung der Urtheile in größere 
a die Gonjunctionen (Werbindungsmworte). — Dieſes find nun die an: 
um nothwendigen Medetheile ber Sprache. Sonſt rechnete man zu 
bie Interjection und den Artikel (f. d.); da jedoch legterer nicht in 
schen vorkommt, mithin eine allgemein nothwendige Form ber Sprache 
Iaterjection aber, als unmittelbarer Laut der Empfindung, auf die Denk: 
und den Ausdruck der Vorftellungen durch die Rede eine Beziehung hat, 
beide aus der Zahl der Rebetheile außgeftrichen. — Übrigens ift man 
Me Ableitung der Rebetheile aus den Denkformen nicht durchaus einffimmiger 
was. Die Theorie derſelben macht einen Theil der allgemeinen Sprachlehre 
wb iR in neuerer Zeit vorzüglich von Bernhardt, Vater, Reinbeck, Roth u. A. 
Iden bearkeitet tvorden. — Die Anwendung der Redetheile endlich ift in deh 
Bienen Sprachen verfchieden, obwol fie niemals den Denkformen durchaus 
erchen kann. Diefe verfchiedene Anwendung und Vezeichnung der Rede: 
er hagt von der verfchiedenartigen Bildung der Nationen und von der 
Müchen Freiheit ab, bie fid) in Anwendung aller Formen Eundthut. Sie ift 
kauı and den empiriſchen und fpeciellen Sprachlehren zu erlernen. T. 
Reding (Aloys von), geb.1755, Banbamman ber Schweiz und tapferer 
. 6 * 













84 Redondilien 


Verfechter der Unakhaͤngigkeit feines Vaterlandes. Schon f. Vorfahren 
im 14. Jahrh. für die junge Freiheit ruhmvoll gegen die alten Zwingherr 
ftritten. Er trat in fpanifche Kriegsdienfte, kam aber ſchon 1788, noch ſeh 
nad) der Schweiz zurüd. Der Verluft einer geliebten Frau hatte ihn i 
Trauer verfegt, woraus ihn der Einfall der Sranzofen in die Schweiz, 1798 
lich erweckte. Als Landeshauptmann des Cantons Schwyz gab er den mu 
Bewohnern der Berg: und Waldcantone die Lofung zum Beiflande gegen 
das von den Franzoſen unter Brune bedrängt wurde. An der Spige 
Schwyzer, die, von f. Rede begeiftert, zu flerben und nicht zu fliehen ſchi 
ſchlug R. auf der Ehene von Morgarten, wo ſchon ein Dat für des Landei 
beit herrlich war gefochten worden, am 2. Mai 1798 die Sranzofen. Aber 
Sieg hatte keine der tapfern Anftrengung wuͤrdige Srüchte, und R. felbft 
fi) mit ſ. Landsleuten endlich unterwerfen. Die Begebenheiten diefes rühn 
Kampfes, der unter furcdhtbarer entfcheidenden Ereigniffen von den Zeitgı 
bald vergeffen ward, hat H. Zſchokke in der „Geſchichte vom Kampf und 
gange der Berg : und Waldcantone“ (Bern 1801) treu und lebendig erzähle. 
der Gründung der helvetifchen Republik warb das Land durch) Parteiungen | 
tet. (Bol. Schweizerifhe Eidgenoffenfhaft.) An der Spige D 
gen, welche die Rückkehr zur alten Verfaffung, wiewol nicht ohne Einfchräi 
einer Gefammtregierung und Einherrfchaft vorzog, ftand R.; er unterla 
anfangs, und erft durch die Umſtaͤnde begünftigt, gelang es ihm fpäter, ein 
Regierung zu bilden, an deren Spige er als Landamman kam. Er reifl 
nachher nad) Paris, um durch perfönliche Unterhanblungen die Umwandlu 
Verfaſſung zu fichern, erreichte jedoch feinen Zweck nicht wie er wünfchte. 
Monate nachher gewann bie republifanifche Partei von neuem die Oberhant 
NM. ward abermals verdrängt. Cr leitete indeffen die Angelegenheiten der 
Cantons und ward Landamman von Schwyz. Der Bürgerkrieg brach al 
überall waren die Eidgenoffen ſiegreich, und R. fhlug die franz. Vermitteln 
- und befchloß eine imabhängige Verfaffung zu erfämpfen. Erſt als franz. I 
voͤlker einrückten, toich er dee Gewalt, wurde auf Ney's Befehl auf die U 
Arburg gebracht, aber bald nachher in Freiheit gefegt. Er trat in die Sti 
Privatlebens zuruͤck, bis er 1803 vom Canton Schwyz wieder zum Landa 
gewählt wurbe; auch 1809 bekleidete er diefe Würde. 1813 unterhandelte 
den Alliirten über die Neutralität der Schweiz. Er flarb im Febr. 1818, m 
Rufe eines redlichen Vaterlandsfreundes, der nur zumeilen heftig und war 
in feinen Entfchliegungen war. — Theodor von R., aus dem ( 
Schwyz, trat wie f. Verwandter in fpanifche Dienfte und hatte fid) zum Maı 
de camp aufge'hmwungen, als die Sranzofen 1808 Spanien befegten. Die 
bie er bei diefer Gelegenheit entwickelte, und die Feftigkeit, womit er Nap 
Anträge verwarf, erwarben ihm das Vertrauen der Junta, die ihn zum G 
lieutenant ernannte. Er führte einen Heerhaufen unter Caſtaños an, unt 
ſich durch eine ebenfo kuͤhne als geſchickte Bewegung zwifchen die Deerabtheil 
ber franz. Feldherren Dupont und Vedel ftellte, trug er wefentlich zu dem 
von Baylen bei. Später befehligte er eine Abtheilung in Gatalonien und 
fügte den General Vives in dem blutigen Kampfe bei Cardedon. Im Der. 
vertheidigte er die Stellung von Llinas gegen Gouvion⸗St.⸗Cyr, der ihn n 
nem heftigen Kampfe zum Ruͤckzuge zwang, der die Aufhebung der Bela 
von Barcelona nachſichzog. Im Febr. des folg. Jahres, als er Valencia 
wollte, lieferte er bemfelben Feldherrn das Treffen bei Balls (24. Febr. 1 
worin er eine Wunde erhielt, an deren Folgen er (20. April d. J.) ſtarb. 
Redondilien (Redondillas) bezeichneten früher eine füdliche Wer 
welche aus einer Verbindung von vier⸗, ſechs⸗ ober achtſylbigen Werfen b 


Redoute Reduction 85 


m gewoͤhnlich ber erſte und vierte, ſowie ber zweite und dritte, auch wol 
sit dem vierten und der zweite mit bem dritten reimte. Nachher nannte 
haupt die fech6 = und achtſylbigen Verſe in der fpanifchen und portugiefi: 
Be fo, fie mochten volffommene Reime oder nur Affonanzen haben, und 
& wucde auch in der bramatifchen Poefie der Spanier einheimifch. 
boute, in ber Befeftigungstunft, eine gefchloffene Schanze, ſobald fie 
tingende Winkel und feine Seitenvertheidigung hat. Meiſt baut man 
1; doch gibt es auch fünf: bis achtedige Der Fehler der Redouten ift, 
on Seitenvertheidigung mangelt, vor jedem ausfpringenden Winkel ein 
ngbleibt, wo die Kugeln der Befagung, die man im Allgemeinen gerade 
mit links und rechtö angefchlagen) feuernd annehmen muß, nicht hin- 
t unbeftrichene Winkel), und dag der ganze Graben ebenfalls dem Feuer 
eſetzt iſt (todter Winkel); der Vortheil dagegen, daß fie eine felbftändige 
ung nach allen Seiten gewähren. Man braucht die Redouten, um fich 
Punkte auf Schlachtfeldern, in einer ſchwach befesten Gegend, vor einer 
nf die man einen Angriff befürchtet, zu verfichern, einem fehr ausge: 
Im einen Zufluchtsort zu geben, bei verfchanzten Lagern u. dgl. — Re: 
in Maskenball, gewöhnlid mit Spiel und andern Vergnügungen ver: 
In der Regel werden Redouten nur in der Faſtnachtszeit, befonbers an 
‚, wo das Garneval gefeiert wird, gehalten. In Venedig heißt Re: 
idotto) auch der Öffentliche Ort, an welchem während des Garnevals 
le, befonders Karo, gefpielt werden. Sonſt durfte hier nur ein vene: 
Rebile Bank machen, dem ald Banquier mehre fonft ungewöhnliche Frei⸗ 
B. einen Spieler abweifen) geftattet waren. An jeder Seite neben ihm 
maslirte Dame, um ihn auf f. Nachtheil aufmerkfam zu machen. Auch 
Epieler, ausgenommen bie Nobili, nur maskirt zu dieſem Spiele ein: 


baute (Pierre Joſeph), Pflanzenzeichner, geb. 1759 zu St.:Hubert 
kanen. Die erfte Anleitung zur Kunft gab ihm f. Vater, der felbft ein 
Wünftler war. 133. alt, ging er mit feiner einzigen Habe, Pinfel und 
uch Flandern und Holland, wo er Zinmmerverzierungen und Altarbilder 
Midy nach Paris, wo er aber, wenig begünftigt, anfänglich nur Decora⸗ 
Das ital. Theater arbeitete. Er kam daburch auf die Blumenmalerei, 
fache wurden dem berühmten Botaniker &’heritier bekannt, ber ihn be⸗ 
möfchließend diefem Kunftfache zu widmen. SR. zeichnete einige Abbil- 
Eheritier's Werke, die großes Auffehen machten, weil fie zu der Um: 
führten, die ſeitdem in botanifchen Abbildungen ftattgefunden hat. Er 
Beritier nach England und zeichnete einen Theil der Abbildungen zum 
wglieum‘‘. Eine große Anzahl von Zeichnungen blieb in L'heritier's Hän- 
als dieſer f. botaniſchen Befchäftigungen einftellte. Unter allen Pflan- 
gen, die R. lieferte, find die Zeichnungen der Familie der Lilien (Lilia- 
ef.) das fchönfte Werk in diefer Art, das vielleicht nur von des Künft- 
werke über die Rofen, wenn es einft vollendet fein wird, übertroffen 
mie. Man verdankt ihm auch die Erfindung eines Verfahrens, einen 
in verſchiedenen Farben mit einer Platte abzudruden. Er ward 
Zeichner der Akademie der Wiffenfch., im folg. 3. zum Blumenmaler 
us für Maturgefchichte und 1805 zum Blumenzeichner der Kaiferin 
smannt. Ventenat hat das Andenken des trefflichen Künftlers in dem 
daten verewigt, den er einer von den Antillen ſtammenden Pflanze aus 
: der Malven beilegte. 
uction (Zurüdführung), in der Chemie derjenige Proceß, mo 
sannten Körper der Beſtandtheil wieder entzogen und in feine frühere 


86 Rees'ſche Regel Reformation 


Einfachheit zuruͤckgefuͤhrt wird, mit welchem er fich während bes Verbren 
(f.d.) zu einem Erzeugniffe befonderer Eigenfchaft vereinigt hatte. Reducti 
alfo der entgegengefegte Proceß der Verbrennung. Metallkalke (4.8.3 
oder Mennige) find Vereinigung von Metall und Sauerftoff durch Verbrem 
follen fie reducirt erben, fo muß man dem Kalte ben Sauerftoff entziehen 
dies gefchieht am leichteften durch Zufa& von Kohlenpulver und heftiges Gluͤh 
Miſchung, wobei die Kohle mit dem Sauerftoffe zufammentritt, das Blei ı 
Licht bindet und in feine vorige regulmifche Einfachheit zuruͤckkehrt. Diefes 
fahren wird im Großen, als Hüttenarbeit, Anfrifchen ober Verfriſchen gen 
— Bei Münzen heißt Keduction bie Beflimmung des Werths einer I 
durch) eine andre, Angabe einer Mimzfumme in einer andern Münsforte; 
auch die Herabfegung des Werths einer Münze. 1 

Rees'ſche Regel, ſ. Kettenrechnung. 

Refactie, ſ. Fuſtage. 

Reflector, f. Fernrohr. 

Reflexion (Überlegung). Von der phyſiſchek Bedeutung dieſes 
drucks iſt man zu ber pſychologiſchen und philoſophiſchen fortgegangen. $ 
naͤmlich jene die Veränderung einer Bewegung und insbeſondere das Zurich 
des Lichtſtrahls bezeichnet, fo drückt diefe die Handlung ber Seele aus, burd) ı 
fie ihre Thaͤtigkeit auf ſich ſelbſt gleichſam zuruͤckwendet und die Vorſtelln 
welche fie durch äußere Eindruͤcke veranlaßt oder ſelbſtthaͤtig gebildet hat, prüf 
beurtheilt. Hingegeben bem Einbrude der Dinge, geht die Seele außer fid 
verſchmilzt gleihfam mit ihnen; durch Neflerion aber fammelt fie ſich in ſich 
reißt fi vom Gegebenen los und kehrt in fich ſelbſt zurüd, denn fie richte 
Aufmerkfamteit auf fi, aufihre Thätigkeit, und dies ift ein großer Vorzu 
Menfchen vor dem Thiere. Die Neflerion ift infofern auch von der fogen. ın 
kuͤrlichen Vergefellfchaftung der Vorftellungen (Ideenaffeciation) unterfchieben 
dem fie eine freie Richtung der Seele if. Die Reflerion im engern Sinne v 
ſcheidet ſich aber von der Abſtraction, mit welcher fie im Denken verbunden i 
durch, daß diefe Unterfcheidung und Abfonderung des Allgemeinen von den 
fondern, Reflerion aber in diefem Sinne die Vergleihung der Vorſtellunge 
einander im Bewußtſein iſt. Kant nennt die Vergleichung der Begriffe untı 
ander, um die Einerleiheit oder Verfchiedenheit, den Widerfpruch oder die ÜÜb 
flimmung zweier Vorftellungen zu beflimmen, und zu erfahren, ob ein & 
analytiſch oder fonthetifch fei, die logiſche Neflerion; die transcendentale at 
Bergleihung der Vorftellungen in Rüdfiht auf das Erkenntnißvermoͤger 
welches fie gehören, und die Unterfuchung der Art und ber Bedingungen, 
denen unfere Begriffe und Urtheile entftehen. Diefe Reflerionsbegriffe find 
nerleiheit, Verſchiedenhelt; Einftimmung, Widerftreit; Inneres und Auf 
Theil, Ganzes; Form, Gehalt. — Für die Philofophie bleibt aber die Refl 
d. 1. die Betrachtung des In der Erfahrung Gegebenen, folglid) des Ent 
und im Gegenfag Befangenen, ein niederer Standpunkt. Won der Refle 
anfiht und Reflexionsphiloſophie unterſcheidet die neuere Philoſophie dah 
Specufation und fpeeulative Philofophie, welche die Zrennung und den Ge 
aufhebt, in der abfoluten bee, wovon der Gegenfak nur die Erfcheinung iſt. 

KReflerion, f. Zurädftrahlung. 

Reformation der Kirche an Haupt und Bliebern war fehon in 
Jahrh. die Lofung Aller, die es mit Religion und Sittlichkeit redlich me 
Das Chriftenthum, von feinem Stifter beftimmt, die Menſchheit zu verebel 
zu beglüdeen, hatte, je weiter es feine Herrſchaft uͤber die Völker verbreitet 
ihr Leben in allen Richtungen durchdrang, ſich unter den Händen feiner P 
befto mehr von feiner urfpränglichen Beſtimmung entfernt. Mochte das 


Reformation 87 


hen Erfolgen gekrönte Beftreben der roͤmiſchen Bifchöfe, in allen Rei⸗ 
heiftenheit allein über bie Seelen zu herrſchen, in auch die Händel der 
»d die Bilbung des bürgerlichen Wefens leiten zu mwollen, in den Vers 
der Jahrhunderte nach der Voͤlkerwanderung das befte Mittel gemefen 
ifde Jugend des neuen Geſchlechts, das die alte Welt mit den Reſten 
ung niederfrat, zu zaͤhmen; mochten chriftliche Glaubensboten und 
die Wälder Deutfchlands und zu den Barbaren des Nordens fanftere 
kracht und die Entmilderung der befehrten Nationen gefördert; mochte 
ı vielen Punkten für gemiffe Zeiten mwohlthätige Einfluß jener Einheit 
ms und Gottesdienftes, jener Abhängigkeit aller abendländifchen Kir: 
Rem, jener gefeggebenden Dbergewalt über die Völker, die das folge: 
ichren der Päpfte im Mittelalter erzwang (f. Papft), die römifche 
htigt haben, das größte Verdienſt um die allmälige Geſtaltung des eu: 
Geſammtlebens, um die Herefchaft des Geiſtigen in den Verfaffungen 
ſich zugufchreiben: diefe Kirche genoß die Früchte ihres Sieges mit fo 
igung, ihre Diener verleugneten in Lehre und Leben fo fehr den Geift 
ben Meifters, daß jener MWiderftand gegen die Willkuͤrlichkeiten des 
iments, der, im Orient früh entflanden, durch mancherlei hier unter: 
et wieder auflebende Secten (f. d.) ihren antipapiftifhen Sinn bie auf 
hen Verbruͤderungen der Unzufriedenen im Mittelalter vererbt hatte, 
3. Jahrh. die Theilnahme der wahrhaft Chriftlichgefinnten um fo ſtaͤr⸗ 
‚ je grauſamer die päpftl. Macht mit Feuer und Schwert zu ihrer Ver: 
dhiftig mar. Die Frage, was an den Lehren, Gebräuchen, Anftalten 
Nangen der römifchen Kicche wirklich chriftlih und ber menfchlichen 
tauteäglich fet, mußte redlichen Geiftlichen, wie verftändigen Laien, oft 
m fommen. Der Priefterhochmuth erbitterte bie ritterlichen Fürften, 
Men der Bettelorden beeinträchtigte die Weltgeiftlichen und taufend uns 
Dafer der Inquiſition fchrieen um Mache. Gleichwol beherrfchte das 
Ds Papftes die Meinung noch im 14. Jahrh. mit einem Nachdrucke, 
Inmen der Unzufriedenheit kaum lautwerden ließ. — Des Engländers 
f.d.) freimäthige Schriften kamen bald auf das fefte Land; — Huß 
feinen Böhmen wurde dadurch geweckt: daß aber da8 15. Jahrh. zur 
m noch nicht reif und die päpftt. Partei mächtig genug war, jede wirf- 
Merung zu hintertreiben, bewies forool das Benehmen ber Fürften und 
Ker bei dem Ausbruche der huffitifchen Unruhen, als aud) der Erfolg 
wierfammlungen zu Konflanz und Bafel. — Erſt nachdem durch bie 
er Einwanderung gelehrter Griechen geweckten Stubien der claffifchen 
Bi der Gelehrten erweitert, durch die Buchdruderkunft der Vorrath 
ngemitteln vervielfältigt, durch allgemein anziehende Schriften auch in 
zfprachen reicher Stoff zum Denken unter die Laien gebracht und durch 
Univerfitäten, deren zwifchen 1451 und 1502 allein in Deutfchland 
m, die Zahl der Gebildeten bedeutend vermehrt worden war, regte 
Bige Leben, das der Reformation Bahn machen follte, allgemeiner und 
Ms ſchon die fogenannten Myſtiker, 3. B. Zauler und Geiler von 
z im Strasburg, gewuͤnſcht, was freifirmige Theologen, wie Gerfon, 
angis, Joh. Weffel, ernftlich, doch mit geringem Erfolge gerathen 
stete nun auf den Mann, der es zur Ehre ber Wahrheit geltendmachen 
wonarola (f.d.) warf fih in Florenz dazu auf, aber ein Scheiter: 
ab ihn und fein Werk. Etwas wagten auch einige Könige. Karl VEIT. 
rich veranlaßte die Sorbonne 1497 gutachtlich zu erklären, von 10 zu 
Gencilien zur Verbefferung der Kirche zu halten, widrigenfalls die Bi- 
An: ihn verfammeln möchten. Marimilian I. brachte die ſtarken Be⸗ 


88 Reformation 


fhwerden der deutfhen Fürften aus den Reichsabfchieben von 1500 und 1 
zur Kenntniß des römifchen Hofes. Auf franz. Betrieb kam 1511 gar dem P 
Julius II. zum Trotz ein freies Concilium zu Pifa zu Stande; aber wie kuͤhn 
feine wenigen Sprecher auch geberdeten, es flarb doch bald an feiner ei 
Schwäche und den Beſchluͤſſen der Kirchenverfammlung im Lateran, die ihm 1 
entgegengefegt, in ber Hand des Papftes nur diente, feine Anmaßungen 
neuem zu befchönigen. Überhaupt waren bei den bisherigen Anträgen auf Al 
- fung des Verderbens der Kirche einerfeits zu oft politifche Nebenzwede im € 
gewefen, andrerfeits in der Hitze des Eifer gegen einzelne Unbilden und $ 
bräuche die Grundfehler der Kirchenlehre und Verfaſſung, aus denen ‚alle « 
Übel hervorgingen, zu fehr überfehen werben, als daß mehr denn fruchtlofe 
putationen und harte Verfolgungen der kuͤhnen Eiferer oder fchale politifche 

gleichshandlungen, in denen ber Papft am Ende Recht, behielt, auf diefem 9 
hätten bewerfftelligt werden innen. Tiefer wirkte Reuchlin's großes Verl 
um den Anbau der griech. Sprache und fein für die Sache der Auftidrung 
wichtiger Sieg über die Sinfterlinge in Köln; umfaffender der gebildete Geſch 
und gefunde Verfland, der aus den Schriften des geiftreihen Erasmus zu 
bedeutendften Männern in Staat und Kirche redete und naͤchſt gründlichen: 
Iehrten Studien auch freiere Anfichten von der Religion und ihrer thärigem 
wendung förderte; gewaltiger endlich, befonders auf die Maffe des Volks 
Heer von Satyren, Spottliebern, beißenden Allegorien und derben Spaͤße 
denen der Wig feit Reinedde dem Fuchs bis auf die feinen Anfpielungen dieſe 
den zur Unternehmung entfcheidender Schritte nur nicht hinlaͤnglich unerſch 
nen und feurigen Gelehrten fi) auf Koften des römifchen Unweſens und ber $ 
cherei ausgelaffen hatte. — So öffneten ſich durch das Zufammentreffen guͤn 
Umftände, durch das Vorbringen eines neuen nad) Licht und Zreiheit rings 
Zeitgeiftes allmälig die Wege, auf denen die Wahrheit Anerkennung finden fi 
Die Mitte von Europa, fammt dem längft gegen Nom unmilligen Norden, 
‚geftimmt, das Kühnfte zu Hören und verwegene Schritte zu unterflügen, fi 
es gälte, das Joch der priefterlichen Vormundſchaft abzufchütteln, der die Be 
und Nachdentenden ſich nun entwachfen fühlten. Rod) ahnte aber Niemand, 
her der erfte Anſtoß kommen würde. Kurfürft Friedrich III. von Sachſen 
weifer Regent, doch fonft eifriger Katholit und befonderer Liebhaber von ! 
quien, folgte nur dem rühmlichen Beifpiele andrer deutfchen Fürften, da er 9 
zu Wittenberg eine Univerfität fliftete, wohin er unter andern Gelehrten 

Martin Luther, einen Augufltinermönd von Erfurt, ald Lehrer der Thet 
berief. Diefer bei großem Genie mehr nody durch tiefe Religiofität und. | 
Mahrheitsliebe ald durch überlegene Gelehrſamkeit ausgezeichnete Mann k— 
die heilige Schrift, und feit einer Reife nad) Rom, die er 1510 in Ordensge 
ten machte, auch die Gebrechen des paͤpſtl. Hofes. Dort regierte feit 1513 $ 
LeoX. (f.d.), wenig befümmert um das Verlangen der Welt nach Verbeſſi 
einer Kirche, der er nur vorzuftehen ſchien, um ihre Einkünfte zur Befriedi 
feiner fürftlichen Neigungen zu brauchen. Bon ihm ließ ſich 1516 ein ihn 
ähnlicher geiftlicher Fürft, Albrecht, Kurfürft von Mainz und Erzbifchof von | 
deburg, mit der Bedingung, die Beute zu theilen, den Ablaßhandel für 
Sprengel auftragen, und beftellte dazu u. A. den im Ablaßkram ſchon ge 
leipziger Dominicaner, Joh. Zezel, der, von Ort zu Ort ziehend, fein Ge 
mit der unverfchämteften Marktfchreierei betrieb, und die befreusten Zettel 
die Vollmacht der pApftl. Bulle, die dody noch von Reue fprach, weit hinau 
ımbedingte Urkunden der Sündenvergebung in Zeit und Ewigkeit anpries. 

Zulauf war nicht gering und der Gewinn reichlich; denn das einfültige Voll 
ben alten Aberglauben noch hoch, und die bequeme Art, für wenige Groſche 


Reformation 89 


mömfchulben, deren jede ihre Taxe hatte, ledig zu werben und los⸗ 
n seitlicher Buße und ewiger Verbammniß, gefiel der cohen Dienge 
blaß.) Da Tezel feinen Kram im Herbft 1517 zu Juͤterbogk auf: 
a ihm auch aus dem nahen Wittenberg viele Käufer zu und ver: 
n mit Vorzeigung ihrer Zettel bei ihren Beichtigern jede Verpflich⸗ 
Burfe. Segen diefen gottestäfterlichen Unfug erhob ſich Luther, erft 
ı, da er neben feiner Profeſſur ein Pfarramt bekleidete, und dann, 
a Brauch die Saheim Wege einer akademiſchen Disputation bei- 
95 Theſes oder Streitfäge, die er den 31. Oct. 1517 an die Thür 
he anſchlug. Darin erklärte er fich ſehr ernftlicd) gegen den Miß⸗ 
laßhandels, bezeigte, neben lebhaften Eifer für die heilige Schrift, 
woße Ehrfurcht vor dem Anfehen der Kirche und des Papftes, und 
um gründliche Belehrung. Diefe Säge wurben lateinifch, feine Pre: 
ij aber deutfch herausgegeben und in wenigen Wochen durch ganz 
erſtere bald aud) unter andern Völkern der Chriftenheit verbreitet. 
Luther felbft in beweglichen und bei aller Freimuͤthigkeit fehr be⸗ 
iefen an feine geiftlichen Obern und den Papſt auf Abitellung des 
Fuge und des Verderbens der Kirche überhaupt an. — Außer dem 
ı Bifhof von Brandenburg Scultetus gab ihm Feiner gehörige Ant: 
traten von Tezel, in deffen Namen Konrad Wimpina, Profeffor 
‚u Ftankfurt a. d. O. die Feder ergriff, von einem paͤpſtl. Höfling 
a Auguftiner Syivefter Prierias, und von dem aus dem Streite mit 
h übelberüchtigten Kegermeifter Jakob Hochftraaten zu Köln abge: 
“mähfchriften voll der ausfchweifendften Behauptungen von ber 
Ipites und feines Ablaffes ans Licht, die aber zu armfelig, um dem 
Bebildeten zu entgehen, ebenfowie Dr. Eck's zu Ingolſtadt giftige 
wen Luther, anftatt feine Säge mit Gruͤnden zu widerlegen , das 
6 Unternehmens nur vermehrten. Die feharfen Antworten, in de⸗ 
Kam diefer Kämpfer für den Ablaß aufdeckte, und die Resolutiones, 
Mirung feiner Säge nachfolgen ließ, brachten der Wahrheit immer 
. Eine Dieputation, die er bei einem Auyuflinerconvent zu Heidelberg 
bad Verdienſt der fogenannten guten Werke und den Gebrauch der 
u Philofophie hielt, gervann ihm unter den gegenwärtigen jungen 
uhre Freunde, 3. B. Bucer, Brenz, Schnepf, Billican, die nachher 
Beförderer der Reformation berühmt wurden. Die Gefprädhe Luther’s 
H Legaten Gajetan und Miltiz, erfteres 1518 zu Augsburg, legteres 
kenburg, worin diefe Herren, ftatt in wie fie befehligt waren, zum 
bringen, nur ihre Unfähigkeit, die römifchen Sagungen mit Bewei⸗ 
ya Schrift zu flügen, kundthaten, endlich das noch 1519 zu Leipzig 
lang gehaltene Schulgefeht Eck's mit Karlftadt und Luther, in dem 
Biten, Papſtgewalt, Ablaß und Fegefeuer higig geftritten, aber nichts 
urde, erweckten, tie Luther's faft in jedem Monate ausgehende neue 
und gedruckte Predigten, feinem Werke neben neuen Widerfachern 
mer allgemeinere Theilnahme. — Bon den Pprenden bis zur Weich⸗ 
istifchen Meere bie zum Belt wurde beyierig Alles gelefen, was von 
kber ihn erfchien. Die feltene Fuͤlle, Beftändigkeit und Kraft feines 
udrucks, fein ſchlagender Wis, feine durch ununterbrodjene hiſto⸗ 
zgetiihe Studien täglich zunehmende Einfiht und Gelchrfamkeit, 
mde Stärke feiner Gruͤnde und, mas am meiften wirkte, die Überein⸗ 
nee Lehren mit den wichtigften Bebürfniffen und? Wünfchen ber 
Küigen Urtheile eines Erasmus, Pirkheimer und andrer trefflichen 
affene Beitritt von Männern mie Melanchthon und Hutten, die 







90 Reformation 


gleichzeitige faft noch kuͤhnere Erhebung der Schweizer Zwingli und Üfe 
dius gegen Ablaf und PapftthHum (vgl. Reformirte Kirche) machte 
1517 noch wenig bekannten Mann nun zum Vorfechter aller helldenkend 
über den Verfall der Kirche Chrifti befümmerten Menfchen in Europa. - 
folcher redete und handelte er nun mit bemunderungsmürbigem Heldenmut 
unverfennbarem göttlichen Beiftande. Die in feinen erften Schriften ned 
bare Scheu vor dem römifchen Hofe warf er weg, dba der Ungrund allee 
Anmaßungen ihm Mar geworden. Cine reine Erfenntniß göttlicher Ding 
glühende Begeifterung, wie man fie feit den Zeiten der Apoftel nicht mehr % 
men hatte, fprach aus feinen herrlichen Schriften an den chriftlichen Ad⸗ 
fher Nation, von der Meffe, von der babyplonifchen Gefangenſchaft und u 
Freiheit eines Chriftenmenfchen,, in denen er die Grundlehren bes Papf 
feibft mit Waffen des göttlichen Wortes angriff und die vergeffene lauter 
des Evangeliums ind Leben hervorrief. Er that es 18020, zur felbigen Zeit, 
des Papfted Bannbulle gegen ihn in Deutfchland verfündigte, appellirte 

holt an eine allgemeine Kirchenverſammlung, und warf, meil man feine ' 
ten zu Mainz, Koͤln und Löwen verbrannt hatte, dieſe Bannbulle fans! 
paͤpſtl. Kanonen und Decretalen am 10. Dec. d. J., unter großen Jubel ir 
direnden zu Wittenberg, Öffentlich felbft ind Feuer. — Diefes und das f 
Jahr 1521 tft daher der wahre Seitpunkt des Anbruchs der deutfchen Ne 
tion, weil darin Lırther fich förmlich von der römifchen Kirche losriß, und 
ber mächtigften vom deutfchen Abel, einen Huttn, Sidingen, Schaums 
A. und der angefehenften unter ben Gelehrten, mit der Univerfität TBe4 
der nun die Söhne Deutfchlande und andrer Länder ſcharenweis zuſtroͤmt 
öffentlich für fein Unternehmen erklaͤrten. Der ehrfurchtgebietende Eindrud 
perfönlichen Auftritts und feiner tapfern Weigerung jedes Widerrufs aı 
Meichötage zu Worms am 17. April 1521, dem Tage feines größten Zei 
(f. Luther), gab ihm die Macht und Wuͤrde eines anerkannten Refoim 
das wormſer Edict und die vom Kaifer wider Ihn verhängte Reichsacht Au 
feine Sache zur Staatsangelegenheit. — Dabei ift nicht zu überfehen, welck 
hältniffe und Begebenheiten biefe Sache begünftigten. — Der Papft war 
ſaͤchlich durch Deutſchlands Ergebenheit groß geworben ; in feinen Hände 
dem Kaifer hatten e8 die beutfchen Fürften meift mit ihm gehalten, weit fl« 
auf diefem Wege von jenem unabhängiger wurden. Rom mußte fie alfo fü 
und der Kaifer fi im Stillen freuen, wenn es mit ihnen zerfiel. Nach M 
lians I. Tode 1519 bekleidete Kurfuͤrſt Friedrich IH. , ohmehin der mE 
deutſche Fürft, in allen Landen fähfifhen Rechts das Reichsvicariat, und 
wegen feines perfönlichen Anſehens hatte er die entfcheibendfle Stimme 1 
Wahl des neuen Kaifere. Daher mußte ber Papft fomol als der durch fein 
tige Fürfprache 1520 gemählte Karl V. ihm gefällig fein; jener, indem er I 
fängliche Foderung Luther’ nad) Rom in eine Unterhandlung mit feinen 2 
verwandelte, biefer, indem er die Reformation fo lange, als es fi nur vo 
Papfte und ben katholiſchen Ständen verantworten ließ, ohne gewaltfame € 
anftalten ihren Gang gehen ließ. Vor den erften Folgen der Reidısacht 

Luther durch feinen zehnmonatlichen Aufenthalt auf der Wartburg ficherg 
und das wormfer Edict Eonnte in Sachſen um fo weniger Wirkung erhalt 
der Katfer, feit 1521 im Kriege mit Frankreich begriffen, oder in Spant 
ſchaͤftigt, die deutfchen Religionshaͤndel faft ganz aus dem Geſicht verlor 
Übrigens jeder Kürft in feinen Landen that was er für Recht hielt. Daß Fr 
der Weife aber, obwol er Fein Anhänger der Neformation heißen wollte, di 
ren Helden ſchuͤtzte, macht feine große Theilnahme an dem Flor der witten 
Univerfität, feine Redlichkeit, feine allmaͤlig wachſende Überzeugung von bi 


Reformation 9 


Unternehmungen Luther's,-und deſſen Freund Spalatin, der an 
fe Alled vermittelte, fehr erklaͤrlich. — Leos Nachfolger, der ernfte, 
: Reformation bedachte Adrian VE, erhielt auf feinen Antrag, bie 
bre auszurotten, von dem Reichötage zu Nürnberg 1522 hundert 
wr deutſchen Stände, auch der Eatholifchen, gegen feinen Stuhl zue 
benfo wenig als die Zuͤricher, deren ſchnelles Fortfchreiten zur Andes 
tendlehren und Gebräuche bei den Regierungen der nördlichen Kan⸗ 
fe Hülfe fand, waren alfe die Wittenberger gehindert, Reformen 
aftes (mit der Meſſe fingen fie an) vorzunehmen, ja Luther felbft 
"Wartburg berbeieilen, um bie durch Karlſtadt's (f. d.) ſtuͤrmi⸗ 
egten Unruhen ins Gleichgewicht zu bringen. Während er feine Übers 
um Xeft., die Frucht feines Exils, der die Bücher des Alten Teſt. 
m, und Melanchthon feine „Locos communes”, die erfte und lange 
eſte Dogmatik der evangel. Lehre (1521 zum erften Male) heraus⸗ 
in Zmeibrüden, Pommern, Schtefien, in den fächfifchen (einig 
tenberg bie erfte) und ſchwaͤbiſchen Städten ernftliche Anftalten zur 
: papiftifchen Mißbraͤuche gemacht. Luther's Schrift von ber Ord⸗ 
tesdienftes kam, 1523 kaum erfchienen, zu Magdeburg und Elbin⸗ 
Inwendung. — Aud Märtyrer fehlten der neuen Kirche nicht; bie 
ıden Niederlanden verfchaffte ine ſchon 1522 durch Hinrichtung eis 
h gefinnten Auguftiner diefe Ehre. Franzoͤſiſche und hollaͤndiſche 
der Bibel traten ans Licht; im Herzen Frankreichs, bei Meaur, 
w evangel. Gemeinde. Umfonft verdammt die Sorbonne Luther’s 
mir 1524 auf dem Reichötage zu Nürnberg und dem Convent 
ns die Vollziehung des gegen jede Religionsneuerung gerichteten 
I befchloffen; umfonft bemühten ſich die Herzoge Georg von Sach⸗ 
Her Linie) und Heinrich von Braunſchweig, Öftreih, Frankreich 
I, fowie die geiftlichen Kürften, durch Verfolgungen ber Evangelis 
Wenden die Reformation zu unterdrüden: Luther legt in demfelben 
Ischskutte ab, Moͤnchs⸗ und Nonnenkiöfte: werden leer, Geiſtliche 
Bachfen und der Schweis, um 1525 nennen ſich Johann der Beſtaͤn⸗ 
he Nachfolger in Kurfachfen, Philipp, Randgraf von Heffen, Al: 
mmdbenburg, ald Derzog feines aufgehobenen Hochmeiſterthums Preu⸗ 
evangeliſche Fürften; ihre geſammten Lande, Liefland, ein bedeu⸗ 
wn Ungarn und Oſtreich (Böhmen war ſchon durch die Huffiten ges 
meburg, Gelle, Nürnberg, Strasburg, Frankfurt a. M., Nord⸗ 
unfchroeig, Vremen nehmen die neue Lehre an, und eine Menge ber 
hesologen und Geiftlichen Deutfchlands treten auf Luther’s Seite, 
t einer ehemaligen Nonne, Katharina von Bora, in die Ehe tritt. 
ucde 1527 unter Guſtav Wafa durch die Meformatoren Dlaf und 
wangelifch, bald folgte auch der größte Theil von Niederfachfen und 
m Beftfalen nach, Hamburg und Luͤbeck beſonders durch Koh. Bu⸗ 
- Die wegen des Kaiſers Abweſenheit geficherte Ruhe diefer Fahre, 
Verbreitung der Reformation fo glüdtich und faft ohne allen äußern 
attenging, flörten weniger die Streitigkeiten Ruther’s mit Zwingli 
86 (f.d. und Sacrament) als die 1528 durch des dredner Kanz⸗ 
u Pal Nachricht von einem geheimen Buͤndniß der Eathol. Stände 
angelifchen erregten Beforgniffe eines Krieges, deffen Ausbruch von 
er Luther’s Ermahnung zum Frieden nur mit Mühe hinderte. Ins 
igte diefe Spannımg die Evangelifchen zum Zufammenhalten, und 
1529 auf dem Reichstage zu Speier gegen einen ihnen nacdhtheiligen 
weinfchaftlic, eingelegten Proteftation erhielten fie fpäterhin (1541) 


[1 


92 Reformation | 


den Namen Proteftanten (f. d.). So wurben fie eine auch politifch abg 
handelnde Partei (Corpus cvangelicorum, f.d.), welche fich, i 
Kaifer nun wieder drohend in’ Deutfchland auftrat, zu entfcheibenden Bir 
anſchicken mußte. Während nad) den zur Organifation des Kirchenweſen 
nommenen Bifitationen mit Hülfe der Anmeifungen Melanchthon's und I: 
erfchienenen Katechiömen Luther's die beffere Belehrumg bes Volks in Kt: 
Schulen durch freue Prediger allmälig gedieh, mußte Melanchthon, nad: 
tung der von Luther 1529 abgefaßten torgauer Artikel, eine ausführlider 
ftellung bes evangel. Glaubensbelenntniffes auffegen, welche von den up: 
durd) das torgauer Bündniß 1526 und den ſchwabacher Convent 
Schwabacher Artikel) vereinigten Fürften, Johann, Kurfürft ven 
fen, Georg, Markgraf von Brandenburg, Ernſt, Herzog von Lüneburg, 1 
Landgraf von Heffen, Wolfgang, Fürft von Anhalt, Albrecht, Graf ven 
feld, und den Srädten Nürnberg, Reutlingen, Kempten, Deilbronz,. - 
beim und Weißenburg unterfchrieben, auf dem Reichſstage zu Ausgabe: 
dem Kaifer übergeben, am 25. Juni in voller Reichsverſammlung feizefid 
lefen und baher Augsburgifche Confeffion (f. d.) genannt wurk. 
Kaifer ließ dagegen eine kathol. Seite verfertigte Confutation oder Wi. 
vorlefen, wobei e8 fein Bewenben haben follte, nahm die wider diefe Com. 
von Melanchthon aufgefegte Apologie (Rechtfertigung) der augsburgiſchen 
fion nicht an und drang auf Abftellung der Religiondneuerungen. Glei 
fcheid erhielten Strasburg, Konftanz, Memmingen und Lindau, welche & 
fer eine ähnliche Schrift, Bekenntniſſe der vier Städte oder Confessio tel. 
tana genannt, überreicht hatten. — Diefer mifliche Ausgang des 

war ben Evangelifchen ein nener Beweggrund, nur deſto treuer unb ſe 
ihren Glauben unter einander zu halten. — Wie nun ber ſchmalkaldiſche B 
evangel. Stände fich bildete, indem fie bei allem Schwaͤnken ihrer Ma 
theil& wegen ber wechfelnden Politik des Kaifers, theild den —— 
Theologen vom Kriege folgend, bis 1546, wo ihr Friedensengel Luther 
nen wenig geftörten Genuß ihrer neuen Religionsübung behaupteten; meld 
änderungen die Schlacht bei Mühlberg, des Kaifers Interim (f.d.) wa 
fuͤrſt Morigens unerwarteter fiegreicher Feldzug gegen biefen mit ſich brach 
endlich 1555 der augsburger Religionsfriede die Kreiheil des evangel. 
dienftes in ihren Landen, und zum Theil auch für die Proteftanten in kath 
dern ficherte, f. Shmalktaldifher Bund und Religionsfrid 
Bereinigungspuntte für diefe deutfchen Proteftanten blieben ſowol ihre zuft 
treffenden politifdyen Intereſſen, als auch der in ber augsburgifchen Co 
und ihrer "Apologie feinen Grundzuͤgen nach feſtgeſtellte Lehrbegriff, ber ba 
fpäter hinzugeflommenen ſchmalkaldiſchen Artikel und beide Katechismen m 
läutert und durch bie bergifche Concordienformel 1580 endlich abgeſchloſſen 
(Bol. Symbolifhe Bücher) — Zu diefem evangelifch = Iutherifchen 
ariff bekannten fich, unter d. Namen augsburgifcher Confeffionsvermandte 
fher Nation, 3 Kurfürften: Pfalz, Sachſen und Brandenburg, 20 Herz 
Fürften, worunter die fächfifchen Häufer, Braunſchweig⸗Luͤneburg, Medi 
Holftein-Lübel, Baireuth, Würtemberg und Baden die vornehmften 
24 Stofen, 4 Freiherren und 35 Reichsftädte, im Ganzen 86 Reichsſtaͤr 
Das mit großer Mühe zu Stande gebrachte Eintrachtswerk derfelben fand 
heftigen Widerfpruch, nicht bloß bei den Katholifchen, fondern auch unter bi 
teftanten. Schweden, Dänemark (feit 1536 proteftantifh), Schleswig, 
mern, Schlefien und mehre bedeutende Meichsftäbte weigerten ſich aus pol 
Gruͤnden, Heffen und die Stadt Bremen aus Neigung zum Caͤlvinism 
Goncorbienformel anzunehmen; die Pfalz fprang twieder ab und auch de 


 yenem Blauben zu widerfprechen ſchien. Zwingli, weniger durch 
mgen befangen und dem eignen Urtheile mehr einraͤumend, war das 
ihten feftzuhalten, die ipm im erſten Augenblide vernünftig 

kam baber leichter in Gefahr, Irrthum als Wahrheit anzunehmen, 
her Ueber Wahrheit als Irrthum verwerfen denn feinem, Glauben 
mmochte. Mit ihm hielt e6 der Dften und Norden, mit der freiern 
Miät ber ceformirten Kirche der Welten und Süben bes weiten Ge: 
wopa, auf dem der Proteflantismus ſich behauptete. — Durch über⸗ 
der Lehre umb des Gotteödienftes ſchloſſen ſich ber reformirten-Kicche 
t beffern Hälfte der Schweiz und Genf feit 1535, ein großer Theil 
ung, beſonders des üblichen Frankreichs (f. Hugenotten), Eng: 
Iehaltung der hierarchiſchen Würden zuerft 1547, und nad; dem pas 
Hmact unter ber Königin Marie 1555—58 für immer (f. Angli= 
lirche), Schottland, mo Knor 1560 die preöbyterianifche Kirchen⸗ 
uch Geufs Mufter einfhhrte, und die Republik ber Vereinigten Nies 
wit ihrer Freiheit zugleich ben Proteftantismus erfämpfte. (S. H 01: 
Ya Siebenbürgen behielt bie Iutherifche Gonfeffion das übergewicht, 
ing neben ihr auch ber Calvinismus ein, und in Polen, wo feit 1556 
Kon zahlreichye Anhänger erhalten hatte, ſchloſſen Die beiben proteſtan⸗ 
Am nebft den maͤhriſchen Brüdern 1570 ben Friedensvergleich (con- 
Eenbomic, ber fie zu dem unter b. Namen ber Diffidenten (f.d.) 
auſchen Körper vereinigte. — Der Verſuch des Kurfürften Gebhard 
582 fein Exzftife zu ceformiren, mußte bei der Unvorfichtigkeit feines 
Hinz) mißlingen. — Wie fehr nun auch Lutheraner und Refor- 
R Yeriode einander anfeindeten: die Hauptpunkte ber Lehre und des 
v6, ven Beift und Namen twahrer Proteftanten hatten und haben fie 
na a und jeder Fortſchritt in der Verbreitung der Reforma⸗ 
Gewinn für beide Parteien betrachtet werden. Gewiß ift es 

2* nad dem Keligionsfrieden fortdauernde gegenfetige Spannung 
mund Proteflanten die Verhaͤttniſſe herbeigeführt hat, in denen der 
ige Krieg, rd), ſich „entzändete und d Deutſchland verwüſtete. 





94 Reformation (Zolgen: der) 


war. Die Gegenanftalten ihrer Feinde gaben ihr erſt Zuſammenhang 
deutung. Die Angriffe leidenfchaftlicher und unverfländiger Gegner, d 
und Gewaltfchritte des cömifchen Hofes, die lauten Stimmen bes Beifa 
Nation trieben Luther's muthvolle Thaͤtigkeit weiter, als er je zu gehen 
Umftände, deren Zufammentreffen menſchliche Weisheit weder veranfla 
hindern Eonnte, begünftigten fein Unternehmen über alle Erwartung, e6 1 
Kampfemit Widerfachern, deren Sieg kaum zweifelhaft fehien, mit inn 
rungen, bie es in der Geburt zu erſticken drohten (Bauernkrieg, Wied 
zu einer Macht und Höhe heran, die ihn felbft in Erſtaunen fegte. Nach 
Fahren bes Fortgang der Meformation hing es nicht mehr von ihren St 
welche Richtung fie nehmen follte; fie machte ſich feibft ihren Weg und fü 
ihr Gelingen. Wer es weiß, mie in dem Gedränge von Ereigniflen, biı 
formation begleiteten, die große Idee einer Wiedergeburt des echten Chriſt 
eines heiligen Kampfes um ewige Güter vorgewaltet hat, ber wird nicht 

fie für ein Werk aus Gott zu erklären, deffen Urfprung reine Wahrheitsl 
fen Wachsthum die unverkennbarfte Probe eines himmlifhen Schuges 

Einige Schriftfteller der neueften Zeit haben nad) ihrem lbertritte zur Bar 
Kirche der neuen Mutter dadurch zu dienen geſucht, daß fie die Reform 
Urheberin aller der lbel anklagten, die in den 3 legten Jahrh. über die Wi 
ropas gelommen find. An den bürgerlichen Kriegen, die Frankreich, 

Deutfchland und England in diefer Periode zerrütteten; an dem Blute di 
ftanten, das kathol. Regenten und Inquifitoren mitten im Frieden verge 
den Hinderniffen, die Parteigeift und Glaubenseifer feit der Mitte des 16 
bis zum 18. den Kortfchritten der woiffenfchaftlichen Bildung in den We, 
an dem Unglauben ber Kinder diefes legten Jahrh.; an der Schwäche 
Lande, dem Unglüd Polens, den Graͤueln der franz. Revolution und den | 
Tag ſpukenden Ideen des Jakobinismus foll das Wert Schuld fein, das 
lem, was deutfcher Geift jemals hervorbrachte, das Größte und Ruͤhm 
Allerdings hat die Reformation bei den politifchen und miffenfchaftlidyen 1 
heiten der Zeit, in die ihre Folgen binabfloffen, mächtig mitgewirkt: ber 
moralifche und bürgerliche Zuftand der europdifchen Völker in diefer Perio 
hauptfächli von ihr und den Gegenwirkungen ihrer Gegner bebingt. | 
nicht Mißhandlumg ber Gefchichte, die Nachwehen alter Übel, die die Refi 
vorfand, den Drang dußerer Umftände, die Wirkung fremder Beweggri 
man ihr beigefellte, bie Unbilden und Grauſamkeiten ihrer Widerfacher | 
beizumefien ? — Das Menfchengefchledyt kann in keiner Richtung feines € 
zum Vollkommenern Schritte vorwärts thun, ohne eine Zeitlang mit ſich 
kaͤmpfen und jede Verbefferung theuer Ju erfaufen. Der ben Reformat 
fchwebende Hauptgebanke, die urfprüngliche Freiheit des Glaubens und 
dienftes von Menſchenſatzungen zuruͤckzufodern, Eonnte in der Einkleidun 
ihm gaben, nur zum Beffern führen. Wo aber perfönliche Leidenfchaft u 
nügige Politik, was urſpruͤnglich Zweck gewefen, zum Mittel ihrer Anſch 
abmwürbigten, da mußte die Entweihung des Heiligen ſich unvermeiblid, | 
nem Verfall und Äußeres Elend rächen. Doch foldye Ausartungen war 
allgemein noch bleibend; nur mehr Auffehen erregten fie als der viel we 
ende, nachhaltige Segen, ben das gereinigte Chriftenthum im Stillen fi 
Daß hauptfächlich der Einfluß der Grundfäge des Proteftantismurs die d 
fenden Verbefferungen bewirkte, die in der neuen Zeit faft auf allen Gebi 
Lebens der eucopdifchen Menfchheit zu Stande gelommen find, erweifl 
ſchichte durch Thatfacdyen. — Als Kirchenlehre galt vor der Reformation 

haͤufung gelegentlich aufgefommener Beflimmungen, worin die Summe 
gen Lehren und Saͤtze, welche dem göttlichen Anfehen der Priefterherrft 


hund und Aberglauben: bald bängliche Scheu vor ber —* 
den irdiſcher Neth und ewiger Verbammniß geruͤſteten geiſtüchen 
Augenluſt an dem Schmucke der Kirchen und ihrer Prieſter, Bes 
mer drachtvollen meiſt umverſtaͤndlichen kirchlichen Schaufpiele, bald 
der Phantaſie mit allerlei Legenden und Wundergeſchichten, und ein 
me der Gewohnheit, wie an ben Kugeln des Roſenkranzes, ablaufen: 
Achten, Büßen, Zaften, Waufahrten und Dingeben reichlicher Spen⸗ 
mb Geldeörwerth, deffen Zrübfeligkeit und Mühe hier ein Schwan, 
me Bertröftung erleichtern mußte. Und biefer mit unzähligen, dem 
xerſtande biofgeftellten Geremonien uͤberladene Gottesbienft, ber, bei 
anmöthiger Belehrung der Laien, ber einzige Anhalt ihrer Religiofis 
‚wurde noch dazu an ben meiflen Orten von der Geiftlichkeit ſo kalt 
Nendfig verrichtet, dag, wenn einzelne Fromme etwas von Theilnahme 
kabel emıpfanben, die Kirche ſich das Verdienſt, ſolche Regungen er⸗ 
m, wur ſelten zuſchreiben durfte. Die Unwiſſenheit des gemeinen 
Kim zwar bie Mängel feines Religionszuftandes, beffer Untercichtete 
R, daß die durchgängige Bezlehung der Lehre auf den Vortheil des 
uub des Tuitus auf die finnlichen Zeichen des ‚Heiligen, faft bie ganze 
Bllubigen auf Dinge lenkte, bie zur chriſtlichen Gotteserfenutniß gar 
hand eine waͤrdige Gottesverehrung keineswegs befsrbern. Kein 
Nas Chriſtenthum in feiner bamaligen Mißgeftalt bei vielen ber vor⸗ 
m und Geiftlichen, deren Geſchmack ſich durch bie erneuerten claſſi⸗ 
Lusinet hatte, ein Gegenſtand entſchledener Beachtung geworben 
brauchten ed nur als Mittel ihrer eigennügigen 
*8. fid) dem Unternehmen einer Kirchenverbeſſerung, das fie für 
d gefährlich hielten, mit einer Hartnädigkeit entgegen, bie alle Vor⸗ 
haied amad jeden Frieben&verfuch vereitelte. Wie ſchwer es auch Lu⸗ 
Heinging, bie chrifttiche Kirche von ber roͤmiſchen zu unterſcheiden: 
Miche Bruch mit dem Papfte gab ben Reformatoren das Recht, bie 
Imber, frembartiger Bekleibungen ber Religion in Lehre und Gottes: 
uufen und ein Ghriftenthum herzuftellen, das keine Regel und Nah⸗ 





008 Reformation (Folgen der) 


Volks. Tauſende von Zoͤglingen der hohen Schulen, von Freunden ber! 
phie und des claffifchen Alterthums, von verftändigen Bürgern und Geld 
ten, von Unzufricdenen in ber niedern Geiftlichkeit waren ſchon bereit, zue | 
tung diefer Grundbfäge mitzumirken, Fürften und Adel, ja felbft einige 
fühlten die Gewalt der Wahrheit, und die Luft zu Neuerungen erwacht 
niedern Ständen fo ftark, daß man an mehren Orten auf nichts Geringe 
ging al&gglie Bande zu fprengen. Diefe mächtige Wirkung ihrer erften M 
munter die Meformatoren auf, den zweiten Schritt zur Herftellung ber! 
Meligion dadurch zu thun, daß fie ihre Hinderniffe auch in den kirchlichen 
wegräumten. Dazu gehörte der Wahn einer facramentalifchen Prieflerwe 
das geiftliche Amt Über die Menfchheit erhob, einen bevorrechteten Sta 
Geſetzgeber des Glaubens machte und jeden Mißbrauch der Kirchengewalt‘f 
der Heiligen=, Reliquien - und Bilderdienft, der, wie er getrieben warb, bie 
rung des unfichtbaren Gottes felbit beeinträchtigte; die Transfubftantiatie 
Meffe, nad) der man den Sohn Gottes täglich durch Menſchenhaͤnde 
und opfern ließ und die Anbetung der Hoftie rechtfertigte; dic legte Ölung 
Seelenmeffen, die von der Zodesangft der Sterbenden und von ber Kraut 
liebte Todte wucherliche Zinfen zogen, und eine Menge andrer Gebräude,i 
Andacht zerſtuͤckelten und die Übung der Religion berabwürbigten. — D 
wuͤrfe der Abgeſchmacktheit und Willkür, die der Gebildete fonft der Eizchikd 
ligion madyen konnte, verloren auf dem Gebiete des Proteftantienus .b 
Abſtellung diefer Mißbraͤuche ihren Sinn, und auch ſchwaͤchere Augen mugl 
daran gemöhnen, ben Tempel der Wahrheit felbft zu fchauen, da das ſchu 
Geruͤſte, mit dem die vergangenen Sahrhunderte ihn verbaut hatten, num 
genommen war. Won abergläubifchen Märchen und ſchlauen Erfindun 
Herrfchfucht richtete fich der religiöfe Glaube nun auf einen Gegenflanb, br 
halten Eonnte, ohne den Gebrandy ber Vernunft aufzugeben, da bie ewige 
heit des Evangeliums durch Luther's treffliche Verdeutſchung und treue Üben 
gen in andre Sprachen, durch die auf feinen Grund gebauten Prebigten 
turgien in den Landesfprachen, durch Katechismen und faßliche Lehrbuͤche 
fälfcht zur allgemeinen Kenntniß kam. Zu feiner urfprimglichen Veftimm 
rüdgeführt, widmete das chriſtliche Lehramt bei den Proteftanten ſich ausſi 
der Sorge, das Wort Gottes zu erläutern und auf die Erbauung der G 
anzuwenden, Schulen für die vermahrlofte Jugend zu errichten umd bie vı 
nen zu verbeffen. Den hierarchiſchen Vorrechten entfagend, wodurch 

Volke gefchieden geweſen waren, theilten die Lehrer der Religion alle ihr 
dungsmittel und Segnungen mit den Laien. Jeder Proteftant erhielt bes 
bes Kelchs im Abendmahle, jeder Eonnte die einfache Feier des Gottesbien 
ftehen und in die heiligen Lieder mit einftimmen. &o gewann die Gott 
rung, wo der Proteftantiemus Eingang fand, jene Einfalt, Wärme und J 
£eit wieder, die fie unter ben erften Chriften gehabt hatte. Sie wurbe ein 
fhaftliches Wert und ein um fo innigeres Band der Vereinigung mit G 
unter einander, je Exäftiger das Gefühl, dieſen neu erworbenen Zuftand 

ligion gegen Gefahren und Angriffe von Außen verteidigen zu müffen, bi 
men ber Religiofität anfachte und zur Liebe gegen die Glaubensgenoſſen erm 
Ganz unftreitig ging daher aus der Reformation keine Solge unmittelbare 
als diefe von ihr verbreitete hellere Gotteserkenntniß und reinere Froͤmmigkei 
die fonit der Phantafie und den Sinnen dienende Religion zu einem Geg 
gruͤndlicher Einficht, freier Überzeugung und tiefer Empfindumg des Ber 
macht hat. Nicht als ob diefer wohlthaͤtige Einfluß gleich allgemein und ı 
dig zu Tage gekommen oder in feiner Periode der weitern Entwickelung bei 
ſtantismus geſtoͤrt worden wäre: bie beften Ideen, die weifeften Anftalteı 


ss0et yenupjuuan YrEumprJUVENy van vr Verde Mau Mau suırprenuyr 

entſchuldigt, aber ber innen Ausbildung bes Proteftantiemus 
ulidy war. Daher die Übereitungen ſtuͤrmiſcher Verbeſſerer, welche 
toren nicht unſchaͤdlich machen konnten, ohne von ben Formen des vers 
ltus um der Schwachen willen mehr beijubehalten, als eine folgerichs 
ung ihrer Grundzüge zugelaffen hätte. Daher jene Meinungskrlege 
m, bie nicht nur das Zufammenwirken ber ſchweizeriſchen Reformator 
ſach ſiſchen hinderten, fondern aud) gewiffen minder wefentlicyen Lehr: 
sorübergehenbe Wichtigkeit gaben, welche in ben fpäter beftimmten 
befonders ber Rutheraner, merkliche Mißverhaͤltniſſe und Muttermäler 
m Entflehung gebracht hat. Gerecht waren bie ftarten Erklärungen, 
e echten Proteflanten ſich von allem Zufammenhange ihres Werkes mit 
nifungen ber Wiebertäufer, den Schwärmereien ber Schwenk s 
und den Willkuͤruchkeiten der Socinianer (f. d.) losgefagt haben. 
ud) die Reformation vecanlaften, aber von ihrem fhriftmägigen Wege 
m Secten näperten ſich erft nach vielen Verirrungen dem Geifte des 
weflantismus in einigen Punkten, ohne ihren Grundirrthuͤmern zu ents 
mm daß im Gebränge jener Streitigkeiten der Glaube manches evangel. 
ia Halsftarrigkeit und Vorurtheil ausartete; daß bie unfelige Sectis 
Berketerungeſucht fid bei einigen einſchlich; daß hauptſaͤchlich diefe 
ia den adlaphoriflifchen und interimiftifchen Händeln von lutheriſchen 
#g angefeindeten fogenannten Adiaphora — Altäre, Lichter, Bilder, 
ie, Chorhemden, Oblaten, Privatbeichte, Erorcismus, und felbft die 
Worte „Water Unfer” jtatt „Unfer Vater“ — in Folge ber krypto⸗ 
Unruhen zu Parteizeichen ber Lutheraner machte: dies kann hier um 
weefchmiegen bleiben, je unverhältnigmäßigern Werth man biefen Din- 
‚poei Jahrhunderte hindurch beigelegt hat. War jedoch das Streiten 
her Religion Überhaupt ein aus der alten Kirche geerbtes Übel, dem bie 
wm nur neue Öegenftände gab, fo konnte es am wenigſten ba unterbleis 
ine neue Form des Glaubens zur Gewißheit und Gültigkeit kommen 
Ieviel es zur Erreichung dieſes Endzwedlö beigetragen, wie heilfam es 
mere Beitimmuma einzelner Seile der Rohre aemirft. melche Iehhafte 


98 Reformation (Folgen dei) \ 


mahl noch Geheimniffe ehrten, während die Reformirten Alles dem Verſtam 
terwarfen, brachte weſentliche Verfchiedenheiten in die Natur ihres religibſen 
ned. Doch fand der Reichtfinn und Unglaube, den die kalte Gleichguͤltigkeit 
Eatholifchen Großen in Stalien und Frankreich nährte, bei beiden Parteien nur: 
Eingang. Sie meinten e8 viel zu ehrlich mit ihrem Glauben, fie waren zu gelb 
von feinen Wahrheiten unterrichtet und uͤberzeugt, als daß ihnen das Deiligh 
gleichgültig werden Bönnen; ja fie zeigten fi) bereit, wo e8 galt, Gut und 
daranzufegen. Und genäht wurde diefer fromme Sinn durch die rührendei 
lichkeit der Andachteübungen, die nicht nur die Gläubigen in der Kirche, fe 
auch in ber Stille des Haufes die Familien um ihre Väter verfammelte. . 
treue Gedaͤchtniß bewahrte reiche Schäge von biblifchen Sprüchen, von kern 
geiftlichen Liedern, deren nie eine Kirche mehr und falbungsvollere befaß a 
proteftantifcye in Deutfchland und Frankreich. Sie gingen beiebend vom 3 
zu Mund, fie begleiteten die Bekenner des Evangeliums zu Ihren Geſchaͤfta 
Unternehmungen, bei allen Abwechſelungen ihres Schickſals ale unzertrel 
Gefährten, ernſte Erinnerer und Eräftige Troͤſter; fie thaten, nadı dem eigns 
ftändniffe der Kathofifchen, dem Papfte mehr Abbruch als die gelehrteften C 
ten der Neformatoren. Das fleifige Lefen der Bibel und der viel wirkenb 
bauungöbücher von Arnd und andern Afceten erfeste in Zeiten, mo die Gtrel 
ſich der Kanzeln bemächtigt hatte, Unzähligen den Mangel geiftreicher und 
cher Predigten, und Spener fand unter den Laien nod) mehr als unter dent, 
logen empfängliche Gemüther für feine frommen Wünfche und heilfamen | 
fhläge. Durch diefen einflußreihen Mann gewann der religidfe Charakt. 
evangel. Kirche neues Leben; eine erbaulichere Methode im Predigen und A 
ferer Volksunterricht rief den im Dienfte des Buchftabens der ſymbollſchen E, 
foft erftarrten Geift des Proteftantiemus wieder hervor. Wo der mit Sp 
Bemühungen genau zufammenhangende Pietismus nicht in Trübfinn und‘ 
chelei außartete, hegte er Keime und Anftalten der Froͤmmigkeit, denen die 
thuͤmliche Gottesfurcht, in der die Wäter des jest lebenden Geſchlechts aufes 
wurden, vorzuͤglich zuzufchreiben ift. Ja feibft unferer Zeit, der nicht ohne E 
vorgeworfen wird, daß fie die Bibel lieber meiftern als brauchen wolle, fe 
unter Denen, bie weniger kluͤgeln und fchreiben als glauben und gehorchen, 
an zahlreichen Beweifen, wie wohlthätig die Folgen der Reformation für bie 
gioſitaͤt ihrer Sreunde fortwirken. 

Nicht geringeres Verdienſt hat fie um die Sitten. Da zu der nodh | 
wegs ganz uͤberwundenen Rohheit und Völlerei früherer Jahrhunderte im 3 
vorzüglich unter den Geiftlichen jede Ausſchweifung der Wolluſt und Üppigke 
ſellt hatte, griffen die Neformatoren diefen faulen Fleck am ftärfftn an. S 
fie das Gefeg des blinden Gehorſams gegen den Papft und andere Kirchen 
aufhoben, die Meinung von der Verdienftlichkeit der fogenannten guten 1 
(willtärlihe Büßungen, Zaften, Schenkungen) und den Wahn, daß aͤuß 
Beobachtung der Firchlichen Vorfchriften Tugend und ein Überbienft derſelben 
mit — wie 1342 zu glauben verordnet worden mar — die Deiligen ben Sch 
Kirche bereichert hätten, auch nur möglich fei, widerlegten, fegten fie das eı 
fiteliche Urtheil der Einzelnen wieder in freie Bewegung und begründeten d 
nem Begriffe, die die Proteftanten, flatt jener mit allen Laſtern verträglidy 
galieät, Heiligkeit der Gefinnung und Unfhuld des Wandels als die Aufgabe 
Lebens betrachten lehren. Mit jenen Grundirrthuͤmern der Kirchenmoral 
Gebräuche zufammen, deren anfangs vielleicht wohlgemeinte Stiftumg ein 
Sitten hoͤchſt verderbliche Praris zur Folge hatte: die Ohrenbeichte, die a 
Mittel der Herrſchaft über die Gewiſſen und über die Familiengeheimniffe der 
gebraudıt wurde; die Pönitenzen oder Kirchenftrafen, die man den Suͤnderr 





Reformation (Folgen der) 99 


ber Ablaß ober die Indulgenzen, wodurch man fie ihnen für gute Be: 
eder abnahm; die Wallfahrten, zu denen Scharen troftbebürftiger Laien 
den, um diefen Erlaß bei Gnadenbildern zu fuchen und fich gemein: 
Ausihroeifungen zu ergeben. Indem die Reformatoren biefe Mif- 
e die Sündenvergebung in den Augen des Volks für Geld feil machten, 
ſtellten, entriffen fie der Unfittlichkeit den Schuß gefeslicher Dulbung, 
ı die Bußfertigen an, das Heil ihrer Verſoͤhnung mit Gott allein durch 
nd neuen Gehorfam zu fuchen. Und da fienun auch jene finftere Aſce⸗ 
anmenſchliche Seibftpeinigungen,, abftumpfende Einſamkeit, Armuth, 
hmuz, Hunger und Elend, ja felbft privilegirte Bettelei und. Müßig: 
wegefällige Dienfte und Stufen zur hoͤchſten Vollkommenheit ausgab --- 
hädlichkeit darftellten; da fie die Kiöfter öffneten, Moͤnche und Nonnen 
‚de entließen und den Lehrern der Religion die Che erlaubten: wurden 
Schlage die Werkftätten des Aberglaubene, die Hauptfige ſtummer 
ad verborgener Greuel, zerftört, eine Menge verfiimmerter Geſchoͤpfe 
der Menfchheit wiedergegeben, und die umheiligen Flammen einer Brunft, 
reichbegabte Naturen ſchmaͤhlich verzehrt, oder ſich durch Verführung 
d gefättigt hatte, in die Schranken rechtmäßiger Neigung zuruͤckgefuͤhrt 
förderungsmittel des Familienglücs verwandelt. So haben die Refor: 
ndy Aufhebung des Coͤlibats und der Kiöfter die Natur wieder in die 
efegt, die fie zu einer Pflegerin der Sittlichkeit machen. Daß fie ber 
) die ihr aufgebrungene facramentalifche Unauflößlichfeit nahmen und 
Faͤlle Scheidung geftatteten, war nur eine Maßregel zur Sicherftellung 
Rechte, die der Würde des Eheftandes nie nachtheilig werden Bonnte, 
ber Leichtfinn des gegenwärtigen Geſchlechts jene urfprünglich fehr ein- 
Erlaubnig gemißbraudyt. — Was aber, nächft der Befeitigung folcher in 
Icche gehegten Hinderniffe der Moralität, das Verdienft der Reforma⸗ 
Bitten in das hellſte Licht geftellt, ift die Thatſache, daß fie den genauen 
hang der Religion mit dem täglichen Leben zur Anerkennung gebradıt, 
Beggründe des Handelns gegeben, und das fittliche Gefühl, deſſen Wert 
er, bei den proteftantifchen Völkern — ohnehin den ernfthaftern und 
— zu einer Begeifterung angefadht hat, die In allen Zweigen dee öffent: 
Kuslichen Lebens herrliche Früchte trug. Nicht nur gingen die Refor: 
Bft mit den edelften Beifpielen moralifcher Würde und Pflichttreue voran, 
ihren Anhängern erzeugte Die Kraft des Evangeliums und die Kenntniß, 
kand von feinen Pflichten erhielt, jene Nechtlichkeit, Zucht und Selbft: 
, die überall, wo der Proteftantismus obfiegte, dem gefellfchaftlichen 
beffere Seftalt gab. Auf Gott und den Richter im eignen Innern zu: 
a, erhoben ſich die vom Zwange menſchlichen Anſehens befreiten Gemuͤ⸗ 
Gewiſſenhaftigkeit, welche der Grundcharakter des mahren Proteftan- 
Die Redlicykeit und der Edelfinn der evangelifchen Fuͤrſten befchämte 
der römifchen Politit. Ein Heldenmuth, der für die Sache ber Wahr: 
Irdiſche aufzuopfern wußte, eine Standhaftigkeit im Bekenntniſſe des 
eine Freudigkeit ımter den härteften Drangfalen, eine Zuverficht und 
Tode, deren Beiſpiele die Welt mit Bewunderung fah, zeigte fic un: 
und Niedern. Im erften Schwunge diefes Heldenſinns wurden Tha⸗ 
und Tugenden ausgeübt, die an den Geift der Apoftel und erften chriſtli⸗ 
wer erinnerten. Die fpanifchen Inquiſitionsgerichte, die in den Nieder: 
en die Evangelifchen wüıtheten, fahen ſich bewogen, von Öffentlichen zu ge: 
michtungen Überzugehen, um dem Volke den Anblick der Seelengröfe 
ectopfer zu entzichen. — Auf diefer Höhe Eonnte nun freilich die fittliche 
4 der Proteflanten nicht lange bleiben, fchon manche der erften hatten 
7* 


100 - Reformation (Folgen der) 


die Lofung der evangelifchen Freiheit zum Dedimantel eines wüften Lebens ge. 
braucht, und je mehr bie Zahl der Proteftanten anwuchsl!, defto häufiger ga 
unwuͤrdige Glieder in den Gemeinden. Über dem Dringen auf Rechtgläubk. 
wurde, befonders unter Lutherifchen — denen e8 überhaupt an einer mohlgess- 
ten Kirchenzucht fehlte — die fittliche Bildung bisweilen vernadhläffigt, unb. 
und da nahm der Mißverftand von Luther's Kehre, daß ber Glaube allein felig m 
gar Gelegenheit zur Beſchoͤnigung des Lafterhaften Wandeld. Aber ungen. 
dieſer Mängel erhielt von den heilfamen Wirkungen der Meformation für die €, 
lichkeit ihrer Anhänger immer noch mehr, als der neuerding6 über die Zeit ver 
Mitte des 16. bis zum Ende des 17. Jahrh. twiederholt verhängte Tadel zuge. 
mag, Beſtand und Dauer. Den fchneliften Eingang hatte fie in dem durch 
Verfaſſung der Städte zu felbftändiger Würde gelangten Bürgerftande gefun, 
weichem die proteftantifche Geiftlichkeit fidy num durch Gemeinſchaft der keh 
weife, der Intereffen und $amilienbande innig anfchloß. Der von ihr mel 
gerufene fittliche Geift wurzelte tief und bleibend bei diefer zahlreichen, vor «u. 
blühenden Glaffe des Volks. In den Städten wurden Anftalten zum Unteg 
der Jugend und zur Verforgung der Armen gegründet, Sittengefege gegeben. 
Einrichtungen zu Bewahrung geziemender Ehrbarkeit getroffen, - unter deren 
fluffe die Tugenden der Ordnungsliebe, Mäßigkeit und Sparfamleit geh” 
der durch Abfchaffung überflüffiger Fefttage geförderte Gemerbfleiß fich frei 
fröhlich, regte, und eine Öffentliche Meinung ſich ausbildete, die folhe Stu 
Lauterkeit und Gewalt über die Seclen fonft nirgends erhalten hat, als und, 
Proteftanten. Dffenbar gewannen hierin die Reformirten den Vorzug vor 
Zutherifchen. Die reformirte Schweiz, insbefondere Genf, wo Calvin die. 
chenzudyt angeordnet und ein Eittengeriht aus Geiftlihen und Laien eins 
hatte, gab ein in feiner Art einziges Beifpiel von Reinheit der Sitten, best 
franz., bolländ. und die presbyterianifchen Gemeinden in Schottland und Erz 
nachfolgten. Wie heilfam und nachhaltig jedoch die Wirkung der Reformatior 
den Zuftand der Sitten ihrer Anhänger überhaupt war und noch ift, hat BER 
die neuern Zeiten der Abſtich kathol. Linder von den proteftantifchen jedem Ru 
ten gezeigt. Wenn er in jenen meiftentheils vorherrfchende Sinnlichkeit, Ro! 
Schmuz, Trägheit, Bettelei und Unordnung im öffentlichen und häuslicher 
fen fieht, empfangen ihn in dieſen faft überall wohleingerichtete Verfaffungen, 

liche Anftalten des Gemeingeiſtes, edlere Formen des Lebensgenuffes, gefl 
nüchterne, teinliche, arbeitfame Menfchen, deren wohlgeordnetes Verhalten, | 
Mirthfchaftlichkeit und haͤusliches Gluͤck achtunggebietende Zeugen ihres er 
Sinnes und ihrer moralifchen Bildung find. -—- Daß diefe Züge eines ver 
ten Zuftandes der Sitten ſich in den Eleinen Gemeinden der Herrnhuter, Meti 
ften und ähnlicher proteftantifchen Secten, welche mehr oder minder die mufter! 
Kirchenzucht der mährifchen Brüder angenommen haben, weit volltommener ı 
nigen als in den weitumfaflenden Sprengeln der beiden evangelifhen Haup 
teien, wird nicht befremben. - - Ob e8 aber nun beffer fei, der unbefchräntten : 
beit, welche die evangel. Kirche ihren Gliedern im ſittlichen Handeln läßt; 1 
Maßregeln einer firengern Zucht Grenzen zu feßen, ober, wie bisher, von der J 
des göttlichen Wortes allein die Srüchte wahrer Befferung zu erwarten, wagen 
nicht zu entfcheiden. Genf behauptet nicht mehr den alten Ruhm feiner fire 
Sitten; die reformirte Kirche ſieht jegt der Iutherifchen in Hinficht der Sitter 
durchaus ähnlih. Den Zwang pietiftifcher Bußanftalten hat die heitere € 
hungsweiſe der Neuern abgeworfen ; felbft die fromme Brüdergemeinde fäng 
über das Streben ihrer jingern Glieder nad) Ungebundenheit zu Magen. Ein 
drer, freier, ja hier und da zuͤgelloſer Zeitgeift gebjetet Über die Kebensorb: 
und Handlungsweife der Proteftanten, und von den Folgen der Meformation fü 


Reformation (Folgen der) 101 


ft der ihr ergebenen Völker blieb dem heutigen Geſchlechte kaum etwas 
was, wie jene häuslichen und bürgerlichen Tugenden, in ihre Nationali⸗ 
hfen oder in den Grundfägen ihres Lehrbegriffe aufbehalten if. Doch 
bauptfäcdhlich von der Reformation bedingten BolkseigenthümlichEeiten, 
durch fie geltend gewordenen und jetzt'in der Wiffenfchaft herrlich ent: 
trinen Grundfäge der Moral bezeugen, daß ihre Geiſt noch lebt und 
twirkt, wenn audy ihre Kormen einer neuen Ordnung der Dinge weichen. 
gfamer, aber viel freier als auf andern Gebieten des Lebens der Prote: 
ſchehen Eonnte, haben die Kolgen der Reformation ſich auf dem Felde der 
[haft entwidelt. Die Befhäftigung mit den claffifchen Alten war im 
v8 16. Jahrh. nur ein geiftiger Lurus weniger Vornehmen und Gelehr⸗ 
fie mußte e& bleiben, two ber Papismus galt, der wol diefe Lecture, aber 
ı die pbilofophifchen Kolgerungen und praftifchen Anwendungen davon 
n unterworfene Gegenwart dulden Eonnte, ohne fid) felbft zu zeritören. 
thot daher ſchon 1515 den Drud von Überfegungen der Alten in die Lan: 
na, während er die Humaniſten ſelbſt ſchuͤtzte und koͤniglich belohnte. 
ı mochte zu Bologna die Brundlofigkeit der wichtigften Religionslehren 
Befihtspunfte der philofophifchen Erkenntniß lehren: man überließ e6 
m Mönchen, ſich mit ihm zu meffen. Peter Aretin mochte feinen Wit 
ı Spottfchriften und unzuͤchtigen Gedichten auslaſſen: Leo X. und feine 
r überhäuften ihn dafuͤr mit Ehre und Reichthum, und Rom nannte die: 
mer an Zafter und Bosheit den Göttlihen. Die Wiffenfhaften moch: 
mpt Pflegerinnen des Unglaubens und Sittenverderbend werden, wenn 
Zweifel am Primat des Papftes in Umlauf und kein Strahl vernünfti: 
kt unter das Volk kam. Mit der gelehrten Schwelgerei, zu der Stalien bie 
edten Alten gebrauchte, ging eine planmäßige Verfinfterungsfucht Hand 

Es fehlte wenig, daß nicht die heilige Schrift, von der faum Einer im 
größten Sprengel das Original kannte, felbft in ben Inder ber verbotes 
er geroorfen wurde, in den fchon alle Überfegungen, außer ber lateln. 
Mon, gehörten. Die Seiftlichen, die gegen Reudjlin das Wort führen 
wıßten von keinem Neuen Teftamente in griech. Sprache und hielten das 
gar für eine argliftig erfonnene Hexenſprache. Die Philofophie der 
er folgte dem Ariſtoteles; doch nicht dem Lehrer des Alerander felbft, 
kem Gewebe unfruchtbarer Subtilitäten und abenteuerlicher Erörterun: 
von feinen Pflegern Ariftotelifche Weisheit, von Luther aber mit Recht 
‚ Palter, todter Hund genannt wurde. — Hatte alfo auch das Studium 
Bpradhen, der allgemeine Gebraudy der lateinifchen ald Mittel des ge: 
rkehrs, und die Erfindung der Buchdruderkunft den Anbau der Wiffen: 
whereitet: das Element, in dem fie allein gedeihen können, und die Rich: 
Bemeinnuͤtzigkeit erhielten fie erft Durch die Reformation. Diefe zerbrach 
s der Vormundſchaft, die eine verfinfternde Pricfterherrfchaft über Die 
wäbte, nahm der Geiftlichkeit das fchlecht benutzte Monopol der Gelehr: 
gründete und fchügte die Sreiheit der Gedanken und ber Preffe, weckte 
echungsgeift und die Wißbegierde, und öffnete der Kritik in allen Zwei: 
zeenntniß eine ſchrankenloſe Bahn, auf welcher die von ihr gefchaffene 
ige Republik der Gelehrten ihre Geſetze fand und ihre Eroberungen 
Mochten unter den erſten Vordermännern berfelben ruhige Weile fein, 
Erasmus, der alten Kirche ergeben blieben: gedient haben jie ihr nicht, 
ihre Srundfäge, durch ihr Streben, durch den Geift ihrer Werke gehoͤr⸗ 
Rreitig den Evangelifchen an. Das Princip der Freiheit von jedem menſch⸗ 
fehen hatte diefen einmal die Grundlage aller wiffenfchaftlichen Bildung 
ade gegeben; die Schulen und Univerfititen — die fie verbefferten, N: 


102 Reformation (Kolgen der) 


teten, enge mit einander verbanden und durch neue Zufluͤſſe aus ben erledi 
Stiftern bereicherten — wurden Kreiftitten des Lichts, aus benen der Gelehr 
ftand ſich eine viel größere und gründlicher gebildete Zahl neuer Glieder heray 
als ihm fonft aus den Unterrichtsanftalten der alten Kicche zugemachfen war. : 
durch Aufitellung der Bibel, als alleiniger Glaubensregel, begründete Pflicht 4 
Theologen, ihren griech. und hebr. Text zu verftehen, führte die Proteftantem: 
ſelbſt zur allgemeinen Befchäftigung mit der Sprache Homer’s und Plato’s, m 
Reuchlin eben erft den Deutfchen empfohlen hatte, und zum Anbau ber orien 
(chen Literatur, von der damals nur Araber und Zuden etwas wußten. 4 
Menge alter Dandfchriften grieh. und lat. Werke, die man bisher entweber: 
nicht oder doch nur einfeitig gekannt hatte, Fam aus den beftäubten Biblioth 
der aufgelöften Kiöfter zum Worfchein und durch den Eritifchen Fleiß meift pı 
ftantifcher Gelehrten in den Öffentlichen Gebrauh. Mit jugendlicher Kraft- 
Friſche entfaltete fich ein neues Leben der Wiffenfchaft in der Zeit, wo Mela 
thon — der durch feine Studien nur felbft weifer und beffer werben wollte — 
der thätige, kuͤhne Calvin die Lehrer Deutfchlands und Frankreichs waren. 
fallend hat diefer Segen der Reformation ſich durch die Thatſache bewährt, 
ihrem Beginn das füdliche Deutfchland dem nördlichen an literarifcher BR 
überlegen gemwefen, und ein halbes Jahrh. fpäter — mo der Proteftantismug 
Norden obfiegte — das umgekehrte Verhaͤltniß eingetreten; und dag uͤberh 
feit jener Zeit das proteftantifche Gebiet von Europa dem Eatholifchen in mg 
Geiftesbildung weit vorausgeeilt ift. — Indeß gab es auch einen Stillſtan 
Aufklaͤrung, den die unverftändige Lutherthumelei, das Kleben am Buchſtabeh 
Goncorbienformel und die oft Bleinliche Zankluft der Theologen in der evangefif 
Kirche verurſachte. Das Fortfchreiten der wiffenfchaftlichen Bildung hat der € 
jener fteifen, ftreitluftigen Orthodoxie ohne Zweifel gehemmt. Zwar erhielt et 
frei von den Schwärmereien ber Wiedertäufer, die alle Gelehrſamkeit verwar 
aber er gab doch der akademiſchen Studienweife und literarifchen Thaͤtigkeit 
lange Zeit eine verkehrte Richtung, er umfchloß die gelehrte Welt mit zunftae! 
Schranken, verfchuldete das Eindringen eines todten Schlendrians in bie vor 
Reformatoren aufgerichteten Volksſchulen, und brachte in die kirchlichen Xı 
ftatt helldenkender gemeinnügiger Lehrer der Neligion, häufig nur ungelente 
ter, von denen felten ein faßlicher praktifcher Vortrag zu hören war. — Viel | 
erfüllten die reformirten Gelehrten im 17. Jahrh. ihre Beftimmung. Bon £ 
fo enge begrenzten Lehrform gedrüdt, ungeachtet aller Ehrfurcht, die den M 
eines Zwingli, Galvin, Beza, DEolampadius u. f. w. gebührte, doc) an ihre R 
nicht firenge gebunden, führten fie da von diefen großen Männern begonnene $ 
feiner Vollendung näher, zeigten fie fich in ihren Nachforfchungen freier, in & 
Eifer gemäßigter als die Lutherifchen. Nur die Epode der dorbrechter St 
beweift, daß es auch unter den Reformirten Andächtelei und unverftändigen € 
benseifer gab. Doc, füllen die berühmten Namen reformirter Philologen, 
geten, Kritiker, Philofophen, Rechtslehrer und Hiſtoriker den bei weiten ſchoͤ 
und reichften Theil der Bildungsgefchichte dieſes Jahrh. aus. Gründliche Gel 
hatte damals zwar auch bie lutherifche Kirche, aber an Geift und Geſchmack 
den die meiften tief unter den Helden der Literatur, die die reformirte zum Th 
Frankreich, mehr noch in Holland und England zählte. Erſt im 18. Jahrh. 
mochte jene fich im Wetteifer mit dieſer zu meffen, ja feit der Mitte deffelbe 
durch ihre Verdienfte um die theologifchen, biftorifchen, philofophifchen und z 
logifhen MWiffenfchaften noch zu überflügeln, fobag man mit Recht fügen E 
„Die Ströme des Lichts, das dem Proteftantiömus eigenthuͤmlich ift, machter 
feiner Wiege aus den Weg durch die Ränder der Kreiheit, um, nach beinahe 
Jahrhunderten, mit neuem Vorrathe bereichert, zu ihr zuruͤckzukehren untl 


Reformation (Folgen der) 105 


Boden neue herrlichere Schöpfungen hervorzubringen”. Denn ganz un: 
d es feine Grunbfäge, bie in diefem Gange ihrer Entwidelung mehre 
ſenſchaften, wie die Kritik des Tertes der heil. Schrift, die Hermeneuti, 
1, das Studium der chriſtlichen und orientalifchen Alterthuͤmer, die chriſt⸗ 
H, das Staats, Naturs und Völkerrecht exit gefchaffen — andere, wie 
sphie (die der Proteflantismus von den fcholaftifchen Feſſeln befreite), die 
(dev er neuen Stoff, gefundere Logik und mphlthätigen Einfluß auf die 
wadyen gab), die Jurisprudenz (die er aus der Dienftbarkeit päpfti. Sa⸗ 
fe und auf die Natur und Geſchichte bes Menſchen bauen lehrte), die 
b Kirchengefchichte (die er reicher, unbefangener und muthiger machte), 
sie und Naturwiſſenſchaft (die er aus den Schranken geheiligter Irr⸗ 
morzog und gegen den Aberglauben ins Feld ftellte), weſentlich verbeffert 
nem Leben befeelt haben. — Wie fehr auch bie Jeſuiten fich anſtreng⸗ 
fen su machen, in weichem Widerſpruche das Papftthum mit bem Zeit: 
, und den wiffenfchaftlichen Ruhm der Proteftanten zu überbieten: zu 
an es ihrer Willkür in der Behandlung der Alten, ihren Verdrehungen 
yeit in der Philofophie und Gefchichte, ihrer fchlaffen Moral und feichten 
an, daß es ihnen nicht um die Ehre Gottes, noch um die Würde der Wif: 
indern lediglich um irdifche Nebenzwecke zu thun war. Und in ihrer eig: 
mußte der ohne bie Reformation wol ſchwerlich ins Leben gefommene, 
m und Moral ungemein wichtige Sanfenismus aufltehen, um ihre Btöße 
a und dieſe gefährlichften Gegner der Proteflanten mit ihren eignen 
s f(hiagen. Ja, ihrem ganzen Orden bereitete die Aufklärung, ber fie 
mebeitet hatten, dem Untergang; und während ihre Kirche an der Luͤcke, 
e Aufbebung im öffentlichen Unterrichtöwefen machte, mit Reue wahr: 
ehabe ihnen zu viel vertraut‘‘, fiel aus den Höhen der proteftantifchen 
weit ein Blick der Liebe auf die lange vergeffene, der frommen Bemühun: 
Retismus wenig froh gewordene Jugend der Niedern im Volke. Die 
bar Sußerte nun erſt ihren umfaffendften Einfluß auf die Geiftesbilbung 
Ben durch die zweckmaͤßige Verbefferung der Stadt: und Lanbfchulen, 
land und Deutſchland das Meiſte thaten, durch die Verbreitung gemein: 
kantniffe, heller Einfichten und belebender Ideen in ber Maffe des Vol: 
klarholifches Land kann feinen Pöbel in diefer Hinficht mit den unterften 
ber proteftantifchen Linder vergleichen; und während dort felbft der Mit 
ıder Regel nur die nothbärftigften Fertigkeiten für den Betrieb der Ges 
inet, iſt er hier Pfleger der Literatur und durch die geſchaͤftigen Haͤnde 
ungöfchreiber, Journaliſten und populairen Schriftftellee Regent der 
a Meinung. Alſo mol fpät, aber defto vollſtaͤndiger und durchgreifender 
fermation ihre beilfamen Folgen für die Ausbildung der Wiffenfchaften, 
rtgang ber Aufklaͤrung geäußert. 

die Künfte, die im Gefolge der Wiffenfchaften erwähnt zu werben pfle⸗ 
te die Reformation minder vortheilhaft. Sie räumte die Bilder aus den 
ud nahm der Meffe ihren dramatiſch-muſikaliſchen Reis; fie ſchwaͤchte 
Uermaͤchtige Phantafie und fegte die Vernunft in ihre Rechte cin; fie 
Borzug bes Guten vor dem Schönen erkennen, und eine Ehre darin fin: 
nalichen Mittel der Ruͤhrung zu verfchmähen und des dufern Schmudes 
pm. Ungeſtraft Eonnte diefe Härte gegen die Künfte nicht bieiben, die 
ker Verbindung mit der Religion riß und des Antheild an der öffentli: 
hung beraubte, den der Katholicismus ihnen vergönnt hatte. Noch mehr 
theriſchen, die mandye Schildereien in den Kirchen ließen und ihre Sefte 
eNMuſit begehen, blieben daher die Neformirten hinter den Katholiſchen 
ung der ſchoͤnen Kuͤnſte zurück; denn dieſe fliehen felbft da8 Land, wo man, 


104 - Reformation (Folgen der) 


was eitel an ihnen ift, nicht ſchonen mag. Doch fchränkte ja auch die Her 
Proteftantismus ſich faft ganz auf einen rauhern Himmelsſtrich ein, de 
denden Künften nie fo hold gewefen ift ald der Suͤden; und die Denk 
Alterthums, die der Nordländer anfchaut, find nicht Mufter des Schi 
die Göttergeftalten, die dem ital. Boden entfliegen. Da aber Gelehrte « 
ftantifchen Ländern den Römern dieſe Geftalten erft erklären und ihre t 
auseinanderfegen mußten, zeigte fi) weniaftens, daß ber Umgang mit 
fchen Alten auch dort den Sinn für das Schöne wedt und, wenn den 
des Südens das Naturgefühl des Schönen gegeben ift, der Denker bes 
das Verftändniß deffelben hat. — Guͤnſtig war dagegen ber Proteftanti 
Dichtkunſt und Beredtfamkeit, da er zu heil. Poefien begeifterte, die Pr 
Haupttheile, ja zur Seele des Sottesdienfted machte, und durch bie Ei 
der Landesfprachen in die Kiturgie diefen eine Würde gab, die zur Ausbi 
Nationalliteratur der ihm ergebenen Völker bedeutend mitgewirkt hat. « 
Niemand den Sottesdienft der Proteflanten traurig und troden nennen, 
Geſaͤnge hörte, den Reiz der eignen Theilnahme kennt, und Gelegenheit 
bemerken, „daß die Gottesverehrung der Brüdergemeinde, bie einfad 
allen, auch die rührendfte und gemüthlichfte iſt“. — Nicht weniger haben 
lihen Künfte, in denen der Gewerbfleiß ſich verfucht und das Keben de 
neue Quellen bed Genuffe® und der Bequemlichkeit findet, durch die Ne 
gewonnen. Sie weckte den Sinn bes Ernſtes, der Genauigkeit und A 
fie beförderte den freien Handel, den vielfeitigen Verkehr und den Wohift: 
den der Kunftfleiß nicht gebeihen kann; und England, das nördliche De 
die Schweiz, felbft jene franz. Reformirten, die mit ihren Talenten unter d 
deuticher Fürften flüchteten, haben bewiefen, daß in diefer Hinficht fe 
Volk ſich mit ihnen meffen fann. 

Am ſichtbarſten, und in der Gefchichte fchon längft am lauteſten « 
wurde unter den Kolgen ber Reformation ihr Einfluß auf den Staat. 1 
gimftigung ihrer Maßregeln und Grundfäge hat er die Kirche nicht bi 
aufgenommen, fondern auch, wie jegt oft fchmerzlicy empfunden wird, ı 
fhlungen. Auf einen folhen Erfolg war es von den Reformatoren fre 
abgefehen ; ohne allen politifchen Zweck erhielt ihr Werk erſt durch daı 
feines Dauptfeindes nach mweltlicher Herrſchaft politifhe Bedeutung ı 
tung. Ein großer Theil jener Mißbräuche der alten Religioneverfa 
worin alle Stände, felbft wohldenkende Seiftliche, Grund fanden, auf ei 
mation der Kirche zu dringen — rührte von dem politifchen Anmafungen 
füchtigen Foderungen ber Päpfte ber. Bon ihnen follten nicht nur die C 
fondern auch die Völker und Kürften abhängig fein; ihnen mußten 
mancherlei von Jahrh. zu Jahrh. durch neue Erfindungen der Geldgier 
ten Ziteln, Abgaben gewähren, die die fürftt. Einkünfte überwogen; un 
Einfluſſe ftand felbft, durch den immer weiter ausgedehnten Umfang di 
Gerichtsbarkeit und der kirchlichen Gabinetsjuftiz, welche die paͤpſtl. Leo 
Nachtheil der Bifchöfe ausuͤbten, ein großer Theil der öffentlichen Ret 
Die Fuͤrſten waren baher fehr befdyränkt und in der Ausübung der R 
die Natur des Staats ihnen zutheilt, unaufhörlich durch die Kirche gehi 
ſich ihnen als Staat im Staate entgegenftellte. Nur Frankreichs Könic 
gen ſich in diefer Hinficht zu einer geſetzlich befeftigten, ehrenvollen Stel 
por. Die Mafle des Volkes war unterdrüdt, in den Verwaltungen 
überall mehr Willkür und perſoͤnliches Anfehen als gefegliche Ordnung, 
ein wilder, gewaltthätiger Geift, der die übrigen Stände befehdete unt 
erzwungen zur Anerfennung fremder Mechte verftand. Kein Wunder, 
tiefen Umftänden das Zauberwort der evangelifchen Freiheit mit ber buͤ 


Reformation (Folgen der) 105 


zab dem geplagten Landvolke eine Lofung zum Aufruhr wurde. Dens 
eSchuld, den Bauernkrieg verurfacht zu haben, ebenfo wenig als das 
wiehnen der Wiedertäufer gegen alle bürgerliche Ordnung, auf bie 
a fallen, bie diefe Ausſchweifungen vielmehr nachdruͤcklich mißbillig⸗ 
h Wort und That beitrugen, ihnen zu feuern. — Diefe weifen Maͤn⸗ 
so ihre Borfchritte in das bürgerliche Leben und die Verhältniffe bis: 
Rechte eingriffen, mit einer Mäfigung zu Werke, die ihnen das Ver: 
fürſten und Obrigleiten erwarb; dreiſter allerding6 die Schweizer 
nberger, doc) begünftigt von republitanifchen Formen, unter Zu⸗ 
t Regierenden, und immer mit Achtung gegen erweisliches Recht. 
von unten auf ging man im proteftantifhen Deutfchland und in der 
Kirchenverbefferung über; die Gemeinden, befonder& bie flädtifchen, 
it ihren Obrigleiten erſt für ſich nach eignem Gewiſſen und gutem 
fermatoren; die Fuͤrſten genehmigten, und kamen mit der Einrich⸗ 
ber Anftalten nach, um ben Eirchlichen Zuftand ihrer Unterthanen in 
sung zu bringen. So gedieh die neue Ordnung der Dinge ohne 
ein Werk des Volksgeiſtes, der allgemein empfundenen Bebürfniffe 
e. In Preußen, Schweden, Dänemark, England und andern fpäter 
dentſchen Staaten änderten die Fuͤrſten elgenmächtiger, und ihre Voͤl⸗ 
bmur allmälig in die aufgenöthigte neue Forn. Wo das Regiment 
eb, ergriffen die Freunde der Wahrheit ihre Ideen als ein verftohlenes 
wilen des gereinigten Gottesbienftes im Stillen als einer unfihern 
whfeinden Gluͤcks. Die Sürften entband bie Reformation aller ber 
dBeſchwerden, welche bie Abhängigkeit von einer aufwärtigen geift: 
tihnen aufgelegt hatte. Sie wurden alleinige Herren in ihren Ländern ; 
uſchen, da die Verſuche der Kalfer, das Reich in eine Monarchie zu 
‚me ihrem Vortheile ausfchlugen. Sie eriwarben nun felbft die bis 
d die ihnen fonft befchränkend gegenüber geftanden, und bie Mittel 
züe fonft der Kirche gedient hatten, kamen, foreit der Proteftantie- 
Btrauch zulaͤßt, in ihre Hände. Sie vermehrten durch die Ruͤckkehr 
It in die bürgerliche Geſellſchaft die Zahl ihrer Unterthanen und — 
wr Aufſicht und bei den aufgehobenen Kiöftern und Stiftern auch ih⸗ 
kfügung anheimgefallene Kichengut; durch die Summen, die fonft 
Rome, die Betriebſamkeit der Legaten, das Recht auswaͤrtiger Erz: 
| Terminiren der Bettelmöndye und die Verbindung der Orden mit 
an aus dem Lande gezogen hatten und nım barin blieben; durch die 
des neu belebten Fleißes im Handel, Gewerbe und Aderbau; ja, auch 
lawachs der Bevölkerung, den die Einwanderung vertviebener Glau⸗ 
ihnen verfchaffte — über alle Berechnung den Umfang ihrer Staats⸗ 
wa Wohlſtand ihrer Völker. Nun Eonnten fie ihr Finanzweſen ord- 
sstäwirthfchaft verbeffern, ihre bewaffnete Macht vergrößern und für 
Naumgökriege, bie ihnen bevorftanden, hinlänglidye Mittel in Bereit⸗ 
L Und da die Sache der Religion, die bis zum weſtfaͤliſchen Frieden das 
fe der Staatsbündniffe und Kriege und daher auch der Hauptgegen: 
Rüftungen blieb oder hieß, auch die erfte Derzensangelegenheit jedes 
ver, wagte bie Begeifterung des Volkes Gut und Blut an den Fort: 
laternehmungen. So wurden bie proteftantifhen Fürften groß, und 
m geringem Umfange erhielten ein hohes politifches Gericht, das fie 
' der Reformation zu danken hatten. Die Kirche gewann ducch die 
g — vole unter den vorhergehenden Gefi ichtspunkten des 
hen und mwiffenfchaftlichen Lebens gezeigt worden ift — im Geifti- 
Dre geitlichen Güter verlor fie an die Fürften, erhielt aber einen großen 


106. Reformation (Kolgen der) 


Theit derfelben zu zwwedtmäßigerer Anwendung wieber, da aus dem Erbe dr 
Kicche die Fonds Öffentlicher Bildungsanſtalten vermehrt, neuere und bel 
fiftet, Waifenhäufer und Hofpitäler angelegt, Belohnungen für verbier 
lehrte und Zuſchuͤſſe zum Einkommen der ſchlechtbedachten niedern Gef: 
ausgemittelt wurden. Der Höhere büßte freilich die ergiebigften Pfekmb- 
aber zum Theil hörte er auch auf zu fein, und die neu eingefegten Ephes: 
Pröpfte hatten die Reize geiftlicher Sinecuren nie gekannt. Auf jeden 4 
biefe Veränderung von Überwiegendem Nutzen, infofern dadurch das 3. 
gut aus todten Händen in lebendige kam. Nur wird Niemand die adelige 
tularen in den evangel. Stiftern darunter rechnen, da doch nicht® als das 

Verdienſt ihrer eilfertigen Belehrung und der unverantwortliche Einfluß %- 
burt ihnen den müßigen Genuß von Pfründen ficherte, denen eine folgen: 
wendung der Grunbfäge des Evangeliums viel edlere Beflimmungen gege- 
ben würde. Mit dem Kirchengute kamen auch die Perfonen der Geiftlidk: 
fürftt. Botmaͤßigkeit — ein Schickſal, das ihnen auf der einen Seite 8. 
der Lehofreiheit und felbfländigern Bewegung in ihren Amtern zumenb. 
ber andern aber auch ihr Außerliches Anfehen verminderte, fie von Beh: 
denen weltliche Räthe das Übergewicht haben, abhängig machte und bei fe 
tender Ausdehnung des Landeshoheitsſyſtems manchen Emiedrigungen — 
Demm diefes in der Anwendung proteflantifcher Brundfäge auf die bürgerfl 
ſellſchaft allerdings gegründete Syſtem der Unterordnung der Kirche m 
Staat macht biefen zum Auffeher über die Gleichfoͤrmigkeit des Lehrbegel 
die Amtöführung der Geiftlihen, zum Gefeggeber in den Formen bed ' 
bienfte® und der Kirchenverfüffung, zum Berwalter des Kirchengutes ze 
Berleiper der Amter. Indeß ift der Zuftand der proteftantifchen Kirchen 
fer Hinficht immer noch einem Proviforium ähnlich, bei dem Vieles nc 
Drange der Umftänbe, oder nach Örtlichem Herfommen, und daher ſehr 

kommen geordnet, aber auch keineswegs alle Hoffnung eines redhtlichern * 
gelmäßigern Zuftandes aufzugeben ift. Die proteftantifchen Fuͤrſten hau 
der ihnen vermöge des feit Thomafius wiſſenſchaftlich gerechtfertigten Tes 
foftems zuftehenden Rechte im Ganzen mit Mäßigung und felten in volf' 
fange bedient. — Von ganz nur auf die Iutherifche Kicche anmenbbarez! 
weicht das bürgerliche Verhältniß der reformirten merklich ab. Gie | 
auch auf dem ihr eigenthämlichen Gebiete nicht alleinige Erbin der altez 
gerefen, und wo ihre Gemeinden fich als fremde Ankoͤmmlinge einheimife 
ten, ganz ohne Antheil an diefer Verlaffenfchaft geblieben; aber da fie in 

Eanifchen Staaten entftand, kam ihre Regierung mehr in die Hinde der & 
den als ber Obrigfeiten, und ihre Geiftlichen wurden abhängiger von je 
von diefen. In monarchiſchen Staaten, 3. B. im Preußifchen und felbf 
nigen ariftofratifchen Kantonen der Schweiz, hat fie jedoch, biß auf den nre 
weniger befchränften Antheil der Gemeinden am Kitchenregimente und 
England beibehaltene Episkopalhierarchie, eine der Lutherifchen ähnliche 
fung. Überdies ift, ungeachtet der Übereinftimmung in den Hauptbe;iehur 
proteftantifchen Kirche zum Staate, dieſes Verhaͤltniß fo munnigfaltig g 
und fo fehr von den politifchen Grenzen abhängig, daß eigentlich fo wenig 

therifche als die reformirte ein dußerlich verbundenes kirchliches Ganze aud 
fondern jede in mehre Nationalkirchen zerfällt, die fich in gemifchten Staat 
den kirchlichen Anſtalten andrer Confeffionen brüderlicy vertragen müffen ur 
tereinander nur durch geiftige Bande zufammenhängen. Im Staate find für 
weiter als moraliſch⸗religioͤſe Anftalten obne bürgerliche Selbftändigkeit, 
Diener vergeffen müffen, daß ber veränderte Zeitgeift Ihnen das Anfehen u 
Einfluß auf die Fürften, deſſen fich die proteftantifchen Theologen bes 1 





Reformation (Folgen ber) 107 


ı Zbeil bes 17. Jahrh. erfreuten, genommen hat. Das Volk endlich 
des Einfluffed der Reformation auf den Staat, williger geborchen 
irgerlihem Gemeingeift erheben gelernt. Denn wie fehr auch die 
R Zürften und Obrigkeiten ihre Rechte erweiterten und in einem viel 
‚Eirme Herren ihrer Lande wurden als fie es vor der Reformation 
raid fie auch die Laſt der Öffentlichen Abgaben verboppelten; wie tief 
waͤrtige Verbindungen und politifche Händel verwickelt wurden, die 
u gefahrvolien Kriegen nöthigten: in der Regel theilten fie doch auch 
Gefinnungen und allgemeinen Intereſſen ihrer Völker; fie lernten 
ageſium, deflen wiedererrungenes Licht ihren Kronen neuen Glanz 
chten beffer Eennen, die Menſchenwuͤrde der Einzelnen höher fchägen 
men der öffentlihen Meinung achten, deren Tadel oder Beifall ber 
ihrer Unternehmungen und Liber ihren Plag in der Gefchichte ent: 
m als ein Gegengewicht ber Fürftengewalt entwidelte der freie Geift 
ien jene unabhängige Macht der Wernunft, die von dem Wider: 
menfchliches Anfehen in Sachen des Glaubens zur Unterfuchung 
der Staatsgewalt fortfchritt; jene ruͤckſichtsloſe Philofophie Uber 
n Berhältniffe, die die Rechte aller Stände ermog und dem Staats: 
tur: und Völkerrecht entgegenftellte; jene jegt von ben Verehrern 
bhte und des Papftthums alles Unheils befchuldigten liberalen SSbeen 
sechten, die aus den Schriften der Weltweifen in die Kreife der ge: 
Re eindrangen und fich ihren Weg endlich bis in die Hütten bahn- 
das Evangelium lauter und rein gelehrt wurde, mußte nun Scham 
wir vor Ungerechtigkeit in der öffentlichen Verwaltung ſchuͤtzen als 
Berfaflungen: und auc) die Bürger rein moralifcher Staaten Eon» 
Kuechrtfchaft herabſinken, fo lange die allgemeine Anerkennung des 
ſhes der Liebe die Sicherheit des Privateigenthums, die perfönliche 
Ke Beförderung der Öffentlichen Wohlfahrt von Seiten der Regen: 
; Bielmehr ift, wie die Erfahrung lehrt, das Volk nirgends menſch⸗ 
R und in befferer Ordnung regiert, der Verwahrung feiner natlır= 
gewiſſer, freier in feiner Thaͤtigkeit, reicher an Gelegenheiten zu 
wg und rechtlihem Erwerbe, patriotifcher und mohlhabender als 
Ken Staaten, ihre Verfaffungen mögen übrigens fein wie fie wols 
Wer gibt es keinen Stand, der nicht das Wohl und Wehe des Vaters 
mem Derzen theilt; hier regiert ein Geiſt der Vernunftmäßigkeit, 
wahren Humanität, deffen Erwachen, deſſen Ausbildung und ims 
töringende Wirkſamkeit die bürgerlichen Wohlthaten der Reformas 
Glaffen des Volks ausgedehnt und das Unterpfand feines fort⸗ 
[Bed veredeinden Einfluffes in der Natur des Menfchen felbft hat. 
neue Erfcheimungen in der inneren Bildung und den aͤußern Verhälts 
wpäifchen Staaten brachte diefe Wirkung der Reformation hervor. 
vorher nur in der Hand des Papftes und feiner Geifklichkeit ein 
derſalherrſchaft, wurde nun ein Princip des politifchen Lebens. Die 
Glauben ſtellte Staaten, die fonft an einer Laſt getragen und ſich 
r das Intereſſe ihrer Regentenhaͤuſer veruneinigt hatten, von ber 
Jahrh. bis zum meftfälifhen Frieden aus höhern Gründen einan- 
. &o erhielt in Deutfchland, wo die Reformation den Beftrebun: 
wnach Alleinherrfchaft alle Hoffnung des Gelingens abfchnitt und 
der ftändifchen Landeshoheit zur Vollendung brachte, die Nothwen⸗ 
eügiöfe und politifche Seibftändigkeit zugleich zu ſchuͤtzen, die Fürften 
Monen in wechfelfeitiger Aufmerkſamkeit, die, nachdem fie ſich im 
krieg gemeffen hatten, ſowol der Grfchlaffung als der Auflöfung des 


108 - Reformation (Folgen der) 


Reichs Eräftig vorbeugte. Denn waͤhrend fie eiferfüchtig ihre Rechte | ' 
ander bewahrten, waren doch beide Theile für die Erhaltung des Rei. 
innig vereint, bis unter neuen ber Religion ganz fremden Verhäftniffen U 
flem der Eurzfichtigften und verdecblichften Selbftfucht in Anwendung Eu, 
diefem Syſtem hatten aber die Folgen der Reformation nur infoferw And“ 
fie einerfeits Preußen an das Haus Brandenburg und biefes daburdy A 
nem Reichöftande nicht angemeffenen Größe brachten, welche e& fo treffiß. 
haupten und zu fleigern mußte; andrerfeitö lange vorher, ehe Preußen d" 
europäifchen Mächte trat, einzelne Reichsftände in die Lage festen € 
mifhung fremder Könige in die einheimifchen Händel als Mittel-ber Se“ 
tung gebrauchen zu müffen. Dabei murde Deutfchland — der unſchuldig 
Staaten, der ſich nur vertheidigen, aber nicht angreifen kann — was ne 
Kriegen Karls V. mit Franz I. Stalien gemwefen war, der Mittelpunkt der 
{hen Politit und der Schauplag, auf dem die wortführenden Mächte "- 
‚ Kriegen an einander fließen und ihre Streitigkeiten fchlichteten: ein € 
deffen Haupturfache in dem Beharren ber Kaifer bei der alten Kirche uff 
Überhaupt machte bie Reformation den Verkehr und Zufammenhang der‘ 
ſchen Staaten lebendiger und enger. — England, in deffen Werfaffung t- 
teftantismus ein Hauptelement und die Stüge des Gleichgewichts zroifchei 
und Volt wurde; Schweden, wo er dem Könige ſchon 1527 das 

über Adel und Geiftlichkeit gab; Dänemark, deffen Könige durch fehl 
1660 die Souverninetät erwarben, und vor allen dad von ihm allen gd- 
und erhaltene Holland, traten erft in Folge der duch die Reformation 
ten neuen politifchen Reibungen in den europäifchen Fürftenrath, mb’: 
fer ſich über die Grundfäge des Gleichgewichts verftändigte, an denen M 
Verſuch zur Unlverſalmonarchie bis auf Napoleons Zeitalter fcheitem me‘ 
ihr Verdienft. Ja, noch im 18. Jahrh. hat die Richtung des Proteflsar: 
zur veligiöfen und bürgerlichen Freiheit, aus den ihr im Staatenverein 4 
ropa gefegten Schranken fliehend, mächtig zu der neuen polltiſchen @&: 
mitgewirkt, die jegt die Eiferfucht der Europäer erregt, zu der Mepubtiil & 
einigten Staaten von Nordamerika. Doch nicht bloß die Voͤlker, die bie: 
mation annahmen, haben ben Einfluß derfelben auf ihre Schickſale gefüß: 
die Staaten, die fie mit aller Gewalt von ſich abzumehren fuchten, find durt 
wuͤrdige, oft fchmerzliche Erfahrungen überzeugt worden, daß man wider 
emporgefommene Ideen nicht kaͤmpfen kann, ohne zu leiden ober weſentlich 
dert zu werden. Hätte Karl V. Liebe genug zu den Deutfchen und zu dem $ 
nicht ganz fremd gebliebenen Lichte der evangel. Wahrheit gehabt, um N 
fpanifche Krone aufzuopfern, er wuͤrde das zu feiner Zeit der neuen Lehre fi 
ergebene Deutfchland vor den blutigen Giubenskriegen bewahrt und zu eimi 
oͤſttr. Scepter unüberwindlihen Monarchie erhoben haben. Da er fi and 
fchied, mußte das Bathol. Öftreich empfinden, was der Zorn gekraͤnkter Eu 
mag, und fid) an feinen Erbſchaften und Mitgiften genügen lafien. Doc 
ten ihm feine Bemühungen zur Unterdrüdung des Proteftantismus den V 
daß es an innerer Feftigkeit gemann und Böhmen und Ungarn in Erbreit 
wandeln fonnte. — Spanien hatte von feinem Kampfe gegen die neue Zeh 
Schmad vor Eurc als Ehre in Rom, im Innern Verfall und MU 
Portugal blich faft gu.z unberührt. Frankreich, deffen Könige nach ihrer D 
die Neformation auswärts ald Mittel der Trennung ihrer Nachbarn zu ı 
chen und im Innern ihres Reichs zu unterdrücken, zugleich Sreunde der € 
Fürften und graufame Verfolger ihrer reformirten Unterthanen wurden, bi 
Schuld feiner Zweideutigkeit in den Verwuͤſtungen bürgerlicher Kriege un 
enteräftende Auswanderungen, die zwar die koͤnigl. Gewalt zunaͤchſt er 






Reformirte Kirche 109 


0 
Volke einen Gährungsftoff zuruͤckließen, welchen das Mißverhaͤltniß 
lgion mit ber zunehmenden Verſtandesbildung immer weiter ent⸗ 
ex in der Revolution zerftörend zum Ausbruche am. Noch verderb: 
es Widerſtand gegen den Proteftantismus für Polen, zu deſſen Uns 
cuſſiſche Politit Daffelbe, was die franzöfifche in Deutfchland mit 
lichem Erfolge verfucht hatte, durch Unterftügung der Diffidenten 
fere Einmiſchung in die inneren Kämpfe endlich volllommen durch⸗ 
. Die Staaten Italiens, das nichts Evangelifche® zulieh, ſanken 
u pofitifcher Nichtigkeit herab, wozu freilich die Entbeddung des See: 
Rindim und der Verkehr mit Amerika mehr beitrug al& die Refor⸗ 
ı Däpften wurde fie aber der furchtbarfte Feind, gegen ben fie ſich 
id nicht überall fruchklos wehrten. Sie erzwangen durch ihre Gegen: 
m Staaten, die ihnen ergeben blieben, zunaͤchſt Rüdfchritte zur Fin⸗ 
ı Kegerverfolgungen, die ihr Anſehen aufs neue zu befeftigen ſchie⸗ 
den glüdlichen Fortgang ihrer Miffionen in Afien und Amerika er: 
geiftliche Derrfchaft über Ländergebiete, welche bie durch bie Mefor: 
me Hälfte von Europa an Umfang übertrafen. Doch war diefe neue 
Macht nur vorübergehend und für ihren Schag von geringem 
me Miffion Eonnte ihnen erſetzen, was fie fonft aus Deutfchland, 
Skandinavien gezogen hatten. infchränkungen der vorigen lippig- 
m daher die Noth, Verbefferungen der. Sitten der .Geifklichkeit die 
ch die kathol. Zürften wurden allmälig kluͤger und fchmälerten bie 
a6 Einkommen des römischen Hofes in ihren Staaten, nachdem feit 
hen Frieden das religidfe Intereſſe in der Politik fein durch die Je: 
m enporgebrachte® Anfehen in der öffentlihhen Meinung aufs neue 
er (&. Papſt.) Die Katholifen wollen ihm nicht mehr wie fonft 
Henders in Deutichland (Öftreich und Baiern), in Frankreich, felbft 
jed fie unvermerkt auf Meinungen und Grundfäge gekommen, Die 
ha und die neuere Aufklaͤrung ihnen mittheilte. Sie fangen an, bie 
Ihre Kirche von der römifchen, und die in der Bibel nicht gegruͤndeten 
ern als bloß disciplinarifche Gegenftände von den göttlihen Wahr: 
infcheiden. Wie fehr auch der Myſticismus unferer Tage Eathol. 
Wefligen fcheint, er ift doch nur eine Laune oder ein poetiſches Zwi⸗ 
won der im Grunde durchaus proteftantifche Zeitgeift bald zuruͤckkom⸗ 
Kurmal hat die Reformation ſchlummernde Kräfte geweckt, deren mun⸗ 
R ſich gewaltfam nicht hemmen läßt. Stark durch 300jährige Übung 
ma für Wahrheit und die Liebe zur Freiheit eine Schugmwehr gegen 
Mrrliher Anmafung. Katholicismus und Proteftantismus ftehen 
t anders gegenüber als im Zeitalter der Reformation. Jener hat 
e Proteſtanten kennen gelernt, diefer weiß ben Glauben reblicher und 
Ratholiten zu achten und zu f[honen. Soll aber einer von Beiden im 
ten fallen, fo wird es gewiß nicht der Lestere fein. Vgl. Pland’s 
jes proteftant. Lehrbegriffs“ (6 Thle., 2. Aufl., 2pz. 1791); Spie: 
ichte Luther's und der Kirchenverbeflerung in Deutfchland” (Thl. 1, 
h; 2. Villers's gekrönte Preisfchr. über den Geift und den Einfluß 
sion Luther's, mit einer Vorrede von Henke (Hamburg 1805); 
wtwidelung der polit. Kolgen d. Reformation‘‘ (Hiftor. Werke, Thl. 1); 
a ber Deutfchen von der Meformation an ıc.” (Th. 1, 
E 


smirte Kirche. Daffelbe Beduͤrfniß einer Reformation der 
aber erfien Hälfte des 16. Jahrh. in Deutfchland Luther erweckte, 
e Kirchenverbefferung zu fördern, trieb auch in der Schweiz, in den 


110 | Keformirte Kirche 


Mieberlanden, In England und Frankreich mehre ausgezeichnete Geich 
Geifttiche, im Wefentlichen auf daffelbe Ziel, aber mit nationalen Eigent 
£eiten, hinzuarbeiten. Unter den Schweizern ragten befonder6 Ulrich B- 
und Soh. Ökolampadius (f.d.) hervor. Jener hatte fchon, da er w- 
diger zu Glarus und Einfiedeln war, durch fleißiges Lefen der heil. Sch 
höhere Erleuchtung gewonnen, an legterm Ort auch ſchon gegen mehre DIE 
in der Kirche geeifert, und fegte dies, als er nach Züricy berufen morben, Wi“ 
mehre Seiftliche das Volk für eine mehr biblifche Lehre empfänglich gemw 
ten, fleißig fort. Er hatte Freude an Luthers Wirken, empfahl aut 
Werke, las fie aber felbft nicht, um felbftändiger zu bleiben und nicht du 
Menſchen Anfehen feine Überzeugung beflimmen zu laffen. Als nun 1" 
Geiſtesverwandter Tegel’, der Franciscanermoͤnch Bernh. Samfon, lt 
Unverfhämtheit den Ablaß in der Schweiz predigte und gen Zürich Fam: 
Zwingli eben gezogen war, eiferte diefer heftig gegen den Unfug, und % 
von Zuͤrich billigte feinen Eifer dergeftalt, daß Samfon gar nicht in die & 
laffen ward. Selbſt fein geiftlicher Oberer, der Bifchof von Konftanz wR. 
Bicar, genchmigten feine Predigt gegen den Ablaßkram, traten ihm abt- 
entgegen, als er bald weiter.ging in den nothivendigen Reformen. Vergeh 
muͤhte fid) ein paͤpſtl. Nuncius diefe zu unterdrüden, und vergebens fp 

nend und drohend auch die Eidgenoffen dagegen. Furchtlos, feſt entfchlef: 
feine gute Sad;e geftligt und fortdauernd durch den züricher Rath bef- 
ging Zwingli feinen Gang fort, predigte evangel. Lehre und ſtellte vid- 
bräuche im Gottesdienft ab, rafcher als Luther. Schon hatte er eigen 
Vieles geändert, als er 1523 einen entfcheidenden Schritt that, da er 67; 
Zehrfäge, in benen er feine Lehre ausfprach, dem Rath von Zürich übergab 
von Lesterm mit einer Einladung zu einer Disputation, die ben 29. Ian. £ 
werben und in der Zmingli feine Säge vertheidigen follte, befanntgemad. 
den. Nur wenige Eidgenoffen fendeten Abgeordnete zu biefem Religiondg 
doch war die Verfammlung zahlreih. Zwingli's Angriffs » und WVertheikl 
£ampf gewann den Sieg. Der Rath und viele der zahlreich anweſenden 
wurden für feine Lehre gewonnen und einer burchgreifendern Reformath 
geneigter. Mit ungeftümer Haft ward nun das Alte, Gutes und Boͤſes z 
vernichtet ; ed warb ganz eigentlich hier Alle neu; Vieles, was an ſich unſ 
vielleicht nur durch Mißbrauch entftellt war, felbft vieles Erbauliche umter 
Neuerungsluſt. Als die Altäre, die Zauffteine, die Bilder (letztere faft uͤbe 
wahrer Zerftörungswuth) aus den Kirchen verdrängt, felbft die Muſik und | 
gelklang aus denfelben verrotefen waren, da erft glaubte man die Kirchen u 
Gottesdienft recht erbaulich gemacht zu haben. Wider fo gemwaltfame RM 
gen erklärten ſich nım flärker die Eidgenoffen auf dem Bundestag zu Luz 
26. Jan. 1524, droheten Züri, feibft von dem Bundesrath auszufchlief 
Iteßen durch Abgeordnete die Ruͤckkehr zur alten Ordnung dringend em 
Doch vertheidigte Zürich ftandhaft und fühn die Neuerungen in der Lehre 
den Gebraͤuchen, und bald erflärte fi) auch vor allen übrigen Eidgenoffe 
thig umd feft entfchloffen, das kleine Mühlhaufen für die evangel. Lehre : 
Abſtellung der alten Mißbraͤuche. — Gleichzeitig hatte Wolfgang Kabric 
pito (Köflin) in Bafel bie Reformation eingeleitet, und nachdem er von be 
Mainz berufen worden, feit 1523 Ökolampadius, mit Luther's Lehre v 
fein Werk fortgefegt, eine Zeitlang von dem aus Frankreich geflüchteten $: 
terftügt, der 1524, vom Rath zu Baſel veranlagt, aud) eine Öffentliche D 
tion zur Vertheidigung ber evangel. Lehre hielt. In demfelben Jahre war 
in Schafhaufen die erften Reformationsverſuche gemacht worden; feit 152 
auch Bern benfelben geneigter, und felbft die eifrigen kathol. Cantone fir 








Reformirte Kirche | 111 


niß tiefer zu empfinden. Man vereinigte fich endlich zu einem Reli: 
b, das nad) langen Verhandlungen 1526 zu Stande kam. Hier 
mpad gegen die größere Zahl der ſtrengen Papiften, unter denen oh. 
ste, mit Thomas Murner. Zwingli war nicht erfchienen, und die 
kedrzahl faßte gegen ihn ein Berbammungsurtheil, das aber fein Wir: 
nmen konnte. So geringen Erfolg dieſes Religionsgeſpraͤch hatte, 
ih doch Bern zu endlicher Ausgleichung der Firchlichen Streitigkeiten 
I die andern Cantone und felbft ber Kaifer davon abriethen, ein dhn- 
nflaten. Mehre Eidgenoffen ließen fi zur Theilnahme bewegen. 
t ahermal die Verfammlung; zu Zmwingli, Ökolampad, Konr. Pels 
ſchner), Berchthold Haller (dev Reformator von Bern), Ambrofius 
Kenftanz), Burgauer (von St.: Gallen) — der aber felbft, obwol: 
üfh, Zwingli wegen deffen Abendmahlslehre angriff — hatten fich 
Seformatoren gefeltt. Auf der andern Seite ftanden mehre nicht 
w Gegner. Aber, wie faft immer bei folhen Disputationen, warb 
#8 ausgeglichen, und nur gewonnen, daß man in Bern fidy Eräftiger 
mation entfchied. Dieſe verbreitete ſich jet immer welter in ben Can⸗ 
rauh Schroyz, Uri, Unterwalden, Zug und Luzern ale beharrliche 
erſtrebten. Schon war ein großer Theil der Eidgenoffen ber evangel. 
u, als diefe kathol. Santone, die zur DVertheidigung ber alten Lehre ein 
dem Könige Kerdinand (des Kaiſers Karl V. Bruder) eingegangen, ſich 
Kampf rüfteten. Vergebens bewirkten andre Eidgenoffen einen Ver: 
zitenden. Er befriebigte keine Partel und unabwendbar war der innere 
Igenoffenfchaft. Der Stoff der Zwietracht mehrte fich ; die Katholifchen 
meinfchaft mit den Evangelifchen auf, und im Oct. 1531 mußte Zürich, 
um Evangelifchen verlaffen, allein auf dem Kampfplage erfcheinen. 
ben dazu, und am 11. Dct. wurden die tapfern Züricher bei Cappel 
Beeingli feibft, der bewaffnet die Fahne feiner treuen Anhänger ge= 
BRampf. — Aber die blutige Niederlage Eonnte fein Werk nicht ver- 
Bevangel. Schweizerkirche war gegründet; fein Geiſt lebte in ihr 
Bihr aber auch fchon jene Richtung gegeben, die fie auf Jahrhunderte 
Ken evangel. Gemeinden trennte. Er, ein Dann von freiem und 
mund nicht ohne Semüth, mit dem redlichſten Wahrheitseifer erfülit, 
md ftanbhaft, von echter Bildung und frommen Glauben, hatte in 
sRampfe, den er beftehen mußte, in feinem Eräftigen Streben, das 
ben Autoritäten entband, ein Übergroßed Vertrauen auf feine eigne 
uft gewonnen, durch welches bie Tiefe und Innigkeit feines Glaubens 
di. Fruͤh ſchon hatte er unlibermindliche Zweifel gegen die papiftifche 
hier, die eine Verwandlung ber äußern Zeichen be Brotes und Wei⸗ 
kb und das Blut Chrifti behauptete, in ſich genährt, und mar endlich 
wen, zugleich mit ber Verwandlungslehre die leibliche Gegenwart 
N. Abendmahle, obwol fie in den Elaren und einfachen Worten Chrifti 
gänzlich zu verwerfen. Ihm, der audy für die Slaubenswahrheiten 
uiffe immer mehr die Möglichkeit des Erklaͤrens für den rechten Prüf: 
Wien die leichtefte und fcheinbar einfachfte Erklärungsmeife die befte, 
u die Wahrheit felbft beftimmte. So mußte fich ihm bie Meinung, 
Wein nur Zeichen des Leibes und Blutes Chrifti feien, am meiften 
weil fuͤr den kluͤgelnden Verftand dadurch die meiften Schwierigkeiten, 
kung der Einſetzungsworte fich aufbringen, gehoben ſchienen, obwol 
ı Eirifto felbft geſprochenen Einfegungsworte bei feiner Erklaͤrungs⸗ 
icht zu befeitigenbe Bedenklichkeiten an den Tag legten. — In dem 
K, in den er daruͤber mit Luther und mit andern Reformatoren ver- 


11% Reformirte Kirche 


wickelt ward, verhärtete er fich in feiner Meinung immer mehr, und überfe. 
er zugleich eine Erflärungsart geltenbmachte, die, auf andre Stellen ber | 
Schrift folgeredht angewendet, auch andre Glaubenslehren, felbft weh. 
Grundlehren des Evangeliums, in ein falfches Licht fellen oder gänzlich %. 
ten mußte, daß er ein Allegorificen einführte, welches der einfachen Sch 
ganz entgegen war und ben Glauben in feinen Grimdfeften erfchätterte. .. 
Abendmahlsiehre, die fi) Vielen empfahl und ſcharfſinnig vertheidigt uw. 
bob noch weit mehr als e8 im Rutherifchen Kehrbegriffe der Fall war das 
über den Slauben, und machte in der reformirten Kirche diefe Richtung, . 
Fortgange der Zeit das demüthige Leben im Glauben immer mehr bey. 
trübte, recht eigentlich vorherrfchend. — Auf gleiche Weife, wie Zwingll... 
daß, weil er ben Nugen ber leiblichen Gegenwart nicht begreife, biefe Lehr. 
haupt unftatthaft fei; fo mard nun überhaupt aus biefem Gtanbpunft |; 
Glaubenswahrheiten entfchieden und die Überzeugung von demfelben vom. 
an das Erkennen gebunden. Wie nun felbft das Wefen des Sacramım 
einen Geſichtspunkt geftellt war, der daſſelbe faft auflöfte, fo mußten A6 
auch alle heilige Gebräuche an ihrer Bedeutung verlieren. Der ganze 
dienft, am meiften nur auf die religiöfe Erkenntniß, ‘viel weniger auf bie Ar 
des religiöfen Gefühls, auf die Erhebung Über die Schranken der Erkennt” 
eigentlihe Erbauung gerichtet, ward daher auf eine Weiſe vereinfacht, 
ſtillen Betrachtung am meiften Raum zu geben fchien, ohne die tiefen 
des Gemuͤths zu berüdfidhtigen. Eben durd die Verwandlung bes: ,' 
mein Leib!” in ein: „das bebeutet” ward bie tiefite, innerfte Bedeutſag 
Sacraments und der religiöfen Gebräuche überhaupt enteräftet und jede 
tür der Deutung unbeichräntter Raum gegeben. So ſtellte bem Ge” 
fprünglichen Proteftantiemus, dem Geift gefeglicher Freiheit, In der Sc 
lehre ſich fhon früh der Geiſt der Willkuͤr zur Seite, vorbebeutend Me Mi" 
gen des fpätern Proteftantismus. — Zwingli ſprach feine Abendmahläieße"' 
bem ex fie bereits in einem wider feinen Willen bekanntgewordenen Briefet“ 
Nov. 1524 mitgetheilt hatte) öffentlich zuerft in feinem Wert von ber‘ 
und falfchen Religion (,‚Commentarius de vera et falsa religione”) 18 
worin er auch ſchon feine Überzeugung von andern Lehren aus ähnlidgen ' 
fägen entwidelte, und darauf in mehren Streitfchtiften, die er mit Luther 
wechfelte. Oft fah er ſich veranlaft, feine Lehre weiter zu begründen auf 
feftigen, und mit feinem nie raftenden Weiterforfchen, mit dem ihm eignen“ 
finn und einer eindringenden Beredtſamkeit gelang es ihm, feine Anficht p 
dogmatifchen Anfehen in feiner Gemeinde zu erheben. Daffelbe Dogma fa 
auch außerhalb der Schweiz fo vielen Beifall, daß in mehren Ländern, die v 
Papftthum ſich abwendeten, bie Schweizerlehre die herrfchende ward. D 
ed zunächft nur die Übereinftimmung in der Abenbmahlsiehre, und uͤberhe 
der den evangel. Schmweizergemeinben eigenthümlichen Richtung auf eine X 
desreligion, maß bie fogenannten reformirten Gemeinden andrer Länder us 
ander und mit den Schweizern zu einer Gemeinfchaft verband, die man db 
mirte Kirche genannt hat. Denn eine wahrhafte Übereinfiimmung in di 
und in den kirchlichen Verhältniffen, eine innigere Verbindung in einem G 
Glaubens, auch durch gemeinfame, von Allen anerkannte Bekenntnigfcheif 
mittelt, warb in diefen Gemeinden nie fo bewirkt wie in der römifchen a 
evangelifchelutherifchen Kirche, weßhalb auch der Ausdruck „reformirte Kird 
fehr uneigentlich Gültigkeit haben und eigentlich nur von reformirten Gen 
bie Rede fein kann. Denn früh fchon fpalteten ſich die evangel. Gemeint 
fid) zu Zwingli's Lehre neigten, auf mannigfache Weife, und eine vollkt 
Einigung ift nie bewirkt worden, Zwingli felbft lebte zu kurze Zeit, als 





* 





Reformirte Kirche 113 


gene Drganifation der evangel. Schweizerkirche haͤtte bewirken koͤn⸗ 
apadius, der nach ihm die Stuͤtze der neuen Gemeinde fein follte, 
em Tode ihm nach. ber ſelbſt bei ſeinem Leben hatte Zwingli unter 
tie das entſcheidende und vollguͤltige Anſehen gehabt, das Luther bei 
Evangeliſchen beſaß, durch das er eine groͤßere Einigkeit unter dieſen 
brigen Schweizerreformatoren ſtanden zu Zwingli nicht in demſelben 
vie die deutſchen Reformatoren zu Luther, ſondern foͤrderten ſelbſtaͤn⸗ 
‚ch eigenmaͤchtiger, daher gleich anfangs nicht in vollkommener 
mg, das Werk der Reformation. — Bald aber trat in der Schwei⸗ 
Mann auf, der zwar ein fehr folgenreiches Anfehen gewann, und 
Meinungen, in denen er von Zwingli abwich, viele ſchweizeriſche und 
eliſche gewann, aber theild weil er erft, nachdem fich ſchon Vieles neu 
‚ als Reformator auftrat, theild weil er durch feine Abweichung von 
teinungen felbft neuen Zwiefpalt begründete, bie reformirten Ge: 
t zurt volltommenen Einheit führen konnte. Diefer Mann war 
n (f. d.), der, aus Frankreich geflüchtet, in Genf einen Zufluchte- 
ed den größten Einfluß gewann und von dort aus auch andre Zwing⸗ 
nden umbildste. Selbft die Abendmahlslehre beftimnite er etwas 
kwingli, wiewol im Weſentlichen aͤhnlich; aber ftärker hob er eine 
ſeraus, die von der Gnadenwahl und Vorherbeftimmung (Praͤdeſti⸗ 
er zu einer Hauptunterfheidungslehre feiner Gemeinden machte, und 
elbſt den freudigen Glauben an Chriſtus Erinkende Weife außgebil- 

dig Widerfpruch erregen mußte, neue Zwietracht in ben reformir: 

en erweckte und die Spaltungen mehrte. So wurden zwar, ehe er 
hlichen Verhaͤltniſſe der Schweiz fefter geftaltet, auch Glarus, Ap: 

Graubuͤndten und Neuburg der reformirten Gemeinden zugethan, 
wöwege zu einer eigentlichen kirchlichen Gemeinfchaft verbunden. — 
merfchiedene Weiſe, wie außerhalb der Schweiz, insbeſondere in den 
» Frankreich und England, fich die Reformation entwidelte und die 
veformicten Gemeinden fidy bildeten, ließ eine eigentliche Kirche der 
wicht zu Stande kommen. In allen diefen Rändern gaben fich die 
meigne, von den andern abweichende Belenntnipfchriften ; nitht Eine 
ken Anerkennung und Annahme gewinnen, und auch die inn:rn mie 
Ishlichen Berhältniffe wurden überall anders geordnet. Selbſt die 
Staats verhaͤltniſſe der einzelnen Länder wirkten auf die Bildung der 
ehr ungleich ein. Zwingli hatte fein und der Seinigen Glaubensbe: 
0 auf dem Reichötage zu Augsburg, wo die deutfchen Evangelifchen 
Im feiertichft befanntmachten,, übergeben laffen; doch ward diefelbe 
nallgemeinen Belenntniß der Reformirten und ficherte ihnen auch 
nerkennung als kirchliche Partei von Seiten der weltlichen Gewalt. 
ver aber fuchten, um durch ein. Buͤndniß mit den Evangelifchen in 
gegen Gewaltthaͤtigkeiten der Katholifchen geficherter zu werden, eine 
I der Streitigkeiten mit den lutheriſch Gefinnten. Mehre ober: 
Hogen, insbeſondere die firadburger, die der Zwingli'ſchen Lehre fich 
u Bündnig mit den Lutherifchen aber am Ichhafteften wünfchen muf: 
Bes auf, binfichtlich der ſtreitigen Abendmahlslehre sine Erflärung au 
tbeide Parteien einander nähern konnte. Sie gaben licher dad We— 
ur Lehre preis, oder verfteckten ihre wahre Meinimg hinter Worten, 
m andern Sinn unterlegten, um Luther und dejfen Freunde zu bewe— 
tehmten Bünbniß nicht länger entgegenzumirten.. Doch Eonnten fie 
Es weizer nicht bewegen, ſich eine andre Deutung der Worte gefal: 
als ihr offenbarer Sinn wur, und fo blieb die fogenannte wittenber: 
bicbente Aufl. 86. IX. 8 


114 Reformirte Kirche 


ger Concordie (f. Sacrament) ohne den gewünfchten Erfolg, zumal baib 
her die Züricher ihre Überzeugung noch härter ausfprachen, um jeden Verde 
ner heuchlerifchen und unjcheinbaren Übereinftimmung mit der lutheriſchen 
von fich abzulehnen. Nachmals ward in dem Consensus Tiguriens. (1590 
der Streit zwifchen den Zuͤrichern und Calviniſchen Genfern beigelegt; 
auch hier feine Vereinigung in Einer Überzeugung bewirkt. So blieb ig 
und äußerlich die Lage der Schweizerkirche ſchwankend. Zwar wurden geh 
weftfälifchen Frieden (1648) die Schweizer als augsburger Confeſſionkvern 
zugleich ale kirchliche Partei anerkannt, und gewanrten dadurch aͤußere Sich 
da fie aber die augsburger Confeſſion nicht unbedingt annahmen oder als 9 
boliſches Bud; anerkannten, der bei weitem größte Theil der veformirten a 
den durchaus nur in Außerlicher Beziehung ſich als augsburger Conſeſſu 
wandten betrachtete, jo ward dadurch in keiner Hinſicht ein feſter und einig, 
ftand der reformirten Kirche bewirkt. — Endlich, nad) langen Kämpfen, 
die Schweizer den Alles verwirrenden Streitigkeiten durch ein neues fake 
Buch begegnen zu müıffen, und 1671 verfaßte der süricher Theolog, Joh. ;. 
Heidegger, die „Formula consensus helvetiei‘ in 26 Artikeln mit bei 
Ruͤckſicht auf die damaligen theologifchen Streitigkeiten unter den weft 
. Theologen. Diefe neue Eintrachteformel ward feit 1675 zwar allmällg “ 
reformirten Schmeizercantonen angenomnıen, aber von vielen nicht mit 
Überzeugung, und fonnte daher ſelbſt in der Schweiz nicht vollkommene 
herftellen. Und noch weniger nahmen die nichtfdymeizerifchen Reformicten 
an, widerfpradhen ihr vielmehr fehr beflimmt, und fo ward durch fie w 
Zwietracht erweckt und genährt. --- Unter ſchweren Kämpfen hatte ſich Vier 
mation in ben Niederlanden verbreitet, wo bie Mehrheit der Evangelifcher 
Zeit tutherifch gefinnt blieb. Aber das niederlämdifche Staubensbekenntaif (: 
neigte fich gänzlich zur Schweizerlehre, und ward nachmals vielfältig abga 
Prinz Morig von Oranien, den die Miederländer den Metter ihrer blngg' 
Freiheit nannten, mar ber eeformitten Lehre zugethan und fuchte diefe A" 
machen. Bald jedoch ward auch hier unter den Reformirten mannigfacher 
entzuͤndet, zumal ale Jak. Arminius die Calviniſche Vorherbeſtimmungt 
mildern ſuchte, und fein Amtsgenoſſe in Leyden, Franz Gomarus (beſond 
1604) ihm heftig widerſprach. Treffliche Maͤnner wie Hugo Grotius 
ſtimmten zwar dem Arminius bei, und nach deſſen Tode vertheidigte Simen 
copius (Biſchep) feine Meinung ; aber um fo heftiger ward der Kampf, a 
auch die politifchen Verhaͤltniſſe verderblich einwirkten. Die Armintaner, r 
1610 den Ständen von Hollant uͤbergebenen Belenntnißfchrift, „Remonstre 
nun Nemonftranten (f. d.) genannt, wurden von den Gomariſten obe 
traremenftranten heftig verfolgt, und die Meligionsgefpräche zu Haag und 
konnten keine VBerfohnung bewirken. Da fam endlich 1618 die beruͤhmt⸗ 
rechter Synode zu Stande, die nach langen Verhandlungen, im Mai 1 
Lehren der Remonfiranten verwarf und bir ftrengere, nur etwas gemilberb 
berbeftimmingslehre ven neuem beftätigte. Doch waren damit die The 
andrer Länder keineswegs einverflanden ; die Schläffe der Synode konnten 
balb der Niederlande nicht zur unbedingten Anerlennung gebracht werbei 
Remonſtranten (f.d.) erhielten ſich als befondere Partei und flellten. 
ein durch Episcopins verfaßtes, befonderes Glaubensbekenntniß auf. — 
Stanfreich hatten die reformirten Gemeinden (f. Hugenotten) die fchm 
Kämpfe nach Außen zu beftehen ; erſt durch das Edict von Nantes (1598) ei 
tie Duldung im Staat. Aber obwol fie Calvin's Lehren huldigten, erhielten | 
auch in ihrem innern Verhaͤltniß Eeinen feften Beſtand, und die Theolo 
Saumur bemühten fich vergebin® durch Aufhellung der Calnin’fchen Kehre 













4 
( 


Refraction Refractor 115 ° 


einſtimmung zu bewirken. — Die engl. Kirche aber, die man zu der 
rechnet, bildete fid) auf eine fo eigenthümliche Weife, ward fo früh 
innere Streitigkeiten verwirrt und in Parteien zerfpalten, daß auch 
ch nur von Gemeinden, nicht von einer Kirche die Rede fein Eann. 
easbekenntniß von 1551, das von den urfpränglichen 42 Artikeln 
t Sonode zu London auf 39 Artikel beſchraͤnkt ward und keineswegs 
inglifch und Galvinifd) war, konnte die ftreitenden Parteien nicht vers 
eben ben fogenannten Episcopalen, welche die bifchäfl. Verfaffung 
ſdeten fidy (aus Nonconformiften) die Presbnterianer, welche die von 
jenf bergeftellte Presbpterialverfaffung etwas gemildert eifrig vertheis 
daritaner, die auf einen möglichft vereinfachten Gottesbienft drangen, 
temere Parteien, denen die Uniformitätsacte von 1689 volltommene 
iheit gewaͤhrte. — So ift in allen Rändern die evangel. Kirche, die man 
e nennt,! ſehr verfchiedenartig geftaltet, und es gibt weder ein aͤußeres 
allgemeines Band, daß fie zu Einer kirchlichen Gemeinſchaft verbänbe. 
land find nach den Zeiten der Reformation die Pfalz und das branden: 
gentenhaus, audy einige Heinere Staaten von der lutherifchen zu der re> 
kemeinde übergetreten, ohne fich enger mit derfelben verbinden zu Fön: 
Die Pfalz ward der „Heidelberger Katechismus” eine Lehrformel mit 
ı Anfehen. Die Reformirten in Brandenburg, deren Zahl jedoch nicht 
w iſt, betrachten ſich als augsburger Eonfefjionsverwandte, ohne darum 
ſchen Abendmahlslehre zu entſagen. Oft haben ſich die Verſuche erneut, 
tm und evangeliſch⸗lutheriſchen Gemeinden zu verbinden; aber immer 
In ben neueften Zeiten ift nicht bloß ein Außerer Friede zwiſchen beiden 
wrbaft geweſen, fonbern auch die Doffnung einer endlichen Vereinigung 
ki fefter begründet worben. In den preufifchen und einigen andern 
Naaten bat feit 1817 die längft vorbereitete Zufammenfchmelzung ber 
und evangel.s utherifhen Gemeinden zu einer evangel. chriftlichen 
gfirchlichen Form bedeutende Erfolge gehabt. (S. uni on.) 
action, f. Strablenbrehung. 
actor, ein afttonomifches Kernrohr, mit Vorrichtungen, um mikro⸗ 
Beffungen größere Genauigkeit zu geben. Dergleichen Inſtrumente 
mBenedictbeuern (f. d.) in befonderer Vollkommenheit gefertigt. 
dichte der deutfchen Kunſt Überhaupt, wie für Optik und Aftronomie 
ziſt der mir Recht fogen. Riefenreftactor wichtig, welcher in genann⸗ 
m Fraunhofer 1824 für die Eaiferl. Sternwarte in Dorpat verfertigt 
Man hofft, damit den Ort ber bisher wahrgenommenen Doppelfterne 
beſtimmen. Diefes in feiner Art einzige Inftrument hat 13} par. Fuß 
E 4 Zoll Brennweite und 9 Zoll Öffnung des Objective. (Der Sucher 
ein zum vorläufigen Auffuchen des zu betrachtenden Himmelskoͤrpers 
6 Beineres Fernrohr, hat 30 30U Brennweite und 29 Linien Öffnung.) 
berungen gehen bis auf das 600fache. Es übertrifft an Wirkung, 
t der Bilder und Bequemlichkeit zum Gebrauch die Spiegel: 
e (vgl. d.); daher wurde fchon bisher ein Fraunhofer'ſcher Nefractor 
52 Linten Öffnung dem 13fügigen Spiegeltelestope Schroͤter's vorge: 
as Stativ des Fraunhofer'ſchen Rieſenrefractors trägt zwei Axen, Die 
"Richtung der Weltare, mit einem dem Äquator parallelen, die andre 
Dediinationskeeife._ Durch ein am Geftell angebrachtes Uhrwerk wird 
ware in 24 Stunden herumgetrieben, fodaß das Inſtrument von felbft 
mag der Geſtirne folgt; der Stern bleibt daher immer im Sehfelde und 
xweglich, da er ohne diefe befondere Vorrichtung fonft, wie in andern 
1, der täglichen Bewegung wegen fehr Ichnell und um fo ſchneller, ze 
8 * 


116 | Refugics 


fiärker die Vergrößerung iſt, vorüberfliegen wide. Das Ganze hatein ( 
von 25 Etnrn., da außer 900 Pf. Meffing nody gegen 64 Ctnr. Eifen, St 
Blei darin verarbeitet find, was aber die leichte Bewegung des Rohrs nie 
dert, da dicfes fid) um die Stundenape mit einem Finger drehen läßt. S. 
„Afteenom. Jahrb. für 1827" und Struve's (Direct. der Sternw. zu f 
„Beſchreib. des auf der Stern. der Univ. zu Dorpat befindlichen großen | 
tors von Fraunhofer‘ (Dorpat 1825, Fol., m. Kpf.). 

Refugies (Flüchtlinge), Franzofen, die aus ihrem Vaterlande 
weil fie nach der Aufhebung (1685) des Religionsedictd von Mantes (von 
der reformirten Lehre treu, zu dem Katholicismus nicht Kbertreten wollten, 
Hugenotten, Maintenon, Ludwig XIV.) Lift und Gewalt ı 
angewendet, die Verirrten wie man die der neuen Lehre Zugethanen nau 
in den Schoß der Mutterkicche zuruͤckzufuͤhren, und alle Gräuel, die früher 
ſitoriſcher Eifer über viele Laͤnder gebracht, erneuten ſich in Frankreich. Du 
die in die Gegenden abgeſandt wurden, wo Reformirte wohnten, ſollten due 
guartierungslaften und Bedruͤckungen aller Art die Reformirten nöthigen, fü 
tem Willen ihrer Drünger zu fügen, und wer dennoch diefe® Elend dem A 
an der Überzeugung vorzog, fand entweder feinen Tod unter den Säbeig 
Diener der Zyrannei oder mußte im Kerker oder in Verbannung jenfeite bei 
tes fein Leben hinbringen. Bei diefem Elend fuchten Viele, Vaterland, 
Weib und Kind verlaffend, in fremden Ländern Schug, die liberzeug 
Glaubens allen Erdenguͤtern vorziehend. Aber auch dieſes Rettungemi 
der Despotismus ihnen abzufchneiden. Frankreichs Grenzen waren mit 
befegt, und wer in ihre Hände fiel, wide, ohne Unterfchieb des Alters, 
und Geſchlechts, gemißhandelt, des Vermögens beraubt, in Gefängniffe gei 
neben den gröbften Verbrechen auf den Galeeren angeſchmiedet; bie Kinded 
den den Ältern weggenommen und in Kloͤſtern zum Entholifchen Glauben 
Dennod) gelang e8 wenigftens 800,000 Proteftanten, durch Lift, 
zuweilen audy durch offene Gewalt, aus ihrem Vaterlande zu entkommen. 
Land, Dänemart, Holland, die Schweit, Deutſchland, in diefem befonbeeß' 
fen, Brandenburg, Heffen, nahmen die Slüchtlinge mit Gaftfreiheit auf. ' 
leute, Zabritunternehmer wandten ſich nach England und Holland, wohin ‘ 
Vermögen leichter bringen und es fogleidy nugbar anlegen konnten. Nail 
Brandenburgifchen gingen Adelige, Kriegsmänner, Gelehrte, Künftter, Das 
ker und Fabrikarbeiter. In mehren dieſer Tander ertheikten die Regierung! 
Untömmlingen gleiche bürgerliche Rechte mit ihren alten Unterthanen, u 
Kräfte, die ein befangener und fanatijter König feinem eignen Lande entjog, 
ten num, den Flor feiner Nachbarftaaten zu erhöhen, denn diefe Refugies ver 
ten ihres Vaterlandes Kunftfleiß auf den fremden Boden und wurden — 
ders in den brandenburgiſchen Staaten, wo ſie die ausgedehnteſten bürge 
Vorrechte erhielten - größtentheils die Schöpfer der Fabriken, die noch jet 
bedeutenden Theil des Reichthums der preuf. Monarchie ausmachen. B 
jedes Gewerbe enıpfand den wohltbatigen Einfluß der neuen Anfiedler. . 
mehr aber als durd) mitgetheilte Kunftfertigkeiten wirkten die franz. Protefl 
die zum großen Theil vorzugliche Menfchen waren, auf die geiftige Bildun 
Sittlichkeit in den Ländern, wo fie Zuflucht fanden, und mit Unrecht hat mı 
Aufnahme diefer Flüchtlinge Verweichlichung der deutfchen Sitten und die u 
geführte Bekanntſchaft mit verfeinertem Luxus vorgeworfen. Es waren 3 
fen ganz andrer Art, die in fpäterer Zeit die Lafler einer großen Hauptflat 
eines verderbten Hofes unter ung zeigten. über die Aufnahme der verjagte 
teftantifchen Sranzofen in den furbrandenburgifchen Landen f. m. den 5. Bi 
475 fg) der „Dentwirdigkeiten” von Chr. W. v. Dohm. Die Gefhid 


Regalien Regel | 117 


edelung jchrieb der wuͤrdige Beiftliche, David Ancillon: „Histoire de 
ment des Francais refugics dans les etats Je Brandenbourg” (Ber: 
Mas vom großen Kurfürften und König Friedrich I. für die Einbuͤr⸗ 
Flüchtlinge geſchah, und den Erfolg erzählen Erman und Reclam in den 
ı pour servir à l’histoire der refugies frangais ete.“ (Berlin 1782 
Bde.). 
alien (jura regalia), im Allgemeinen die mit der Staatshoheit ver⸗ 
dechte, welche aber ſehr verſchieden ſind, je nachdem fie aus dem Begriffe 
des Regierens von ſelbſt fließen oder nur zufällig duch beſceidere will: 
aatseinrichtungen damit verknüpft find. Jenes find” die höhern oder 
Regalien, Hoheitörechte, Majeftätsrechte (f. Regierung), und du 
ne Regierung ihren Beruf erfüllen Farm, fo koͤnnen fie derfelben auf 
entzegen noch von ihr felbft veräußert werben. Solche Rechte einer 
‚ welche ihren Entſtehungsgrund nicht in dem Weſen des Staats an 
‚, fondern in andern zufälligen Urfadyen haben, bezeichnet man mit ben 
niedern, zufälligen Regalien, aud) wol, da in der neuern Zeit der Er- 
ımeilten die Hauptfache geworden ift, mit dem Namen der nugbaren 
rregalien. Ihre Gründe find ſehr mannigfaltig gewefen, und daher 
Umfang in den verfchiedenen Staaten fehr ungleih. Man hielt in ei- 
miſchen Stämmen dafür, daß der Befis des Goldes und der Edelſteine 
Inige zutäme; man geftand dem Fürften das Vorrecht zu, daß nur er 
t groͤßern oder feltenern Thiere, doch niit Ausnahme der bloßen Raub⸗ 
ben könne. Man legte das Eigenthum herrenlofer Dinge dem Fürften 
jhierher auch die Gewaͤſſer mit den Ufern der arößern Flüffe und des 
Daraus entftanden das Berg: und Jagdregal, das Forftregal, die Ne: 
Gewaͤſſer und das droit d’epave oder das ausfchliehliche Recht auf her: 
we. Alle diefe Regalien haben fich in den verfchiedenen Kindern fehr 
midgebildet, und es kann keine allgemeine Vermuthung für irgend einen 
ben aufgefleltt werden. Bald mifchten fi wirkliche Staatszwecke in 
von den Rechten, welche der Fürft eines Kandes haben muß, und alles 
wobei entweder eine öffentliche Beglaubigung ober eine Aufficht der Ne: 
ımöthig gehalten wurde, zog man mit in den Kreis der Negalien, fowie 
biftungen und d Dienfte der Unterthanen für allgemeine Zwecke mit unter 
Bf brachte." In der Conſtitution K. Friedrichs I. von 1158 (I. F. 56) 
Hidy zu bemerken. Auf jenen polizeilichen Gründen beruht zum Theil 
des Münzens, der Poften u. a. Gewerbe, wiewol dann fpäter bei meh: 
has bloß finanzielle Intereſſe wieder vorherrfchend geworden ift. Aber 
m Zeit kehren aufgeklärte Regierungen doch wieder zu dem Geſichts⸗ 
ick, nur die Regalien, weldye einen höhern Staatszweck haben, an: 


m und die übrigen nad) und nad) freizugeben. Überhaupt Eönnen die 


yalien auch vom Stante teieder veräußert und, obgleich die Megalität 
wg nach befteht (3. B. dns Poftregal), doch im Einzelnen (5.3. im 
Reranıte) von Privatperfonen mit Eigenthumsrecht befeffen werben. 
um's „Geſchichte des Urfprungs der Regalien in Deutjchland‘‘, 1806.) 
etta, eine Öffentliche Luftbarkeit in Venedig, mo Boote vom Markus⸗ 
e Wertfahrt auf den die Stadt durchkreuzenden Candien halten. In 
gift nur eine Perfon, und die, welche zuerft das gefebte Ziel erreichen, 
ine Geldprämien. Die Menge der Zufchauer und Fremden, die in 
hmüdten Gondeln zufehen, find bei diefem Volksfeſte das Anziehendſte. 
el, ein Sag, unter dem eine Erkenntniß oder Handlungsweife fteht. 
och theoretifche und praftifche Regeln. Dann bezeichnet die Regel auch 
eme und Gewoͤhnliche. 


[2 


18 Regen 


Regen, das Herabfallen des Waſſers aus den Wolken in Tropfgel 
Das Waſſer befindet fic entweder fchon tropfbar = flüffig als Dunftbläschen-k 
Luft oder elaftifdh = flüffig in feine Beftandtheile aufgelöft. Im erften Falle! 
es die Erfcheinung der Wolken oder des bedeckten Himmels, im zweiten Gall 
der Himmel heiter. Zerplagen’diefe Dunftbiäschen, fo bildet das Waffen 
teopfbarsflüffige Materie, Tropfen, welche vermöge der Schwere aus der Aufl 
abfallen. Befindet fi) das Waffer in feine Beftandtheile (Mafferftoffgas 
Sauerftoffgas) aufgelöft in der Luft, fo erfolgt durch ein drittes Hinzulomm 
des, 3. B. durch die Elektricität, die Vereinigung Beider. Es entftehen dahe 
bei heiterm Himmel Wollen. Gewöhnlich fällt der Regen aus Wolken ii 
und die dunkelſten geben das meifte Waffer nur felten Ift es, daß im Gom 
bei heiterm Himmel, ſtiller Luft und großer Hitze Regentropfen fallen. Jet 
die Wolken find, deflo fparfamer und feiner find die Regentropfen. Iſt derg 
Himmel gleihförmig bebedt, fo erfolgt ein Randregens werben nur ei! 
Ihroarze Wolken vom Winde nad) einer Richtung bingetrieben, Stridhrs: 
Verdichten oder vereinigen ſich die Dünfte, die eine Molke bilden, gleichſt 
und langfam von unten nad) oben, fo fallen langfam Beine Tropfen (Ste 
regen, Naßniedergehen); fängt die Verdichtung von oben an, fo werdet 
Tropfen durch die im Kalten ſich mit ihnen im untern Theile vereinigenden D 
größer. Verdichtet fi, wie bei großem Winde oder bei einem Gerwitter 
Wolke piöglich, fo fallen große Tropfen, oder das Maffer flürzt in Maffe } 
(Plagregen, Wolkenbruch). Man Eennt noch kein Beifpiel, daß in m 
Gegenden der Durchmeſſer der Regentropfen' bis auf einen halben Zoll bett 
hätte, in der Nähe bes Äquators aber fol er biswellen über einen Zoll betst 
Vermoͤge des Widerſtandes und der Bewegung der Luft fallen die Tropfen 
langfam und in fchiefer Richtung, wodurch ihre Bewegung mehr gieichförnck 
befchleunigt wird. Ohne den Widerftand der Luft würden ſchon fehr Meiner 
pfen von 6000 Fuß Fallhoͤhe mit ber Geſchwindigkeit einer Kanonenfuge 
Oberfläche der Erde erreichen, und ein einziger Regen wuͤrde eine große Verbeb 
anrichten. Die Menge des Regens hängt von bem Klima, der Lage und ar 
Belchaffenheiten eines Landes ab. Seit bem Anfange bes 18. Jahrh. hat. 
forgfältiger die Menge des jährlich am verfchied. Orten fallenden Regens (Se 
Hagel, Thau, Reif u. dgl. mit eingerechnet) beobachtet. Kraft rechnet im D 
fhnitt in Petersburg jährl. nur 40, Muffchenbroet in Leyden 107, Lambe 
Chur 115 und Bergmann in Abo (in Finntand) 146 Regentage. Briſſon 
aus der „Connaissance des tema‘ eine Überficht der von 1702 —57 jährik 
Daris gefallenen Regen: und Schneemenge und eine Tafel der jährl. Menge 
Regens von 27 verfchieb. Orten und Gegenden. Nach Bergmann, der 30 
fuͤr die mittlere Zahl des täglicy auf dem ganzen Erdboden fallenden Regens u. 
annimmt, beträgt die Menge bes jährt. Niederfchlage® auf der ganzen Exrbf 
1016 geograph. Cubikmeilen. Im Ganzen genommen muß der Niederfi 
aus der Atmofphäre der Summe aller ihr zugeführten Ausbünftungen gleich 
Nach zuverläffigen Beobachtungen iſt die Regenmenge auf den Gipfeln der X 
geringer als am Fuße derfelben. — Da fich in der Atmofphäre mancherlei fr 
artige Materien befinden, auch leichte Körper von der Luft emporgehoben und 
Zeitlang darin erhalten werden Eönnen, fo ift es nicht beftemdend, daf der Üi 
bisweilen ſolche Dinge mit fich bringt ober in feiner Farbe etwas Befonderes | 
Daraus find die Erzählungen des Alterthums und der mittlern Zeit von Wu 
regen entftanden, wobei man Manches für mit dem Regen herabgefallen | 
was gar nicht aus der Atmofphäre gefommen war. Das meifte Verdienft wm 
Theorie des Regens haben fi) Sauffure („Essai sur Phygrometrie”, Neuft 
1783) und de Luc („Ldees sur la meteorologie”, Lond. 1786, 2 Bde.; den 


Regenbogen 119 


a. Etettin 1787, 2 Bde.) erworben, wiewol ihre Anfichten ſehr von ein« 
dbereichen. Das Spften des Exftern, welches ſich auf Erhebung des Wurf: 
Ne Luft in Geſtalt von Dunfibläschen (vesieula) befchränkt, führt den 
(de Veficularſyſtems; wogegen fid) de Luc zu der von uns damit in Ver: 
zgeſedten, auf der antipblogiftifchen Darſtellung begründeten, chemifchen 
ns des verbünftenden Waſſers in feine Beftandtheile (Auflöfungsfpftem). 
L, indem er annimmt, daß das Waſſer vor feiner Wiederausfcheidung als 
an der Atmiofphäre, einen gasartigen Beftandtheil derfelben ausgemacht 
bene. (S. die „‚Unterf. über die Wolken und a. Erfcheinungen in ber 
dire”, von Th. Zorfter, aus d. Engl., Leipz. 1819.) (Bol. Blutregen 
‚Blutader.) U... v. 
egenbogen, die fhöne Kufterfcheinung, ‚welche ſich zeigt, wenn die 
em Zufchauer im Rüden ſteht und in den ihn gegenüber herabfallenden 
iheint. Gewoͤhnlich fieht man zwei Negenbogen zugleich, welche concens 
. Der imnere, der Dauptregenbogen, hat lebhaftere Karben als der du: 
Bitwwriten erblict man innerhalb des Dauptregenbogene noch Stüde anbrer 
von fehr matten Farben. Bon Innen nad) Außen folgen die Karben des 
wgenbogens in eben der Orbnung, wie im prismatiſchen Sonnenbilde (f. 
B): Violet, Purpur, Blau, Grün, Gelb, Orange, Roth; im dußern iſt 
leafolge umgekehrt. Außer diefen in die Augen fallenden Huuptfarben des 
nzens ſieht man noch eine Menge von Farben, die unvermerkt in einander 
m Der Halbmeſſer des Hauptregenbogens begreift 40—42 Grab, der . 
ma s1--54 Grad, Da der Mittelpunkt beider Bogen der Sonne gerabe 
wifegt iſt, fo erfcheint ein völliger Halbkreis uber dem Horizonte, wenn bie 
dem aufs oder untergeht. Regnet die Wolke nicht an allen Stellen, ober 
einzelne unterbrochene Regenwolken am Himmel, fo fieht man nur eins 
Bide des Bogens, die man Regengallen oder Waffergallen nennt. — 
g des Megentogens laͤßt ſich durch Hülfe der Mathematik aus den 
Geſetzen der Brechung der Sonnenftrahlen und der verfchiedenen Brech⸗ 
Zerftreuung der gefärbten Lichtftrahlen vollkommen erklären. Will 
ine finnliche Vorftelung von der Bildung des Regenbogens machen, fo 
manf eine gläferne mit Waffer angefüllte Kugel Sonnenftrahlen unter eis 
wien Winkel fallen, und man erblidt auf einer weißen Wand, welche die 
n ichtſtrahlen auffängt, verſchiedene gefärbte Bogen, im Kleinen wahre 
gen, weil bie Sonnenftrahlen bier auf eine ähnliche Art, wie in den Regen⸗ 
‚gebrochen werden. Stellt man das Auge fo, daß die Geſichtslinie mit 
menfitahlen einen Winkel von 42 Grab bildet, fo ficht man an der untern, 
me abgewandten Seite der Kugel ein fehr lebhaftes Moth; wird diefer 
neh und nach um 2 Brad verkieinert, fo erfcheint nad) und nad) Gelb, 
we Blau; wird der Winkel bie auf 51 Grad vergrößert, fo erfcheint Roth 
sdern, der Sonne zugefehrten Seite der Kugel, und die übrigen Farben 
wenn man den Winkel nad) und nach um 4 Grad vergrößert. Aus dem 
memen ergibt fich auch, warum bei uns in den Längften Tagen um Mittag 
möhnlichen Stellung des Auges kein Negenbogen zu fehen if. — Bei 
ham Deere, wo die Welten ſich häufig in Tropfen zertheilen, bilden die 
Mrahlem in denfelben umgekehrte Regenbogen, deren man oft 20 bi6 30 
ieh Sie haben gewöhnlich nur zwei Karben, Gelb gegen die Sonne 
auf der andern Seite. Die Erfcheinung zweier fich einander durchs 
uben Regenbogen, welche man bisweilen an den Seekuͤſten fieht, wenn die 
voßle Aber dem Waſſer ftcht, hat vielleicht ihren Grund in der Wirkung des 
Iafferipiegel zuruckgeworfenen Sonnenbildes. — Des Morgens fieht man 
Rdie Regenbogenfarben in den Thautropfen auf den Wiefen, wo der Regen« 


'120 Regenmeffer Regensburg 


bogen hyperboliſch oder elliptifch ifl. Zumeilen beobachtet man auch Regenl 
des Nachts, die durch die Brechung und Zerftreuung der farbigen Strable 
Mondlichts in den Negentropfen entftehen; fie find jedoch fehr blaß und bilde 
meiniglid) nur weiße und gelbe Bogen. Die erfte richtige Erklärung des Hi 
tegenbogens gab der Bifchof von Spalatro, Anton de Dominis, in einem Anf 


des 17. Jahrh. zu Venedig erfchienenen Tractate; die vollftändige mathems 


Behandlung diefer fchönen Himmelserfcheinung verdanken wir aber Ne 
(„Optica”, Lond. 1706, #.). Eine gelungene mathemat”Darftellung gibt & 
in f. 6. Aufl. von Gren's „Naturlehre” (Halle 1820). (Bol. Iris.) [7 

Regenmeffer, Ombrometer, ein Inftrument, das die Menge b 
einer geroiffen Zeit’ gefallenen Regens beftimmt. Es beſteht aus einem oben 
nen, gläfernen oder metallenen Gefäß, an deffen unterm, enge zulaufenden 
eine an ihrem andern Ende verfcyloffene Glasroͤhre angebracht fl. Der is 
Gefäß fich ergießende Regen fteigt nun natürlich durd) die Öffnung in die € 
röhre und zeigt fomit durch feinen Höhern oder niederen Stand die Menge da 
fallenen Waſſers nad) Linien an, die auf der mit der Weite und Offnung bei 


faͤßes in genauem Verhaͤltniß ftehenden Roͤhre angebracht find. 


Regensburg, eine der aͤlteſten Städte Deutſchlands, von den RE 
erbaut und Reginun oder Castra Regina genannt, war, wie aus einer von 
Gemeiner beigebrachten Zempelinfchrift hervorgeht, fehon im 2. Jahrh. nach 
ein Handelsplag. Unter den Agilolfingern war fie die Hauptft. Baierns, 
Entfegung diefer Dynaftie aber, unter dem unmittelbaren Schuge der Ye 


. Könige, der Bermwaltung eines Grafen untergeordnet und erhielt fo, gleich ag 


n 


Städten, in welchen ſich anfehnliche Handelsgefeltfchaften befanden, die B— 
nung einer önigl. Stadt. Kaifer Friedrich I. befreite fie fpäterhin aufs neue 
ber Botmäßigkeit, welcher die Herzoge von Baiern fie unterworfen hatten, 
nahm fie unmittelbar ans Reich. — Bon 1663 an war fie, bis zur Auflöfun 
deutfchen Reichsverbandes, der immerwaͤhrende Sitz des Reichstags. 1 
wurden die Stadt und das Bisthum gl. N., deffen Biſchof in derfelben 

durch den Reichsdeputationsreceß dem Kurfürften von Mainz zugetheilt, bes 
Kurfürft-Erzkanzler hieß. Die Stabt wurde mit dem Bisthum vereinigt w 
einem Fuͤrſtenthum erhoben, erhielt die Neutralität in den Reichskriegen, um 
vormals erzbifhäfl. Stuhl zu Mainz wurde auf die Domkirche zu Regent 
übertragen. Als aber 1810 der Kurfuͤrſt⸗Erzkanzler und (1806, nach Abſcha 
der deutſchen Reicheverfaffung) Fürft Primas von Napoleon zum Großh 
von Frankfurt erhoben wurde, kam Fuͤrſtenthum und Stadt an Baiern. . 


iſt Regensburg (1539 H., 26,100 Einw., meiftens Lutheraner) die Haup 


des Regenkreifes bes Könige. Baiern und der Sig des Generalcommilffariate, 
mit Maucrn und Graben umgebene Stadt liegt in einer fruchtbaren Gegen 
einem weiten Thale an der Donau, wo diefe den Regenfluß aufnimmt. 

Donau führt nach der am linken Ufer liegenden Stadt am Hof eine beit 
fteinerne, von 1135 —46 erbaute Brüde, welche 15 große Bogen hat, 1091 
lang und 23 breit if. Der Strom macht hier zwei Heine, mit angenehmen 
ziergängen verfehene Inſeln, Ober: und Niederwörth, welche durch diefe X 
verbunden werden. Die Straßen find frumm, enge und dunkel, doch reinlic 
Häufer hoch, von Stein und nad) alter Bauart. Merkwuͤrdig find: das alte 
Rathhaus (mit f. Bibliothek), in welchem ſich der Reichstag verfammelt: 
Domtirche (f. Wiebeling’s Schilderung in dem Taſchenbuche „Armin, Mü 
1821), die St.Peters- und die Dreifaltigkeitslicche, das Schloß des F 
von Thurn und Taxis, der Ditmarifche Palaft, das neue Theatergebäude w 
vormal. Reichsabteien St.:Emmeran, Nieder: und Obermünfter. Die ı 
Abtei befteht aus einem weitläufigen Bezirke von Gebäuden, die gleichſan 


N 


Regent Regie 121 


ih ausmachen, und hat eine Bibliothek, eine Gemälbefammlung und 
ı Mufeum von mathematifch-phuftkalifchen Inftrumenten. Überhaupt 
lebnliche Bibliotheken und Kunftfammlungen, eine botanifche Gefells 
onmafium, ein Lyceum für alle chrifttiche Bekenntniſſe und eine Blin- 
Die Gewerke beftehen hauptfächlich in einer Sayencefabrif, Wache: 
tfhgarnfärberei, einer Lichter: und Seifefabrik, erheblichen Bier: 
ad Branntweinbrennereien.. Die Einm. treiben Speditiong =, Salz =, 
Betreidehandel und ſtarken Schiffbau. Bei der Stadt ift das 1817 
ft. Erzbiſchof und Kürft Primas, Karl v. Dalberg, errichtete Denkmal 
nen Kepler, der hier d. 5. Nov. 1630 ſtarb. Dalberg liegt im Dom 
e ihm fein Neffe, der Herzog, 1824 ein Denkmal errichtet hat. Über 
eSchlacht vom 19.—24. April 1809 bei und:in Regensburg f. Eck⸗ 
223. April verlor die Stadt,durch Brand 134 Häufer, und der Ver: 
imderung ward auf 1,500,000 Gulden gefhäst. Wal. die „Chro⸗ 
rt und des Hochſtifts Regensburg“, von Theod. Gemeiner (von 1430 
egensb. 1819, 4. ; ift mit dem 7. H. des 4. Bds. gefchloffen). 
nt, im Allgemeinen und vorzugsweife der Regent eines Staates, 
ge, welcher die Rechte des Stunts verfaffungsmäßig unabhängig aus⸗ 
em Sinne aber diejenige Perfon, welcher wegen Abweſenheit oder Un: 
18 wirklichen Staatoberhauptes die Ausübung der höchften Gewalt 
ſ; Regentfhaft im lestern Sinne ift daher die Ausübung bee 
Steats durch einen ſolchen Stellvertreter. Das Recht zur Regentfchaft 
Gefes, Vertrag oder legten Willen gründen. Durd) eine legtmwillige 
‚kann ein Staatsoberhaupt nur alsdann eine Regentſchaft gültig anord- 
Kefer Anordnung feine auf Gefege gegründete Befugniß eines Dritten 
haft entgegenfteht; daffelbe gilt auc) in Nüdficht der vertragsmaͤßigen 
m. — Unter den Regentichaften der neuern Zeit war in ihren Folgen 
& und Europa traurig die Regentfchaft Philipps, Herzogs von Or: 
), roährend der Minderjährigkeit Ludwigs XV. von Frankreich (von 
— Einflußreich war die Megentfhaft Georg Friedrich Augufts, 
Wales. (S. Georg IV.) — Ein vorübergehendes Intereffe hatten die 
stichaften der vormaligen Kaiferin von Frankreich, Marie Louife, und 
won Etrurien, gi. N. — Defto wohlthätiger aber war, nicht bloß für 
aauch für andere Nationen, ruͤckſichtlich des freien Geiftes = und Han: 
und mancher vortrefflihen Einrichtungen, die Mitregentfchaft des 
Friedrich von Dänemarf, von 1784 an bie 1808, wo er unter dem 
jedrich VI. (f.d.) den dänifhen Thron beftieg. — Merkwuͤrdig ift 
en legten vier Jahrzehenden in Europa drei koͤnigl. Negentfchaften von 
Inzen wegen Geifteszerrüttung und Wahnfinns der Stantshäupter . 
und geführt worden find, naͤmlich in Großbritannien, in Portugal 
mark N. P. 
e. Regir beißt in der franz. Necdytswiffenfchaft verwalten, admi- 
bregie eine mit Derantwortlichkeit und Rechnungsablegung verbun: 
kung. Das Wort wird aud) von der Verwaltung gewiffer Staatsein: 
ucht; in diefem Sinne Fam ed nad) Deutfchland, ale Friedrich IL. 
xcife in den preuß. Staaten auf franz. Fuß einrichtete. -— Bei dem 
t es die Verwaltung der Angelegenheiten der Bühne, infofern fie die 
‚der Stüde betreffen. Gewöhnlich wird diefe Verwaltung vom Di: 
ı feiner Schaufpieler aufgetragen. Diefer heißt dann Regiſſeur. 
x Regel dafür zu forgen, daß die zur Aufführung beſtimmten Stüde fo 
Wi beſezt, eingeuͤbt und aufgeführt werden. Wo der Director nicht 
ender Künftier ift, hängt das Heil der Kunftpraris hauptſaͤchlich von der 


122 Regierung 


glüdlichen Wahl bes Megiffeurs ab, welcher die einzelnen Kunſtkraͤfte und | 
mittel der Gefellfchaft zu einem Ganzen zufammenbringen fol. Sein 3 
wegen der Rollenvertheilung, bie häufig Neid und Kabalen unter den Mitg 
der Geſellſchaft erregt, und wegen der Anordnungen, die er für die Probe 
Darftellungen zu treffen hat, unangenehm und befhwerlih. Bel größe: 
tern gibt es deren gewoͤhnlich mehre ; diefe verwalten entweder das Amt de 
Ienvertheilung collegialifch, wobei die Anordnung und Zeitung der Proben u 
ftellungen woͤchentlich wechfelt (Wächner) ; oder jeder hat flr eine einzelne Gi 
von theatralifchen Darftelungen zu forgen (Regiffeur der Tragoͤdie, bes Luft 
der Oper), wie in Berlin. 

Regierung, als gleichbedeutend mit dem Altern Obrigkeit, bezeich 
Gefammtheit der Staatsbehoͤrden, weiche mit irgend einer öffentlichen Bet; 
leidet find, in ihrer Verbindung und Unterordnung gegen den Souverain 
diefem Sinne fteht der Regierung die Gefammthelt der Gehorchenden, dal 
die Unterthanen gegenüber, und Regierungsgewalt, Regierungst 
find dann mit Souverainetät und Souverainetätörechten gleichbedeutend, 
brauchte diefen Ausdruck der Fürft Metternich in der Congreßconferenz vom 
1814 und flimmte dafür, ihn fiatt Souverainetätsrechte anzunehmen, w- 
mit diefem legtern in den neuern Zeiten oft despotiſche Rechte, dergleichen nık- 
begehren könne, confundirt habe. (Klüber’s „„Acten bes wien. Congr.“, 2 I 
109). Man verfteht dann unter der Regierung gewoͤhnlich mur die höherml. 
den, von welchen bie Leitung der Staatsanyelegenheiten ausgeht, das Minl 
(gourernement), und begreift die fämmtlichen ihr untergeorbneten Stellen 
dem Gefammtnamen der Regierungsbeamten. In diefer Beziehung koͤm 
‚auch die Volksbeamten in der meiteften Bebeutung, befonder& die Mitgliel 
repräfentativen Behörden, entgegengefegt werden. In einem andern Sin 
fleht man umter der Regierung den Staat felbft, repräfentirt durch fein Dba, 
‚gegen andre Staaten, ſowie man auch häufig den Regenten felbft von der 
rung unterfcheidet und umter diefer nur die oberflen verantwortlichen Beaul 
Staats begreift. Bon dem Amtsnamen der Regierung, welcher in vielen, 
fhen Ländern denjenigen höhern Landesbehörden gegeben wurde, weil 
Reichshofrathe nachgehildet und anfangs den Obergerichten gegenuͤbergeſtel 
terhin aber felbft mit richterlichen Sunctionen bekleidet wurden, ſowie von d 
nennung Regierung, welche in Preußen ſeit 1808 die hoͤhern Adminiſtrack 
ben erhalten haben, iſt hier weiter nichts zu ſagen. Aber eine andre wichth 
deutung des Worts Regierung ift die, in welcher damit bie eine jener drei d; 
functionen bezeichnet wird, welche in der Staatsgewalt Überhaupt unter‘ 
werden müffen. So vielerlei Anfichten auch Über diefe verfchiedenen Zweig 
Zunctionen ber Staatsgewalt aufgeftellt worden find, je nachdem fie die 08 
ſehende Gewalt als eine abgefonderte und die richterlidhe als einen Theil De“ 
ziehenden betrachten oder nicht: fo wird ſich doch die ſchon von Arifloteleg' 
deutete, von Montesquieu beflimmter entwickelte Unterfcheidung der regier‘ 
gefeßgebenden und richterlichen Gewalt, welche auch Kant's Autorität für fi 
als die allein richtige bewähren. Man muß nur das Mißverftändnig vern 
welches durch die Benennung vollziehende Gewalt (pouvoir executif) flat 
gierungsgewalt auf eine doppelte Weiſe veranlaßt worden ift, indem dieſe # 
nung theils für den Gegenftand zu eingefchränkt mar und das Anordnende, W 
auch im Regieren enthalten ift, nicht mit ausdruͤckte, theils aber auch auf elf 
terordnung unter die Gefeggebung und felbft unter die Gerichte hindeutet, f 
durchaus nicht angenommen werben darf. Jene Eintheilung der Gewalt 
tegierende, geſetzgebende und richtende, beruht auf einem doppelten Grunde, 
theoretifchen und einem praktifchen. Jener bezieht fich auf die verſchiedent 





Regierung, Regierungsrechte 428 


ı Bermögen, welche dabei in Thätigkeit geſezt werben, den Willen, 
haupt dem Handeln zum Grunde liegt, ber erfennenden Vernunft, 
Wgemeined Geſetz aufjufinden vermag, und der Urtheilskraft, welche 
a Sal unter das Allgemeine fubfumirt. In diefer Stellung ift Eeine 
!ten unter der andern enthalten, und eine vierte neben ihnen nicht denk⸗ 
Nuffiche, welche nur in der Beobachtung der in dem Staate vorgehens 
rungen und in dem Befehle an die Bürger befteht, der Obrigkeit Aus» 
üefelben zu ertheilen, ift bloß eine untergeordnete, jenen brei Gewalten 
richtung. Der praftifche Eintheilungsgrund hingegen liegt theils in 
keit, für jeme drei verſchiedenen Functionen der Staatögemalt eine ges 
de von Beamten aufzsuftellen, da zum Gefesgeben und zum Recht⸗ 
z andre Vorbereitungen gehören als zum Gefchäft des Regierens, theils 
ein der ganz verfchiedenen Befchaffenheit der Acte, welche eine jede ber 
wa ausgehen läßt, in der Verſchiedenheit der Zwecke, auf welche die 
gierung, Befesgebung (f.d. und Gerichte) und Rechtſprechung 
d, und der daraus entfpringenden Nothwendigkeit, diefe Gewalten in 
ung von einander zu fondern. Bon der Regierung geht alle Thätigkeit 
ben Lebens aus; fie ift der Wille des Staats, welcher von dem zufäls 
u Einzelne gerichteten Willen des Volks fehr verfchieden ift und ihm 
tgegengefent fein muß, indem der Wille des Staats Das ausdrüdt, 
We wollen follte (Rouffeau’s volonte generale), ber Volkswille hins 
was es in indlvidualer Befchränftheit wirklich will (volonte de tous). 
wtswille druͤckt ſich durch Befehl aus, wie die mittlere Einficht und 
Volks durch das Geſetz, die Unterorbnung des einzelnen Verhältnifs 
BOefes durch das richterliche Urtheil. Diefe Sunctionen find einander 
u ergänzen einander gegenfeltig, indem immer eine jede von ihnen zwei 
mäberficht._ Sie müffen daher auch unabhängig fein; die Regierung 
Befepgebung und Richteramt zur Thätigkeit anregen, aber keiner von 
Den fett vorfchreiben dürfen. Die Unabhängigkeit der Gefeggebung 
Beiten des Volks im Ganzen, die Unabhängigkeit des Richteramts bie 
Jadividuen aufrecht. Aber eben aus dem Begriffe der Regierung, wie 
Melt ift, erhellt fchon, daß die Sonderung der drei Gewalten nicht eine 
kunung zur Kolge haben darf, bei welcher eine jede ihren eignen Gang 
Mt auf die andern nehmen könnte. Eine ſolche Trennung muß unauss 
B Streit ımb zur Zerrüttung führen. Es muß vielmehr in der Regie 
bhrit des Handelns hergeftellt bleiben, ſodaß fie dem Gewicht, der Feder 
Die beiden andern dem tegulicenden Gegengewicht verglichen werden 
Beht bloß in der Hand des monarchifchen Regenten, wie die Schlufacte 
Niniſterialconferenzen von 1820, Art. 56, fehr richtig fagt, fondern 
d einer jeden Regierung müffen alle Zweige der Gewalt vereinigt bleis 
Aarchaupt das Leben des Staats ein gefundes, regelrechte® und dauern 







m Hauptbebeutungen bed Ausdrucks Regierung müffen dann aud) 
tgierungsrechte bezogen werden. Sonad) find es folche, welche 
a &berhaupt zukommen (Majeftätsrechte, Hoheitsrechte, Souveraines 
In diefem Sinne müffen aber wiederum die nothwendigen Nechte der 
‚ ohne welche ſich eine Erfüllung der Zwecke bes Staats gar nicht den⸗ 
I eigentlichen Majeſtaͤts⸗ oder Hoheitsrechte), von denjenigen unter⸗ 
Wen, welche nur als verftändig gewaͤhlte und baher nicht fchlechterding® 
2 Bittel zu jenen oberften Zwecken alles Regierens betrachtet werden 
ksalien im der engen Bedeutung. Jene find von dem Dafein des 
petrennlich; wenn ihm etwas davon entzogen wird, fo fehlt etwas am 


⸗ 


untergeordnete Bevollmaͤchtigte, worin zugleich das Recht zu Beſetzung der 


124 Regierung, Regierungsͤrechte 


ſeiner Machtvollkommenheit, an der Staatsſouverainetaͤt; ſie koͤnnen dal 
zur Ausübung Übertragen, aber nie veraͤußert werden. Dieſe werden d 
fondere Rechtsgründe, durch Staatögefebe und Verträge hervorgebracht, 
nen aud) veräußert und an Privatperfonen verliehen werden. Wie alle me 
echte durch die Pflidyt begründet werden, fo gehen auch die Hoheiter 
Staats aus den Pflichten deffelben oder aus den Zwecken hervor, welche d 
(hen im Staate und durdy ihn erreichen follen. Jene Zwede werden ı 
durch die Herrfchaft des Geiftigen über die Materie, ſowol im einzelnen 2 
als in der Wechſelwirkung mit Andern und im Verhaͤltniß zur Natur, 
werden durch die Verbindung der Menfchen zur Kirche, zur rechtlichen £ 
and zur Naturbeherrfchung (vermittelft der Polizei) erfirebt. Nehmen wi 
hieraus entfpringenden Hoheiten des Staats noch die völkerrechtliche, de 
genftand das Daſein des Staats felbft in feiner Integrität, Machtvollkom 
und Unabhängigkeit ift, und die finanzielle, welche die Kräfte zu allen Be 
gen des Staats herbeifchafft, fo wird in diefen fünf Hoheiten: 1) des Arl 
Friedens, der Gefandtfchaften und Bünbdniffe, 2) der Kirchenhoheit, 3) 
hoheit, 4) Polizei » und 5) Finanzhoheit, der Kreis der Majeftätsrechte gef 
(Bol. Majeftätsrehte und Polizei) II. Bon diefen Staatshoh 
ten find die Rechte der Regierung als einer der drei Functionen der Stan 
unterfchieden. Sie ift, wie oben bemerkt wurde, der Wille des Staats 
Volks), oder das Princip der Ihätigkeit in ihm. Ihr eigentlicyer 

der Befehl, wie das Weſen der Geſetzgebung in dem Ausfprechen eines 
nen, das Werfen der richterlihen Gewalt in der Auffindung und Beurth 
Defondern befteht. In der Regierung ift daher der Vereinigungspuntt ¶ 
walt, unbefchadet der Unabhängigkeit, welche in dem Handeln der & 
und des Richteramts herrfchen muß. Aus diefes Stellung ergeben ſicht 
mente ber Regierungsgewalt: 1) die Vertretung des Staats nad 
Außen; 2) das Recht der Aufficht, welches zugleich die Pflicht der 
bedingt, der Regierung alle Nachrichten zu ertheilen, welche fie zu ihrem 
bedarf; 3) das Recht des oberften Befehls und der Übertragung des 










ämter enthalten ift, und movon das Recht des Zwangs (Anwendung ber 
des Staats, um den Befehlen Gehorfam ju verfchaffen) nur eine befonde 
tung ift. Diefe Rechte der Regierung beziehen ſich auf Alles, was im Sg 
geht, daher insbefondere auch auf die Gefeggebung und das Richteramt. . 
empfangen den Antrieb zum Handeln nur durch die Regierung; die Gefel 
kann nicht in Wirkfamteit treten ohne Auffoderung der erften (Zufamme 
Stände, Recht des Vorfchlags, Initiative der Gefege), ſowie die Beſchl 
Sefeßgebung nothiwendig der Zuftimmung der Regierung (Sanction des 
Veto) und ihres Befehls zur Vollziehung (Promulgation) bedürfen. Di 
teramt kann nur kraft eines unmittelbaren oder mittelbaren Auftrags deu 
rung (Anftellung der Iandesherrlichen, Beftitigung der grundherrlichen, fi 
u. a. Juſtizbeamten) ausgeübt werden (alle Gerichtsbarkeit geht vom A 
aus); die Regierung hat dafuͤr zu-forgen, daß die Gerichte ihr Amt erfuͤll— 
kann ihnen zwar nicht vorfchreiben, wie fie urtheilen follen, wol aber fie dam 
weis und Strafe nöthigen, Überhaupt zu urtheilen (Recht der Oberaufſicht 
Bifitation der Gerichte, der Juſtizmandate); daher hat man, und in eines 
ſchraͤnkten Sinne mit Recht, den Monarchen ben oberften Gefeggeber und! 
die Quelle der Gerichtögewalt genannt, forie er vermöge des Mepräfeg 
rechte auch die Quelle aller Ehren und Würden ift, und Niemand ſich eim 
ges oder Ehrenrechts, 3. B. des Adels, anmaßen und rühmen darf, w 

vom Fürften ausginge. Auch gegen die Kirche ift die Regierung Vertrel 


Repiomontanus 125 


yaber der Regent nicht nur oberfter Schus : und Schirmherr aller 
indlihen Kirchen, auch der neu entftehenden (worauf das Recht der 
gegründet und zu beſchraͤnken ift), fondern ihr liegt auch die Auf: 
e Kirchenbeamten, Sorge für deren ordnungsmäfige Wahl, Beſtaͤ⸗ 
nımg der untauglihen und unmwürdigen, und die Befchränkung der 
Kreis ihres eigenthiumlichen Wirken (vornehmlich auch ihres Be⸗ 
hren wahren Bedarf), ſowie die Befchügung der Individuen geger 
d Gewiſſenszwang und andre Mißbraͤuche der kirchlichen Gemalt. 
auch nur die Negierung jene Ausgleihungen übernehmen, toelche 
Buchſtaben des Geſetzes und den befondern Umftinden einzelner 
thiq fein koͤnnen, und den eigentlichen Grund des Rechts ber Gnade 
m und Dispenfationen) abgeben. Alle tiefe Rechte find der Re⸗ 
tnothwendig, obgleich die befondere Verfaffung einzelner Staaten 
lei Bedingungen, Formen und Beſchraͤnkungen umgeben Eann. 
thwendigſte Eigenfchaft der Regierung, wie die Gefeggebung nad) 
die richterliche Gewalt nady Nichtigkeit ihrer Ausſpruͤche ſtreben 
Kraft wird aber gerade dadurch am meiften verftärkt, daß fie durch 
le Einrichtungen, worunter die Sonderung der gefeßgebenden und 
ewalt und die Verantivortlichkeit der Megierungsbeamten die wich⸗ 
m dem Abfchweifen ins Willtürliche und Geſetzloſe abgehalten wird, 
die conftitutionnelle Beſchraͤnkung der Regierungsgemwalt mit einer 
{fen durch gaͤnzliche Emancipation ber andern Gewalten (Aufhebung 
md des Veto bei der Geſetzgebung, oder des Rechts der Aufſicht 
htshoͤfe u. dgl) nicht zu verwechſeln. Die vollfte Souverainetät 
lkommenheit ift noch lange Beine abfolute Herrfchergemalt, ja die 
md unwuͤrdigſte Abhängigkeit des Staats ift am häufigften mit einer 
menen Unbefchränftheit der Macht vereinigt geweſen. Aber eine 
es Staats durdyaus umverträgliche Schmälerung der Regierungs- 
benn irgend ein Stand, eine Corporation, ein Verein im Staate ſich 
kit von der Regierung entziehen will, wenn fie Rechte behauptet, 
t aus der Staatsgewalt ableitet, und der Gefeggebung ſowie der 
ı Staats fidy nicht unterwerfen will. Die Kirche, ober vielmehr 
t und der Adel find nicht felten in diefe falfche Stellung eingetreten 
Regierung ihr Geſchaͤft bis zur Unmöglichkeit erſchwert. Viele der 
ı tenntnißreichften Minifter find an dem vergeblihen Bemühen ges 
Rechte der Regierung in diefem Gonflict zu behaupten, und felbft 
und Braftvolle Regenten ‚haben nicht immer urchdringen koͤnnen. 

hes conſtitutionnelles und ein unechtes royaliſtiſches Beſtreben, wenn 
u ſolchen zu Liguen und Fronden führenden Wege die Gewalt der 
beſchraͤnken ſucht, und, mie ſchon oben bemerkt wurde, erft nachdem 
init der nöthigen Kraft ausgeruͤſtet ift, Läßt fich davon fprechen, durch 
k Schranken ihr eine fefte gefeglihe Bahn zu beftimmen. 37. 

montanus, eisentlih Sohann Müller, geb. 1436, nannte 
Kanus von f. Geburtsorte Königsberg in Franken. Diefer verdienft: 
atiter, der mit der Kenntmiß feiner Wiffenfchaft eine gründliche phi: 
ung verband, hatte ſich feit 1451 unter dem berühmten Mathema⸗ 
Peurbach gebildet und dann mehre Fahre hindurch die Mathematif 
kifall su Wien gelehrt. Seine Begierde, die griechifche Sprache zu 
ihn, 1461 mit dem Gardinal Beffarion nadı Stalien zu gehen. Er 
1 Zweck völlig und erwarb ſich durch f. ausgezeichnete Gelehrſamkeit 
. Er lieferte viele Üiberfegungen mathemat. und aſtronom. Schrif: 
Briechifdyen umd vollendete den von f. Lehrer Peurbach angefangenen 


126 Regifter Reglement bet franz. Kammern 


Auszug des „Almageſt“ des Prolemäus (Venedig 1496, Fol.), fehrieb au 
„Tractat. de doctrina triangulorum‘, das erfte über diefen Gegenſta 
drudte Buch. Hierauf lebte er am Hofe des ungarifchen Könige Matthie 
vinus, dann ließ er fi) 1471 zu Nürnberg nieder, wo er in genauer Verb 
mit Bernhard Walther fland und eine Buchdruckerei anlegte, die wegen 1 
zuͤglichen Correctheit der darin gedruckten Bücher berlihmt wurde. 14741 
vom Papft Sirtus IV. wegen ber Galenderreform nad) Rom berufen und ı 
biſchoͤfl. Stuhl von Regensburg erhoben. Er Harh 1476, nah Einigen 
Def, nady A. ermordeten ihn die Söhne des Georg von Trapezunt, da 
Schimpf ihres Waters, in deffen Überfegungen Müller grobe Fehler auf 
hatte, rächen wollten.. — M. war in Deutfchland der Erſte, der fich mi 
aufdas Studium und die Verbefferung der völlig vernadjläffigten Algebra 
der Trigonometrie gab er höhere wiffenfchaftliche Vollkommenheit und fuͤh 
Gebrauch der Zangenten ein, nachdem er dem Halbmeffer 10 Mitt. Theil 
ben batte; auch die Mechanik verdankt ihm unendlich viel. _ Seine Wider 
des Sardinals Nik. Cufanus (Chrypffs), der die Quadratur des Cirkels ga 
zu haben glaubte, f. vielen Schriften über Wafferleitung, Brennfpiegel, & 
u. a. ähnliche Gegenftände zeugen von vielumfaffender Gelehrſamkeit unb f 
Scharfſinn. Seine aftronomifchen Beobachtungen, „Epbemerides‘, be 
von 1475— 1506, die zuerft zu Nürnberg 1474, dann zu Venedig 14765 
und endlich zu Koͤln 1488 in 4. heraustamen, find fehr genau und erwarll 
großen Ruhm. (Sie wurden von dem obengen. Bernb. Walther, der 
Tode deſſen Papiere Eaufte, fortgefeut und herausgegeb. von Schoneruß, 
Auch nuͤhte M. der Aftronomie durch fein Beifpiel; mehre Männer vourdes 
ihn zum Stubium derfelben angefeuert, und Nürnberg der Sit bedeutende 
nomen. — Bon f. vielen Schriften find die wichtigern: „Calendarium” (fl 
1473, 4.); „De reformatione Calendarii” (Wened.1489,4.); „Tahulns 
primi mobilig” (Nürnberg, ohne Jahr, #.); „De cometae magnitudäng 
tudinegue” (Nürnb. 1531,4); „De triangulis omnimodis libr. V.“ 
1533, Fol.); „Tabulae directionum profectionumque in nativitatiing 
tun utiles” (Vened. 1585, 4). Wahrfcheinlicdy nicht von ihm find bie ,, 
mantie” unb die „Phyſiognomie“, die unter f. Namen in lat. Sprache ı 
. mb 1549 zu &yon ins Franzöfifche überfegt wurde. — Das Leben det: 
montan hat Gaffendi befchrieben (f. Gaſſendi's „Opp.“, T.V). Vergl. 
Doppelmayer’d „Hiſtoriſche Nachrichten von den nürnbergifhen Mathe 
und Künftlern” (Nuͤrnb. 1730 fg.). x. M 

Regiſter werden 1) bei einer Orgel bie an den Seiten der Taflatın 
beachten Schieber genannt, die dazu dienen, die Windloͤcher der Orgelftinu 
öffnen ober zu fließen; 2) die Orgelftimmen felbft, ober zufanımeng 
Dfeifen gleicher Gattung, durch welche eine beſtimmte Klangart hervorg 
wird. Im dem Regiſtriren, d. i. in der Wahl und zweckmaͤßigen Verbindu 
Drgelftimmen beim Orgelfpiel, zeigt fiy ein großer Vorzug des Drganiften 
Orgel.) 

Regiſterſchiffe werden die Kauffahrteiſchiffe genannt, die von d 
niſchen Handlungshaͤuſern (beſonders denen von Cadiz und Sevilla) naı 
ſpaniſchen Amerika geſendet werden, jene Laͤnder mit europaͤiſchen Waaren 
ſehen. Hierzu wird eine Erlaubniß des in Madrid ſeinen Sitz habenden 
von Indien erfodert, wofür eine Abgabe entrichtet werden muß, bie eine 
der Kroneinkünfte der Könige von Spanien ausmadıt. Sin ſolches Fe 
wird in die NRegifter des Handlungshofes zu Cadiz eingetragen (regiſtrirt), 
fein Rame. 

Meglement ber reichöftändiihen Kammern in Frankreich. Die 


Reglement der franzoͤſiſchen Kammern = 127 


welcher eine große repräfentative Verſammlung ihre Verhandjungen vor: 
ven ber größten Wichtigkeit. Won ihr hängt es zum großen Theil ab, 
Berathungen felbft die nöthige Kreiheit, Ordnung und Gruͤndlichkeit zu 
als auch Durch ihre Würde das Vertrauen der Nation zu ihren Vertre⸗ 
Birken. In England haben fich durch Herkommen und Obfervanz eine 
n Regeln ausgebildet, woruͤber zum Theil fehr ausführliche Werke er 
». Das neuefte ift des vieljährigen Parlamentsfecretaire Hatfell ‚‚Pre- 
proceedings ia the house of Commons’ (4. Ausg., 1818, 4 Bbe.,4.). 
ed mit großem Ernſt gehalten und dadurch wenigftend in den Verhand⸗ 
R, fo heftig auch oft ihr Inhalt ift, doc) der Außere Anftand behauptet. 
canz. Deputirtenkammer kann man dies zur Zeit nicht ruͤhmen (vergl. 
), obgleich fie am 23. Sun. 1814 ein ausführliches Kegiement von 
serbalten hat. Nach demfelben fol Niemand den Sprechenden unters 
in Depntirter von feinem Plage reden, keiner ein Zeichen des Beifalls 
Riöbikigumg geben (Art. 20, 21, 23,26); es vergeht aber kaum eine _ 
in welcher nicht der Gang der Berathungen burch wildes Gefchrei und 
Mehrheit geſtoͤrt wuͤrde. Die Dauptzlige des erwähnten Reglemente 
te: Die Kammer wählt, fobalb fie zuſammengetreten ift, unter Vorfig 
n fünf Gandidaten, woraus der König den Präfidenten ernennt, ferner 
söfidenten und vier Secretairs. Dem Präfidenten liegt die Sorge für die 
Igleit der Verhandlungen ob, und er iſt das Organ der Kammer In ben 
kstionen mit den Miniftern, mit der Pairdfammer, forie an ihn alle 
uanee gerichteten Eingaben des Publicums abgeliefert werben. An den 
zen ſelbſt kann er als Präfident nicht Theil nehmen; er muß, wenn er 
He will, feinen Praͤſidentenſtuhl verlaffen. Bon ihm foll ein Jeder 
Wegehren ; er foll bie Sprechenden, wenn fie ſich von der Sache entfernen, 
fie den Anftand und die Regeln verlegen, fie zur Ordnung rufen. 
gen der Kammer koͤnnen veranlaft werden durch Privateingaben, 
der Mitglieder, Eönigliche Propofitionen. Zu vorläufiger Prüfung 
ile fich Die ganze Kammer durchs 2006 in 9 Bureaur, welche bei jeder 
ihre Meferenten eine Sommiffion von 9 Mitgliedern bilden, die den 
benten in der Kammer beflellt. Privateingaben twerden entweder gang 
sen (la chambre passe & l’ordre du jour) oder den Miniftern zur Be: 
nung abgegeben; es koͤnnte auch geſchehen, daß fie der Kammer Veran: 
vernflern Schritten gäben. Anträge der Mitglieder müffen bei dem Se: 
Igezeigt, vorgelefen und dann ein Tag beflimmt merden, wenn bie Kam⸗ 
nitere Entwickelung des Vorſchlags anhören will. Ein folder Antrag 
dann andern Mitgliebe unterftügt werden, fonft darf fid) die Kammer 
bewit befchäftigen. Aber auch einen unterftügten Antrag kann die Ram: 
Discuffion verwerfen, und die Abftimmung über diefe Frage (die ques- 
inbie, ein Abel gewaͤhlter Ausdruck, da cr auch die Tortur bedeutete, wel⸗ 
wurtheilten Verbrecher vor der Hinrichtung untertworfen wurden) kann 
kit verlangt werden. Wenn die weitere Eroͤrterung befchloffen ift, fo 
h Alle, weiche dafuͤr oder dagegen fprechen wollen, bei dem Secretariat 
a), und nun werden die Rebner nad) Vortrag ber Commiffion abwech⸗ 
Ist, bis die Kammer hinlaͤnglich unterrichtet zu fein glaubt und die Daupt: 
mg beſchließt. Zuſaͤbe zu dem Vorſchlage (amendemens) und Jufäge 

(seus-amendemens) müffen vor dem Hauptvorfchlage zur Ab: 
Burkeacht werden. Kein Deputirter darf über einen Segenftand zwei 
um; aber dahin hat man es in Frankreich. noch nicht bringen können, daß 
u frei aus der Bruſt gehalten werden müßten. Das Meifte wird noch ge: 
& Wenige find im Stande, mit Ordnung, Klarheit, Kraft und Mürde 

















128 Reglement (Dienft-) Regnard 


unvorbereitet zu ſprechen. Die Anträge auf die Ordnung bes Tages, die! 
folge (priorite), die Verweiſung auf das Reglement, auf die richtige Stell 
Fragen, gehen immer der Hauptverhandlung vor, Gewoͤhnlich flimmt die 
mer durch Aufſtehen und Sigenbleiben, und das Eecretariat entfcheidet, a 
cher Seite die Mehrheit ſei. Über Gefese aber erfolgt die Hauptabſtimmm 
mer durch Kugeln (scrutin secret), wobei alle Mitglieder namentlich aufı 
werden (appel nominal), jedes eine ſchwarze und eine weiße Kugel empfaͤn 
nun duch Einmerfen ber einen in die auf der Rednerbuͤhne ftehende Une abf 
(Die Pairskammer hingegen ſtimmt ſchriftlich mit Ja und Nein.) Die 
werben der Regel nach durch koͤnigl. Propofitionen in Vorſchlag gebracht 
Recht der Initiative), aber auch die Kammern dürfen dergleichen zueyſt in‘ 
bringen. Über diefelben miüffen beide Kammern einig fein, ehe fie dem. 
vorgelegt werben, welcher dabei ein unbedingtes Verwerfungsrecht (durch d 
mel: Le roi s’avisera) ausuͤbt. Koͤnigl. Propoſitionen werben den Ka 
durch Minifter (welche Eraft ihres Amts in beiden Kammern Sig und E 
haben) oder befondere Commiffarien überbracht, darüber ein Empfangsbeli 
(aete) gegeben, fodann der gutachtlicdye Vortrag einer Commiſſion vernomm 
dadurd) die Berathung eröffnet. Die Kammern mäffen ihre Befhiäffe U 
(Refolutionen) ohne Hinzufügung von Gruͤnden (La chambre adopte — mfi 
pas) ausfprechen. Zufäge müffen von beiden Kammern und dem Könige 
migt werben. 

Neglement (Dienft:), die ſyſtematiſch geordnete Feſtſetzung aller! 
pflihten und Obliegenheiten des Kriegemanns jedes Grades in einem Dee, 
im Kriege wie im Frieden. 8 gründet fich auf die urfprünglichen und nd 
digen Einrichtungen eines Heeres im Allgemeinen, auf die überall gültigen 3 
gefege gefitteter Völker und endlid, auf befondere volksthuͤmliche Anfichte 
Beltimmungen ber höchften Staatsbehoͤrden. Es gilt daher als die vor 
Richtſchnur bei den Entfcheidungen in allen Vorfällen des Dienftes g 
ale Geſetzbuch, theilt aber auch als folches das Loos aller Gefegbücher, ©: 
und Bedürfnig machen fortwährend Erläuterungen und Zufäge nöthig und 
Abänderungen herbei, welche eine periodifhe Durchficht der Dienſtreglemeit 
wuͤnſchenswerth machen. In den mehrften Staaten beftehen neben dem 3 
reglement befondere Kriegsartikel oder Grundgefege für den Kriegema 
Anfehung der Mannszucht, welche zu beachten er fich beim Fahneneid verpf 
und bei deren libertretung weder Entfhuldigung noch Erlaß der Strafe zu er 
ift; ferner ein befondere® Erercirreglement für die eigentliche Gefecht 
d. h. für die taktifchen und Waffenuͤbungen der verſchiedenen Truppengatt 
auch wol befondere Reglements fuͤr dieſen und jenen Wirkungskreis oder 
zweig, z. B. Wirthſchafts⸗ Verpflegungs-, Werbereglements u. dgl. — 
Hoyer's Seſchichte der Kriegskunſt“ gab ſchon Kaiſer Friedrich I. den Heat 
er nad) Stalien führte, befondere Kriegsgeſetze, um Zucht und Ordnung 
handhaben zu können; die Heerführer, wie aud) Bifchöfe und Äbte, mußte 
Handfhlag die Aufrechthaltung diefer Gefege angeloben. Später fegten 
nand der Kathol., Franz I. und Heinrid) I. von Frankreich und Karl V. da 
dentliche Kriegögefege die europäifche Kriegszucht auf einen beffern Fuß. 
waren im 15. und 16. Jahrh. in den mehrften Heeren Dienftreglements 
führt; auch fingen ſchon einzelne Schriftfteller an, die Obliegenheiten der X 
und Soldaten wiffenfchaftlic abzuhandeln (tie Sronsberg in f. „Kriegsb 
Der Prinz von Dranien gab für die Niederländer das erfte Erercirregiemı 
Zeit des Unabhängigkeitskriege. 

Regnard (Jean Franeois). Diefer dem beliebten Moliere öftı 
Seite oder doch unmittelbar nachgefegte Yuftfpieldichter wurde 1647 zu Pa 





rn (Mathurin) Regnier (Branc. Seraph. Desm.) 129 


en Ältern geboren. Fruͤh erwachte in ihm ber Trieb, die Welt zu fehen. 
m Aufenthalt in Italien fchiffte er ſich auf einem engl. Schiffe nach 
a, wurde unterwegs von Seeraͤubern gefangen und nach Algier in die 
ebracht. Als großer Schmeder in ber Kochkunſt wohl erfahren, ge: 
durch Die Liebe feines neuen Herrn, die ſich aber bald in Haß verwan- 
er eiferfüchtige Türke bemerkte, dag R. mit den Srauen des Daufes 

traut ward. Angellagt bei den Gerichten, follte R. zwifchen dem 
fen oder dem Turban wählen, als zu feinem Güde das aus der Hei: 
riebene Löfegelb ankam, und er durch Vermittelung des franz. Conſuls 
erhielt. Mit einer reigenden Provencalin, die er in Bologna Eennen 
ie mit ihm die Sklaverei getheilt hatte, deren Gatte aber in Algier 
Have bleiben mußte, ging er nun nad) Paris, wo er bald darauf bie 
on des Letztern Tode erfuhr. Test, glaubte ex, ftehe der Erreihung 
[he nichts mehr im Wege, und die kurze, von der Geliebten bedungene 
war faft verftrichen, als plößlicdy der Todtgeglaubte erfchien, den ein 
be losgekauft hatten. Aus Verdruß über diefe getäufchte Hoffnung 
Pari® und ging über Holland nach Dänemark und Schweden, mo ihn 
bt wohl aufnahm und zu einer Entdedtungsreife nad) Lappland ermun⸗ 
nternahm fie in Geſellſchaft zweier Landsleute, befchiffte den bothni- 
fen und ging über Torneaͤ bis an die Küfte des Eismeers, kehrte dann 
yolm zuruͤck, reiſte über Danzig nach Polen, Ungarn und Deutfchland 
& einer Zjährigen Abmefenheit wieder in Paris an, geheilt von f. Liebe 
je zum Reifen und zum Spiel. In der Gegend von Dourdan, wo er 
Ritterfig und die Stelle eine Lieutenant des eaux et forets et des 
ia force de Dourdan £aufte, lebte er fortan den Wiffenfchaften und 
B eine® muntern und geiftreichen Umgangs mit ausgezeichneten Men 
u verfaßte er bie Befchreibung f. Reifen und den größten Theil f. Luft: 
denen Voltaire fagt: „Wem Megnarb nicht gefällt, der ift nicht werth, 
bewundern”. Die beften diefer Stüde find: „Der Spieler”, „Der 
ve’, „Der Zerftreute” und „Die unverhoffte Ruͤckkehr“. Seine Luft: 
sunige Intriguenſtuͤcke und erhalten ſich auf der franz. Bühne. Der 
B Ausg. f. Werke gibt es mehre. R. ftarb 1709 (nad) X. 1710) an 
des unvorfidhtigen Gebrauchs einer Arznei, die er gegen eine lnner- 
innahm. F. G. 
nier (Mathurin), geb. zu Chartres 1573, geſt. zu Rouen 1613, 
t unter d. Namen des guten Regnier, zeigte ſchon in der Jugend einen 
Küchen Hang zur Satyre. Sein Dichtertalent erwarb ihm maͤchtige 
Der Cardinal François de Joyeuſe nahm ihn mit ſich nach Rom; ein 
H begleitete er den franz. Gefandten, Philippe de Bethune, bahin. Ein: 
künden geftatteten ihm ein ganz den Lüften gemeihtee Xeben, welches 
a frühen Tod herbeiführte. — Seine Werke (London 1733, 4., und 
), 2Bde., 12.) enthalten Satyren, Epifteln, Elegien, Stanzen, Oben ꝛc., 
doch rigenti nur die erſtern, 16 an der Zahl, ſ. Dichterruhm begruͤn⸗ 

Perfins und Juvenal find feine Vorbilder, und er übertrifft fie we- 
ech die Zügellofigkeit f. Bilder. Sein Colorit ift Eräftig, aber f. Styl 
ache find incorrect, |. Scherze niedrig und oft ſchmutzig; doch fehlt es 
n echt dichterifchen Wendungen, an feinem Wis und anziehender Ge: 
$ 


nier (François Seraphin Desmarais, richtiger Desmarets), Schrift: 
1632 zu Paris, geft. 1713, ftudirte zu Nanterre, dann in dem Gol: 
Montaigu die Philofophie, deren fcholaftifche Spisfindigkeiten ihm 
verhaßt waren, als ihn die Schönen Wiffenfchaften anzogen. Shen 
Siebente Aufl, 8b, IX, 9 


130 Regreß Regulus (Marcus Attiline) 


in dieſer Zeit uͤberſetzte er die dem Homer gemöhntich Sugefchriebene „Batrad 
machie“ ins Franzoͤſi ſche. Von ſeinem Vater wenig unterſtuͤtzt, ſuchte er die 
einflußreiche Männer, in deren Gefolge er angenehme und lehrreiche Reifen ı 
So nahm ihn der Herzog von Crequi mit nad) Rom, wo er der ital. Spa 
fo bemächtigte, daß die Akademie della Crusca eine feiner Oden für ein 
Petrarca hielt und ihn zum Mitglied aufnahm. Gleich groß war feine; 
niß der fpanifchen Sprache. Im 36. Jahre feines Alters trat er zum gel 
Stande über, da Ludwig XIV. feine Verdienfte um den Staat durch eine: 
ftelle belohnte. Zwei Sahre darauf ermählte ihn die franz. Akademie zum 
gliede. Ihm vorzüglich wurbe die Herausgabe des „Diotionnaire de 1% 
mie” übertragen, woran die Akademie damals arbeitete, und ald man bei 
Arbeit feinen Scharffinn und feine auf Kunde der alten Sprachen gegy 
genaue Kenntniß der franz. Sprache bemerkte, wählte ihn bie Akademie naf 
zerai’8 Tode 1684 zu ihrem Secretair. Hier leiftete er der Akademie in 
Streite mit Suretiere die wichtigften Dienfte. Alle Memoiren, die bei bief 
legenheit im Namen der Akademie erfchienen, waren R.'s Werk, der «6: 
durch weife Leitung der Sache dahin brachte, daß die Regierung für die 2 
entfchied und Furetiere aus derfelben verbannt wurde. Nicht nur da6 
buch der Akademie hat durch ihn ſchaͤtzbare Beiträge erhalten, fondern er Ü 
ber Verf. einer im Namen der Akademie erfchienenen „Grammaire 
(1676, 2 Bde., 12.), die zwar nicht von philoſophiſchem Geifte zeigt, al 
wichtige Unterfuhungen und gründliche Bemerkungen enthält. tt 
R.'s Verdienfte um die Geſchichte. Seine „Histoire des demelcs de ls 
avec la Cour de Rome, au sujet de l’affaire des Corses” (1767, 4.) 4 
genau, und hat den Vorzug der Glaubwürdigkeit, theild weil R. diefen, 
felbft erlebte, theild weil er aus Driginalactenftüden fhöpfte; ihr ‚mangd 
der echte hiſtoriſche Geiſt. Zu feinen beffern Arbeiten rechnen wir feine 
fegungen von Cicero’6 Büchern „De divinatione’” und „De finibus 
et malorum‘ (1710, 12.), auch feine ital. Überfegung der Anakreontiſe 
(1692). Noch in feinem 80. Jahre fammelte er feine Gedichte, und gab 
db. Titel „Poesies frangaises, latines, italiennes et espagnoles” (1 
ber 1716 und 1750 wieder gedrudt) heraus. Die ital. und ſpaniſchen 
wurden jedoch in Rom und Spanien hoͤher geſchaͤtt als die franz. in Frag 
wenigſtens haben franz. Kunftrichter ihn nie für einen großen Dichter erkläre 
len. Am mehrften gelefen und gefchägt ift feine Überfegung einer Sea 
Guarini's „Pastor fido‘', welche die bekannten Verfe über den Widerſprt 
Moral und der Natur enthält, da jene die Liebe verbiete, diefe hingegen. 
biete. Obgleich ihm diefe Arbeit große Ehre erwarb, fo gereichte fie ihm dei 
zum Nachtheil, indem der König dem Überfeger diefer wollüftigen Scene | 
fchofftelle verfagte, die er ihm zugebacht hatte. 

Regreß, auch Recours, Ruͤckgang, bedeutet fo viel als Auffo 
zur Vertretung oder Schadloehaitung Wenn daher bei einer von einem? 
verbürgten Schuld, 3. B. der Gläubiger fih, im Fall des Nichtzahle 
Schuldners, an den Bürgen hält, fo nimmt er an diefen feinen Regreß. 
ches ift der Fall bei Wechfeln. Wenn Der, auf den der Wechfel gezogen 
. zahlen will, fo nimmt Der, der die Summe empfangen foll, an-bes Bez 
| Bormänner oder an den Ausfteller des Wechſels (Zraffanten) feinen Regref 

Regulus, f. König, daher regulinifd. 

Regulus (Marcus Attilius). Diefer durch feine Vaterlandslie 
Aufopferung berühmte Römer bekleidete um 256 v. Chr. das Conſulat 
wurde mit feinem Mitconful, Manlius Vulſo, von der Republit abgı 
Noms Nebenbuhlerin, Carthago, zu bekaͤmpfen. Trotz der wenigen Erfa 









Rehabilitation Reid (Philipp Grasmus) 181 


die Römer damals in Seektiegen hatten, gelang es dem Muth der Con- 
Ne überlegene carthagifche Flotte zu ſchlagen und in Afrika zu landen. 
afeiste R. feinen Sieg fo gluͤcklich, daß er bald mit feinen Legionen vor den 
ader Hauptſtadt ſtand. Das erfchrodene Carthago, für jest der Hülfe 
netten beraubt, zu Lande damals nicht fonderlich ftreitbar, bat um einen 
en Frieden. R., mehr Krieger als Staatsmann, mit Römerflolz auf 
Bilm und feinem Haß gegen die Punier beharrend, verlangte Enechtifche 
wfenz. Da mollten bie Carthager eher fterben, als folhe Schmach dul⸗ 
Ir diefer Bebrängniß fandte Lacedämon ihnen Hülfe, den Kanthippus und 
ws Deere. Der grichh. Feldherr war Blein und ungeftaltet, aber ein Held. 
nte tem Conſul unter den Mauern Carthagos eine Schladht, in welcher 
Roͤmer fielen und R. gefangen wurde. Carthago Eonnte jest hoffen, auf 
Beiingungen Friede zu fhließen. Es ſchickte daher eine Sefandtfi haft nad) 
ud ließ diefelbe von R. begleiten, welcher fich durch Eidſchwuͤre hatte ver: 
isüflen, nach Garthago zuruͤckzukehren, wenn Rom die Friedensbedingun⸗ 
märfe, die es durd) feinen Mund dem Senate antragen wollte. Allein in 
zekemmen, bielt R. e8 für feine Pflicht, dem Wunfche der Punier entge⸗ 

und Volk zur. ftandhaften Fortfegung des Kriegs zu ermuntern, und 
krin weder von den Bitten und Thränen feiner Gattin und Kinder, noch 
deſchwoͤrungen des Senats und Volks, die mit jeder Aufopferung Frei: 
beten eines ihnen fo werthen Mitbürgers erkaufen wollten, irremachen. 
ng des Kriegs ward alfo befchloffen; erjtaunt und erzuͤrnt Eehrten 
chen Gefandten in ihe Vaterland zurüd; mit ihnen R., gebunden 
Eidſchwur, von deſſen gewiffenhafter Beobachtung in jener Zeit dieſe 
hönes Beifpiel gibt. Die graufame Art, womit Carthago ſich an R. 
fol, tft von mehren neuern Gefchichtsforfchern bezweifelt worden, 
ilſchweigen des Polybius über diefen Punkt ift allerdings auffallend; 
wie ihm wolle, das Benehmen bed R., welcher vorzog, fein Loos in 
nicht großmüthiger Sieger zu geben, als fein Leben durch Aufopferung 
bi8 zu erfaufen, ift der hohen Achtung aller Zeit werth. Das Ende 
mbelannt, fo viel aber gewiß, daß er durch feine Aufopferung für das 
Baterlandes den Fehler herrlich abgebüßt hat, den er beging, als 
Härte ihn von ber Mäßigung entfernte, die nie der Sieger vergeffen 

















thabilitation, diejenige Handlung, vermöge deren einer Perfon, bie 
eh oder richterlichen Ausſpruch des Beſitzes von Gütern, Ämtern, 
ab andern Gerechtfamen für unfähig erklärt ift, diefe Fähigkeit wieder 
wid. Dies kann fowol im Wege der Gnade ald durch richterliche® Ur⸗ 
Wachen. Auch das Andenken eines Verftorbenen, eines ungerechter Weife 
n kann rehabilitirt werden, wenn 3. B. die Samilie eine Revifion des 
answirkt Dann werden auch andre Folgen, 5. B. Confiscationen zu: 


Reich hieß im Allgemeinen das deutfche Reich (f.d.). Im engern 
verkand man unter Reich den obercheinifchen, baitifchen, ſchwaͤbiſchen und 
Kreis. 
eich (Philipp Erasmus), welcher von 1756 bis an feinen Tod (3. Dec. 
meter Leipzigs berühmten Buchhändlern einen der ehrenvolliten Plaͤtze be: 
u max am 1. Dec. 1717 zu Laubady in der Wetterau, wo fein Vater, 
has, scäfl. ſolmsſcher Leibarzt war, geboren. Nachdem er aus Neigung 
handel in Frankfurt a. M. erlernt, feine Kenntniffe durch eine Gefchäfts- 
ih Lendon bereichert und einer Buchhandlung in Stodholm vorgeflanden 
We ſich durch unermüblichen Fleiß und durch Benusung achtungswer⸗ 
9%* 


182 | Reichard 


ther Bekanntſchaften, die vielſeitigſten Kenntniſſe ſeines Fachs erworben 
kam er bald, als Factor angeſtellt, in die Buchhandlung des koͤnigl. poln 
kurf. ſaͤchſ. Hofrathss, Mor. Georg Weidmann, nad) Leipzig. Der gem 
gluͤcklich ſpeculirende und thaͤtige Geiſt Reich's aͤußerte bald feinen wohlthl 
Einfluß auf dieſe damals ihrem Verfalle nahe Handlung. Die richtige. 
muthung, daß in dem damals begonnenen fiebenjähr. Kriege, bei dem wahr] 
lihen Einruͤcken franz. Hülfstruppen in Deutfchland, der Wunſch, bie 
Sprache zu erlernen, bei Vielen rege werben dürfte, bemog ihn, Peplier’ ,; 
Grammatik" für die Weidmann'ſche Handlung zu Laufen und ein Privik 
auszumirken. Diefes Unternehmen gelang ungemein. Da Reich durch A 
zeitgemäße Unternehmungen die feiner Verwaltung anvertraute Handlung & 
einigen Fahren in einen blühenden Zuftand gebracht hatte, fa wurde er 1768 
Gehalt affociirt. Vermoͤge eines Vertrags mit der einzigen Tochter bes il 
verft. Inhabers der Handlımg, follte derjenige von beiden Xheilen, welcher br 
dern überleben würde, igenthämer ber unter der Firma; M. ©. U 
mann’s Erben und Reich, zum hödften Flor gebrachten Handlung 
ben. R. ftarb, und die Weidmann’fche Tochter Eaufte feiner Witwe das 
recht und den Vorrath der Schriften Gellert’S, melche biefer feinem Freu 
in deffen eigenthümlichen Verlag gegeben hatte, für 10,000 Thir. ab. Zur! 
lichen Betreibung feines Gefchäfts unterhielt R. mit den namhafteften 
ten eine forttwährende Verbindung. Cr vereinigte daher zu einer Abel 
fchaft wöchentlich ein Malin feiner Wohnung bie erften Gelehrten und 
Leipzig, einen Ernefti, Weiße, Zolliofer, Blankenburg, Platner, 
Geh. Krieger. Müller, Kapp, Dörrien, Rofenmüller, Defer u. A. Dat 
Kath und die Verwendung diefer Männer bekam er viele ausgezeichnete TE 
Verlag. Den um die Weidmann’fche Handlung verdienten Männern 
tungswuͤrdigen Gelehrten gab er oft thätige Beweiſe feiner Dankbarkeit. 
Bd. von Lavater’s „Phyſiogn. Sragmenten‘ findet ſich fein Bild, feine 
ſtochene Handfrift und eine Beurtheilung feines Charaktere. 
Reichard (Heinrich Auguft Dttokar), herzogl. fachfen = gothaf 
tector des Kriegscollegiums, Geh. Kriegsrath, Ritter des koͤnigl. fäcf. Wem 
ordens und Mitglied vieler gelehrten Gefelifchaften, geb zu Gotha den 3- 
1751, verlor in der Kindheit feinen Vater, ein Verluſt, welcher ihm det 
zweite Verheirathung der trefflichen Mutter mit dem Geh. Regierungsratig 
loff erfegt wurde. Durch Privatunterricht vorbereitet, bezog R. die Unive@! 
Goͤttingen, Leipzig und Jena, um ſich der juriftifchen Laufbahn zu widmen. 
in daß väterliche Haus zurückgekehrt, wurde er von der damals in Gotha A 
tenden Liebe zur Kiteratur ergriffen, und neigte ſich mehr zu den Studien «il 
ſchriftſtelleriſchen Befchäftigungen als zu dem Gefchäftsieben hin. Gotte 
Ktüpfel wurden feine Führer. Er trat mit Gluͤck als Dichter in den 
nahen und als Mitarbeiter an den beliebteften Zeitfchriften auf. Die Vei 
der Seyler’fchen Schaufpielergefeufchaft nad Gotha und die nähere Belatm 
mit Eckhof, Brandes, Bd, Kody und mit der Seyler’fchen Familie gab 
ner Thaͤtigkeit die Richtung für das Theaterweſen, welches feine Berufl 
wurde, als, nad) feinem Plane, der Herzog Ernſt ein Hoftheater errichtt 
R. zum erſten Director deffelben ernannte. Mit diefem Amte war, nad 
Wunſche, zugleid) eine Anftellung bei der Öffentlichen Bibliothek und die 
über die Privatbibliothef des Herzogs verbunden. Nicht allein mehre 4 
die fich längere Zeit auf der Bühne hielten, gingen größtentheild nad) and 
















ital. Vorbildern aus feiner Feder hervor, auch den erflen beutfchen The 
den Gothaer, und das „Theaterjournal“ (noch immer wichtig für die G 
des deutſchen Theaters) verdankt ihm die Literatur. Auch gehört R. mit zu be 


üfte er Deutſchland, die Schweiz, Italien und. Frankrelch; biefen 
wolen wir R.’$ allgemein verbreitete Reifebächer: feinen „Guide des 
%, £ Paflagier auf Reifen“, in zahlteichen Aufl, f. „Rleinen Rei: 
m, u.a.m. Als Schriftſteller im Felde der Politik lieh fich R. beim 
ver franz. Mevolution nicht durch die glänzenden Seiten derfelben ver- 
Er zog fich befonbers durch ſ. „Revolutionsalmanadye” manchen bos ⸗ 
iff zu; allein er blieb feinem Syſteme treu, vertheibigte die Seftehende ö 
2 Dinge, ihre Entwickelumg ohne gewaltfame Sprünge und die Fuͤr⸗ 
Auch von Herzog Ernſis beiden Söhnen und Regierungsfolgern, 
ı Seiedrich, wurde R. gefchägt und in mancherlei Verhältniffen des 
a gebraucht. Der neue Regent Gothas bewies ebenfalls feine Ach⸗ 
krbigen Veteran unferer Literatur, deffen reichhaltiges Schriftenver⸗ 
Reufel’6 Gelehrtem Deutfchland”' nachzufehen ift. 
harbt (Johann Friedrich), Componift und mufitalifcher Theoreti⸗ 
Sönigsberg 1751. Ex ließ ſich ſchon in feinem 10.3. im noͤrdlichen 
rauf der Geige und dem Pianoforte hören. Geine Lehrer auf biefen 
m waren aus ber Benda ſchen und Bach'ſchen Schule. Allein R. 
bloß Muſiker im eigentlichen Sinne des Worts fein, fondern feine 
en durch eine umfaffendere Geiftesbilbung übertreffen. Er ſtudirte 
z Univerfität zu Königsberg unter der Leitung Kant's, 1769 u. 1770, 
—— — 72, ducchreifte Deutfchland 1773 und 1774 (über 
shaft in Hamburg, wo er mit Klopſtock, Claudius, Bach u. A. um- 
ke Ve fee viel Intereſſantes in ber „Reipz. mufifal. Zeitung”, 1814, 
fehrte dann nach Preußen zuruͤck, wo er zuerft als Secretait der Ede 
Fr angeſtellt wurde. «Hierauf betrat er feine größere muſika⸗ 
Friedrich d. Gr. naͤmlich lieg ihn zu Ende 1775 an Graun’s 
Pe die ifat. Oper nach Berlin berufen. Cr arbeitete für 
w Gattung Braun’6 und..Haffe’s, und errichtete in Berlin ein Con⸗ 
bemsfeiben bie hier noch nicht befannten Bauptwerke der Staliener aufs 


184 Ä Reichardt 


deffelben und zog die größten Künftler nad) Berlin, wodurch das borti 
cheſter bald zu einem ber erften in Deutfchland wurde. Die ital. Oper 
Hauptvergnügen des Hofes. R. componirte für diefelbe die Opern „Mi 
meda”, den erften Act von „Protesilao”, ferner die großen Opern „ 
„Olimpiade” in einem Style, in welchem er bie theatralifche Wirkung Wh 
Mahrheit in der Declamation eines Gluck mit der Schönheit und dem R 
des ital. Geſanges und mit der gründlichen Arbeit der Deutfchen zu 
firebte. Auch für das Nationaltheater fchrieb er mehre komiſche Opern 
lodramen. 1790 machte er feine zweite Reife nach Stalien, um die heilige 
in Rom zuzubringen und Sänger und Sängerinnen aufzufuchen. 
ſchwerlichkeiten diefer Reife verurfachten ihm eine Krankheit, welche ihn % 
derte, feine Oper „Olimpiade‘, die für den Anfang bes Carnevals beftinil 
zu vollenden. Mißverftändniffe und übelwollen erzeugten ihm bei diefer & 
heit fo vielen Verdruß, daß er um feinen Abfchied anhielt. Der König 1 
gerte ihm denfelben, erlaubte ihm jedoch, mit Beibehaltung feines Gehattll 
Fahre auf einem Landfige bei Halle (Giebichenftein) zuzubringen. Defi 
achtet ließ er ihn noch in demfelben Jahre zuruͤckkommen, um bei den F 
ten der Bermählung feiner beiden Prinzeffinnen mit dem Herzog von 
dem Prinzen von Dranien die Oper „ Olympia” aufzuführen. Nach B 
diefer Seierlichkeiten zog fih R. wieder auf feinen Landfig zuruͤck und fi 
Gompofition einer andern ital. Oper für das nächfte Carneval aus. 1792 
er feine dritte Reife nad) Paris, und gab nach feiner Zuruͤckkunft die all 
leſenen „DVertrauten Briefe, gefchrieben auf einer Reife nach Frankreich 
(in 2 Bon.) heraus. Diefe Schrift brachte-ihn in den Verdacht, ein Freum 
franz. Revolution zu fein, weßhalb er von dem König feine Entlaffung 
Er zog fid) 1794 nad) Hamburg zurüd, mo ec fein Journal „Frankreich“ 
gab, und Eaufte fi in Holftein ein Landgut. Allein nody zu Ende deſſ. 
er zuruͤckkberufen und durch bie Stelle eines koͤnigl. Salinendirectors in GR 
ſchaͤdigt, in deffen Nähe er feinen freundlichen Landſitz wieder einnahm. 
1797 Friedrich Wilhelm IT. ftarb, blieb er nicht nur in dieſer Stelle, fondei 
auch durch Friedrich Wilhelm III. von neuem für die ital. Oper und das I 
naltheater befchäftigt. Am Krönungstage deffelben führte er feine Comp 
von Gotter's „Geiſterinſel““ auf, eins feiner beften Werte. 1798 comp 
er feine ital. Oper „Rosmunda“, für welche ihm der König ein Gefchenm 
1500 Thlrn. und eine Erhöhung feiner Einkünfte von 800 Thlen. beufl 
1799 warb feine Oper „„Brenno‘ wiederholt. 1800 componirte er die 
Friedrichs d. Gr. zur Feier feines Geburtstags, fowie zum Jubildum der 3 
mie der Wiffenfch., und führte „Zamerlan” deutich auf; 1801 Kotzebue's 
„Der bezauberte Wald” fir die Eröffnung des neugebauten Nationalthe 
und mehre Stüde zu den „Kreuzfahrern“ deffelben Dichters; für daffelbe T 
die Inftrumental= und Gefangsftüde zu Goͤthe's „Egmont“, und deffelben 
* Schweizeroper „Jery und Bäthely”. Auch machte er den erften Verſuch 
Vaudeville auf daB deutfche Theater zu vernflanzen. Da aber die Deutſch 
fatyrifche und epigrammifche Gefänge auf dem Theater nicht gewöhnt fin 
wählte er zu feinem DVerfuche einen fentimentalen Stoff aus der franz. R 
tion, um zugleich feine beliebteften Melodien Göthe’fcher und andrer Liebe 
einzuflechten, und nannte das Ganze ein Fiederfpiel, den er den Titel „Liek 
Treue” gab. Es wurde mit vielem Beifall aufgenommen, um fo mehr, d 
R. auch das Werdienft des Dichters hatte. Um auch Volks⸗ und Trink 
welche die Deutfchen beſitzen und lieben, benugen zu koͤnnen, ſchrieb er daß | 
fpiel „Juchhei“; ein drittes, der Gattung nad) dem erften ähnlich, nam 
„Runft und Liebe". Beide gefielen weniger. 1803 machte er feine vierte 






5) 












Keichardt 195 


teich, wo er uͤberall wohl aufgenommen und zum correfp. Mitgliede des 
mannt wurde. Mach feiner Ruͤckkehr gab er wieder „Vertraute Briefe, 
geihrirben 1802 und 1803” (in 3 Bdn.; 2. Aufl, Hamburg 1805) 
sch iſt R. Verf. der Schrift „Napoleon Bonaparte und das franz. Volt 
n Conſulate“, deffen Grundzüge er mit feinem Freunde Schlabrendorf 
hatte, ſowie einiger andern. Als 1806 die Franzoſen nad) Halle vors 
tließ R. feinen Wohnplag und hielt fi) ein ganzes Fahr in Danzig, 
md Memel auf. Nach dem Frieden von Tilfit rief der neue König 
len alle feine in den eroberten Provinzen anfäffigen Unterthanen bei 
Finziehung ihrer Güter zuruͤck; dadurch fah ſich auch R. genöthigt, 
wrüdzutehren. Da er aber feine Stelle ald Salinendirector eingezo: 
undete er ſich nach Kaffel und wurde von-dem König von Weftfalen 
pr des franz. und deutfchen Theaters in Kaffel, mit 9000 Sr. Gehalt, 
Yier fchrieb er mehre Divertiffements bei Gelegenheit der Hoffeierlich- 
eeine Eleine franz. Oper: „L’heureux naufrage”. Gegen Ende 1808 
h Wien, um einige Sänger für die Opera buffa zu fuchen, welche 
tdeutfchen Dper vereinigen wollte. . Bei diefer Gelegenheit ließ er fich 
dungen in Betreff eines ehrenvollen Platzes ein, welchen die Theater⸗ 
m antrug; fie zerfchlugen ſich jedod, und R. zog fid) abermals auf 
fit nach Giebichenftein zuruͤck. Hier ſchrieb er die anziehenden und viel⸗ 
Briefe über Wien’ und flach den 27. Suni 1814. — R.'s Muſik ift 
tzeugniß des mufilalifchen Genies, fondern der Bildung und des Stu- 
raus ging audy fein Streben nach Charaktermuſik und einfacher Größe 
kei ihm Gluck als ftetes Mufter vorfchwebte; ein Streben, welches 
m Itiumph (3.3. in der meifterhaften Herenmufit zu „Macbeth”, 
tgenug bekannt geworden ift [f. „Berl. muſik. Zeitung”, 1824, Nr. 
der „Geiſterinſel“) und eine große Metfterfchaft in der mufikalifchen 
n erwarb; ihn aber auch ebenfo oft zu Trockenheit, Steifheit und 
‚ wie im „Brennus“, den er für eine feiner beften Compofitionen hielt. 
gelang ihm jeboch das Schwerfte am beiten; dies zeigen feine Compo⸗ 
Goͤthe's Liedern, an deren andeutungsvoller Naivetät weit genialere 
wald R. fcheiterten, die er aber größtentheils mit eigenthuͤmlicher Leich- 
te und im einfach fchönen Melodien ausdrüdte. Viele derfelben ge: 
‚wie Goͤthe's Lieder felbft, erft nad mehrmaligem Wiederholen recht 
æ Begleitung ift er aber nicht immer mannigfaltig und unterhaltend ge: 
Kiopftod’8 und Herder's Liedern zeigt er ſich öfters nur als trockenen 
5 auch gelangen ihm Schiller's Gedichte wenig. Die meiften feiner 
Mitionen und Snfteumentalftüde hat er bis 1792, befonders aber in 
? Fahren herausgegeben. Seinem praftifchen Zalent in der Mufit 
eoretiſches ziemlich gleich, nur daß er hier weniger einfeitig war. Auch 
bloß Theoretiker in dem Mechanifchen der Tonkunſt, fondern geiftvol- 
Ber und Kritiker in dem hauptfächlic, von Muſikern fo felten betretenen 
Überifchen ihrer Kunft. Dies zeigen feine vielen mufikalifchen Abhand⸗ 
rakteriſtiken und Kritiken, unter a. in feiner zu Berlin herausgege⸗ 
Hal. Zeitung” (3 Thle, 1805 fg.); beſonders ſpricht er trefflich über 
Behandlung der Texte. Überhaupt war R. ein fehr geiftvoller Mann 
Beobachter, gewandt und migig im Umgange, aber ebenfo eitel und 
Dies zog ihm mandye Unannehmlichkeiten zu. Seine erfte Frau, Ju⸗ 
edt, geb. 1752 zu Berlin, Tochter des berühmten Franz Benda, war 
ten Sängerinnen der damaligen Zeit und auch Componiftin. Sie 
wer Verbindung mit R. (1779) ihr Talent immer vollflommener aus, 
‚der Mitte ihrer herrlichen Laufbahn 1783. Unter Rs Toͤchtern iſt 


136 Reiche der Natur Reichenbach (Eongr. u. Vertr. 


Louiſe R. als Liedercomponiſtin ebenfalls ausgezeichnet. Sie lebte ſeit 
in Hamburg vom Geſangunterricht und ſtarb 1826. 

Reiche der Natur. Die Gegenſtaͤnde der Sinnenwelt find u 
Naturforſchern in zwei große Hauptclaffen getheilt worden, nämlich in folı 
durch ihre Gattung erzeugt werben (organifche), und in folche, bie durch bloß 
Anfegung entftehen und ſich vergrößern (unorganifche). Da aber unter den 
die bedeutende Verfchiedenheit eintritt, daB es zum Theil lebendige, zum 
nicht lebendige Geſchoͤpfe ſind, ſo hat man die Claſſe der organiſchen Weſen 
in zwei Haupttheile getheilt, und ſo ſind drei große Abtheilungen entſtand 
man Reiche der Natur nennt. 1) Das Thierreich, unter dem die Geſchoͤ 
dem Menfchen bis zum geringften Wurm begriffen werden; 2) das Pflanyı 
das die ganze Pflanzenwelt enthält ; 3) das Steins oder Mineralreich, : 
alle unorganifche, und enthält, wie bekannt, alle die irdifchen Körper, die 1 
neres £eben haben. (Vgl. Naturgefhichte) Wegen ber gegen biefe ( 
lung erhobenen mannigfachen Einwendungen f. Blumenbach's ‚„Danbb. d 
turgefch.”, Einleitung. 

Reihenbad (Gongreß umd Verträge zu). Über ben Gongte 
. 1790 in diefer Eönigl. preuß. Kreisftabt (im Bezirke Breslau mit 4000 | 
gehalten, und über die berühmte reichenbacher Convention vom 27. Jul, 
die dafelbft zwifchen Öftreich und Preußen abgefchloffen wurbe, f. Cong 
Sn der neueften Zeit ift diefe Stadt dırcch bie wichtigen Verhandlungen nu 

33. geworden, welche hier im Hauptquartiere des Kaiſers von Rußland u 
nigs von Preußen, während des Waffenſtillſtandes im Juni 1813, zı 
den Staatsminiftern dieſer Monarchen und ben britifchen Gefanbten, Sort 
cart und Charles Stuart, flattgefunden haben. In Folge berfelben ward | 
am 14. und 15. Juni 1813 ein zweifacher Subfidienvertrag abgefchloffe 
mittelbar die Abbrechung ber Sriedensunterhandlungen in Prag berbd 
Durch dem erſten, welchen Sir Charles ini Namen Großbritanniens J 
maligen preuß. Staatskanzler, v. Hardenberg, unterzeichnete, machte 
Macht verbindlich, dem Koͤnige von Preußen fuͤr die Unterhaltung eines 
von 80,000 M., auf bie legten 6 Monate 1813, eine Subfibie von 6£ 
Pf. St. auszuzablen. In einem befondern geheimen Artikel übernahm noch 
britannien die Verpflichtung, zu Vergrößerung Preußens mitzumicken, 
die Erfolge der verbündeten Waffen dies erlaubten, und zwar nad) ſolchen 
phifchen und flatiftifchen Verhältniffen, die wenigftene denen vor dem Kri— 
1806 gleich kaͤmen. Dagegen verfprach der König von Preußen an das 
ſtenthum Hanover einen Theil der preuß. Provinzen in Niederſachſen und 
falen mit einer Volksmenge von 300,000 Menſchen, und namentlich da 
thum Dilbesheim abzutreten, welches legtere von Hanover auch ſchon am 6 
1813 in Beſitz genommen wurde. In dem zweiten Vertrage zu Reichenbac 
15. Juni 1813, den Lord Cathcart mit dem kaiſ. ruſſ. Staatsminiſter Gra 
Neſſelrode und dem Baron von Anſtett unterzeichnete, ward feſtgeſetzt,! 
Kaiſer von Rußland, außer ben Befagungen in den Seftungen, 160,000 
Felde ftets vollzählig aufftellen follte; dafür wolle Großbritannien an R 
bis zum 1. San. 1814 die Summe von’ 1,333,334 Pf. St. bezahlen un! 
dies die uff. Flotte, welche damals in den Häfen von Großbritannien la 
terhalten, eine Ausgabe, die man auf 500,000 Pf. St. ſchaͤtzte. Auch £ 
die vermittelnde Macht, fchloß um diefe Zeit eine eventuelle Allianz mit 9 
un t Preußen; doch weiß man nicht, wo, noch wenn, noch unter welch 
dingungen. Man weiß nur, daß biefer Vertrag am 27. Juli 1813 vo: 
fer von Öftreich ratificirt worden if. (Vgl. Schoͤll's „Hist, des trai 
paix”, 10. Thl., S. 257.) 


RKeichenbach (Georg v.) | Reichenberg 187 


eichenbach (Georg v.), Ritter, Director des Central: Straßen = und 
m: Bıreaus, Oberft: Berg - und Salinenrath, einer der erften mecha- 
Barftier unferer Zeit, geb. den 2%. Aug. 1772 zu Manheim, ftarb zu 
ıden 21. Mai 1826. Er wurde 1793 als Officer, 1811 als Salinen⸗ 
Zeiern angeftellt und mit dem bairiſchen Givilverdienftorden beehrt. Aus⸗ 
mit einem Erfindungsgeifte, der die Hülfsmittel zur Auffaffung großer 
men fchnell zu ſchaffen und mit einem Umblid, der das Mangelbafte 
handener Kunſtwerkzeuge für Beobachtungen und, Verſuche leicht zu 
gen vermochte, bildete er feine feltenen Anlagen durch eine Reife nad) 
nech mehr aus. Sn den mechanifcysoptifchen Anftalten, welche e in Ver: 
mit dem Geh.⸗Rath von Usfchneider und Fraunhofer zu München und 
<tbeurn (f. d.) feit 1805 errichtete, werden alle zu den größten aſtro⸗ 
umd geodätifchen Operationen nöthige Inſtrumente in einer Voll: 
nit ausgeführt, gegen die, nach dem Urtheile der Kenner, alled ans 
fee Art zeither Geleiftete weit zurüdbleibt. Die großen Ifüßigen Meri⸗ 
bie 1230Uigen Repetitionskreiſe, die Theodoliten u. f. w., die aus Dies 
Brmswürdigen Werkftätten hervorgehen, find in Einfachheit und Zweck⸗ 
der innern Einrichtung, in Schärfe und Feinheit der Theilung, fowie 
kin der ganzen Anordnung unübertreffbar. Die großen afttonomifchen 
amd Refractoren aus dem Fraunhofer'ſchen optifchen Snftitut zu Benes 
ı keingen durch die DVortrefflichkeit des Flintglafes und der ganzen Zu⸗ 
Kung bervumbernswindige Wirkungen hervor. (Vgl. Refractor.) 
ba Aguatoriale R.'s und die Heliometer Fraunhofer's befriedigen durch ih⸗ 
when Bau und ihre Vortrefflichkeit die Höchftert Erwartungen der Aſtrono⸗ 
Begnthümliches Inſtrument hat R. 1812 für den Freih. von Zach verfer⸗ 
ies eine tragbare Sternwarte genannt werden könnte, da es die beiden 
te einer Sternwarte, ein volllommenes Mittagsfernrohr nebft ei- 
ionskreiſe, noch miteinem repetirenden Zheodoliten zur Meffung der 
u fich vereinigt. — Noch hat ſich R. durch vortrefflihe medyanifche Ein⸗ 
in den baitifhen Salinen (f. Berhtesgaden und Reichen» 
ie durch feine Erfindung eiferner Bruͤcken nach einer neuen Baus: 
ie tig er eim befonberes Werk gefchrieben) ausgezeichnet. Der König 
ken bat als Kronprinz feine Büfte, von Kirchmayr ſchoͤn gearbeitet, in 
Bacheon großer Deutfchen aufgeftellt. — Die Preife Reichenbady’fcher 
mahofer’fcher Inſtrumente find billiger und niedriger als die ber engl. 








sihenberg, die größte Provinzialftabt des Königreichs Böhmen und 
ktyunft einer der gemwerbfleifigften und volkreichften Gegenden der öftr. 
We, liegt im bunzlauer Kreife, in einem romantifchen Thale, am Fuße des 
berges. Sie wird von der Meiffe durchſtroͤmt, befteht aus ber Altftabt, 
tund Chriſtianſtadt, zählt 1400 H. und über 12,800 Einw., und ift der 
eder Herrſchaft gl. N. Ihr Befiger und Schußherr, der unter Böhmens 
ueclaͤndiſch werkthätigen Männern mit hoher Achtung genannte Graf 
ıven Slam Gallas (k. k. Geh. Rath, Ritter des oͤſtr. St.-Leopold8 =, des 
Bt. : Stephan: und Großkreuz des Eönigl. ſaͤchſ. Civilverdienftordene), 
herdem noch die Herrſchaften Friedland (Wallenſtein's Sig, ſ. Fried⸗ 
Stafenftein, Lemberg u.a.m. Die Stadt Reichenberg hat 3 Kirchen, 
8, ſchoͤn gebautes Normalſchulgebaͤude und 2 Schlöffer, das alte und 
&, in welchen fid) das Oberjuflizamt, das MWirthfchafts:, Kent = und 
tkefinden, und an welche ein ſchoͤner Gartenpark anftößt. Auf dem gut ges 
md mohl eingerichteten Theater werden zumeilen von einem an Kunflmits 
dm Dilettantenvereine Borftelungen für wohlthätige Zwecke, befonderg 


188 — Reichenhall 


für ein zu errichtenbes allgemeine® Krankenhaus, gegeben. Auch ift zu eiı 
diefe gewerbreiche Gegend ſehr nothwendigen Nealfchule der Plan entworf 
von Hubertus Thiel ein Lehrerbefoldungsfonds von 24,000 Ft. geftiftet ı 
— Der gebirgige, meift Eiefige Boden der Umgegend von Meichenberg, 
kannter $undort von edeln und halbedeln Steinen, bringt nicht die nöthi 
bensmittel für feine Bewohner hervor. Diefen Mangel erfegen Kunft = u 
werbfleiß. Am Ende des 16. Sahrh. fiedelten fich vier fremde Tuchmacher 
chenberg an, und fchon 1632 beftand hier eine zahlreihe Tuchmacherzun 
Albrecht von Watdftein, Herzog von Friedland (Mallenftein), viele Begür 
gen zugeftand. Doc, erft feit dem Anfange des 18. Jahrh. verbreiteten | 
Hanbelöverbindungen uͤber Böhmens Grenzen immer weiter, ſodaß gege 
‚ teichenbacher Tuch nicht nur in alle Provinzen der oͤſtr. Monardjie, fonde 
in die übrigen deutſchen Länder, nad Rußland, Sstalien, in die Schw 
Türkei und die Levante gefandt wird. Ungefähr 900 Tuchmadhermeifter ı 
gen jährlich über 100,000 Stüd (dad Stud zu 36 Ellen oder 18 parife 
in allen Sorten und Farben. Dadurch werden in Neichenberg 12 große | 
färbereien, 8 große Tuchwalken und 26 große Spinnereien, ohne die viel 
neen zu zählen, befchäftigt. Nächft der Fuchfabrikation ift die Leinen - und ! 
wollenweberet, ſowie die Strumpfwirkerzunft wichtig. Reichenberg zaͤhl 
faͤhr 400 Leinweber⸗ und 300 Strumpfwirkermeiſter; auch befinden ſich 
4 große Baumwollſpinnmanufacturen. In der umliegenden Gegend leber 
tauſend Weber, für welche Reichenberg der Haupteinkaufsort iſt. Dadurch e 
38 volkreiche Dörfer im nächften Umkreis Arbeit und Wohlftand. Nicht mis 
werbfleißig ift die weitere Umgebung. So liegteine Meilevon der Stadt der) 
Gablenz, wo eine Granatenfchleiferei fidy befindet, und wo, fowie in den 1 
Gebirgsortfchaften, ſchoͤnes Glas von den verfdyiedenften Formen und Karl 
fertigt wird, das feiner kunſtvollen Schleiferei wegen nach allen Theilen der N 
führt wird. In der an Reichenberg angrenzenden Herrfchaft Friedland ift in: 
Tuch⸗, Linnen⸗ und Baummollenmanufactur einheimifch. Der Verkehr 
feinen Umgebungen ift daher durd) taufend Faͤden mit dem Weltverkehr verſch 
Das der Meifende hier, mie m andern böhmifchen Gemwerborten, Bildung, 9 
fahrung und die alte deutfche feine Häusliche Zucht antrifft, darf nicht erft e 
werden, fo wenig, al& daß ihn hier ein ſehr kunſtfertiges Muſikchor überraft 
Reichenhall, Landgericht und Stadt (2400 Einw.) im Sfarkre 
Könige. Baiern, in einer wilbromantifchen Gegend, am linken Ufer der 
welche ſich nordweſtlich von Salzburg in die Salze ergießt, ift geroiffe 
der Concentrationspunft für die 4 großen, durch die riefenhaften Sooler 
gen mit einander verbundenen bairifchen Salinen. Es werden naͤmlich nid 
Zeaunftein und Rofenheim von hier aus mit Soole verforgt, ſowie Bercht 
feinen Überfluß hierher gbſetzt, um in Verbindung mit ber reihenhaller Qu 
hier und zu Zraunftein und Rofenheim verfotten zu werben, fondern es fin 
zu Reichenhall alle die (größtentheils von dem verft. Ritter von Reichenbad 
legten) Mafchinenwerkftätten vorhanden, welche die fämmtlichen Salinen 
nem großen Theil der erfoderlihen Betriebsbebürfniffe verfehen. Die Ältef 
kunden von der Saline zu Reichenhall reichen bis ins 8. Jahrh. Da aber ı 
nem fo lange fortgefegten Holzverbrauche unmöglich alle Salzſoole an O 
Stelle verfotten werben Eonnte, ohne Dolsmangel in der Gegend zu verui 
fo wurde ſchon 1618 fg. eine hoͤchſt Eunftreiche Soolenleitung von Reichenhe 
Traunftein, mittelft Drudwerke, über eine 828 Fuß in fenfrechter Linie 
gende Höhe und in eine Entfernung von 8 geometr. Stunden, durch den bi 
ten Hofbaumeifter Reifenftuhl ausgeführt. ine Ähnliche Soolen 
nnd, dem holzreihen Nofenheim am Inn wurde 1809 in eine Entfernu 


Reichsabſchied Reichsarmee 189 


h. Stunden von dem Ritter v. Reichenbach binnen 20 Monaten, 
zablloſer Hinderniſſe aller Art, ausgefuͤhrt, ſodaß jetzt alle ſalzhaltige 
seiche man früher wegen Holzmangels unbenutzt ablaufen ließ, verſotten 
am. Ebenſo kunſtreich ward durch Reichenbach 1817 die Verbindung 
m zu R., Traunſtein und Roſenheim mit den Salzbergwerken von 
jgaden(ſ. d.) bewirkt. Obgleich der Ferdinandsberg zu Berchtesgaden 
oͤber liegt als R. fo mußte die Soole doch wegen der Gebirgszuͤge zwi⸗ 
ı Orten ducch eine Waffertunft und durch zwei Wafferfäulenmafchinen 
Fuß echoben werden, um wieder 1740 Fuß bis R. fallen zu Eönnen. 
mm Strede ift eine theild bededite, theils offene Roͤhrenleitung von 
0 Fuß Länge, theild aus Eifen, theils aus Holz, erfoderlich geweſen. 
ser Wafferfäulenmafchinen, nad) einem neuen Princip vom Hrn. dv. 
yconftruirt, loͤſt eine bisher noch nicht verfuchte Aufgabe der Hydraus 
fie die gefättigte Soole vermittelft eines Druckwerks auf eine ſenk⸗ 
den1218 Zus emporhebt. Durch eine ſinnreiche Kolbenverbindung 
Naſchine einer Über ihr ftehenden Mühle das zur Verlängerung der 
entzogene Auffchlagewaffer wieder zurüd. 
hsabſchied, f. Deutfhes Reid. 
hsacht, f. Acht. M 
qsaͤmter, f. Er;. 
hsarmee und deutfhes Bundesheer. Das den germas 
em eigne Lehnsfyftem führte eine dem Alterthum fremde Art von 
Mung im Mittelalter ein, der zufolge der Lehnsmann mit feinen Leu⸗ 
beiheren Kriegsdienfte leiften mußte. Heerbann, Heribann ward es ges 
mbder Kaifer die Auffoderung dazu erließ. (Vgl. Lehnsweſen.) Die: 
mded Mittelalters hieß in der neuen Zeit Reiichſarmee. (S. Contin⸗ 
Weed Heer, welches zum Theil immer erſt aufgeboten wurde, wenn das 
es gerieth, war bald nicht mehr hinreichend, und wenngleich das 
in einigen Kriegen des vergangenen Jahrh. das doppelte Quantum 
ee ftellte, ja fogar drei Mal das Dreifache zufammenzog, fo mar 
mer eine dem $einde nicht ſonderliche Achtung einflößende Heermaffe, 
Baus zu vielen einzelnen Theilen beftand, theils aus faft ganz ungeuͤb⸗ 
id bewaffneter Mannſchaft zufammengerafft war, und diefer Mängel 
!darın einiges Gewicht erhielt, wenn fie, angefchloffen an irgend eines 
fen ſtehendes und wohlgeuͤbtes Heer, mit und unter diefem gebraucht 
u franz. Revolutionsfriege wurde das Reichsheer bis auf das Fünffache 
M., vermehrt, die Wirkſamkeit beffelben aber durch die angegebenen 
RM gaͤnzlich vernichtet, wozu noch kam, daß durch die Separatfriedens- 
ker deutſchen Kürften mit Frankreich — als Preußen, Deffen, Baden 
ee Maſſe des Meichheeres große geübte Contingente entzogen wurden. 
‚das manche Neichsftände, ftatt Truppen zu fhiden, ihre Leiftungen 
machten; auch kamen die, welche nody ihr Contingent ftellten, mand): 
zu fpät, oder erfchienen wol gar nur mit einem Theile deffelben. Das 
befehligten 2 Generalfeldmarſchaͤlle, 2 Generalfeldzeugmeiiter, 2 Ge⸗ 
Bevalerie und 2 Generalfelomarfchallieutenants; von diefen Befehls⸗ 
he ftetö der eine Eatholifcher, der andre proteftantifcher Gonfeffion fein. 
eſtreitung der allgemeinen Koften für die Reichsarmee erfoderliche Geld 
der Meichsoperationscaffe gezahlt, die aus den nach Nömermonaten 
ches Reich) beftinnmten Beiträgen der einzelnen Fürften und Stände 
d unterhalten ward. Die beiden Neichsfeftungen, Philippsburg und 
Yen ansfchliefend von Zruppen des Reichheeres befegt. — Das 
Bundesheer fol nach dem Entwurfe von 1818, 300,000 M. \tart 


140 Reihsdeputatiin Keichsfuß 


fein und in 10 Armeecorps getheilt werben. Das 1.,2. und 3. Cor 
M., ftelit Oſtreich; das 4., 5. und 6., 79,234 M., Preußen; das 

M., Balern. Zu dem 8. ftellen das Königreich Wuͤrtemberg 13,95: 
den 10,000 M., Großherzogthum Heffen 6195 M., Hohenzollern 
145 M., Hohenzollern : Sigmaringen 356 M., Lichtenftein 55 DV 
Domburg 200 M. und Frankfurt 479 M. Zu dem 9. Corps ftellen 
reih Sachſen 12,000 M., Kurhefien 5400 M., Naffau 3028 9 
burg 2141 M., Reuß Ältere Linie 223M., Neuß jüngere Linie 52: 
Weimar 2010 M., S.Gotha 1857 M., S.:Koburg OOM., t 
gen 544 M., S.-Hildburghaufen 297 M., Schwarzburg-Rubolftad 
SchwarzburgsSondershaufen 451 M., Anhalt:Deffaun 529 M., Aı 
burg 370 M., Anhalt:Köthen 325 M. Zum 10. Corps ftellen Danı 
M., Braunfhweig 2096 M., Holftein und Lauenburg 3600 M., 
2178 M., Walde 5IIM., Hamburg 1298 M., Lübed 497 M 
485 M., Lippe-Detmold 691 M., Schaumburgsfippe 240 M., V 
Schwerin 3580 M. und Mecklenburg⸗Strelitz 718 M. Bei diefem 2 
ift als Mapftab jedes Contingents 1 vom 100 der Volksmenge ar 
Übrigens halten die Bundesftaaten eine Landwehr oder Reſerve, nad) 
ftabe zu + vom 100 ber Bevölkerung. (S. Bundesfeftungen.) 

Reichsdeputation mar eine Auswahl von Reicheftänden, 
Kaifer und Reich gewiſſe Gefchäfte übertragen wurden. Zu den ordent 
ten alle Kurfürften, 15 Reichefürften, 1 Prälat, 2 Reichsgrafen ımt 
orbneten von 6 Reichsftäbten zufammenkommen. Die erfte ordentliche | 
die legte 1655 — 62 ftatt. — Die auferordentlihhen Reichsdeputatio 
nad) den Umftänden bes Falles doch immer zur Hälfte aus ben Fathı 
Hälfte aus den evangelifchen Ständen, aus ben 3 Reichscollegien ger 
arbeiteten ohne Abtheilung in Collegien unter Vorfig von Kurmainz 
ihre Schlüffe (Deputationsabfchieb) nach Mehrheit der Stimmen ab, 
Religionsfpaltung (itio in partes) eintrat. Eins der wichtigften Dep 
ſchaͤfte war bie Vifitation des Reichskammergerichts; aber bie legte d 
Deputation ging 1775 unverrichteter Sache auseinander. Die legte a 
liche Reichsdeputation war bie in Folge des luneviller Friedens vom 9. | 
unterm 24. Aug. 1802 zu Regensburg niebergefegte, welche die Vert 
fecularifirten geiftlihen Länder und der Reichsſtaͤdte, oder die Entfd 
und andre damit verwandte Sachen zu beforgen hatte. Der von ihr 
Mechtöbeputationshauptfchluß vom 25. Febr. 1803 iſt in der deutfchen | 
in verfchiedenen Punkten beftätigt worden. 

Reichsfürſten, Mitglieder des Fuͤrſtenſtandes im beutfd 
Diefe Würde konnte früher nur durch den wirklichen Befig eines Reicht 
tes, eines Herzogtums oder höhern Grafenamtes, des Pfalzgrafen, | 
Markgrafen, auch einiger Burggrafen erworben worden. Erft nad 
Zeiten verliehen die Kaifer diefe Würde, felbft als bloßen Titel ohne 
und als die Ernennungen im breißigjähr. Kriege noch häufiger und auch 
(die Portia, Piccolomini u. 4.) dazu erhoben wurden, entfland der | 
1) zwifhen Zitularreihsfürften, deren Zahl nach und nach ji: 
wurbe, da aud) in Polen, Rußland, Stalien, der Schweiz, den dftr. 
viele weltliche Häufer und Prälaten diefe Würde erhielten, und w 
Reihsfürften mit Sig und Stimme im Reichfürftenrathe, und 
lihen Häufern, welche vor 1580 die fürftt. Würde befaßen, und neı 
welche folche erft nad) diefem Jahre erhalten hatten. 

Reichsfuß, der 1690 angenommene leipziger Muͤnzfuß, na 
die feine Mark Silber zu 12 Thlr. oder 18 FI. ausgemünzt werben 


Reichsgeſetze Reichsſtadt 141 


algemeiner deutſcher Reichsfuß anerkannt, um darnach ben Werth der 
then Landen geprägten Münzen zu fjägen. (S. Muͤnzf uß.) 
—5 feße, geſetzliche Beſtimmungen von den auf einem Reichstage 
eichsſtaͤnden, mit Einſtimmung aller drei Reichscollegien (in ei⸗ 
nach Mehrheit der Stimmen) entworfen und vom Kaiſer ratificirt. 
I murden die Echlüffe jedes Reichſtags in ein Ganzes, den Reichsab⸗ 
bſchie d) zufammengefaßt; feit 1663, wo der Reichstag beftändig vers 
leb, konnte fein Abfchied mehr gemacht werden, und auch eine oft ange⸗ 
He Sammlung ber Reichsſchluͤſſe kam nicht zu Stande. Die Reiche: 
m für die Landesherrn verbindlich, ließen ihnen aber gewöhnlich bie 
noeichende Landesgeſetze zu machen. Doch hatten, mo nicht Landesgeſetze 
den, die Meichögefege überall in Deutfchland gefegliches Anfehen. 
geſetze betrachtete man vorzüglich die goldene Bulle Karls IV. von 1356, 
zitulation, obgleich folche von den Kurfürften allein ausging, und den 
aftieden vom 24. Oct. 1648. 37. 
hshofrath, eins der beiden hoͤchſten Reichsgerichte, welches in einer 
Form in® Leben trat, als die Stände dem Kaifer 1495 das Reichs⸗ 
icht abgenoͤthigt hatten. Der Kaifer hatte nach wie vor einige Männer 
Hofe, weldye zu Bearbeitung aller dahin gelangenden Sachen, fowol 
Heil. Erblanden als aus dem Reiche, gebraucht wurden. Auf die Er: 
nfelben geftattete der Kaiſer den Reichsſtaͤnden natürlich nicht ben Ein⸗ 
un fie bei dem Rammergerichte hatten. Da auch Juſtizſachen bei bem 
senmen wurben, fo führten die Stände feit 1502 dagegen zwar häufige 
en, erlangten aber nur, daß dies Collegium eine beſtimmtere Verfaſ⸗ 
m, vorzuͤglich durch die Reichshofrathsordnungen von 1559 und von 
biim weftfätifchen Frieden wurbe es als zweites, dem Kammergericht 
des oberfted Reichsgericht anerkannt. Es beſtand aus einem Praͤ⸗ 
räfidenten und 18 Näthen, davon ein Theil wenigftens aus dem 
en werben follte, und mworunter 6 evangelifche fein mußten, uͤbri⸗ 
Kaiſer emannt und befoldet; die Stimmen diefer evangel. Reiches 
en, wenn fie fämmtlich auf eine Meinung trafen, von den übrigen 
kmmt werden, fodaß alfo auch hier eine fingirte Religionsparität ein- 
Kaͤthe theilten fich in eine Grafen: und Herrenbant und eine gelehrte 
gen mit gleichen Rechten, nur daß die Gelehrten (die gewöhnlich in 
me erhoben wurden) mehr Befoldung hatten. Auch der von Kurmainz 
Reicyspicefanzier hatte im Reichshofrath Sig und Stimme nady dem 
2. Der Reichshofrath war nicht nur oberſtes Reichsgericht, ſodaß es 
hl ber Parteien abhing, wohin fie ihre Nechtöfachen bringen mollten, 
ch einziges oberſtes Megierungscollegium des Reichs, daher Lehnsſa⸗ 
inalfachen über Unmittelbare und Reichsregierungsſachen allein an ben 
. gehörten. Die Appellationsprivilegien der Stände galten in Anfehung 
ben auch bei dem Reich&hofrathe. Mit dem Tode eines Kaifers hörte 
befrat auf und wurde vom neuen Kaifer ganz neu beftellt. In der 
k mußten die Reihsvicarien (f.d.) Vicariatshofgerichte beitellen, 
bem Anfang der kaiſerl. Regierung wieder aufhörten. Das Archiv des 
sche, welches erft 1740 von ben oͤſtr. Hausfachen getrennt wurbe, ift 
37. 


hstammergericht, f. Kammer. 

Höritterfhaft, f. Deutthre Reid. 

chsſtadit war im deutſchen Reiche eine Stadt, die unmittelbar unter 
eftand, die Lanbeshoheit in ihrem Gebiete und Sig und Stimme auf 
Grage hatte, Einige deutfche Städte erlangten naͤmlich die Reicdyaun- 


142 Reichſtadt Reif 


mittelbarkeit durch Loskaufung von ihren Oberherren, durch kaiſe 
oder durch Gewalt, heſonders zu den Zeiten des Interregnums, 
der Landeshoheit der Fuͤrſten losmachten und zur Reichsunmittelb 
viele verloren aber auch ihre Unmittelbarkeit wieder. Sm weſtfaͤ 
vourde ihnen diefe Freiheit und fo auch Sig und Stimme auf de 
Kreistagen zugefichert und beftätigte. Die innere Verfaffung dief 
hoͤchſt verfchieden und näherte ſich mehr oder weniger der demokra 
ariftoßratifchen Form, je nachdem fie ihre Magiftrate allein aus de 
oder aus diefer und den Abeligen (Pautriciern), oder bloß aus den & 
Doc durften die Magifträte ſich nicht als Landesherren betruchter 
faffung ftand unter Aufficht und Garantie des Kaifers. Ihre Zahl 
18. Jahrh. auf der rheinifhen Bank 14 und auf der ſchwaͤbiſche 
den Reichsdeputationshauptſchluß vom 25. Sehr. 1803 wurden d 
bis auf Hamburg; Augsburg, Nürnberg, Lübel, Bremen un! 
M., unter die Landeshoheit mehrer Reicheftände vertheilt und mit 
vereinigt. In Gemäßheit des preöburger Friedens verloren am 
Augsburg, und durch die Errichtung des Nheinbundes (12. Ju 
Stankfurt und Nürnberg ihre Unmittelbarkeit. Späterhin (13. De 
den audy Hamburg, Luͤbeck und Bremen, welche noch unter d. Nan 
ftädte fortbeftanden, ihrer politifchen Selbftändigkeit durd) Nuy 
Diefe I nebft Frankfurt a. M. find 1813 wiederhergeftelt und a 
in den deutſchen Bund aufgenommen worden. (S. Deutfdhlan 
ſches Reid.) 

Reichſtadt, Majorat und Herrfchaft in Böhmen, deren 
Marktfl. gi. N., mit einem ſchoͤnen Schloffe, 240 H. und 1900 E 
len von Prag gegen die Grenze der Oberlaufig zu liegt. Kaiſer F 
von diefer Herrfchaft, welche aus den 14 toscanifchen Gütern beftel 
Gld. abwerfen, durch Patent vom 22. Sul. 1818, feinem Ente 
Stanz Joſeph Karl, geb. den 20. Mär; 1811, Sohn der Erzhe 
Louiſe (ſ. d.), Herzogin von Parma, den Titel eined Herzogs von 
der Benennung Durchlaucht und dem Range unmittelbar nach te 
öfter. Haufes, verlieh ihm auch deßwegen ein befonderes Wappe 
ſchaft felbft foll an ben Herzog von Reichſtadt fallen, wenn Luccı 
des Großh. von Toscana übergehen wird. 

Reichsvicarien. Wenn der Eaiferl. Thron erledigt w 
ſich auf längere Zeit aus dem Reiche entfernte, oder durch Minde 
Krankheit zur Regierung unfähig geworden war, fo mußte ein 
(Vicarü, Provisores Imperii) bejtellt werden. Anfangs war die E 
dem Kaifer überlaffen; allein [yon in der goldenen Bulle (1356) n 
Herlommen anerkannt, daß ber Herzog von Sachſen in den 
fhen Rechtes, und der Pfalggraf bei Rhein in den ſchwaͤb 
ſchen und fraͤnkiſchen Landen das Reichsverweſeramt von Rechtsw 
habe. Diefe Vicariatsregierung trat ein mit dem Tode des Kaifers, 
nicht ſchon ein roͤmiſcher König ald Nachfolger erwaͤhlt war, der fo 
rung übernahm, und endigte mit dem Augenblid, da der neue Ko 
capitulation beſchworen hatte. Die gemeinfchaftlichen Angelegenheit: 
die Reichstagsgefchäfte und die Mechtspflege am Kammergericht 
nen gemeinfchaftlich beforgt, im übrigen handelte jeder in fe 
fprengel, über deffen Grenzen 1750 zwifchen ihnen ein Vergleid) ı 
den war. 

Reif, ‚der von der Kälte erſtarrte Thau, der fich in den frül 
ftunden beſonders an den Zweigen ber Bäume, den Pflanzen und 


Reifenftein Keil 148 


pflegt. Diefed Anfegen des Reifes gefchieht nach denſelben Geſetzen, 
sOalzserpftalle. (S. Meteore.) 
fenftein oder Reifftein (Sohann Friedrich), Kunſtkenner, geb. 
lnigeberg im Preußen, ftudirte dafelbft die Rechte, zugleidy aber auch 
Wiſſenſchaften, und übte fi) nebenbei im Zeichnen und Malen. Als 
Reines jungen Ebelmanns hielt er fi ein Jahr in Berlin auf und 
auf Gottſched's Empfehlung als Pagenhofmeifter nad Kaffel. Hier 
wartungen getäufcht, begleitete er von 1760 — 62 einen Grafen Ly⸗ 
tanfreich, der Schweiz und Stalien. In Rom, wo er eine vertiaute 
ft mit Winckelmann ſchloß und wo e8 ihm beſonders gefiel, widmete er fich 
um des Alterthums und der fchönen Künfte faft ausſchließlich. Beine 
stage in Rom wurde nicht nur durch eine Penfion von der petersburgifchen 
mie, fondern auch, feit Joſephs LI. Anmefenheit, durdy häufige Auf: 
ehmer Perfonen zum Ankauf von Kunftfachen günfliger. Beſonders 
der Herzog von Gotha, der ihm eine Penfion nebft dem Hofrathstitel 
Die Kaiferin von Rußland ernannte ihn, auf des Barons Grimm Für: 
m Hofrath und trug ihm auf, ihr unter feiner Aufjiht von den vor: 
kinſtlern in Rom genaue Copien von den bekannten Logen (loggie) Ras 
Bitican von gleicher Größe verfertigen zu laffen, wofür fie ihm einen 
t bis an feinen Tod gab. Unter R.'s unmittelbare Förderungen der 
kt, außer feiner Wiederauffindung der Art und Weife, wie man Glas⸗ 
Cameen mit vielfarbigen Lagen verfertigt, auch feine Bemühung, die 
net: enkauſtiſche Malerei (f. Enkauſtik) zu vervolllommnen. (S. 
Briefe“.) Er veranlaßte auch mehre Kuͤnſtler ſich damit zu befchäftigen 
azanzes Gabinet für die Kaiferin von Rußland in biefer Manier arbeis 
wen Mann von feltener Gtuͤe und Würde des Charakters. — Er ftarb 
Ihe Archenholz „Memoiren der Königin Chriftine”, welche er noch in 
franz. Original überfegte, hat er Eleine Auffäge und Abhandlungen 
i und Farbenmiſchung gefchrieben, von denen mehre im „Journal 
1757, abgebrudt find. 
er oder Reiher, ein florchähnlicher Vogel, ber ſich feiner Nah⸗ 
u, welche in Fifchen, Sröfchen und Mufchelthieren befteht, an Seen, 
u fumpfigere Drten aufhält. Man zählt gegen 80 Gattungen diefes 
won jedoch faft nur der gemeine, afchgraue, in Deutfchland einhei- 
Das Meihermänndyen iſt auf dem Kopf mit einem ſchwaͤrzlichen 
pziert, deffen faubere, 1— 3 Fuß lange Federn fehr gefhägt werben. 
mt aber nicht bloß dieſe, ſondern auch noch die Federn, welche man 
Reiher nennt und an dieſem Vogel hin und wieder zu finden find, zu 
n oder bem Herzen ber Sederbüfche. Durch vorzügliche Länge und eine 
rbe wird ber Werth der Reiherfedern beftimmt. Es gibt ganz ſchwarze, 
mlichte, ganz weiße und weiße mit ſchwarzen Spigen. Die ſchwarzen 
nopa die Eoftbarflen; man findet fie nur auf der Inſel Kandia; die 
melt man am meiften in dem waſſerreichen Preußen; ganz meiße kom⸗ 
ber Levante über Gaito und aus Oftindien. Nachgeftellt wird dem 
ib wegen des Schadens, den er in den Fifchteichen anrichtet. Bei der 
aize, wo man die Reiher mit abgerichteten Kalten jagt (in frühern Zeiten 
Jeuptvergnügungen vornehmer Sagdliebhaber), wird oft der Falke von 
x, nach einer plöglichen Wendung in der Luft, mit dem langen, fpigigen 
sufgefpießt. Die Eier und Jungen der Reiher fpeift man ale Lederbiffen. 
Ihe, arithmetifche und geometrifche, ſ. Progreffion. 
il (Johann Chriftion), Dr. der Arzneimiffenfhaft, k. preuß. Geh.⸗ 
th, Director eines Elinifchen Inſtituts, ordentl. Prof. der Arzneitunde 







144 Reim 
an der Univerfität zu Berlin und Ritter des rothen Adlerordens Zter Ciaf 
am 20. Febr. 1758 zu Rauden in Oftfriesiand geboren. Sein Vater, « 
diger, hatte ihn zum Geiftlichen beſtimmt; aber ſchon früh ſprach fich fet 
gung für die Heillunde aus, und er ging, 20 Jahr alt, von der Schule 5 
den nad) Öttingen, um diefe MWiffenfchaft zu ftudiren. Zu Halle, wo 
Studien fortfeßte und fi) die Achtung Meckel's und Goldhagen's Fre 
erwarb, ward er 1783 Dr. der Medicn und Chirurgie. Darauf praktict 
Oſtfriesland bis 1787, wo man ihn als außerordentlichen Profeffor nad 
berief. 1788 ward er orbentl. Prof. der Therapie, 1789 Stadtphyſikus 1 
und Director der Minifchen Anftalt, in welcher Eigenfchaft und überhaupt e 
demifcher Lehrer R. ſich durch feine über 20 3. mit allgemeinem Beifall 1 
Thaͤtigkeit, durch feinen großen, Alles umfaflenden Geift und feine ausgeb 
Kennrniſſe unfterbliche Verdienfte erwarb. Als Staatsbürger und Menfd 
er gleich hochherzig und ebel. Nach der Schlacht von Auerftädt, da Alles 
franz. Zwangherrſchaft erzitterte, ſchickte R. keine Kolgen ſcheuend, feinen 
Sohn nad) Königsberg, um für feinen König zu flreiten. Das Unglüd der 
fität, zu deren Ölanze er fo viel beigetragen hatte, umd bie Unterjochung bs 
fhen Baterlandes machten ihn ernft und ſtill, aber nicht muthlos. Er fi 
fi) nicht, die Unterbräder feinen Stolz; und feine Verachtung fühlen y 
un!) gleiche Gefinnungen in Andern zu erregen. Um der Stadt Halle, meld 
deri Krieg, durch bie Vernichtung und nachmalige ſchlechte Wiederherftellu 
Univerfität und den franz. Drud zu verarmen anfing, eine neue Erwer 
zu Öffnen, fliftete R. feine Badeanftalt, auf die er einen bedeutenden The 
Vermögens verwandte. 1810 ging er nad) Berlin als Prof. der Arzu 
Der König, von dem er früher den Charakter eines Oberbergraths erhalte 
beehrte ihn mit dem rothen Adlerorden und dem Xitel eines Geh.⸗Oberbe 
Biele Akademien nahmen ihn zu ihrem Mitgliede auf. 1813 übertrug I 
König die oberfte Leitung ber Lazarethe auf dem linken Eibufer. Aber ehe 
lin verließ, befuchte er den als Arzt fo gefchästen Prof. Grapengießer, f 
Typhus ergriffen war, wurde von demfelben angeftedt und flach den 24 
1814 in Halle, als Director der dort und zu Leipzig befindlichen Lazarethe. 
Leichnam ward unter zahlreichen Gefolge nad) feinem Landhauſe unmwell 
chenftein abgeführt und auf dem anliegenden Berge, den er vor mehren 
durch fhöne Anpflomzungen geziert hatte, beerdigt. R. hinterließ eine 
2 Söhne und 3 Richter. Als theoretifcher, beſonders pfuchifcher Arzt hat 
durch feine Unterfuchungen über den Bau des Gehirns und feine ganz net 
fiofogifchen Anfichten einen bleibenden Ruhm erworben. Sein berühmte 
über die Erkenntniß und Cur der Fieber und mehre andre Schriften beu 
feinen großen Beobachtungsgeift, mit philofophifhem Scharffinn und einer 
Gabe methobifher Anordnung verbunden. Das Ideal eines rationellen 
hat er, ſowie es ihm vorfchwebte, in feiner Beinen merkwürdigen Schrift 
Depinieren dargeftellt. Auch als praktifcher Arzt hatte R. einen außerorbı 
Ruhm. Mit feltener Gefchidtichkeit fuchte er die Individudlität eines jede 
ten und die pſychiſchen Urfachen der phyſiſch⸗-krankhaften Erfcheinungen 5 
fhen. Sorgfam, theilnehmend und liebevoll am Krankenbette, hielt er 
größten Feftigkeit auf die Befolgung feiner Vorfchriften. Beſonders gluͤck 
er als pfochifcher und als Augenarzt, und viele an fcheinbarem Wahnflı 
an Erblindung Leidende verbankten ihm ihre Herftellung. Über ihn f. St 
„Denffchrift” (Halle 1815). 

Reim, die gleihklingende Endigung zweier oder mehrer Wörter. 
men zu und bu, treu und neu, und hier beruht der Reim auf dem bloßen 
oder Doppellauter. Folgen denfelben noch Mitlauter, fo müffen bdiefe n 


Keim 145 


gleich, fondern es muß auch jener von einerlei Befchaffenheit fein. Cs 
der ſtumm und krumm auf einander, nicht aber ftumm und Ruhm, 
iſt das u kurz und hier lang. Dagegen können Tob und Bot und alle 
Börter unbedenklich auf einander gereimt werden, weil auch die forgfäls 
fprache dem Ohre Eeine bedeutende Verfchiebenheit des d und £, wenn 
Muffe eines Wortes ftehen, bemerkbar macht. Ein folcher einfnlbiger 
ein männlicher Reim genannt; erſtreckt er ſich durch 2 Syiben, fo heißt 
; erfiredt er ſich durch 3 Sylben, fo heißt er ein gleitender (verso 
). So find flüchtig und tüchtig, ſchreiten und breiten weibliche, reis 
befcheinigen, gießende und fließende, gleitende Reime. Bei mehrfpl: 
men ift die größte Sorgfalt auf die völlige Übereinftimmung der Mit: 
unden, und Reime wie beide und Seite, neigen und reichen find durch⸗ 
zerfen. Doch haben unfere beften Dichter ei mit eu und du, i mitü, 
B. eignen und leugnen, Beute und Weite, Hände und Ende zuſam⸗ 
t, wiewol eine richtige Ausſprache einen deutlichen Unterſchied hören 
"ige Megel, welche wir über den Reim anzuführen haben, if die, daß 
d daffelbe Wort auf einander gereimt werden darf, es müßte denn ein 
Nachdruck damit beabfichtigt werden. Reime, die fid auf mehr als 3 
ſtiecken, findet man faft nur bei den Arabern und Perfern in ihren Bur- 
Gaſeln), wo der durch das ganze Gedicht hindurchgeführte Reim zu: 
mb mehr Spiben einnimmt. — Einige Sprachen, wie die englifche, ha⸗ 
Keibre® Baues mehr Neigung zum männlichen, andre, wie die italie: 
haniſche, zum weiblichen Reim; bie deutfche und franz. Sprache be: 
amngefähr gleichen Vorrath an männlichen und weiblichen Reimen, das 
thier gewöhnlich in einer regelmäßigen Abmwechfelung finden; doch gibt 
R Sprachen audy Gedichte genug, die bloß männliche ober bloß weibliche 
ba — Die Alten fannten den Reim in der Anwendung, wie wir, nicht. 
wir namentlid) bei Ovid einzelne gereimte Verſe, und es ift nicht zu 
daß dieſe Heime abfichtlich find; aber es foll duch fie nicht der Vers, 
Einn hervorgehoben werben. Die lat. Poefien der lat. Kirchenväter 
. find dagegen häufiger gereimt. In die nordifchen Sprachen wurde 
karch die Gothen gebracht, welche ihn aus dem Morgenlande hatten. Die 
imtmäter ber ftandinavifchen Poefie hingegen haben den Reim nicht, 
källiteration (f.d.), dain ihnen die Mitlauter vorherrfchen. Dies 
be Meinung veranlaft, dag der Reim fich von den Arabern herfchreibe, 
ben im 8. Jahrh. mit den füdl. Europäern berührten. Schlegel in f. 
kions sur la literature provencale” feugnet dies. of. v. Hammer 
weinen Einfluß ber Araber auf die Provencalen in Hinfiht auf bie 
geeeimter Diftichen und Reimformen der füdlichen Poefie entfchieben 
weh unleugbar ift, ohne dag man den Reim felbft von den Arabern her: 
sucht. Entſtanden aber ift der Reim urfprünglic aus dem dunkeln 
bad allenthalben nach Ebenmaß, Übereinftimmung, alfo auch im Klange 
len wendet nämlich den Reim an, um beftimmte Spibenreihen damit 
u und durch den Gleichklang zu verbinden, das Bedürfnis dazu aber 
befkteitig, nachdem bie beflimmtere Meffung der Sprachen nach Länge 
verloren gegangen war. Daher ift auch die Diflihenform oder die 
meines und deffelben Reims gewiß feine Altefte Form. Erſt die Trou⸗ 
efuchten alferlei kuͤnſtliche Verfchränktungsarten des Neims in dem Co: 
Emone u. f. m., und die Spanier und Staliener brachten diefe Form 
emmenheit, indem ihr richtiges Gefühl ihnen anzeigte, wie weit das Ohr 
tefei, den Meim feftzuhalten, und wo er fich verliere, wobei nicht außer 
edlen ift, daß nicht alles Das für unfere Sprache gelten kann, was in ih: 
ke. Siebente Aufl, 32. IX. 10 


04 
146 Reimarus (Hermann Samuel) 


rer an volltönenden Selbftlautern reichen Sprache anwendbar und zuläffig 
Eine Theorie des Reims hat St. Schuͤtze gefchrieben. . S. auch M 
Abhandi.: „Vers und Reim auf der Bühne”. Kine Anleitung zur Km 
der füblichen Reimkunſt von O. Gr. v. Loͤben findet man in Rapmann's „| 
menlefe füdlicher Spiele”. — Die fogenannten Leberreime foll ein gm 
Schävius um d. 3.1749 eingeführt haben. Über die Reimmörterbücher f. a 
lexikon. 

Reimarus (Hermanı Samuel), geb. zu Hamburg 1694. Sem f 
war NitolausR., Lehrer am Zohanneum dafelbft. Außer dieſem hatten vor 
CHriftoph Wolf und Fabricius als Lehrer den größten Einfluß aufibn. 
1714 an ftudirte er in Sena; dann promovirte er in Wittenberg und ward 
auf Adjunctus der philofoph. Kacultät. Nachdem er 1720 eine Reife durch 
gien und einen großen Theil Englands gemacht hatte, hielt er in Wittenberg‘ 
loſophiſche und philologifche Vorkefungen. 1723 warb er als Rector nad? 
mar berufen, two cr die Schule in große Aufnahme brachte. 4727 warb ig‘ 
Profeffur der hebr. Sprache an dem Gymnaſium zu Hamburg angetragen, F 
er, in der Folge nody mit der Profeffur der Mathematik vereinigt, zum ji 
Vortheil diefer Anftalt bie an fein Ende bekleidete. Er mar ein gründlichen, J 
matiſch gebildeter Philolog, was er vorzüglich in ber von Fabricius begen 
und von ihm völlig ausgemebeiteten und vollendeten Ausgabe der römifed 
ſchichte des Dio Caffius beurfundete. Geßner erklärte ihn wegen diefer Arche‘ 
einen der erften Krititer Deutfchlands. N. befaß zugleich einen großen If 
von wiſſenſchaftlichen Kenntniffen, namentlich in der Philofophie und Ne’ 
ſchichte, und arbeitete in jeder mit vieler Selbftändigkeit. Der Hauptgru 
den er als Lehrer befolgte, war: das bloße Dociren fo viel als möglich zu wf' 
den, unverzüglich den Selbflunterricht feiner Schuͤler einzuleiten, zu R 
zu befördern. Seine pbilofophifchen und naturhiftorifchen Kenntniffe wu‘ 
dazu an, in den Zeiten des Leichtfinns, welcher durch einige franz. R 
Deutfchland damals Raum gewann, feinen Mitbärgern Achtung und WW“ 
gegen das höchfte Wefen einzuflößen, und den Glauben an Vorfehung uns" 
höhere Zukunft zu befeftigen, wiewol er dies auf dem Wege des bloßen Nach 
zu erreichen meinte. Sein wichtigſtes Werk: „Die vornehmften Wahrhel 
natürlichen Religion in 10 Abhandlungen auf eine begreifliche Art erklärt w 
rettet (Hamburg 1754), beurfundete fein religiöfes Streben auf eine ausge: 
nete Weife. Diefes Werk entſprach fo dem Zeitbedürfnif, daß es 6 Aufl 
einander erhielt. Um den phyſiko-theologiſchen Beweis, den man als einem de: 
tigften in der wichtigften Angelegenheit der Menfchen damals bearbeitete,‘ 
N. große Verdienfte, und feine Arbeit wurde, als die grünblichfte und fies 
ordnete, allen ähnlichen von Rinne, Bonnet, Haller u. X. vorgezogen. 
ſelbe fchließen fidy auch f. „Betrachtungen Über die Kunfttriebe ber Thiere“ (| 
1762, 4. Aufl. 1798). Ferner gab er heraus „Die Vernunftiehre, als ein 
weifung zum richtigen Gebrauch der Vernunft in der Erkenntniß der Wal 
aus zwei ganz untrüglichen Regeln der Einftimmung und des Widerfpruch# | 
leitet” (Hamb. 1756). Eine Anwendung von den in diefem Werke aufgefl 
Megeln machte er gegen das Pofitive des Chriſtenthums; obgleidy er ſein 
ſchungen ald Bruchſtuͤcke nur feinen vertrauteften Freunden mittheilte, umb 1 
Abſicht hatte, diefelben oͤffentlich bekanntzumachen, fo konnte er ed bo 
verhindern, daß Lefjing davon eine Abfchrift erhielt, und diefe anticht 
Schrift (welche Döderlein in feinen „Antifragmenten‘‘ 1788 am Eräftigften t 
legte) unter d. Titel „MWolfenbüttelfche Fragmente eines Ungenannten”, u 
ter dem Vorgeben, er habe fie in der wolfenbüttelfchen Bibliothek gefunden 
ausgab. (S. Leffing.) Daf diefe Schrift ihn zum Verf. habe, hat fi 






o_ 


Keimarus (Joh. Albert Heinrich) Reimleriton 147 


⁊ bei Gelegenheit einer deßhalb von Sturm erhobenen Anfrage in ba uteips, 
it.” 1827 unmibderleglich bargethan. MR. ftarb 1768. 
Reimarus (Johann Albert Heinrich), Sohn des Vorigen, AN 1729 
gaburg, erhielt den erften Unterricht in ben untern Claffen der Sohannie- 
‚ dan auf dem Gymnaſium und bei feinem Vater. In Göttingen ſtudirte 
17 91 die mediciniſchen Wiffenfhaften. In Leyden und Edinburg bearbei- 
11753 und 1754 vorzüglich die praßtifhe Arzneilehre, und gab an legterm 
Beranlaffung zu der nachher geftifteten medicinifdyen Gefelffhaft. 1755 be: 
te anter Dr. Hunter's Leitung die Spitäler zu London. Auf der Ruͤckreiſe 
dellaad verlor er alle feine Schriften, Abhandlungen und Bücher. Er pro: 
in Leyden, und ſchrieb „De tumore ligamentorum circa articulos, 
artenlorum dicto”, 1757. Er war kein großer gelehrter, aber ein praf: 
Arzt und verbreitete mit Stud die Impfung der natürlichen Blat- 
Hamburg und in den umliegenden Gegenden. Kür die Chirurgie machte 
ghdlihe Sndedung. Zufällig wurde durch unverfehens eingefprigten Saft 
die Erweiterung der Pupille herbeigeführt; dies brachte ihn auf 
‚ daß es nuͤtzlich fein würde, vor der Operation des grauen Staars 
Lanzumenben, weil dadurch der ganze Umfang der Linfe entbedt wird 
Bertjeuge darauf viel ficherer angebracht werden können; viele Augen: 
bis auf die neuern Zeiten diefen Rath, mit Gluͤck befolgt. Er war ein 
Zwangsordnung; to irgend nur bie Freiheit, die innere oder äußere, 
warte, banahm er fich ihrer an. Daher fchrieb er gegen Getreidefperre, 
Mmtlihe Kornmagazine, gegen Fleiſchtaxen, gegen Zunft: und Hand: 
gegen den Zwang bed Verlagsrechts (er billigte unter gewiffen Be: 
ben Nachbrud), gegen mebicinifche Zwangsordnung, gegen Hanbele- 
zegen das Pofitive in den Borfchriften, nach welchen der Jugendunter⸗ 
Serats wegen geleitet werden follte. Obwol ein wohlbegründeter Gottes⸗ 
Bf er ſich auch Beinen dogmatiſchen Zwang in der Religion gefallen; die 
wit ihrer Einflimmung und ihrem Widerfpruc war ihm Richterin in 
Die Einflimmung der Weltorbnung mar feine Religionslehre. Er 
en feines Vaters Aber die natürliche Religion und Über die Kunft: 
Diere mit Abbandi. und Anmerf. heraus. — 1796 ward er Profeſſor 
Gichte und Naturlehre zu Hamburg, fuchte früher fchon die Bligab: 
wrbreiten, und erörterte die Forſchungen Über ben Blitz, deffen Bahn und 
anf die verfchiedenen Körper. Sein Entwurf über bie zweckmaͤßige Ein- 
ag in allen Reichen der Natur, Zeleologie genannt, ift feiner „Selbſtbiogra⸗ 
Inbang beigefügt. In dem unglüdlichen J. 1813 mußte er Samburg 
md farb 1814 zu Ranzan. V.L. 
Reimlexikon, eine Zufammenftellung aller in dem Sänge einer 
enthaltenen Reimendungen. Der Leritograph Nichelet lieferte im 17. 
ein folches Wer für die franz. Sprache, und der fleißige Hühner ein aͤhn⸗ 
die deutſche, in feinem „Poetifchen Handbuche“, das von 1696 — 1743 
Aufl. erſchien. Seitdem wurde für unfere Sprache nur nod) ein andrer 
Verſuch, der als Reimlexikon dienen kann, in Schaͤfer's „Hochdeut⸗ 
uche, nach den Endſylben geordnet“ (Weißenfels 1800) geliefert. 
ſtanz. Reimlexikon erſchien vor kurzem in Paris. Ein Wert biefer Art, 
— und ausgeführt, dient keineswegs bloß als Nothhelfer für den 
Reimer, fondern Bann zu einem Hülfsmittel werden, das felbft ber Dich⸗ 
verfhunäht, und das dem Sprachforſcher vielfach nüglid, fein wird, in: 
We Endbuchflaben ſowol in den Wurzelmörtern, als in den Ableitungen 
Bemerkungen leiten koͤnnen. In Huͤbner's Reimregiſter find die 
sah den 5 Selbſtlauten zufammengereiht, Michelet hingegen teilte fic nach 
10 * 






























148 Rein Reinecke (Sohann Friedrich) 


der Ordnung des Alphabets, mit Einfchluß der Mitlaute zufammen, und 
möchte die Anordnung des Deutfchen die beffere fein, da der Vocal die Seel 
Reims, wie der Affonanz (f.d.) ift. Ein „Deutſches Reimlexikon“, nach! 
* Plane, jedod) zweckmaͤßiger als Huͤbner's Merk bearbeitet, ift bei dem Va 
bes „Converſationslexikons“ (1826, 2 Bde.) erfchienen. 
Nein; unvermifcht, bezeichnet in der Philofophie insbefondere das os 
empirifhen Wahrnehmung oder Erfahrung Unabhängige, z. B. reine Vern 
in der Mufit das volllommene Intervall, 3. B. reine Quinte. 

Reinecke oder Reinide der Fuchs. Diefes berühmte epifd 
tyriſche Sabelgedicht erfchien 1498. zu Luͤbeck in plattdeutfcher Sprache, und 
in frififcher Mundart, unter d. Titel „Rynke de Vos“. Es enthält. eine w 
fatyrifche Beſchreibung von Ränken und anderm menſchlichen Treiben an e 
durch Regierungsſchwaͤche verborbenen Hofe. Alte darin vorfommende Chan 
find in die Maske von Thieren eingekleidet, und der treffende Wig und bie j 
Drolligkeit der gefchilderten Scenen machen dies Werk zu einer Eoftbaren Ud 
“ altdeutfcher Laune. Über den wahren Namen des Verf. diefes Gedichte, d 
der Vorrede ſich Hinrek von Allmer, Scholemefter unde Tuchteler des Ha 
von Lothringen nennt, und vorgibt, er habe ed aus dem Franz. überfegt, iſt i 
Gewiſſes bekannt. (Den franz. „Roman du renard” aus dem 13. Jahrh 
Meon aus Handfchriften 1823 zu Paris in 4 Bon. herausgegeben.) Nach 
lenhagen's Angabe in feiner Vorrede zum „Froſchmaͤusler“ fol Nik. Band 
(geb. zu Emden 1450) Verf. des „Reinecke Fuchs” gewefen fein. Diefer | 
mann ftand früher als Rath in Dienften des Derzogs von Juͤlich, trat fpäter 
er in Ungnabe fiel, in die des Herzogs Magnus von Medlenburg, wo er 154 
Roſtock ald Dr. juris und Secretair ſtarb. Das Unrecht, das er am julich 
Hofe erlitten hatte, fol ihn zur Verfertigung diefes fatyrifchen Gedichte bey 
haben; der Name Hintidy von Alkmar aber von ihm angenommen worden 
um allen DBerantivortungen zu entgehen. Aud) wird in der Ausg. zu r 





1539 (13 3. nad) Baumann's Tode) jener Name gar nicht erwähnt. 
Rollenhagen dies aud) verfichert, und fo fehr Gottſched inf. Ausg. des „MM 
Fuchs“ (1752) diefe Meinung unterftügt: fo find dagegen durch andre Ang 
wieder Zweifel entflanden. Indeß haben ſich Neuere wiederum für Rollenha 
Meinung erklärt, namentlich der Landdroft, Ritter von Vangerow zu Aurld 
Spangenberg’$ „Beitr. zur Kenntnig des Koͤnigreichs Hanover”, Bd. 5). | 
hat verſucht zum Theil die Perfonen namhaft zu machen, die unter den verſch 
nen Thiergeftalten gemeint fein follen, und behauptet, daß Iſegrimm ber | 
einen Herzog von Oftreich, der Fuchs Reinecke aber ben Herzog Reinharb 
Lothringen vorftelle. (Vgl. auch hierüber tübinger „Fit.:B1.”, 1827, 4. ©t.) 
holländifche profaifhe Hiſtorie von Reynaͤert de Voß kam ſchon 1479 zu & 
und 1483 zu Deift heraus; fie wurde 1783 vom Bibliothekar Suhl in & 
neu aufgelegt, und wird von Einigen für das eigentliche, aus mehren altfrang. 
bein entlehnte Original gehalten. Die neueften und beften Ausg. des „Re 
Fuchs“ in plattdeutfcher Mundart find die 1797 zu Eutin mit einem Gloſſa 
von Bredow und die von Scheller (Halberft. 1825). Hochdeutſche Bearbeitu 
Gaben wir von Gottfched, Göthe (in Herametern) und von Eoltau (im Ver 
des Driginals, kurzen, gereimten Samben ober Knittelverfen) erhalten, letter 
ſchien 1803 und umgearbeitet 1823 (Braunſchweig). — Weniger bekannt, 
nicht ohne Werth, ift eine von Nenner unter db. Namen Sparre gelieferte : 
fegung des „Reinede Fuchs“, betitelt „Hennynk de Han’. 

Reinecke (Johann Friedrich), der große deutſche Echaufpieler, u 
um 1745 zu Helmftädt geb., wo fein Vater Advocat war. LUnverträglichkeii 
einem Ältern Bruder, gegen deffen übelwollen er auch bei den: Water keinen € 


° 


Reinhard (Franz Boltmar) " 149 


j ihn, heimlich der Ältern Haus zu verlaffen. Ohne Plan, ohne Geld 
ie mindefte Ausficht richtete der 14jähr. Knabe feinen Weg zufällig 
urg, mo er, nad) manchem Eleinen Abenteuer, bei welchem fich fein 
rth beurfunbete, in bem Haufe eines Bäders Aufnahme fand. Der 
Theaters entfchied hier R.’S zukünftige Laufbahn. Noch nie hatte er 
yeale Welt der Breter gefehen; der Eindrud, den fie auf ihn machte, 
los. Ihn floh der Schlaf; und feines Lebens höchfter Wunfch, auch 
aberwelt aufzutreten, ftand feft vor feiner Seele. Er bat den nüchften 
on, und oft vergebens, den Director um Aufnahme, und wurde end: 
fburfche angenommen. Mehre Jahre bleibt R. in diefer erniedrigenden 
rn Selbftgefühl ihm fagt, er fei zu etwas Beſſerm beflimmt. Er 
Bei Beinen herumziehenden Truppen und bildet durdy Studium und 
fein großes mimifches Talent. Bei der Seyler'ſchen Geſellſchaft lernt 
bherige Suttin Fennen; er kommt zum zweiten Mal nach Hamburg, 
ingt fein Ruhm an ſich zu heben. Endlich, bei der Bondini’fchen Ge: 
Dresden und Leipzig angeftellt, wird er als großer Schaufpieler be⸗ 
: Sreundfchaft des Declamators Schocher, den er in Leipzig fennen ° 
von dem bedeutendften Erfolg fuͤr R's Spiel. Bon nun an, befreit 
fein eines falſchen Pathos, der fi damals in fogenannten Helden 
aetionen, in Gang und Ton — oft lächerlich genug, zum Hohn ber . 
af ben Bühnen zu zeigen pflegte, wird R. Vorbild feiner Kunftgenofs 
chen Heldenrollen, und der gefeierte Liebling des Publicums, das in 
m erſten Mat einen ohne Übertreibung dargeſtellten Helden erblickt. 
ber in ben Rollen launiger und zärtlicher Alten bewundert. Cine auds 
männliche Bildung und eine wohltönende Stimme begünftigten feine 
m des Strafen Effer, Dtto von Wittelsbach, König Lear, des deut: 
daters, des Oberfoͤrſters Warberger u. X. ungemein. R. ftarb als 
8 Bondini'fchen Theaters in Dresden 1787. 
ıbard (Stanz Volkmar), der berühmte Theolog und proteftantifche 
eb. den 12. März 1753 zu Vohenftrauß, einem Marktflecken im 
Sulzbach, wo fein Vater Prediger war. Die erfle Erziehung und 
nterricht erhielt er von feinem Vater, welcher durch das ausfchließliche 
ibel in feinem Sohne einen tiefen religiöfen Sinn, durch den gründ: 
sachunterricht eine genaue Bekanntfchaft mit der Philologie und durch 
Gewoͤhnen an logifches Denken die bemundernswürdigfte Gewandt⸗ 
cherheit im Denken und Handeln begründete. — Auf der Schule zu 
; äußerte der Conrector Töpfer durch Huͤlfe feiner echt päbagogifchen 
firung den bildendften Einfluß aufihn. — 1773 bezog R. die Univer: 
berg, wurde 1777 dafelbft Magister legens und 1778 Adjunct 
b. Facultaͤt. Nachdem er von 1780 an als außerordentl. Prof. der 
vorzüglich durch philologifche und philofophifche Vorleſungen feinen 
und feine Gelehrſamkeit beurkundet hatte, wurde ihm die ordentliche 
x Theologie anvertraut. Seine glüdlihen Verfuche im Predigen, ver: 
der ihm eigenthümlichen, gründlichen und allfeitigen Kenntniß der 
beranlaßten die Regierung, ihn 1792 als Oberhofprediger, Kirchen- 
erconſiſt orialaſſeſſor nad) Dresden zu berufen, in melden Amtern er 
tod (6. Sept. 1812 zu Dresden) mit der größten Anftrengung des 
ı Körpers, mit feltener Uneigennügigkeit und Vaterlandsliebe feine 
ten fo ftreng und vollfommen als moͤglich zu erfüllen ftrebte. — Die 
Entwidelung und Ausbildung der drei geiftigen Grundvermögen, 
zage:, Gefühl: und Befttebungsvermögeng, zu einer gleichmäßigen 
Thätigkeit war bie Hauptaufgabe feines raftlofen Strebens. Dos 


150 Reinhard (Franz Volkmar) 


Vorſtellungsvermoͤgen in den verfchiebenen Formen der Anſchauung, bed Ver 
des und der Urtheilskraft war bei ihm vorherrfchend; fein Gedaͤchtniß war ſche 
mehr Sach = als Wortgedaͤchtniß, denn es mangelte ihm bie Leichtigkeit 
morirens. Das Gefühlövermögen war ihm ein bloß vermittelndes zwif 
beiden andern; daher fand es nebft den Übrigen Kräften der Seele ſtets unn 
Herrfchaft des Borftellungsvermögene. — Sowie jeder denkende Kopf ig 
Fahren feiner Mündigkeit durch philofophifches Forſchen nad) Selbflänhl. 
ringt, fo auch R. Er trat auf als fcharffinniger Denker, als ſkeptiſchet Feij 
und ſchied als glaͤubig frommer Theolog und Chriſt. Es iſt hoͤchſt en a 
Belenntniffe über fein früheres philofophifches Streben und’ deffen 
ihm felbft zu vernehmen. Obgleich er die Philofophie nicht bloß als M 
Theologie, fondern felbftändiger betrachtete, fo geftand er doch: „das 
aller Syſteme der philofophirenden Vernunft läßt ein entfchiebenes De 
geyen bie Speculationen derfelben übrig, weil man an allen noch Schwächen. 
— Ic) habe nie in der Philofophie etwas für wahr gehalten, was der Sitt 
nachtheilig war. Säge dieſer Art, wie feheinbar fie auch vorgetragen fein ni 














empörten mich; durch bie Erziehung, welche ich erhalten, und durch 
welchen ich auf meine Befferung gewendet hatte, war das moralifche 

mir zu wirkfam geworben, als daß ed unmoralifde Behauptungen nicht N: 
mit Unmillen verworfen hätte. (Man verkenne hier nicht den Schug, ben 
frühe rein evangel. Erziehung gegeben.) Bei der Philofophie fand ich nihte- 
nichts Bleibendes, weder im Wiſſen, Glauben, noch Hoffen; wenn j 
nichts Sicheres hat, worauf man fußen Eann, fo kommt der Wunfch, Gott E_ 
ſelbſt geredet haben, vorzüglich um der Schwachen willen, und fo wird med 
Das durchforſchen, was ſich als Offenbarung ankuͤndigt“. — Die Sudan. 
Korfchung war ein fefter, beruhigender Glaube an das reine Evangelium 
es nad) den Regeln einer richtig grammatifchen Auslegung In der Schrift. 
ten ift. „Es wurde mir unmiderfprechlich gewiß (fagt er in der Vorrede ak 
al’, ©. XXXV), daß das Chriftenthum die nothwendigſten und gemeinni 
Wahrheiten auch gerade in der Form enthalte, in welcher fie am faßlichfiag: 
wendbarſten und wirkſamſten ſind; ich wurde gewahr, daß ohne die 
Gottes bei dem großen, einer hoͤhern Ausbildung bedürftigen Haufen nicht bar 
kommen ift, und daß es Augenblide geben kann, wo fie auch dem fcharffinml 
Denker willtommen und nuͤblich fein muß; es wurden mir felbft an den Ge: 
niffen des Chriftenthums, die meiner Vernunft allerdings eine Zeitlang 
gewefen waren, Seiten fichtbar, mo fie fid) an die Beduͤrfniſſe der menſch 
Natur, wie fie toirklich ift, anfchloffen und dadurch eine große praktiſche 
keit für Befferung und Beruhigung erhielten”. — In diefer Periode eineb. 
phitofophifch =theologifchen Forſchens entftanden auch die Hauptwerke RT 
„Pſychologiſcher Verſuch über dad Wunderbare und die VBerwunderung”, 
nur der 1. Thl. erfchienen tft; den 2. Thl., der das Wunderbare im Chrifte 
nachmeifen follte, folglich auch feine Anfichten über die Wunder bes A. 
ZT. enthalten mußte, folgen zu laffen, mochte wol feine Gewiſſenhaftigkeit ve 
dern, zufolge welcher er ſelbſt geſteht: es war mir Gewiſſensſache, mich ind 
Streit mit einem Buche zu verwickeln, dad einem fo großen Xheile unfer® 
ſchlechts ein von Gott felbft herruͤhrender Unterricht iſt, deſſen göttliche Kl 
fo oft an meinem eignen Herzen empfunden hatte und für das ſich mein gi 
Gefühl immer entfcheidender erklärte. 2) „Verſuch über den Plan, ae 
Stifter der hriftlichen Religion zum Beften der Menfchheit entwarf” 
Namen, Wittenb. und Zerbft 1781, 4. Aufl. 1798). Er entwarf auch Int 
Zeit die beiden erften Thle. f. „Softems der chriftlichen Moral”, welche er j 
fg. herausgab ; dieſes Werk, die Hauptaufgabe feiner literar. Thätigkeit, erw⸗ 









Reinhard (Franz Volkmar) 151 


te erin 5 Thln., wovon bie erften Thle. die 4. Aufl. erlebten. In der 
billigte R. nichts, mas mit den Maren Behauptungen der Bibel ftritt; 
ei (das find feine eignen Worte) ein VBorurtheil der Jugend mitwirkte, will 
win Abrede fein. Da ich die Bibel ſchon als Kind gelefen, fie als Wort 
bie Menſchen gelefen, und fie fo zu gebrauchen nie aufgehört hatte; fo 
:fo heilig, ihr Anfehen war mir fo entfcheidend getoorden, daß ein Sas, 
ecſprach, mein Religionsgefuͤhl fo fehr empoͤrte, als eine unſittliche Be⸗— 
neinen moraliſchen Sinn”. Auffallend iſt in Hinſicht feiner theologi⸗ 
ıng bie Steigerung ded Inhalts feiner Predigten ; feine frühern Pre: 
mehr pfochologifch, die folgenden huldigen der Moral, die fpätern ver: 
ral und Dogmatik, und in den legten SSahren fpricht er feine dogmati⸗ 
eugungen, infofern fie rein evangelifch und der Schrift nicht widerſtrei⸗ 
am ftärkiten aus. -- In f. „Seftänbniffen, feine Predigten und feine 
am Prediger betreffend” (1810, 5. Aufl. 1811) ſprach er im 9. Briefe 
«ugung von Rationalismus und Supernaturalismusd ganz unummwun- 
z äußerte felbft in einem vertraulichen Briefe: diefe Äußerungen wer: 
Theologen gewiß nicht verzeihen. Er behuuptete darin: der Rationalift 
schrift gar nicht zulaffen, wenn von der Begründung des Lehrbegriffs 
L Es kommt bei dem Lehrbegriffe richt darauf an, worein man den 
Dffenbarung fest, fondern auf die Principien, von denen man ausgeht. 
entweder Vernunft oder Offenbarung ; ein Drittes gibt es nidyt. Con⸗ 
kur Der, der fid) ganz unbedingt zu einem von beiden bekennt; wer auf 
Art Beides vereinigt, wird ein inconfequenter Synkretiſt. Einige ſuch⸗ 
mittler zu machen, erfuhren aber dad Schickſal aller Vermittler, fic 
rs mit beiden Parteien. — Man denke an den Streit über Conſequenz 
ſequenz, welchen einige fächfifche Prediger 1810 — 12 hier und da zum 
es Volks führten, ohne R. vorzüglich in der Behauptung, e8 komme 
meipien an, von welchen man beider Begründung bes Lehrbegriffs aus: 
blich zu widerlegen. (©. Nationalismus.) — Er war in der äl- 
wn Schule gebildet, ein Feind der Naturphilofophie, und freute fich 
Verſuch, durch weichen man ihre Herrfchaft zu verdrängen ſuchte; ſ. 
der von ihm herausgeg. Schrift (des Hofraths Crell in Göttingen) : 
nd Philalethes“ (1811). — Ebenſo offen legte er in der Vorrede zur 
kin Glaubensbekenntniß über die Fritifche Philofophie nieder. Dbfchon 
denken ihrer ſtreng logifchen und dialektiſchen Form huldigend, fchenkte 
nbaite Leinen Glauben, fondern beftritt denfelben als ein gewaffneter 
s feinen den Öffenbarungsglauben vermindernden Einfluß fo viel ale 
verdrängen. -- Am meiften Auffehen erregte der Inhalt der 1800 ge: 
Reformationepredigt”. Er ſprach darin von der freien Gnade Gottes mit 
en Überzeugung, dag Viele irre an ihm murden und ihn der Hyperor⸗ 
md einer cdharakterlofen Dinneigung zu einer herinhutifchen Hofpartei 
m. Diefen ungerechten Vorwurf hat ihm das Decret, nad) welchen 
tim ganzen ſaͤchſiſchen Rande und namentlich unter den Predigern ver: 
ede, zugezogen. Der Bermeggrund zur Öffentlichen Bekanntmachung 
adter, als daß man dadurch der Meligionspartri, welcher mehre Mit: 
Minifteriums damals huldigten, einen großen Dienft zu erweifen ge: 
mm man einen der gelehrteften Theologen und ausgezeichnetſten pre: 
a Prediger ald Bertheidiger einer ihrer ſehr oft angefochtenen Haupt: 
miich nennen konnte. Hätte man vorher feine Moral eingeſeben, ſo 
8 Decret wol unterblieben ſein; denn R. dachte ſich das Verhaͤltniß 
heit zur Gnade Gottes nicht bloß leidentlih. In jenem bedeutungs— 
ir 1812, wo Zaufende ihren Glauben aufgaben, fehrieb er folgendes 


152 Reinhard (Franz Vellmar) 


merkwürdige Belenntniß nieder: „Der Glaube', dag eine höhere Macht die 
gebenheiten der Welt lenkt und zulegt einen erwuͤnſchten Ausgang herbeifl 
ift das Einzige, woran man fi unter diefen Umftänden halten kann. Gli— 
‚baß id) ihn habe, diefen Glauben, fonft weiß ich nicht, wie es mir gehen tk 
Dies fei hinreichend, ihn als einen echt evangel. Theologen kennen zu le 
Man hat ihn befchuldigt, daß er von dem Allen, was er Öffentlich fpradh, r 
überzeugt geweſen fei, fondern fich vielmehr nach den Umftänden und ben gebh. 
den Umgebungen gerichtet habe; allein diefe Befchuldigungen find grundioß, - 
ganzes Leben, ſowie vorzüglich feine Wirkfamkeit und fein bilbender Einf 
Kanzelredner ift der fprechendfte Beweis dagegen. Ehrwuͤrdig fteht das Bibi 
als Theologen vor un, betrachtet man fein Leben im Verhältniß zu feinen}: 
genoffen ; während der größte Theil feiner Collegen in entgegengefegter Rich 
ihr Leben verloren und das Leben ihrer Gemeinden in Gefahr brachten, fl- 
er feinen Glauben folgerech tdurch das Leben hindurdy, und hinterließ ihn alß 
gegründeten den Seinigen zum belebenden Andenken. — Betrachten wir jet: 
Handeln und Denken in der befondern Amtsführung. Meifterhaft bezeichnu 
in f. „Seftändniffen (&. 54) die Aufgabe des Zwecks feiner Predigten. „B- 
teft du“, fagt er, „auf der Kanzel fo fprechen, daß beine Rede allezeit ein ftrem 
ordnetes, in allen feinen Theilen feft verfntipftes und in der natuͤrlichſten Ordt 
fortſchreitendes Ganze wäre; Eönnteft du allezeit einen intereffanten, in d 
"nahen Zufammenhange mit den wichtigften Angelegenheiten deiner Zuhörer ſu 
den und für das Leben fruchtbaren Stoff behandeln; koͤnnteſt du dies fo 8. 
daß du jeden Gedanken immer in die Worte Bleideteft, die ihn im ganzen &. 
der Sprache am richtigften und treffendften bezeichnen; Eönnteft du folglich L 
Lehren immer den faglichften, beim Befchreiben den anfchaulichften, beim Er 
nen ben Eräftigften, beim Warnen den erfchütterndften, beim Tröften ben be. 
gendften Ausdrud finden; Fönnteft du dich der Sprache fo bedienen, 
Schattirung der Begriffe, jeder MWechfel der Gefühle, jede Steigerung des 
te& durch fie fichtbar würde, und immer die Saite des Herzens träfe, bie 
werben foll; Eönnteft bu endlich deiner Rede eine Fülle ohne Wortfhmwall, 4 
Wohlklang ohne erkünftelten Rhythmus, und einen leichten, ungehinderten, . 
und Herz gleichfam überftrömenden Fluß verfchaffen: fo würde das Beredtfah 
fein, die fich für die Kanzel ſchickte; dein Vortrag würde deutlich für den Verſt 
behättlich fuͤr das Gedaͤchtniß, weckend für das Gefühl, ergreifend fuͤr das 
fein; du würdeft von der Religion mit der hohen Einfalt, mit der edein W 
und mit der mohlthätigen Wärme fprechen, mit der man von ihr fprechen 
Diefer aus den Alten überhaupt und vornehmlich aus dem Demoſthenes 
Cicero aufgefaßte Begriff von wahrer Beredtſamkeit ift mir fo eigen gewo 
dag mir an Andern nur Das gefallen kann, was mit bemfelben übereinftimmt; 
daß er in der Folge auch das Ideal wurde, welches mich beim Ausarbeiten m 
eignen Predigten leitet”. — Ob die Form der Beredtfamkeit, abftrahirt aus 
griechifchen und roͤmiſchen Leben, in welchem fie als nathrliches nothmendigel 
zeugniß erfchien, für die Mittheilung und Belebung des evangelifchen Leber 
ganz und einzig und allein geeignet war, oder ob nicht jedes Leben feine eigentl 
liche Form der Mittheilung verlangt; diefe Erörterung würde zu einem gegri 
ten Urtheile über die Zweckmaͤßigkeit der Form der Predigten R.'s fehr vorl 
tend fein. — In feinen frühern Predigten war R. weniger populair al& in 
fpätern; auch feine Dispofitionen werden in den fpätern Sahrgängen feiner 
digten freier als in den frühern, namentlid) in den Predigten über die epiftoli 
Zerte. Er billigte die Gebete im Anfange nicht, und wollte die Schlußgebeti 
felten angewendet wiffen. Die Predigten zur Schärfung des ſittlichen Gef 
und die, wo er den Streit der Weltbegehenheiten mit der Vorfehung am [hä 





Reinhard (Karl Friedrich, Graf) 153 


me wol die trefflichften und gelungenften; zu den leßtern gehören na⸗ 
ne Reformationspredigten. Man hat R. vorgeworfen, daß er durch 
eft zu ängitlich beibehaltene ſtreng logifche Form feinen Predigten et: 
itiges gegeben und dadurch eine allfeitige, das Herz mehr ergreifende 
einer Vorträge verhindert habe; allein man mußte R. hören, um zu 
he Kraft der echt chriftlichen Glaube, er mag fich in biefer oder jener 
Iprechen, auf die Menfchen Außert. — Als Affeffor des Kirchenraths 
r die Erhaltung und Fortführung des wiffenfchaftlichen Geiftes auf den 
em und den drei füchfifchen Fuͤrſtenſchulen; für die Begründung und 
richtung der Schullehrerfeminarien nahm er die dazu erfoderliche Ein- 
rakriſche Fertigkeit einiger Prediger in Anfpruch, um dadurch nach und 
den niedern Volksfchulen eine beffere Geftalt zu geben. Als Kirchen 
er fidy auch befonder8 um den Cultus verdient, indem er Eräftig dazu 
Feine neue Agende, neue Gefangbücher eingeführt und Der allgemei- 
emebr Eingang verflattet wurde. Um das Studium der Bibel viel- 
heben, befchloß er mit Zuftimmung ber oberften Behörden, einen vier: 
ierſies von Texten für die Sonntagspredigten einzuleiten und anzu: 
fm eriten Jahre follten die evangelifchen, im zweiten die epiftolifchen 
gewaͤhlt werben; für ben dritten Jahrgang ordnete er eine Reihe von 
weichen die Geſchichte der Entftehung und Bildung des Chriftenthums, 
feter Beziehung auf die einfallenden Eicchlichen Sefte, in einer Elaren 
em Zuhörer vergegenwaͤrtigt würde; dies gefhah 1809. Kür den 4. 
1810) mühlte er größtentheils einzelne Furze Verfe aus, in welchen 
Hin Staubens = und Sittenlehren enthalten waren, und zwar nach ei: 
nothmendigen Aufeinanderfolge. Da er jeden Jahrgang voraus bear- 
erhielt er 1811 den Auftrag über Texte des A. T. zu prebigen, damit 
1812 an die Einrichtung des vierjährigen Cpelus im ganzen Lande 
re Gemeinde beginnen könnte. Dieſe von ihm in diefem Umfange zuerft 
lintichtung hat unendlich viel Gutes bewirkt. — Eine Eurze liberficht 
Men fchrieb Hofe. Böttiger (Dresden 1813); ein vollſtaͤndiges treues 
R. entwarf Pölis (Reipz. 1813 u. 1815, 2 Abtht.). 

abard (Karl Friedrich, Graf), gegenwärtig Eönigl. franz. Sefandter 
nteöserfammlung und der freien Stadt Frankfurt, geb. 1761, ift der 
8 Superintendenten zu Bälingen in MWürtemberg. Er ftudirte in Tuͤ⸗ 
ig dann, um fich in der franz. Sprache zu vervolllommnen, 1786 nach 
11787 als Erzieher nad) Bordeaux. Bereits 1783 erfchien von ihm zu 
e mwehlgelungene Überf. des Tibull und Tyrtaͤus, dann 1785 eine 
g geiſtreicher Epifteln von ihm und feinem akademifchen Freunde Conz. 
ihr die Liebe zu den Mufen in allen Verhäitniffen feines vielfach thaͤ⸗ 
raten Lebens, wobei er als ein ftets redlich handelnder Ehrenmann un: 
t fand. Er widmete ſich der Bildung feines Zoͤglings, der fpäterhin 
meiestetair wurde, bis 1791, wo er fih nadı Paris begab. 1702 (un: 
uries’ 6 Minifterium) ward er zum erſten Gefandtichaftsfecretair nad) 
zone. Mach Ausbruch des Kriegs mit Ingland, 1793, ging er in 
yrichaft nach Neapel, und von da, nach erfolgter Kriegserflärung, wies 
Yeris zurück, entichloffen, feinem Scidfale zu folgen, obwol damals 
e geſtuͤrzt ward. Durch Empfehlung eines Freundes erhielt er die eben 
Reie als Diviſionschef im Miniſterium der ausmwärt. Angelegenheiten. 
Bpierre 8 Sturz im Diplomat. Gomite des Convents angejtellt, ward er, 
bloſſenem Krieden mit Preußen, 1795 zum Sefandten bei den Hanfe: 
kant und verheirathete ſich 1706 mit der Zochter Reimarus's in 
‚ 1793 ging er ald Sefandter nach Florenz, und als 1709 Toscana 


154 | Reinholb 


von den Scanzofen befegt wurde, bewirkte er, als Regierungscommiſſair, % 
Lande die Bildergalerie zu Florenz erhalten murbe.” Nach der Schlacht 
Trebia 1799, zur See ſich flüchtend, fand er im Hafen zu Villefranche fa 
nennung zum Gefandten in der Schweiz, und 3 Wochen fpäter in Tonk 
Ruf zum Minifterium ber auswaͤrt. Angelegenheiten. Nach dem 18. Be 
in dleſer Stelle beftätigt, gab er 10 Tage fpäter feine Entlaffung und trat a 
beider heivetifchen Republik die Sefandtfchaftsftelle an, welche er ſich ug 
ten hatte. Hier mit dem Grundfage der Einheit und Untheilbarkeit (nalen 
mit beffen Vertheidigern) im Kampfe, warb er nach 18 Monaten, noch w 
Ausbruche der innern Unruhen, zuruͤckberufen und erhielt 1802 Al 4 
dung nach Hamburg als Gefandter beim niederfächf. Kreife. 
der (gegen feinen Rath erfolgten) Verhaftung bes engl. —— BR Ru 
gerufen, entfchloß er fich zum Eril nach Jaſſy mit d. Titel eines G 
und Refidenten. Won bier warb er 1806, nad) dem Einmarſche ber 
Xruppen, durch ein Mißverftändniß, mit feiner Familie bis Kremendſch 
Dniepr geführt, jedoch fogleich freigelaffen, al8 der Kaifer Alerander day 
terrichtet worden war. Nach feiner Ruͤckkehr nach Frankreich zog er fih 4 
Landgut (Falkenluſt am Rhein) zurüd, als ihn Napoleon 1808 zum 
beim damaligen Könige von Weſtfalen ernannte. Dort blieb er, bis ihn 
Kriegsbegebenheiten nach Paris fuͤhrten. Nach Wiederherſtellung des K 
ward er auf des Prinzen Talleyrand's Vorſchlag zum Director der K 
© ausmwärt. Angeleg. und zum Staatsrath ernannt. Nach Br 
von Elba verließ er, durch Dienftgefchäfte zuruͤckgehalten, erſt einige 
nad) Ludwigs XVIII. Abreife, die Hauptftadt, um, mit Genehmigung % 
nige, auf feinen Gütern am Rhein die Ereigniffe abzuwarten. Durch ein 
verftändniß in Aachen zur Auslieferung feiner Papiere gezwungen und 
Perſon nad) Frankfurt gewiefen, befam er, von feinem Könige z 
und nach voller Ehrenklärung von Wien aus, nebft Zuruͤckſendung fe 
fiegelt gebliebenen Papiere, bald feine Freiheit wieder, worauf er fich ſi 
Gent begab. Im Dec. 1815 ging er als Geſandter nad) Frankfurt. 
Keinhold (Karl Leonhard), geb. zu Wien am 26. Oct. 1100 
der Philofophie zuerfl in Jena (feit 1787), dann in Kiel (feit 1794), mi 
diefer Eigenfhaft und ale k. daͤn. Etatsrath und Ritter vom Danebrog & 
Aprit 1823 geftorben ift, war einer der edelften Wahrheitsforſcher feit der | 
weiche Kant in der Gefchichte der Philofophie hervorgebracht, und wirkte ty 
atademifcher Lehrer, theils als Schriftfteller in einem Zeitraume von beb 
Detennien mit unermüdetem Fleiße, beifptellofer Selbftverleugnung und m 
nüsiger Wahrheitsliebe. Seine Altern, welche kathol. Religion waren, 
ihn dem geiftl. Stande gewidmet, zu dem eigne Neigung den Knaben hinza 
trat 1772 als Novitius in das Probehaus der Sefuiten zu Wien und, nad 
tee Aufhebung der Gefellfchaft Jeſu, 1774 in das zu Wien befindliche Gel 
der regulirten Priefter des Apofteld Paulus (indgemein Barnabiten genam 
weldyem er, 22 Jahr alt, Novitienmeifter und Lehrer der Philoſophie wun 
er nun mit großem Eifer oblag. Die ſchwaͤrmeriſche Verehrung der in f. A 
ihm eingeprägten Dogmen mar gewichen, aber ein defto größeres Intereffe 
fittliche Retigiofität geblieben, welches ihn anfpornte, zu einer allgergein g 
Erkenntniß der legten Gründe unferer Pflichten und Rechte in diefem — u 
ferer Erivartungen von dem zukünftigen — Leben durch Vernunftforfchung 
dringen. Sein philofophifches Zatent ſprach fich von der Zeit an, dan 
ſephs MH. Regierung eine neue und fchöne Periode für die oͤſtreich. Literatur 
(mit dem Anfange 1781), zuerft in den literarifchen Leiſtungen aus, die er | 
bindung mit den beften Köpfen Wiens hervorbrachte. Hierher gehören I 










Reinwardt 155 


ebenen Necenfionen, welche 1781 — 83 in der „Wiener Realzei⸗ 
e der Rubrik „Theologie und Kirchenweſen“ ſich finden; ferner mehre 
in in des Freib. v. Semmingen „Magazin für Wiffenfchaften und Li- 
bindem „Freimaurerjournal“, welches von der Loge zur wahren Ein- 
ien, deren Redner R. mehre Jahre war, herausgegeben wurde. Im⸗ 
rarde der Glaube an den Katholicismus und die Heiligkeit feiner Or: 
im ihm wankend. Sein freier Geift konnte nunmehr das ihm fo Un- 
und Drüdende feiner äußern Lage nicht länger ertragen. Cr entjog 
m Seffeln feines Standes durch, die Klucht im Herbfte 1783. ine 
ung der Umftände führte ihn von Leipzig, wo er das Winterfemefter 
itner's und A. Borlefungen gehört hatte, in Mai 1784 nad, Weimar, 
'8 väterliche Zuneigung f. Verhältniffe bald auf das Wuͤnſchenswer⸗ 
ee. Schon im Sommer des folg. J. ward er weimarifcher Rath, 
Echwiegerfohn und Gehülfe bei der Medaction des „Deutfchen Mer: 
Beimar verfate er, außer mehren Abhandlungen religioͤs⸗moraliſchen 
Ihe feine proteftantifchen Grundſaͤtze beurkundeten, die mit fo vielem 
jenommene „Chrentettung der Reformation gegen zwei Gapitel in 
Befchid;te der Deutſchen“ und die noch berühmtern „Briefe Über die 
hilofophie”, die im „D. Mercur” 1786 und 1787 erfchienen, fpäter 
xermehrt, in 2 Bdn. (Leipz. 1790— 92). Als Prof. in Jena behaup: 
feltenen Einfluß auf die Gemüther feiner Zuhörer. Ihm vornehmlich 
Univerfität während 1789—94 ihre Frequenz. Der Zauber feiner 
it nicht allein, fondern befonder® der fittlic) veredelnde Geift f. Unter: 
ie perfönliche Anmuth und Würde, die ihm in hohem Grabe eigen 
annen ihm ben ungemeffenen Beifall, die Kiebe und Verehrung feiner 
1 iſt Hier nicht der Drt, f. zahlreichen bis 1820 herausgeg. philofoph. 
yuführen, nur muß bemerkt werben, daß er in f. philofoph. Forſchun⸗ 
men Kant's, Fichte's, Bardili's und Jecobi's folgte, fowie er über: 
Receptivitaͤt als Selbſtthaͤtigkeit beſaß. Koͤppen hat ihn in diefer Hin: 
ie Cinmürfe f. Gegner vertheidigt. Eine Darftellung f. Lebens und 
Wirkens, nebft einer Auswahl von Briefen (philofoph. Inhalts, von 
e, Jacobi u. a. beruͤhmten philofophirenden Zeitgenoffen) an ihn, und 
ffenen Bitbniffe, hat f. Sohn, Ernſt Reinhold, Prof. der Philofophie 
ſelbſt 1825 herausgegeben. 

ıwardt (Kaspar Georg Karl), D. der Phitof. und Heilkunde, Ritter 
ad. Lömenordens, Prof. der Chemie, Botanik und Naturgefchichte zu 
tgl. des k. nieberländ. Inſtituts und mehrer gelehrten Gefellfch. zu Am: 
at, Brüffel, Batavia, Sena, Paris u. f. w., geb. den 3. Juni 1773 
mufen im Herzogthum Berg (jegigem preuß. Regierungsbesirte Düf: 
#in Holland feit 1787, two er in Amfterdam alte und neue Sprachen, 
fchaften, Pharmacie und Medicin ftudirte und 1800 zum Prof. der 
tanik und Naturgefch., 1808 zum Director des E. Mufeums für Na⸗ 
, 1810 zum Prof. in Umfterdam und fpäter in Leyden ernannt wurde. 
ibm der König den Auftrag, als Director bed Landbaus, der Künfte 
fhaften, die niederlind. Befigungen in Indien zu bereifen, wo er fid) 
-23 aufbielt, und worüber er, 3.3. über die Goldminen und a. Ge: 
fen Molukken, Nachrichten befanntgemadht hat. Seine zahlreichen 
eſtehen meiftens in Abhandl., Beite. zu Zeitfchriften, und akadem. Re⸗ 
choſikaliſche Gegenſtaͤnde. Mehre davon find in den Werken der ge: 
litute zu Amfterdam und Haarlem abgedrudt, deren Mitglied er ift. 
ste R. öfters Auftraͤge der Landesbehoͤrde Aber Gegenftände, die 
Arzneiwiſſenſchaft, das Apothekerweſen u. |. w. betreffend. In tem 


156 Reis ° Reifen 


9. Bd. der „Denkſchriften der Gefellfchaft der Wiffenfchaften und Kb 
Batavin”, deren Präfident er ift, und die fi unter ihm 1823 erneuch 
er eine gehaltvolle Beſchreibung der Gebirgsketten von Java in phufifck 
geographifcher Beziehung mitgetheil. Nach ihm iſt eine Zaubenart s 
worden. 

Reis (Reif, Oryza sativa Linn.). Von diefem Getreide gibt «8 „ 
Gattung, welche hauptfächlich in Oſtindien, in China, Japan und ander 
Ländern, im noͤrdl. Afrika, ferner auf dem feſten Lande und den Inſeln vi 
tifa, in Europa aber vorzüglich in Spanien, Stalien und I: mehren Prov 
Türkei gebaut wird. Auch in Mähren befchäftigt man fi) mit dem Au 
Reifes. Die Verfuche, die man damit in Sachſen und im Luͤneburgiſchen 
hat, find fehlgefchlagen. Es gibt zwei Hauptarten, den Berg = und den 
teiß, und von diefen wieder eine Menge Abarten. Der Sumpfreis fobe 
naffen, moraftigen Boten, der Bergreis hingegen ein hochliegendes, trodend 
Diefer ift Freilich meit wohlſchmecender und weißer als der Sumpfreis, I 
nicht fo ergiebig, und kommt daher menig oder gar nicht in Handel. 
Monate fängt der Reis an zu reifen; feine Halme, welche ungefähr die DW 
Federſpule haben, werden mit fcharfen Meſſern abgefchnitten, und darauf 
ren völlig getrocknet. Nachher breitet man fie Über der Erde auf Matten J 
fie durch Ochfen oder Sklaven austreten zu laffen. Da Kestere dies G 
bloßen Füßen verrichten müffen, fo ft e8 auch außerordentlich befchwer 
fie verwunden ihte Sußfohlen dabei bis zum Bluten. Bon den Hülfen, 
der ausgetretene Reis befindet, wird er auf Mühlen befreit. Um über da 
geführt zu werden und Aber Sahresfrift dauern zu Binnen, muß er in der € 
hige oder an gelindem Feuer gebörrt werden: daher feine Härte. Unfe: 
ziehen wir vorzuͤglich aus Nordamerika, wo Suͤdcarolina allein jähr!. an H- 
Zonnen (die Tonne zu 400 Pfund) verfendet, und aus Stalien. — Diet: 
diefes Getreides treibt einen 3—4 Fuß hohen, ftarken, feften, durd, RE: 
mehre Gelenke abgetheilten Stengel, mit langen, dicken Blättern, die 
gemeinem Rohr gleihen. Die Blüthen bilden anfangs eine Ähre, 
wenn der Same zu reifen beginnt, in einen lodern Büfchel ausbreitet. 
diefe Pflanze in der 2. Ordnung der 6. Claffe (Hexandria Digynia) f. € 
angeführt. Aus Reis wird Arak gebrannt. 

Reis: Effendi, f. Effenbi. 

Reifen tar von jeher ein Mittel, fich für die Welt zu bilden oder: 
ſchaftliche Erkenntniß zu befördern. Die Alten bildeten ſich auf Reifen zu 
gebern und Weifen: fo Lykurg, Solon, Pythagoras. Herodot reifte, um! 
fhichte zu ftudiren. Andre Zwecke hat der Staats: und Weltmann, am 
Gelehrte, Naturforfcher, Geograph, Arzt, Literntor, noch andre der Kuͤnſt 
Kaufmann, der Landwirth, der Soldat. ſ. w. Mit diefen Bildungs: = 
ſenſchaftlichen Reifen find bie Gefchäftsreifen nicht zu verwechfeln. Hi 
von jenen die Nede. Nach dem Zwecke, den Jeder fich vorfegt, muß er ſich 
Meife genau vorbereiten. Im Allgemeinen unternehme nur der reifere, n 
Geifte der alten und neuen Glaffiter vertraute, in der Mathematif und 4 
kunde, in der Staatswiſſenſchaft, in Geſchichte, Statiſtik und Geograpfl 
unterrichtete und einer oder mehrer Sprachen ganz Eundige Juͤngling eine | 
Reife; fi te fei ihm der Übergang aus der Studirftube zum praßtifchen Lech 
ihn zu einer freiern, lebendigern Anſicht der Welt führt. Übrigeng muß. der i 
zweck der Meife zuerft feit beflimmt, und ihm müffen alle übrige unterg 
werben. Dann aber gehe man nicht daraufaus, nur Vieles, fondern & 
fentliche genau zu bemerken, und, wo es angeht, mit befonderer Vorbereitun 
einer Örtlichen oder ſͤchtichen Ordnung. über praktiſche Mittel ſ. die Ein 


* 









Reifen (Sefchichte der) 157 


Guide des voyageurs”, ded Grafen von Berchtold „Anweiſung für 
Bd D. Zober, „Der deutfhe Wanderer” (2. Aufl., Berlin 1826). 
ſenſchaftlichen Reifen ftehen die Entdedlungdreifen oben an. Zu ei= 
en Entdeckungsreiſe gehören viele Vorbereitungen. Der wahre Ent: 
ner ausdauernden Gefundheit und Körperkraft genießen, abgehärtet 
mlidykeiten und Entbehrungen, die Geſchicklichkeit befigen, fid) überall 
unterhale felbft zu verfchaffen, Muth und Befonnenheit in Gefahren, 
Sache, Kenntniß der Hinderniffe und ihrer Wegräumung, ein vor= 
Auge und die Fertigkeit haben, richtige Erfahrungen genau machen 
beilen zu Eönnen. Dean lefe ©. Korfter im 1. Bd. f. „Ki. Schriften“ 
ı Entdeder. Auch erirmere man ſich an den behartlichen Fleiß, mit 
hornemann und Röntgen in Göttingen und London auf ihre Reifen 
wrbereiteten! Cine Geſchichte der Entdedungen befigen wir nod) 
Natth. Sprengel, Adelung, Reinh. Korfter und de Broffe haben zwar 
ARdnung und Kritik gefchrieben, aber nicht mit Voltftändigkeit. In 
der Reifen kann man folgende 5 Perioden annehmen: I. Das fruͤ⸗ 
: der Phönicier bis auf Herodot, 500 vor Chr. Die Phönicier un: 
e erſten Entdedungskeifen aus Handelszwecken, ober um Golonien 
dre Colonien thaten Daffelbe. Keider find die Nachrichten davon ent⸗ 
möel (wie von der phönicifhen Umfchiffung Afrikas), oder in Bilder 
die erfte Beſchiffung der Meerenge von Gibraltar), ober endlich ver- 
m. Wir mwiffen von ihren Entdedtungen außerhalb bes mittelländ. 
wenig. Sie fanden die Inſel Kerne (Arguin) an der Weſtkuͤſte Afri⸗ 
e Meer, Madera und die Zinninfeln (England); fie holten den Bern: 
winlich nur durch Zwiſchenhandel mit den Sitten). Ihre Karavanen⸗ 
‚und Afrika gaben ihnen eine Kenntniß von Ländern, wie wir diefelbe 
ſiden. Die tyrifche Solonie, das mächtige Carthago, unternahm noch 
Wungsteifen; aber fie find vergeffen, und ihre Erfolge find mit dem 
'ımtergegangen. II. Die Reifen der Griechen und die Heerfahrten 
on 500 vor bis 400 nad) Chr. Die Griechen unternahmen Reifen, 
a der Wiſſenſchaft zu erweitern. Außer den früheren Reifen Hero: 
e im f. Darftellung tem Wege ber Erfahrung treu folgte, und außer 
gitigen bes Hanno und Himilko aus Carthago, Eennen wir nod) ben 
ns Skylax aus Karyanda, tweldyer ungefähr in der Zeit des pelopon= 
96 lebte. Um 300 v. Chr. ftellte Pythend aus Marfeille zuerft aftro: 
sbachtungen an, um die Lage der Orter genauer zu beflimmen; 
Reifen nad) Norden hin unternommen, aber leider befigen wir nur 
kevon. Er drang am weiteften im Norben vor, bis Thule (Thual 
kifchen Norden), wahrfcheinlich Seland, wo ihm befonders die See: 
#) auffiel, und norböftlich bi6 an die Düna, von der er glaubt, fie 
8, der wie ein Canal das Nordmeer mit dem ſchwarzen Meer ver: 
w durch die Nachrichten von Alexanders Heereszuͤgen und durch die 
begenftände, welche diefer große König feinem Lehrer fchickte, als durch 
belehrt, erweiterte Ariftoteles das Gebiet der Laͤnderkunde. Darauf 
kit Derodot gefammelten Materialien, bald nad) Aleranders Tode, 
‚ weichen wir freilich nur aus Strabo kennen, der 300 Sahre fpäter 
x) gleihfam eine neue Aufl. der Schriften des Eratoſthenes in 17 
este. Afien bis an den Indus und Ganges war feit Aleranders Krie- 
geworben und wurde e8 immer mehr burd) die dafelbft entflandenen 
xedoniſchen Reiche. — Noms Heere erfeßten, was in diefem Zeitalter : 
Encdeckungsreiſen fehlte, und die Schriftfteller benusten die Kriege: 
Bmeiterimg der fruͤhern Laͤnderkunde. Aſien wurde ihnen unmittet- 


158 Reifen feit 1418 


bar bekannt; aus Indien erhielten fie Hanbelsnachrichten über Äghpteng 

eröffnete fich ihnen von Agnpten aus an der Nordküfte hin bis zum Niger, 
Europa lernten fie die pyrendifche Halbinſel, Gallien, Shdbritamnien, 
bis an die Elbe, Dacien und Pannonien Eennen. 111. Die Züge der Gel 
und Normänner, bi8 900 n. Chr. Die Völkerzüge des 5. und 6. Jahrh. 
ien uns die Spuren unbefannter oder fabelhufter Ländergrenzen. Oft-Rom 
ftantinopel) Fam mit vielen neuen Völkerftämmen in Berührung, von w 
f. Schriftfteller manche gute Nachrichten hinterlaffen haben. Den Bra 
fchloffen ſich die Araber an, welche theils durch ihre Heereszuͤge, theils due 
Handel, theils auf dem Wege der Wiffenfchaft fehr viel für die nähere F 
der Erde gethan haben. Einen Theil des norböftt. Aſiens, Mittel: und F 
afien, Nordafrika und Spanien öffnete ipnen das Schwert, und ihre 
fen zur See und zu Lande gingen nach den indifchen Infeln, nad China 
das Innere von Afrika; doch haben fie weniger geleitet fuͤr die wiffenſch 
Bearbeitung der Erdkunde als für die eigentliche Laͤnder⸗ und Voͤlkerkn 
Was die Araber im Often der befannten Erde durch ihre Eroberungen baf: 
. ten, das veranlaßten im Welten die germanifchen Völker, als fie mit darf: 
ten Völkern des weſtroͤmiſchen Reichs in nähere Berührung kamen. — J 
Norden thaten mehr noch als die Germanen die Normänner, denn 
ihnen neue, wenngleich nur zufällige Entdedtungen zu danken. Sie 
ihren Seezügen die Harder, Island (fhon 861), Grönland (982), deſſen 
fogar durch normännifche Niederlaffungen angebaut wurde, und 20%. fi 
der Normann Biden, durch Sturm fübweftlich verfchlagen, Winland (WE: 
von den wilden Weintrauben fo genannt), twahrfcheinlich die oͤſtl. Kuͤſten % 
nada, worauf die ganze Schilderung paßt. Damals veranftaltete auch Wa 
‚König der Angelfachfen, Alfred (ft. 901), zwei Entdedungsreifen durch d 
männer Other, der von Norwegen aus um das Nordcap ins meiße 
Biarmen (Permien), und Wulftan, der von Schleswig aus bis an den 
Meerbufen kam. IV. Neben den Handels» und Kriegsfahrten der A 
Mongolen werden die Reifen der chriftlidhen Glaubensboten und eins 
päer wichtig, bis 1400. Nicht genug, dap Pilgrime Wallfahrten un 
daB die Kreuzfahrer das flamwifche Deutfchland und Aſien genauer Eennen & 
die Päpfte ſchickten felbft Gefandte an die afiatifhen Sultane und ſpaͤter 
Khane der Tataren, um das weitere Vordringen diefer Horden dadurch ab; 
ren. Und wie viel haben nicht durch ihre Miffionsreifen Bonifacius für A 
hellung Deutfchlands (775), der heit. Otto für den flamwifchen Norden & 
Ansgarius (ft. 865) für Dänemark und Schweden gethan! Außer j 
fanutfchaften gab es noch einzelne Reifende, wie Joh. Mandeville aus 
1327, Joh. Schilbberger, ein deutfcher Kriegsfnecht, der 1396 bei Ni 
türkifche und hernach in mongolifche Gefangenfchaft gerieth und dadurch 
heit erhielt, jene Völker näher kennen zu lernen. Hundert Jahre Fra 
1270, reiſte der Venetianer Marco Polo durch ganz Afien bie nach Karel 
und-gleichzeitig mit Schildberger unternahmen die Brüder Zeno, zwei | 
Nobili, eine Reife nad) dem Norden. Nun beginnt V. mit Heinrich da 
fahrer und mit Colombo die Zeit der abfichtlichen oder ber wahren Entbed 
reifen feit 1418 fg. Nach der Kenntniß des Compaffes (zwiſchen 1% 
1320) erweiterte ſich die Schifffahrt und mit ihr die Gelegenheit zu große 
reifen. Die Staliener, vorzüglich Venedig und Genua, gaben das erfte V 
aber ihre Handelseiferfucht hat uns viel davon entzogen. Ihr Dandeil 
regte andre Völker zu gleichen Entdedungsreifen an. Die Portugiefen | 
durch ihre Kriege fchon früher mit Afrika in Verbindung; vorzüglich beteh 
teltete der Infant Heinrich der Seefahrer (f. d.), ungeachtet er nur‘ 






















Keifen feit 1418 159 


te, den fie fanden, den Eifer zu mweitern Reifen. Porto Santo, 
Kjoren wurden von 1418—50 entbedt; in demf. 3. fand man den 
d darauf Arguin (das Kerne der Aiten); 1462 Fam man nach Gui⸗ 
% umfegelte Barthol. Diaz die Sudfpige von Afrika, die er das Vor: 
zürme, fein König Johann LI. aber ber guten Hoffnung nannte. — 
Portugiefen den Weg um Afrika nach Indien durch ihren Vasco 
Ld.) 1498 fanden, beharrte Genua auf feinem alten, fo befchwer: 
fpieligen Handelswege; Spanien aber hatte mit den Mauren von 
iel zu thun, daß der geniale Golombo nirgends Gehör fand, um ſei⸗ 
un neuen Weg nad) Indien weftlich zu fuchen, auszuführen. End: 
e ihn die fpanifche Königin Sfabella; er fuhr aus, erblidte am 12. 
md und hatte die Lukay'ſche Infel Suanahani (San- Salvador) und 
ika entdeckt. Auf f. dritten Fahrt, 1498, betrat er das feite Land. 
zeit kam Johann Cabot aus Venedig, der in England lebte, nad) 
und Wirginien. 1500 entdedite Gabral, durch Sturm verfchlagen, 
aſtidas Terra⸗firma, Gortereal Labrador und die nachmalige Hub- 
xe be Leon entdedite 1512 Florida, und Balbao drang über Darien 
bite das Suͤdmeer. Nun erft wußte man, daß man Amerika und 
funden babe, daß beide ein ungeheures Weltmeer fcheide, in welchem 
te neue Welt ahnete. Damals machte der gelehrte Klorentiner Ames 
i(ſt. zu Liffabon 1506) durch feine Befchreibung Europa mit der Bes 
x entdeckten Länder bekannt. Hierauf umfchiffte 1519 fg. Fernando 
burdy die nad) ihm benannte Meerenge die Sübdfpige von Amerika 
wefllichen Weg nad) Indien. Nach und nach trat aud) das Innere 
ans feinem Dunkel hervor; Cortez und Pizarro, Almagro, Cartier 
aadıken auf ihren Reifen im Innern von Amerika von 1525— 41 
ngen. Vom noͤrdl. und oͤſtl. Amerika gaben uns Franz 
a Heemskerk, Hudfon und Baffin von 1559— 1616 genauere 
Aſien mit Amerika zufammenhänge, wußte man vorher nicht; aber 
der Koſak Semen Deſchnew vom Fluſſe Kolyma aus um das Vor⸗ 
ſhuktſchen durch eine Straße (Beringsſtraße) bis zur Mündung des 
es durch dieſe Reife ziemlich Elar geworben war, erhob Gapitain Be⸗ 
derch zur Gewißheit, daß er vom Fluffe der Kamtfchabalen durd) die 
wante Straße bis zum Serdze Kamen auf der tſchuktſchiſchen Halb⸗ 
. Mehre nachfolgende Reifende, und auch Cook auf f. dritten Reife, 
Ws. Gie und Vancouver unterfuchten noch genauer die Weftküfte 
Der norbamerikanifche Freiheitskrieg enthällte Nordamerika noch 
ie Miffionarien, 5.8. der Jeſuit Dobrishofer in Paraguay, im ſuͤdl. 
ine beſſere Kenntniß des Landes thätig getvefen waren; am vollſtaͤn⸗ 
wändlichften thaten dies Alerander v. Humboldt (ſ. d.), der 
msied (f. Wied) und mehre Briten und Deutfhe in Brafilien 
baben bie in das Innere von Afrika unternommenen Ent: 
ihrer Abficht entfprochen. Die Portugiefen erforfchten nur die Laͤn⸗ 
rRüfle nahe lagen, denn fie beſchraͤnkten fic) auf den Seehandel nach 
u Basto da Gama wurde die Weſtkuͤſte, und nach ihm die Oſtkuͤſte 
1497); erſt im 16. Jahrh. befuhren fie das rothe Meer, doch 
u Abyſſinien. (S. Damian da Goes, „De rebus Aethiopieis ete.”, 
Ksppten wurbe von Pilgrimen befucht; aber dennoch blieb bie 
Eas nur Stuͤckwerk. Die Südfpise von Afrika wurde zwar von 
ia näher unterfucht; aber weiter nördlich drangen erſt die Schweden 
nb Thunberg, darauf Levaillant, und endlich, Lichtenftein. Nach 
w Rubien reifte 1768-73 James Bruce, deffen Kunde von den 


160 Keifen feit 1418 

Quellen des Nils Salt 1809 beftätigte. Einen umfaffendern Plan zur 
dung des innern Afrika entwarf und befolgt bis jegt die 1788 in England ı 
dene Afrikanifhe Geſellſchaft (f. d.). Wichtiger für die Laͤnb 
waren Burkhard’s, Bowdich's, Mollien’s, Campbell's u. A. afrikaniſche 
ſowie des Lords Valentin und Salt's Reifen nad) Abpffinien, die nach | 
und Nubien von Belzoni, Sau, Menu v. Minutoli, und die von J. X 
1824 nad) Eyrene. — Aſien wurde zuerft von den Portugiefen, fpäter 
von Engländern und Ruffen befuht. Schon Vasco da Gama fand 14 
malabarifche Küfte, und bis 1542 war faft die ganze ſuͤdliche Küfte mit ihe 
felgruppen, ja auch Japan von ben Portugiefen entdedt. Aber nur bie 
bekannt, bis in der Mitte des 16. Jahrh. die Engländer den Grund zu 
[haft in Indien legten, wodurdy auch das Innere Afiens dem gebild 
enthüllt wurde. Im höhern Afien unternahmen die Ruffen bedeutende! 
1577 ward Sibirien ducch den Kofadenhauptmann Jermak Timoſejeff 
uff. Kaufmann Stroganoff entdedt; 1639 drang Kopiloff bis an bie 
Küfte Afiens vor, und bald darauf fand man auch Kamtfchatla. Seit1 
men die Kurilen, die Aleuten und die Fuchsinſeln bis an die Küfte von } 
zum Vorfchein, und im nördlichen Afien machten auf Veranſtaltung der di 
Regierung Müller, Gmelin, Lepechin, Güldenftädt, Falk, aber vor Allen 
die wichtigften Entdedungsreifen. Somie Laperoufe den Norboften 
fimmte, fo erforfchten die Ruffen durch Gärber, Reineggs, Klaproth, 
gelhardt den Kaukaſus und das Easpifche Meer; Golowkin befchrieb fi 
enthalt in Japan. Auch die übrigen Gegenden Afiens wurden befannter: 
durch Garften Niebuhr, der es im Auftrage der dänifchen Regierung 176 
Beförderung einer beffern Bibelerklaͤrung befuchte; Perfien befonders 
Chardin von 1664— 77, und in der neueften Zeit durch die Engländer 
Dufeley; Kabul durch Elphinſtone; Eyrien und Paldftina duch Pi 
Alterthumsforſcher. Aber Nordindien, Tibet und das Innere der q 
difhen Inſeln ift noch immer zu wenig befannt. — In dem Suͤdm 
fchon die Portugiefen eine neue Welt, und der franz. Rechtögelehrte B 
in f. „Anleitung zur Geſchichte“ 1610 ſchon 5 Welttheile — Europa, 
fa, Amerika und Auffealien — an. 1511 kamen die Portugiefen nah F 
nea, und Magelhaens befuchte bei feiner Erdumfchiffung gleichfalls das 
Doch blieben diefe Entdertungen, wie bie eines Mendoza, Mindana und! 
1568— 1605, meift unbenugt, bis die Holländer feit 1615 durch Lemaire, 
ten, Hertoge und Tasman Entdedungsreifen machen liegen und Neuhollas 
feeland und die Freundfchaftsinfeln fanden. Dampierre berichtigte zwar F 
Entdedungen im Sübmeer, aber. am genaueften erforfchte Cook feit 1 
neue Welt, ſodaß einem Vancouver, Laperoufe, Krufenftern und Kogebue 
nig übrigblieb. Die von britifchen Seefahrern 1819 gemachte Entde 
Küfte am Südpole, die man Neufüdfhetland genannt hat, verfpricht neut 
cherungen der Erdkunde. (S. Shetland.) Über die neueften wiſſenſch 
Reiſen britifcher Seefahrer nad) dem Nordpol, f.d. — Bid jest fehlt 
an einer Eritifchen Darftellung der verfchiedenen Entdedungsreifen, von dM 
bier nur einige der bedeutendften anführen Eonnten. Vielleicht möchte dies! 
Methode des geographifchen Studiums fein, wenn die durch Reifen fet 
und Homer allmälig bewirkte Erweiterung der Erdkunde in einer oro⸗ um 
graphifchen Zeichnung dem jugendlichen Verftande vorgeführt würde. 
Zwed enthalten manches Gute Zeune's „Anfihten der Erdkunde” 

und deffen „Gaͤa“, fowie Sprengel’ „Gefchichte der geograph. Entdeck 
v. Zimmermann's Schriften und Maltebrun's „Gefchichte der Erdkunde“ 
Engländer Murray lieferte über die Geſchichte der geograph. Entdedungen A 













Reifen, Literatur 161 


„Historical aceount of the discoveries and travels in Africa” 
17, 2 Bde.) und „Historical account of the discoveries and travels 
Feind. 1820, 3 Bde.), wovon das erfte brauchbarer als das zweite ift. 
t uns noch eine hronologifhe Darftellung der Reifebefchreibungen mit 

und biographiſchen Nadyrichten; denn was Stud (in feinem „Vers 
bis 1735), Boucher de la Richarderie und Bedimann geliefert haben, iſt 
dig. Selbſt die großen Sammlungen von Reifebefchreibungen, welche 
Eprengel, Bertuch u. A. zu Weimar („Bibl. der wichtigften Reiſe⸗ 
jet 94 Bde.), Pinkerton (London 1815 fg.), Robert Kerr (London 
und 3. veranftaltet haben, ſowie Spiker’s „Journal der Lands und 
find nicht nad) einem ftreng wiffenfchaftlicyen Plane angelegt. Dies 
nehr der Fall zu fein bei der vom ruff. Etaterath von Umaroff in ruffis 
he unternommenen Herausgabe einer vollftändigen Sammlung aller 
teifen durch das ruffifche Reich, an welchen Akademiker Theil gehabt 
Anmerkungen und Zufägen des Herausgebers, wovon 2 Theile bereits 
nd, und beider „Hist. generale des voynges” etc. von Walckenaer 
6, bis jest 3 Wde.). — Die erften Keime der Erdkunde aus Meifebe: 
halten die Moſaiſchen Urkunden; ihnen fchließt ſich Joſua (1400 v. 
Homer , Hefiod (1000 v. Chr.), Herobot und Ariftoteles (444 und 
.) unter den Griechen; Hanno umter ben Karthagern (440 v. Chr.). 
fie die neuern kritiſchen Geographen: Kennel, Goffelin, Mannert, 
) Polnbius, Hipparch, Artemidor fügten 300 J. fpäter neue Reife: 
gen hinzu; Juba, König von Mauritanien, befchrieb Libyen im Zeit: 
aguftus, und Strabo (11n. Chr.) fammelte alles bisher Erforfchte in 
ffenden Werke. Ahnliches thaten Pomponius Mela (50 J. n. Chr.) 
foäter der fleißige Plinius. Arrian unter dem Kaifer Hadrian ſchil⸗ 
2, und Marinus aus Zyrus in Phönizien (150 n. Chr.), feinem Zeit: 
Xxolemaͤus ſich anfchließend, beftimmte weit genauer die Lage der Or: 
kenn nach Diefen die wiffenfchaftliche Bearbeitung der Geographie über 
mbte, fo gemann deſto mehr die Länderfunde durch trefflidhe Reiſebe⸗ 
u, unter welchen wir nur nennen: Paufaniae (170 n. Chr.), Agathes 
a Chr.), Marcian aus Heraklea (200 n. Chr.), Aguthodämon ; in 
ke wahrſcheinlich auch die Peutinger’fche „Erdtafel”. Was germanifche 
ı und Kreuzfahrten lehrten, das fammelten bie Kirchenväter, aus deren 
mbaften Erzählungen ein dgnptifcher Mind, Kosmas, gewoͤhnlich 
6, Indusfahrer, genannt, obgleich er felbft nur bis Athiopien kam, 
liche Oxtöbefchreibung (450 n. Chr) verfaßte. Ungefähr zwei Jahth. 
der Erdbefchreiber von Ravenna (Sprengel nennt ihn Guido, jedoch iſt 
ne Verwechſelung mit feinem Volksnamen, denn er war ein Gothe), def: 
whie wir nur aus dem nachläffigen Auszuge des Saladro kennen. Von 
a fommen jegt ſchon mehre Eremplare vor; Karls des Gr. Landcharte 
Iherne Tafel. — Dieſen chriſtlichen Erbbefchreibern fchließen ſich die 
Keifebeichteiber an. Wahad und Abuzeid durdywanderten die oͤſtl. 
ind und haben die Schilderungen diefer Reife uns hinterlaffen (851 
Ske.); Abu⸗Iſchak gab (920 n. Chr.) feine Reife von Khorafan bie 
ws. Maffudi Kothbeddin aus Gairo befchrieb (947 n. Chr.) die bekann⸗ 
igreiche der brei Erdtheile unter d. Titel: „Die vergolbete Wiefe und bie 
r Gdelfteine”. Im 3.980 befchreibt Ibn Haufal vorzüglich die mo- 
üfchen Länder. Um 1140 erfchien die Reife der Almagrurim (Irren⸗ 
1153 trat der berühmte nubiſche Erbbefchreiber, der Sherif Edrifi, 
Roch gedenken wir der Reifebefchreibungen des Juden Bejamin aus Zu: 
Geriers Ibn al Wardi und des Perfers Hamdullah, von 1160— 1240. 
u. Eiebente Aufl, Bb. IX. 11 


162 Reste 


Rulsbroeck (Rubriquis), ein Minorit aus Brabant, durchwanderte, als 
ter Ludwigs d. Heiligen an den großen Mogul, den groͤßten Theil von 
aſien und hat ums ſchriftlich die hoͤchſt anziehenden Ergebniſſe feiner Rei 
laffen. Marco Polo aus Venedig reifte faft 20 J. nad) Ruisbroeck (127 
ganz Aſien bis nach Khatal (China). 50 J. fpäter fihrieb Abulfeda, 3 
Hamah In Syrien, fein geographiſches Werk: „Beſchreibung des Bew 
1390 machten die Brüder Zeno aus Venedig eine Reife nad) dem Morde 
einer ihrer Nachkommen befchrieben hat. In diefer Zeit erfchienen auch 
Landcharten vom Perfer Naffir Eddin, von Picigno, Mart. Sanudo, 
Bianco, Benincaſa, Rofelli, Brazl, Behaim und Ulug⸗Beg, einem € 
merlan's m Samarkand. Die erfte Landcharte, auf welcher Amerika fid 
verfertigten die Brüder Appiani, und bald darauf Ribero. Um biefe Zeh 
lebte Leo aus Granada, welcher eine Befchreibung Afrikas lieferte. 50 © 

- gab ber berühmte Gerhard Mercator, ein Deutſcher, feine Charten her 
jest gefchahen auch die Gradmeffungen von Ferrel, Snell, Norwood, 
und Picard von 1550— 1669, die erften in Europa, 700 3. fpäter, als 
bifche Khalif Als Mamun in Afien die erfte Grabmeffung veranftaltete. 
Anfange des 17. Jahrh. machte ſich ber oͤſtr Gefandte von Herberftei 
um die Geographie von Rufland durch feine „Commentarien’’ verdient; 4 
deffelben Jahrh. reifte Engelbrecht Kämpfer nad) Japan und hinterließ = 
noch jeßt fehr wichtige Neifebefchreibung. Am Anfange des 18. Jahrh. 
Gradmeffungen von Conbamine und Maupertuls und bie Landcharten u 
fon und Homann auszuzeichnen. Jene Bemühungen der franz., ſchu 
fpanifchen Mathematiker, die Grade unter verſchiedenen Breiten zu meſſi 
den im 19. Jahrh. fortgefegt, und 1818 verknüpften die britifchen Aflı 
die ihrigen mit den frangöfifchen. Dies und die geographifdye Ortsheflü 
fowie die Triangularvermeffungen verfchiedener Länder, feit die Caffini is 
reich ein Mufter aufftellten, Haben unfer Landchartenweſen febr verbeffert: 
hierüber die „Monatl. Sorrefpondenz” von Zach, die „Allg. gear. 
die „Afteon. Jahrb.“ von Bohnenberger und von Lindenau. (Bol. 
phie, wie auh Brunnen» und Babdereifen, Italienifhe A 
Schweizerreiſen.) 

Reiske (Johann Jakob), ein fuͤr die griechiſche und beſonders 
arabiſche Literatur raſtlos thaͤtiger Philolog, geb. zu Zoͤrbig in Sachſen 
war der Sohn eines Lohgerbers, der für feine Erziehung wenig thun 
Gleichwol legte R. theil auf der Stadtfchule zu Zörbig, theil® durch Priv 
richt und von 1728 — 32 im Waifenhaufe zu Hale einen trefflidhen Grun 
Schulwiſſenſchaften, und ging, mit tüchtigen Kenntniffen ausgerüftet, 17 
Leipzig auf die Univerfität. Durch die Eiöfterliche Erziehung in Halle fin 
träbfinnig geftimmt und von allem Umgang zurlicigezogen, befuchte er = 
Collegia, fondern fludirte ohne Ordnung für ſich, hauptſaͤchlich Sprache 
Leipzig bemächtigte ſich feiner eine heftige Begierde, die arabifche Sprache 
diren, und er benußte, was fich ihm hier an Hülfgmitteln darbot. Als H 
nicht mehr genügten, trat er 1738 ohne alle Hülfsmittel feine Reife nach 
dem damaligen Gige der arabifhen Literatur, an. In Hamburg fand 
edle Gönner, den Paftor Wolf und den Prof. Reimarus, die ihm die En 
des lang erfehnten Ziels möglich machten. In Leyden ftand ihm durch S 
die Bibliothek offen, die er fleißig benugte. D’Droille und Burmann, I 
Überfegumgen ımb Eorrecturen brauchten, twurben feine Gönner. RR, tl 

philologiſchen Studien mit dem größten Eifer und nebenbei das theoretift 
dium ber Medicin fo, daß er von der medicinifchen Facultät Eoftenfrei zum 
promovirt wurde. DR. hatte ſowol wegen feines Fleißes als wegen feiner! 


Reißsli 163 


zben den beiten Huf. Anftellungen, die ihm angeboten wurden, 
aus, ba er noch höhere Hoffnungen hatte, die jeboch unerfüllt blies 
ste in Holland gluͤcklich fein können, wenn er fidy nicht durch Eigen 
be zur Unabhängigkeit Beinde gemacht hätte. Aller Ausfichten das 
,„ ward ihm Holland verhaßt; er kehrte daher 1746 nach Leipzig zu⸗ 
uch hier konnte er nichts erlangen als 1748 durch die Gnade des Kuss 
Fitel eined Prof. der arabifhen Sprache. Beinen Unterhalt mufte 
Privatımterricht, Bücherfchreiben, Gorrigiren, Überfegen und Aufe 
en kritiſchen Sournaien mühfam erwerben. Indeß druͤckten ihn ſtets 
gen, da er faſt feinen ganzen Verdienſt zum Ankauf der trefflichften 
uͤglich in der griech. und arab. Literatur, verwendete und von feinen 
nen Vortheil zu ziehen wußte. 1756 erwarb er fich durch Erklaͤrung 
en Inſchrift die Gunft des Grafen von Waderbarth, der ihm 1758 
Einfluß die erledigte Rectorſtelle an der Nicolaifchule zu Leipzig ver⸗ 
Sabre hindurch verwaltete R. dies Amt mit Treue und Gewiſſenhaf⸗ 
ichtet ſeiner zahlreichen literarifchen Arbeiten. 1763 verheirathete er 
ft. Chriſt. Müller, einer Frau von feltenen Eigenſchaften und einer 
zanz ungewöhnlichen Gelehrſamkeit. Sie erheiterte ihm fein mühes 
unterftügte ihn bei feinen Arbeiten und mar ihm treue Pflegerin bie 
d, 1774. Die griech. Literatur verdankt R. vorzüglich treffliche Aus» 
deokrit ( Wien und Leipzig 1765, 2 Bde, 4.), der griech. Redner 
D—75, 12 Bde.), des Piutardy (Leipzig 1774— 79, 12 Bde), des 
m Halikarnaß (Leip. 1774— 77, 6 Bde.), des Marimus aus Ty⸗ 
1774, 2 Bre.). Seine ungemeine Belefenheit und feinen Eritiichen 
bat er in den „Animadversiones in graecos auetores“ bewiefen 
9—66, 6 Bbe.), in denen eine grofie Anzahl von Stellen aus den 
fern verbeffert worden find. Seiner Überfegung der Reden des Des 
nd Aſchines (Lemgo 1764 fg., 5 Bde.) fehlt e8 dagegen völlig an 
nd Eleganz, obgleich fie treu und richtig if. Die zahlreiche Samm⸗ 
fäichen, vorzüglich arabifchen Handfchriften, die er mit dem größten 
m Mühe und Koften theils felbft abgefchrieben, theild an fich gekauft 
dnach R.'s Tode der große Beſchuͤtzer der Wiffenfchaften, Suhm (in 
L MM. bat fein Leben felbit mit einer Unparteilichkeit und Dffens 
ı Belermen feiner Schwächen und Fehler befchrieben, daß man ſich 
‚ zur Achtung feines Charakters und feiner Wahrheitsliebe aufge 
‚ eine Frau bat diefe Lebensbefchreibung, die fie bis zum Sterbes 
Barnes fortfegte, 1783 zu Leipzig herausgegeben. Damit verdient 
„Vita L LR.“ von S. F. N. Morus (Leipzig 1777) verglichen zu 


blei, Graphit, ein Mineral, welches felten in fechsfeitigen Saͤu⸗ 
et, häufiger derb und eingefprengt, vortommt. Seine Farbe iſt das 
wid Eiſenſchwarze; ſtark metallifch glänzend und ſchimmernd; Bruch 
Ex ift weich, gibt ein graulichfchwarzes, matte® Pulver und hinter 
Papier bleigraue Streifen. Er erfcheint den Altern Gebirgsgeſtei⸗ 
mgt, auch Iagenweis in denfelben, befonders im Baireutbfchen, hei 
Beim, auf Groͤnland u. ſ. w. Der Graphit, mit welchem die Bes 
Polargegenden ſich und ihre Geräthfchaften bemalen und 
a England nur zum Zeichnen der Schafe gebraucht wurde, dient zu 
u Bleiſtiften; für diefen Behuf gebührt dem Gumberländifchen der 
Berner werden, mit einem Zufes von Thon, Schmelstiegei (Paffauers, 
elleißbleitiegei) daraus bereitet, welche in chemifchen Laboratorien, in 
bi Geld: und Silberarbeitern u. [. w. zum Schmelzen von Gold, Si 
11 * 







164 Reiten 


ber, Kupfer, Meffing u. f. w. weſentliche Dienſte leiften. Auch gebraw 
den geringern Graphit zum Poliren, zum Gchwärzen eiferner Öfen x., 
um Gppsbildern und Thonoͤfen das Anfehen von Eifen zu geben; in eim 
menge mit Bett gebraucht man ihn ale Mafchinenfchmiere, ober al& Heilml 
der die Flechten. — Bei Erzeugung des grauen oder garen Roheiſens entf 
kuͤnſtlicher Graphit, ber wie der natürliche angewendet werben fan. 
Reiten. Keine Bewegung wirkt ihrer Natur nach fo fehr auf bi 
thierifche Ökonomie als das Reiten, und ber Einfluß, welchen es nach der 
der dadurch hetvorgebradhten Erſchuͤtterung auf den Organismus hat, 4 
die Vortheile und Nachtheile und weiſt auf bie dabei zu beobachtende Vorſi 
Es erzeugt eine Reihe von Veränderungen, die im Allgemeinen ſtaͤrkend 
umb eben Das hervorbringen, was durch tonifche Arzneimittel bewirkt werd 
- Kräftigung der Organe und Erhoͤhung ihrer Lebensthätigkeit. Der Einfl 
felben äußert ſich vornehmlich auf die Verdauungsorgane, indem das Bei 
dem Effen zum Genuffe reizt und nach bemfelben die Verdauung befchleunig 
den Blutumlauf, ba es die Bewegung der Arterien ftärkt, ohne den Puls 
fhleunigen; auf die Xhätigkeit ber Lunge, die es gleichfalls befördert, foh 
Bewegung des Pferdes nicht zu heftig ift, und auf da6 Nervenſyſtem. 
funden Zuftande behalten die Organe der Lebensthätigkeit dabei ihre na 
Wirkfamteit, und das Reiten erhält fie bloß in einer gluͤcklichen Harmonie; 
aber in ben zur Abfonderung oder Ausdünftung beftimmten Organen & 
eingetreten ift, wird die Thätigkeit derſelben durch jene Bewegung vermd 
bäufiger, und eben baher der natürliche Zuftand hergeftellt. Auch die M 
ber einfaugenden Gefäße wird durch das Meiten regelmäßig und der orgA 
Stimmung jedes Einzelnen angemeffen erhalten. Schon Ältere Ärzte un 
den Neuern vorzüglich Sydenham, empfahlen das Reiten al ein Hei 
bald für ſich, bald in Verbindung mit andern Mitteln, die Eräftigfte 
zeige. Es iſt im Allgemeinen nüglich in allen Krankheiten, wo Erſch 
Gefäße und Traͤgheit in den organifchen Bewegungen eingetreten ift. 
tem kann daher nicht in hitzigen Krankheiten bienen, wo die Thaͤtigkeit ben 
keln gewöhnlich gehemmt ift, dagegen ift es befto nüglicher nach der Genefl 
Fiebern, fowie in den fieberfreien Zwifchenräumen bei hartnaͤckigen Wechfell 
bei Entzuͤndungen iſt es bedenklich, da die dadurch hervorgebrachte Erich 
auf den entzündeten Theil ſchaͤdlich wirkt und durch die in der ganzen thl 
onomie hervorgebrachte erhöhte Thätigkeit das Fieber neue 
fetbft bei chronifchen Entzündungen ift Vorſicht nöthig. Lungenentzän 
werben nicht felten dadurch gefährlicher, und man muß daher diefe Entzäg 
wohl von atarchalifchen Leiden unterfcheiden, bei weichen das Reiten vom; 
Nutzen iſt. Sydenham empfahl es freilich zu fehr bei Lungenfuchten, 
unſtreitig ein Mittel, das die Krankheit verhüten und bie Entwidelung d 
aufhalten kann. Bei Durchfaͤllen, die in Schwäche des Darmcanals ihren 
haben, iſt es fehr wirkfam, und bei vielen Nervenlibeln ein Eräftiges Nebe 
Aus bemfelben Grunde empfiehlt e8 fich bei hypochondriſchen Zeiden. Mau 
es gleichfalls bei ffrophuldfen und fEorbutifchen Übeln, und Ramazzini alt 
tes Mittel bei anfangender Bauchwaſſerſucht. Soll es bei langwierigen M 
ten wirken, fo muß es täglich wenigftens ein Mat ftattfinden. Wird eb dl 
mittel gebraucht, fo hat man Überhaupt darauf zu fehen, dag man ein fanflı 
ſames, nicht an ermübende Bewegungen gewöhntes Pferd wähle; daß m 
Beinen Spaziecritten beginne, bie man nad) und nach verlängert, und Wi 
gen= und Abendkühle fowie die Mittagshige im Sommer vermeide; daßl 
Schnelligkeit der Bewegung nach der Wirkung, die man hervorbringen u 
meſſe, und endlich, daß man ben Einfluß beobadıte, den das Reiten auf U 


Keiterei 165 
‚ um darnach zu beftimmen, ob man vor Tiſche ober eine Stunde nach⸗ 
W. 


erei, Savalerie, eine der drei Zruppen= oder Waffengattungen 
saltige, durch nichts zu erfegende Kraft in der Hand eines Kriegfühs 
ve Wefen richtig erkennt und der fie gehörig zu verwenden verfteht. 
ilich ein kuͤhnerer Geiſt erfoderlich, der feine Mittel über den gewoͤhnli⸗ 
erksmaͤßigen Gebrauch zu erheben weiß; denn eben die gewöhnliche 
ng der Reiterei, zu welcher fie ſich durch raſchere Beweglichkeit mehr 
mdre Truppen, iſt ein untergeordneter Zweck und ließe fi am Ende 
en mehrften Faͤllen durch andre Truppen erfegen, wenn auch nicht mit 
keit. Der höhere Zwed der Meiterei beruht einmal auf dem moras 
ud, durch weichen fie ihrer Natur nach fchon einen bedeutenden Ein> 
ı Gegner erlangt: ein Eindrud, der ſich nie ableugnen läßt und wels 
daͤrker wird, je mehr fie in Maſſen wirkt, die burch befchleunigtere Ges 
tan Kraft wachen. Dann beruht ihr Zwed ferner auf jener eigen> 
Beweglichkeit, Durch welche es möglidy wird, den Moment entfcheidenb 
wo ber Gegner Bösen gibt, Lüden und Verwirrung in feinen Reihen 
ine Niederlage vollendet, wo er bucch einen großen, kuͤhnen Zug außer 
wacht, oder endlich, wo feine Maffen mit einem Stoß über den Haus 
u werben müffen. — Die Verwendung ber Reiterei wird allerdings 
weischkeit oft befchränkt. In Gebirgsgegenden, im fehr durchichnittes 
npfigen Boden vermag fie in größern Maffen fo wenig zu leiften tie 
Man hat fie in neuern Zeiten felbft gegen Verſchanzungen geführt, 
abei aufgeopfert. Man bat fie in einzelnen Säulen auch wol abfigen 
Woolt wirken laflen, was ausnahmsweiſe zwedimäßig fein kann, im 
xx gegen ihre Beflimmung und Einrichtung ift, auch wie alles Halbe. 
resfprießlidh fein möchte, wenn es ihrer Beſtimmung beigefügt werben 
mfo wenig wird man ganze Reiterheere im Laufe eines Feldzugs bei» 
kten können und große Cavaleriemaſſen überhaupt nur zu befondern 
d Schlachten häufen, fie würden außerdem unbequem und nicht überall 
rpflegen fein. — Der ungleiche Bau des Pferdes, die fehr verfchie: 
k und Mage deſſelben hat von jeher Abtheilungen in leichte, ſchwerere 
Reiterei nöthig gemacht, worauf bei ihrer Verwendung ebenfalls Ruͤck⸗ 
waen werden muß. Der fchwerberoaffnete, geharniſchte Reitertrupp 
ı) wird mehr in Mafle, wo es auf Nachdruck ankommt, ber leichtere, 
mehr vereinzelt zu Dienſtleiſtungen gebraucht werden koͤnnen, wozu 
in und Unermüdlichkeit erfodert wird. Inzwiſchen muͤſſen Cuiraſſiere 
ner, Uhlanen wie Huſaren, Jaͤger zu Pferde wie Chevaurlegers in der 
ı zu gleicher Dienftteiftung eingeuͤbt werden und fo gut in der Linie wie 
ten können. — Die Reiterei ift wahrſcheinlich fo alt wie der Krieg felbft, 
ma Ländern, wo die Pferdezucht befonders gedeiht und der Mann gleich> 
m Pferde lebt, focht ex auch am liebften zu Pferde. Die Ügppter fol 
or Moſes Cavalerie gehabthaben. Die Jfraeliten im Kampfe mit ih: 
mevöllern befamen es oft mit Neiterei zu thun, ſcheuten ſich aber das 
eigen, bis zu Salomo's Zeiten. Die Griechen feinen erft feit dem 
eſſeniſchen Krieg Reiterei eingeführt und verhattnigmäßig ſtets nur wes 
wu haben; doch war fie die geehrrere Zruppe bei ihnen, in welche nur 
sten Bürger eintraten. Um fo zahlreicher war die perfifche und fpäter 
karebonifche Gavalerie. Die Roͤmer lernten fie durch Pyrrhus und durch 
eninenfer gebrauchen ; fpäter fland ihre gallifche Meiterei in befonderm 
Im Mittelalter Bannte der Ritter nur den Reiterkampf und verachtete 
Bm Fuß; es gab aber überhaupt keine geregelte Kriegstunft , die erſt 


166 Reitkunſt 
nach und nach wleder hervorgeſucht wurde. Daher man nach Einführung 
Geſchuͤtzweſens zwar Reiterei hatte, fie aber nur aͤußerſt ungeſchickt und mg 
mäßig gebrauchte; Guſtav Adolfs genialer Blick wußte fie zuerſt beſſer zu me 
gen. Ihm gebrach es an der faſt noch uͤberall ſeit den Ritterzeiten üblichen fü 
ren Reiterei, aber er fand auch, daß der Vortheil keineswegs in der Schwerel 
fondern in der Beweglichkeit. Dem gemäß organifirte und formirte ex feinet 
terregimenter umb erwies ihren wahren Nuten, den jedoch erſt Seydlitz im g 
zendſten Lichte zeigte. Napoleon ſchien den hohen Werth der Meiterei im Ger 
gar wohl zu kennen, fie aber oft auch fihonung6lo6 zu verſchwenden. Dies unt 
wiſſe fehlerhafte Einrichtungen, die fich hier und ba in einigen Armeen eingefdilk 
hatten, viele hieraus nothwendig folgende Erfahrungen, wo bie Reiterei nidk 
ſten tonnte, was man oft fogar unbillig von ihr erwartete und was zufällig k 
idee Truppen ebenfo oder beffer geleiftet wurde, brachten in unfern Zeiten ſch 
Eende Anfichten über den Nusen der Reiterei zum Vorfchein, von denen mam; 
zucuͤckkommt. Doch ift ihr wieber einmal ein Seydlig zu wuͤnſchen. Wichtig 
die Schriften des Generals Bismark (f.d.) über das Wefen der Reiterels«. 
„Rachrichten und Betrachtungen über die Thaten und Schickſale der Reiten 
den Feldzuͤgen Friedrich IE. und in denen neuerer Zeit‘. t 
Reitkunſt. Die Fabel hat uns die erften Anfänge einer Kunſt ech. 
die bei den jebe Koͤrpergeſchicklichkeit pflegenden Völkern ber alten Welt bis g. 
ner Ausbildung gebracht ward, bie in ber neuern Zeit kaum wieder erreicht md; 
ift. Die Sefchichte ber Reitkunſt fängt für uns bei den Griechen anı, 
dieſen mit dem Pferde ſelbſt, das im gebirgigen Hellas und in dieſer 
(Herod., l, 78) ein Fremdiing iſt, von ben Nordkuͤſten Afrikas mag zuge 
worden fein. Ob das Pferd aus dem Dfcyiggelat, dem Heimathlande der & 
tin, feiner beften Nahrung, aus Libyen oder Ägypten nach dem Pelopn, 
und nach Xheffalien kam, wo e8 auf fetter Weide wieder verwilderte, 
nicht beſtimmen. Wuhrfcheinlich kam das Pferd zu Schiffe durch p 
Maͤkler nad) dem Peloponnes und durch fie die Kunſt, es an Quadrigen fe | 
nen und zum Kampffpiel zu brauchen. Daher war das Pferd ein Geſchenl 
Pofeidon, der felbft aus dem roffenährenden Libyen herſtammt, und fein dA 
Cultus an den Küftenplägen Griechenlands, 5.8. in Ondeflus, in den ga 
chen Ebenen bes Eopaifchen Sees mit Roßfpielen verbunden, die an Entwilbel 
bes Pferdes erinnern foliten. (M.f. Sigen, „Zum Homer. Hymnus auf den p 
(hen Apollo, V. 56 fg.“; Paun., IX, 26.) — Undeutlicher find die Winte übe 
Weg, den das Pferd nahm, um nad) Theffalten zu gelangen. Aber dort 
Lande der Centauren, bemerkt man bie erften Anfänge des Reitens. In bebi 
falifchen Pelion fruchtbarem Bergthale Pelethronium erfanden die Lapithen, 
Pferd mit dem Zaume in Kreismendung zu tummeln, und fie lehrten es im M 
zu brauchen. Spätere Sagem wichen von biefen Angaben ab; fo laͤßt Pi 
ben Bellerophon Erfinder der Reitkunſt fein, aber man darf nicht vergeflen, 
die Eitelkeit der einzelnen griech. Stämme gern bem benachbarten den Ruhm ı 
Erfindung entıog, die bei den Feſtſpielen zu den hoͤchſten Preifen verhalf. ' 
dieſem wahrfcheinfich Eunftiofen Anfang entwidelte die griech. Sinnigkeit Ga 
fäge der Reitkunſt und der Abrichtung des Pferdes, bie uns in mehren Sche 
noch vereinzelt erhalten find. Timon, ein Athenienfer, war ber ättefte Schrift 
über die Schulung des Pferdes, der uns dem Namen nad) brfannt geworbe 
und damit die Momente der Abrichtung noch lebendiger vor die Augen gebt 
würden, weihte er in dem Tempel zu Eleufis ein Pferd von Bronze, an d 
Baſis bie verfchiedenen Stellungen der Schule in Relief dargeftelle waren. 1 
zuͤglich gelehrige Pferderaçen erleichterten den Fortſchritt von der Meitkunft 
im Kriege ihre Bedeutendheit durthat, zur Kunftreiterei, wovon wir die Anbau 







Reitkunft | 167 


xiftflellern und auf Dentmälern finden. Alles, was bem Pferde an⸗ 
ax, ohne feiner Ratur Gemalt anzuthun, alles Das wurde ihm, wie 
w Beugniffe fagen, beigebracht, Niederknieen, ſich niederfegen, takt⸗ 
mben, Stellungen machen, wie die Athleten auf bem Theater fich zeig 
[tes gehörte zu den Kunſtſtuͤcken, durch welche bie alte Welt das ebeifte 
der menſchlichen Geſellſchaft wuͤrdiger zu machen ſuchte. Gpbariten 
diefe Weiſe ihre Pferde ſelbſt tanzen, d. h. taktmaͤßig die Vorderfuͤße 
d iz geordnetem Zeitmaße fie auf den Boden ſetzen, was eine Muſik 
te, die nach den Begriffen der alten Welt befonder® wohl Hang. Vor⸗ 
ſickt waren die Bewohner Theſſaliens in der Überliſtung der noch unges 
aller Kräfte frohen Pferbe, und bie Einfangung ſolcher Wildlinge, wos 
kraft unb Gewandtheit den (chönften Triumph über die unbefonnene 
aft feierten, mag, wie die Münzen uns darthun (m. f. Mionnet's 
= med. antiques”, Supplementband, IH, pl. Xi, Nr. 2, die Münze 
), eine erheiternde Zugabe zu jenen berihmten Taurokathapſien gewe⸗ 
e noch in ihren Nachklaͤngen, in den Ferrades der Camargue, zu den 
gehören, wo ber Menfch fi als Herr der Schöpfung fühlen Tann. 
nm ſcheinbar Unmöglidyen zwang der Menſch, durch genauere Nature 
5, bie Pferde, um ihnen feine Oberherrfchaft fühlbar zu machen; z. 3. 
wie ein Marmor in Verona uns lehrt, Die Pferde auf zwei Küßen einer 
ben. Seit der Menſch im Krieg und Frieden fo vereinigt mit ihm 
Beine Schwäche, die fein Scharffinn nicht erlaufcht hätte; und fchien 
king einen Scherz zu verfprechen, fo feste der Grieche einen Ruhm 
durch ihn als Menſchen neben bem Thiere zu erweiſen. Wo aber das 
ichen Künfteleien ausgebildet war, durfte der Menfch in ber Darlegung 
borenen Gemanbtheit nicht zuruͤckbleiben. Exit durch die vereinigten 
we noch hoͤhern Geſchicklichkeit wurde ber Sieg über die thierifche Kraft 
khen Spiele, und die Mühe der Anlernung wurde vergeflen, mo das 
of die Kunftfertigkeit feines Meiſters nur gefäliger hervorzuheben: 
di der alten Art Krieg zu führen, war ber Perfönlichleit des Einzelnen 
‚Spielraum gelaffen; daher mar es möglich, daß Kunſtreiterſtuͤckchen 
fbaften Kampfe geübt werden Eonnten, die nur zur Ergoͤtzung der Zus 
nfunden fcheinen. Stehend ritt man auf zwei nebeneinander ſpren⸗ 
dem, ſchwang ſich vom Rüden bes einen auf den Rüden bes andern 
kazıı mit dem Bogen. (Vgl. bie Stelle Iliad., XV, 679, mit Mas 
stronemicon”, V, 85, und Diobor, 19, 29, nady der Erklärung von. 
) Rad einer Stelle des Properz zu fchließen, vereinigte man im Girs 
m mit Veſen amphippifchen Künften die Leitung des Wagens, indem 
Bagen auf die Pferde, von ben Pferden zuruͤck ſprang. Aus dem alt⸗ 
rlegſtanze, der Pyrrhiche, bildete bie römifche Sugend den ludus Tra- 
Pferde getanzte Quadrillen, die feit Auguſt's Zeiten bis zum Falle des 
Zeichs die Leidenſchaft der römifchen Stutzer (trossuli) ausmachten, 
züch in Byzanz durch die Benugung des altperfifchen Spiels Tſchugun 
it gewannen. on den numibifchen Reitern lernte man bie 
mies zeiten und durch bloße Huͤlfe der Gerte, oft bLoß durch ihten Schat⸗ 
m und lenken. Zwanzig Pferde in einer Linie bei Kreiswendungen 
m aus zu erhalten, war ein Kunſtſtuͤck, das uns durch gefchnittene 
weiter iſt. Won akademiſchen Stellungen auf Pferden und Luftfprüns 
ſchon im Homer durd) das bekannte zıßıazıyda zanıleıv eine Andens 
wm. In Aſiens großen Städten fanden alle Spiele einer müfigen Un⸗ 
Vie wiltigfte Aufnahme und Pflege. Sie hatten bann in Byzanz ihren 
wm von dort aus kamen fie in des Mitte des 16. Jahrh. nady Euroya 


168 Reiz Reizbarkeit 


zuchd. Die fruͤhſten Worgänger der Hyam, Aſthley und Franconi, Wirt 
Künfteleien auf einen fo hoben Punkt gebracht haben, rühmten fich ſtets⸗ 
Künfte in Konftantinopel erlernt zu haben, bis die Schaufufligkeit der Groß 
unb bie wiederkehrenden Meffen auch europäifcher Gewandtheit fuͤr ſolch⸗ 

bredyereien und Künfte, bie herumziehende Geſellſchaften uns unter bem AU 
ner höhern Reitkunft anpreifen, einen fihern Gewinn verfpradyen. (Belt 
Auffat in der „Abendzeitung”, 1824, Nr. 28082.) Gegenwärtig wie: 
Paris die fogenannte höhere Reitkunſt akademiſch behandelt. Des Drn. Gef 
der fich Professeur d’equitation nennt, neue Reitfchule findet Beifall, uuß- 
Pellier hat dafelbft 1824 einem „Essai elömentaire zur l’equitation” bee: 
geben. Wir Deutfche haben treffliche Werke, die Reitkunſt betreffend, W: 
Tenneder, Bouminghaufen v. Wallmerode, von Sind, Gchreiner, vom 9. 
Walther (2. Aufl., Dresden 1877) u. X. ; De la Gueriniöre's „Rei 
gruͤndl. Anweif. zur Kenntniß der Pferde ıc.” (Überf. von Knöll, 3. verb. 8 
Marburg 1817). u: 













Reiz (Friedrich) Wolfgang), Begründer einer trefflichen grammatiſch 
lologifhen Schule, geb. 1733 zu Windsheim in Franken. Er bildete fidy mm 
zig in Chriſt's und Erneſti's Schule, warb 1767 außerordentl. Profeffor bei; 
loſophie, erhielt fpäter den Lehrſtuhl der griech. und lat. Sprache, und 178. 
der Poefie, den er bis zu feinem Tode (1790) befaß. Ein feltener Umfang, 
Kenntniffen im Gebiete der Ältern und neuern Literatur und eine vertraut 
kanntſchaft mit allen Seinheiten der griech. und lat. Sprache machten ihn u. 
gründlichen Lehrer, der mehre ausgezeichnete Schüler, unter weichen Peil. 
obenan fteht, gebildet hat. In feiner früheren beengten Lage gemöthigt, ſih 
Eleinlihen Nebenarbeiten zu befchäftigen, und bei dem hoben Ziele, das er i 
nen fchriftftellerifchen Leiſtungen fich vorſteckte, wirkte er mehr im Lehreh. 
als durch Schriften, wiewol Alles, was er fchrieb, vorzüglich war. Beine 4 
lendet gebliebene Ausg. des Herobot, die ber Rhetorik und Poetik des Arig- 
der Satyren bes Perfius, find ausgezeichnet. Fuͤr feine tiefen gr 
Einficgten fprecyen befonder® feine von Wolf herausgeg. Abhandlungen „Da 
sodiae gr. accentus inclinatione”, und feine kritifche Ausg. des Luſtſpiels 
dens“ von Plautus. Auch als lat. Dichter war R. ausgezeichnet, wie ſein 
bit „Seculum ab inventis elarum“ bezeugt. Sein Leben erzählt ber 2 
von Schlichtegroll's Nekrolog“. 1 

Reizbarkeit, die Kraft oder Eigenfchaft bes thierifchen Koͤrperk⸗ 
Wegungen zu vollbringen, bie nicht auf mechaniſche Weife, durch Drod, € 
Dehnung ıc., erklärt werben Binnen, ſondern durch Reize, d. h. dynamiſch al 
Eende Urfachen, erregt werben. — Man hatte fruͤher bie Bervegungen bed If 
auf mechantfche Weiſe durch Elafttcität, und auf dynamifche Art durch ul 
basen Einfluß der Lebensgeifter (oder Nerventhätigkeit) erklaͤrt. Albr. v. $ 
unterfchied von biefen beiden die eingepflangte Kraft der Muskeln, die Dleigke 
oder Irritabilitaͤt; er ſtellte eine Menge von Verfuchen an lebendig. geil 
tem oder frifch getödteten Thieren an, um zu beftimmen, welchen Theilen beb: 
pers die Reizbarkeit und welchen die Nervenkraft zukomme; er fuchte bie wei 
denen Grabe der Neizbarkeit an einzelnen Thellen zu erforfchen, und il di 
Schöpfer diefer Lehre anzufehen, Vorzuͤglich befchäftigte feine Anhänger dad⸗ 
haͤltniß ber Reizbarkeit und Nerventhätigkeit (Irritabilltaͤt und Genfibll 
Wegzuleugnen waren bie Hailer’fchen Erfahrungen gar nidyt, fondern nus is 
zelnen Theilen zu berichtigen, zu ergänzen und weiter zu verfolgen. Einige 
aber fahen auch die Reizbarfeit, fowie alle andre Erfcheinungen des Organil 
als abhängig von der Nerventhaͤtigkeit an, und fo entftand bie fogenannte Ne 
theorie; andre faßten Nerventhaͤtigkeit und Meizbarkeit unter ben allgemeinen 












Keizbarkeit 169 


enttraft zuſammen. Da nun aber nach und nach das Spiel mit ben 
den Organen nur beiivohnen, keineswegs mit ihnen eins und baffelbe 
verdächtig werben mußte, fo faßte Brown beide Begriffe ber Genfibis 
ritabifität unter den ber Erregbarkeit zufammen und ſtellte diefen 
die Grundlage feines fo berühmt gerwordenen Syſtems auf. Doch 
nf diefer Höhe der fo einfeitige Begriff der Meizbarkeit, der in der Er⸗ 
ne weiter ausgedehnt erfcheint, nicht erhalten, und indem in ben neues 
He Idee des Lebens Über alle diefe Begriffe geftellt wurde, mußte audy 
et ats eine Äußerungsart derfelben Idee erfcheinen und wurde fo auf 
thuͤmlichen Erfcheinungen befchränft, ohne weder die anderartigen Les 
ıgen ihr unterordnen, noch wegleugnen zu wollen. Sie führt auch in- 
täntung noch ben Namen der Irritabilitaͤt, und wird als die Grund» 
e dee des Lebens beftimmt, durch welche organifche, lebendige, b. h. 
ungen möglich werden. — Besteht bie Reproduction ſich vorzugsweiſe 
md Miſchung, fo Außert ſich die Srritabilität mehr in Zeit und Bes 
Da6 irritable Drgan ift daher nad) einem andern Typus gebildet ale 
tiven Organe; bie längliche Faſernbildung iſt ber Seritabilität eigen« 
ziſt biefelbe in den Organen ganz vorzuͤglich ſichtbar, wo bie Srritabis 
tigſten fich äußert, in den Muskeln naͤmlich und im Herzen. Auch in 
‚ vorzüglich in den größern Stämmen derfelben und in den Muskel⸗ 
fingemweide, ift dieſelbe Bildung fichtbar, und auch ba zu vermuthen, 
m den Venen und Lomphgefäßen (in denen auch die Bewegung nicht 
vielleicht wegen Kleinheit und der weifien Farbe nicht in die Augen 
In einem Drgane, das deffenungeadhtet fehr Ichhafte Bewegungen 
m Uterus nämlich, hatte man fie nicht entbedt; hier treffen aber ganz 
e zuſammen, die die Bildung dieſes Organs abändern und fo eine 
nöthig. machen. — Die Längenausdehnung einer jeden Safer bringt - 
zwei Enden derfelben hervor, die ſich auch bei den kreisrunden nicht 
Diefe beiden Enden ſtehen in Polarität gegen einander, fowie Übers 
Befeg der Polarität und bie Antithefen ſich in der Seritabilitit ganz 
wfinden. Wird nun durch irgend etwas Außeres eine Faſer gereist, 
tigkeit gefegt, fo tritt eben jene Polarität hervor umd Äußere ſich durch 
QZuſammenziehung und Ausbehnung der Faſern oder der Faſernbuͤndel, 
reist wurden. Man ift gewohnt, die Zufammenziehung allein als 
m Thätigleit anzufehen; unfere Darftellung lehrt, daß diefelbe ſich 
‘Ausdehnung Äußere. In den mehrften Muskeln erſcheint die Zus 
ung freilich als Zweck, in einigen, den Schließmusfeln, aber audy die 
Ei ähnlicher Gegenſatz findet ſich auch in der Unordnung der 
ke ſich einander entgegenwirken, und von denen die einen ausgedehnt 
m die andern fich zufammenziehben. Durch diefe abwechſelnde Außs 
& Zufammenziehung werben berin alle Bewegungen hervorgebracht, 
anden find. Sie gehen ohne Unterlaß von ftatten da, wo die Irrita⸗ 
Reproduction eingreift, die felbft nie zuhen barf; fo in den Unterleibo⸗ 
‚ den Gefäßen und in der Nefpiration. In den fogenannten willkuͤr⸗ 
gungen dagegen, die ſich näher an die Senfibilität anfchließen, bedarf 
Mat ober Senfibilität oder beide zugleich der Ruhe und des Schlafs. — 
ebft, weiche bie Äußerungen der Reizbarkeit oder Stritabilität hervor: 
fehe mannigfaltig. Dahin gehört in den Gefäßen das Blut und andre 
R, die ſich in ihnen befinden; die Stüffigkeiten des Darmcanals find 
je Muskelhaut deffelben, die Luft und der Naturtrieb für die Muskeln 
Bien; der letztere oder der Wille für die gewöhnlich fogenannten willkuͤr⸗ 
Heibersegungen. Auch manche Eranfhafte Reize, die bald das Organ 


170 | >» BReizend Relief 


ſelbſt ummittelbar berühren, batb durch Sympathie auf baffelbe einwirken, bi 
krankhafte Bewegungen, bie Krämpfe, hervor. In allen diefen Bewegun 
der Einfluß des Nervenfuftems ebenfo unbedingt nothwendig als bie in 
nährung ber bervegenden und bewegten Organe. 

Reizend in aͤſthetiſcher Hinſicht. Windelmann und Sulzer 8* 
fm Ausdruck als eine Eigenſchaft des Schönen, gleichbedeutend mit dem 
Grazie, und bezogen es vorzüglich auf die weibliche Schönheit. Es ift ihnen 
was Kiebe, Zuneigung und überhaupt Mohlgefallen erweckt, eine Wirkung, 1 
die regelmaͤßigſten Formen, die man oft ſchoͤn nennt, nicht immer haben, w 
man oft feibft bei unregelmäßigen findet. Leſſing behauptete einfeitig, di 
ruhe auf der Bewegung oder Veränderung der Formen, und nannte den Bis 
Schönheit in Bewegung. Bel ihm ftand alfo doch der Begriff de Meigel 
in Verbindung mit der Schönheit. Nachdem aber Kant gelehrt hatte, ba 
seine Geſchmacksurtheil von Reiz und Rührung ganz unabhängig fei, wurd 
der Reiz als von der Schönheit getrennt, ja ihr fogar verderblich geadhtet,.d 
gen Herder mit Nachdruck firitt. Anbre ließen ſich billig finden und be 
daß das Schöne Amar an ſich des Reizes nicht beduͤrfe, aber noch ſtaͤrker 
ben Reiz, doch duͤrfe dieſer ſelbſt nicht zu ſtark ſein. Hiernach wäre bey 
dem Schoͤnen zufaͤlig. Man barf aber nicht vergeflen, daß Kant mei 
finnliyen Reize ſprach und ihn von der Form trennte. (S. d. Art. Sch 60,4 
ben, Grazie.) 

Relation, Verhaͤltniß ber Begriffe, f. Kategorien. 

Relativ ift dem Abfoluten (f. d.) entgegeng-fegt und bez 
nur bezlehungsweiſe, verbältnißmeife Beflimmte und Gültige. Jede Größe, 
befonbere Merkmal icdifcher Dinge ift für uns relativ. Die Größe ber 
gegen viele andre Dinge bedeutend, unbedeutend aber gegen die S 
von deren einem fie einen kleinen Punkt bildet. Relative Begrif 
foiche, Die aus der Vergleichung eines Gegenftandes mit einem andern en 

Relegation, Verbannung, eine bei den Römern, befondere 
Kaiſern, eingeführte öffentliche Strafe, manchmal auf bie ganze 
manchmal nur auf gewiffe Fahre. Ein erhöhter Grad diefer Beſtrafungken 
das Eril (f. d.), das mit der Verbannung noch bürgerliche Verachtung ef 
— Auf unfern Akademien wird ber Studirende bei gröbern Vergehen mit 50 
tion beftraft; eine mildere Form ift das consilium abeundi und nody weil 
neuerdings aufgelommene polizeiliche Wegweifung. Doc) ift diefe Relegatlen 
am fich, wie die bei den Roͤmern, mit dem Verluſt finatsbürgerlicher Recht 
bunden. Die gefchärfte Strafe der Relegation mit Ehrlofi igkeit (cum F 
wird ſelten verhängt. 

Relief, erhabene Arbeit, die mit der Flaͤche zuſ ammenbingt oder jr 
berausgearbeitet ift. Sie hat verfchtebene Abftufungen (basso-, mezzo-jl 
silievo). Urfprünglidy bei den Griechen fehr flach, wie 3. B. die Löwen am 
zu Mycend, vielleicht das aͤlteſte uns erhaltene Melief, gewann das Metisfi 
Phidias fein richtiges Maß und feine Vollendung ; denn noch find die Fridh 
Metopen aus dem Parthenon und dem Tempel des Apollo zu Bafſaͤ bei 9 
in Arkadien, die dem Eunftliebenden Europa ein günftiger Zufalf gerettet ba 
unübertroffenen Mufter im Reliefſtyl. Unter den fpätern Römern, wo die € 
tur, fabrikmaͤßig betrieben, an technifcher Ausführung gewinnen ſollte, wad 
Geift verloren hatte, wurde das Hochrelief (altissimo rilievo) aufgenommen 
man hinter beinah ganz freiftehenden Figuren den Hintergrund wieder mit e 
nen Geſtalten bearbeitete. Wahrſcheinlich gaben Arbeiten in Edelfteines 
mehren Schichten, Gameen in pietre dure, zu diefen Verſuchen den Anlaf 
denen bie dresdner Antilenfammlung merkwuͤrdige Proben vorzeigen kann. 












ww. Religion 171 


ten Algarbi und feine Nachfolger die Kuͤnſtlichkeit ins Melief treiben 
em ſich ſogar in perfpectivifchen Darftellungen, in denen felbft bie 
srgeftellt war. Zu dieſen Verirrungen, bie fi in der Muͤnzglyptik 
alten haben, gab bas Mißverſtaͤndniß des Kunftkreifes der Skulptur 
im Verhaͤltniß zur Malerei Anlaß. Thorwaldſen hat das Melief zu 
m Weſen zurüdgeführt, während Canova's Meliefs viel zu fehr auf 
be hinwirken. Eine andre Weiſe hat man neuerdings beliebt, bie 
ich ebenfo wenig Beſtand haben wird. Man ftellt, namentlich auf 
ı Geftalten mit hoher Wand vor, als ob fie aus einem zweiſchichtigen 
itten waͤren, den man auf diefe Welfe von ber Unterlage lostrennen 
Fuͤr alle diefe Arbeiten hatten die Griechen den allgemeinen Nam . 
oder auch yoanıu uvaykAuga darum, weil fie fo häufig angemalt 
Ohne Beifpiel find noch bei den Griechen die in Ägnpten gebräuchlis 
en ereux, flscherhabene Arbeiten in einer Einſenkung, die häufig mit 
efuͤllt waren. Beiden harten Steinarten Binnen diefe nur durch dem 
ahl ausgearbeitet worden fein. 19. 
sion. Obwol diefer vielfach) gebeutete Name erft von den Römern 
ung ableitet, fo ift die Sache body fo alt als der Menſch und fein 
u Gott, den fie vorausfegt. Wir können von ihre keine wahre Kennt» 
en erhalten, fondern fie muß in und leben und herifchen, wenn wir von 
sit überzeugt fein follen. Ste gründet fi auf eine dem Menſchen 
be Anlage, welche wir bie religisfe nennen. Indem nämlidy ber 
b die ihm verliehene Natur nicht bloß in ein Verhaͤltniß zur Gottheit 
midern auch baffelbe zu ahnen und zu erkennen vermag, ift ihm bie 
%h feine Anlage möglich gemacht. Es ift ein Göttliche in uns, eine 
w, bie ihren Urfprung ahnet und auf den volltommenen Schöpfer 
e höhere Natur, die zu der hoͤchſten fich erhebt und mit ihr fich zu vers 
e. Und es ift ein Goͤttliches über uns, was ſich in der Welt, als 
ze feiner Derrlichkeit, und in der Vernunft dem Menſchen offenbart. 
e Menfch, im Gefühl feiner in der Sinnenwelt befchränkten Ratur, 
hen Macht, die über ihm waltet, bemäthigt, im Gefühl ber Frei⸗ 
Bewußtſeins aber und durch den ihm verliehenen Gedanken ſeines 
ich zu demfeiben frei erhebt und in der Ordnung der Dinge feinen 
s Willen anerkennt: da ift die wahrhafte Religion. Religion ift das 
kung des Gemuͤths auf die Gottheit und beruht einestheils auf der 
Menfdyen, der ſich über das blog Irdiſche erhebt und die Strahlen 
wit Bemwußtfein aufnimmt, anderntheils auf der durch bie verliehene 
Dernumft fich offenbarenden Gottheit; denn bie Idee Gottes — bie 
er Vernunftkenntniß — kann nur als Offenbarung der Gottheit an⸗ 
en und iſt aus keiner andern abzuleiten. (Vgl. Religionsunter» 
Die religidfe Anlage entwidelt fich verfchieden, daher ift auch die Res 
der geiftigen Werfchiedenheit ber Menfchen verfchieden. Diefe Vers 
rigt ſich in der Mittheilung und Darftellung, zu welcher das lebendige 
böchften den Menſchen antreibt, nämlich in den Religionslehren und 
md in dem Religionscultus (d. i. in denjenigen äußern Handlungen, 
ı die Gotteöverehrung ſich ausfpricht). Diefe Außerungdmittel der 
b zugleich das Wand, welches die Menſchen in größern ober Eleinern 
gemeinfchaftlicher Befriedigung des religiöfen Bedürfniffes und zur 
vr innern Religion verbindet, ſowie dad Zeichen, an welchem bic Bes 
Religton fich erkennen. Hierauf beruht auch der Begriff einer poſi⸗ 
m: fie ift eine durch die verfchiedene Entwidelung ber religiöfen Ans 
fe, durch eigenthünzliche Anfichten Über das Verhättniß der Menihen 


172 Reeligionsgeſchichtz, 


zu Gott und Ihre Beſtimmung, ſowie durch eigenthuͤmliche Gebräuche und 
bole der Gotteßverehrung modificiete, unter einee Menſchenmaſſe berrfcher 
ligion. Sie wird herrſchend durch religiäfe Überlieferung (wie viele heidnifi 
ligionen), oder durch die überwiegende Geiſteskraft und religiöfe Anſchauu 
fer Männer, welche Familien, Stämme, Voͤlker, ja die Menfchheit fi 
gleicher Sefinnung und Verehrung mit unfichtbarer Macht fortreißen und 
ben. Sie wird ed ferner, wenn ihre Ausübung vom Staate befchügt © 
beiligt voird. — Aus dem Vorigen geht zugleidy hervor, daß der Begriff bei 
ven Religion dem der Vernunftreligion nicht wiberfpricht, da jede wahre R 
auf Vernunft oder rellgioͤſe Anlage gegründet ift, und die Religion Überhe 
ihrer Außerung ſtets pofitiv wird, indem die Anfichten und Handlungswel 
Menſchen verfchiedenen Einfluß auf fie haben. Ja, es gibt fogar unter 
Volke eine natürliche, oder Vernunftreligion, wenn dies eine Neligion 6 
ſoll, die ohne alle Mittheilungs⸗ und Darftellungsformen ſich entwidelt 
aber gibt e8 (was man oft damit verwechfelt) eine natürliche Theologie ode 
eine Religlonsphiloſophie, welche das Grundweſen aller Religion ı 
innern und dußern Bedingungen ihrer mannigfaltigen Entwidelung zum | 
flande hat. Setzt man aber die natuͤrliche Religion der geoffenbarten em 
fo vergift man entmweber, daß das Höchfte überhaupt dem Menfchen nun 
Dffenbarung zugänglich ifl, oder man verfteht unter der geoffenbarten A 
eine foihe, deren Urfprung und Verbreitung ein befonberes Eingreifen bi 
heit in den Lauf der religiöfen Entwidelung (eine befondere oder außerord 
Offenbarung) vorausfegt, und unter natürlicher Religion nur eine folche (a 
fitive) Reltgion, deren Urſprung in der bloßen Selbſtthaͤtigkeit des Geiſtes! 
Die erftere Anficht begründet den theologifhen Supernaturalismw' 
zweite den Naturalismus ober Nationalismus (f. d. und O 
barung). 

Die hiſtoriſche Darftellung, ober die Erzählung von ber Entwickelung 
ligioͤſen Anlage unter den Völkern ift die Religtonsgefhichte. Si 
gemeine Religionsgefchichte, wenn fie die religiöfe Entwidelung der Mei 
überhaupt, und mithin die Entftehung und Verbreitung der mwichtigften u 
kannten Religionen zum Gegenftande ihrer Darftellung hat. Sie zeigt, 
von Gott ins Dafein gerufene und erzogene Menfchheit ſich mit friſchem u 
verborbenem Gefühl des Kindes zu ihrem Schöpfer gewendet (Urreligion) ; 
aber nach entftandener Herrſchaft der Sinnlichkeit (Sündenfal) der Blick 
die Mannigfaltigkeit der gefchaffenen Dinge verloren und von Gott abgı 
habe (Periode des in ber alten Welt herrfchenden Polptheismus, Natural 
Deidentyum), und wie dann ferner aus den Denkmälern jener Urreligion, ' 
in dem befchränkten Monotheismus der Juden erhalten hatten, ſich eine nı 
fenbarung erhob, welche die Kinder zum Vater zurüdführte und den Q 
an ben einzigen, heiligen Gott in alle Welt verbreitete (Periode des in de 
Zeit herrfchenden Monotheismus der chriftlichen Meligion). Sie zeigt iq 
dere, wie die hier angeführten Hauptformen der Religion durch Verſtand, 
tafie und andre hervorftechende Kräfte, ſowie überhaupt durch bie Lage u 
Charakter der Nationen und Völker eigenthuͤmlich geftaltet worden. — 1 
ben für die allgemeine Religionggefchichte bis jet nur Überfichten ober um 
phifche Ausführungen und Materialienfammlungen erhalten, z. B. v. D 
Die befondere Religiondgefchichte bildet die hiftorifche Darftellung einzeln 
giöfer Erfcheinungen und Thatfachen genauer aus. Zu ihr gehört z. B. Di 
liche Kirchengeſchichte. Unduldſamkeit und Gleichguͤltigkeit find die Klig: 
welchen die Neligionsgefchichte gewöhnlich fcheitert, um fo mehr, da keir 
seugung fo tief in das innere Leben des Menfchen eingreift und in demſelb 


Religionsfreiheit 178 


ereligiöfe. Dit der Unpartellichkeit, welche die Geſchichte Überhaupt 
ertraͤgt es fidy aber volllommen, die chriftliche Religion als den Mittels 
Retigionsgefchichte hervorzuheben, da biefelbe der aller Religionsge⸗ 
m Grunde liegenden Idee der Religion durch den reinften Monotheis⸗ 
jer ihre Grundlage ift, am naͤchſten kommt, dahingegen ber Mofaiss 
as Judenthum ben Einzigen mehr als Stammgott mit Opfer und Ges 
enft verehrt. S. „Reden Über die Religion” (Sulzbady 1813). Über 
eligionen f. die befondern Art. 

igionsfreiheit. Das Recht der Staatsbürger, ihre Religion un: 
md ohne bürgerliche Zuruͤckſetzung üben zu dürfen, iſt eine jest in den 
ihfirten Staaten unter Bedingungen zugeftandene Zeitfoberung, welche 
dem Zahl⸗, Befig: und Ortöverhältniffe der Glieder verfchiebener Mes 
Aſchaften in einem Staate, theild von dem Maße ihrer Anfprüche und 
je abhängen, und entweder gewiſſe Parteien ganz oder nur gewiſſe 
öreiheit ihrer Religionsuͤbung ausfchließen. Sreiheit im kirchli⸗ 
me findet allenthalben flatt, wo der Staat die öffentliche Übung vers 
Religionen neben einander erlaubt. In Staaten, die den öffentlichen 
MR und die Ausübung Lirchlicher Gebräuche nur in der Form einer bes 
Religion ober Religionspartei genehm halten und Beine andre neben ihr 
zum von diefer Freiheit nicht die Rebe fein. Sie nicht zu geftatten, war 
Ne Maxime der Fürften und Geſetzgeber, welche bie bindende Kraft eis 
unten Religionsglaubens für politifche Zwecke in Anſpruch nahnıen. 
ndeiten barin ganz folgerecht. Sei nun entweder die Staatsverfaffung 
b, wie die mofaifche war, oder vereinige fich die höchfte geiftliche Ges 
ber hoͤchſten bürgerlichen in einer Perfon, wie in Tibet, oder habe bie. 
sihren Thron auf ben herrfdyenden Glauben der Nation an die Heilig⸗ 
jewiſſen Religion gebaut und ihre Regierungsweife mit den Grundan⸗ 
) Formen diefes Glaubens verflochten, wie in Spanien und Portugal, 
cholicismus durchaus national geworden ift: immer wird, fo lange es 
m Berfaffung und, damit jede Unzufriedenheit verhütet werde, auch bei 
lüchen Bildungsſtufe des Volks bleiben fol, zur Auftechthaltung derſel⸗ 
eit der Volksreligion erfoderlic und jede davon abweichende Lehrmei- 
: Meligionsübung zu unterdrüden fein. Die Weltgeſchichte gibt auf: 
& oft ſchreckliche Beweiſe der Strenge, womit diefer Grundſatz in An⸗ 
bracht worden iſt. Des Fanatismus der Drientalen nicht zu geden- 
a wir bier nur an bie Judenverfolgung im Mittelalter, an die Dragos 
neige XIV., an die Inquiſition und ihre Autos da Fe erinnern. Die: 
taatsgrundſatz der Nichtbuldung mußte aber immer mehr von feiner 
)ı Bedeutung verlieren, jemehr einerfeits die Völker durch Handel und 
sften mit einander in Berührung kamen und heller denken lernten, ans 
Ne Fuͤrſten und ihre Rathgeber einfahen, das Wohl der Unterthanen, 
Endzweck des Staats, werde nicht durch den Ruhm einer einfeitigen 
Sigkeit, nicht durch einen vernunftwidrigen und alle freie Thätigkeit des 
em Geiſtes lähmenden Gewiſſenszwang, fondern vielmehr duch An⸗ 
& freifinnige Unterilügung diefer Thaͤtigkeit gefördert. Aufmunternde 
avon gaben England, Holland und diejenigen beutfchen Länder, welche 
sion freie Übung verftatteten und dabei ſowol an Bevölkerung als auch 
land und Bildung zunahmen, während Spanien, Frankreich und einige 
Staaten, wie Salzburg und die Pfalz, ihre fleiigften Unterthanen ums 
ber auswandern ließen. Man überzeugte fich, daß jede Religion, was 
nu lehre, wenn fie nur Achtung gegen bie bürgerlichen Gefeße und Ges 
egen die Obrigkeit gebietet, mit dem Endzwecke des Staats ‘verträglich 


174 Religionsfreiheit 


tft, und Fonnte beidem veränderten Zeitgeifte das Auflommen anbrer Rei 
neben der berrfchenden ebenfo wenig ganz verhindern als ferner noch ge 
finden. Wie fehr wir num auch Urfache haben, diefe auf dem ganzen € 
fi) immer allgemeiner verbreitende Duldung in Religionsangelegenheiten: 
erfreuliches Kennzeichen ber fortfchreitenden Bildung des Mienfchengefchled 
sufehen, fo können wir doch dabei eine Erfcheinimg nicht unbemerkt laffen, 
die alte Erfahrung beftätigt, daß die Menſchen ein Gut nur fo lange zw 
wiffen, als ihnen der Befig deſſelben ſtreitig gemacht wird. Nirgends zef 
mehr Ernſt und Eifer für die Religion, mehr wahre Froͤmmigkeit und & 
haftigkeit in der Beobachtung des Gottesdienſtes, ald in den Kirchen, Mi 
dem Drude der Intoleranz flanden. Man dringte ſich zum Därtyre 
als die hriftliche Religion nody unter den Verfolgungen heidnifcher Kaifer fi 
tete; bie Proteftanten in Frankreich liegen lieber But und Biut als ihren 
ben; felbft die Juden verflanden ſich eher zu den größten Opfern, zur Erd 
der härteften Miphandlungen, als zur Abſchwoͤrung ihrer Religion. 
den Gedruͤckten faſt überall die lang erfehnte Freiheit verftattet ift, fcheint m 
Meize einer leidenfchaftlichen Vertheidigung der Neligion aud) das Interefk 
ſich allmälig zu verlieren. — Unterfcheiden müffen wir von der Freiheit 4 
hen im Staate bie freiheit, weiche die einzelnen Glieder einer Kirche in 
Schoße, entweber vermöge des Princips derfelben, oder zufolge ihrer ei 
maßung, genießen. Der Proteſtantismus ift der Freiheit im Denken 
guͤnſtiger als der Katholicismus; die Confeflion und Kicchenverfaffung % 
formirten wieder mehr als die der Lutheraner, und mehr als beide ber So 
mus. Wo aber das Licht der philofophifhen Bildung am hellſten 
man es auch am meiften gemißbraucht. Die Denffreiheit in Deutfcyland,l 
reich und England ift nicht felten in Frechheit und Zügellofigkeit ausgearh 
es hat nie mehr Menfchen gegeben, die fih im Herzen zu gar keiner pofi 
Iigion bekennen und allen Cultus vernachläffigen, als feit ben legten D 
18. Jahrhunderte. 
Eine vollkommene MReligionsfreiheit aber wird gewährt, wenn 
Meligionsgefeufchaften in einem Staate 1) ihren Gottesdienſt oͤffentllch 
2) ihre Sugend und ihre Beiftlichen in eignen Schulen bilden, 3) ihre vd 
und kirchlichen Angelegenheiten in Echre, Liturgie, Seelforge, Kicchenvef 
und Sittenzucht nach ihren eignen Grundfägen ordnen und leiten, 4) fid 
Verbindlichkeit gegen die Geiſtlichkeit einer andern Kirche unterwerfen, 5) 
Gleichſtellung ihrer Glieder in bürgerlichen Rechten mit den Übrigen Sta 
gern fodern und 6) wo der Staat felbft über Die urſpruͤnglich kirchlichen Som 
fügt oder die Koften des Kirchenweſens überhaupt aus dem Ertrage der X 
aller Einwohner beftreitet, die auf Unterftügung ihrer Anftalten nad, Wer 
ihrer Zah zur gefammten Bevölkerung rechnen dürfen. In allen dieſen 
ten unbefchräntt find Chriften aller Parteien und Secten nur in den Verf 
Staaten von Nordamerika, wo die Staatsbehörde bloß über ihren Fried 
einander wacht, fonft keine Aufficht nöthig findet und, da kirchliche Fonds 
fentliche wurden, jedes Kirchenweſen als Privatfache betrachtet, deffen Un 
tung daher den Parteien felbft Überlaffen bleibt. In alten übrigen dhrli 
Staaten war biefe Sreiheit biß gegen Ende bes 18. Jahrh. Vorrecht eim 
fyenden oder Staatereligion, neben der andern Pafteien nur eine mehr ol 
niger befchräntte Duldung bewilligt wurde. Noch jest find die portugie 
fpanifchen, neapolitaniſchen, päpftlichen, ſardiniſchen und die Eleinern ital 
ten fo ganz katholiſch, daß dort, wo die Juden wenigftens ihre Religion in 
len üben und Handel treiben dürfen, Eeine andre chriftliche Religionsgefeifft 
irgend einem jener Punkte gefegliche Freiheit erhalten Eonnte. Mur die po 


Keligionsfreihelt 175 


ndefchaften an den Höfen außer Mabrib und die engl. Kaufleute in 
orto und Livorno genieken die Vergünftigung, ihren Gottesbienft 
Prediger beforgen zu laſſen, und ben Waldenfern im noͤrdl. Piemont 
a drei erften Punkten, auch Beſoldung ihrer Paftoren und vom 
rechte fo viel zugeftanden worden, als zum rechtlichen Beſtehen ihrer 
ınd sur Betreibung nieberer Gewerbe ſchlechterdings nothwendig war. 
dh. Staaten blieb zwar der Katholicismus herrſchend, aber die den 
Reformirten und Griechen gemährte Religionefreiheit im Ganzen 
ı (f. Ungariſche evangel. Kirche) ungekraͤnkt, aud in Hin 
atöbürgerrechte, infofern diefe felbft bei vormwaltender Begänftigung 
n nicht verbümmert werden koͤnnen. Was der Religionsübung der 
noch abgeht (Thuͤrme, Glocken und Portaleingänge an ihren Kine 
ma öffentlidy zu fein, ift außerwefentlih. Seit 1820 dürfen ihre 
icht mebr im Auslande, fondern nur auf der vom Kaifer zu Wien ew 
eſtantiſch⸗ theologifchen Rehranftalt ftudiren, welche, auf Abwehrung 
hen Univerfitäten vorgerorfenen freien Grunbfäge berechnet, mäßig 
ıte inlänbifchen Lehrern befegt und durch Bücherverbote von dem wiſ⸗ 
a Fortfchritte ihrer ausländifchen Glaubensverwandten gefchieben ifl. 
Ber folchen mehr der Politik als der Intoleranz zuzufchreibenden Maß⸗ 
leſchritte gegen ihre Gewiſſensfreiheit nicht im Sinne ber oͤſtr. Res 
n, bemeift der ſowol in einzelnen Fällen, als dud) 1824 mehren Eins 
Salineuticdhen bei Linz geftattete.libertritt von der Bathol. zur evangel. 
sgleichen Übertritte dürfen nur nach ſechswoͤchentlichem Unterrichte 
athol. Geiftlichen geſchehen; katholiſch wird man ohne Schwierigkeit. 
mifchtern Ehen der Vater, fo muͤſſen alle Kinder, ift es die Mutter, 
ker Batholifch werden. Die Proteftanten müffen den Eathol. Pfars 
chſpiels, in dem fie leben, audy wenn ihre Gemeinde die ftärkere iſt, 
ı Stolgebühren entrichten und die Scheine aus den Kirhenbühern 
nen, uͤberdies aber ihre eignen Prediger, Kirchen und Schulen ſelbſt 

Doch wird ihnen hierzu in einzelnen Fällen auch Eaiferl. Unter 
ahrt. Ihre Schulen ftehen unter den Kreisämtern, die Sprengel 
itendenten unter den proteftantifchen Gonfiflorien zu Wien, welche 
un Miniſterium abhängige Behörden find. In Ungarn laffen ihnen 
ſetze viel größere, die kathol. Stände aber kaum biefe Freiheit. Im 
befteht nur eine Feine evangel. Gemeinde zu Benedig. Im Sieben⸗ 
ben Katholiken, Lutheraner, Meformirte und Unitarier völlig gleiche 
sfland, das in feinen ſuͤbl., Öftl. und noͤrdl. Grenzländern Moham⸗ 
) Heiden und allenthalben Juden ihre Religion ungehindert üben 
u. Kirche zwar als Staatskirche begünftigt, doch zu keiner Herr⸗ 
Dre berechtigt und in Polen den Katholilen und den Proteflanten beis 
men garız gleiche Rechte zugefteht, gewährt auch in feinem alten 
ı rifllihen Parteien und den Armeniern Religionsfreiheit in allen 
m, mit weifer Ruͤckſicht auf ihre verſchiedenen Gulturftufen, bes 
ber wieder infofern, als bie durch befondere Regierungscollegien ges 
Stantsaufficht, namentlidy über die Proteftanten, ſich auch mit dem 
Leiten ihrer innere Angelegenheiten, felbft ihres Glaubens, befaßt. 
gung ihrer Anftalten aus Staatscaffen ift zwar gewöhnlich, aber 
Wämismäßig vertheilt. Die ganz Lutherifchen Staaten Schweden 
mE haben den barin nicht zahlreichen Katholiken bie vier erften Punkte 
Rem mie Ausſchluß der Fähigkeit zu Staatsämtern bewilligt. Die 
Blende, das in Oſtindien Mohammedaner und Heiden bei ihrem Culs 
num bürgerlichen Rechten [chügt, ift nur darum fo fehr gepriefen, weil 


176 Religiondfreiheit' | 


«6 fruͤher und mehren Secten als alle andre europälfche Staaten 
uͤbung ließ; fie beſchraͤnkt ſich aber fuͤr Alle, die in England und. 
bifchöfl. Kirche gehören, auf Unabhängigkeit in den drei erften Pı 
find Thuͤrme und Glocken an ihren Gapellen, wie die Gotteshäu 
ters heißen, nicht geftattet. Dem biſchoͤfl. Pfarrer ihre Wo; 
auch wo er wegen Mangel einer bifhöfl. Gemeinde ganz überflüf 
ten von allen Land⸗ und Sartenfrüchten und Stolgebühren entri: 
tung feiner Kicche fleuern, Zeugniffe aus ben Kirchenbüchern v 
ihre Trauungen von ihm verrichten laffen, wovon nur die Quaͤke 
find, unb die Katholiken uͤberdies Grundzins und Landtaxe boppe 
Irland wird der Zehnten, auch vom Schlachtoieh, von den meijt 
ten unbarmberzig eingetrieben, daher In diefem Reiche 1823 auf 
wegen ruͤckſtaͤndigen Zehntens zu Gericht famen. Die in Schot 
presbpterianifche Kirche gibt ihren Seiftlichen Leine foldhen Red; 
fenterö; doch in allen drei Reichen müffen fie ihre feiner geiſtli 
genießenden Gapellen, Prediger und Schulen felbft unterhalten 
Presbpterianer in England und die Biſchoͤflichen in Schottland. 

unterhält die Regierung Schulen für Katholiken, bie fie ungern 6: 
kathol. Priefterfeminar zu Maynvoth. Die bürgerlichen Recht 
find durch den bei Übernahme öffentlicher Ämter zu ſchwoͤrenden 
ſchraͤnkt, deffen Formel Verwerfung Eathol. Lehren und Anerfenı 
GSupremats in Kicchenfahen enthält, und baher, weil fie von K 
pendenten, Puritanern, Baptiften und Quaͤkern nicht gebilligt w 
von allen Staatsämtern und Parlamentöftellen ausfchlieft. Nu 
fen fele 1793 beguͤterte Katholiken ohne Teft bei den Wahlen der 
der mitflimmen, Advocaten, Geſchworene und Magiftrate wer! 
und Gtaatsämter , außer 30 der hoͤchſten, erlangen. In Engle 
land, wo fie erſt feit 1778 Grundeigenthum zu erwerben befug 
Zugang zu Öffentlichen Ämtern und Parlamentswahlen ihnen no 
oft beantragte, von der Mehrheit bes Unterhaufes beguͤnſtigte, abe 
baufe verworfene Emancipation der Katholiken geht nur auf 2% 
ihren Glauben tränkenden Stellen im Teſt aus und würde dem 
tholiten in Irland nicht abhelfen. Diefes befteht in ihrer Vera: 
Gonfiscationen unter Elifabeth, Crommell und Wilhelm ME. und 
fireng gegen fie gehandhabte Verbot, Grundeigenthum zu erwerb: 
wendung des gefammten Kirchengute® und Eirchlichen Einkommen 
Thl.) an die meift müßige bifchöfl. Geiftlichkeit für „'; der Bevoͤ 
während die $ bderfelben ausmachenden Katholiten für ihre Kir 
empfangen und noch dazu jene erhalten müffen; in der Gewol 
und weltlicher Grundeigenthuͤmer, ihre Einkünfte außer Irland ; 
in der bis jegt wenig gemilderten Härte ihrer Beamten gegen d 
volk. Trotz dieſes Druckes haben ſich die Katholiken in Irland ſ 
vermehrt, und find in England und Schottland, mo fie von di 
Beeinträchtigungen nichts empfinden, feit 30 3. von 70,000, hai 
die Profelytenmacherei ber SJefuiten und den Einfluß ber franz. ( 
nahe an eine halbe Mill. Seelen angewachſen. (Bol. Will. Blaiı 
of Popery in a serics of letters to W. Wilberforce”, London ! 
innern Angelegenheiten der Diffenters mifcht ſich weder bie Rei 
herrſchende bifchöfl. Kirche, und die der ganzen Nation zuftehende 
der Preſſe und des Gedankenverkehrs gibt ihnen eine Freiheit, | 
unb in ber Vervollkommnung ihres religiöfen Lebens fortzufcht 
den Monarchien des europäifchen Feſtlandes kaum eine herrſch 


Religionöfreiheit 177 


gedulbete Kicche genießt. Die auf Englands Beifpiel hingewieſe⸗ 
kaniſchen Freiſtaaten und Brafilien erklärten den Katholicismus für 
ligion, neigen fich aber trog ihrer reichen und mächtigen GeiftlichEeit 
m allgemeiner Zoleranz. In Frankreich macht ſich zwar die kathol. 
ur immer mehr als herrſchende geltend, den 1815 — 16 graufam 
rotsitanten in Nieder-Languedoc ward die gebührende obrigkeitliche 
mugthuung vorenthalten, die ihnen oft befchwerlidyen Neckereien von 
ı blieben meift ungeahndet, und nur ihre Standhaftigkeit fhügte fie 
eſchaͤftigkeit kathol. Proſelytenmacherei; aber bie durch die Charte 
Ill. den Proteſtanten augsburgifcher und reformirter Cenfeffion in 
sihneten Punkten zugeficherte Religionsfreiheit, welche fie den Ka⸗ 
wgerlichen Rechten gleichftellt und die Unterftügung ihrer Anftalten 
ıffen gefeglicy macht, ward ihnen nicht entzogen, ja durch mündliche 
Karls X. aufs neue gewiß. Im Königreich der Niederlande ift, 
orden die Reformirten, im Süden die Katholiken die Mehrzahl aus: 
keine Kirche die herrfchende, und neben beiden auch Sanfeniften, Eu: 
temonflranten, Presbyterianern, Bifhöflihen, Taufgefinnten und 
kommene Religionsfteiheit, ohne Beſchraͤnkung ihrer bürgerlichen 
Staatseinmiſchung in das Innere ihres Kirchenweſens, gewährt. 
deiz genießen fie die Katholiken und Mennoniten in proteftantifdyen, 
ten in puritätifchen vollfommen, in reinkathol. Cantonen aber nid;t 
mdesmarime der Gegenſeitigkeit. In Deutfchland und Preußen 
eutfchen Bundesacte völlige Nechtögleichheit der Proteftanten beider 
mit einander und mit den Katholiken gefeplih und in keinem Punfte 
Beſchraͤnkung der Religionsfreiheit mehr zulaͤſſig. Die in fchlefi: 
a noch gültige Verbindlichkeit evangel. Gemeindeglieder, wenn fie 
men Prediger haben, dem kathol. Ortspfarrer Zehnten und Gebuͤh⸗ 
ten, ift in Hanover bei Einrichtung des Eathol. Kirchenweſens 1824 
dzechten der Pfarrer beider Parteien ausdrüdlich entzogen worden. 
Bemeinbden der Mennoniten in Preußen, Oftfriediand und am Rhein 
el Freiheit, als fie bedürfen, und die evangel. Brüdergemeinden 
:Golonien) allenthalben einer Unabhängigkeit und Begünftigung, die 
age Zahl und kluge Selbſtbeſchraͤnkung rechtfertigen kann. — Die 
Rlichen Kirchen ſchlagen ihren Gewinn und Verluft bei Bewilligung 
Bfreibeit verfchieden an, wie fie audy nicht in gleihem Grade das 
tdc8 Staates anerkennen. Am Leichteften ift in dieſer Hinficht bie 
utherifche Kirche zu befriedigen. In monardifden Staaten ent: 
m Abhängigkeit vom Landesherrn gewöhnt, geftcht fie ihm das jun 
in dem Umfange zu, daß fie feibft die Einrichtung ihrer Liturgie und 
iſſe ihrer Geiftlichkeit, ihre Lehranftalten und die Vermaltung ihres 
lgens feiner Genehmigung und Aufficht unterwirft, fi ch von Con⸗ 
er einſetzt, regieren laͤßt und die Verfuͤgungen derſelben uͤber kirchliche 
mbeshrrrlihe annimmt. Weniger Einmiſchung in ihre Angelegen⸗ 
die reformirte Kirche. Zuerſt und am volltommenften in Sreiftan: 
2, ift fie gewohnt, ſich durch ihre Presbyterien ſelbſt zu regieren. 
‚fie felbft in der Schweiz, Holland und Schottland, wo fie ſich nad) 
dee am freieften behauptet, nichts gegen eine gemißigte Oberaufſicht 
ter Staatsregierung ein, laͤßt fih in Deutſchland wie die lutheriſche 
md hält, wo fie von Aufen bedrüdt wird, tefto mehr auf Unabhaͤn⸗ 
em Innern. Die engl. Episkopalkirche betrachtet den König als ihr 
Die Heinern, zur Zeit der Reformation entflandenen, oder aus deu 
un Kitchen bervorgegangenen Secten verlangen nur Schuß, Tod) 
Birbente Aufl. Bd, IX, 12 


178 Keligionsfreiheit (kath.) 


keine Unterflügumg, weifen aber auch alles Gebieten bed Staats über ihre 
Angelegenheiten defto entfchloffener ab. An folche® Gebieten warb die 
Kirche durch griech. und ruff. Kaifer gemöhnt und unterroirft ſich landeshe 
Anordnungen wie die evangelifhe. Der Patriard) in Konftantinopel ifl 
Griechen in der Türkei aud) Kicchenregent und Anwalt, für die nichtunirte 
chen in Ungarn und Jllyrien aber nur geiftlicher Water, und nie ift für d 
meinden ein Concordat zwiſchen ihm und ber öfte. Regierung nöthig befund 
den. Don alten diefen Parteien unterfcheidet ſich die römifch = kathol. 
durch ihre Abhängigkeit vom Papfte und durd) den auf ihre Principien gegr 
Anſpruch, allentbalben allein zu gelten und zu herefchen. Jene madıt jel 
übung der Staatsauffiht und ded Regentenrechts über ihre Angelegenh 
einer Befchränkung ihrer Religionsfreiheit, welche durch Zrrgeftändniffe wm 
günftigungen von Seiten des Papftes (Concordate) zwar nicht ohne Ned 
doch aud) nie ohne ben ſtillſchweigenden Vorbehalt, unter günftigern Um 
Altes zuruͤckzunehmen, zugelaffen reird. Durch ihren Anfpruch auf AM, 
gültigkeit und Alteinherrfchaft kommt fie in die Lage, ald Kränkung ihrer 
und Verlegung der Gewiffen ihrer Glieder anfehen zu müffen, was neben « 
auf ihrem Gebiete für die Genoffen einer andern chriftlihen Religionsgef 
gefchieht. Diefe Anſicht fpricyt ein Breve Pius VI. vom 12. Febr. U 
den König von Baiern offen aus, und Beweiſe derfeiben find die paͤpſti. J 
tionen gegen ben weftfälifchen Frieden, die wiener Congreß⸗ und deutfche i 
acte, die Zufakartifel Napoleons zum Concordat von 1801 und die Bel 
gen der bairifchen Gonftitution in Hinficht der Proteftanten, weil fie verſqh 
Gonfeffionen freie Religionsuͤbung bemwilligen und die Proteftanten dın Kd 
in allen bürgerlichen Rechten gleichftellen. Daher die Klagen des Lathel, 
über den traurigen Zuftand feiner Kirche aud) in foldyen Rändern, deren ya 
tifche Regenten ihm Ehren: und Gehaltsvorzüge vor der proteftantifchen 
feit einräumten, weil fie ihm zugleid) zumutheten, feine und die paͤpſtl 
nungen der landesherrlichen Genehmigung (Placitum regiun), feinem 
"mit dem Papfte, die Verwaltung der Kirchenguͤter und feine Lehr 
landesherrlichen Aufficht, feine Glieder in Hinficht ihrer bürgerlichen Verf 
weltlichen Gerichtebehörben und die Befegung der wichtigften Kirchendun 
Urtheile des Regenten zu unterwerfen, in Hinfiht der gemijchten Ehen 4 
deögefege gelten und das Buͤcherweſen unter weltlicher Leitung zu laffen, 
andrer Kirchen anzuerkennen und zu vergeffen, daß er einft Alles befaf. 
Zunuthungen find zwar im Sinne eines urchriftlichen Katholicismus, wie 
mohlmeinenden oder fchlauen Schriftftelleen jetzt dargeftellt und von m 
wahrhaft chriſtlichen Seelſorger geübt wird, nicht unerträglich, aber gan 
die Idee des gefeglich und factiſch noch jegt in der romifch = Eathol. Kirche 
Papalfnftems. Sie findet daher felbft unter kathol. Regenten Anlaß, übel 
Beſchraͤnkungen und Beeintraͤchtigungen zu Elagen und die Religionsfreihß 
ihren Koderungen ganz entfpridyt, nur im Kirchenſtaate. : 
NReligionsfreiheit (kath.). Man kann annehmen, daß bie 
leranz ein Exbtheil aller Bekenntniffe iſt. Jedes Bekenntnig hätt fi 








allein wahre und erkennt daher die übrigen nicht an. Wenn aber diefe in 

tue der Sache liegende Intoleranz in Außere Handlung der Gewalt gegen 

denkende ausbricht, fo ift Das immer die Schuld der Staatsregierungeng: 
das Gebiet der Außern Freiheit von dem des Glaubens nicht abmarken, ref 
vorzugsweiſe Begünftigung einer Kirche zur Staatsfache erhoben haben. 
3. B. die Inquifition in Spanien offenbar eine Staatsanftalt, aus 
Zuftizbespotismus eine Form der Wirkfamkeit zu leihen. — Keine der 
_Gonfeffionen hat Urfache, fid, einen größeren Duldungsgeift als die ü 









Religionsfriede 179 


Wo im Namen einer Confeſſion geherrſcht ward, waren die Herrſchen⸗ 
iduid ſam, man braucht nur auf Luther's Leidenſchaft gegen die Sa⸗ 
auf Calvin's Behandlung Servet's — den er verbrennen ließ — auf 
I Krell zu Dresden Enthauptung wegen Kroyptocalvinismus, auf die 
dollands und Englands zu verweifen. Noch bis 1806 galt in dem 
Lande ottonifher Linie ein Gefeg, Eraft deffen jedes uneheliche Kind 
Religion feiner Mutter, fondern in ber des reformirten Randesherrn 
oa mußte! — Über die Eirchlicye Sreiheit in ben einzelnen Bekennt⸗ 
ih auch nichts feſtſetzen. Da der Katholik die Religion nicht durd) 
ng, fondern durch göttlidye Kehre von oben empfängt, fo ift leicht be⸗ 
ser, fo lange er der Kirche angehört, eben dadurch auf eine folche freie 
erzichtet. V. e. K. 
gionsfriede. Aus Karls V. Lage gegen ſeinen Nebenbuhler 
rFrankreich, und aus der Schonung, mit welcher er den Kurf. von 
riedrich den Meifen, den einflußreichften Fürften des Reichs, behans 
erklaͤren fich die erften Schritte, die Karl in Luther's Angelegenheit 
arum er fih zwar gegen die vor kurzem begonnene Reformation oͤf⸗ 
ste, aber doch zu ihrer Unterdruͤckung keine durchdringendern Maße: 
Als aber dag framı. Heer bei Pavia (25. Febr. 1525) völlig gefchla- 
n3 gefangen worden war, da Eonnte ber Kaifer aud) an die Verfolgung 
m Hinſicht auf Deutfchland denken. Die Religionsirrungen der das 
boten ihm zur Erreichung feiner Abfichten die Mittel von felbft bar. 
rnEerieg (fd. und Münzer) batte die Eathol. Kürften des Reichs 
Hormation fehr eingenommen. Allein dns torgauer Bündnig 1526, 
ftigkeit Der evangel. Reichsſtaͤnde zu Speier (f.Meformaticn) und 
des (hmalfaldifhen Bundes (f. d.), im März 1631, fo- 
fall der Türken in Ungarn, ein Krieg mit Frankreich und Karls V. 
ken mit dem Papſte bewogen den Kaifer, nichts Erticheidendes zu 
ft tie Vollziehung des Meichstagsabfchiedes von Speier (1529, f. 
it) aufzufchieben. Gr ließ daher mit den Proteftanten Unterbandiun: 
m, und fo ward 1532 der nürnberger Religionsfriede am 
a den Proteſtanten ımterzeihnet und den 2. Aug. von bem Kaifer in 
betätigt. — Durch diefen Frieden erhielten die Proteftanten Nichts 
chon befaßen, und Dies nicht gewiffer als fie es fchon hatten, der Kai⸗ 
8 was er wünfchte. Denn man verpflichtete fich gegenfeitig nur zur 
aller Keindfeligkeiten wegen Religionsfachen bis zu einem Goncilium, 
dies nicht zu Stande kommin follte, einem aufs neue anzuftellenden 
Dies war für den Kaifer ungemein wichtig, ber fo die Gewißheit er- 
san ihn jegt nicht angreifen würde. Uber die Foderungen der Pro: 
re, mamentlidy über die freie Ausübung der Religion, nidyt pur im 
rte, fondern auch mit geriffen Einſchraͤnkungen außer demfelben, Über 
Bter und die bifchöfl.. Gerichtsbarkeit, wobei Alles in dem bieherigen 
riben folite, über die Ausfegung der Proceffe in Glaubensſachen bei 
richten und über die Zulaffung der augsburgiſchen Confeſſionsver⸗ 
w Kammergericht hatten fid) die Kriedensvermittler ded Kaiſers ziem⸗ 
wat geäußert. Zwar konnten die Proteftanten aus den Erklärungen 
re die Kirchenguͤter und die Gerichtsbarkeit der Bifchöfe eine Geneh⸗ 
keiten, und regen Ausſetzung der Proceffe in Religionsangelegenheis 
NReichsgerichten einige Hoffnung füffen, in Anfebung der übrigen 
ſoute Alles auf die Entfcheidung des Kaiſers antommen, dod) fo, daß 
Venen Frieden kein Abbruch geſchehe. — Bon Seiten der Proteftanten 
efen Srisben ein, weil man fidy nicht durdy Weigerung noch verhaßter 
12 * 


180 Religionöfriede 


machen wollte als man ſchon war, und weil man durch ihn einige Ze 
Sicherheit erlangte; angreifen wollte man nun einmal den Kaifer nid 
war von den Theologen als eine Gewiſſensſache vorgeftellt roorden. 
hatte der Kaifer feinen Plan keineswegs aufgegeben; nur mußte er 
rung deffelben, durch mannigfaltige Umftände gedrängt, immer weite: 
ben; daher ward der nuͤrnberger Friede 1534, 1539, 1541, 154; 
1545 wiederholt. Endlich enthuͤllten der ſchnelle Friede, den ber 
zu Grefpy ſchloß, ſowie das bald darauf erfolgte Ausfchreiben des ( 
Trident auf den März des folg. S., wodurch der Papft dem Kaif 
Beranlaffung zum Kriedensbruche mit den Proteftanten gab, und t 
zu Worms (1545) die Abfichten des Kaifers immer mehr, wiewol 
bruch des Krieges noch etwas zu verzögern fuchte. Allein die beharı 
rung der Proteftanten, das Goncilium anzuerkennen, und nod) mehı 
den ihm zu Worms der paͤpſtl. Geſandte in Hinficht auf thätige Unt: 
gen fie machte, brachte ihn zu dem Entfchluffe, mit ihrer Demüthig 
fang zu machen. Als fie nun von den Kriegsruflungen und den ! 
folgungen in den Niederlanden Nachricht befamen, und der Kuifer 
Reichstage eine ganz neue Sprache und eine gewaltfamere Entfcheidu 
zelne Etinde erlaubte, wie 3. B. über den feit kurzem in feinem Land 
den Kurfürften von Köln: da mußte jeder Zweifel über des Kaiſe 
fhwinden. Und doch zauderten fie, verfchmähten Frankreichs und G 
erbieten zu ihrem Beiſtande und eine engere Verbindung mit den 
blieben nody nach der Befiegung des Herzogs von Braunſchweig dur 
grafen von Heffen unthätig, gaben dem Kaifer ihre Furdyt immer m 
nen und erneuerten nur ihr Buͤndniß. Diefe Zaghaftigkeit und dieſe 
auf ihre Kräfte ſchwanden zwar, als nad) der deutlichen Erkiärung des 
fein Vorhaben die Gefahr felbft nahe kam; allein die Unentſchloſſen 
genfeitige Eiferfucht der Bundeshäupter (ded Kurfürften von Sach 
Friedrich und des Landarafen von ‚Deffen), verſchiedene Anfichten, 
und Unzufriedenheit unter den Bundesgliedern, endlich mancher! 
Schwierigkeiten, die man fidy machte, ließen fie gleid) zu Anfange 
die günftigften Umſtaͤnde verfiumen, und führten die Vereinigung dei 
niederländ. Truppen mit dem kaiſerl. Hrere herbei, da8 nun dem pr 
überlegen ward. Die Folge davon mar, daß die Proteflanten 1546 
baten und bei der harten Antwort des Kaifers muthlos zagten. 3 
fich der Kurfürft und der Landgraf, nachdem man ausgemacht, daß e 
Mann in Oberdeutfchland im Winterlager beifammen bleiben ſollten 
Truppen in ihre Ränder zuruͤck und überließen die oberländifchen € 
Schickſale. — Doc hatte auf ihre legten Schritte eine andre unern 
benheit den größten Einfluß. Der Herzog Morig von Sachſen, felb| 
war plöplich, nachdem er mit dem Kaifer insgeheim ein Bündniß q 
des Kurfürften Länder eingefallen. Der Kurfürft eilte daher feine 
Hülfe, eroberte es aud) wieder und faſt des Herzogs ganzes Land dazı 
Kaifer, dem es jept nicht fchtwer geworden war, Dberdeutfchland fi 
werfen, erfchien in Sachſen und endigte den Krieg 1547 durch d 
Muͤhlberg, 2%. April, durch die Capitulation von Wittenberg, 19. 9 
Gefangenſchaft' des Landgrafen (in Halle d. 19. Suni). — Nun fah 
fer am Ziel feiner Entwürfe; die Macht der Proteftanten war gefal 
tige, unternebmende Moris durch das ihm (24. Febr. 1548) verliet 
ftenthum mit unauflöslihen Banden, wie es fhien, an ihn gefnüp 
hatte über die übrigen Reichsſtaͤnde ein entfcheidendes Übergewicht. 
jeet Michts mebr am Derzen als die Errichtung eines neuen ſchwaͤbiſc 


Religionsfricde i 1831 


ils Oberhaupt in den Stand geſetzt ward, die einzelnen Stände mehr 
Willen zu lenken. Die erflen Unterhandlungen hierüber in Ulm wa: 
, ebenfo auf dem Neichötage zu Augsburg 1548, um fo mehr, da er 
Reichstags die Stadt mit fremden Truppen befegen ließ und ſich ge: 
nde eine höchft anmaßende Sprache erlaubte. Auf demfelben Reiche: 
rte es ſich aber, daß es keineswegs feine Abficht fei, die Proteftanten 
unterdruͤcken, fondern daß er durch fie zuerft noch feine Abfichten ge: 
ft erreichen wolle; denn er fuchte mit ihnen felbft die Unterhandlun⸗ 
en, unter welchen Bedingungen fie das 1546 ſchon zu Trident eröff- 
+7, angeblidy wegen einer dafelbft ausgebrochenen anftedenden Kran: 
apſt nad) Bologna verlegte Concilium befchiefen Fönnten. Da aber der 
LITT.) e8 nicht nach dem Verlangen des Kaiferd wieder in Zrident fort- 
reolite, fo legte diefer rinen förmlichen Widerſpruch gegen baffelbe ein 
über die Mittel berathfchlagen, wie man auch ohne Goncilium die 
ungen beilegen könnte. Es wurde daher von einigen von ihm dazu 
ı Männern rin Auffag entworfen, wie es in Hinfic)t dee Hauptpunfte 
en Glaubens, des Gottesdienftes und der Kirchenverbefferung bi3 zu 
gen Concilium einftweilen (interim) gehalten werden folfte (15. Mai 
ieſer Aufſatz heißt deßwegen das augeburgifhe Interim (f. d.). — 
weit war die Religionsfreiheit der Proteſtanten febr gekraͤnkt, die 
sogen wie die alten Kirchengebraͤuche waren faft durchgängig wieder 
* Der Kaiſer genehmigte den Aufſatz; denn man verſicherte 
a Proteftanten nicht zu viel geſchehen ſei, und dies mußte er um fo 
1, je mehr der Papft dagegen eiferte. Der Kaifer hatte offenbar eine 
segel ergriffen ; denn durd) Bas Interim erbitterte er die Proteftanten 
br und gab dadurch die nichfte Weranlaffung, daß die Ausführung 
n Plans auf Deutfchland fcheiterte. Nur wenige Stände nahmen 
gerung an; felbft Morig, von dem man am mentgften Widerftand er: 
uͤberſchickte es erft feinen Theologen, mit dem Bedeuten, e6 zu un⸗ 
z Wahrheit aber nichts zu vergeben und nur In einigen unbedeutenden 
0 man allenfalld® nachgeben Fönne, nicht zu viel Bebenklichkeiten zu 
#8 warb jedoch alle Widerſpruchs ungeachtet publicirt und die An⸗ 
ben an mehren Orten mit Gewalt durchgefegt. Selbft Moritz fchien, 
mer angegebenen Gegenſchrift, dem Belfpiele der nndern Reichsſtaͤnde 
ofen, da er (nachdem man nach mehren Verhandlungen im leipziger 
2. Dec. 1548] darin Übereingefommen war, inwieweit man dem 
Raifers Folge leiften könne) Anftalt machte, den aͤußern Gottesdienit 
wformen. Allein nicht nur in Sadıfen, obgleich man hier nur in ben 
Mitteldingen oder Adiaphoris dem angsburger Interim folgte, fon: 
mpt in ganz Deutfchland entftanden die größten Unruhen, die pro: 
a ebiger verließen größtentheil ihre Amter, das Volk wurde an meh: 
is zur Schwaͤrmere und Wuth entflammt, und mehre proteftantifche 
ich kathol. Fürften vermochten die Einführung des Interims nicht zu 
bie fegtern waren Überhaupt unzufrieden, daf den Proteftanten noch 
RE die Kirchenguͤter, gelaffen morden wiren. Unter folhen Unruhen 
J. 1548 und ein Theil des folgenden. Da ftarb der Papft und der 
Julius III. tie fich bereitwillig finden, die Stirchenverfammlung zu 
zifegen. So konnte doch das Äryeriiche Interim allmilig in Vergeſ⸗ 
acht werden, und der Unwille der Eathol. Fürften mußte fi legen, da 
rnun wieder mit dem Papfte im Einverftändniffe faben. Die herrſch⸗ 
lene des Kaiſers aber wurden von Dem Eugen Moritz bald durchſhaut, 
in/m jerrer auch damit umging, feinen Schne Phitipp die Nacdyfolge 


⸗ 


182 Keligionöfriede 


in der Regierung bes Reichs zu verfyaffen und das Kaiſerthum erblich zu 
Meris nahm fich daher vor, feiner Anmakung Grenzen zu fegen und 3 
lands Freiheit zu fichern, follte er auch das Dpfer dafür werden; ohne no« 
wähnen, daß er ſich vielfach gefränkt fühlen mußte, weil der Kaifer auf a 
Mitten wegen der Befreiung feines Schwirgervaters, des Landgrafen, g 
achtete. Die Proteftanten mußten zu diefer Zeit fchen wegen der Kir 
ſammlung in großer Unruhe fein, da der Dapft in feiner Bulle auf fie g 
Ruͤckſicht nahm, ſich nach wie vor den Statthalter Chrifti nannte und nur | 
- lichen Stände zur Kirchenverſammlung berief; und der Kuifer vermochte f 
burdy fein Verfprechen, daß er fein ganzes Anfehen verwenden wolle, 
Handlungen auf demfelben in einen hriftlichen, billigen und ordentlichen ( 
bringen, noch durch die Verſicherung eines freien Geleites und freien Zu 
beruhigen, denn fie ahneten als zu gewiß, daß er von der Kirchenverfaı 
nur einen neuen Vorwand fuche, fie und ihre Lehre völlig zu unterdruͤcker 
Unmille und die Gährung der Gemüther waren bei ihnen aufs höchfte ge 
doch wollten fie das Äußerſte noch abwarten. — Indeß war Morig allein 
Da ihm die Vollziehung der Reichsacht über das noch widerfpenftige Ma 
übertragen worden war, fo ward es ihm leicht, ein ſtarkes Heer aufzubrin 
ſonders dar die benachbarten Kreisftände zu feiner Unterflügung aufgeboten 
und der größte Theil ber Unkoſten aus der Reichscaſſe beftritten werde 
Auch Eonnte er, da Magdeburg fehr feft war, ohne den Verdacht einer as 
tigen Abficht zu erregen, große Zurüftungen machen; doch ſuchte er die l 
rung feines Plans immer noch hinzuhalten, bis fid) der Kuijer von Au 
wo er noch viele Truppen beifammen hatte, in die Naͤhe des Concilium 
würde. Da fich aber die Wiedereröffnung deffelben noch eine Zeitlang da 
fuchte Morig die wegen der Übergabe der Stadt eingegangenen Verglei 
handlungen noch länger hinzuhalten, und ſchloß ganz in der Stille zu 
Det. 1551 nebſt dem jungen Landgrafen, Wilhelm von Heffen, dem 
brecht von Medienburg und dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg 
Könige von Frankteich, Heinrich II., gegen den Kaiſer ein Vuͤndniß. 

er endlid) den 6. Nov. mit Magdeburg wegen der Übergabe einen Verg 
gangen, fo wußte er den Kaifer nicht nur wegen der Nichtentiaffung feinel 
fondern auch wegen der mandjerlei von ihm und feinem Vorhaben verl 
Gerichte völlig zu täufchen. — Den 20. März; 1552 brach er mit feinen 
aus Thüringen, wo fie Winterquartiere gehalten, auf, den 25. erfolgte I 
einigung fänımtlicher Bundesfoldaten bei Schweinfurt, dann ying e6 ia 
dem Zuge vorwärts, und in der Macht des 31. ſtanden fie ſchon vor Au 
Zhoren. In dem Manifefte, das fie auf diefem fchnellen Zuge ausbreitt 
ben fie der Welt folgende drei Grlinde zu diefem Kriege an: Tyrannei dei 
durd) Unterdrüdung der evangel. Lehre, Treuloſigkeit deffelben gegen da 
grafen und gewaltfames Verfahren gegen die Neichsverfaffung. Der 
nicht gerüftet und außerdem von mehren Seiten Krieg befuͤrchtend, 1 
ducch feinen Bruder Ferdinand mit Morip zu unterhandeln, und man ka 
Mai barin überein, daß den 26. Mai zu Paffau ein Frirdenscongreß er 
von diefem Tage an ein allgemeiner Waffenftilftand angehen follte. Bie 
fer Zeit hoffte aber Morig nod) mehr zu erreichen; fehnell ging er Daher 
Truppen los, mit denen der Kaifer am Zuge ber Alpen die Paͤſſe befept hie 
fiel fie den 18. bei Neuten und fchlug fie vellig; den Tag darauf erobeg 
ehrenberger Klaufe mit Sturm, und ftand den 22. nur nod 2 Meilen: 
fprud, von wo der Kaifer, der dort am Podagra Frank lag, nebſt feinem 
Ferdinand Nachts in größter Eile entfliehen mußte, um nicht ‚gefangen; 
den. Nach dieſen glüdlicken Fortſchritten Moritzens Eannte man wol a 


Religionöfriebe 188 


: Untechandlung erwarten. Morig verlangte nichts iveiter als unein- 
Religionefreibeit für die Proteftanten, Loslaſſung des Landgrafen aus 
iſchaft und Abſtellung aller Beſchwerden in der zeitherigen Regierung 
Dem Kaiſer, der im Augenblicke ſeiner Flucht dem gefangenen Kur⸗ 
freiheit geſchenkt hatte, damit fi Morig feiner Befreiung nicht ruͤh⸗ 
ward es fchwer, nad) einer fo (dimpflichen Flucht ſeiner ſo lange Zeit 
offnung auf die unumſchraͤnkte Herrſchaft uͤber Deutſchland zu entſa⸗ 
ze mußte endlich, wiewol nad) langen Widerſtreben, der Nothwen⸗ 
eben, und fo ward den 31. Sul. der paffauer Vertrag geſchloſ⸗ 
nicht nur der Landgraf feine Freiheit befam und die im ſchmalkaldi⸗ 
Geaͤchteten roieder zu Gnaden angenommen wurden, fondern auch die 
e Partei völlige Reli gionsfreiheit erhielt. Denn obyleid man über 
auptpunkte des Friedens, uͤber die Abftellung der Beſchwerden wegen 
nen Eingriffe in die beſtehende Reichsverfaſſung und über die Reli: 
mbeiten, ncd) auf dem in 6 Monaten anzuftellenden Reichstage un: 
sollte, fo follte doch ſchon von diefem Augenblide an zroifchen den 
tathol. Ständen ein völliger Friede herrfchen, und Feiner von beiden 
t fein Gewiffen und Willen auf einige Art beſchwert, fondern ruhig 
bei feinem Glauben gelaffen werden. In einem befondern Neben: 
doch feftgefegt, daß der jegige Friede auch dann noch bleiben folle, 
auf dem nächften Reichſtage zu keinem nähern Vergleid, Eime, daß 
ammergericht nidye nur allen Meligionsparteien gleiches Recht fpre: 
aauch zu demfelben augsburgifche Gonfeffionsverwandte laſſen follte. 
ard vom Kaifer, vom römifchen Koͤnig und auch von allen zu diefen 
ngen gezogenen Staͤnden gebilligt. - Bon biefen Zeitpunfte an 
e Bildungsgefchichte der lutheriſchen Partei als gefchloffen anfchen ; 
ie Reichstag folte nur noch Einiges näher beftätigen. Allein diefer 
I wegen ber vom Markgrafen Albrecht im Reiche noch verurfarhten 
eils auch wegen des franz. Kriegs nicht fo bald gehalten werden. Der 
um fich während der Zeit höchft zweideutig und die Proteflanten, 
durch den Tod des muthigen Vertheidigers ihrer Freiheit, ded Kur: 
tz, nach der gegen den geachteten Markgrafen von Brandenburg ges 
xhlacht bei Sirverähaufen (1953), beunruhigt worden waren, ſchweb⸗ 
schen Furcht und Hoffnung. Endlich kam auf dem Reichstage zu 
z augsburger Religionsfriede, 26. Sept. 1555, zu Stunde. 
ver im Namen feines Bruders die Verhandlungen eröffnete, erklärte, 
von einem allgemeinen oder Nationalconcilium, nody von einem Res 
ch viel erwarte, man folle lieber auf Mittel denken, wie Friede und 
üche bei aller Berfchiedenheit der Glaubensmeinungen erhalten werden 
ſo wurche denn zur Abfaffung eines ſolchen Friedens gefchritten. in 
dem fürftt. ſowol als aus dem kurfuͤrſtl. Collegium arbeitete, jeder 
inem Entwurf dazu, über den man fid) aud) bald verſtaͤndigte. Es 
a von beiden Seiten Bein Reichsſtand wegen feiner Steligion und Kir 
e angefochten, fondern bei feinem Glauben, Ceremonien, Hab und 
sb und Leuten, Obrigkeit und Gerechtigkeit ruhig und friedlid) ge: 
8; Religionsitreitigkeiten follten nur durch chriftlicye, freundliche und 
etel und Wege ausgeglidyen werden; die geiftliche Gerichtsbarkeit 
m Glauben der Proteftanten und ihren Gcttesdienft Feine Kraft hu: 
biug aus einem Lande ins andre der Meiigion wegen geftattet fein, 
foßte dieſer Friedftand ftet, feft und unverbrüchlic gehalten werden, 
arch kein Mittel ein Religionsyergleid zu Stande kommen follte. — 
Punfte waren 73, welche ned einen hartnddigen Streit von 6 Üte: 


184 KReligionsphilofophie 


naten erzeugten. Die Proteftanten verlangten nämlich, daß es auch den 9 
chen Ständen frei ftehen folle, zur augsburgifchen Confeſſion zu treten; bi 
tholiten hingegen erklärten, daß dieſe infoweit ausgenommen würben, dafı 
Geiftliche, der zur proteftantifchen Lehre Überträte, feines Amts und SU 
jpso jure et faeto für entfegt erklärt würde. Diefen Punkt, weil ihn Wu 
tholiten fid) als Vorrecht vorbehielten, nannte man den geiftlichen Vorbehalt 
servatum ecclesiasticum. In dem Reichsabſchiede wurde bemerkt, ba 
hieriber die Stände nicht hätten vereinigen. koͤnnen, daher erklärte der- vie 
König im Namen des Kaifers, wie es in ſolchen Fällen gehalten en 
Feder Erzbifhof nämlich, Bifhof, Prälat oder Geiftliche, der in Zu 
der alten Religion abtreten würde, ſolle auch fogleich fein Amt abtreten id 
alle Einkünfte beffelben, jedod) ohne Nachtheil feiner Ehre und Würde, 
thun. — Der zweite Punkt betraf die Frage: ob die von Adel, Städte, Cei 
nen und Unterthanen, fo der augsburgifchen Gonfeffion vermandt und unk 
thol. Fürften und Ständen gefeffen, die Religionsfreiheit geniefen follten. 
dinand entſchied, daß fie von ihrem Glauben und Gottesdienft nicht gebrii 
fondern bis zur chriftlichen Vergleichung der jtreitigen Religion in Ruhe 44 
werden follten. Mit diefen Beflimmungen des römifchen Könige über di 
den ftreitigen Punkte warb den 26. Sept. der völlig gefchloffene Friede mil 
Reichsabſchiede publicirt. — Man fieht daraus von felbft ein, daß die eigag 
Grundlage zu einem feften dauerhaften Frieden Übergangen wurde, ndmid 
lige Gewiffensfreiheit; davon hätte man ausgehen und darnach die übrigen 
bättniffe der Reichsverfaſſung, der Fuͤrſten und ihrer Unterthanen beftimme 
len. Man fchloß aber noch von diefem Frieden die reformirte Partei aus, 1 
erft im meftfälifchen Frieden mit der lutheriſchen gleiche Rechte erhielt. 15 
KReligionsphilofophie. Darunter verfteht man überhaupt & 
loſophiſche Nachweiſung ber ewigen und allgemeinen Ideen, welche jeder 
Religion zum Grunde liegen müffen, und die Erörterung der religiofen Anl 
menſchlichen Gemuͤths. Als folche macht fie zugleich einen wichtigen 
Philoſophie aus. Sie unterſcheidet ſich von Keligionsgefchichte dadurch, dd 
tere ed mit der gefchichtlichen Entwickelung jener allgemeinen Ideen und bes 
bildung ber teligiöfen Anlage zu thun hat. — Um in den Stand gefegt zit 
jede Religionsphilofophie richtig zu würdigen, möge uns die Erfahrung ein 
größten Denker (Baco) leiten: Die Philofophie, nur obenhin gekoftet, füi 
von Gott, ganz erfchöpft, führt fie zurüct zu Gott. Die Religion we 
allem Philofophiren über fie, praktifch wirkend vorhanden. Die Phil 
hat die Religion ale Erſcheinung bald erfiären, bald begründen wollen; oft er 
terte fie Diefelbe, doch nicht minder oft wurde fie durch den Glauben befiege, 
der Religionsphilofophie herrfcht oft mehr der grübelnde Verftand als die! 
nene Vernunft; foiche Philofophie oder Meflerion mar es von jeher, meld 
Sectenhaß und die Verfolgung in der Religion erzeugte, wihrend die Mel 
felbft dem Begriffe nah, auf Duldung hinwied. Auch hat nie die Religior 
ſolche, Verfolgung herbeigeführt, mol aber die Meinung über fie, welche ſich 
Religionephilofophie ausgegeben hat. Waͤhrend der religiöfe Glaube bes 
Gott für die Erlöfung dankte, ließen die Philoſophen den Erlöfer kreuzigen, 
feine Auferftehung den Volksglauben befräftige und ihre Verſuche zur Xu 
rung der Ehre Gottes Leite. Diefer Verſuch ift ſchon öfter feit der Grit 
des Chriſtenthums wiederholt worden, jedoch ſtets mit gleichem Erfolge. 
auf das Chriftenthum angemendete Religionsphilofepkie nennt man Phile 
des Chriſtenthums. Der Zweck der Neligionsphilofophie ift: in Sache 
Glaubens und zwar des innigften Glaubens, den e6 geben kann, die Med 
menfhlichen Natur und ihre Grenzen zu beftimmen. Sie foll das vom Ko 









Keligionsſchwaͤrmerei Religionsunterricht 185 


Her in Einſtimmung mit einander ſetzen und dahin wirken, daß die Re: 
ie aufhoͤre, Sache bes Herzens zu fein und ſich nicht zum bloßen N nffen 


teligi onsfhwärmerei ift eine Überfpannung des Gefühle ı und. ein 
wifen der Einbiltungstraft in Bezug auf das religiöfe Denken und Han- 
u Menſchen. In dieſem Zuftande kann fich der Menfch entweder mit der 
Heit und der Erfahrung befchäftigen oder eingebildeten Ideen hingeben ; 
IR metaphyſiſch⸗ religiöfe Schwärmerei. — In der Geſchichte der Reli: 
beörmerei findet man, daß die praftifchsreligiäfe der theoretiſch⸗anſchaulichen, 
Ausſchweifen im Thun und Dichten (f. Sanatismus) dem Ausſchwei⸗ 
Diſſen und Grübeln voranging. — Unmiffenheit und Verachtung gegen 
Bert Forſchen und gegen Gelehrfamleit, verbunden mit Entnervung des 
, waren ſtets der Schwärmeret eigen; daher in den Zeiten der Barbaret, 
Iheit, üppiger Verſchwendung und Entnervung die meiften Schtwärmer 
— De Rellgionsſchwaͤrmer erhielten oft in den finſterſten Jahrhunderten 
ie des freien und eignen Denkens; in Zeiten der Aufklaͤrung waren fie 
ben Feinde des Fortgangs deffelben. W.L. 
Migionsunterricht kann ohne Abweichung von der Methode, nach der 
iffe von irdifchen Dingen mitzuthrilen pfleat, nicht zweckmaͤßig ertheift 
(Val. Religion.) Hier fragt es fih: Wie kommt der Menfch zum 
I Der Menſch ift beftimmt, im Glauben an Gott zu leben und zu han⸗ 
Rund mit diefem Glauben tritt'er auch in den Bund mit Gott. Aber der 
des Glaubens, der nur fein Glaube ift, bedarf der Pflege, der Nah: 
Bildung und Erziehung. — Durch wen oder mas Andres als felbft 
we duch den Glauben Andrer kann dies gefhehen? Was immer fonft 
Benfchen dargebuten werden mag zur Stärkung f. Glaubens; cr felbft, 
Geift des Glaubens, löfcht gemaltfam Alles aus, was nicht rein wie: 
if; nur an dem Göttlichen kann ſich das Göttliche erwecken und ent: 
Darum wird auch nun und nimmermehr etivas ausgerichtet im diefer 
durch eine ſtarke und nuͤberwindliche Frömmigkeit der Ältern und 
Start und mächtig wird der Menſch durch Gott, und unausſprechlich 
er dann auch, felbft Die, welche ſchwaͤchern Glaubens find, ſich nach⸗ 
und zu gleicher Höhe emporzuheben. Dieſem Geifte, diefem Glauben 
Bir nicht widerftehen, wo er fo vertrauensvoll ſich ausfpricht; wo ein fol: 
lebt im Leben und in der Predigt, da wird fich das Volk verfamnteln. 
bängen mir an den Lippen der Ältern und Lehrer, wenn fie von Gott 
km wunderbaren Weſen, von den Schickſalen und Thaten großer unb from⸗ 
chen, überhaupt von der heiligen Geſchichte erzählen; ; wir glauben und 
kBig erflaunt über den wundervollen Gott und feine frühern Offenbarungen 
VNenſchheit. So mit der Muttermilch und der Liebe felbft geht Gottes 
a unfer Pindliches Gemüth ein, ja fhon um unfre Wiege Elingen hei: 
Michten, und das kaum gefhaffene Ohr wird fhon gewöhnt, von Gott 
R Epäterhin nun erzählen Altern und Erzieher von eignen Wahrnehmun: 
ut, von feinen wunderbaren Wegen, und mit Fingern zeigen fiodem Kinde 
weichimgsvollen Rath, und wo Andre nur das Spiel des Zufalls und das 
der Naturgeſetze erblicken, fehen fie Gott. So wird bad Kind fchen früh 
8, anfangs nur gewöhnt zu hören und zu glauben vom Allgegenwaͤrtigen, 
Brad, den es doch nicht fieht, von dem Allmaͤchtigen und Altweifen, den 
erblickt. Jedes Gut des Lebens wird als eine Gnadengabe aus feiner 
pormmen, aus der Hand, tie es nidt haut. Inden Kirdyen ſieht es die 
ken derſammelt, alle find reinlich und feſtlich gekleidet; die gewoͤhnichen 
Wı tes Lebens und ber Werteltage ruhen, alle find vereinigt, Einem zu die: 












186 Religionsunterricht 


nen, den ihre Augen nicht ſchauen, zu Einem beten, ben fie nicht finniid 
nehmen. Ja Alles, was grof und herrlid) fonft dem Kinde erfcheinen mag, 
Obrigkeit, Altern, Lehrer, Ale beugen ſich hier vor einem noch hoͤhern 
der doch immer verborgen vor ihren Augen bleibt, und ihm danken fie 

alles Gute, audy für das Boͤſe, obgleich fie Alles feibft in Mühe und Schr 
arbeitet und fo ſich Alles felbft verdient zu haben fcheinen. So lernt ber. 
liche Geift ſchon früh fein Sehen, Denken, Dichten und Meinen verleugug 
glauben ein Ewiges und Unendliches, der immer nur Eins, nur ein Zeitlie 
Endliches ſchauen fann. Der Geiſt, der Alles nur als entflanden und ve 
begreift, wie er es fieht, lernt glauben an Etwas, das da nicht entflanden 
ein Wefen und Dafein ohne vorhergehende Urſache. Gibt es nun irge 
Wahrheit und Lehre, fo if jie dem Menfchen erft darum wahr, meil fies 
Glauben übereinftimmt, oder aus ihm hervorgeht, ſodaß der Gläubige w 
würde ohne feinen Glauben gar nichtE Andres begreifen koͤnnen. So hat di 
einen Ruhepunft, wo er einkehrt, felig zu fein in der Wahrheit, eine H 
wo er die Noth und Mühe des Begreifens ablegen und einen ungetrübse 
zum Himmel erheben, eine felige Anſchauung des Unergrlindlichen, einen; 
zum Vater haben kann. Und fo ift auch dem Menſchen das ganze irdiſch 
gedeutet und das Raͤthſel feiner Beſtimmung gelöft. Er weiß, von we 
was er hier ijt und fein foll, und weis, wohin er fommen wird. Don 
ift er ausgegangen, was er hier if, iſt er durd) den Sohn, und ber Geiſt, 
in alle Wahrheit leitet, führt ihn einft dem Vater wieder zu, wo er Alles i 
if. — Das iſt aber nicht das Einzige und Wichtigſte der Erziehung, d 
ung geiftig fo im Denken und Erkennen verleugnen lernen; denn Gottes M 
ja in uns nicht als eine Lehre oder ein Wort, fondern ale Kraft fein und 
Darum gewöhnt man auch das Kind ſchon früh, alles fein felbiliges Be 
Verlangen und Wollen aus keinem andern Grunde aufzugeben, al® weil 

Gottes Gebot und Willen if. Alles Unrecht und Böfe wird daher Mi 
Glauben felbft bekämpft, und man Ichrt [hen das Kind um Vergebung bei 
den bitten, wie man überhaupt daffelbe beten lehrt. Wie unausfpseh 
dem Gemuͤthe des Kindes die Wahrheiten der Religion find, fann nıan m 
lernen, wenn man es die Religion als ein Gottes: Wort lehrt. Hier kann! 
ben, was es heißt: Im Munde der Unmündigen hat er ſich ein Lob zubereitei 
nun den Unterricht in der Religion im Allgemeinen betrifft, fo finden wi 
Erfahrung befiätigt, daß die Ahuung der Religion am reinften und unver 
ſten da ſich zeigt, wo noch Eeine methodifhe Begriffsentwidelung flatthabe 
te, und das oft das ungebildete einfache Semüth ihr Siegel wahrhafter 

verfälfchter in fich trage als der zum Gipfel des Wiſſens erhobene, vielf 

terrichtete Geiſt des methodiſch Gebildeten. Diefe Erfcheinung zeigt uns bi 
der menfchlichen Natur und die Schranke des wiſſenſchaftlichen Streben®. - 
Unterricht in der Religion erfolge weder zu früh noch zu fpät. Nicht z 
d. h. nicht eher förmlich, bevor nicht die Wahrzeichen des Verſtandes eis 
das frühe Lernen der Begriffe und der Dogmen verderbt im Kinde die N 
fie wird zum Scheine, flatt Herzensfache zu werden. Nicht zu ſpaͤt, di 
erft dann, wenn ſich in dem Gemuͤthe Zerſtreutheit und Leichtfinn, Selbſtſu 
Zweifelgeift feftgefegt haben; der Neligionsunterriht darf nicht zu ſpaͤt a 
gen werben, weil die veligiöfe Idee unter den Sorgen der Erde und bie ı 
Hoffnung unter den Widerfprüchen der Ereigniffe verioren geht, wenn fie i 
guten und tiefen Boden geſenkt ift. — Die erſte religiöfe, d. h. fromm 
ziehe ſich das Kind felbft ab — aber aus dem Leben frommer Menſchen, nas 
der Knabe von dem Vater, die Tochter von der Mutter. Ältern müffen vı 
Kindern in einem unaffectirt frominen Leben wandeln und ihren Kindern a 


Religionsunterricht 187 


ber Gottes die Weihe zum Reiche Gottes geben. Die erſte Religions⸗ 
en Kindern in der Anfchauung gegeben: eine Religion in lebendigen, 
rtigen Beifpielen fei alfo der erfte Unterricht in der Religion. Hierauf 
ı Kindern die Erzählungen aus der alten, fernen orientalifchen heili- 
Bibel in Auszügen, füge an jede verftandene Trzählung einen bibli- 
in welchem die Refultate ähnlicher Erfahrungen, welche die vorher 
jelefene Geſchichte vergenenmwärtigte, kurz und deutlich ausgefprochen 
in ber Zukunft bei der Erinnerung an jene Sprüche zugleich die ange> 
ſachen zu Erklärung derfelben dienen koͤnnen. (Die „Bibl. Geſchich⸗ 
midt dürften daflıc am zweckmaͤßigſten befunden werden, zunaͤchſt dies 
L Gefchichten‘‘ von Hübner mit Sprüchen und Liedern, in Schwelm 
nen.) Ebr alfo ein Spruch gelernt wird, müffen Altern und Lehrer 
afte Geſchichten zum Verſtaͤndniß des Spruches vorausgeſchickt has 
er audy außer der biblifchen Geſchichte das religiöfe Leben andrer Fa⸗ 
ı Unterricht in Anſpruch nehmen zu können, fo wähle man foldye Buͤ⸗ 
vitkliche Thatſachen aus dem religiöfen Leben der Vergangenheit und 
ıdiefem Behufe enthalten. (Die Sammlung von Ewald in 3 Bon. 
„Beifpiele des Guten”, ift dazu fehr brauchbar.) — Aus diefem Ges 
ich im Kinde eine Reihe religiöfer Vorftellungen von einec nicht blof 
ondern auch wohlmwollenden und ftrafenden Aufficht über das Thun 
; behaltbar find fie ihm durd) die Sprüche geworden, und diefe find 
ducch die Geſchichte verdeutlicht worden, nicht als etwas dem Kinde 
aes, fondern als mit Hülfe des Lehrers felbft erworbene Weisheit zu 
- Nädıft diefen Erzählungen, welche aus dem religidfen Leben ein» 
yen entlehnt waren, gehe man den Kindern kräftige, kurze hiftorifche 
ven Veranftaltungen Gottes, die Erde bem Himmel zu nähern; zeige 
Vederkehrende Liebe des Vaters im Contrafte zu dem Ungehorfam und 
des gröäten Theiles ganzer Familien wider Gott und fuche auch biefe 
uch bihlifhe Sprüche behaltbar zu machen. Auf diefe Belehrungen 
erkatechiömus, als zweckmaͤßige Erweiterung des früher eingeleite⸗ 
tehismus, folgen können. Durch diefe Übungen ift nun die Jugend 
mug, in der vorzuführenden Religionsgeſchichte jeden immer gewag⸗ 
iner Nation, Gott beſtimmt zu denfen und zu ehren, dennoch theil- 
fo ohne Spott, ernft und andachtsvoll zu beurtheilen. Man zeige in 
te recht deutlich, daß der Menfd) weder die wahre Erfenntnif, nod) 
derehrung Gottes aus’ eigner Kraft erlangen und begründen konnte, 
h die Liebe des Vaters darin unterflugt werden mußte. Diefe Ges 
zum vorzuͤglich dazu geeignet, den Egoismus zu bekämpfen und den 
dankbarer Demuth zu beſtimmen. Mit tem Allen, was wir bisher 
He Bildung als zweckmaͤßig angedeutet haben, glauben wir, ift der 
ag der religiöfen Erziehung feſtgeſetzt: Bewirke, daß dein Zoͤgling Gott 
ad im Herzen habe, daß er fchaue den Unſichtbaren, wie er ſich auch 
unbezeugt gelaſſen, nicht ferne von ihm iſt, und daß er fich büte, in 
zu willigen, noch zu thun wider Gottes Gebot. — Bon bier ift nun 
I zu einer volfländigen Lebensgefchichte Sejn Chrifti geebnet; tiefe 
hronologiſch aus allen + Evangeliſten, laſſe fie die Kinder aus der 
fen und füge dazu die praktiſch-zweckmaͤßigſten Erläuterungen. Es 
einnern , die Geſchichte Jeſu aus den heiligen Urkunden felbft leſen 
de andre Duelle ift getrubt. Mit der Lebensgeſchichte Jeſu beginnt 
je pofitive Religionsunterricht, deſſen Dauptgrundfag nut fein kann: 
neige Leben, daß ihr Den, der allein wahrer Bott ift, und Den, den 
6, Jeſum Opriflum, erfennet. Fragen wir, welche Methode bei tie: 


188 Religionsunterricht 


fern Unterricht zu wählen fei, fo kann nur diejenige als die zweckmaͤßigſte 
tet werden, welche Jeſus feinen Schülern felbft vorgefchrieben hat. 2 
Schäfer fahen ihn leben, dulden und wirken, und hörten ihn reden. &d 
ten waren die Belege zu Dem was er lehrte, und was er lehrte, das erläu 
nen den Grund feiner Handlungsmweife, ihren Werth und ihren Zweck, 
Tonnten fie nicht anders, fie mußten nad) umd nach erfennen, daß er fet € 
der Sohn des Icbendigen Gottes, der Meifter von Gott gefandt, der I 
Wahrheit, die da felig macht. Auf dieſelbe Weife, die ſich an ihnen feibft 
hatte, wirkten nun auch die Juͤnger Jeſu auf ihre Schüler. Er war dei 
ftand ihrer Lehren, ihre Aufgabe war das Gemälde f. Lebens und f. Ch 
Sie Hatten ihn geſchaut von Angeficht zu Angeficht, ihre Schüler konnten 
mit dem inneren Auge fhauen ; war aber nur ihr Gemaͤlde treu, fo durfte 
fihert fein, daft, wer es gefchaut, ergriffen werde von feiner Erhabenhelt 
ihn lieben und in Liebe thiitig fein werde. — Nicht die Bruchſtuͤcke von 7 
chen und Reden Jeſu, nicht einzelne Scenen aus f. Leben machen den & 
Hörer bekannt und befreundet mit ihm, fondern nur die vollftändigfte un 
Darftellung deffelben. Wie die erften Religionslehrer nicht einzelne Sprit 
citirten, um ihre religiöfen Anfichten vorzutragen, und damit zu unterftät 
nicht die einzelnen Evangelien cine nach dem andern leſen ließen, font 
ganze Genzilde f. Lebens vor die Augen ihrer Schliler zu bringen wußte; 
chem jede Rede, jedes Wort erläutert wurde durch die That, welche es 

fo fol auch jetzt noch jeder chriftliche Religiontichrer die große Aufyabe 3 
hen, feine Schüler bekannt und befreundet mit Jeſu felbft zu mahm. # 
jten Kindern, welche von Sefu nur zu plappern toiffen, was fie im Spr 
lein, Katechismus oder einer dürftigen Erzählung auswendig gelernt habe 
die Erkenntniß ven ihm, welche die einzige Quelle des Lebens ift. — | 
praftifchen Refen der Lebensgefcichte Jeſu muß der Lehrer darauf fehen: 
der Schüler dns Leben des Goͤttlichen, als vollendetes Gemälde, als ein 
an⸗ und überfchaue; b) dann foll ihm die Kehre deffelben, als ein vom &e 
ſchiedenes Ganzes Elar werden; e) endlich foll er fich ſelbſt Nechenfchaft gi 
den Gründen der Wahrheit Deffen, was er glaubt; kürzer, er foll zuerfi 
bensgefhichte Sefu ; dann die Glaubens⸗- und Sittenlehre Jeſu erhalten ı 
lich fein eignes Glaubensbekenntniß ablegen; letzteres ift das Merk des € 
oder die Frucht des Gegebenen, von ihm felbft aber Verarbeiteten. Diefe 
bensbefenntniß feren die Schuͤler auf, oder fie waͤhlen den Eleinen Kate 
von Luther zum Dolmetfcher deffelben, um fo eher, teil Luther nicht® au 
men hat (felbft den Worten nach), al6 was die Bibel enthält. Hätten 
Luther’s Katechismus herausgegebenen Katechismen, Leitfäden, Anleitur 
Lehrbücher ebenſo ehrlich nur die Schrift fprechen laſſen, fo mürben wi 
Führern im Religionsunterricht vorfchlagen; allein da dies nicht der Fal 
fheint es durchaus unzweckmaͤßig, durch fie die heiligen Urkunden zu ven 
umd fie fir den Unterricht zu wählen, ohne deßhalb fie verdammen ober | 
fondern Werth mindern zu wollen. — Um den gefhichtlich = pofitiven U 
in Verbindung mit dem Eirdklich = pofitiven zu ſetzen, befolge man bie durch 
ſchichte angedeutete natlırlihe Ordnung: nach Vollendung des einleite 
ſchichtlichen Neligionsunterrichts laſſe man den erften Artikel memoriten ; 
im Neuen Zeft. Jeſus das Geſetz Gottes, durch Moſes befanntgemadji 
tigt, veranlaffe man die Kinder, das erfte Hauptſtuͤck nach vorhergegang 
klaͤrung zu erlernen; da, wo Jeſus die Anleitung aum Gebet gibt, werde d 
Hauptftüd erklärt und memorirt; der zweite Artikel nach Vollendung ber 
geſchichte Jeſu; der drittenach der Ausgießeeng des heiligen Geiſtes; dat 
mahl und bie Zaufe da, wo die Geſchichte Jeſv fie als integrirende Theile ı 


Religionsunterricht 189 


tfiude müffen aber mit der Erklärung Luther's erlernt werben, meil 
noch nicht im Stande find, eine einfadyere Erklärung zu geben, als er 
flen bat; feine Erklärung bedarf nur einer Verdeutlichung. Die chrift: 
neh befonders vorzutragen, iſt in dem eigentlihen Schulunterricht 
ba die Lebensgeſchichte Jeſu die lebendigſte und individualifictefte Mo⸗ 
— Beim Gonfirmandenunterricht kann nach diefem vorausgefchickten 
a Unterrichte den vorzunehmenden Vorbereitungen eine mehr ſyſtema⸗ 
ſowol in Hinſicht der Religions = ald auch Sittenlehre gegeben, und 
icke koͤnnen dann in der Ordnung durchgegangen werben, in welcher 
ſ. Keinen Katechismus gegeben hat. (Zu diefem Zwecke verdient Em: 
ug's „Svangelifches Lehrbuch der chriſtlichen Religion“, Zittau 1817, 
fematifche Form des Religionsunterrihts auf das Glaubensbekennt⸗ 
tim Dauptftüde des Katechismus gebaut und die Sittenlehre mit der 
we auf eine Weife verbunden ift, welche die gegenfeitige Durchdrin⸗ 
Bechfelbesiehung beider Disciplinen beffer als nody in irgend einem 
wtuche für die Jugend gefchehen anfchaulicd macht.) — Fragt man, 
richt in der Religion mit der Moral oder der Religion beginnen müffe, 
Antwort: während die Jugend hiftorifch mit Gott dem Vater bekannt: 
d, gemöhne man fie zu einer firengen religiöfen Legalität (mo Gott und 
a feinem Auftrage den Kindern alle Handlungen und Pflichten ohne 
mg befeblen), damit fie dann, wenn ihr Herz und Sinn auf mannig- 
und zulegt durd) Jeſus Chriftus mit Luft und Liebe zum Vater und - 
rt erfüllt worden ift und ſich gleichſam aus innerer Liebe gedrungen 
Bater zu dienen und ihn zu ehren, defto leichter das freie liebevolle (oder 
he) Handeln von ihr ergriffen und zu ihrem Eigenthume gemacht 
ne; nur eine religiöfe Regalität, parallel gehend mit dem Unterrichte, 
Sugend zur Moralitit oder zur freiwilligen Ausübung des göttlichen 
Ban hat die Eatechetifche Unterrichtöform in der Religion getabelt. Der 
aber nicht diefe Unterrichtsform als folche an und für fich betrachtet 
Knidyt nur beim Katechumenen⸗ und Confirmandenunterricht vorherrs 
fendern auch ſchon bei dem vorhergehenden Unterrichte hier und da zur 
angewendet werden), fondern nur die Alleinherrfchaft derfelben vom 
I zum Ende bes Religionsunterrichts. Zu unferer Zeit, wo man zu 
oder gar nicht in der Bibel lieft, mo man aud) in Schulen es verfäumt, 
Ne Geſchichte Jeſu und f. Apoftel im Zufammenhange zu einer evan⸗ 
as und überſicht zu erheben, ift diefe Alleinherefchaft der Katechetit 
ch als nuͤtzlich. —- Für unfere gelehrten Schulen ift es hoͤchſt nöthig, 
uf den echt evangelifchen pofitiven Unterricht zu verwenden al& es ge: 
ſchieht. Man widme dem Lefen des I. T. zum menigften eine gleid) 
lufmerkſamkeit ala den Heidnifchen Schriftftellern. In unfern Tagen 
weftantiicher Schüler das Gymnaſium verlaffen, er mag nun Theolog, 
Mediciner werden, der nicht das ganze N. T. in der Urſprache mit ſei⸗ 
m gläubigen Lehrer fo gelefen hat, daß ihn eine echt evangelifche Ein- 
be ins fernere Leben als bleibendes Eigenthum begleite, welche allein 
tsteflanten gegen jede antievangelifche Lehre und Handlungsmeife ehe: 
Den Theologie Etudirenden ift fie in unfern Tagen um fo nöthiger, 
Uftaͤndiger und proteftantifcher geftimmt und gefinnt in die Hörfäle 
yon treten, und um fo richtiger beurtheilen Eönnen, wer aus Gott if 
Bohn zum Führer, zum Vater ermählt hat. Faſt Alte, welche die Aka⸗ 
ken, um über das Evangelium die verfchiedenften und oft widerfprechend: 
m zu hören, ermangeln einer biftorifchen Ein= und Überficht der Ur- 
RT. — GSomwir man zır ben dlteften bijterifcyen Urkunden ded Rechte 


190 Religionsvereinigung Rembrandt van Rhyn 


surüdgeht, um das gegenwärtige gefellfchaftliche Leben der Staaten $ 
dauerhafter zu geftalten ‚ fo wird e8 auch nöthig fein, zu den erften Urk 
Chriftenthums zuruͤckzukehren, wenn das religiöfe und firchliche Leben ur 
eine dem Geiſte des Evangeliums ent[prechende Geftalt gewinnen folt. 

Religionsvereinigung, f. Union. 

Religioſen werden der Etymologie nad) fromme Denfchen, i 
chen Sinne aber Diejenigen genannt, die fid) durch feierliche Gelübde € 
men, befonbers die Blieder der geiftlichen Orden ˖von beiden Gejchlechter 

Neligiofität bezeichnet den ducchgreifenden religiöfen Charaktı 
allen feinen Berhältniffen die Liebe gegen Gott nicht aus den Augen fe 
Religioſitaͤt verhält fi) zur Religion, wie bie Moralitdt zur Vernumft, wol 
finnung der Gewiffenhaftigkeit zum Gewiſſen, wie die Frucht zur Bluͤthe 
ſes Gefuͤhl ift das moraliſche Gefuͤhl auf das Ewige und Goͤttliche bezoge 

Reliquien (Überbleibfel). Dan verſteht darunter Altes und J 
von theuern und wichtigen Perfonen ber Vorzeit den Nachkommen uͤbri— 
iſt; dahin rechnet man z. B. Theile des Körpers (Knochen, Haare, Näg 
Gewänder, oder nur einzelne Stüde davon, Haußgeräthe (Becher, Zifche 
Buͤcher u. f. w.). Zu jeder Zeit erhielten ſolche Überbleibfel, als Erinnern 
Vorzeit, bei den Nachkommen einen Werth. Auch gab es deren fche 
Griechen. Vorzuͤglich aber verfteht man unter diefem Namen alle jan 
Überreſte, welche die Chriften von geheiligten Perſonen, 5. B. den Diät 
Glaubens , aufberwahrten oder aufzuberwahren glaubten. Am meiften vı 
ſich dieſe Reliquien feit den Kreuzzügen. Man glaubte 3. B. die Schw 
worin, der Leichnam Chtiſti gelegen haben fol, Stüde vom Kreuze Ch 
den Umgebungen des Grabes und noch andre Überrefte von Maria, Je 
ben heiligen Männern der frühen chriſtlichen Kirche zu befigen. In I 
Zeit erhielten diefe Gegenftänbe nur einen ausgezeichneten Werth; in 
verſprach fid) der Aberglaube heilfame Wirkungen von dergt. liberreften, 
durch ward der Grund zu einem entehrenden Betrug und Gelderwerb vi 
der Bath. Geiftlichkeit gelegt, und fuͤr dieſe Gegenftände zum Vortheil de 
und Kiöfter eine beinahe göttlihe Verehrung eingeleitet, fodaß man ein 
ter vom Kreuze mehr Kraft zutraute als dem Worte des Erloͤſers felbft. 
mifche Kiche hat diefen Aberglauben nicht nur lange genährt, fondern 
auf die Überrefte ihrer Fanonifirten Heiligen ausgedehnt. (Vgl. Heilige. 

Kembrandt van Rhyn (Paul), einer der berühmteften I 
Rupferäger der niederländifchen Schule, geb. 1606 in einer Mühle unwe 
die f. Vater gehörte. : Sein leidenfchaftlidher Hang zur Kunſt vereitelte 
f. Vaters, der ihn zum Gelehrten bilden wollte. Paul erhielt Unterrich 
von Zwanenburg, einem unbedeutenden Dialer; dann in Amfterdam 
Laftmann, Job. Pinas und Georg Schooten. Allein bald kehrte er mc 
zuruͤck und arbeitete dort, die Natur als f. alleinige Lehrerin zu Rath: 
Sie war aber gemein und aud) f. Umgebungen waren keineswegs geeiı 
zum wahren Schönen, Hohen und Idealen hinzuleiten; da er auch di 
f. frühern Erziehung zu verbeffern ſich nicht angelegen fein ließ, fo war 
ih, daß er fih nur an Darftellungen ber gemeinen Natur hielt und ı 
Geſchmack fand. Sein ganzes Leben hindurch behielt er auch diefe A 
Kunft und f. Lebensart bei; cr ging immer nur mit gemeinen, ungebildet 
um und mochte ſich nie an beffere Gefellfchaft gewöhnen. Um 1630 30 
Amfterdam und heirathete eine hübfche Bäuerin aus Rarep, die ma 
ihm abgebildet findet. Seine Gemälde wurden bald außerordentlich gei 
Geldbegier bewog ihn daher, feine bisherige fleifige und ausgeführte $ 
verlaffen und eine flichtige Behandlungsart anzunehmen. Er zog nun 


1er warven toenio JEDE yEImagt aiv |. Wermmur, Und jein Weiz ſuchte 
nmer höher zu treiben. (x bediente ſich dabei mehrer, auch in der 
von berühmten Kupferſtechern angervendeten Kunftgriffe. Ex verkaufte 
lendete Blätter, vollendete dann bie Platte, brachte fpäterhin, wenn 
t war, einige Heine Veränderungen darin an, und verkaufte fo dies 
a zum britten und vierten Mal, Paufte in Verfteigerungen oder fonft 
» f. Blätter felbft auf, ließ fie von f. Sohne heimlich, als wenn er 
wendet, wieder ausbietin, u. dgl. m. Auf foldhe Weife, und durch 
Lebensart, hatte ſich R. ein bedeutendes Vermögen erworben, wel— 
Isteben, 1674, fein Sohn Titus erbte, der zwar von f. Vater für die 
ımworbem war, allein darin nicht weit vorgefchritten und ganz unbe⸗ 
mifl. — R. war im engften Sinne des Worts nur Maler, d.h. er 
t, was die Behandlung der Farben, das Colorit, Helldunkel, Fer⸗ 
inſels betrifft, im höchften Grade, wogegen er die übrigen Erfoder= 
abren Künftiers, Gompofition, Gruppirung, edein Ausdruck, Zeich⸗ 
‚tive, Draperie, überhaupt Geſchmack fid nie aneignen Eonnte. Zwar 
Ihft nad) dem Nadten und nady Modellen, hielt auch f. Schliler dazu 
a6 für Modelle dies geweſen fein mögen, kann man aus f. Werken 
en. Im f. Compofition und Gruppirung folgte er allein ber gemei⸗ 
id feiner jedesmaligen Laune, ohne alle Auswahl, in der Zeichnung 
1. Das Nadte fuchte er in ber Regel fo viel ald möglich zu verbers 
ıände und Füße ließ er felten fehen, weil er fie nicht zu behandeln vers 
iſt unfoͤrmlich groß oder zu Mein bildete. Da, wo er das Nadte 
n konnte, z. B. in f. Kreugabnahmen, Grablegungen, einigen Dar» 
Bathfeba im Bad, ift es immer ohne alle Proportion, meift widrig, 
mein. Seine Drapirung ift phantaftifch, ganz ohne Wahl, ja meift 
und laͤcherlich. — MR. kaufte alle feltfame ausländifche Kleider, Waf⸗ 
äge Geraͤthſchaften zufammen, um f. Modelle und nach diefen f. 
it auszuzieren. Ungeachtet der großen Fertigkeit f. Pinfels foll ihm 


mnna fanar hei Martrait mh his Tiranirıma ımenhliche Mithe nee 


192 Remebium Remonftranten wu 4 


vorhebt, die Nebenſachen im Helldunkel läßt. Er wählte dazu immer bie 
tung von oben, und hatte befhalb in f. fonft ziemlich dunteln Zimmer 
Öffnung angebracht, durch welche allein fein Modell erleuchtet wurde. 
förmigen Methode ift es denn freilich auch zuzufchreiben, dag R.'s 
überall fehr gleicht und etwas einförmig geworden ift. — Seine zahleel 
maͤlde find faft in allen öffentlichen und Privatfammlungen zerftreut. ° 
ausgezeichnetften gehören fein Tobias und deffen Familie, vor dem Engel 
die beiden Philofophen, Chriftus zu Emaus, die Werkftatt eines Tife 
Samatriter, die Darftellung im Tempel, fein eignes und f. Frau Po 
drohende Gefangene, und zwei Landfchaften, dann Simon und Delila, 
abnahme, und ein minder befanntes, aber fonft noch vortrefflicheres G 
ſtus unter den Kindlein (in der gräfl. Schönborn’fhen Sammlung zu 
ner fein Apoftel Paulus, das Portrait f. Mutter und f. eignes. (in ber ii 
kaiſerl. Galerie), eine heilige Familie, Hagar, Chriftus im Tempel, eine 
legung, Kreuzabnahme, und f. Portrait (in der muͤnchner Galerie), 
Manoahs, das Keft des Ahasverus, Ganymed, fein eigne® und das P 
Mutter und Tochter (das Mädchen mit der Nelke), ingleichen eine Land 
Dresden), Saulund David, Tobias, eine Belhneidung, eine Grab 
und f. Familie, und eine Landfchaft (in Braunfhweig). — R.'s geaͤtzte 
find von einer bewundernswuͤrdigen Freiheit, Leichtigkeit, Kühnheit und ıg 
malerifh. Seine wilde unfleißige Art paßt, wie Leſſing fehr richtig be 
gut zu den niedrigen Gegenfländen, die er meiftens wählte. Sie werden 
bezahlt, daß eins derf., die Heilung der Kranken, den Namen bes „H 
denblatts“ befommen hat, aber oft noch weit’ höher bezahlt wird als 
befagt. Faſt ebenfo fehr ſchaͤtzt man f. Bürgermeifter Sir, den Bit 
den Eoppenel, den Zolling und f. große Kreuzabnahme. — R“r's befte 
die man an der Art ihrer Behandlung der Farben leicht erkennt, waren 
Gerard Doum, Gerbrand van Edhout, Mich. Poorter, Phil. Koning, @ 


Flink. 

Remedium (im Muͤnzweſen). Der Muͤnzfuß iſt zwar die Regel 
von der Regierung Über die Art und Weife feftgefegt worden, wie die Metaf 
ausgeprägt werden foll; aber es vermögen felbft die geſchickteſten Kuͤnſtie 
den einzelnen Münzftüden im Schrote und Korn eine volllommene G 
geben, daher hat men für beide ein Höchftes und ein Geringftes feftgefekt, 
welches fie verfchieden fein Binnen, die® nennt man dad Remedium. — 
Rechtswiſſenſchaft bedeutet Nemedium einen Rechtöbehelf, Rechts 
(S. d. und Proceß.) ; 

Remeſſe, Rimeffe, wird bei den Kaufleuten die baare obef 
MWechfel gemachte Bezahlung empfangener Waaren u. dgl. genannt; auch 
die von dem Xcceptanten eines Wechſels ausgezahlte Summe deffelben ; 
Remeffenbud ein Buch, worin Kaufleute die Wedyfelbriefe, fowie fie 
tirt werden, eintragen, um ben Werth zu gehöriger Zeit beizutreiben. 

Remonftranten (Arminianer). Der Stifter diefer Religion 
in ber reformirten Kirche war Jak. Arminius, geb. 1560 zu Oudewater, 
Provinz Holland. Er hieß anfänglid) Hermann. Sein Vater, ein Mefferhl 
ftarb frühzeitig; als er einige Zeit zu Utrecht ftubirt hatte, nahm ihn 1575 
Snellius mit ſich nad) Marburg. inige Zeit darauf ging er nad) Rot 
von da nad) Leyden, wo er 6 Jahre lang den Unterricht des Lambertus D 
genoß. In Genf hörte er Beza und zu Bafel erwarb er ſich die beſonde 
tung des Grynaͤus. Auf f. Reife nad) Italien fand er zu Rom bie Verba 
der päpftl. Regierung fo arg, daß er felbft fagt, fie habe alle f. VBorftelungen 
troffen. 1588 ward er als Prediger nach Amfterdam berufen; 1603 w 






















Remonftranten 1985 


rologi: zu Leyden, und ftarb 1609. — Der Hauptgegenftand, wor: 
nung Der Remonftranten von der allgemeinen reformirten Kirche ent: 
ie Lehre von der Drüdeftination (Gnadenwahl). Den Irethum 
ıen In diefer Lehre fuchten fie in einer 1610 von ihnen den General: 
Holland Überreihten und Remonstrantiam überf&riebenen Schrift 
ı, von ber fie fpäterhin den Namen Remonftranten erhielten. Cie 
1) Daß Gott zwar von Ewigkeit einen Befchluß wegen der Menſchen 
Verdammniß gefait, aber die Bedingung hinzugefügt habe, er wolle 
m felig machen, welche an Chriſtum glaubten, die Ungläubigen hinge: 
nr. 2) Daß Chriftus für alle Menſchen geftorben und allen durch f. 
fehnung und Vergebung der Sünden erworben habe; es koͤnne aber 
jand erlangen, es fei denn, daß er an fie glaube. 3) Daß kein Menſch 
enden Glauben aus eignen Kräften haben Eönne, fondern von Bott 
ch den heiligen Geift wiedergeboren werden müffe, wenn er dazu ge: 
4) Daß man ohne die Gnade Gottes nichts Gutes zu denken, zu 
stbun im Stande fei, denn alle unfere guten Werke hätten ihren Ur: 
tielben; bdeffenungeachtet, wenn man auf die Beichaffenheit ihrer 
e, fonne man nicht behaupten, daß man fich ihr fietd widerſetzen und 
Govechindern koͤnne. 5) Daß die Gläubigen wider Sutan, Suͤnde, 
ır eignes Fleiſch flreiten und den Sieg erlangen Eönnten durch den Bei⸗ 
ligen Beiftes. — Diefes ift der echte Inhalt der Kehre des Arminius 
eufcheaft der Remonftranten. —- Bon dirfen fruͤhern Remonſtranten 
e fpätern unterfcheiden, welche bei diefen 5 Artikeln nicht ftehen Blic- 
s in ihrem Kampfe gegen die allgemeine reformirte Kirche noch weiter 
Da noch vor den Arminianifchen Streitigkeiten mehre Schriften des 
Holland heimlich verbreitet worden waren, und namentlich bei dem 
le der vorzüglichften Gelehrten, welche faft alle Mitglieder der Nemon- 
m, Eingang gefunden hatten, fo war es natürlich, daß die fpätern 
en in vielen Stüden mit den Socinianern oder den frühern Ratio⸗ 
einftimmten und daher des Socinianiemus bejchuldigt wurden. — 
ı von Holland gaben 1614 eine Verordnung, nach weicher die Re⸗ 
und Gegenremonftranten (nach einem ihrer Wortführer, dem Prof. 
e, Kranz Gomarus zu Leyden, auch Gomariften genannt) ſich 
in Liebe und Frieden vertragen follten. Da beide Parteien aber die 
id Unguͤltigkeit eines ſolchen Decret3 von Seiten der Obrigkeit in Kir: 
ıheiten in Zweifel zogen, fo wurde, um die dadurch entflandenen Un: 
:gen, 1618 vom 13. Nov. bis 1619 d. 9. Mai die berühmte dor d⸗ 
node gehalten. Hoͤchſt bemerkenswerth ift der Ausſptuch diefer 
Sie wies erſtlich der Vernunft in der Furcht Gottes den Platz an, der 
Nagd ſchickt; fie nahm die Vernunft unter den Gehorſam des Glau⸗ 
mn, und erflärte mit frommer Demuth und theologifcher Zolgerichtig: 
Iteftinationslehre ift hart, ſehr hart, aber wir innen nicht helfen; feft 
oſpruch der heil. Schrift, untergehe die Meinung der niderftrebenden 
Ne Mefocmirten oder Segenremonftranten gewannen durch diefe Syn⸗ 
band, weil fie hier Kläger und Richter zugleich waren. Die Nemon- 
en das willfürliche, graufame und ungegründete Verfahren diefer 
Richt geftelit,, und bis jegt haben die Neformirten dieſe Befchuldigun: 
verlegt. Obgleich die Arminianer fich dem firengen Urtheile der Snnobde 
chauptungen Irrthuͤmer twären ) unterwerfen mufiten, fo unterliegen 
, ihre Lehren in Schriften zu rechtfertigen. - - Nach dieſer Einnode 
inficht des Beſtandes diefer Partei bedenklich aus, beſonders als fid) 
enffranten ber Zheilnahme an der Merfchwdrung gegen den Prinzen 
Eirsente Aufl. ®B IX. 13 


194 Remſcheid Remus 


Moritz ſchuldig bekemen mußten. Einige Prediger aus der Gemei 
aber bei dem Prinzen eine wohlgegruͤndete und nachdruͤckliche Vorſtel 
welcher ſie zeigten, daß die Schuld einiger Mitglieder nicht der ganze 
zugerechnet werden koͤnne. Dieſe Vorſtellung hatte ihre gute Wirkun 
Prinz uͤberwand nicht nur ſelbſt ſeinen Zorn, ſondern vermochte auch 
bungen, den Remonſtranten eine mildere Behandlung angedeihen zu Iı 
f. Tode, 1625, erhielten fie von f. Bruder Heinrich durch ein befonder: 
Erlaubniß, fid) in allen Orten und Städten Hollande aufzuhalten 
und Schulen anzulegen ; letzteres gefchah namentlid) in Rotterdam ı 
dam. In Amfterdam flifteten fie ein Gymnaſium, um fich ihre Le 
bilden; dieſe Anftalt machte fich fehr berühmt. Die Gemeinden zı 
und Amfterdam waren die ftärkften. — Sie bemühten fidy nicht, ihr 
genoffenfhaft zu verftärken; wer zu ihnen überging, mar nicht verz 
Glaubensbekenntniß anzunehmen, wenn er nur erklärte, er fei dem 
chriſtlichen Glauben nach dem apoftolifhen Symbolum zugethan unt 
Chrifti Gebot fein Leben führen. SShr Öffentlicher Bottesdienft war ! 
formirten faft durchgehende gleich, nur daß fie in der Taufe, bei welch 
mirten von den Altern bes Kindes ein Bekenntniß fobern, daß ihre Lel 
und fich verfprechen laffen, das Kind darin zu erziehen, die Altern blof 
ihr Kind in der hriftlichen Religion unterrichten zu laffen, ohne ei: 
Gemeinde zu nennen. Auffallend ift es, daß, fo lange fie gedruͤckt 
wurden, ihre Geſellſchaft fehe zahlreich war; fobald fie aber Freihei 
erlangt hatten, die Zahl der Mitglieder mehr ab» als zunahm. 

Remſcheid, Dorf und Kichfpiel im Derzogthum Berg, jet 
borfer Regierungsbezirk der preuß. Provinz Juͤlich⸗ Kleve- Berg. D 
ungeführ 100 Häufer, das Kirchfpiel aber, von 2— 3 Stunden ü 
mit 6000 Einw. hat zwifchen 50 und 60 fogen. Höfe und in benfi 
Handlungshäufer. Ein Theil diefer Kaufleute hat große Fabriken 
(jährl. 400,000 St.), Eägen, Seiten u. f. w., die nad) den Antillen ı 
in Menge ausgeführt werben; ein andrer Theil befigt Breit-, Red: 
raffineriehämmer, mit deren Erzeugniffen in = und außländifche Eifen = 
fabrifen verforge werden. 45 Eifenhämmer ftehen in einer Gegend v 
den, um biefen Drt herum, die alle Arten von Eifenwaaren zum S 
fertigen und auferdem 800 Artikel von Schneids und andern Werkzei 
Bor dem Revolutionskriege wurden jährlihd O— 10 Mitt. Pfund Eii 
tauft. Auf den 18 in und um Remſcheid fließenden Bächen kann ſch 
ren Fahren feine neue Anlage gemacht werden. Viele Haͤuſer zu Nemf 
auch einen bedeutenden Handel mit andern deutfchen und fremden Fo 
Die Gegend ſelbſt ift an Naturerzeugniffen arm. ifen, Stahl, Ho 
andre für die Fabriken erfoderliche Gegenftände müffen von andern £ 
liefert werben. In den Pflanzungen der holländ. Golonien gibt man t 
der Merkzeugen vor allen andern den Vorzug. 

Remter, das, in Urkunden Remptir, auch Reventer, was 
auf ben fat. Urfprung refeetorium hinleitet, hieß in Kiöftern der Ver 
ſaal zu Gelagen, Spiel und Unterhaltung. Weit die Korm der Klöfter 
lichen Einrichtung auch das Vorbild der Burgen wurde, fo gingen die 
dorthin Über ımd ber Remter wurbe ein wefentliches Stuͤck diefer Gel 
Mufter ihrer Anlage kann das Nemter zu Marienburg (f. d.) gelı 

‚ der erften Begründung des Schloffes bis auf unfere Tage ſich erhalteı 
weilen ift e8, wie in Schulpforte, nod) von dem eigentlidyen Speifefa 
eulum , getrennt. 

Remus, f. Romulus. 


Remufat Reni 195 


nufat (Bean Pierre Abel), einer der erſten europdifchen Einguiften, 
Atad. und Prof. der chinefifchen und tatarifchen Sprache am College 
‚ft ben 5. Sept. 1788 zu Paris geb. Er fludirte Medicin, in welcher 
: Doctormürde erhielt, folgte aber zugleic) feiner Neigung, bie orienta- 
achen, namentlich die ckinefifche, tatarifche, tibetanifche u. f. w. gruͤnd⸗ 
zu lernen. Schon 1811 erfchien fein „Essai sur la langue et la lit- 
hinoises”, wodurch er die Aufmerkfamkeit der Kenner aufſichzog und 
ien zu Grenoble und Befancon beroog, ihn zu ihrem Mitgliede aufju- 
Einige andre Schriften über das Chinefifche folgten. 1814 ernannte 
XVII. zum Profeffor und 1816 trat er in die Akad. der Infchriften. 
mti's Tode 1818 erfegte er diefen in der Herausg. des „Journal des 
Biele treffliche Auffäge von ihm find im „Moniteur”, im „Journal des 
ıden „Sundgruben”, in ber „Biographie universelle” u. f. w. erſchie⸗ 
m Theil befonders gebrucdt. Seine Hauptwerke find, außer dem ge: 
‚ssai‘', fein „Plan d’un dietionnaire chinois‘ (1814), „Le livre 
yenses et des peines”, üüerf. aus d. Chinef. (1817) u.f.w. Auch 
ı dem 1814 erfchienenen 16. Bande ber ‚„„Memoires concernant len 
ntheil, und lehrte uns 1820 in dem chinefifchen Weltweifen Lahotfe 
m Platon fennen. Seine „Melanges asiatiques” (Paris 1825 fg., 
thalten Auffäge von ihm über die Nelig., Sitten, Sprachen, Geſch. 
der Völker des Drientd. 1827 machte er die Parifer durch feine „„Con- 
" (3 Thle.) mit ben Sitten der Chinefen bekannt. Über Remufat’s 
e des Chinefifchen und die weſentliche Verfchiebenheit des chinef. Sprach: 
wm Sanskrit, ber griech., german. und latein. Sprache, vol. man A. 
ws „‚Sendfchreiben an Remufat” (Paris 1827). 
egaren, fo viel als Religionsverleugner , beſonders die von ber chrift- 
sAbtrännigen, welche zum Koran Übertreten. Häufig ift bei den Res 
ſennutz die Triebfeder ihrer Handlung, feltener Zwang und Überredung 
er des Islam bei gefangenien ober unter ihnen wohnenden Cheiften. 
i (Guido), der anmuthigfte und gefälligfte Dialer, welchen Stalien je 
ht hat, wurde zu Bologna 1575 geb. Sein Bater, Samuel Rent, 
her Muſiker, wollte ihn anfangs der Muſik widmen, wozu er Talent 
im er bemerkte bald ein noch größeres in dem Knaben fchlummerndes 
Malerei und übergab ihn daher dem Unterricht des in Bologna da- 
em Anfehen ſtehenden niederländifdyen Malers, Dionyſius Calvaert. 
in deſſen berühmter Schule vorzüglich nach Albr. Duͤrer's Werken ftu: 
dies wird wahrfcheinlich, wenn man manche von feinen frühern Arbei⸗ 
rt und darin, beſonders in den Gewaͤndern, dann und wann eine Ähn⸗ 
den Dürer’fhen Geroändern findet. Unterdeſſen fing die Schule ber 
Bologna an, durch Neuheit und beſſern Geſchmack in der Kunft jene 
a. Auch Guido ging, 20 3. alt, zu den Caracci über. Diefen gab 
sgenheit, fein Zalent zu bewundern; er foll fogar Annibal Caraceci's 
nregt haben. Die Begierde Guidos, die Kunſtſchaͤtze Roms mit eig> 
m fchauen, vermochte ihn jedoch mit ziveien feiner Mitfchüler, dem 
so und Albani, nah Rom zu eilen. Nachdem Guido einige Ge⸗ 
Besen feiner Erüftigen, effectvollen (jedoch unedeln und gemeinen) Dia: 
w über die Maßen bervunderten Caravaggio gefehen und deſſen Be: 
ut nachgeahmt hatte, verbreitete fidy binnen kurzem fein Ruf und bewog 
MBorghefe, für die Kirche delle tre Kontane eine Kreuzigung des heit. 
a ihm malen zu laffen. Die Eräftige Manier, in welcher diefed Bild 
t andre aus derfelben Zeit gearbeitet find, welche Guido jedoch nicht 
Weit, erhöhte feinen Ruf immer mehr; und als der Cardinal die (burdy 


13 * 


196 Reni 


Morghen's trefflichen Stich bekannte) Aurora durch ihn hatte v 
wurde die Bewunderung allgemein. Paul V. ertheilte ihm um die| 
trag, eine Capelle auf Monte:Cavallo mit Scenen aus dem Leben | 
sufhmüden, und da er auch biefen Auftrag zur Zufriedenheit d 
ausgeführt batte und ihm überdies von demfelben die Auszierun 
Gapelle in S.:Maria-Maggiore anvertraut wurde, befam er bin: 
fo große Menge Beftellungen, daß er fie alle zu beforgen nicht ir 
Aus diefer Periode find unter andern wol auch feine Fortuna, die 
tus V. und des Cardinals Spada. — Man nimmt gewöhnlich 
Manieren für Guidos Malereien an. Die erfte ift die effectvollſte 
Gemaͤlde, welche der Behandlungsweife der Caracci und befonder 
vaggio ähnlich find. Starke Schatten, enggefchloffene Lichter, ein 
£iger Pinfel, kurz das Hinarbeiten nad) großer Wirkung zeichnen 
Periode gefertigten Ucbeiten aus. Die zmeite Manier bildet den ı 
faß der erfion und wurde von Guido aud) ald Gegenfag der Art 
vaggio, mit dem er in ſteten Zwiſtigkeiten lebte, aufgeftellt. Sie ze 
heile, fchattenlofe Färbung, durch einſchmeichelnde, gefällige, dod 
oberflächliche Behandlung aus und ift dem Guido ganz cigenthi 
obgedachte Aurora bildet ſchon den Übergang oder vielmehr Übertrit! 
in die zweite Manier. ine dritte Periode fängt von der Zeit an, 
fing, eitfertig und ſchnell zu arbeiten, und mehr auf Geldverdienft al 
bedacht war. Sie zeichnet ſich durch grünliche, graue und überhau 
Färbung , durch nadjläffige und flache Behandlung aus. Diefe Ic 
merkt man vorzüglich in der großen Fahne mit dem Schugheiligeı 
mehr oder minder in einer Menge anderer Gemälde diefer Periode 
Regierung des Papftes Urban VIII. entzweite fid) Guido mit defl 
dem Cardinal Spinola, wegen Bezahlung eines feiner Gemälde 
Bologna zurüd. Dafelbft hatte er bereitd unter andern Gemüldeı 
Zumpieri feinen heil. Petrus und Paulus, für die Dominicanerficch 
‚bermiord gemalt, und rear jegt im Wegriff die Gapelle des Heil. 
auszuzieren, als er nach Rom zurüdberufen, dort mit Ehrenbezeigu 
ımd vom Papſte felbft aufs liebreichfte empfangen wurde. Ball 
neue Unannehmlichkeiten, und da er auch in Neapel, wohin man i 
gen der Verfolgungen der dortigen Maler gegen alle bedeutende 
nicht ficdyer glaubte, fo Echrte er nach feiner Vaterſtadt zuriick und 
wieder. In Bologna vollendete er die gedachte Capelle, malte { 
fir die Kirche de’ Medicanti, fiir Genua eine Himmelfahrt der M 
Menge andrer für fein Vaterland und das Ausland, befonders für 
ter verdienen ausgezrichnet zu werben: fein heil. Michael für die E 
Geſchichte des heil. Benedict für das Klofter S. Michele in Bosc 
Paris für den König von Spanien, Scenen aus dem Leben des 
Verkuͤndigung, der heil. Sebaftian, ein Ecce Homo und einige J 
das Mufeum zu Paris befigt), ein Chriftusfnabe, zuf dem Kreu; 
Magdalene, ein Johannes der Zäufer, das legte Genuilde aus fei 
nier (in der kaiſerl. Galerie zu Wien), eine Anbetung der Hirten, 
und Magdalene fin der Lichtenſtein'ſchen Sammlung), eine Him 
‚feiner ſchoͤnſten Bilder (in der koͤnigl. Galerie zu München, geft 
Freiburg 1826), ein Ecce Homo, ein Johannes der Evangelift, | 
und eine Fortuna (in Münden), ein Ecce Homo, Chrijtus, mel 
erfcheint, eine Madenna, von Heiligen umgeben, Ninus und € 
kleiner Bachus und eine Venus (in der dresdnner Galerie). --- | 
Iatte Guido eine Schule errichtet, in Bologna vergrößerte er dieſel 


> wunteman ammuneny.  mrugeguen yus [arte maeitpuimig Sasse ayıan suyen- 


mie und Lieblichkeit, die mehr in der Behandlung des Ganzen ale 
Theile befteht, ja man mun auch dies eigentlich nur auf feine Köpfe 

Seine Gedanken find gewöhnlich, wol gar gemein, die Anordnung 
iten gut, daher auch feine groͤßern Compofitionen weit weniger Wir⸗ 
amd weniger gefchägt werben als feine Werke von kleinerm Umfange, 
eHalbfiguten, deren man eine große Anzahl findet. Der Wurf fei: 
hat visi Schönes und ift meift wahr und leicht; nur fehlt es Ihnen 
nie mit dem Ganzen unb an dem Charakter des Stoffes, morans 
Cinen hohen, wuͤrdevollen, manniyfaltigen, befiimmten Ausdrud 
inen Werken nicht fuchen. Dadurch erklärt fi), warum ihm Maͤn⸗ 
vorin Kraft und Feftigkeit dargeſtellt werden follen, felten und mehr 
m Periode gelangen. Ganz an feinem rechten Plage aber war Gui- 
jugendliche, beſonders weibliche Geftalten bildete. In ihnen zeigt 
Gefuͤhl für‘ Altes, was nur anmuthig, hold und zart genannt wer⸗ 
: Allem aber fpricht fich dieſes Gefühl in den gen Himmel gerichteten 
MRagdalenen und Mabonnen aus. Sein Colorit ift felten wahr, fäut 
he, Gruͤnliche und Silbergraue, ift aber doc) meift angenehm und 

großen Leichtigkeit und Meifterhaftigkeit feines Pinfels, von einer 
ı nd marligen Behandlung, welche aber freilich in Manier ausar 
do hatte nicht allein in Relief, fondern auch einige Statuen gearbei⸗ 
lemiiche Anzahl Blätter eigenhändig radirt, weldhe mit einer leichten, 
el behandelt find und fehr gefhägt werben. Faſt liefe ſich behaups 
Zeichnung In diefen Blättern richtiger und edler fei als felbft in ſei⸗ 
1. Unter ber Menge feiner Schüler, welche mehr oder minder ſei⸗ 
eu blieben, zeichnen ſich aus: Guido Gongingt, Simone Cantarini 
messco Richt, Andr. Strent, Giovanni Semmti, ©. ey Bo: 

B.C. 

HE (James), ein engliſcher Geogtadh⸗ geb. 1742 zu Chudieigh in 
we feine Kamilie in autem Anſeben ſtand. beſuchte eine benachbarte 


198 Rennes Rennie 


unternahm er mehre Arbeiten zur Verbeſſerung ber Geographie dieſes Welt 
Das große Merk des Dr. Vincent fiber die Reife des Nearchus und über d 
riplus verdanken ihm manchen wichtigen Auffchluß. Won feinen eignen 9 
verdienen noch angeführt zu werden: „The geographical system of Her« 
explained” und „Observations on the topography of the plain of Troy 

Rennes, vormals Hauptflatt von Bretagne, jet bie des Depa 
Jue und Bilaine, liegt an dem Zufammenfluß diefer beiden Fluͤſſe; au 
erftern koͤnnen Barken bis an die Stadt fchiffen. Über die Vilaine find 3 
den gebaut, von denen die ſchoͤnſte (Pont-neuf) die obere mit ber untern 
verbindet. Die obere Stadt, an einer Anhöhe auf dem rechten Ufer der X 
iſt der vorzüglichfte Theil, mit ſchoͤnen, gut gepflafterten, breiten und g 
Straßen, großen Plägen und vielen trefflihen Gebäuden. Die untere ( 
auf dem linken Ufer der Vilaine, ift oͤftern Überſchwemmungen ausgeſetzt 
der Ille liegen die 2 Vorftädte St. Martin und ’Eveque. Sie hat 4000 $ 
1 Domkirche, 8 andre Kirchen, worunter die ſchoͤne Peterskirche mit ber f 
voerthen Sacabe, und anfehnliche Gebäude, als das ſchoͤne vormalige Parla 
haus auf einem großen vieredigen Plage, bad Rathhaus, das Arfenal. 
30,000 Einw. betreiben theild beträchtlichen Speditions⸗ und eignen H 
theils unterhalten fie nicht unwichtige Fabriken, als in Segeltuch, Cattun, 8 
wolle, Leder ıc. und Wachsbleihen. Die Stabt ift der Sig eines Biſche 
des Generals der 13. Militairdivifion.. Sie hat eine Akademie mit 2 
ten, bes Rechts und der fchönen Wiffenfchaften, ein koͤnigl. Collegium, eim 
fenfchaft der Wiffenfchaften und Künfte, eine öffentliche Bibliothek, ein Mi 
ein Naturaliencabinet und einen botanifchen Garten. Die Gegend umberi 
fruchtbar. 

Rennie (Sohn), Vorſteher fimmtliher Hafen: und Marinebau 
Großbritannien, geb. 1757 in Schottland. England hat feit Smeate 
nen Baumeifter aufzumeifen, deffen Ruf allgemeiner anerkannt geweſen 
R. verbankte Alles feinem Verdienfte, der Bebarrlichkeit, womit er fid | 
Fache widmete, und der hohen Rechtlichkeit, die ihn auszeichnete. In fein 
gend arbeitete er als Handwerker, dann ald Mühlenbaumeifter, und ſchon 
ner Zeit erweckten die Verbefferungen, die er beidem Mühlenbau einführl 
Aufmerkſamkeit. Als die Regierung ihm fpäterhin die Aufjicht über alle f 
und Marinebauten uͤbergeben hatte, fand er Gelegenheit, die größten Eu 
auszuführen. Urſpruͤnglich für das Praktifche gebildet, verfäumte er in bei 
nicht, fich mit der Theorie feiner Kunft vertraut zu machen. Seinen Söhs 
ee forgfältig geordnete Baugeſchichten aller feiner Merle, mit ben gen 
Zeichnungen hinterlaffen. In Nebenftunden befchäftigte er fich mit der ' 
£unde, befonder& auf feinem Landfige in Lincolnfhire, wo er ein kleines O 
torium eingerichtet hatte. Er war feit früher Jugend ein Freund bes beri 
Matt (f.d.) und foll wefentlihen Antheil an den wichtigen Verbefferum 
Dampfmafcinen gehabt haben. Unter den Candien, die er ausführte, 
Kennets und Avoncanal merfwürbig, der auf eine Strecke von beinahe ein 
Meile unter der Erde durch eine Anhöhe gegraben wurde. In den Haͤft 
Portsmouth, Chatam, Plymouth führte er große Arbeiten aus, und b 
Bau einer neuen Hafenmauer in Sherneß, deren Grund bis auf 50 Zul 
die Oberfläche des Meeres gelegt werben mußte, wendete er die Tauchergle 
gluͤcklichem Erfolg an und erleichterte ben Gebrauch derſelben durch einige 
gentachte Verbefferungen fo fehr, daß fie jegt eins der vorzuͤglichſten Hülf 
bei folchen fchwierigen Unternehmungen iſt. Sein wichtigites Werk im 
ba ift der Meerdamm auf der Rhede von Plymouth, zum Schutze des f 

nee Werk, das felbft die großen Anlagen bei Cherbourg (f. d.) weit üb 


Rens Renten | 199 


hſten Denkmäler feines Kunftverftandes bleiben jedoch die großen, von 
ten Brüden in Eondon, die Waterloo s und Southwarkbruͤcke, jene 
t, diefe von Gußeifen. R. hatte in London eine große Anflalt zur Ver: 
on Mafchinen aller Art angelegt. Mehre Mafchinen verdanken ihm 
Verbefferungen, befonbers zeichnet fid) die von ihm gebaute Mafchine 
gl. Münze in London aus. Ebenſo merkwürdig iſt die von ihm einges 
erſchmiede zu Portsmouth, wo die großen Anker für die Kriegsſchiffe 
werden und durch zmedmäßige DVerbefferungen ein großer Theil der 
igen Dantarbeit erfpart wird. Auch die große Dampfmafchine von 
Kraft zu Vorkbildings in London iſt fein Werk. Diefer verdienftvolle 
im Detober 1821 zu London. 
8 oder Renſe, aud Reed, einimehemal. Erzſtift Köln gelegenes 
ım Rhein, berühmt durch den nahe dabei befindlichen fogenannten Koͤ⸗ 
L(f. d.). 
ten, im Allgemeinen, diejenigen reinen Einkünfte, welche Jemand 
te fie durch feine Arbeit, Fleiß oder Snduftrie zu verdienen. Sie bei: 
drenten, inwiefern fie dem Grundeigenthümer für die Verleihung 
mg feines Bodens, Sapitalrenten, inwiefern fie dem Capita> 
e Verleihung der Benusung feines Capitals zutommen u. ſ. w. Würde 
eine Penfion, wegen ganz befonderer Eigenfchaften und Vorzuͤge, ale: 
großes Genie, oder weil er eine außerordentliche Naturmerkwuͤrdigkeit 
I, fo würde auch ein ſolches Einkommen eine Rente genannt werben 
ters heißt aud) Mente jedes reine Einfommen, d. h. wovon nicht® abs 
werden braucht, um die Quelle deffelben zu erhalten, oder um das 
mögen, welche es erzeugt, wieder gehörig herzuftellen. In diefem 
x⁊ man auch von einer Induſtrierente oder demjenigen Theil des Ein: 
we Induſtrie, welcher übrigbleibt, nachdem man Alle® davon genons 
pur Erhaltung diefer Art der Induſtrie in ihrem bisherigen Zuftanbe 
‚it. Wenn von Renten im Allgemeinen geredet wird, fo verfteht 
riglich die Staatsrenten darunter, weldye® Einkünfte find, welche der 
en fichest, welche ihm beftimmte Gapitale dafür bezahlt haben und bie 
aatsglaͤubiger heißen. Jedoch ertheilt der Staat dergl. Renten aud) 
m Perfonen, die ihm zwar fein Capital geliehen haben, bie er aber um 
mfte willen belohnen will, ober weift dergleichen Inſtituten an, denen 
ändige Dauer und ein ſtets gleiches Einfommen zu ihrer Erhaltung 
So ift die Pairie in Frankreich, die Univerfität, die Geiftlichkeit u. 
aatörenten angewiefen und gegründet. — Zinfen oder Intereffen ge: 
den Begriff von Capitalrenten; aber fie machen nur eine Art derfel: 
sämlid) folche Gapitalrenten, welche gemeiniglidh gegen Ruͤckzahlung 
6 beſtimmt find und länger nicht gezahlt werden, als bis dahin, wo das 
kdgezahit wird. Dagegen gibt e8 auch Capitalrenten, die immer fort: 
wo das Capital, womit fie gefauft find, nie an den Gapitaliften, der 
bat, um bie Renten zu erlangen, zurüdgesahlt zu werden braucht. 
die eigentlichen Renten. — Sobald ed Perfonen und Anftalten gibt, 
nene Sicherheit gewähren, daß die Renten ununterbrochen bezahlt 
wie ed in dem darüber abgefchloffenen Gontracte beſtimmt iſt: fo wer: 
Benten ein fehr gewöhnlicher Gegenſtand 6 und des Verkaufs, 
en ihnen verfchiedene Bedingungen U mebre Gattungen 







ıentfiehen. Cin Hauptunterfchied entſpringt dadurch, 
Renten auf immer, andre aber nur eine: it lang fortdauern. 
vperpetuirliche, dieſe Zeitrenten. (Vgl. ın.) Zu der le: 
8 gehören die Reibrenten, Zon (©. die defond. 


190 Religionövereinigung - Rembrandt van Rhyn 


zuruͤckgeht, um das gegenwärtige gefellfchaftliche Leben der Staaten 
dauerhafter zu geftalten, fo wird es auch nöthig fein, zu den erften Ur 
Chriſtenthums zuruͤckzukehren, wenn das religiöfe und kirchliche Xeben v 
eine dem Geiſte des Evangeliums entſprechende Geftalt gewinnen fol. 
 Religionsvereinigung, f. Union. 

Religiofen werden der Etnmelogie nach fromme Menſchen, 
chen Sinne aber Diejenigen genannt, die ſich durch feierliche Gelübde 
men, befonder& die Glieder der geiftlichen Orden ˖von beiden Gefchlechti 

NReligiofität bezeichnet den dDucchgreifenden religisfen Charak 
alten feinen VBerhältniffen die Liebe gegen Gott nicht aus den Augen | 
Religiofität verhält fich zur Religion, wie die Moralität zur Vernunft, r 
finnung der Geniffenhaftigkeit zum Gewiſſen, wie die Frucht zur Bluͤth 
ſes Gefühl ift das moralifche Gefühl auf das Ewige und Göttliche bezog 

Reliquien (Überbleibfel). Dan verfteht darunter Altes und | 
von theuern und wichtigen Perfonen der Vorzeit den Nachkommen uͤbe 
iſt; dahin rechnet man 5. B. Theile des Körpers (Knochen, Haare, NE 
Gewaͤnder, oder nur einzelne Stüde davon, Hausgeräthe (Becher, Tifd 
Bücher u. ſ. w.). Zu jeder Zeit erhielten folche Überbleibſel, als Erinne 
Vorzeit, bei den Nachkommen einen Werth. Auch gab es deren fd} 
Griechen. Vorzuͤglich aber verfteht man unter diefem Namen alle jr 
Überrefte, welche die Chriſten von geheiligten Perfonen, 5. B. den Ma 
Glaubens, aufbewahrten oder aufzubewahren glaubten. Am meiften: 
ſich diefe Reliquien feit den Kreuzzügen. Man glaubte 3.8. die Schi 
worin ber Leichnam Chrifti gelegen haben fol, Stüde vom Kreuze C 
den Umgebungen des Grabes und noch andre Überrefte von Maria, © 
den heiligen Männern der frühern chriftlichen Kirche zu befigen. In 
zeit erhielten diefe Gegenftände nur einen ausgezeichneten Werth; ir 
verſprach fid) der Aberglaube heilfame Wirkungen von dergi. liberrefter 
durch ward der Grund zu einem entehrenden Betrug und Gelderwerb ı 
der Bath. Geiftlichkeit gelegt, und fir diefe Gegenftände zum Vortheit I 
umd Kiöfter eine beinahe göttliche Verehrung eingeleitet, ſodaß man eiı 
ter vom Kreuze mehr Kraft zutraute als dem Worte des Erlöfers felbit 
mifche Kicche hat diefen Aberglauben nicht mur lange gendhrt, fonden 
auf die Üiberrefte ihrer kanoniſirten Heiligen ausgedehnt. (Vgl. Heilig 

Rembrandt van Rhyn (Paul), einer der berühmteften 
Rupferäger der niederländifhen Schule, geb. 1606 in einer Muͤhle un 
die f. Vater gehörte. : Sein leidenfchaftlidher Hang zur Kunft vereitelt 
f. Vaters , der ihn zum Gelehrten bilden wollte. Paul erhielt Unterri« 
von Zmanenburg, einem unbedeutenden Maler; dann in Amſterda 
Laſtmann, oh. Pinas und Georg Schooten. Allein bald kehrte er ı 
zuruͤck und arbeitete dort, die Natur als f. alleinige Lehrerin zu Nat 
Sie war aber gemein und aud) f. Umgebungen waren keineswegs geı 
zum wahren Schönen, Hohen und Idealen hinzuleiten; da er auch! 
f. früheren Erziehung zu verbeffern ſich nicht angelegen fein ließ, fo wo 
ih, daß er fi nur an Darftellungen der gemeinen Natur hielt und 
Geſchmack fand. Sein ganzes Leben hindurch behielt er auch dieſe 
Kunft und f. Lebensart bei; er ging immer nur mit gemeinen, ungebild 
um und mochte ſich nie an beffere Geſellſchaft gewöhnen. Um 1630 ; 
Amfterdam und heirathete eine hübfche Bäuerin aus Rarep, die m 
ihm abgebildet findet. Seine Gemälde wurden bald außerordentlich g 
Geldbegier bewog ihn daher, feine bisherige fleißige und ausgeführte 
verlaffen und eine flüchtige Behandlungsart anzunehmen. Er zog nu 


Kembrandt van Rhyn 191 


chuͤlee, deren Unterridyt er ſich theuer bezahlen ließ, ihre Werke aber, 
mchgebeffert, für f. eignen verkaufte. — Seine, Erwerbfucht hat zu 
Frrthum über fein Leben Anlaß gegeben; denn fo hatte er 3. B. mehre 
wiche er geägt, aus Venedig datirt, um jie verfäuflicher zu machen, und 
ine Biegraphen veranlaßt zu glauben, WR. fei 1635 und 1636 wirklid) 
gemein. Allein er hat Amfterdam nie wieder verlaffen, ungeachtet er 
ste, aus Holland wegzugehen, um bie Kunftlicbhaber begierig zu ma⸗ 
etwas ven ihm zu befigen. Schon um 1628 legte er ſich eifrig auf 
E und brachte es bald darin zu der größten Vollkommenheit. Seine 
Lister wurden ebenfo fehr gefchägt ale ſ. Gemälde, und fein Geiz fuchte 
immer höher zu treiben. Er bediente fich dabei mehrer, auch in der 
# von berühmten Rupferftechern angemwendeten Kunftgriffe. Er verkaufte 
vellendete Blätter, vollendete dann die Platte, brachte fpäterhin, wenn 
mt mar, einige kleine Veränderungen darin an, und verkaufte fo dies 
ten zum dritten und vierten Mal, Eaufte in Verfteigerungen oder fonft 
band f. Blätter felbft auf, ließ fie von f. Sohne heimlich, als wenn er 
rentwendet, wieder ausbietin, u. bal.m. Auf ſolche Weife, und durch 
be tebensart, hatte ſich R. ein bedeutendes Vermögen erworben, wel⸗ 
LAbieben, 1674, fein Sohn Titus erbte, der zwar von f. Vater für die 
wen worden war, allein darin nicht weit vorgefchritten und ganz unbes 
ben if. — N. war im engſten Sinne des Worts nur Maler, d. h. er 
(Bet, was die Behandlung der Karben, das Golorit, Hellduntel, Ser: 
Pinſels beteifft, im hoͤchſten Grade, wogegen er die übrigen Erfoder⸗ 
Imahren Künftlers, Compofition, Gruppirung, edein Ausdrud, Zeich⸗ 
tfpective, Draperie, überhaupt Geſchmack ſich nie aneignen Eonnte. Zwar 
efeikft nach dem Nadten und nad) Modellen, hielt auch f. Schüler dazu 
was für Modelle dies geweſen ſein mögen, kann man aus f. Werken 
imen. In f. Gompofition und Gruppirung folgte er allein der gemei⸗ 
Bund feiner jedesmaligen Laune, ohne alle Auswahl, in der Zeichnung 
We. Das Nadte fuchte er in der Regel fo viel als moͤglich zu verber: 
e.Hände und Fuͤße ließ er felten fehen, meil er fie nicht zu behandeln ver: 
meift unförmlidy groß oder zu Bein bildete. Da, wo er dad Nadte 
gen konnte, 3.3. inf. Kreuzabnahmen, Grablegungen, einigen Dar: 
ber Bathfeba im Bad, ift es immer ohne alle Proportion, meift widrig, 
‚gemein. Seine Drapirung ift phantaſtiſch, ganz ohne Wahl, ja meift 
dt und laͤchetlich. — R. kaufte alle feltfame ausländifche Kleider, Waf⸗ 
mflige Geraͤthſchaften zuſammen, um f. Modelle und nach diefen f. 
mit außzuzieren. Ungeachtet der groien Fertigkeit f. Pinfels ſoll ihm 
ichnung, fogar bei Portraitd, und die Drapirung unendlihe Mühe ges 
a. Ausdruck und Charakter find zwar f. Arbeiten nicht abzufprechen, 
muß nur keinen edeln Ausdrud darin finden wollen. Seine Köpfe find 
aber meift Zerrbilder, f. Marien find gemeine Maͤgde, f. Chriftus ein 
26 der niedrigften Wolksclaffe u. ſ. w. Dagegen ift R.'s Pinfel meifters 
nzig, von einer Kraft und Wirkung, die kein andrer Maler erreicht 
hierin bat ſich fein eigenthümliches Talent bewährt. Seine Zürbung ift 
‚Magie; er unterſchied am beften die zufammenftimmenden und die uns 
en Farben. Jeden Ton feste er fofort an feine Stelle mit fo viel Rich» 
‚ Harmonie, daß er die Farben nicht erft mit Cinbuße ihrer frifchen Bluͤ⸗ 
en brauchte. Daher ift Alles in f. Bildern voller Würme und fein 
I von unvergleichlicher Wahrheit. Die Lichter trug er meift fo fett auf, 
ube weit bervorragt und auch fo die Wirkung hebt. Lberhaupt brachte 
gerlle Erleuchtung in f. Bildern an, meldye nur die Hauptpartien her: 


J 


182 Keligionöfriede 


in der Regierung des Reich zu verfähaffen und das Kaiferthum erblich zu u 
Morig nahm ſich daher vor, feiner Anmaßung Grenzen zu fegen und X 
lande Freiheit zu fichern, follte er auch das Opfer Dafür werden; ohne nod 
wähnen, daß er ſich vielfach gekraͤnkt fühlen mußte, weil ber Kaifer auf al 
Bitten wegen der Befreiung feined Schwirgervaters, des Landgrafen, ga 
achtete. Die Proteftanten mußten zu dieſer Zeit [hen megen ber Kirk 
fammlung in großer Unruhe fein, da der Papft in feiner Bulle auf fie ga 
Ruͤckſicht nahnı, fich nach wie vor den Statthalter Chriſti nannte und nur d 
- lien Staͤnde zur Kicchenverfammlung berief; und der Kuifer vermochte fü 
durdy fein Verfprehen, daß er fein ganzes Anfehen verwenden wolle, 1 
Handlungen auf demſelben in einen dhrijtlichen, billigen und ordentlichen @ 
bringen, noch durch die Verſicherung eines freien Geleites und freiem Zutı 
beruhigen, denn fie ahneten als zu gewiß, daß er von der Kicchenverfan 
nur einen neuen Vorwand ſuche, fie und ihre Lehre völlig zu unterdrüden. 
Unmwille und die Gährung der Gemüther waren bei ihnen aufs höchfte gef 
doch wollten fie das Äußerite noch abwarten. — Indeß war Moris allein 
Daihm die Volljiehung der Reicheacht über das noch widerfpenftige Das 
Übertragen worden war, fo ward es ihm Leicht, ein ftarkes Heer aufzubring 
fonder& da die benachbarten Kreisftände zu feiner Unterflügung aufgeboten ı 
und der größte Theil der Unkoſten aus der Reichscaſſe beftritten werden 
Auch konnte er, da Magdeburg fehr feit war, ohne den Verdacht einer am 
tigen Abficht zu erregen, große Zuruͤſtungen machen; doch ſuchte er die I 
rung feines Plans immer nody hinzuhulten, bis fich der Kaiſer von Au 
wo er noch viele Truppen beifammen hatte, in die Nähe des Conciliumt 
würde. Da ſich aber die Wiedereröffnung deffelben noch eine Zeitlang ver 
fuchte Morig die wegen der Übergabe der Stadt eingegangenen Vergleich 
handlungen noch länger hinzuhalten, und ſchloß ganz in der Stille zu Tod 
Oct. 1551 nebft dem jungen Landgrafen, Wilhelm von Heffen, dem Heij 
brecht von Medienburg und dem Markgrafen Albredyt von Brandenburg s 
Könige von Frankreich, Heinrich U., gegen ben Kaifer ein Buͤndniß. N 
er endlich den 6. Nov. mit Magdeburg wegen der Übergabe einen Vergleid 
gangen, fo wußte er den Kaifer nidyt nur wegen der Nichtentiaffung feines 
fondern auch wegen der mancherlei von ihm und feinem Vorhaben verb 
Gerüchte völlig zu thufchen. — Den 20. März 1552 brad) er mit feinen A 
aus Thüringen, wo fie Winterquartiere gehalten, auf, den 25. erfolgte d 
einigung fänımtlicher Bundesfoldaten bei Schweinfurt, dann ging es in 
dem Zuge dorwaͤrts und in der Nacht des 31. ſtanden ſie ſchon vor Aui 
Zhoren. In dem Manifefte, das fie auf dieſem fchnellen Zuge ausbzeitel 
ben fie ber Welt folgende drei Gruͤnde zu dieſem Kriege an: Tyrannei deb. 
durch Unterdruͤckung der evangel. Lehre, Treuloſigkeit deſſelben gegen ben 
grafen und gewaltſames Verfahren gegen die Reichsverfaſſung. Der 
nicht geruͤſtet und außerdem von mehren Seiten Krieg befuͤrchtend, v 
durch feinen Bruder Ferdinand mit Mori zu unterhandeln, und man kam 
Mai darin überein, daß den 26. Mai zu Paffau ein Friedenscongreß eröffi 
von diefem Tage an ein allgemeiner Waffenftillftand angehen follte. Bis 
fer Zeit hofſte aber Morig nod) mehr zu erreichen; fchnell ging er Daher 
Truppen log, mit denen der Kaifer am Fuße der Alpen die Paͤſſe beſetzt hiel 
fiel fie den 18. bei Reuten und ſchlug fie voͤllig; den Tag darauf erobert 
ehrenberger Alaufe mit Sturm, und ftand den 22. nur noch 2 Meilen t 
fprud, von wo der Kaifer, der dort am Podagra krank lag, nebft feinem 
Ferdinand Nachts in gröäter Eile entfliehen mußte, um nidyt gefangen } 
den. Mach diefen gluͤcklichen Fortſchritten Moritzens Fonnte man wol zu 


Religionsfriede 185 


ww Unterhandlung erwarten. Morig verlangte nichts weiter als unein- 
Religionsfreiheit für die Proteftanten, Loslaſſung des Landgrafen aus 
rafhaft und Abftellung aller Beſchwerden in der zeitherigen Regierung 
Dem Kaifer, der im Augenblide feiner Flucht dem gefangenen Kur: 
Freiheit gefchenkt hatte, damit ſich Morig feiner Befrciung nicht ruͤh⸗ 
mard ed ſchwer, nad) einer fo ſchimpflichen Flucht feiner fo lange Zeit 
ffnung auf die unumſchraͤnkte Herefchaft über Drutfchland zu entfa- 
er mußte endlich, wiewol nad) langem MWiderftreben, der Nothwen: 
‚eben, und fo ward den 31. Sul. der paffauer Vertrag gefdlof: 
b nicht nur ber Landgraf feine Freiheit befam und die im ſchmalkaldi⸗ 
Geschteten wieder zu Gnaden angenommen wurden, fondern aud) die 
be Partei völlige Neligiongfreiheit erhielt. Denn obgleih man über 
Jauptpunfte des Friedens, uͤber die Abftellung der Beſchwerden wegen 
men Eingriffe in die befichende Reichsverfaſſung und über die Reli— 
zenheiten, noch aufdem in 6 Monaten anzuftellenden Reichstage un- 
wollte, fo follte doc) Schon von diefem Augenblide an zwifchen ben 
) tathol. Ständen ein völliger Friede herrſchen, und Eeiner von beiden 
es fein Gewiſſen und Willen auf einige Art befchroett, fondern ruhig 
a bei feinem Glauben gelaffen werden. In einem befondern Neben: 
id noch feftgefegt, daß der jegige Friede auch dann noch bleiben folle, 
h auf dem nächften Reichötage zu keinem nähern Vergleich kaͤme, daß 
kammergericht nidyt nur aller Neligionsparteien gleiches Recht fpre- 
a auch zu deinfelben augsburgifhe Confeſſionsverwandte laffen follte. 
pard vom Kaifer, vom roͤmiſchen Konig und aud von allen zu diefen 
mgen gezogenen Ständen gebilligt. - - Von diefem Zeitpunfte an 
ie Bildungsyefchichte der lutheriſchen Partei als gefchloffen anfchen ; 
bite Reichstag follte nur nod) Einiges näher beftätigen. Allein dieſer 
B wegen ber vom Markgrafen Albrecht im Reiche noch verurfarhten 
eils auch wegen des franz. Kriegs nicht fo bald gehalten werden. Der 
ba ſich waͤhrend der Zeit höchft zweideutig und die Proteftanten, 
durch den Zod des muthigen DVertheidigers ihrer Freiheit, ded Kur⸗ 
is, nach der gegen dem geüchteten Markgrafen von Brandenburg ges 
Schlacht bei Sieverhaufen (1553), beunruhigt worden waren, ſchweb⸗ 
iſchen Furcht und Hoffnung. Endlich kam auf dem Reichstage zu 
er augsburger Religionsfriede, 26. Sept. 1555, zu Stunde. 
ber im Namen feines Bruders die Verhandlungen eröffnete, erktärte, 
:von einem allgemeinen oder Nationalconcilium, nod) von einem Res 
Ich viel erwarte, man folle lieber auf Mittel denken, wie Friede und 
riche bei aller Berfchiedenheit der Slaubensmeinungen erhalten werden 
fo wurde denn zur Abfaflung eines foldhen Friedens geſchritten. Ein 
18 dem fürftt. ſowol als aus dem kurfuͤrſtl. Collegium arbeitete, jeder 
einem Entwurf dazu, Über den man fich aud) buld ‚verfiändigte. Es 
b von beiden Seiten fein Reichsftand wegen feiner Steligion und Kir⸗ 
ze angefochten, fondern bei. feinem Glauben, Ceremonien, Hab und 
nd und Leuten, Obrigkeit und Gerechtigkeit ruhig und friedlid) ge: 
n; Religionsitreitigkeiten follten nur durch chriſtliche, freundliche und 
Bittel und Wege ausgeglicdyen werden ; die geiftliche Gerichtsbarkeit 
en Glauben der Proteftanten und ihren Scttesdienft feine Kraft ha⸗ 
lbzug aus einem Lande ins andre der Meiigion wegen geflattet fein, 
ſollte dieſer Friedſtand ftet, feſt und unverbruͤchlich gehalten werden, 
vurch kein Mittel ein Religionsvergleich zu Stande kommen ſollte. — 
Puntte waren es, welche noch einen hartnuͤckigen Streit von 6 Mo⸗ 


184 Religionsphilofophie 


naten erzeugten. Die Proteftanten verlangten nämlich, daß es audy ben ı 
chen Ständen frei fliehen folle, zur augsburgifchen Confeffion zu treten; d 
tholiten hingegen erklärten, daß diefe infoweit ausgenommen würden, daß 
Geiſtliche, der zur proteffantifchen Lehre. überträte, feine® Amts und St 
jpso jure et faeto für entſetzt erklärt würde. Diefen Punkt, weil ihn WM 
tholiten fid) als Vorrecht vorbehielten, nannte man den geiftlichen Vorbehal 
servatum ecclesiasticum. In dem Reichsabſchiede wurde bemerkt, ba 
hierüber die Stände nicht hätten vereinigen koͤnnen, daher erklärte der- ch 
König im Namen des Kaifers, wie es in folhen Fällen gehalten werben 
Jeder Erzbifhof nämlich, Biſchof, Prälat oder Beiftliche, der in Zukut 
der alten Religion abtreten wuͤrde, folle auch fogleich fein Amt abtreten u 
alle Einkünfte deffelben, jedoch ohne Nachtheil feiner Ehre und Würde, M 
thun. — Der zweite Punkt betraf die Frage: ob die von Adel, Staͤdte, Ce 
nen und Unterthanen, fo der augsburgifcyen Gonfeffion verwandt und unf 
thol. Fuͤrſten und Ständen gefeffen, die Neligionsfreiheit genleßen follten. 
dinand entſchied, daß fie von ihrem Glauben und Gottesdienft nicht gebm 
fondern bis zur chriftlichen Vergleichung der jtreitigen Religion in Ruhe € 
werden follten. Mit diefen Beflimmungen des römifchen Königs über die 
den flreitigen Punkte ward den 26. Sept. der völlig geſchloſſene Friede wi 
Reichsabſchiede publicirtt. — Man fieht daraus von felbft ein, daß die eige 
Grundlage zu einem feften dauerhaften Frieden Iibergangen wurde, naͤmle 
lige Gewiffensfreiheit; davon hätte man ausgehen und darnach die Übrigen 
bätniffe dev Reichsverfaſſung, der Kürften und ihrer Unterthanen beftinmi 
In. Man fehloß aber noch von diefem Frieden die reformirte Partei aus, 
erſt im weftfälifchen Frieden mit der Iutherifchen gleiche Rechte erhielt. E* 
Religionsphilofophie. Darunter verfteht man überhaup 

Iofsphifche Nachweiſung der ewigen und allgemeinen Ideen, weldye jeder . 
Religion zum Grunde liegen müffen, und die Erörterung der teligiofen A 
menfchlihen Gemuͤths. Als ſolche macht fie zugleich einen wichtigen TE 
Philoſophie aus. Sie unterfcheidet fich von Neligionsgefchichte dadurch, d 
tere es mit der geſchichtlichen Entwickelung jener allgemeinen Ideen und bei 
bildung der religiofen Anlage zu thun hat. — Um in den Stand gefeht 3 
jede Religionsphilofophie richtig zu würdigen, möge uns die Erfahrung eir 
größten Denker (Baco) leiten: Die Philofophie, nur obenhin gekoftet, fü 
von Gott, ganz erfhöpft, führt ſie zurͤck zu Gott. Die Religion wi 
allem Philofophiren über fie, praktifh wirkend vorhanden. Die Phile 
hat die Religion als Exfcheinung bald erklären, bald begründen wollen; oft dd 
terte fie diefelbe, doch nicht minder oft wurde fie durdy den Glauben beft egil 
der Religionsphilofophie herrſcht oft mehr der grübelnde Verftand als diel 
nene Vernunft; ſolche Philofophie oder Reflexion war es von jeher, meld 
Sectenhaß und die Verfolgung in der Religion erzeugte, wihrend die Ne 
felbft dem Begriffe nah, auf Duldung hinwies. Auch hat nie die Religion 
folche, Verfolgung herbeigeführt, wol aber die Meinung über fie, welche fich « 
MReligionsphilofophie ausgegeben hat. Während der religiöfe Glaube des 
Gott für die Erlöfung dankte, liefen die Philofophen den Erlöfer Ereusigen, 
feine Auferftehung den Volksglauben befräftige und ihre Verfuche zur Bt 
rung der Ehre Gottes leite. Diefer Verfud) ift fhon öfter feit der Gruͤt 
des Chriftentyums wiederholt worden, jedoch flets mit gleichem Erfolge. 
auf das Chriſtenthum angemendete Religionspbilefopbie nennt man Pbile 
des Chriſtenthums. Der Zweck ber Religionsphilofophie ift: in Sach 
Glaubens und zwar des innigften Glaubens, den es geben ann, bie Red 
menſchlichen Natur und ihre Grenzen au beftimmen. Sie foll das vom Ko 


Religionsfhrwärmerei Religionsunterricht 185 


ı Her in Einflimmung mit einander fegen und dahin wirken, daß die Re: 
us enfähee, Sache des Herzens zu fein und ſich nicht zum bloßen a ffen 


eligionsf ch waͤrm erei ift eine Überfpannung bes Gefühlen und "ein 
pin der Einbildungskraft in Bezug auf das religiöfe Denken und Han- 
ke Menfhhen. In diefem Zuftande kann fich der Menſch entiweder mit der 
fett und der Erfahrung befchäftigen oder eingebildeten Ideen hingeben ; 
# metaphofi ifch = religiöfe Schmärmerei. — In der Geſchichte der Reli: 
erei findet man, daf die praktifchsreligiäfe der theoretifchzanfchaulichen, 
Iusfhweifen im Thun und Dichten (f. Sanatismus) dem Ausfchmweis 
iſſin und Grübeln voranging. — Unmiffenheit und Verad;tung gegen 
Forſchen und gegen Selehrfamkeit, verbunden mit Entnervung des 
‚warm ſtets der Schmwärmerei eigen; baher in den Zeiten ber Barbaret, 
‚ üppiger Verſchwendung und Entnervung die meiften Schwärmer 
— Die Rellgionsſchwaͤrmer erhielten oft in den finfterften Jahrhunderten 
fe tes freien und eignen Denkens; in Zeiten der Aufklärung waren fie 
deinde des Fortgangs deſſelben. W. L. 
igionsunterricht kann ohne Abweichung von der Methode, nach der 
iffe von irdiſchen Dingen mitzutheilen pfleat, nicht zweckmaͤßig ertheitt 
(Bol. Religion.) Hier fragt esfih: Wie fommt der Menfch zum 
? Der Menſch ift beftimmt, im Glauben an Gott zu leben und zu han» 
und mit diefem Glauben tritt'er auch in den Bund mit Gott. Aber der 
ded Glaubens, der nur fein Glaube ift, bedarf der Pflege, der Nah: 
Bildung und Erziehung. — Durch wen oder mas Andres ats felbft 
wı durch den Glauben Andrer kann dies gefhehen? Was immer fonft 
Nenſchen dargebuten werden mag zur Stärkung f. Glaubens; er felbft, 
Geift des Glaubens, loͤſcht gewaltſam Alles aus, was nicht rein wie: 
fl; nur an dem Göttlichen kann fich das Göttliche erwecken und ent: 
Darum wird auch nun und nimmermehr etwas ausgerichtet in diefer 
durch eine ſtarke und smübermwindliche Frömmigkeit ber Altern und 
Scart und mächtig wird der Menfch durch Gott, und unausſprechlich 
ee dann auch, ſelbſt Die, welche ſchwaͤchern Glaubens find, fich nach⸗ 
and zu gleicher Höhe emporzuheben. Diefem Geifte, diefem Glauben 
ie nicht widerftehen, wo er fo vertrauensvoll ſich ausfpricht; wo ein fol- 
e lebt im Leben und in der Predigt, da wird fich das Volk verfamnieln. 
bängen wir an den Lippen der Ältern und Lehrer, wenn fie von Gott 
wunderbaren Wefen, von den Schidfalen und Thaten großer und from: 
laſchen, Überhaupt von der heiligen Gefchichte erzählen ; wir glauben und 
sdig erflaunt über den wundervollen Gott und feine früheren Offenbarungen 
Berfchheit So mit der Muttermilh und der Liebe felbft geht Gottes 
s unfer kindliches Gemüth ein, ja ſchon um unſre Wiege klingen bei: 
Bichten, und das kaum gefchaffene Ohr wird ſchon gewöhnt, von Gott 
1. Späterhin nın erzählen Ältern und Erzieher von eignen Wahrnehmun: 
tet, von feinen wunderbaren Wegen, und mit Fingern zeigen ſiodem Kinde 
weirhungsvollen Math, und wo Andre nur das Spiel des Zufalls und das 
der Naturgeſetze erbliden, fehen fie Gott. So wird dad Kind ſchen früh 
R, anfangs nur gewöhnt zu hören und zu glauben vom Allgegenwaͤrtigen, 
Senden, den es doch nicht ficht, von dem Allmaͤchtigen und Aliweifen, den 
ads erblickt. Jedes Gut des Lebens wird als eine Gnadengabe aus feiner 
gracmmen, aus ber Hard, tie ed nicht haut. In den Kirchen fieht es die 
en yerfammelt, alle find reinlich und feftlich gekleidet; die gewoͤhnlichen 
Hi tes Lebens und ber Werkeltage ruben, alle find vereinigt, Ginem zu bie: 


















186 KReligionsunterricht 


nen, den ihre Augen nicht fchauen, zu Einem beten, den fie nicht finmlid 
nehmen. Sa Alles, was groß und herrlid) fonft den Kinde erfcheinen mag, 
Obrigkeit, Altern, Lehrer, Alte beugen ſich hier vor einem noch höhern. 
der doc) immer verborgen vor ihren Augen bleibt, und ihm danken fie: 
alles Gute, audy für das Boͤſe, obgleich fie Alles feibft in Muͤhe und Gchs 
arbeitet und fo ſich Alles felbft verdient zu haben feinen. So lernt ber: 
liche Geift ſchon früh fein Sehen, Denken, Dichten und Meinen verleugne 
glauben ein Ewiges und Unendlihes, der immer nur Eine, nur ein Zeitiid 
Endliches ſchauen kann. Der Geift, der Alles nur ale entflanden und va 
begreift, wie er e8 fieht, lernt glauben an Etwas, das da nicht entftandeg 
ein Wefen und Dafein ohne vorhergehende Urſache. Gibt ed nun ige 
Wahrheit und Lehre, fo iff jie dem Menſchen erft darum wahr, weil ſien 
Glauben übereinftimmt, oder aus ihm hervorgeht, fodaß der Gläubige w 
würde ohne feinen Glauben gar nicht® Andres begreifen können. So hat ly 
einen Ruhepunkt, wo er einkehrt, felig zu fein in der Wahrheit, eine H 
wo er dieMoth und Mühe des Begreifens ablegen und einen ungetrübke 
zum Dimmel erheben, eine felige Anſchauung des Unergründlichen, einenj 
zum Vater haben kann. Und fo ift auch dem Menfchen das ganze irdiſqh 
gedeutet und das Näthfel feiner Beflimmung gelöfl. Er weiß, von we 
was er bier ift und fein fol, und weiß, wohin er fommen wird. V 
ift er ausgegangen, was er hier iſt, iſt er Durd) den Sohn, und der Geifl,. 
in alle Wahrheit Litet, führt ihn einft dem Vater wieder zu, wo er Alles ia 
if. — Das ift aber nicht das Einzige und Wichtigſte der Erziehung, 1 
ung geiftig fo im Denten und Erkennen verleugnen lernen; denn Gottes | 
ja in und nicht als eine Lehre oder ein Wort, fondern als Kraft fein und 
Darum gewöhnt man auch das Kind ſchon früh, alles fein felbftiges 
Verlangen und Wollen aus feinem andern Grunde aufzugeben, als weil 
Gottes Gebot und Willen if. Alles Unrecht und Boͤſe wird daher | 
Glauben felbft befämpft, und man Ichrt ſchon das Kind um Vergebung 
den bitten, wie man überhaupt daffelbe beten lehrt. Wie unausfpr 
dem Gemuͤthe des Kindes bie Wahrheiten der Religion find, kann man m 
lernen, wenn man es die Religion als ein Gottes: Wort lehrt. Dier kann 
hen, waß es heißt: Im Munde der Unmündigen hat er fich ein Lob zubereitd 
nun ben Unterricht in der Religion im Allgemeinen betrifft, fo finden ze 
Erfahrung beftätigt, daß die Ahnung der Religion am reinften und unveg 
ſten da ſich zeigt, wo nod) keine methodifhe Begriffgentwidelung ſtatthabg 
te, und das oft das ungebildete einfache Semüth ihr Siegel wahrhafter 
verfälfchter in fich trage als der zum Gipfel des Wiſſens erhobene, viel 
terrichtete Geiſt des methobifd) Gebildeten. Diefe Erſcheinung zeigt und 
der menfchlichen Natur und die Schranke des wiſſenſchaftlichen Strebene. + 
Unterricht in der Religion erfolge weder zu früh noch zu ſpaͤt. Nicht | 
d. h. nicht eher förmlich, bevor nicht die Wahrzeichen des Verftandes cq 
das frühe Lernen der Begriffe und der Dogmen verderbt im Kinde die Wi 
fie wird zum Scheine, flatt Herzensfache zu werden. Nicht zu fpät, d 
erft dann, wenn ſich in dem Gemuͤthe Zerjtreutheit und Leichtfinn, Selb 
Zweifelgeift feftgefege haben; der Religionsunterricht darf nicht zu ſpaͤt 
gen werben, weil die religiöfe Jdre unter den Sorgen der Erde und die 
Hoffnung unter den Widerfprüdyen der Ereigniffe verloren geht, wenn fiel 
guten und tiefen Boden gefenft ift. — Die crfte religiöfe, d. h. fro 
ziehe ſich das Kind felbft ab — aber aus dem Keben frommer Menfcen, 
der Knabe von dem Vater, die Zechter von der Mutter. Ältern müffen 
Kindern in einem unaffectirt frommen Leben wandeln und ihren Kindern M 










Religionsunterricht 187 


es Gottes die Weihe zum Reiche Gottes geben. Die erfte Religionss 
m Kindern in ber Anfchauung gegeben: eine Religion in lebendigen, 
tigen Beifpielen fei alfo der erfte Unterricht in der Religion. Hierauf 
Kindern die Erzählungen aus der alten, fernen orientalifchen heili- 
Bibel in Auszuͤgen, füge an jede verftandene Erzählung einen bibli⸗ 
in welchem bie Refultate ähnlicher Erfahrungen, welche die vorher 
elefene Gefchichte vergenenwärtigte, Eurz und deutlich ausgeſprochen 
3 der Zukunft bei der Erinnerung an jene Sprüche zugleid) die ange> 
ſachen zu Erklärung derfelben dienen koͤnnen. (Die „Bibl. Geſchich⸗ 
nidt dürften Dafür am zwedtmäßigften befunden werben, zunaͤchſt dies 
Geſchichten“ von Hübner mit Sprüchen und Liedern, in Schwelm 
un.) br alfo ein Spruch gelernt wird, muͤſſen Altern und Lehrer 
fte Geſchichten zum Berftändniß des Spruches vorausgeſchickt has 
rauch außer der biblifchen Geſchichte das religiöfe Keben andrer Fa⸗ 
Unterricht in Anfprudy nehmen zu können, fo wähle man foldye Buͤ⸗ 
irkliche Thatſachen aus dem religiöfen Leben der Vergangenheit und 
diefem Behufe enthalten. (Die Sammlung von Ewald in 3 Bdn. 
„Beifpiele des Guten“, ift dazu fehr brauchbar.) — Aus diefem Ges 
ich im Kinde eine Reihe religisfer Vorftellungen von einer nicht bloß 
ndern auch mwohlwollenden und ftrafenden Aufficht über das Thun 
; behaltbar find fie ihm durch die Sprüche geworden, und diefe find 
ech die Sefchichte verdeutlicht worden, nicht als etwas dem Kinde 
es, fonbern als mit Hülfe des Lehrers felbft erworbene Weisheit zu 
Naͤchſt diefen Erzählungen, welche aus dem religiöfen Leben ein» 
en entlehnt waren, gebe man den Kindern Eräftige, kurze hiftorifche 
m Beranftaltungen Gottes, die Erde dem Himmel zu nähern; zeige 
ederkehrende Liebe des Vaters im Gontrafte zu dem Ungehorfam und 
des grösten Theile ganzer Familien wider Gott und fuche auch diefe 
ach biblifhe Sprüche behaltbar zu machen. Auf diefe Belehrungen 
derkatechismus, ale zweckmaͤßige Ermeiterung des früher eingeleite 
shismus, folgen Binnen. Durch diefe Übungen ift nun die Jugend 
aug, in der vorzuführenden Neligionsgefdjichte jeden immer gewag⸗ 
ner Nation, Bott beftimmt zu denken und zu ehren, dennoch theil- 
db ohne Spott, ernſt und andachtsvoll zu beurtheilen. Man zeige in 
se recht deutlich, daß der Menſch weber die wahre Erkenntniß, noch 
erehrung Gottes aus’ eigner Kraft erlangen und begründen konnte, 

die Liebe des Vaters darin unterflügt werden mußte. Diefe Ges 
an vorzuͤglich dazu geeignet, den Egoismus zu befämpfen und den 
yankbarer Demuth zu beſtimmen. Mit dem Allen, was wir bisher 
fe Bildung als zweckmaͤßig angebeutet haben, glauben wir, ift der 
ih der religiöfen Erziehung feftgefekt: Bewirke, dag dein Zoͤgling Gott 
d um Herzen habe, daß er fchaue der Unfichtbaren , wie er ſich auch 
anbezeugt gelaſſen, nicht ferne von ihm iſt, und daß er ſich hüte, in 
m willigen, noch zu thun wider Gottes Gebot. — Don bier ift nım 
zu einer volftändigen Lebensgefhichte Sein Chrifti geebnet; dieſe 
zonologifh aus allen + Evangeliften, laſſe fie die Kinder aus der 
fen und füge dazu die praktiſch-zweckmaͤßigſten Erlaͤuterungen. Es 
sinnern, die Gefchichte Jeſu aus den heiligen Urkunden felbft lefen 
e andre Quelle ift getruͤbt. Mit der Lebensgeſchichte Jeſu beginnt 
ı pofitive Religionsunterricht, deifen Hauptgrundfag nur fein kann: 
wige Leben, daß ihr Den, der allein wahrer Gott ift, und Den, den 
Jeſum Chriſtum, erfinnet. Fragen wir, welche Methode bei tier 


188 Religionsnnterricht 


ſem Unterricht zu wählen fei, fo kann nur biejenige ale die zweckmaͤßigſte 
tet werden, welche Jeſus feinen Schülern felbft vorgefchrieben hat. 
Schuͤler fahen ihn leben, dulden und wirken, und hörten ihn reden. Sa 
ten waren die Belege zu Dem was er lehrte, und maß er lehrte, das erläi 
nen den Grund feiner Handlungsmweife, ihren Werth und ihren Zweck, 
konnten fie nicht anders, fie mußten nad) und nach erfennen, daß er fell 
der Sohn des lebendigen Gottes, der Meifter von Gott gefandt, ber $ 
Wahrheit, die da felig macht. Auf dieſelbe Weife, die ſich an ihnen ſelbſt 
hatte, wirkten nun auch die Singer Sefu auf ihre Schuler. Er war dei 
ftand ihrer Lehren, ihre Aufgabe war das Gemälde f. Lebens und f. Ch 
Sie Hatten ihn gefchaut von Angeficht zu Angeſicht, ihre Schuͤler konnten 
mit dem inneren Auge ſchauen; war aber nur ihr Gemälde treu, fo durfte 
ſichert fein, dafi, wer es gefchaut, ergriffen werde von feiner Erhabenheh 
ihn lieben und in Liebe thiitig fein werde. — Nicht die Bruchſtuͤcke von? 
hen und Reden Jeſu, nicht einzelne Scenen aus f. Leben machen den E 
Hörer bekannt und befreundet mit ihm, fondern nur die voliftändigfte un 
Darftellung deffelben. Wie die erften Religionslehrer nicht einzelne Sprü 
citirten, um ihre teligiöfen Anfichten vorzutragen, und damit zu unterftigg 
nicht die einzelnen Evangelien cins nach dem andern Iefen ließen, fon 
ganze Gewmuͤlde f. Lebens vor die Augen ihrer Schuͤler zu bringen wußteg | 
chem jede Nebe, jedes Wort erläutert wurde durch die That, melde es f 
fo ſoll auch jetzt noch jeber chriſtliche Religionslehrer die große Aufgabe zu 
hen, feine Schuͤler bekannt und befreundet mit Jeſu felbft zu machen. 
jten Kindern, melche von Sefu nur zu plappeen mwiffen, was fie im 
fein, Katechismus ober einer dürftigen Erzählung auswendig gelernt had 
die Erfenntniß von ihm, welche die einzige Quelle de& Lebens iſt. — 
praftifdyen Leſen der Lebensgefchichte Sefu muß der Kehrer darauf fehen? 
der Schüler das Lehen des Goͤttlichen, als vollendete Gemälde, ald chf 
an- und uͤberſchaue; b) dann foll ihm die Lehre deffelben, als rin vom © 
fhiedenes Ganzes Elar werden; ce) endlich ſoll er ſich felbft Rechenſchaft g 
den Gründen der Wahrheit Deſſen, was er glaubt; kuͤrzer, er ſoll zuef 
bensgefrhichte Jeſu, dann die Glaubens = und Sittenlehre Jeſu erhalten T 
lich fein eignes Glaubensbekenntniß ablegen; letzteres iſt das Werk des € 
oder die Frucht des Gegebenen, von ihm felbft aber Verarbeiteten. Di 
bensbefenntniß feken die Schüler auf, oder fie waͤhlen den Eleinen K 
von Luther sum Dolmetfcher deffelben, um fo eher, weil Luther nichts ai 
men bat (felbft den Worten nach), als was Lie Bibel enthält. Hätt 
Luther's Katechismus herausgegebenen Katechismen, Leitfäden, Antei 
Lehrbücher ebenfo ehrlich nur die Schrift fprechen laſſen, fo wuͤrden 
Führen im Religionsunterricht vorfchlagen; allein da dies nicht der Yal 
ſcheint e8 durchaus unzweckmaͤßig, durdy fie die heiligen Urkunden zu vet 
und fie für den Unterricht zu wählen, ohne deßhalb fie verdammen oder I 
fondern Werth mindern zu wollen. -- Um den gefchichtlich = pofitiven 1 
in Verbindung mit dem firchlich = pofitiven zu feßen, befolge man die durch 
ſchichte angedeutete natlrliche Ordnung: nad, Vollendung des einleitet 
ſchichtlichen Religionsunterrichts laſſe man den erften Artikel memoriren; 
im Neuen Zeft. Jeſus das Gefep Gottes, durch Mofes bekanntgemacht 
tigt, veranlaffe man die Kinder, das erſte Hauptſtuͤck nad) vorhergegang 
klaͤrung au erlernen ; da, wo Jeſus die Anleitung zum Gebet gibt, werde di 
Hauptſtuͤck erklärt und memorirt; der zmeite Artikel nach Vollendung dee 
geſchichte Jeſu; der dritte nach der Ausgiefing des heiligen Geiftes; das 
mahl und bie Taufe da, wo die Geſchichte Jeſu fie a8 integrirende Tpelle v 


Religionsunterricht 189 


tſtuͤcke muͤſſen aber mit der Erklärung Luther's erlernt werben, meil 
neh nicht im Stande find, eine einfachere Erfitrung zu geben, als er 
ſſen bat; feine Erklärung bedarf nur einer Verdbeutlihung. Die chrift- 
ned befonder® vorzutragen, ift in dem eigentlihen Schulunterricht 
ba die Lebensgeſchichte Jeſu die lebendigfte und individualifictefte Mo⸗ 
— Beim Gonftrmandenunterriht kann nach dieſem vorausgefchidten 
a Unterrichte den vorzunehmenden Vorbereitungen eine mehr ſyſtema⸗ 
ſowol in Hinſicht der Religions- als auch Sittenlehre gegeben, und 
cke koͤnnen dann in der Ordnung durchgegangen werden, in welcher 
ſ. klleinen Katechismus gegeben hat. (Zu dieſem Zwecke verdient Cm: 
1376 „Evangelifches Lehrbuch der hriftlichen Religion“, Zittau 1817, 
ſtematiſche Form des Religionsunterrichts auf das Glaubensbefennt: 
{m Pauprftüde des Katechismus gebaut und die Sittenlehre mit der 
ee auf eine Weife verbunden ift, reelche die gegenfeitige Durchdrin⸗ 
dechſelbeziehung beider Disciplinen beifer ald noch in irgend einem 
cduche für die Jugend geſchehen anfchaulih macht.) — Fragt man, 
ticht in der Religion mit der Moral oder der Religion beginnen mäüffe, 
Intwort: während die Jugend hiftorifch mit Gott dem Vater bekannt: 
), gewöhne man fie zu einer ſtrengen religiöfen Regalität (mo Gott und 
ı feinem Auftrage den Kindern alte Handlungen und Pflichten ohne 
mg befeblen), damit fie dann, wenn ihr Herz und Sinn auf mannig> 
und zuletzt durch Jeſus Chriſtus mit Luft und Liebe zum Vater und - 
terfüut reorden ift und ſich gleihfam aus innerer Liebe gedrungen 
Ister zu dienen und ihn zu ehren, deſto leichter das freie liebevolle (oder 
be) Handeln von ihr ergriffen und zu ihrem Eigenthume gemacht 
2; nur eine religiöfe Legalität, parallel gehend mit dem Unterrichte, 
kegend zur Moralität oder zur freiwilligen Ausübung des göttlichen 
lan hat die Eatechetifche Unterrichtöform in der Religion getadelt. Der 
aber nicht diefe Unterridytsform als folhe an und für fich betrachtet 
j nicht nur beim Katechumenen : und Confirmandenunterricht vorherr⸗ 
fondern auch ſchon bei dem vorhergehenden Unterrichte hier und da zur 
mgerwendet werden), ſondern nur die Alleinherrfchaft derfelben vom 
zum Ende bes Religionsunterrichts. Zu unſerer Zeit, mo man zu 
oder gar nicht in der Bibel lieft, wo man auch in Schulen es verjäumt, 
ie Gefchichte Sefu und f. Apoftel im Zufammenhange zu einer evan⸗ 
Is und Überficht zu erheben, iſt diefe Alleinherefchaft der Katechetik 
balsnüglid, —- Zür unfere gelehrten Schulen ift es hoͤchſt nöthig, 
f den echt evangelifchen pofitiven Unterricht zu verwenden als es ge⸗ 
hieht. Man widme dem Lefen des N. X. zum wenigſten eine gleid) 
ufmerkfamteit ald den heidniſchen Schriftftellern. In unfern Tagen 
teftantiicher Schüler das Gymnaſium verlaffen, er mag nun Theolog, 
Rediciner werden, der nicht das ganze R. T. in der Urſprache mit fei: 
n gläubigen Lehrer fo gelefen hat, daß ihn eine echt evangelifche Ein: 
t ins fernere Leben als bleibende Eigenthum begleite, welche allein 
eftanten gegen jede anticvangelifche Lehre und Handlungsweiſe erhe⸗ 
Den Theologie Etudirenten ift fie in unfern Tagen um fo nöthiger, 
bſtaͤndiger und proteftantifcher geſtimmt und gefinnt in die Hörfäle 
mtceten, und um fo richtiger beurtheilen Eönnen, wer aus Gott ift 
Sohn zum Führer, zum Vater ermählt hat. Faſt Alte, welche die Aka: 
m, um über bad Evangelium die verfchiedenften und oft widerſprechend⸗ 
a zu hören, ermangelu einer hiftorifchen Ein = und Überficht der Ur- 
R.I. — Gomir man zu ben aͤlteſten hifterifdyen Urkunden des Rechte 


190 Religionövereinigung - Rembrandt van Rhyn 


zuruͤckgeht, um das gegenwärtige geſellſchaftliche Keben der Staaten bi 
dauerhafter zu geftalten, fo wird e8 auch nöthig fein, zu den erften Urku 
Chriftenthums zuruͤckzukehren, wenn das religiöfe und kirchliche Xeben un 
eine dem Geifte des Evangeliums entſprechende Geſtalt gewinnen foll. 
Religionsvereinigung, f. Union. 

Religioſen werden der Etnmologie nad) fromme Menfchen, ir 
hen Sinne aber Diejenigen genannt, die ſich durch feierliche Gelüibde 
men, befonders die Slieder der geiftlichen Orden von beiden Gefchlechters 

Religioſitaͤt bezeichnet ben durchgreifenden religiöfen Charakta 
allen feinen Berhältniffen die Liebe gegen Gott nicht aus den Augen feg 
Religiofität verhält fich zur Religion, wie die Moralität zuc Vernunft, wo 
finnung der Geroiffenhaftigkeit zum Gewiſſen, wie die Frucht zur Bluͤthe; 
fes Gefühl ift das moraliſche Gefühl auf das Emige und Göttliche bezogel 

Reliquien (Überbleibfel). Man verfteht darunter Altes und Ye 
von theuern und wichtigen Perfonen der Vorzeit den Nachkommen übeig 
if; dahin rechnet man 3. B. Theile des Körpers (Knochen, Haare, Näg 
Gewaͤnder, oder nur einzelne Stüde davon, Hausgeräthe (Becher, Tiſche, 
Bücher u. f. w.). Zu jeder Zeit erhielten folche Überbfeibfel, als Erinnert 
Vorzeit, bei den Nachkommen einen Werth. Auch gab es deren fched 
Griechen. Worzüglich aber verfteht man unter diefem Namen alle je 
liberrefte, welche die Chriften von geheiligten Perſonen, 5. B. den Maͤrk 
Glaubens , aufbewahrten oder aufzubewahren glaubten. Am meiften ve 
ſich dieſe Reliquien feit den Kreuzzügen. Man glaubte z. B. die Schwi 
worin der Leichnam Chrifti gelegen haben fol, Stüde vom Kreuze Chi 
den Umgebungen des Grabes und nody andre Überrefte von Maria, 
den heiligen Männern der frühern chriftlichen Kirche zu befigen. In 
Zeit erhielten diefe Gegenftände nur einen ausgezeichneten Werth; in 
verſprach fid) der Aberglaube heilfame Wirkungen von dergi. liberreften 
durch ward der Grund zu einem entehrenden Betrug und Gelderwerb u 
der kath. Geiftlichkeit gelegt, und für diefe Gegenftände zum Vortheil 
und Kiöfter eine beinahe göttliche Verehrung eingeleitet, fodaß man eind 
tee vom Kreuze mehr Kraft zutraute als dem Worte des Erloͤſers felbft. ' 
miſche Kicche hat diefen Aberglauben nicht nur fange genährt, fondern & 
auf die Überrefte ihrer Fanonifirten Heiligen ausgedehnt. (Vgl. Heilige: 

Rembrandt van Rhyn (Paul), einer der berühmteften 
Kupferäger der nieberländifchen Schule, geb. 1606 in einer Mühle unweh 
die f. Vater gehörte. Sein leidenfchaftliher Hang zur Kunſt vereiteltek 
ſ. Vaters, der ihn zum Gelehrten bilden wollte. Paul erhielt Unterricht 
von Zwanenburg, einem unbedeutenden Maler; dann in Amfterdam 
Laftmann, oh. Pina und Georg Schooten. Allein bald Eehrte ern 
zuruͤck und arbeitete dort, die Natur als f. alleinige Lehrerin zu Rathe 
Sie war aber gemein und auch f. Umgebungen waren keineswegs geeig 
zum wahren Schönen, Hohen und Idealen hinzuleiten; da er auch die 
f. frühern Erziehung zu verbeffern ſich nicht angelegen fein lief, fo war 
li, daß er fi nur an Darftellungen der gemeinen Natur hielt und 
Geſchmack fand. Sein ganzes Leben hindurch behielt er auch diefe Ag 
Kunft und f. Lebensart bei; er ging immer nur mit gemeinen, ungebifbeil 
um und mochte ſich nie an beffere Geſellſchaft gemöhnen. Um 1630 
Amfterdam und heirathete eine hübfche Bäuerin aus Rarep, die m 
ihm abgebildet findet. Seine Gemälde wurden bald außerordentlich 
Gelbbegier bewog ihn daher, feine bisherige fleißige und ausgeführte 
perlaffen und eine flüchtige Behandiungsart anzunehmen. Er zog nurl 







* 


Rembrandt van Rhyn 191 


wier, deren Unterricht er ſich theuer bezahlen ließ, ihre Werke aber, 
ıhgebeffert, für f. eignen verkaufte. — Seine: Erwerbſucht hat zu 
Ierthum über fein Reben Anlaß gegeben; benn fo hatte er 3. B. mehre 
iche er geägt, aus Venedig datirt, um fie verfäuflicher zu machen, und 
ne Biographen veranlaßt zu glauben, R. fei 1635 und 1636 wirklich 
gervefen. Allein er hat Amſterdam nie wieder verlaffen, ungeachtet er 
te, aus Holland wegzugehen, um bie Kunftliebhaber begierig zu ma⸗ 
etwas ven ihm zu befisen. Schon um 1628 legte er ſich eifrig auf 
und brachte es bald darin zu der größten Volllommenheit. Seine 
itter wurden ebenfo fehr gefhägt ald f. Gemälde, und fein Geiz fuchte 
immer höher zu treiben. Cr bediente ſich dabei mehrer, auch in der 
tvon berühmten Kupferſtechern angewendeten Runftgriffe. Er verkaufte 
olendete Biätter, vollendete dann die Platte, brachte [päterhin, wenn 
ist war, einige Beine Veränderungen darin an, und verkaufte fo die: 
ten zum dritten und vierten Mal, Paufte in Verfleigerungen oder fonft 
amd f. Blaͤtter ſelbſt auf, ließ fie von f. Sohne heimlich, als wenn er 
entwendet, wieder ausbietin, u. dgl. m. Auf ſolche Weife, und durch 
eLebensart, hatte fih R. ein bedeutendes Vermögen erworben, wel⸗ 
Abieben, 1674, fein Sohn Titus erbte, der zwar von f. Vater für die 
m worden war, allein darin nicht weit vorgefchritten und ganz unbes 
ben iſt. — R. war im engften Sinne des Worts nur Maler, d.h. er 
les, was die Behandlung der Farben, das Colorit, Helldunkel, Fer⸗ 
Pinſels betrifft, im höchften Grade, wogegen er die übrigen Erfoder⸗ 
kahren Kuͤnſtlers, Compofition, Gruppirung, edeln Ausdrud, Zeich⸗ 
jective, Draperie, überhaupt Geſchmack ſich nie aneignen Eonnte. Zwar 
ſeibſt nad) dem Nadten und nad) Modellen, hielt auch f. Schüler dazu 
was für Modelle dies geweſen fein mögen, kann man aus f. Werken 
men. In f. Gompafition und Gruppirung folgte er allein der gemei⸗ 
und feiner jedesmaligen Laune, ohne alle Auswahl, in der Zeichnung 
Kl. Das Nadte fuchte er in ber Regel fo viel als möglich zu verber: 
Hände und Füße ließ er felten fehen, meil er fie nicht zu behandeln ver: 
neift umförmlich groß oder zu Mein bildete. Da, mo er das Nackte 
pen konnte, 3.98. inf. Kreuzgabnahmen, Grablegungen, einigen Dar⸗ 
w Bathfeba im Bad, ift es immer ohne alle Proportion, meift wibrig, 
ymein. eine Drapirung ift phantaftifch, ganz ohne Wahl, ja meift 
Bund lächerlich. — MR. Eaufte alle feltfame ausländifche Kleider, Waf⸗ 
ige Serächfchaften zufammen, um f. Modelle und nach diefen f. 
wit außzuzieren. Ungeachtet der großen Fertigkeit f. Pinfels foll ihm 
hnung, fogar bei Portraite, und die Drapirung unendliche Mühe ges 
. Ausdrud und Charakter find zwar f. Arbeiten nicht abzufprechen, 
wuß nur einen edeln Ausdruck darin finden wollen. Seine Köpfe find 
uber meiſt Zerrbilder, f. Marien find gemeine Maͤgde, f. Chriftus ein 
b der niedrigften Wolksclaffe u. f. m. Dagegen ift R.'s Pinfel meifters 
mzig, von einer Kraft und Wirkung, die kein anderer Maler erreicht 
kein hat ſich fein eigenthümliches Talent bewährt. Seine Färbung ift 
Basie; er unterſchied am beiten die zufammenftimmenden und die uns 
Rn Farben, Jeden Ton fette er fofort an feine Stelle mit fo viel Rich⸗ 
Barmonie, daß er die Farben nicht erft mit Cinbuße ihrer friſchen Bluͤ⸗ 
ben brauchte. Daher ift Alles in f. Bildern voller Wärme und fein 
wen unvergleihlicher Wahrheit. Die Lichter trug er meift fo fett auf, 
Be weit hervorragt und auch fo die Wirkung hebt. Überhaupt brachte 
Welle Erleuchtung in /. Bildern an, welche nur die Hauptpartien herz 


192 Remebium Kemonftranten 


vorhebt, bie Nebenfachen im Helldunkel läßt. Er wählte dazu immei 
tung von oben, und hatte deßhalb in f. fonft ziemlich dunkeln Zimr 
Öffnung angebracht, durch welche allein fein Modell erleuchtet wurde 
förmigen Methode iſt es denn freilich auch zuzufchreiben, dag R.” 
überall fehr gleicht und etwas einförmig geworben ift. — Seine za 
maͤlde find faft in allen Öffentlihen und Privatſammlungen zerftre 
außgezeichnetften gehören fein Tobias und deffen Familie, vor dem € 
die beiden Philofophen, Chriftus zu Emaus, die Werkftatt eines £ 
Samariter, die Darftellung im Tempel, fein eigne® und f. Frau ' 
drohende Gefangene, und zwei Landfchaften, dann Simon und Delil« 
abnahme, und ein minder bekanntes, aber fonft noch vortrefflichere® G 
ſtus unter den Kindlein (in der gräfl. Schönborn’fcyen Sammlung zı 
ner fein Apoftel Paulus, das Portrait f. Mutter und f. eignes. (in 
£aiferl. Galerie), eine heilige Familie, Hagar, Chriftus im Tempel 
legung, Kreuzabnahme, und f. Portrait (in der muͤnchner Galerie 
Manodahs, das Feſt des Ahasverus, Ganpmed, fein eignes und di 
Mutter und Tochter (da8 Mädchen mit der Nelke), ingleichen eine ! 
Dresden), Saul und David, Tobias, eine Befchneidung, eine Gr 
und f. Kamilie, und eine Landſchaft (in Braunſchweig). — R's 9 
find von einer bewundernsmwürbigen Freiheit, Leichtigkeit, Kühnheit ı 
malerifh. Seine wilde unfleißige Art paßt, wie Leffing fehr richtig ! 
gut zu den niedrigen Gegenfländen, die er meiften® wählte. Sie wer 
bezahlt, daß eins berf., bie Heilung der Kranken, den Namen bes , 
denblatts“ befommen hat, aber oft noch weit höher bezahlt wird « 
befagt. Faſt ebenfo fehr fhägt man f. Bürgermeifter Sir, den 2 
den Soppenel, den Zolling und f. große Kreuzabnahme. — R.'st 
die man an der Art ihrer Behandlung der Farben leicht erkennt, war. 
Gerard Doum, Gerbrand van Eckhout, Mid. Poorter, Phil. Kon 
Flink. 

Remedium (im Muͤnzweſen). Der Muͤnzfuß iſt zwar die! 
von der Regierung uͤber die Art und Weiſe feſtgeſetzt worden, wie die 
ausgeprägt werben foll; aber es vermögen felbft die gefchidkteften $ 
den einzelnen Münzftüden im Schrote und Korn eine vollfommene 
geben, daher hat men für beide ein Hoͤchſtes und ein Geringftes feftg 
welches fie verfchieden fein können, dies nennt man dad Remedium 
Rechtswiſſenſchaft bedeutet Remedium einen Rechtöbehelf, Rec 
(9. d. und Proceß.) 

Remeſſe, Rimeffe, wird bei den Kaufleuten die baa 
MWechfel gemachte Bezahlung empfangener Waaren u. dgl. genannt; 
die von dem Acceptanten eines Wechſels ausgezahlte Summe deffelbe 
Remeffenbud ein Bud, worin Kaufleute die Wechfelbriefe, fo 
tirt werden, eintragen, um ben Werth zu gehöriger Zeit beizutreiben 

Remonftranten (Arminianer). Der Stifter diefer R 
in der reformirten Kirche war Jak. Arminius, geb. 1560 zu Ouder 
Provinz Holland. Er hieß anfänglid) Hermann. Sein Vater, ein I 
ftarb frühzeitig; als er einige Zeit zu Utrecht ftudirt hatte, nahm ihı 
Snellius mit fi) nad Marburg. inige Zeit darauf ging er nad 
von da nad) Leyden, wo er 6 Jahre lang den Unterricht des Lambe 
genoß. In Genf hörte er Beza und zu Bafel erwarb er ſich die b 
tung des Grynaͤus. Auf f. Reife nad) Stalin fand er zu Rom die 
der päpftl. Megierung fo arg, daß er felbft fügt, fie habe alle ſ. Vorſte 
troffen. 1588 ward er als Prediger nad) Amfterdam berufen; 1: 


Remonftranten 198 


Mologie zu Leyden, und flarb 1609. — Der Hauptgegenftand, wor: 
anung der Remonſtranten von der allgemeinen reformirten Kirche ent: 
jie Lehre von der Prüdeftination (Gnadenwahl). Den Irrthum 
rten in diefer Lehre ſuchten fie in einer 1610 von ihnen ben General⸗ 
Holland Überreichten und Remonstrantiam überfchriebenen Schrift 
n, von der fie fpiterhin den Namen Remonſtranten erhielten. Sie 
1) Daß Gott zwar von Ewigkeit einen Beſchluß wegen der Menfchen 
Verdammmniß gefaft, aber die Bedingung hinzugefügt habe, er wolle 
en felig machen, weiche an Chriftum glaubten, die Ungläubigen hinge⸗ 
un. 2) Daß Chriftus für alle Menfchen geftorben und allen durch f. 
fohnung und Vergebung der Enden erworben habe; es koͤnne abır 
and erlangen, es fei denn, daß er an fie glaube. 3) Daß kein Menfd) 
enden Glauben aus eignen Kräften haben könne, fondern von Gott 
ch den heiligen Geift wiedergeboren werben müffe, wenn er dazu ge: 
4) Da6 man ohne die Gnade Gottes nichts Gutes zu denken, zu 
ıthun im Stande fei, benn alle unfere guten Werke hätten ihren Ur: 
tfelben; Ddeffenungeacdhtet, wenn man auf die Beichaffenheit ihrer 
e, tönne man nicht behaupten, daß man ſich ihr ſtets widerfegen und 
6 verhindern Eönne. 5) Daß die Gläubigen wider Satan, Suͤnde, 
z eignes Fleiſch flreiten und den Sieg erlangen Eönnten durch den Bei⸗ 
ligen Beiftes. — Dieſes ift der echte Inhalt der Kehre des Arminius 
ellſchaft der Nemonfteanten. — Bon dirfen frühern Remonſtranten 
e ſpaͤtern unterfcheiden, weldye bei diefen 5 Artikeln nicht ſtehen blie⸗ 
3 in ihrem Kampfe gegen die allgemeine reformirte Kirche noch weiter 
Da noch vor den Arminianifhen Streitigkeiten mehre Schriften bes 
Dolland heimlich verbreitet worden waren, und namentlich bei dem 
le der vorzuglichften Gelehrten, weiche faft alle Mitglieder der Nemon: 
en, Eingang gefunden hatten, fo war e6 natürlich, daß die fpätern 
ten in vielen Stüuden mit den Socinianeen oder den frühern Ratio⸗ 
einflimmten und daher des Socinianismus beihuldigt wurden. — 
ı von Holland gaben 1614 eine Verordnung, nach welcher die Re: 
und Gegenremonftranten (nach einem ihrer Wortführer, dem Prof. 
e, Kranz Gomarus zu Leyden, auch Somariften genannt) fich 
: In Liebe und Frieden vertragen follten. Du beide Parteien aber die 
nd Unguͤltigkeit eines foldyen Decrets von Seiten der Obrigkeit in Kir: 
heiten in Zweifel zogen, fo wurbe, um die dadurch entflandenen Un: 
egen, 1618 vom 13. Nov. bis 1619 d. 9. Mai die berühmte dord: 
mode gehalten. Hoͤchſt bemerkenswerth ift der Ausſpruch diefer 
Sie wies eritlich der Vernunft in der Furcht Gottes den Platz an, ber 
Magd ſchickt; fie nahm die Vernunft unter den Gehorfam des Glau⸗ 
m, und erklärte mit frommer Demuth und theologifcher Folgerichtig: 
ibeftinationslehre ift hart, fehr hart, aber wir Eönnen nicht helfen; feft 
oſpruch ber heil. Schrift, untergehe die Meinung der wiberftrebenden 
Ne Meformirten oder Segenreimonftranten gewannen durch diefe Sim: 
band, weil fie hier Kläger und Richter zugleidy waren. Die Nemon: 
en das willfürliche, graufame und ungegrlndete Verfahren diefer 
Licht geſtellt, und bis jegt haben die Neformirten diefe Befchyuldigun: 
verlegt. Obgleich die Urminianer ſich dem firengen Urtbeile dee Synode 
Ibauptungen Irrthuͤmer waͤren) unterwerfen mufiten, fo unterliegen 
w, ihre Lehren in Schriften zu rechtfertigen. - - Nach diefee Synode 
inſicht des Beſtandes diefer Partei bedenklich aus, befonders als ſich 
onfiranten ber Theilnahme an der Veiſchwoͤrung gegen den Prinzen 
Eiebent: Xufl. 88. IX. 13 


194 Remſcheid Remus | 


Morig ſchuldig bekemen mußten. Kinige Prediger aus der Gemeinde ı 
aber bei dem Prinzen eine wohlgegruͤndete und nachdruͤckliche Vorſtellung 
welcher ſie zeigten, daß die Schuld einiger Mitglieder nicht der ganzen Ge 
zugerechnet werden koͤnne. Dieſe Vorſtellung hatte ihre gute Wirkung, d 
Prinz überwand nit nur felbft feinen Zorn, fondern vermochte auch feine 
bungen, den Remonſtranten eine mildere Behandlung angebeihen zu laffen. 
f. Tode, 1625, erhielten fie von f. Bruder Heinrich durch ein befonderes Di 
Erlaubnif, fid) in allen Orten und Städten Hollands aufzuhalten und | 
und Schulen anzulegen; letzteres gefchah namentlich in Rotterdam und 2 
dam. In Amſterdam ſtifteten fie ein Gymnaſium, um fidy ihre Lehrer fi 
bilden; biefe Anftalt machte ſich fehr berühmt. Die Gemeinden zu Rot 
und Amfterdam waren die ftärkften. — Sie bemühten ſich nicht, ihre Gla 
genoffenfchaft zu verftärken; wer zu ihnen überging, war nicht verpfliche 
Glaubensbekenntniß anzunehmen, wenn er nur erklaͤrte, er fei dem allge 
chriſtlichen Glauben nad) dem apoftolifchen Symbolum ;zugethan und weil 
Chriſti Gebot fein Leben führen. Ihr öffentlicher Sottesdienft mar dene Rh 
formirten faft durchgehende gleich, nur baß fie in der Taufe, bei welcher Biel 
mirten von den Altern des Kindes ein Bekenntniß fodern, daß ihre Lehre mug 
und fich verſprechen laſſen, das Kind darin zu erziehen, die AÄitern bloß ermd 
ihe Kind in der hriftlihen Religion unterrichten zu laſſen, ohne eine 
Gemeinde zu nennen. Auffallend iſt es, daß, fo lange fie gedrüdt und 
wurden, ihre Geſellſchaft fehr zahlreich mar; fobald fie aber Freiheit uk 
erlangt hatten, die Zahl der Mitglieder mehr ab: ale zunahm. 

Remſcheid, Dorf und Kichfpiel im Herzogthum Berg, jetzt 
dorfer Regierungsbezirk der preuß. Provinz Juͤlich⸗ Kleve- Berg. Das 
ungefähr 100 Häufer, das Kicchfpiel aber, von 2— 3 Stunden im 
mit 6000 Einw. hat zwiſchen 50 und 60 fogen. Höfe und in denſelben 
Handlungshaͤuſer. Ein Theil diefer Kaufleute hat große Fabriken von 
( jähel. 400,000 St.), Eigen, $eilen u. f. w., bie nad) den Antillen und 
in Menge ausgeführt werden; ein andrer Theil befigt Breit-, Ned: us 
raffineriehaͤmmer, mit deren Erzeugniſſen in⸗ und auslaͤndiſche Eiſen⸗ md 
fabrifen verſorgt werden. 45 Eiſenhaͤmmer ſtehen in einer Gegend vn R 
den, um dieſen Ort herum, bie alle Arten von Eifenwaaren zum Schifbi 
fertigen und auferdem 800 Artikel von Schneid- und andern Werkzeugen 6 
Bor dem Nevolutionskriege wurden jährlih I—10 Mill. Pfund Eifen Hi 
kauft. Auf den 18 in und um Remſcheid fließenden Bächen kann ſchon fell 
ren Sahren Eeine neue Anlage gemacht werben. Viele Hiufer zu Nemfcheib4 
auch einen bedeutenden Handel mit andern deutſchen und fremden Fabriku 
Die Gegend felbft ift an Naturerzeugniffen arm. Eifen, Stahl, Holzkohl 
andre für die Fabriken erfoderliche Gegenftände müffen von andern Orten! 
liefert werden. In den Pflanzımgen der holländ. Gofonien gibt man den ri 
der Werkzeugen vor allen andern den Vorzug. 

Remter, das, in Urkunden Nemptir, auch Meventer, was am m 
auf den lat. Urfprung refeetorium hinleitet, hieß in Kiöftern der Verfanm 
faal zu Gelagen, Spiel und Unterhaltung. Weil die Form der Kiöfter in Ihe 
lichen Einrichtung aud) das Vorbild der Burgen wurde, fo gingen die Memi 
dorthin über ımd der Remter wurde ein wefentliches Stuͤck diefer Gebäude 
Mufter ihrer Anlage kann das Nemter zu Marienburg (f. d.) gelten, d 

‚ der erften Begründung des Schloffes bie auf unfere Tage fich erhalten hat. 
weilen ift es, wie in Schulpforte, nod) ven dem eigentlichen Speifefaale, ı 
eulum , getrennt. 

Nemus, f. Romulus, 











KRemufat Reni 195 


mufat (Jean Pierre Abel), einer der erſten europaͤiſchen Linguiſten, 
rad. und Prof. der chinefifchen und tatarifchen Sprache am College 
rn it den 5. Sept. 1788 zu Paris geb. Er ftudirte Mebdicin, in welcher 
# Doctorwürbe erhielt, folgte aber zugleich feiner Neigung, bie orienta- 
rachen, namentlich die chineſiſche, tatarifche, tibetanifche u. f. w. grün: 
zn lernen. Schon 1811 erfchien fein „Essai sur la langue et la lit- 
Ibinoises”, wodurch er die Aufmerkfamkeit der Kenner aufſichzog und 
um zu Grenoble und Befancon bewog, ihn zu ihrem Mitgliede aufzu- 
Einige andre Schriften über das Chinefifche folgten. 1814 ernannte 
XVIII. zum Profeffor und 1816 trat er in die Akad. der Infchriften. 
mti’d Tode 1818 erfegte er diefen in der Herausg. des „Journal des 
Biele treffliche Auffäge von ihm find im „Moniteur”, im „Journal des 
aden „Zundgruben”, in der „Biographie universelle” u. f. w. erſchie⸗ 
m heil befonders gedrudt. Seine Hauptwerke find, außer dem ge: 
Zssai”, fein „Plan d’un dietionnaire chinois’' (1814), „Le livre 
penses et des peines“, uberſ. aus d. Chineſ. (1817) u.f.w. Auch 
n dem 1814 erfchienenen 16. Bande der „„Memoires coneernant les 
Intheil, und lehrte uns 1820 in dem chinefifchen Weltweifen Lahotfe 
m Platon kennen. Seine „Melanges asiatiques” (Paris 1825 fg., 
halten Auffäge von ihm über die Relig., Sitten, Sprahen, Geſch. 
‚der Völker des Drients. 1827 machte er die Parifer durch feine „Con- 
» (3 Thle.) mit den Sitten der Chinefen befannt. Über Remufat’s 
e des Chineſiſchen und diewefentliche Verfchiedenheit bes chinef. Sprach: 
dem Sanskrit, der griech., german. und latein. Sprache, vgl. man A. 
dt's „Sendichreiben an Remufat” (Paris 1827). 
egaten, fo viel aldReligionsverleugner, beſonders die von ber chrift: 
s Abtrünnigen, welche zum Koran Üübertreten. Häufig ift bei ben Re⸗ 
zenmutz die Triebfeder ihrer Handlung, feltener Zwang und Überredung 
we bes Islam bei gefangerien oder unter ihnen wohnenden Chriften. 
i (Guido), der anmuthigfte und gefälligfte Maler, welchen Stalien je 
icht hat, wurde zu Bologna 1575 geb. Sein Bater, Samuel Rent, 
cher Mufiter, wollte ihn anfangs ber Mufit widmen, wozu er Talent 
fin ec bemerkte bald ein noch größeres in dem Knaben ſchlummerndes 
Malerei und übergab ihn daher dem Unterricht des in Bologna ba: 
gem Anfehen ftehenden nieberländifhhen Malers, Dionyfius Calvaert. 
In deffen berühmter Schule vorzüglidy nach Albr. Duͤrer's Werken ſtu⸗ 
bie wird wahrfcheinlich, wenn man manche von feinen frühern Arbei⸗ 
et und darin, befonder# in den Gewaͤndern, dam und warn eine Ähn⸗ 
den Dürer’fchen Gewaͤndern findet. Unterbeffen fing die Schule ber 
Bologna an, durch Neuheit und beffern Gefchmad in der Kunſt jene 
in Auch Guido ging, 208. alt, zu den Caracci über. Diefen gab 
egenheit, fein Zalent zu bewundern; er fol fogar Annibal Caracci's 
regt haben. Die Begierde Guidos, die Kunftfhöge Rome mit eigs 
‚gu fchauen, vermochte ihn jedoch mit ziveien feiner Mitſchuͤler, dem 
Bo und Albani, nad Rom zu eilen. Nachdem Guido einige Ge⸗ 
begen feiner Erüftigen, effectvollen ( jedbod) unedeln und gemeinen) Ma: 
8 über die Maßen bewunderten Caravaggio gefehen und deſſen Be: 
at nachgeahmt hatte, verbreitete fich binnen Eurzem fein Ruf und bewog 
u Borghefe, für die Kirche delle tre Kontane eine Kreuzigung des heit. 
rihm malen zu laffen. Die Eräftige Manier, in welcher diefes Bild 
andre aus derfelben Zeit gearbeitet find, welche Guido jedoch nicht 
Nele, erhöhte feinen Ruf immer mehr; und ale der Cardinal die (duch 


15 * 


196 Reni 


Morghen’s trefflihen Stich bekannte) Aurora duch ihn hatte v 
wurde bie Bewunberung allgemein. Paul V. erthetlte ihm um bie! 
trag, eine Gapelle auf Monte⸗Cavallo mit Scenen aus dem Leben 
sufhmüden, und da er auch diefen Auftrag zur Zufriedenheit d 
ausgeführt hatte und ihm überdies von demfelben die Auszierun 
Gapelle in ©.:Maria-Magglore anvertraut wurde, befam cr bin 
fo große Menge Beftellungen, daß er fie alle zu beforgen nicht üı 
Aus diefer Periode find unter andern twol auch feine Fortuna, die 
tus V. und des Cardinals Spada. — Man nimmt gewöhnlid 
Manieren für Guidos Malereien an. Die erjte iſt die effectvolifte 
Gemaͤlde, welche der Behanblungsweife der Caracci und befonder 
vaggio ähnlich find. Starke Schatten, enggefchloffene Kichter, ein 
£iger Pinfel, Eurz das Dinarbeiten nad) großer Wirkung zeichnen 
Periode gefertigten Arbeiten aus. Die zmeite Manier bildet den ' 
faß der erflon und wurde von Guido auch als Gegenfaß der Art 
vaggio, mit dem er in fleten Zwiſtigkeiten lebte, aufgeſtellt. Sie ze 
heile, fchattenlofe Färbung, durch einfchmeichelnde, gefällige, dod 
oberflächliche Behandlung aus und ift dem Guido ganz eigenthi 
obgedachte Aurora bildet ſchon den Übergang oder vielmehr Übertrit 
in die zweite Manier. ine dritte Periode fängt von der Zeit an, 
fing, eilfertig und fchnell zu arbeiten, und mehr auf Geldverbienft al 
bedacht war. Sie zeichnet fich durch grünlihe, graue und uͤberhar 
Färbung , durch nacyläffige und flache Behandlung aus. Diefe le 
‚merkt man vorzuͤglich in der großen Fahne mit dem Schugheilige: 
mehr oder minder in einer Menge anderer Gemälde diefer Period: 
Megierung des Papftes Urban VIII. entzweite ſich Guido mit def 
dem Eurdinal Spinola, wegen Bezahlung eines feiner Gemülde 
Bologna zurüd. Dafelbft hatte er bereits unter andern Gemälde! 
Zampieri feinen heil. Petrus und Paulus, für die Dominicanerkirch 
:bermord gemalt, und war jeht im Begriff die Capelle des Heil. 
auszuzieren, als er nach Rom zurüdberufen, dort mit Ehrenbezeigu 
und vom Papfte ſelbſt aufs liebreichfte empfangen wurde. Ball 
neue Unannehmtlichkeiten, und ba er aud) in Neapel, wohin man 
gen der Verfolgungen der dortigen Maler gegen alle bedeutende 
nicht fidyer glaubte, fo Echrte er nach feiner Vaterſtadt zuruͤck und 
wieder. In Bologna vollendete er die gedachte Gupelle, malte : 
für die Kirche de’ Medicanti, fiir Genua eine Himmelfahrt der Vi 
Menge andrer für fein Vaterland und das Ausland, befonders für 
ter verdienen ausgezeichnet zu werden: fein heil. Michael für die C 
Geſchichte des heil. Benedict für das Klofter S. Midyele in Bosc 
Paris für den König von Spanien, Scenen aus dem Leben des 
Verkuͤndigung, ber heil. Sebaftian, ein Ecce Homo und einige X 
das Mufeum zu Paris befigt), ein Chriftusfnabe, auf dem Kreuz 
Magdalene, ein Johannes der Täufer, das legte Gemälde aus fe: 
nier (in der kaiſerl. Galerie zu Wien), cine Anbetung der Hirten 
und Magdalene (in der Kichtentein'fchen Sammlung), eine Him 
‚ feiner ſchoͤnſten Bilder (in der koͤnigl. Galerie zu München, geft 
Freiburg 1826), ein Ecce Homo, ein Sohannes der Evangeliſt, 
und eine Fortuna (in Münden), ein Ecce Homo, Chrijtus, wel 
erfcheint, eine Madenna, von Heiligen umgeben, Ninus und € 
tleiner Bacchus und eine Venus (in der dresdner Galerie). --- ' 
karte Guido eine Schule errichtet, in Bologna vergrößerte er Diefel 


Rennell 197 


lſeiner Schüler auf Moſchaͤtzt. Ex arbeitete jetzt meiſt eilfertig, ges 
an eine ganz praktiſche, unausgefuͤhrte und manieritte Behandlung, 
iſſig, ließ Manches durch feine Schliler ausführen und, von ihm nach⸗ 
z feine Arbeit verkaufen. Und alles Dieſes bloß, um feinem leiden- 
yange zum Spiel zu fröhnen. Dies nöthigte ihn zu unwürdigem Ver⸗ 
ner Gemälde und ſtuͤrzte ihn in immer drüdendere Geldverlegenheiten, 
zulsst die Urfache feines Todes, 1642. — Betrachten wir In feinen 
inzelnen Ecfoderniffe der Kunft, fo finden wir zuerft feine Zeichnung 
richtig, felten Eräftig und grandios, feine Stellungen ohne grofie Wahl, 
ht einmal natürlih. Dagegen hat feine Zeichnung eine ihm eigen: 
razle und Lieblichkeit, die mehr in der Behandlung des Ganzen ale 
Theile befteht, ja mun muß auch dies eigentlidy nur auf feine Köpfe 
Seine Gedanken find gewöhnlich, wol gar gemein, bie Anordnung 
elten gut, daher auch feine größern Compofitionen weit weniger Wir: 
und weniger gefchägt werben als feine Werke von kleinerm Umfunge, 
ve Halbfiguren, deren man eine große Anzahl findet. Der Wurf ſei⸗ 
re bat viel Schönes und ift meift wahr und leicht; nur fehlt es Ihnen 
onie mit dem Ganzen und an bem Charakter bes Stoffes, moraus 
Einen hohen, wuͤrdevollen, manniufaltigen, beflimmten Ausbrud 
feinen Werken nicht fuchen. Dadurch erklaͤrt fi, warum ihm Män- 
worin Kraft und Zeftigkeit dargefteilt werden follen, felten und mehr 
ern Periode gelangen. Ganz an feinem rechten Plage aber war Gui⸗ 
e jugendliche , befonders weiblidye Geftalten bildete. In ihnen zeigt 
5 Gefühl für Alles, was nur anmuthig, hold und zart genannt wer: 
ve Allem aber fpricht fich dieſes Gefühl in den gen Himmel gerichteten 
Magdalenen und Madonnen aus. Eein Colorit ift felten wahr, fällt 
liche, Gruͤnliche und Silbergraue, ift aber doch meift angenehm und 
3 großen Leichtigkeit und Meiſterhaftigkeit feines Pinfeld, von einer 
m und marligen Behandlung, welche aber freilich in Manier ausar- 
Bübo hatte nicht allein in Relief, fonbern auch einige Statuen gearbel- 
ziemliche Anzahl Blätter eigenhändig radirt, welche mit einer leichten, 
del behandelt find und fehr gefhägt werden. Faſt ließe fich behaup⸗ 
e Zeichnung in diefen Blättern richtiger und edler fei als felbft in ſei⸗ 
w. Unter der Menge feiner Schüler, welche mehr oder minber fei- 
zen blieben, zeichnen fi) aus: Guido Congiagi, Simone Cantarini 
pancedco Richt, Andre. Streni, Giovanni Sementi, G. Bat. Bo⸗ 
- BC. 

ſell (James), ein englifcher Beograph, geb. 1742 zu Chubleigh in 
we feine Samilie in gutem Anfeben ftand, befuchte eine benachbarte 
trat ald Midfhipman in den Seetimfl. Wuaͤhrend des fiebenjähr. 
note er fich durch Unternchmiungsgeift, befonder® bei der Belagerung 
een, aus und trat 1766 als Ingenieurofficker in den Militairdienſt 
ne. Die erfte Arbeit, womit er vor dem Publicum erfchien, mar 
he Bank anıl Current of Cape Lagullas, wofuͤr er zum General: 
ıWBengalen ernannt wurde. Bald darauf gab er feinen Atlas von 
bass, dem eine Nachricht vom Ganges ımd Burramputer (in den 
ml Eramsactions”) folgte. Diefe Schrift erwarb ihm folhen Ruhm, 
menig zum Mitgllede der koͤnigl. Gefellichaft erivählt wurde. Um 
re nach Europa zuruͤck und gab fein berühmtes „Menioir of a nıap 
w* heraus. Als die Afiatifche Geſellſchaft geftiftet murde, gab R. 
wre Beiträge, wiewol anonnm, zu ihren Schriften. 1798 half er 
B 6A der Herausgabe feiner Reife; für die afrikaniſche Geſelſchaft 


198 Rennes Rennie 


unternahm er mehre Arbeiten zur Verbeſſerung der Geographie dieſes Welt 
Das große Werk des Dr. Vincent fiber Die Reiſe des Nearchus und über br 
riplus verdanken ihm manchen wichtigen Auffchluß. Won feinen eignen 8 
verdienen noch angeführt zu werben: „The geographical system of Here 
explained’’ und „Observations on the topography of the plain of Trey 

Rennes, vormald Hauptfladt von Bretagne, jest die des Deps 
Ille und Vilaine, liegt an dem Zufammenfluß diefer beiden Fluͤſſe; au 
erftern koͤnnen Barken bis an die Stadt fchiffen. Über die Vilaine find 3 
den gebaut, von denen die fchönfte (Pont-neuf) die obere mit ber untern 
verbindet. Die obere Stadt, an einer Anhöhe auf dem rechten Ufer der V 
iſt der vorzüglichfte Theil, mit ſchoͤnen, gut gepflafterten, breiten und g 
Straßen, großen Plägen und vielen trefflichen Gebäuden. Die untere | 
auf dem linken Ufer der Vilaine, ift öftern Überfehwemmungen ausgeſetzt 
der Ille liegen die 2 Vorſtaͤdte St. Martin und ’Eveque. Sie hat 4000 5 
1 Domkirche, 8 andre Kirchen, worunter die fchöne Peterdkirche mit bee f 
werthen Sacade, und anfehnliche Gebäude, als das ſchoͤne vormalige Parlas 
baus auf einem großen vieredigen Plate, das Rathhaus, das Arfenal. 
30,000 Einm. betreiben theild beträchtlichen Speditions⸗ und eignen H 
theil unterhalten fie nicht unwichtige Fabriken, als in Segeltuch, Cattun, E 
wolle, Leber ıc. und Wachsbleihen. Die Stadt ift der Sig eines Biſche 
des Generals der 13. Militairdivifion. Sie hat eine Akademie mit ZU 
ten, bes Rechts und der ſchoͤnen Wiffenfchaften, ein Eönigl. Collegium, ein 
ſellſchaft der Wiffenfchaften und Künfte, eine öffentliche Bibliothek, ein Mu 
ein Naturaliencabinet und einen botanifchen Garten. Die Gegend umberl| 
fruchtbar. 

Rennie (Sohn), Vorſteher ſaͤmmtlicher Hafen: und Marinebau 
Großbritannien, geb. 1757 in Schottland. England hat feit Smeatel 
nen Baumeifter aufzumeifen, deffen Ruf allgemeiner anerkannt geweſen 
R. verdankte Alles feinem Verdienfte, der Beharrlichkeit, womit er fich | 
Sache widmete, und der hohen RechtlichEeit, die ihn audzeichnete. In fein 
gend arbeitete er als Handwerker, dann als Mühlenbaumeifter, und ſchon 
ner Zeit erwedkten die WVerbefferungen, die er beidem Mühlenbau einführt 
Aufmerkfamteit. Als die Regierung ihm fpäterhin die Aufſicht über ale | 
und Marinebauten übergeben hatte, fand er Gelegenheit, die größten Em 
auszuführen. Urſpruͤnglich für das Praktifche gebildet, verfäumte er in bet 
nicht, ſich mit der Theorie feiner Kunſt vertraut zu machen. Seinen Söhm 
er forgfältig geordnete Baugefchichten aller feiner Werke, mit den gene 
Zeichnungen binterlaffen. In Nebenftunden befchäftigte er fich mit ber ( 
kunde, befonders auf feinem Landfige in Lincolnfhire, wo er ein Kleines DI 
torium eingerichtet hatte. Er war feit früher Jugend ein Freund des beri 
Matt (f.d.) und foll wefentlichen Antheil an ben wichtigen Verbeſſerung 
Dampfmafchinen gehabt haben. Unter den Gandien, bie er ausführte, 
Kennets und Avoncanal merfwürdig, der auf eine Strecke von beinahe eint 
Melle unter der Erde durch eine Anhöhe gegraben wurde. In den Häfi 
Portsmouth, Chatam, Pipmouth führte er große Arbeiten aus, umd bi 
Bau einer neuen Hafenmauer in Sherneß, beren Grund bis auf 50 Zuf 
die Oberfläche des Meeres gelegt werben mußte, wendete er die Taucherglo 
gluͤcklichem Erfolg an und erleichterte den Gebrauch derfelben durch einige 
gemachte Verbefferungen fo fehr, daß fie jegt eine der vorzüglichften Hülf 
bei folchen ſchwierigen Unternehmungen iſt. Sein wichtigſtes Werk im « 
bau ift der Meerdamm auf der Rhede von Pinmouth, zum Schuge des H 
ein Werk, das felbft die großen Anlagen bei Cherbourg (f. d.) weit üb 


' 


Rens Renten | 199 


Yin Denkmäler feines Kunftverftandes bleiben jedoch die großen, von 
a Behdien in London, die Waterloo» und Southwarkbrüde, jene 
‚ biefe von Gußeiſen. R. hatte in London eine große Anftalt zur Ver: 
mMRafchinen aller Art angelegt. Mehre Mafchinen verbanten ihm 
Berbefferungen, befonder6 zeichnet ſich die von ihm gebaute Maſchine 
sl. Münze in London aus. Ebenſo merkwuͤrdig iſt die von ihm einge⸗ 
erſchmiede zu Portsmouth, wo bie großen Anker für die Kriegsſchiffe 
erden und durch zweckmaͤßige Verbeſſerungen ein großer heil der 
gen Dandarbeit erfpart wird. Auch die große Dampfmafchine von 
Kraft zu Vorkbildings in London ift fein Werk, Diefer verdienftuolle 
im Dctober 1821 zu London. 

8 oder Renſe, auch Rees, einimehemal. Erzſtift Koͤln gelegenes 
ım Rhein, berühmt durch den nahe babei befindlichen fogenannten Koͤ⸗ 
If. d.). 

ten, im Allgemeinen, diejenigen reinen Einkünfte, welche Jemand 
w fie durch feine Arbeit, Fleiß oder Induſtrie zu verdienen. Sie hei: 
drenten, inwiefern fie dem Grundeigenthuͤmer für die Verleihung 
mg feines Bodend, Sapitalrenten, inwiefern fie dem Capita⸗ 
Verleihung der Benusung feines Capitals zukommen u. f. w. Würde 
eine Penfion, wegen ganz befonberer Eigenfchaften und Vorzüge, ale: 
großes Genie, oder weil er eine außerordentliche Naturmerkwuͤrdigkeit 
‚ fo würde auch ein ſolches Einkommen eine Rente genannt werden 
ters heißt aud) Rente jedes reine Einkommen, d. h. wovon nichts ab⸗ 
werden braucht, um die Quelle beffelben zu erhalten, oder um das 
mögen, welche es erzeugt, wieder gehörig herzuftellen. In diefem 
t man aud von einer Induſtrierente oder demjenigen Theil des Ein: 
re Induſtrie, welcher übrigbleibt, nachdem man Alles davon genoms 
se Erhaltung diefer Art ber Induftrie in ihrem bisherigen Zuſtande 
ft. Wenn von Renten im Allgemeinen geredet wird, fo verfteht 
üglidy die Staatsrenten darunter, welches Einkünfte find, welche der 
m fichert, welche ihm beftimmte Gapitale dafür bezahlt haben und die 
ratsglaͤubiger heißen. Jedoch ertheilt der Staat dergi. Renten aud) 
n Perfonen, die ihm zwar kein Capital geliehen haben, die er aber um 
afte willen belohnen will, ober weift dergleichen Inſtituten an, denen 
indige Dauer und ein ſtets gleiches Einkommen zu ihrer Erhaltung 

So ift die Pairie in Frankreich, die Univerfität, die Geiſtlichkeit u. 

taatörenten angewiefen und gegründet. — Zinfen oder Sntereffen ge- 
den Begriff von Capitalrenten; aber fie madyen nur eine Art derſel⸗ 
Mmlidy foldye Capitalrenten, toelche gemeiniglicdy gegen Ruͤckzahlung 
beſtimmt find und länger nicht gezahlt werden, als bis dahin, wo das 
ickgezahlt wird. Dagegen gibt e8 auch Capitalrenten, die immer fort: 
wo das Capital, womit fie gekauft find, nie an den Gapitaliften, der 
bat, um die Renten zu erlangen, zuruͤckgezahlt zu werden braucht. 
Die eigentlichen Renten. — Sobald e8 Perfonen und Anftalten gibt, 
mene Sicherheit gewähren, daß die Menten ununterbrochen bezahlt 
sie e& in dem darüber abgefchloffenen Gontracte beftimmtift: fo wer: 
iemten ein fehr gewöhnlicher Gegenſtand des Kaufe und des Verkaufs, 
gen ihnen verfchiedene Bedingungen an, wodurch mehre Gattungen 
entfiehben. Ein Hauptunterfchied unter denfelben entfpringt dadurch, 
tenten auf immer, andre aber nur eine beflimmte Zeit lang fortdauern. 
perpetwirliche, diefe Zeitrenten. (Wal. Annuitäten.) Zu ber letz⸗ 
8 gehören die Leibrenten, Zontinen u. f. w. (S. vie beiond. 


% 
200 Rentenablöfung 


Art). Es ift natürlich, daß man Dem, welcher nur auf eine beflimnite Ze 
Rente verlangt, für ein gleiches Capital, das dem Rentengeber verbleib 
größere Mente zugeftehen wird, ald Dem, ber eine folhe für immer verlang 
daß, wer nur cin Bleines Capital hat und ſich damit ein größeres Einke 
fhaffen will, dieſes eher durch Ankauf einer Leibrente ald einer perpetml 
Mente erreichen kann. 
Kentenablöfung. Die Erwerbung des Rechts auf eine Rente 

auf einem Gontracte, worin der Käufer ein Capital oder fonft Etwas gibt, m 
Verkaͤufer ſich verbindlich macht, dem Käufer ein beftimmtes Eintommen, ‘ 
genannt, dafür alljährlich zu bezahlen. Iſt in dem Rentencontracte nid 
ftimmt, unter welchen Bedingungen die Rentenzahlung aufhören fol, fo m 
Berbindlicjkeit der Bezahlung derfelben als fortbauernd angenommen m 
und bloß ein neuer Contract zwifchen Rentenzahler und Rentenempfaͤnget 
der Verbindlichkeit des Mentenzahlers ein Ende machen. Wo aber in den 
temcontracte die Bedingungen beftimmt find, unter welchen die Renten dl 
werden Eönnen, da verfteht es ſich von felbft, dag es mit Erfüllung 
dingungen gefchehen kann. Go haben bie melften Staaten ihre Renten 
der Bedingung verkauft, daß fie fich die Kreiheit vorbehalten haben, fie ſie 
nad) ihrem Belieben wieder abzulöfen. Der Inhalt ihres Contracte u 
Staat ſichert 3 oder & u. f. w. jährlich, die er mit 100, fobald es ihm gef 
ber ablöfen kann? was. gebt Ihr dafür? — Nach dem herrfchenden Zin 
dem Grade des Staatscredits im Lande bieten bie Gapitaliften für 4 im 
bald 50, bald 60, 70, 80, 90 u. f. w., wofür fie dann die bedungenen 
mit dem Rechte erhielten, ſich deren Ablöfung nicht anders gefallen zu 
wenn der Staat volle 100 im Capital ihnen für jede Mente von 4 Proc. 
In Frankreich hatte man bei dem Verfaufe der legten Renten gar keines 
erwähnt, welches der Staat auf den Fall der Ablöfung für 5 Kranken 
bezahlen hatte, fondern der Antrag an die Gapitaliften lautete abfolut: 
Ihr für 5 Franken jährliche perpetuirliche Renten? Man erhielt für bie e 
ten im 3. 1817, 55, 'bei den lebten im 3. 1823, 89. — Nachdem fie 
über hundert geftiegen, machte die Regierung 1824 den Antrag, fie für N 
ruͤckkaufen zu wollen. Das Recht, die Rentenirer zu nöthigen, ihre Rentd 
5 für 100 herzugeben, wurde bei dieſer Gelegenheit fehr beftritten, ba ber | 
ſich nicht ausdruͤcklich das Recht vorbehalten hatte, 5 mit 100 beliebig su 
fen zu können. Da indeffen jedes pofitive Gefe amd jeder Vertrag unten W 
gemeinen Rechts: und MWohlfahrtsprincipien des Staats fteht, fo muß jede 
trag und jedes pofitive Sefek nur in dem Sinne genommen werden, daß et: 
allgemeinen Prindipien nicht reiderfpricht, und fobald ein ſolcher Widerſpe 
einem pofitiven Gefege oder Vertrage bemerkt wird, müffen beide Parteien U 
eingefhränkt werden. Es find aber fchon in dunkeln und barbarifchen Zrit 
Renten entflanden, deren allgemeine Schaͤdlichkeit in jenen Zeiten nicht ei 
award, oder auch vielleicht noch gar nicht vorhanden war, die aber bei beffere 
ficht und unter veränderten Umftänden eingefehen worben find. Dergleich 
insbefondere folche, die in Naturalien oder perfönlichen Dienften geleiftet ! 
mußten, der Zehend u. ſ. w. Denn alle diefe Leiftungen find den Reut 
nigftens analog. Wenn fi, nun zeigte, daß diefe Keiftungen dem Geb 
koſten, als fie dem Empfänger einbringen, oder daß fie die Vervollkommm 
Gultur verhindern und das Product der Arbeie ſchwaͤchen, fo verträgt es || 
der Gerechtigfeit und iſt der Staatsklugheit gemäfi, daß dergleichen Mentı 
Leiftungen, welche an ben Gütern haften, abgetöft werden, und daß ſich De 
pfänger derfelben gefallen Inffen muß, gegen ein billiges Aquivalent auf! 
nern Smpfang derfelben in gleicher Qualität Verzicht zu leiften. Darin 














Rentenirer 208 


z foldher Leiſtungen ober Renten. Die pofttiven Befege haben nicht 
umen, daß bie Abloͤſung gefchehen kann, fondern auch die Art vorzus 
ie dee Werth einer ſolchen Rente oder Reiftung in Gelde ausgemittelt 
und wie vielfach der jährliche Werth derfelben bezahlt werden muß, 
Beide gänzlich abzulöfen. Wenn aber der Staat durch einen foͤrmli⸗ 
3 Renten verkauft hat, ohne ausdruͤcklich zu beſtimmen, daß fie abges 
Manen unb wie groß das Capital für die Ablöfung fein fol, fo fcheint 
es rechtliches Mittel der Ablöfung der Renten zu geben, als gegenfels 
kınft barkber. Diefer Segenftand iſt 1824 in Frankreic zur Sprache 
mo die Regierung ihre Renten von 5 gegen ein Capital von 100 ab⸗ 
nen das Mecht zu haben behauptete, die Rentenirer aber dieſes Recht 
wi fie Menten abfolut gekauft hätten, indem der Staat fidy nicht das 
vorbehalten hätte, jede Rente von 5 gegen ein Capital von 100 abzu⸗ 
nach dem Inhalte des großen Buches, feinen Creditoren keine Gapi: 
ı nur Renten ſchuldig geworden fei. Der 1911. Artikel des franz. 
I, welcher die Abloͤsbarkeit der perpetuirlihen Renten audfpricht, 
ie Etaatörenten nicht zu paflen und beftimmt uͤberdem das Gapital 
weiches fie abloͤslich fein follen. Daher ift der daraus hergenommene 
die Abloͤsſlichkeit der franz. Renten zu 100 für 5 fehr ſchwach. Daß 
taatsrenten, welche der Staat gegen beliebige Ruͤckzahlung eined bes 
pitals von feiner Seite übernommen hat, gegen biefe® Gapital abloͤs⸗ 
:Har 91. 


tenirer, diejenigen Perfonen, welche bloß von ihren Renten und 
evdon Staatörenten leben. Wer nämlich ein Capital befigt und es we⸗ 
‘einem Gewerbe anlegen, noch auch fi mit dem Verleihen deffelben 
&, ann fich daflıc eine Rente Laufen, d. b. er kann Jemandem, den er 
wug hält, fein Capital geben, unter ber Bedingung, daß er das Capi⸗ 
ha zuruͤckfodern ober zuruͤcknehmen will, dev Empfänger des Capitals 
a Einfommen, es fei auf eine beflimmte Zeit oder auf immer, dafür 
Ne Staffe der Rentenirer kann nur da fehr ausgebreitet fein, wo ein aus⸗ 
Btaatecredit vorhanden ift, wo der Staat vieler Capitale bedarf und 
viele Reichthuͤmer in Privathänden exiſtiren. Vor der Revolution 
fe der Rentenirer in Frankreich fehr groß. Insbeſondere war die Zahl 
eichen der Staat Leib = und Rebenerenten verfichert hatte, ſehr zahlreich. 
le Revolution dad ganze Staatscreditſyſtem zufammenftürste, fo verlo⸗ 
utenicer mit einem Male ihr ganzes Einkommen und verſanken ins 
d. In England find von jeher die perpetuirlihen Renten beliebter ge: 
» die Rentenirer beziehen dafelbft an 25 Mit. Pf. St. jährlich vom 
Da in diefem Lande der Staatscredit feft gegründet ift, fo herrfcht da⸗ 
ſtaͤrkſte Vertrauen auf das Einkommen aus Renten. Die Quelle, 
Staactsrenten bezahlt werden, find die Abgaben, welche das Volk zu 
xe zufammenbringt. Hieraus folgt allo, day die Rentenirer von den 
der Nation leben, ohne dafi fie derſelben andre Probucte daflır zuche: 
6 fie dem Volke läjtig werden, oder nicht, wird davon abhängen, ob 
amen des Volks bie zur Besahlung der Renten nöthigen Abgaben leicht 
un, ohne daß die Bermehrung des Nationalreichthums dadurch in 
zeraͤth, oder nicht. ind die Eapitale, welche der Staat von den Ren: 
halten hat, dazu angewendet worden, das Reich zu befefligen und zu 
den VBerkehr und die GGewerbe zu erweitern, die Nerbindung mit ans 
mern ausgedehnter und ficherer zu machen, und reicht das dadurch ver: 
ionaleintommcecn hin, Das, was die Bezahlung ter für die Capitale 
uw Renten Eofter, mit Leichtigkeit zu bezablen: fo kann man die Rente: 


208 Rentenreduction 


nirer nicht für eine uͤberfluͤſſige oder ſchaͤdliche Claſſe von Staatsbuͤrgern e 
Vielmehr iſt es ſehr zu wuͤnſchen, daß in der buͤrgerlichen Geſellſchaft eine 
von Menſchen eriftict welche, frei von aller Gewerbsͤthaͤtigkeit, ihre ganze | 
die Cultur ihres Geiftes, Erweiterung der Wiffenfchaften, Ausbildung de 
nem Kümfte u. f. vo. verwenden können, und hierzu hat Niemand mehr er 
beffere Gelegenheit al& ein reicher Rentenirer. 

Rentenreduction, bie Perabfetung der bei Contrahirung ber 
ſchulden beflimmten Zinfententen. Wenn nämlidy der Staat Capitale | 
fo kann er die müffigen oder nicht fehr vortheilhaft befchäftigten Capitale 
ders ohne Zwangsmittel anſichziehen, als wenn er den Gapitaliften fo 
oder vielmehr etwas höhere Zinfen verfpricht ale ‚Diejenigen find, 
Zeit, wo bie Capitale gefucht werben, gewoͤhnlich für Gapitale bei gleicher 
beit bezahlt werden. Steht daher der gewöhnliche Zinsfuß im Lande 5 
fo wird auch der Stant eine Sapitale zu niedrigerm Zinsfuß finden, und ſſ 
Gapitale, welche er fucht, von großem Umfange find, fo wird er noch etwa 
als der gewöhnliche Zinsfuß ift bieten müffen, damit er auch folche Cap. 
fichziehe, die ſchon zu demfelben untergebracht find. Fällt aber der Zini 
ber Zeit in dem Lande, ſodaß z. B. Capitale genug zu 4 Procent ausgeben 
den, wenn der Staat die feinigen zu 5 Procent aufgenommen hat: fo # 
dem Staate möglich werben, die Capitale, fir welche er 5 Procent zahlt, J. 
digen. Denn es find fodann genug Gapitaliften vorhanden, welche ihm 
pitale zu 4 Proc. anbieten. Der Staat würde aber ein ſolches Anerb 
Gapitale, die bei ihm 3 B. zu 5 Proc. ſtehen, zurüdzuzahlen, nicht net 










er nicht vorausfesen koͤnnte, daß die meiften der Gapitaliften, die bisher 4 
erhielten, ihre Gapitale nicht zur&dfodern ‚würben, wenn er fie ihnen k 
fondern fie ihm lieber zu 4 Proc. laffen würden. Die Hoffnung, daß bu 
fhehen werde, gründet ſich darauf, daß zu der Zeit, wo ber Staat ih 4- 
Jedem, der ihm fein Capital nicht zu 4 Proc. laffen will, daffelbe zurüd 

Niemand Gelegenheit findet, fein Capital mit gleicher Sicherheit über. 
unterzubringen, und deßhalb entſchließen ſich die meiften Gläubiger dem 
ihre Gapitale zu den neuen Bedingungen, die er ihnen madıt, zu uͤberlaſſen 
Staat kann alfo die Reduction der Zinfen unbedenklich wagen, fobalb er ga 
daß es feine Gelegenheiten gibt, die Gapitale irgendwo mit gleicher Sicherhe. 
denfelben Zinsfuß anzubringen, als er zu geben fich erbietet. — Gegen diel. 
tigkeit eines folchen Verfahrens ift nichts einzuwenden. Der Staat fan; 
fiyerer auf das Gelingen feines Unternehmens rechnen, je fefter fein Ech 
je größer der Umfang der Gapitale ift, welche er kuͤndigt. Denn mern amd 
der Zinsfuß etwas höher ftände, ale er zu geben ſich erbietet, fo ift es doch ® 
lich, die große Menge der Gapitale zu einem ſolchen Zinsfuß unterzubringg 
der Staat den Capitaliften zu bezahlen ſich erbietet. Ein ſolches Angebe 
Daher nothwendig auf das Sinken des Zinsfußes noch mehr wirken, inda 
fo große Menge von Capitalen in den Gewerben nicht fo gewinnvoll, beſonh 
kurzer Zeit angelegt werden Eann, als der Staat zuruͤckzugeben ſich erbietets 
Gläubiger werben daher bange, daß fie noch weniger für ihre Gapitale «| 
möchten, als ihnen ter Staat bietet, wenn fie ſolche zuruͤcknehmen, und Ü 
fen fie daher gern dem Staate zu niedrigern Zinfen oder Nenten. — Aut 
Anfiht folgt aber auch, daß dem Staate die Rentenreduction am beiten 94 
werde, je mehr er Capitale ploͤtzlich und auf ein Mal zuruͤckzuzahlen anbietet 4 
je kürzerer Zeit er fein Project auszuführen verfpricht. Denn die Stäubigg 
nen fodann kaum zur Bejinnung Eonımen, und die Überzeugung, daß eine ſo 
Menge von Capitalien, plöglich auf den Markt geworfen, den Zinsfuß noch 
herunterbringen muß, als er eben fteht, wird fo allgemein, daß fehr menigel 








Rentenrebuction 2083 


tale zuruͤcknehmen. Indeſſen kann der Staat eine folche Rebuction 
ch nicht anders wagen, al& wenn er fich der Mittel verfichert hat, alle 
He ihm möchten abgefodert werben, auch fogleich zuruͤckbezahlen zu 
: Gewißheit, daß er diefes werde thun fönnen, vermag er nur ba zu 
s viele geldreiche Leute gibt, welche große Capitale in Vorrath has 
‚Rothfalle zu der angebotenen Bezahlung anwenden koͤnnen. Das 
ſchuldenſyſtem erleichtert die Möglichkeit davon auf mehr als eine 
A nämlidy bei der unendlichen Menge der Staatsfchulden, die größ- 
denten beftehen, weiche durch fteten Umtaufch ihrer Eigenthämer 
ehr großes Capital ſtets befchäftigt, diefen Umſatz zu betreiben, oder 
yand in die andre zu fchaffen. Dieſes Capital, welches fidy in den 
entenhändier ſtets bereit findet, um da Renten zu kaufen wo fie am 
m zu verkaufen find, fteht denjenigen Staaten immer zu Gebote, 
mit vollem Credit zum Verkauf anbieten, und da es viele hundert 
trägt, fo koͤnnen die Bebürfniffe ber Staaten daſſelbe nicht leicht er: 
obald nun in einem Staate, der 3. B. 5 Proc. Renten bisher gegeben 
bnliche Zinsfuß auf * oder gar noch tiefer fällt, fo ſteigt ber Capital⸗ 
ten, wo volle Sicherheit tft, auf 125 und audy wol höher. jene 
aden fobann Feine Mittel mehr, ihr Capital zu 5 Proc. in ben vor: 
ten anzulegen, und find gern bereit, e8 zur Ausführung der Pros 
egierungen herzugeben, welche bei fteigendem Grebit ihre Renten re⸗ 
n, da Geld genug in ihren Händen ift oder ihnen zu Gebote fteht, 
taatsgläubiger baar zu bezahlen, toelche fich die vom Staate ange: 
ngungen nicht wollen gefallen laffen. Gewöhnlich verknüpft die 
ch befondere Reize mit ihrem Projecte, um bie Gapitaliften geneigt 
ffeibe zu unterflügen. Bald bewilligt fie ihnen noch befondere Praͤ⸗ 
ald taufcht fie das baare Gelb gegen Effecten ein, die einen fleigen- 
fen laffen u. ſ. w. Dergleichen Methoden werden ſowol bei neuen 
yei der Reduction der Renten befolgt. Das neuefte Beifpiel davon 
Frankreich gehabt, wo bie Regierung 1824 ein Project in Borfchlag 
enten von 5 auf 4 Proc. zu rebuciren. Die Möglichkeit der Aus: 
8 Projectd gründete ſich auf den Umftand, daß die Öprocentigen 
ı über Pari geftiegen waren, und da auf diefe Art Capitale nicht 
oc. untergebracht werden fonnten, fo glaubte man derer genug zu 
ten zu koͤnnen, um Allen, welche nicht mit 4 Proc. in Zukunft zufrie⸗ 
m, ihre Capitale baar zuruͤckzuzahlen. Das Project follte fo ausge: 
‚ daß eine Compagnie reicher Gapitaliften die ganze Nationalfchuld 
mahm, dergeftalt, daß ihr die Regierung für jedes 100 Sprocentiger 
be fie übernahm, 1331 Iprocentiger übergab, oder, welches baffelbe 
pcent. Effecten für 75 5procent. bezahlte. Die Compagnie über: 
sie alle vorhandene Sprocent. Effecten entweder auf die erwähnte Art 
erigen Renteneigenthuͤmern abzulöfen, oder diejenigen, welche dieſe 
nicht annehmen wollten, mit baarer Zahlung von 100 Franken für 
ate zu befriedigen. Durch diefe Operation, wenn fie durchgegungen 
. die Zinfen der ganzen Nationalſchuld von 5 auf + Proc. herakge: 
in, weil 1334 3procent. Sonde, welche 100 5procent. gleich find, 

Dadurch wären nun zwar die Zinfen um !; vermindert, die Capi⸗ 
yen um } vermehrt worden, ein Umftand, mweldyer auch dem Projecte 
legt worden ift, den aber die Vertheibiger des Projects dadurd) im 
em Lichte zu zeigen fürchten, das fie behaupteten, der Staat habe gar 
lichkeit, das Capital je zu bezahlen, und ihm koͤnne es daher in dieſer 
gültig fein, wie hoch e8 Inute, wenn nur die Zinfen oder die Mente, 





- m. En AST 
4m 


' 


206 Sentenrebuctiön 


weiche ber Staat baflıe gebe, Meiner fe. Vielmehr koͤnne die Ver 
Capitals ale ein Nationalvorthell angefehen werben. Denn e6 ftel 
credit vor, und da berfelbe in cbenfo vielen Thellen (Capitalen) reali 
Abtheilungen deffelben in den Staatsbuͤchern ober Staatspapieren « 
wenn nur dad Vertrauen zu ihnen erhalten wird, als ebenfo viele 3a 
wendet werben Binnen: fo gewinnt das Volk um fo mehr dabei, 

Papiere, ohne daß fie dem Volke mehr koften, gefchaffen werden. ; 
papiere wirken wie wahre Gapitale, indem fie als Zaufchmittel odeı 
gebraucht werden und dadurch zur Beförberung der Induſtrie unt 
dienen koͤnnen. Sie fallen dem Wolke nur durch) die Koften (Re: 
welche die Unterhaltung ihres Credits fodert. Koftet nun die Unte 
größern Summe berfelben weniger an Renten, fo ift diefes ein wahr: 
Volk und Regierung zugleich; ber Gredit ift erweitert und die Kofter 
tung derfelben find geringer geworden. Warum deffenungeachtet in 
ſes 1824 vorgefhlagene Project ber Rentenrebuction von der Pairska 


fen worden ift, leuchtet nicht ein; es fcheint, daß mehr das Privatintı 


teninhaber als richtige Einfichten in bie Natur jenes Projects zur V 
getragen haben. Am grünbdtichften hat Lafitte in f. „„Reflexions auı 
des rentes” für daffelte gefprochen. Auch ward das Project, wien 
Mobdificationen, in der Sigung der franz. Kammern 1825 erneuet. : 
machte nämlidy den Inhabern der Sprocent. Papiere folgende drei 2 
Sie Eönne diefelben in 3procent. verwandeln, Inden fie für 75 Frank 
Dapieren, 100 in 3procent. erhalten, woburd fie alfo ein Capital 
3prorent. für ein Capital von 100 in Sprocent. befommen. Aber jen 
nur eine Rente von 4, da die 100 in Sprocent. Sonde 5 tragen. De 
Mentenbefiger, dieſe Propofition anzunehmen, beficht einerfeits dari: 
fteigenden Gredit Frankreichs zu vermuthen ift, die Iprocent. Fond 
viel höher als 75 fleigen, und die Beſitzer derſelben für ihre 1334 ein 
Capital e:halten Eönnen. Andrerfeits kann fie die Furcht, beim Beha 
Papiere zu verlieren, antreiben, fich davon loszumachen; denn da 

das Recht hat, fie al pari zuruͤckzukaufen, fo wird fie diefes thun, 

pnri fteigen. Sodann würden die Inhaber der 5proc. Papiere gen 
für 100 wegzugeben, wofür ihnen jegt 1334 geboten werden. 2) D 
ſchlag ift, daß es jedem Rentenbeſitzer freifteht, feine Sprocent. Par 
cent. umfchreiben zu laffen, wobei er die Verficherung erhält, daß bie 
bis 1835 undermindert bezahlt werden foll. Diefer Vorſchlag wird 

mer fein als der erfte, welchen daran gelegen ift, fid) ein beflimmtes E 
eine längere Zeit zu fihern. Da fie naͤmlich aus dem täglich mehr fallı 
erfehen, daß fie 5 Proc. doch nicht für ihr zuruͤckgezahltes Capital er 
und der Staat damit umgeht, die Procente feiner Schulden heral 
Niemand wiffen kann, ob nicht bald ein noch tiefere® Fallen bes Zin: 
fo ſichern fie fidy durdy Annahme des Vorſchlags der Megierung ik 
wenigſtens auf 10 Jahre. Endlich ift ihnen 3) auch freigeftellt, die 
piere biß auf weitere Befchlüffe der Regierung zu behalten. Was. 
den legten Fall wählen, widerfahren wird, wenn der Grebit fortd 
ift leicht einzufehen. Der Staat wird z. B. von den Hprocent. 

Summe ausloofen, und die Inhaber werden für die heraustommen 
für 5 in Renten 100 erhalten. Für diefe Summe werden fie fc 
kaum eine Rente von 3 wieder kaufen können, da ihnen jest 4 angı 
Je ausgedehnter daher das Vertrauen auf den fteigenden Gredit In 
defto geringer wird die Zahl Derer fein, welche nicht einen der beit. 
wählen. Du für die Sprocent. Pariere geſetzlich kein Tilgungsfond 


Repertoire | 205 


seherfehen,, baß fie, wenn der Grebit der Iprocent. Papiere fteigt, 
re Pari fleigen werben, weil die Beſitzer derfelben fürchten muͤſſen, 
me das Loos der Ruͤckzahlung des Capitals trifft, wofür fie fich fo- 
br 4 Proc. verfchaffen können. Denn man nehme an, die Zprocent. 
r duch den Tilgungsfonds, der aufihren Ruͤckkauf vermendet mer: 
3: fo wird Der, deffen Sprocent. Papier herauskommt, für die 100, 
smat, in ben Iprocent. Papieren fid) kaum eine Rente von 34 kau⸗ 
Und er witd feine vortheilhaftere Anlage im Lande finden, wenn bie 
e fo hoch geftiegen find. Hieraus ift alfo klar, daB Jeder fich be: 
ne Sprocent. Papiere jest lodzumerden, da er doch wenigſtens 4 
halten fann. — Dieſes Project wurde von beiden Kammern age: 
it ihm fleht die Entfchädigung bet Emigrirten in Verbindung, da 
e Rebuction zugleich mehre Mill. an Renten erfpart, welche nım an⸗ 
en, um bie 3O MU. Renten jährlich zu bezahlen, weldye zur Be: 
Emigranten beflimmt find. Wie viel durch die Reduction nach dem 
zfpart werben wird, laͤßt ſich nicht fo genau beftimmen, als bei der 
hdem Vorfchlage vom 5. 1824. Denn da nad) lepterm bie ganze 
"auf 4 Proc. herabgefegt werden folite, fo ließ fih genau beredinen, 
# 28 Mil. Zinfen weniger zu bezahlen haben würde. Da aber 
m Project auch Fonds zu 5 Proc. bieiben, und andre in 44 procent. 
nden Eörmen, und da fich nicht miffen.läßt, wie viel von den jegigen 
iben oder den uͤbrigen Claſſen zufließen werben: fo läßt fich auch 
m, wie groß die Erſparniß der Zinfenzahlung fein wird, ehe das Pro⸗ 
\ anögefährt iſt. 91. 

toire, Repertorium, bei den Theatern, das Verjeichniß 
uf einer Bühne gangbaren Stuͤcke, ſowol Opern als recitirender 
Melodramen); dad Repertoire eines einzelnen Theaters iſt daher 
m Barometer anzufehen, nach welthem man den jedesmaligen Zu⸗ 
fee Buͤhne in Afthetifcher Dinficht und ben Geſchmack des fie befu- 
ums beurtheilen kann. Das feftftehendfte und gewaͤhlteſte Reper⸗ 
Fheätre francais in Paris, indem auf diefer für Frankreich echten 
e durchaus nur Stüde zur Auffuͤhrung kommen, die ſich in ihrer 
r von bes Nation anetlannte Trefflichkeit vor dem Schwarme von 
auszeichnen, mit welchen die Eleiner Bühnen des Landes jährlich, 
wöchentlich, gerade wie bei und, überflutet werden. Daher fommt 
daß das Mepertoire dieſes Theaters ein völlig feſtſtehendes ift und 
sach heutzutage unverrüdt in ihrer Würde die Meifterwerke glaͤn⸗ 
we Zeit Ludwigs XIV., wo ſich in Ftankreich die Kunft zu ihrer 
num erften Male ans Licht traten. — Die Tragöbien eines Corneille, 
Boltaire und die Luftfpiele (haute comcdie) eines Moliere finden 
auf allen wöchentlichen Austheilungen dieſes Theaters, und die 
ſerer Zeit fehen dieſe Stüde, obgleich fchon oft von ihnen gefehen, 
Neber mit derfelben Bewunderung, mit welcher ihre, in vielfacher 
nz von ihnen verfchiedenen Vorfahren fie vor 50, 100 und 1505. 
zoch Sinn und Geſchmack für Neueres verloren zu baden. Aber 
sch aufdem Théatre francais nur dann ein neues Stud gegeben, 
ik, in die Meihe der dltern, von der Nation als claſſiſch anerkann⸗ 
Forasmmen zu werben. Aus diefer Strenge entfpringt die gute 
I allem bunten Treiben ber Heinern Bühnen, der Hauptftabt ſowol 
gen, eine durch ihr Mepertoire und ihre Leiftungen clafjifch begrün- 
uhne bleibt, die, wie der Compaß, unverruͤckt den Punkt feithält, 
im der Kunſt gefleuert werben muß, falls nicht das ganze Treiben 


206 Repertoire 


und Thun ein lofe® und zerfplittertes werben fol. — "Eine Normalbäl 
Frankreich, kann Deutfchland ſchon darum nicht haben, weil es Feine ei 
Dauptftadt hat, in welcher fich, wie in Frankreich, ziemlid, Alles, was au 
net in Kunft und Wiffen ift, vereinigt; dahingegen bie verfchiebenen | 
Deutſchlands in einer Art von Zerfplitterung und Vereinzelung baftchn 
Deutfches Theater.) Ein Hauptübel, welches außerdem noch diel 
cität der Repertoires faft aller deutfchen Bühnen bewirkt, if theils die a 
Stellung der mehrften Theater an fich, theils der unter dem deutſchen A 
vorherrfchende Hang nad) immer Neuem. „Die Kunft geht nad) Brot”, 
fen wenigen Worten liegt bie ganze Enthüllung des Geheimniſſes, warum 
in Deutfchland faft überall, teog mancher finnvollen, ernften Überfchriftd 
Portalen der Theater, und trog den häufigen Mahnungen der Kritik, Die 
toice® fo gemifcht und das Worübergehende und Behaltlofe darin fo vocht 
iſt. Was bei einigen Bühnen eine durch die Noth gebotene Rüdficht auft 
bewirkt, bewirkt bei andern, die in Hinficht ihrer oͤbonomiſchen Rage ed 
Dedung haben, ebenfo oft das Verkennen bes eigentlich höhern Zud 
Bühne. Durch beides ift nun das beutfche Theater dahin gekommen, d 
Allgemeinen kaum mehr einen höhern Anſpruch machen kann als den, di 
vertreibungsanftalt zu fein, gut genug, um einen gefhäftsleeren Abend a 
im. Daß diefer Zuſtand aber nicht erſt feit heute und geftern, ober feit 
ruͤckziehen unferer größten deamatifchen Dichter von dem Trelben der 
Göthe 3. B. vom weimarifhen) eingetreten ift, bemeift ſich fchon d 
Göthe bereits 1802, in einem Auffage im weimarifchen „Modejou 
dem Wunſch gebrungen fühlte: „es möchten endlich einmal bei ung, 
Franzofen, Engländern, Spaniern und Stalienern, fich die Werke unf 
Dichter auf den Bühnen feftftellen, damit auch unfere Theaterrepert 
den Anblid gewährten, den die jener Nationen gewähren, und damit 
ftärker anflutenden Schlechten und Lofen ein Damm des guten Gef 
gegengeftellt würde”. Leider ift diefer Wunſch ein fogenannter fro 
ben, und es bedarf nur eines Blickes auf das feit mehren Jahren v 
(Theodor Hell) in Dresden herausgeg. „Tagebuch der deutſchen Bühnen‘ 
‚ Verzeichniß der auf den bedeutendflen Theatern Deutfchlande monatlid) au 
ten Stüde), um ſich zu überzeugen, daß in biefer Dinficht faft überall D 
von bem Schlechten, das Gediegene von dem Lofen ımb bloß auf den | 
Berechneten bei weiten uͤberwogen wirb, und daß das Streben der meiſte 
tionen weit mehr auf die durch den Drang der Umftände gebotene Fuͤl 
Seckels (jegt wegen bes unverhältnigmäßig geftiegenen Gagenetats ber 
fpieler um fo nöthiger) und auf Antodung der Maffe als auf Erreichn 
wahren Kunſtzweckes gerichtet iſt. überhaupt machten hiervon nur ſehr 
Bühnen periodiſch eine ehrenwerthe Ausnahme, z. B. die weimariſche, 
Goͤthe ihr vorſtand und Schiller darauf wirkte, und die Hamburger und 
in einzelnen Zeitpunkten. Dennoch ift gerade unfere bramatifche Literatur 
trefflichen dramat. Werten. Sie befigt nicht nur felbft eine Anzahl bram 
Dichterwerke aus ben verfchiedenften Gattungen, die ſich kuͤhn mit dem 
zufammenftellen koͤnnen, was andre Länder und Zeiten hervorbrachten, 
hat auch faft Alles gefammelt und übertragen, toas das Ausland Schönel 
brachte. — Daß übrigens das Treiben der mehrften deutfchen Bühnen, ! 
Aufführung zu bringen, was nur die Neugier lockt und die Schauluſt be 
fie den Augenblick befriedigt, und darüber da8 Gute und die Kunft Körden 
anzufegen, nicht noch mehr umfichgreife und hierdurch am Ende zaͤn 
Standpunkt verrudt werde, den das Theater als Kunftanftalt einnehe 
welche beftimmt ift, Dasjenige zur lebendigen Anſchauung zu bringen, ! 


Repetitionskreis Reproduction 207 


asgezeichnetſten in einſamen Stunden Wuͤrdiges und Schoͤnes her⸗ 
dies muß dermalen Gegenſtand und Zweck der Kritik fein, die aber, 
ewirten, fich freilich auc, ganz anders geflalten muß, als wie fie jest 
em Tagebiättern finden, wo fie entweder als bienftbare, der Hiftrio- 
deihrauch fireuende Magd, oder als eine Urt animal mordax auf: 
nur am Wege lauert, um alle6 Vorüberziehende mit giftigem Zahne 


titionskreis, f. Wieberholungskreis. 

kfentanten u.f.w., f. Volksvertreter und Stände. 
:ffalien, zuruͤckwirkende, gewaltfame und drüdende Maßregeln, 
er Drud. Wenn ein Staat ſich gegen die Unterthanen eine® andern 
feiten erlaubt, fo braucht der in feinem liebe beleidigte Staat Re⸗ 
em er an den in feiner Gewalt ſich befindenden Unterthanen bes: bes 
raate ein Gleiches übt. In Kriegszeiten wird diefe traurige Maß⸗ 
ich mandymal nothwendig fein mag, immer aber auf der Wagfchale 
d Menſchlichkeit verworfen werben wird, erfoderlichen Falls an ben 
em Eigenthum der gegenfeitigen Unterthanen, feltener in unfern Zei⸗ 
erſonen berfelben ausgehbt. Im mweitern Sinn ift Retorfion mit 
zleichbedeutend; im engen Sinne aber ift Retorfion überhaupt Er: 
er nadhtheiligen Dandlungsweife gegen Denjenigen, der fle zuerfl ans 
Ibefonbere bezieht fie fid) auf Privatfachen, welche das Wohl des gans 
bt betreffen, mit einem Worte, fie ift civitiftifch, und es braudıt bei 
ı einer eigentlichen Rechtöverlegung die Rede zu fein, wie z. B. bei 
®. Dagegen beftehen bie Repreffalien im engern Sinn In der Aus: 
vangsrechts durch Zuruͤckhaltung ber einem andern Volke angehoͤri⸗ 
ber Derfon, und fegen als eine Art Seibftpfändung zum Behufe des 
ed oder der Genugthuung Verlegung vollkommener Verbindlichkei⸗ 
Sie find folglich mehr publiciftifh. Jene fcheint ferner nur durch 
berfelben Handlungsweife, diefe auch durch eine ftellvertretende voll 
un. . . a 
oduction, Wiedererzeugung, wurde zuerft gebraucht von der Ers 
‚thierifchen Körper, wobei die zerftörten oder verlegten Theile wieder 
m, und dann wol auh Regeneration genannt. Diefe Art- der 
ı findet ſich vorzuͤglich in ben niedern Thierclaffen fehr Eräftig: dem 
wachſen bie Scheren. und Süße wieder, wenn er fie verloren hat; in 
bierclaffen ift die Regeneration fo Eräftig nicht, denn ganze Glieder, 
sehen, erzeugen fich nie wieder, ja die nur einigermaßen zufammenges 
ıe, wie Arterien, Denen, Muskeln, Knochen, Nerven, beſitzen diefe 
mr in geringem Grade. Iſt eins von ihnen ganz verloren gegangen, 
an gar keine Wiedererzeugung beffelben; find aber Theile deffelben 
n oder durch Brand, Citerung u. f. w. zerftört worden, fo erzeugt fich 
henraume eine neue Maffe, die der zerflörten zwar ähnlich ift, auf 
fe wirkt, aber nie gänzlich identifch wird. Daher kommt es, daß eine 
erletzung für immer zurüdbleibt, die, wenn fie auf der Aufern Haut 
Larbe genannt wird. Auf eine ähnliche Art entſteht der Gallus an 
knochen. Vollkommen reprobucirt fic) nur das Zellgewebe und das 
t (eutieula, epidermis), wo man feine Spur einer dagewefenen Vers 
ten Bann, wenn die Wunde geheilt ift. — In neuern Zeiten hat der 
Reproduction mehr Ausdehnung und eine ganz andre Bedeutung er- 
u bemerfte nämlich), daß auf verfchiedene Weife fortwährend eine große 
Btoffen aus dem organifchen Körper ausgefondert wird und für ihn 
‚ und daß es dagegen viele Bunctionen gibt, die diefe verloren gegam: 


208 Reproduction 


genen Theile wieder erfegen und fo einer fchnellen Aufreibung und Verzehe 
Körpers vorbeugen. Die Functionen nun, vermittelft deren Beides geſchich 
man unter dem allgemeinen Begriffe von Reproduction zufammen, & 
Syſtem von Organen, die auf die angegebene Weife wirken, wird Reyg 
tionsfuflem genannt. Der Begriff der Reproduction faßt daher ale 
Galen funotiones naturales genannten Verrichtungen, ja au zum I 
fanetiones vitales in ſich und wurde von ben neueften Phnfiologen zu d 
Brundfunctionen erhoben, deren man nur drei am thieriichen Körper 
naͤmlich die Reproduction, die Seritabilität (Beweglichkeit, f. Reizb 
Empfindlichkeit (f. Senfibilität). Wenn die beiden legten ſich 
die Zeit beziehen, fo geht die erſte vorzugsweiſe auf den Raum, ben fie 
in feiner Mifchung erhält; wenn baher Reigbarkeit und Empfindlichkeit 
zu fein fcheinen, fo ift die Neprobuction mehr hemifch, denn durch Diifi 
kann etwas DRaterielles fich bilden und in der Mifchung nur beftehen. -. 
haben bie beiden andern Srundfunctionen, bie Irritabilitaͤt und Senfib 
die einzelnen Sunctionen, in denen fie ſich dufern, einen ſehr bedeu 
auf die Reproduction, und e& wird derfelbe theils durdy die Bewegung 
oder eigenthuͤmlichen Muskelfibern in den teproductiven Organen, von 
Seritabitität, theils durch die Merven, die in jedem Organe ſich befubg 
Seiten der Senfibilität vermittelt, und er ift fo bedeutend, daß ohne 
terding® Feine reproductive Function vorfichgehen kann. Daher ko 
nicht nad) den gewöhnlichen chemifchen Affinitätsgefegen die Mifch 
organifhen Körptr vorzugehen fcheinen, fondern es muß für biefen ei 
VBermandtfchaftsgefege geben. Aus demfelben Grunde iſt es erklaͤrli 
nicht im Stande find, auch nur einen einzigen organifchen Theil bu 
Verbindung hervorzubringen, wenn auch die nähern und entferntern 
unſern Chemikern noch fo befannt zu fein fcheinen. Und endlich muß eg 
felhen Einfluffe abgeleitet werden, daß bie Beftandtheile der einzelnen 

und organifchen Theile fo wenig von einander abweichen und doch eine- 
ordentliche Verfchiedenheit in Hinſicht auf ihre Geftalt, ihre anne. 














Verrichtungen nicht zu verfennen if. _ Soll aber irgend Etwas wieder 94 
den, fo kann dies nicht geſchehen, ohne neuen Stoff dazu zu erhalten; "4 
zum Theil verbraucht, verändert, vermindert worden, und aus Nichte. Mg. 
das Leben nichts machen. Daher befteht die Reproduction in einer A 
Umwandlung von Außen aufgenommener Stoffe, die unter dem 
Speife und Getraͤnk in den Körper gebracht unb durch eine Menge re 
Zunctionen in eine gleichmäßig gemifchte Maſſe vereinigt werden, aus 
dann durch eine neue Umwandlung fehr verfchiedene Theile bilden. — 
rat von Organen, durch den dies gefchieht, ift bei verfchiebenen Thierc 
verfchieben, bei den niedern ſehr einfach, zufammengefegter bei den h 
dem Menfchen am künftlichfien. (Val. Verdauung.) Schon auf 
dauung aͤußert die Srritabilität und Senfibilität bedeutenden Einfluß; - 
die ganze Bewegung durch bie erſte vor, und wird bod) auch diefe Pa, 
erfte vermittelt. Ja, auch der Hunger, das Gefühl des Beduͤrfniſſes deu 
ift ein Act der Senfibilität, und die Aufnahme ift bei dem freien Menfdg 
der Willkuͤr anheimgeftellt, ebenfowie die Auswahl unter ben einzelnen, 
und Getränken. Je mehr aber bei dieſem Acte die Senjibilität und Jerh 
Empfindung und Bewegung, fid) vorherrfchend dußern, befto mehr tritt If 
liche veprobuctive und chemifhe Wirkungsart in den Hintergrund. ZU 
auch im Munde fchon eine Wermifchung der Speifen mit Speichel vor, 
wird mehr eine Vermengung als eigentliche Miſchung ober chemifche AM 
gumg, wie dies der Augenfchrin klar genug zeigt. Diefe Wirkungemel] 


Reproduction | 209 


ie Oberhand im Magen und Darmcanale,. wie fhon Spallanzani’s 
erſuche beweifen, der Stuͤcke Fleiſch, Früchte u. ſ. w. in metallene oder 
fein mit durchloͤcherten Seitenwaͤnden legte, fie von Thieren mit haͤu⸗ 
n verſchlucken ließ und bei der Wiederherausnahme die Speifen fehr 
m Theil verdaut fand. - Die Ktüffigkeit, die eine ſolche Aufloͤſung 
fl der Chymus (Mlagenfaft), der in großer Menge von den Magen: 
den Gefäßen abgeſchieden wird und die zermalmten Speifen durd)- 
ufloͤſt. Aus dem Magen gelangt diefe Auflöfung durch den Pylorus 
ffingerdarm, um vorzüglic durch Mifchung noch bedeutendere Ver: 
zu erleiden. (S. Salle und Verdauung.) Hier tragen ber 
ı und der pankreatifche Saft, die auf ähnliche Weife wie der Speichel 
aft wirken und zur weitern Verähnlichung das Ihrige beitragen, und 
czuͤglich viel zur Zerfegung bei, wodurch der Chylus (Milchſaft) ab: 
ird. Diefe Fluͤſſigkeit wird nun von den zahllofen Anfängen der fo: 
Rilchgefäße, die hier in ber Höhle des Darmcanals hervorragen, auf: 
b das lihrigbleibende bewegt fich in bem Darmcanale immer weiter, 
dien Darm gelangt. Aller aufgefogene Chylus geht in den Milch: 
en Gekrösdrüfen, fammelt ſich endlich in einem allgemeinen Behälter 
ayli), der in der Gegend des dritten Lendenmwirbelheines dicht hinter 
u liegen pflegt, und ergieft fich. in das Blutaderſyſtem. Mit dem 
vermischt, geht er aus dem Herzen nach den Lungen, wird dafelbft 
wirkung der atmofphärifchen Luft zu dem Charakter des arteriellen 
ben und kehrt als folche® zum Derzen zurüd, von welchem das Blut 
terien in den ganzen Körper verbreitet roird. Hier gehen neue chemiſch⸗ 
leränderimgen mit bemfelben vor, bie ſich in zwei Claſſen vereinigen 
lich in die Ernährung und Abfonderung. Durch die erfte werden fefte, 
ve fluͤſſige Theile aus dem Blute gebildet; bie erfte erhält die ſaͤmmt⸗ 
w in ihrem Gefüge, Bau, in ihrer Mifchung und Korm, und vermit: 
je zu verfennenden Einfluß der Reproduction auf Senfibilität und Ir⸗ 
zie andre erzeugt Siäffigkeiten, die bald auf eine beftimmte Weife in 
e organifchen, vorzüglich reproductiven Verrichtungen eingreifen, bald 
; vorwaltenden Beftandtheil, der in zu großer Menge fchädlich fein 
eeren (Ercretion). (S. Ernährung.) In beiden wird nicht alles 
acht; das übrige fammelt ſich in den Venen an, bie endlich in dem 
umenfließen ; und es bleiben auch endlich weder in den Organen bie 
Theile angehäuft, noch auch die abgefonderten Fluͤſſigkeiten unver: 
ern amf beide wirken die Enden des Inmphatifhen Gefaͤßſyſtems auf 
Weiſe wie auf den Chylus, fie faugen ein, bilden daraus die Xnmphe 
ie in das Venenblut über. — Das ift der große Kreis der reproductis 
wen, der den Körper in feiner Mifchung und alfo gefund erhält und 
chwendige Bedingung des Lebens ausmacht, denn es gibt nicht eine 
tion, die den Einfluß der Neproduction nicht erführe. Auch die Sen« 
Irritabilitaͤt müffen es geftatten, daß ihre eigenthümlichen Organe 
nährung erhalten, durch Einfangung wieder geftärft werden; fie be- 
felten aud) einzelner Abfonderungen, um fich dufern au Bönnen, fo 
Einnen. Endlich ftehen alle einzelnen reproductiven Sunctionen in 
Beziehung zur Senfibilität vorzitglich, und durch diefe auch zur Irri⸗ 
ber leiden diefe beiden Sunctionen in Krankheiten der erftern. Wenn 
lied in der gefchloffenen Kette der reproductiven Function leidet, muͤſ⸗ 
en und das aunze Spyſtem mit leiden; da ferner die reproductiven 
auch ihrerfeits einen fehr bedeutenden Einfluß auf die übrigen Func— 
dich auf die der Bewegung und Empfindung, Srritabilität und Sen: 
Eiebente Aufl. Bb. IX. 14 


210 Reproduction 


fibitität, haben, fo folgt natürlich, daß auch diefe durch die Krankheiten bera 
angegriffen werben; ja eine Menge von irritabeln und fenfibeln Krankheiten! 
ihren offenbaren Urfprung in der Reproduction, z. B. die Verzuckungen, Ep 
von Würmern, viele Fieber von Unterleibsftörungen. Ebenſo wirken «ba 
die urſpruͤnglich fenfibeln und irritabeln Krankheiten nachtheilig auf die Ray 
tion und bringen wieder mandherlei Störungen hervor, die al® Zeichen jener | 
beiten erfcheinen, wie fich in der Abmagerung, Unluft zum Effen, fchlechtug 
dauung, die beinahe in jedem Sieber und jeder fieberhaften Krankheit bey 
find, zeigt. Wenn daher von Krankheiten der Reproduction gefprochen 
heißt dies nicht weiter, al& es leide in ihnen die Reproduction ober eine i 
tionen ganz vorzüglich, diefe fei als die Urfache ber Zufälle anzufehen. 
Urſachen der Leiden der Reproduction ift der Mangel an Speife und 
Erſte, was und aufſtoͤßt. Iſt er plöglich eintretend und mangelt es irgenbi 
Individuum gänzlich daran, fo entfteht der flicchterliche Hungertob nad m 
Tagen unter nervoͤſen Zufällen, nicht felten audy von Entzündung und Auf 
des Magens begleitet. Fehlt es dagegen uns nad) und nad) an Speifen, f 
ftehen hektifche Sieber und auszehrende, auch wol organifche Fehler der Untn 
organe. Viel häufiger erfcheint aber der Genuß zu vieler, oder nicht guigg 
für den individuellen Zuftand nicht paffender Speifen als Urfache von Sg 
in den Reproductiondorganen. Gegen die erfte Sünde diefer Art verwa 
die Natur von felhft, indem das Unpaffende für die Verdauung durch frei 
Erbrechen wieder ausgeworfen wird. Dat aber der Körper Kräfte genug, 
man bdiefe fuftematifch, indem man zu viel effen lernt, und kommt noch 
Bewegung dazu, fo entfleht der Anſatz zu vielen Fettes (Polpfarcia 
Sind dagegen die Kräfte nicht ausreichend, fo entftehen langwierige TR 
Unterleibsorgane, vorzüglich Störung in den Abfonderungen berfelben, 
kann durch diefe Mittelglieder fogar ein abgezehrter Zuftand durch zu viel] 
hervorgebracht werden. Insbeſondere find es die vegetabilifchen Nah 
bie gern Säure in den erften Wegen hervorbringen und die Schleimabferg 
hindern; thierifche Nahrungsmittel begünftigen dagegen mehr bie F 
fie die Gallenabfonderung vorzüglic, ftören; fette Speifen erzeugen bie 
Settfäure, die fich durch Sodbrennen, Efel u. f. w. zu erkennen gibt. 
fen Urfachen koͤnnen auch alle andre Krankheitsurfachen, die allgemein @ 
‚Körper wirken, ja eine Menge andrer Krankheiten felbft, Weranlaffung zud 
beiten der Meprobuction werden. Die Krankheiten der Reproductionsorgeg 
theils folche, die auch andre Organe befallen können, theild eigenthuͤmlich 
den erften gehören vorzüglicy die Entzündung und deren Ausgänge, Were 
Verhärtung, Verwachſung, Ausfhwigung, Brand. Allein auch biefe Auf 
deßwegen eigenthuͤmlich, weil fie die Sunctionen des Reproductionsſyſta 
ändern. In eben diefen abgeänderten Sunctionen beruht auch das Weſen 
genthuͤmlichen Reproductionskrankheiten, die wir jest betrachten wollen. - 
Munde wird das Kauen burch Fehler der Zähne, durch Entzuͤndung und R 
rung, Verwundung und Krebs der Zunge, durch Geſchwuͤre oder Anſchwel 
vorzüglich auch durch Speichelfluß, endlich) durch Krampf (triemue) ober & 
der Kaumusfeln gehindert, das Schluden aber durch Entzündung In ber 8 
böhle, Verwachſung oder Erampfhafte Verengerung der Speiferöhre erfchmwen 
es müffen daher die angegebenen Folgen der zu geringen Menge von Nah 
mitteln entflehen; wenn dagegen, wie im Speichelfluf und in der Mundfkı 
Abfenderung in diefen Theilen krank ift, fo muß die Worverdauung und bei 
auch die eigentliche Werdauung in Hinſicht auf Mifchung leiden, daher in 

nannten Krankheiten Unterleibsbefchmwerden fo gemöhnlich find. Auch I 
Magen und Darmennale Einnen eine Menge Störungen ftatthaben, und | 





















Reproduction 211 


y auf die reprobuctiven Functionen ganz vorzuglid ein, fie mögen nun 
liege, die Srritabilität oder die Reproduction in bemfelben afficiren. 
mung und Unterleib.) Sowol durch die krankhaften Affectionen 
itäe im Darmcanale ald aud) urfprünglicy durch das Leiden der abfon= 
‚ane müflen die Abfonderungen abgeändert werden, und es gehen dies 
m zu großer oder zu geringer Menge, balb in regelwidriger Mifchung 
Der Magenfaft ſcheint bald zu fauer, bald zu allalifch zu werben; 
her iſt es Die Galle und der Darmſchleim, die häufig Prankhafte Erſchei⸗ 
atbümlicher Art hervorbringen und die bisweilen in hohem Grade ents 
nen. Die Schler derfelben wirken nun nicht nur auf die Bewegung 
dung des Darmcanald ein, fonbern fie müffen auch ganz vorzüglich die 
er Stoffe in demfelben abändern. Und darin kommen am Ende alle 
ankheiten des Darmcanals mit einander überein, daß fie die Miſchung 
‘angehen ; diefer muß dann aber auf vielfache Weife krankhafte Zus 
wingen, und er theilt diefelben dem ganzen Körper auf verfchiebenen 
Wie die Stoffe verfchieben find, die fidy in dem Darmcanale ans 
[md auch die dadurch erregten Zufälle anders. Die Würmer haben 
imlichen Zeichen ; andre gewährt die Anhäufung von Schleim, Galle, 
u.f.w. Iſt denn nun aber ber Chymus aus irgend einer Urfache 
R entweder die Miſchung deffelben fehlerhaft, und wird er zu langfam 
ell fortbemegt, findet er ſich in zu großer oder zu geringer Menge in 
anal vor, fo muß dies Alles nachtheilig auf die Bereitung des Chylus 
nd es kann unmöglich In einem diefer File ein guter Chylus abgefons 
‚ So Bann bie fernere Bearbeitung beffelben in den Lymphgefaͤßen 
durch Krankheiten diefer Theile, ferner die Blutbereitung durdy Krank⸗ 
mgen fehlerhaft werden, wodurch wieder mancdherlei Fehler der Ernaͤh⸗ 
bfondberungen entſtehen. Doch find die leßtern nicht von bem Blute 
iten, fondern auch bier wirken mehre andre Umftände mit, naͤmlich die 
die das Nervenſyſtem auch auf diefe Function unmittelbar ausübt, der 
‘ Einfluß andrer Organe, bie eigenthuͤmlich⸗ reproductive Thaͤtigkeit 
zane, das ernaͤhrt werden oder in dem die Abſonderung geſchehen ſoll, 
uch Die entgegengeſetzte Thaͤtigkeit des lymphatiſchen und venoͤſen Ges 
Iſt einer von dieſen Umſtaͤnden krankhaft, ſo muß auch die Ernaͤh⸗ 
toffenen Theils oder die Abſonderung nicht nur Überhaupt krank wer⸗ 
mes mülffen daraus gerade die verſchiedenartigſten Krankheiten ent⸗ 
B. die Fettſucht, die Schwindfuchten, der Scharbod, bie 
Waſſerſucht, Strophen (f.d.), Rhachitis u.a.m. Wird 
ng an einzelnen Organen durch oͤrtlich einwirkende Urſachen auf irgend 
veftört, fo entflehen daher die örtlichen Fehler, die als Auflöfungen, 
aticnen befannt und fo haufig, und theild nach den verfchiedenen lei: 
men, theild nad) den einzelnen Urfachen fo höchft mannigfaltig und 
tig find, daß fich eine befondere Wiffenfchaft, die patholegifche Ana⸗ 
Kuffinden derfelben zum eigenthiimlichen Zwecke gemacht hat. Auch 
Abfonderungen find häufig frank, und fie kommen darin mit einander 
; fie entweder in zu großer oder in zu geringer Menge, oder endlich in 
Miſchung venitattengehen. In dem Ausführungsapparate einiger 
ol auch fleinige Anfäge, die zu eigenthiimlichen Krankheiten werden, 
Urinmegen, den Gallenwegen und den Ausführungegingen der Spei- 
Aber auch diefe örtlichen Fehler wirken in dem gefchloffenen Kreife ber 
and Organe nad allen Seiten in jeder Richtung nachtheilig ein und 
zuͤglich wenn jie edlere Organe betreffen, oft genug Urfachen großer 

ı und endlich des Todes. 

14* 


212 Republik 


Republik wird gewoͤhnlich durch Freiſtaat überfegt, obgleich es Ra 
fen gegeben hat, die Nichts weniger als Freiſtaaten waren, indem fie feine die‘ 
heit des Volks ficherftellende Verfaffungs: und Verwaltungsform hatten, nd 
ehemaligen Republiten Polen, Venedig und einige Ariftofratien der beiued 
Eidgenoſſenſchaft. Uberhaupt wird die Republit der Monarchie (f.d.)4 
gengefegt, inwiefern in jener Mehre die höchfte Gewalt befisen und darſtelle 
diefer nur Einer. Sind jene Mehren die Volksgemeinde, die Volksverſamm 
tele in den alten griech. Freiſtaaten und in einigen Schmeizercantonen, oN 
Bolkövertreter, wie in Frankreich zur Zeit der Gonventsregierung und in 
duch, ein Wahlgeſetz geordneten Mepräfentativ:Freiftaaten, fo heißt die 
eine Demokratie (f.d.); find aber nur gewiſſe Gefchlechter (die O 
in dem erblichen Beſitze der höchften Gewalt, fo heißt fie eine Ariftotratie 
Jene kann ausarten in eine Ocylofratie (f.d.), beide in eine Dlige 
(f. d.). Repraͤſentativ- und Köderativftaaten (f. d.) fielen or 
tepublitanifche und monarchifche Formen vereinigt bar. Weine Republlken 
fallen nur zu oft in anardhifche Zerrüittung, als daß ihe Dafein wünfhenf 
wire. Nehmen mir daher lieber das Wort Republik im Sinne der Altn, 4 
res publica, als das Gemeinmefen des Buͤrgerthums. Hiernach beden 
einen Staat, deſſen Verfaſſungs- und Verwaltungsformen jeden Einzein 
Staate zu der überzeugung fuͤhren koͤnnen, daß er ein Vaterland habe, d. 
unter dem Schutze des Rechts ſtehende Heimath, in welcher und fuͤr we 
Menſch und Bürger zu leben und zu ſterben wuͤnſchen muß. In dieſem 
kann und ſoll auch ſelbſt die uneingeſchraͤnkte Monarchie wenigſtens eine 
niſche Verwaltung haben, d. i. eine ſolche, die in jedem Unterthan den 
freien Bürger anerkennt und das Ganze unter das Gefes ftellt, jeden 
aber gleich gefegmäßig behanbelt. — Bon jeher haben die Völker das 
einer folhen Regierung gefühlt und durch Verfaſſungsgeſetze eine repubiill 
Verwaltungsform zu erlangen gefucht; auch haben wahrhaft große Her 
einer volksthuͤmlichen Stantsverwaltung den Grund ihrer Macht und nn 4 










erkannt. Dagegen aber hat in feiner Monarchie die Verwaltung jenen 
freien, gefeßmäßigen Charakter annehmen Eönnen, wo zwiſchen dem Th 
dem Volke eine Ariftofratie, d. h. eine mit ber obern Verwaltung ausfchließd 
vorrechtete Familienkaſte beftand, die, ebenfo eiferfüchtig gegen das Volk ale 
den Thron, nur in der Fortdauer Ihrer Vorrechte das Heil des Ganzen ſah 
die Häupter ber Sronde unter Ludwig XIV. und mie die Ultra ber neueſte 
Diefe durch die Gefchichte ſowol der römifchen Republik als auch ber ital. RU 
fen des Mittelalters und der germanifchen Seubalftaaten beftätigte Wahrheit 
fertigt dad Verlangen der Völker nach freifinnigen Verfaffungsgefegen, weil 
lein der Verwaltung des Staats den Charakter eines Gemeinweſens — ein 
publit — geben und die ariftofratifcye Gewalt da, wo fie (mie in der Adels 
Pairskammer) vorhanden ift, durch ein demokratiſches Gegengewicht (du 
gewählte Abgeordnete aus dem Volke) mäfigen Einnen. Denn in den m 
ſchraͤnkten Monarchien und in den Feudalſtaaten gibt e8 Bein andres Mittel, 
Gemeinwefen im Staate herzuftellen, als die Perfönlichkeit des Monarch 
die Dadurch zum Theil mit bedingte Perfönlidskeit ber höhern Staatsbeamten 
nun dieſe Perfönlichkeit groͤßtentheils das Ergebniß ihrer Erziehung und Fi 
bildung ift, fo folgt, daß diefe in feinem Falle ultraronaliftifh, nicht einmal 
hftifch, noch weniger ariftofratifch fein darf, fondern daß fie republikanifi 
rauß. Go gab die Eluge Katharina ihrem Enkel Alexander den Republilan 
harpe zum Erzieher, obne zu fuͤrchten, daß der Eünftige Selbftherrfcher aller 
fen dadurch falſche Anfichten von der Regierungskunſt erhalten möchte. M 
innere fi) dagegen an die Folgen der reinronaliftifchen Erziehung Karls 


Repulſebai Reservatio mentalis 218 


md der Könige von Spanien ſeit Philipps II. Zeit, ſowie im Gegenſatze 
aihung eines Chatam, Bernftorff u. U. — Möchten daher doch alle 
m und Miniiter wahrhafte Republikaner fein, dann würde man weber 
[he Ausfchmweifungen noch ariftofratifche Mißbraͤuche zu fürchten baben, 
mrubige DBerlangen der Völker nad) republikanifcher Freiheit würde von 
um. — Was wir hier republifanifche Erziehung der Prinzen und des 
is welchem gewöhnlich die höhern Stellen im Staate befegt werben, ges 
en, iſt in einem freigeorbneten Staate, wie in England, Frankreich, den 
Im und Schweden, fogar unerlaͤßliche Bedingung, wenn man den Thron 
zerfaſſung, d. i. den Staat, nicht muthwillig in revolutionnaire Gefahr 
W. Sn Deutſchland haben bisher noch die Univerſitaͤten durch eine mit 
freiheit allen Eünftigen Staatsbeamten gleichmäßig ertheilte Unterweis 
biloiophie, Geſchichte, Politik, Nechtsfunde und Nationalökonomie jenen 
iſchen d. h. auf das Gemeinweſen des Buͤrgerthums gerichteten Sinn 
Fuͤrſtenſoͤhnen und Edelleuten zu erwecken gewußt. 
pulſebai, ſ. Nordpolerpeditionen. 
quetenmeiſter, Maitre des requêtes, Staatsbeamte, welche 
m Parlament eingereichten Bittſchriften (requetes) durchzugehen und 
de zu bringen verpflichtet waren. Seit dem kaiſerl. Decret vom 11. 
6 jmd Requetenmeiſter in unbeſtimmter Anzahl dem franz. Staatsrathe 
ordentlichen ald außerordentlichen Dienfte beigeorbnet; diefelben neh⸗ 
Staatsrathe nach den Staatsrüthen Sit und haben die Berichterftattung 
en fireitigen Angelegenheiten, worhber der Staatsrath fpricht, ausge⸗ 
Kejenigen, welche die Liquidation der Öffentlichen Schuld und die Natios 
wn betreffen. Die Requetenmeifter Eönnen an der Berathung aller vor 
Keith gebrachten Sachen Antheil nehmen, und in flreitigen Angelegens 
bdie Stimme des Berichterſtatters mitgezählt; übrigens find die Func⸗ 
kißen mit allen andern, die ihnen vom Staatsoberhaupte Übertragen 
iträglich. K.M. 
miem, in der römifchstathol. Kirche, eine feierliche muftkalifche See: 
De zu Ehren eines Verftorbenen gehalten wird und mit den Worten: 
aeternam dona eis etc. anfängt. (S. Erequien) Mozart’s, os 
dinter's, Cherubini's, Neukomm's Compofitionen diefer Art find bes 


ſriſitiion mar urfprünglich jede bittende Auffoderung von Seiten 
Behoͤrden, Civil: oder Milltairbeamten zu Darbringung von Mits 
sen bas Gemeinwohl betreffenden Zweck. Gerichtliche Requifitionen, 
Kuffuchung und Auslieferung von Verbrechern, Abhörung von Zeugen 
I täglich flatt, und gefchehen entweder durdy Bekanntmachungen und 
sgen in Öffentlichen Blättern, ober durch fchriftliche oder mündliche, an 
mte Derfon oder Behörde gerichtete Gefuche und Auffoderungen, wobei 
irende fidy gewöhnlich zur Gegenteiftung ähnlicher Hülfe (ad reciproca 
Ra juris) verpflichtet. — Militairifhe Requifitionen, melde 
g und Lieferung von Mitteln zur Erhaltung unb Kortbringung eines 
es sum Zweck haben, kennen wir in Deutſchland zur Genuͤge. (S. Mi: 
nomie.) 
mifitorialen, requisitoriales (sc. literae), beißen Requifitions: 
wodurch eine Obrigkeit eine andre um Vornehmung gerichtlidyer Hand: 
sht. (S.Requifition.) 
servatio mentalis, Gedankenvorbehalt, befteht darin, daß 
Berten, womit man etwas verfichert oder verfpricht, in feinen Gedan- 
re Bedeutung oder Yurdlegung gibt, als ihnen Derjenige, gegen den die 


214 Referve Refonanz 


Verfiherung, das Verfprechen oder die Verpflichtung abgelegt wird, ihrem 
lichen Sinn nach geben kann, in der Abficht, diefen zu taͤuſchen. Diefer ( 
Eenvorbehalt, der mithin jebes Mal eine abfichtlicye Verlegung der Wahr] 
ſtreitet wider alle Moral. Dennocd war er und ift wahrſcheinlich noch 4 
den Sefuiten im weiteflen Umfange erlaubt. In den Werken des P. € 
findet fich darüber folgende Erklärung: „Es iſt erlaubt, zweideutige Ausdel 
gebrauchen und fie anders verfichen zu laſſen als man fie felbft verfteht. 
ann ſchwoͤren, etwas nicht gethan zu haben, was man doch wirklich getha 
wenn man nur babei denkt, daß man es nicht an diefem oder jenem . 
vor feiner Geburt gethban habe. Das if bei vielen Gelegenheiten Aberauß $ 
und allemal gerecht, wenn es zur Erhaltung der Gefundheit, der Ehre Mi 
Bermögens nöthig iſt“. J | 

Reſerve, Rüdbalt. Die Ökonomie ber Streitkräfte iſt ein 
wichtigſten Gegenftände der Kriegsführung. Im Allgemeinen zerfallen fü 
Theile. Der erfte ift beftimmt den Kampf vorzubereiten oder einzuleiten (} 
corps); der zweite ift der, welcher ihn zu beftehen hat (corps de batailli 
dritte endlich hat den Zweck die Kräfte zu erfegen, wo fie geſchwunden 
fhütterte Punkte zu unterftügen, bedroheten Punkten mehr Feſtigkeit zu! 
das verlorene Gleichgewicht wieberherzuftellen, im rechten Moment na 
die Entfcheibung herbeizuführen oder im Mißgeſchick den Untergang des 
abzuwenden. Diefe wichtige Beftimmung hat die Referve, und daher 
Heer bei feinen Operationen nicht allein einen tüchtigen Rüdhalt, ſondern 
fen auch bei jedem Gefecht bedeutender Maffen zuverläffige Truppen a 
- von bereit ftehen, um im vorfommenden Kalle verwendet werben zu koͤ 
Art und der Augenblick diefer Verwendung kann hoͤchſtens allgemeinen 
tertoorfen werben, aber nirgends bethätigt ſich das Genie des Feldhern mi 
bier. Napoleon In ben glänzendften Epochen feiner Friegerifchen Laufbahl 
von den Referven faft immer einen großartigen und erfolgreichen Gebrauch 
chen und wird hier noch lange lehrreic) bleiben. — Sm Ganzen moͤchte 
gelten: zur Reſerve die geprüfteften, tapferften Truppen zu wählen und fü 
den Befehl eines Führers zu ftellen, im deſſen Sndividualität die un 
lichſte Ruhe, ein freier, unbefangener Blick, gerrifte Erfahrung, aber and 
Entfchloffenheit im eintretmden Moment begründet find. Der befte Fuͤl 
nes Avantcorpe eignet fich oft am menigften zum Befehl über die Reſerve. 
muß die Reſerve ſtets fo zur Hanb gehalten werden, daß fie nicht der Wirkt 
Feindes außgefegt fei, aber nach allen Punkten ungehindert und in möglich 
fter Zeit und Richtung gelangen Eönne; endlich darf fie nicht zerfplittert, | 
muß für den Augenblick gefchont werden, wo fie unfehlbar nüßen, d. h. a 
der Macht des Feindes einen unuͤberwindlichen Strebepfeiler entgegenfteß 
mit nieberfchmetternder Gewalt feine Wirkſamkeit zerftören und feine Mi 
um jeden Preis erringen tann. Was Napoleon in diefer Hinficht mit fein 
lichen Garden leiftete, wie er fie immer erſt ins Gefecht brachte, wenn ber 
fein Spiel fhon gewonnen glaubte oder wo ein Gewaltftreid) entfcheiden 
zeigt die Gefchichte feiner Feldzuͤge. Sie zeigt aber auch bie Übeln 
welche jedes Mal entflanden, wenn die Reſerven unzweckmaͤßig und un 
verwendet wurden. 

Reſident, f. Sefandte. 

Reſonanz iſt der Forthall eines Klanges, hervorgebracht entwed 
das Anhalten der Schwingung oder durch ven Ruͤckprall, den der Ton an d 
tenwänden eines Inſtruments erhält. Der Refonanzboden an Saite 
menten, als Clavier, Geige u. dgl., ift daher von großen Einfluß aufde 
derſelben, und von feiner Güte und richtigen Bauart hängt die Güte bie 


Keſponſum Reſtauration 215 


befonberö ab, ba er es ift, der den auf den Saiten angefchlagenen Ton 
wiedertoͤnt (tefonirt). Er wird gewoͤhnlich von Tannenholz, das völ- 
vcknet und glatt fein muß, gemacht, und ber Bleinfte Riß oder Schaben 
wrändert oder verdirbt den Ton des Inſtruments. Man bat in hen 
ten in England ben Verſuch gemacht, den Nefonanzboben bei Forte⸗ 
Ikgein u. dgl. ſtatt mie bisher von Holz — ba biefeß in gemünfchter 
chalten oft ſchwer ift, und durch die nöthige Dünne leicht ſchadhaft 
on ſtarkem Pergament zu machen, doch hat man nicht die gewünfchte 
amit erreicht. Endlich hängt die Refonanz des Inſtruments oder einer 
ad von der Beſchaffenheit des Raumes ab, welchen fie erfüllen fol. 
iano bat um fo mehr Refonanz, je freier es fteht. 
yonfum, im Allgemeinen, jede ſchriftliche Antwort, welche eine Sf: 
ehoͤrde auf Anfragen von Privatperfonen als ſolchen ertheilt. Im ens 
i juriflifchen Sinne heißen diejenigen Decrete bes Richters Reſponſa, 
ıf den Antrag einer flreitenden Partei geanttvortet wird. In der Regel 
der Gegenpartei von Amts wegen in Abfchrift mitgetheilt werden. Ein 
ı, wodurch dem antragenben Theil zugleich etwas auferlegt wirb, heißt 
n per Refponfum. Durch Refponfa kann der Richter nur über ſolche 
be abfprechen, die nicht auf das Wefen der Rechtsſache felbft und deren 
ng Einfluß haben, z. B. er kann durch ein Refponfum der Partei aufs 
y zum Proceß oder auch zur Sache zu legitimiren, er kam fie an den 
na Richter verweifen, nicht aber kann er durch Refponfa eine Beweisfühs 
degen, oder gar in der Sache felbft entfcheiden. Letzteres muß durch 
bes Urtheil gefchehen. — Refponfa ober Gutachten nennt man auch 
Belehrungen oder Entfheibungen, welche von einem dazu beftellten 
gium, einer Facultät oder einem Schöppenfluhl, auf gefchehene Anfra⸗ 
tigen Fällen ertheilt werden. 
kauration (von restaurare, herftellen) ift die Derftellung einer 
en Zuſtand, den fie urſpruͤnglich hatte, ober ihrer Beflimmung nach has 
So reftaurirt täglich der Menſch durch Speife und Trank feine verlores 
ez daher ſetzte jener Speifewirth in Paris 1765 über feine Thür die 
Venite ad me omnes qui stomacho laboratis et ego restaurabo 
reftaurirt man ein Gemälde oder eine Bildfäule, Indem man das Ver⸗ 
Ffrifcht oder das Fehlende ergänzt. Kuͤnſtler, welche fich mit foldyer 
zuͤglich abgeben, heifen baher Reſtauratoren; dgl. find jest Pal 
meira u. 4. — Es wird aber jenes Wort auch in politifcher Bedeutung 
iedereinfegung einer Perfon, befonders eines entthronten Regenten oder 
tebenen regierenden Familie, in ihre vorigen Rechte gebraucht. So 
m die Ruͤckkehr der Stuarte auf ben großbritannifchen Thron (1660) 
well's Tode und fo nennt man die Ruͤckkehr der Bourbens (1814 u. 
den franz. Thron bie Reftauration derfeiben. Da aber viele Anhän= 
Jourbons meinten, diefe politifche Reftauration fei nicht vollftänbig, 
auch die alte franz. Monarchie mit allenihren Einrichtungen, beſonders 
ermaligen Privilegien des Adels, hergeftellt werde: fo ift daraus eine 
Partei entflanden, welche man politifhe Reſtaurateurs genannt hat. 
tei nennt man in Frankreich Ultraroyaliften, oder ſchlechtweg Ultras. 
iſt überhaupt Ruͤckkehr zum Alten. Nur find fie nicht darüber einig, 
von zuruͤckkehren folle, indem Einige fogar biß in die Zeiten des Mittel: 
ehren und den damals herrfchenden Feudalismus und Katholiciemus 
teen möchten. Wie unmöglich dies fei, muß jedem Unbefangenen 
einleuhten. Eben daher ift e8 aber gelommen, daß man das Wort 
en auch auf die Staatswiſſenſchaft felbfl bezogen und diefe dadurch zu 


216 Restitutio in integrum Retentionsrecht 


reſtauriren geſucht hat, daß man die neuere politiſche Theorie, von urſpruͤngl 
und unveräußerlihen Rechten der Menfchheit, von ber Freiheit und Gleig 
von der Souverainetät des Volks und vom bürgerlichen Grundvertrage 

verwarf, und dagegen die Ältere Theorie, vom göttlichen Rechte ber re] 





Erden und von der Gewalt ald einem fchon an ſich gültigen Principe ber 
(haft wieder hervorſuchte. ©. v. Haller's „Reftauration der Staatswiſſ 
(Winterthur 1816 fo.). 
Restitutio in integrum, MWiebereinfegung in den vorigen @& 
Wenn durch ein nad) firengem Recht gültiges Gefchäft, oder nad) den g 
chen Formen des gerichtlichen Verfahrens Jemand einen unverfchulbeten 
erleiden würde, fo geftattete der römifche Prätor unter gewiſſen Um 
Miederauflöfung eines folhen an ſich gültigen Gefchäfts, zunichft den SIE: 
jährigen, welche nad) beenbigter eigentlicher Zutel, aber vor dem 25. Jahre E: 
ein nachtheiliges Gefchäft eingelaffen hatten, den Abwefenden, Denen, ie}: 
Betrug oder Drohungen dazu betvogen worden waren, und bann Überhaupt, & 
ſich fonft eine gerechte Urfache dazu fände, si qua alia causajusta mihi 
tur (dies ift die clausula praetoris generalis, welche man neuerer IE: 
bloße Fälle der Abweſenheit befchränfen wollte). Die Bedingungen der M 
tion find immer 1) eim nicht ganz unbebeutender Schade (Läfion), weidheg: 
2) ohne eigne grobe Schulb erleiden würde, und fie muß 3) binnen 2%. 4 
werben. Diefe Reftitutionen kommen befonders in Proceſſen häufig vor 
Friſten und Formen verabfäumt worden find, und behauptet wird, dies 
die Nachläffigkeit der Sachwalter gefchehen. in befonderer Fall derfi 
wenn man fein-Necht wegen Mangeld an Beweismitteln verloren bat 
Zeugen ober Urkunden findet, von welchen man nichts wußte. Dies 
meiften Proceßordnungen zu, wenn die Angabe, daß man diefe Beweis 
jest aufgefunden babe, eiblich beftärft wird. In andern ProceBorbn 
chen die Reftitutionen eine Gattung der ordentlichen Nechtömittel aus. ; 
flitutionen überhaupt find ein unentbehrliches Mittel, die Härten des bloß 
len Rechts zu mildern, allein fie müffen in der Gefeggebung befonders 
ceffen nicht zu fehr erleichtert werden. Im franz. Rechte find wegen 
Zwangs u. f. w. Nullitaͤts- und Refciffionsklagen 10 3. lang zuläffig. 
ſtitutionsgeſuche gegen Entfcheidungen im Proceß heißen in Frankreich rei 
girile. 
Keftitutionsedict, f. Dreifigjähriger Krieg und $ 
nand IL. 

Retardat, verfpätete Geldabgaben, Zinfen, Gefälle, Unkoſten 
verzögerten Proceffes u. dgl. In Bergwerksangelegenheiten heißt Me 
her dasjenige bergrechtlicdhe Verfahren, wodurch ein Eigner oder Theiln 
einem Kuxe, ber feine Geldzufchüffe zu Betreibung bed Baues nicht zur gel 
Zeit einfenbdet, feines Antheils am Betriche des Ganzen verluftig geht. — Ri 
dbation, die Abnahme der Gefchwindigfeit eines bewegten Körpers, welche: 
befteht, daß diefer Körper in jedem folgenden gleichen Zeittheile einen kuͤrzern 
zurüdlegt, als in jebem vorhergehenden und endlich ganz aufhört, fich zu be 
Demnad) ift die Retarbation der Gegenfag der Befchleunigung und kann mi 
gleihförmig oder ungleichförmig -fein, je nachdem die retardirende ober be 
wegung entgegenwirkende Kraft, wozu Schwere, Reibung, Widerftand de 
u. f. m. gehört, gleihmäßig wirft oder nicht. In der Muſik bezeichnet daht 
ritartando da® Anhalten der Bewegung oder das langfamer Nehmen ein 
Stellen in einem Tonſtuͤcke, welches nicht willkürlich fein darf, fondern in.be 
(haffenheit diefer Stellen gegründet fein muß. (Vgl. auch Vorhalt.) | 

Retentionsrecht, das Befugniß des Beſitzers, eine fremde. € 
















Ketif de la Bretonne Retorſionsſyſtem 217 


herauszugeben, bis er wegen Anfoderungen, bie ſich auf dieſe Sache 
un, befriedigt ift. 

if dela Bretonne (Nicolas Edme), ein origineller, geiftreicher 
rd Novellenfchreiber, geb. 1734, war in feinem erften Unterricht fehr ver: 
werden, verliebte dann als Buchdruderlehrling in Aurerre und in Paris 
Jugend; endlich ermannte er fich, gelangte zu dem Beſitz einer Beinen 
and ſchriftſtellerte ſelbſt fabritmäßig. Ein derber Naturwis, Talent 
kung , eine nur zu lebhafte Farbenmiſchung bei feinen Gemälden er: 
ihnen an feinerer Ausbildung und an Eunftgemäßer Form abging. Uns 
Schriften, die an 150 Bändchen betragen, find beſonders „Les con- 
»'' merkwürdig und anziehend. Der Verſuch, in ihnen die Sitten der 
er Zeit zu ferildern, mußte natürlich, da er nur den am wenigſten acht⸗ 
5 derfelben kannte, einſeitig ausfallen. Indeſſen hatte er in dieſem 
uͤbel beobachtet und das Erlebte iſt oft gut, aber auch meiſt ſehr an⸗ 
ec erzähle. Am meiſten bemerkbar machte ſich ſ. „Payaan perverti‘ 
bte Landmann), eine höchft abenteuerliche, aber oft bewundernswuͤr⸗ 
ımenftellung und ein Gegenftüd von Marivaur's „Paysan parvenu”. 
derfeiben die Gefchichte eines jungen Menfchen vom Lande erzählt, der‘ 
und in aller Unerfahrenheit mit allen Graden der ftädtifchen Verderbt⸗ 
den verworfenften Dienfchenclaffen bekannt wird. Das Lafler, das 
ignen Erfahrungen fo genau hatte Eennen lernen, ift hier oft mit der 
m Treue und mit den ſchmutzigſten Farben gefchildert, allein mitten un⸗ 
Unhäufung von Graͤueln fieht man Züge de6 Genies und das Ganze 
‚ohne Belehrung. Sein Styi ift von der Höchften Incorrectheit. Er 
fogar diejenigen Schriftfteller, die auf die Ausbildung der Schreibart 
Borgfalt verwendeten, und nannte fie Gluͤhwuͤrmchen (tes vers luisans) _ 
w. Auch wollte er ein Syſtem der Orthographie einführen, nad) wel 
kanz. Sprache fo gefchrieben werden folle, als fie ausgeſprochen wird. 
bung, die er hineinlegte, war Schuld, daß man auch das Gute Über: 
# in feinem Vorſchlag enthalten fein mochte. 

srfionsfyftem. Wenn ein Staat etwas verfügt, wodurch zwar 
mertannted Zwangsrecht verlegt wird, was aber gegen die Gefege der 
s Billigkeit, die Sreiheit und die Völkerfi tte verftößt, 3.3. wenn er bie 
rbietet oder befchräntt, Mauthen an den Grenzen anlegt u. ſ. w., fo 
erbei betheiligte Staat zur Retorſion, d. h. zu gleichen oder ähnlichen 
mb Einrichtungen, berechtigt. So wenig dieſes Mecht bezweifelt wer: 
fo zweifelhaft wird dagegen oft die Beantwortung der Frage: ob es 
zift, daſſelbe auszuüben. Hier kann nur das wahre Intereffe eines je: 
$ die richtige Entf&eidung geben. — Das Retorfionsfyftem der Neuern 
lundb der Schiffahrt :ft eine Folge des Prohibitivfnftems; denn wo 
imer Seite Prohibitionen eintreten, bedarf man aud) von der andern 
efionen. Iſt ſchon jede Hemmung der Handelsfreiheit in ſich ſelbſt ein 
ird fie es noch mehr, wenn der Handel, flatt eine Quelle gegenfeitiger 
fe zwiſchen Nationen zu fein, die Gefühle der Erbitterung und den 
Achtiger Vergeltung erweckt. Als Kaiſer Alerander fid) 1807 von der 
J abwandte und dem Gontinentalfyftem anfchloß, hörten alle Handels⸗ . 
Mußlands mit England auf. Der Erfolg war, daß Rußland feinen 
groͤßtentheils verlor; denn England, das bis dahin feine Marinebe: 
en Rußland bezogen, fand andre Quellen. Statt des ruſſiſchen Baus 
Ben ungeheure Ladungen aus Canada, Neufhottland und Neubrauns 
ngeführt. Statt des ruffifchen Hanfs erhielt England aus Bengalen 
OO Etr.; auch wurde der Anbau deffelben in Irland befördert. Stan 


die 1806 über 108,343,000 Dollars betragen hatte, ſank 1807, wo e® 


r 


218 Ketorſionsſyſtem 


bes ruſſ. Talgs und ber Lichter kam die Gasbeleuchtung auf. Englands 
nahm immer mehr zu, Rußlands Handel ebenfo ab, und diefe® große Mei 
fi) nur erholen, als ed von der Strenge des angenommenen Syſtems abiy 
endlich durch den Frieden von Orebroe 1812 das alte Verhältnig toiebech 
— In eine noch drüdendere Lage kam Dänemark, als es ſich nad) dem 
von Kopenhagen an Frankreich und das Gontinentalfpftem anfchloß. 

faß e8 die ftärkfte Handelsfchifffahrt nad) der engl. und amerikaniſchen; 
es feinen Credit finfen, feine Einkünfte ab: und die Schulden zum 
Banknoten ſanken ımaufhaltfam, und die Folge war, daß bie Leben 
Lande ſelbſt, wegen der Wohlfeilheit der Circulationsmittel, namentlich 
piergeldes, außerordentlich im Preife fliegen. In welche Handelsv 
Amerika, durch gereiste Rachfucht und die Anhänglichkeit Jefferſon's am U 
Spftem, gelommen, ift befannt. Seine Ausfuhr fremder und eigner 





















Verordnungen gegen den Handel Frankreichs und Englands zu rächen 
22,533,000 Dollar& herunter. — Auch die jüngfte Zeit hat ein merk 
Beiſpiel eines felbft als Finanzfpeculation verunglüdten Retorfiongfi 

Deutfchland aufzuweiſen. Die befchränkte Einfuhr beutfcher, befonders 
Ochſen in Frankreich 1822, war dem badifhen Sinanzminifterium 
Der Vorſchlag eines Handelsretorfionsfpftems gegen Frankreich wurde 
gen, ihr elgnes Intereffe nicht vergeffenden Kaufleuten in ber zweiten 
ber damaligen landftändifchen Verſammlung in Antrag gebradht und mit 
griffen. Kein franz. Wein, kein elfaffer Taback follte mehr in Baden 
ja in kurzer Zeit jedes franz. Product und Zabricat, mittelft einer El 
Zollgarbiften, aus einem, bei firenger Handhabung eines vollftändigen 
foftem6 fehr große Mittel erfodernden Grenzlande verbrängt werben. 
Kammer wollte fogar alle franz. feidene Kleider und Pupartikel nach 
beffimmten Termins den Frauen unterfagen. Nur die Befonnen 
Mitglieder der erften Kammer verhinderte die Ausführung diefer u 
[hen Projecte. Kurze Zeit war nöthig, um das Finanzminifterium 
nur im Anfange eingetretenen Geroinn, nach und nad) aber immer groͤ 
den Verluſte für die Zollcaffe, ſowie von der verftärkten Einſchwaͤrzung, 
reihung des Hauptzwecks, zu belehren. Das kleine Baden hatte narll 
dem Verfuche eines Retorfionsfuftems weit mehr als das große Frantreil 
ten, und es fuchte nun durch fein Zollconcordat mit Deffen den alten Bed 
der auszugleichen. — Solche Thatfachen, follte man glauben, würben dal 
Verlangen einer gemwiffen deutſchen Partei, nad) einem firengen Retorfied 
gegen England, bereits gemäßigt haben. Dies ift aber keineswegs I 
Der Deputirte des deutfchen Handels» und Gemerb= oder eigentlich Fabe 
vereins, ein Übrigens fehr geſchickter Gefchäftsmann im mercantilifchen 
klagte im Öegentheil noch im Anfange 1825, in einer neuen Darftellung t 
hältniffe von Deutfchlands aus: und inländifchem Verkehr, über die nah 
ftehende Verarmung Deutfchlands, wenn nicht ſchnell gegen das nur ſche 
liberaleren Grundfägen übergehende England ein ſtrenges Retorfionäfef 
griffen werde. *) — Betrachtet man die Anwendbarkeit eines vollſtaͤndi 


‚ torfionsfoftems für ganz Deutfchland, fo fällt fogleich in die Augen, baf 


jenigen Xheilen beffelben, welche, wie 5. B. die freien Städte, bloß vom 
feben, zum Verderben gereichen müßte. Ju Anfehung derjenigen Regie 


*) Der Minifter Huskiſſon hatte nämlich mit allgemeinem Beifall am 4 
1825 dem engl. Unterbaufe den Vorſchlag gemacht, allen Völkern, welche geg 
Rechte zugeſtehen wollen, ten freien Handel mit feinen Kolonien zu geflattel 
IR bie wahre Retorfion, im wechſelſeitig bealüchenden Einne des Wort! 


Retorſionsſyſtem 219 


He auf dem erloſchenen Handelscongreſſe zu Darmſtadt repraͤſentirten 
kadter Handelscongreß), ein zuſammenhaͤngendes Gebiet bil⸗ 
lich Ähnliche Verhaͤltniſſe und Intereſſen haben, iſt zwar die Ausfuͤhr⸗ 
gemäßigten, den Reiz zum Schleichhandel nicht zu ſehr aufregenden, 
ichen Mauthſyſtems nicht zu leugnen. Allein ihre mannigfaltigen 
m und finanziellen Sintereffen Laffen bie wirkliche Ausführung, wie 
hhrung zeigte, von Außen nicht fo leicht hoffen — weit eher aber bie 
ereichung des großen Zweckes, fi im Innern der Wereinftaaten, 
feßtigen freien Verkehr, einen großen Markt für ihre eignen Producte 
e su eröffnen. Dabei kann das Streben, durch Verſchmelzung ih: 
n einen gefchloffenen Handelsftaat zu bilden, immer einigen Einfluß 
ibitivſyſteme auswärtiger Staaten dufern, weil jede, auch noch fo 
sierung, ben Gemeingeift zu Ergreifung von Retorſionsmaßregeln 
nimmt. — Übrigens hat man über dem deutfchen Fabricantengefchrei ' 
onöfpftemen den Unterfchied zwiſchen den Zollverfügungen, bie .ein 
Bebeihen der Schifffahrt macht, und denen vergeffen, welche die Zus 
fremder Waaren zum Imede haben. Grommell hatte bei Exlaffung 
ensacte nicht Retorfion, fonbern nur die Beugung bed politifchen und 
gewichts der Holländer im Sinne; denn diefe machten nicht mehr 
echte gegen England geltend, als diefe® gegen jene. Die Verehrer 
ben Retorfionsfufteme aber bedenken nicht, daß keiner ber ſuͤddeutſchen 
en einen ausfchlieglichen Markt für die Exrzeugniffe feiner Einwohner 
ben Märkte ausgenommen) in feiner Gewalt hat, baf daher keiner 
miffe noch rohe Producte, aleich den Staaten, welche Golonten über 
aben, durch Zwang abzufegen vermag. Sie hängen noch immer im 
aben an dem Licenzſyſtem, welches Napoleon ale Beifpiel der Retor⸗ 
ngland ausübte. Das Ganze mar aber Nichts als eine blendende Fi⸗ 
'. Licenzen.) Die franz. Manufacturmaaren fanden nämlidy in 
ven Abfag, weil fie entweder ganz verboten oder zu hoch impoftirt wa⸗ 
urden daher häufig Ins Meer geworfen oder verfchenkt; nicht felten 
yerlegener alter Kram dazu gebraucht. Die Colonialwaarenkaͤufer muß: 
anzen Koften tragen, und der Kaifer gewann unter anderm Schein 
dert Mill. von feinen Unterthanen. — Dan bebente ferner, daß 
zu Eeiner Zeit feine Induſtrie durch Retorſionsmaßregeln gefleigert 
lien nur den Gonfumenten zur Laft. Dagegen verdient in Erwägung 
serden, daß durch das Retorſionsſyſtem ein Theil des deutfchen Zwi⸗ 
| fammt feiner Fabrication, der mittelft der leipziger und andrer Mef: 
ortheilhaften Canal nad) Polen und Rußland hat, verloren gehen 
tehre nennen bie verlangte deutfche Retorfion ein politifches Vergel⸗ 
das unfere beutfchen Fabriken in Stand fegen müffe, mit den englis 
Heifern; allein viel Fabriken Deutfchlande, die längft beftehen, haben 
michtung des Continentalſyſtems lebhafter als je gearbeitet und durch 
ng des Handels nad) Amerika einen neuen Markt daſelbſt gewonnen. 
alſo der deutfche Kabricantenftand gegen das erfle Princip einer billi 
tegferintg zum Nachtheil andrer Stände begünftige werden? Warum 
Ander die einheimifchen Fabricate tbeuer bezahlen, die ausländifhen 
wohlfeilern aber entbehren? — Man laffe fih ja nicht durch die von 
oniften vorgelegten Bilanzberechnungen täufhen. Keine berfelben 
de alle die kleinen Gewinne und Verluſte in Anfchlag zu bringen. 
ellcolien kann man die Bilanz nie zuverläffig beurtheilen; denn bie 
a find nirgends, nicht einmal in England, ganz echt. Die Vorfteher 
an Gewerbvereins haben ſchon vor 8 3. behauptet, dab jährlih, 140 


220 Retouchiren Retract 


Mill. Thlr. für Deutſchland durch fremde Manufacturwaaren verloren 
Wuaͤre aber nicht unſer edles Metall, wenn dieſe Behauptung wahr waͤre, 
feit dev Zeit erfchöpft, wo die Engländer die Ausfchliegung frember Waar 
ordnet haben ? Ubrigens verfennen wir durch diefe Außerungen Feine 
Verdienfte des deutichen Hanbels = und Gewerbvereins, infofern fie a 
Dandelöverkehr im Innern der deutfchen und auf ein gemäßigtes Retorſiom 
gegen ausländifhe Staaten gerichtet find, melche fich nicht zu einem U 
Handelsſyſteme geneigt zeigen wollen. Bei Aufftellung eines folchen 
darf aber nie überfehen werden, daß es in finanzieller Hinficht nur dann 
werden Fann, wenn es geringe Erhebungsfoften nothwendig madıt. * 
lendes Beiſpiel, wie oft eine große Finanzverwaltung kurzſichtig iſt, liefert 
reich. Seine Bruttoeinnahme der Tabacksregie iſt etwas Uber 145 MU 
angeſchlagen. Als reiner Ertrag fließen davon in die Stantscaffe 42,08 
Ft. Der reine Ertrag verhält ſich alfo zu den Unkoften der Erhebung being 
1 zu 34, oder die Nation hat ++ zu bezahlen, damit 1 die Negierung bei 
Bringt man nun nod) hierzu in Rechnung, was die Nation der Regievern 
entgegenzufegen hat an Arbeit und Zeit, an erlaubten und unerlaubten & 
. ten, Procefkoften, Strafen u. ſ. w., fo läht fi) annehmen, daß, wenn & 
gierung 34 auszugeben hat, die Nation 20 Mal 34 70 ausgibt und | 
liert. Daraus folgt, dar jeber Frank, der in die Tabacksregie gebracht 
Nation (44-70) 744 Sr. Eoftet. Freiheit des Handels der deutſ 
ten unter fi) ift Daher der erfie und allgemeine Wunfh. Es kann aber 
nügen, ihn durch halbe Maßregeln zu befriedigen, wie z. B. Baden unb 
. die nur ihre Zolffäge befchränfe haben und ihren Verkehr nad) wie vor d 
Gitterwerk der Zolllinien mit Zöormlichkeiten betreiben. (©. Darm 
Handelscongreß, Handelsvereine und Prohibitivfpftem) 

Retouchiren, entweder das Aufpugen alter verblichener Gemä 
Reſtauration), ober das Ausbeſſern und überarbeiten eines neuern, 
oder fremden Gemaͤldes. Die Sranzofen bezeichnen durch retoucher 
Anfftechen einer durch wiederholten Abdruck abgenugten Kupferplatte. — $ 
Musik bedeutet dieſes Wort, ein Zonftück verzieren, durch Coloraturen 
den, welche gewöhnlich durd) Eleine Noten bezeichnet werben. 

Metract Maͤherrecht, Einftand, Abtrieb, Lofung, Vorlauf). | 
noch unter einer Menge andrer Namen vorfommende Recht ift eine Folge I 
gern Verbindung, welche im germanifchen Rechte in der Familie und Ga 
herrſcht, ſowie der mannigfaltigen Theilungen des Eigenthums. Kraft d 
tern iſt die Dispoſition des Inhabers ohnehin eingeſchraͤnkt, kraft der erſten 
die unbeweglichen Güter nicht aus der Familie kommen und nicht an Krems 
äußert werden. Wird etwas veräußert, worüber der Befiger gar keine D 
tion diefer Art hatte, fo findet, wie bei Lehn⸗ und Fidelcommißgütern, eine: 
geltliche Zuruͤckfoderung (Windication) ftatt: bei bloßen Erb» und Stamm 
find in manchen Ländern Formen vorgefchrieben, nad) welchen dergl. Gi 
der Kamilie und Gemeinde zuvor ausgeboten werben müflen; in andern ba 
Gemeinde: und Samilienmitglieder meiftens ein Jahr lang das Recht, in 1 
fid) gültigen Kauf eines Fremden einzutreten und, indem fie alle Bedingung 
gen den Verkäufer erfüllen, auch dem Käufer allen gehabten Aufwand e 
Das verfaufte Gut anfichzuziehen. Dergleichen Retracterechte fanden fonft 
vielen Berhältniffen ſtatt, z. B. zu Gunften der Meicheritterfchaft wegen der 
fchaftlihen Güter, zu Gunſten der Chriften gegen Juden; es find aber 
neueen Zeiten viele davon aufgehoben worden. Die wicdhtigften und hau 
Netractsarten find: 1) das Gefpildredht (jus congrui), vermöge deffen Der, 
welcher Schon einen Theil eines Grundfiuͤcks befigt, bei den andern Theilen 






Rettungsanflalten, bei Feuersgefahr 221 


Bertaufs= und Einftanderecht hat; 2) das Nachbarrecht (jus vieinatus), 
echt Schon dem bloßen unmittelbaren Anlieger zufteht; 3) das Erblo: 
t{retraetus gentilitius), weiches den Verwandten und 4) das Marklo⸗ 
! (jan ineolatus), welches den Mitgliedern einer Gemeinde zukommt. 
kondsrecht fällt weg, wenn die Bedingungen der Veräußerung fo find, 
he don einem Jeden erfüllt werden Eönnen, bei Abtretungen durch Schen⸗ 
kauſch, Vergleich u. f. w. Es kann gegen einen jeden Erwerber de6 
I aufgeht werden und ift infofern realer oder dinglicher Natur; aber 
u Vertrag bedungenes Vorkaufsrecht (jus protimiscos) gibt nur eine 
zegen Den, welcher fein Verfprechen bricht, auf Entfhädigung, nicht 
echt gegen ben dritten Erwerber ober auf die Sache felbft. Durch den 
tt der Retrahent nun in den vorigen Kauf ein, es ift keine neue Ver: 
daher kann auch in der Regel Peine Abgabe gefodert werden, welche 
hageld (Lehnwaare, Handlehn) fonft in Veräuferungsfällen zu entrich 
37 


tungsanflalten. In Hinfiht der Rettung von Menfchen aus 
br hat die neuere Zeit große Kortfchritte gemadyt. — Zur Rettung aus 
efahr in dem Falle, mo Menfchen in obern Stockwerken einen an- 
ng als die Fenfter haben, find mehre Mafchinen erfunden worden, und 
a Fallſchirm von ſtarkem Segeltuche, mit einem eignen ſtarken Hand⸗ 
Riemen sum Hindurchfteden der Arme. Es gehört aber zum Gebrauch 
Beifteßgegenmwart, Kraft und Entfchloffenheit: Eigenfchaften, die in fol- 
ben Augenbliden nicht allen Menfchen eigen find. Beſſer ift 2) ein 
befonder® der von Klingert zu Breslau vorgefchlagene, an tüchtigen 
iſtigt, durch welche er hinauf an das brennende Haus und nad) dem 
; wieder heruntergelaffen wird. Dem Gebrauch diefes Rettungsmit: 
ber entgegen, daß es fich nicht anwenden läßt, wenn daß brennende Ge⸗ 
zandern Häufer zur Seite hat, oder wenn die Fenfter der benachbarten 
edriger liegen als biejenigen, aus welchen eine Perfon gerettet werden 
Die Neubert'ſchen Rettungsleitern, von Hanf verfertigt und mit 
migen Hängematte von Zwillig verſehen. Man reicht fie den in bren⸗ 
en Stockwerken eines Gebäudes befindlichen Menfchen durch lange 
a zu, befeftigt fie vermöge eines daran befindlichen flarfen Knebels an 
ke und läßt fie unten von ein paar Menfchen fchwebend halten. Non 
K benetzt man fie mit Waffer. Für ſchwaͤchliche oder ſchwindlige Per: 
ı für Kinder find diefe Leitern nicht anwendbar. 4) Die Röfer’fche 
siter iſt befonder& bei hohen Gebduden oder Thuͤrmen zu gebrauchen. 
a Gelenke zu Gelenke mit Schnellfedern verfehen, durch welche fie ſich 
fe eines einzigen Menſchen von Stodwerk zu Stockwerk auffchlagen 
liche Leitern wurden noch mehre, beſonders auch eine von Gräffer in 
Üd eine Strickleiter von Klingert allda erfunden. Theils find fie aber 
kaͤndlich oder nur von gehörig geuͤbten Leuten auzuwenden, theils kann 
Ihnen nicht unter jeden Umftänden einen fihern Gebrauc machen, da 
Kerfteigen felbft mit Gefahr verknuͤpft ift. Die beften unter allen find 
mbdenen italienifchen und die Dafenleitern. Beider Gattungen bedient 
uerlöfchcorp® der Pompiers zu Paris. Cine Befchreibung fammt der 
derfeiben findet man in dem von dem Gorpscommandanten herausgeg. 
du sapeur-pompier” (Paris 182+). 5) Galilei's Rettungsma⸗ 
dh welche fich der in Gefahr befindliche Menſch ſitzend auf einem Quer: 
rm Seife herunterläßt, das er mit beiden Händen faft. A) Nettunge: 
$ Gollie in Philadelphia. In einem ſenkrecht ftehenden, ftarken, hoh⸗ 
sich) hohen cylindriſchen Körper laͤßt ſich ein Balken betraͤchtlich weit 


222 Rettungsanftalten , bei Feuersgefahr 


auf⸗ und niederſchieben. Der hohle Koͤrper ruht auf einer langen und 
ſtarken Bohlen gemachten Baſis, die auf 4 niedrigen Blockraͤdern laͤuft. 
ben und Bänder geben ihm auf diefer Bafis einen feften Stand. Der 
Balken ift mit einem Paar Seile verbunden, die um 2 Wollen und 
ten um die Rundbaͤume zweier Hafpel gehen. Diefe Haſpel ruhen ebeufif 
ten auf der breiten Bafis, einer dem andern gegenüber. Mittelſt der Kach 
den Hafpeln koͤnnen nun die Seile um die Rundbäume aufs und abgewidh 
eben dadurch kann der bemegliche Balken in die Höhe gezogen und n 
werben. Daß oberfle Ende .diefes Balkens enthält eine flarke Klammer, 
ber ein großer und flarfer Hebel um feinen Ruhepunkt ſich drehen läßt. 
längern Arme dieſes Hebels hängt der Rettungskorb und an dem Pürjern 
das bis an die Bafis der Mafchine herabgeht und da fo feſt gemacht 
wenn der bewegliche Balken unten den Boden berührt, das Seit ftraff 
Hebel horizontal ſteht. Wird aber der bewegliche Balken in die Höhe gem: 
fo kann da8 eben genannte Seil nicht mit in die Höhe gehen ; es zieht ba 
kuͤrzern Debelarm niederwaͤrts, folglich geht der längere Arm fammt deu: 
in bie Höhe. Windet man den Balken wieber herunter, fo fteigt der 4 

















wieder und der längere mit dem Korbe, worin bie geretteten Menfchen be 
fintt. Die gefammte Vorrichtung muß übrigens fo mit der Bafıs 
fein, daß an kein Umfallen der Mafchine zu denken ift. Beim Gebrauch, by, 
kann man bie Bewegung der Eleinen Räder durch Hafen hemmen. 
tungskorb aber muß für 4 Menfchen weit genug und fo tief fein, daß ent 
ben bis über die Bruft reicht; auch muß er nahe genug an das Fenſter 
werden Binnen. Mit 3 eifernen Säulen ift er an das Ende bes 
feftigt, von dem er frei herabhängt. 7) Die Treppen, von Defaudray, 
Bichley, Audibert, Zrechart u. A. Sie find doppelt, werben ausein 
und mit Schnelligkeit emporgerichtet. Alte haben aber, fo fehr fie 
Scharffinn ausgedacht find, mehr oder minder Mängel, die fie zur ſch 
wendung nicht recht brauchbar machen. 8) Das Rettungsgerüft von 
Leipzig. Die niebrigfte Höhe deffelben beträgt 15 leipz. Fuß; es kann 
4 Mann nad) Gefallen von Fuß zu Fuß und in einer Minute 60 Fuß 
porgehoben werden. Es befteht aus lauter 6 — 10 Zoll breiten und 2 
ſtarken Streben, Bändern, Riegeln und Säulen, die aus Kiefernholz vol 
und mit eifernen Bolzen und Schrauben verbunden find, die fich erheben, 
zufammenlegen und mittelft gezahnter Säulen in jeder erfoberlihen Höhe 
len laffen. Zur Erhebung und Herablaffung befinden fich unten drei wi 
tädern verfehene Wellen. Mit der erften Welle, die 9 3ou im Ducchmefl 
und auf beiden Seiten mit Speichen zum Drehen verfehen ift, wird das 
durch ziveimalige Umdrehung auf 60 Fuß erhöht. Durch die zweite 
eine Kurbel hat, werden viele Stricke angezogen. An der britten, ebenfal 
einer Kurdel verfehenen Welle find die Federn gehängt, welche beim Exhöh 
Geruͤſtes die gezahnten Säulen einlegen und fie beim Herablaſſen zuruͤch 
Dben auf dem Gerüfte befindet ſich die Galerie, zugleich aber auch eine S— 
ter, auf welcher die Nothleidenden herabfteigen koͤnnen, wenn man e6 nk 
noͤthig hält das Geruͤſt erft wieder herunter zu laffen. Zwei Arm mit 
dern tragen das Geruͤſt. Die Vorderaxe kann durch Stellfchrauben zum 
flehen gebracht werden. Um das Geruͤſt aber auch auf fhiefem Boden Ie 
emporheben zu können, fo find über den Aren noch * befondere Stellſch 
angebradht. Keile dienen zur Hemmung des Umlauf6 der Räder. DI 
ſchine ift ficher und bequem; aber ihr fehlt die nöthige Einfachheit und Wu 
heit. 9) Rettungsfchlaudy von Breis in Hamburg. Er ift aus grober Sa 
wand gemacht und oben offen. Er wird aus einem Senfter oder einer ander 


Rettungsanſtalten, bei Feuersgefahr 228 


gehaͤngt und der Nothleidende fährt durch denſelben ſicher auf die 
. Für furchtſame und ſchwindlige Perfonen wird oben am Schlauch 
us hohe, leinene, mit Fiſchbein fleif gemachte Kappe angebradht. Zu 
deſſen ſich feit langer Zeit die Seuerpolizei zu Genf bedient, ift uͤbri⸗ 
bringeflange erfoderlih. 10) Mettungskleider. Palmer in Braun⸗ 
z ein die Hitze abhaltendes Kleid mit nod andern Rettungsvorkehrun⸗ 
af Bichtem und mit Wachs geriebenem Leinen breitet man eine dicke 
tage Wolle aus, die mit Kohlenpulver beftreut if. Dan legt dann 
Aenes Zeuch darauf und näht das Ganze an den Seiten und in klei⸗ 
a in ber Mitte an. Auf das mwollene Zeuch, welches die aͤußere 
ockes zu bilden beflimmt ift, bringt man mit Leim ein oder zwei Lagen 
Iulver, welches aus 1 Theil reinem Schwefel, 1 Theil rothem Oker 
n Eifenvitriol beſteht. Hieraus verfertigt man einen paffenden Rod 
rue und einer Maske. Zum Athmen kann man ein Reſpirations⸗ 
ee Mund und Nafe binden. Ein Menfch, welder fo ausgerüftet 
a mit einer Hade, wie die Sapeurs fie haben, und mit einer Portion 
ulver verfehen ift, foll unbefchädigt die Treppen in einem brennenden 
en und in den Zimmern berumgehen tönnen. Durch das Fortwer⸗ 
ers fol die Klamme zur Seite und unter den Füßen ſogleich geloͤſcht 
tark in Hamburg flug als NRettungsmittel bei Feuersbruͤnſten eis 
e verfertigten Anzug vor, der aus langen, beträchtlich weiten Dofen 
ı befteht, welche auf der innern Seite mit Wachstuch bezogen find. 
aden Schloͤßchen (oder Schnappfchlößchen) wird die Sade, bavon 
h den ganzen Kopf wie eine Art Haube bebedit, ſchnell um den Leib 
ür Ohren und Mund find Öffnungen mit Schirmen, für die Augen 
nit Möhren da. Sin den Röhren find Gtäfer waſſerdicht befeftigt. 
fern ift altes reines Brunnenwaffer eingefperrt, damit jene von der 
Apringen. Aus einer Windbuͤchſe, die in einem ledernen Sad ftedt, 
kenſch. Hoſe und Fade werden überall mit Badeſchwamm bebedt, 
einer großen Menge Waffer füllt. Um den ganzen Anzug aber wird 
Uſtaͤndiger Harniſch von verzinntem Eifenbledy gelegt. Unter den 
finden fidy ftarke, eiferne, verzinnte Doppelplatten, wovon bie obere 
mit in dieſelbe Waffer eindringen kann. Ahnliche Vorkehrungen 
ber Kopfbededung angebracht, und der ganze Harniſch ift durch Ringe 
fo eingerichtet, daß die Acm= und Beinkleidung ſich verlängern und 
it. 11) Die Feuerſturmhaube. Sie wird in England gebraucht, 
Beber und oben mit einem eifernen Dedel befchlagen. In der Haube 
on für Augen, Mund und Nafe. In den Augenöffnungen befinden 
umb vor die Mundöffnung wird vermöge eines Hafens ein naffer 
legt, um ungehindert athmen zu können. 12) Die Hochfletter'fche 
Sie befteht aus 2 Leitern, wovon die eine auf der andern läuft. 
auch einen Rettungskaſten und cin Paar eiſerne Etügen, damit fie 
ſchwanke. — So groß die Zahl der oft fehr finnreich erbachten Feuer⸗ 
hinen ift, fo fehr gebricht es doch an einer Auswahl foldyer, die bei der 
allen billigen Foderungen entfprechen. Sie müffen einfady, nicht 
d leicht fortzubringen fein. Man muß nicht beforgen dürfen, daß 
Gebrauchs irgend etwas an ihnen verlegt werde, oder durch irgend 
d ein Aufenthalt entſtehe. Sie muͤſſen, wo möglich, an das bren= 
de fo angebracht werden Eönnen, daß die Mothleidenden in fchräger 
der Wand abwärts niederſteigen; daß die Perſonen, welche die Ma: 
a, nicht zu nahe an dem brennenden Gebaͤude ſtehen und day die 
nicht leicht antiennen. Darin ſowol als auch hier und da in der 


224 Rettungsanftalten, bei Waſſersgefahr 


Indolenz mancher Polizeibehoͤrden mag der Grund liegen, daß noch in vielen 
ten Deutfchlands die Feuerrettungsanftalten für Menfchen gaͤnzlich Toon 
Paris, wo die Feuerloͤſch⸗ ſowie die Rettungsanftalten die beften find, ron 
italieniſchen und die Hakenleitern aus dem Grunde vorzugsmeife vor allenı 
gebraucht, weil fie am fehneilften bei der Hand fein Eönnen, da das Feuer gi 
lich die Hausftiegen zuerft angreift, die Rettungsmittel alfo ebenfo ſchnell 
Sprigen vorhanden fein muͤſſen. Die ital. Reitern find an deren Untergefi 
feftigt, und die Hakenleitern fo leicht, dag ein Mann eine derfelben im 
der Achfel tragen kann. Sind Treppenleitern nicht anwendbar, ‚fo wer 
leitern genommen, in beren leichtem und fiherm Gebrauche die Pompi 
find. Wenn ſchwaͤchliche, fchwindlige Perfonen oder Kinder gerettet 
len, bedient ſich das Loͤſchcorps des mit den Sprigen zu gleicher Zeit an 
Rettungsſackes. Springen bie in Gefahr befindlichen Perſonen aus 
ſtern, ſo fangen ſie die Pompiers in einer kreuzweis gelegten Plache auf. 
Die erſten Rettungsanſtalten für Menſchen, welche durch Waffen. 
fahr gerathen ſind, entſtanden in Holland. Am meiſten geſchah aber 
Vervollkommnung zu Hamburg durch die Geſellſchaft zu Beförderung U 
Künfte und Gewerbe. Tauſende im Waffer Verunglüdter haben ihr bie 
zu verdanken. Die verfchledenen Rettungsinftrumente find: 4) Der 
welchem man in dem Waffer fo lange hin und her rührt, bi6 man ben 
funden hat. Mit ihm hält man ihn feft, durch die Fangzange wird er a 
gezogen. 2) Der Nechen, der noch leichter als der Sucher zu gebrau 
bei welchem man Eeiner $angzange bedarf. 3) Die Sangfeile oder Stricken 
zernen Kugeln. 4) Die Eisleiter mit der Verlängerungsftange und dem 
haken. Sie dient zur Rettung Derjenigen, welche unter das Eis gef 
und wird mit einem Retter, der auf der Leiter liegt oder ſitzt, auf das b 
gelegt und nad) der Stelle hingefchoben, wo ſich ber Verungluͤckte befinde 
ift von möglichft leichtem Holze gemacht, und an ihrer oberften Sproffe 
Scharnier mit einer Verlängerungsftange. 5) Das Eisrettungsboot. 
tung im Eife tft viel ſchwerer als im offenen Waſſer, daher bie Erfindung 
bootes durch Thomas Rigler eine der wohlthaͤtigſten genannt werben k 
1781 wird diefes Boot mit dem größten Nugen auf der Elbe und Alfter ’ 
burg gebraucht, kann auf dem Eife ald Schlitten und zugleich auf dem a 
Machen dienen, und fo kann es dem Verungluͤckten auf die eine oder auf l 
Art völlig mahe gebracht werden. Es ift von Korbarbeit geflochten und 
Eindringen des Waffers auswendig mit Reber überzogen, weil es fo leicht 
daß es von einem einzigen Menfchen ohne alle Beſchwerde im Waffer 
Eiſe regiert werden kann. Die auswendige Länge beträgt unten 74 unb 
Fuß, die Breite unten 3 und oben 4 Fuß. Die untere Seite ded Bo 
ein Schlitten mit 2 Schienen von glattem Eifen belegt, um es baburdyj 
zweier an Tangen Stangen befindlichen Haken leicht auf dem Eife fort 
Finnen. In dem Boden ferbft ift eine 3 Fuß lange und 14 Fuß weite 
angebracht, deren Umfang durch einen auf gleiche Weife wie an den aͤußeriß 
eines jeden Fahrzeugs angebrachten Bord gegen das Eindringen des 
(hust ift. Der Retter kann mithin da, wo das Eis zum Fortfchieben d 
zu höderig ift, durch diefe Öffnung auf das Eis treten, er kann das Bootd 
der am Bord diefer Öffnung angebrachten Handhaben Über die hoͤckerigen! 
hinwegtragen; fobald aber das Ei6 unter ihm einfinkt, kann er fich fogld 
alle Gefahr über den innern Bord hinweg in das Boot ſchwingen Die 
eingefaßte Offnung hat auch noch beim Einſinken des Bootes in das 
beſondern Nutzen, daß die hineingetretene Waſſerſaͤule das Umſchlagen be | 
ten Fahrzeugs verhindert. So geſchwind wie moͤglich ſucht der Retter mit 










Rettungsanftalten, bei Wafferögefahr 225 


? das brüchige Eis hin an den Verunglücdten zu kommen. Würde dies 
ich das im Wege liegende Eis verhindert, fo müfte der Retter feine mit: 
e Eisleiter Über das Eis legen und fo fih dem Verungluͤckten zu nähern 
r zieht diefen dann in das Boot, legt ihn der Ränge nach in daffelbe und 
on das Ufer zuruͤck. Indem Boote befindet ſich für den Kopf eine Ers 
6 Das Greathead'ſche oder Bosquet'fche Rettungsboot. Rettungs⸗ 
e weder umgemorfen noch von den Wellen verfchlungen werben Eönnen, 
ıter die wichtigften Erfindungen der neuern Zeit. Um fie haben ſich 
die Engländer verdient gemacht. Man Eann fie nicht bloß anwenden, 
auf der See ober auf Flüffen zu retten, die Schiffbruch gelitten haben, 
dh bei Überfchmemmungen und andern Wafferögefahren auf dem Lande. 
6 Erfindung gründete fih auf folgende Sdee. Wenn man ein Sphäs 
sel tbeilt, fo ift jedes Viertel elliptifch und gleicht beinahe der Hälfte 
men Napfes. Es hat nimlicd, eine Krümmung mit hervorragenden 
Krft man ein folches Viertel ind Meer oder in irgend ein offenes Waf: 
m e® nicht umfchlagen. Kin auf ähnliche Art geftaltetes® Boot belegte 
inmendig ringsum am Doliborde (oder an der Randplanke) 2 Fuß breit 
dr 7 Gentnern Kork. Auch die Spice bededte er damit. Greathead’s 
ſote führen 10 Ruder oder, wie fie in der Seeſprache heißen, Riemen. 
0 Fuß lang und 10 Fuß breit. Mit Eupfernen Nägeln und allen erfo⸗ 
‚heilen verfehen, Eoften fie 165 Pf. Eterl. Don den 10 Leuten, die das 
nm, fisen 5 an jeder Seite. Hinten und vorn fist ein Steuermann, der ' 
seinem Eteuer, fondern ebenfalld mit einem Rieme regiert, welcher fo 
tift, daß er nicht in den Sand einfinft. Das Boot hat nur fehr wenig 
ht, und 30 Perfonen, oder doch 20, wenn e8 voll Waffer ift, figen ganz 
in. Es ſchwimmt beftimdig und behält ftet# fein Gleichgewicht. Mens 
in folches Rettungsboot einmal aufgenommen hat, werden unbefchädigt 
eit gebracht. Man hat auch vorgefchlagen, das Boot mit Rädern zu 
m es In vorfommenden Fällen deſto leichter laͤngs den Küften fortzus 
Diefer Vorfchlag verdient gewiß Beifall. — Das Rettungsboot des 
#quet kann fo viele Perfonen vom Ertrinken erretten ald es zu faflen 
ko befigt aber noch verfchiedene andre Vortheile. Man kann e6 mit ges 
ſtenaufwande bauen, es erfodert weder Nägel noch andres Eiſenwerk, 
macher kann es zubereiten, es läßt fid) von einem Karren oder von einem 
Irtfchaffen oder von etlichen Leuten tragen, und endlich wird es weder 
noch von der Brandung, nod) auch von den Wogen umgemworfen. Die 
age Menfchen, welche fich hineindrängt, kann darin weder unterfinken 
fachen, daß das Maffer darin über 19— 14 Zoll hoch fleigt. Wenn e6 
uch eine Welse mit Waſſer angefuͤllt wird, fo läuft diefed augenblidlich 
ins, und das Boot gewinnt fchnell, ohne ausgeſchoͤpft zu werden, feine 
Whung. Kein Stoß zerfchmettert es, felbft wenn es heftig an Felfen 
fe gefchleudert wird. Diss trefflihe Rettungeboot ift auf folgende Art 
Zwei ovale oder runde Behaͤltniſſe von verfchiedenen Durchmelfern 
B Weidenruthen geflochten, und davon wird das eine in das andre gefebt. 
kenraum rings herum, ungefähr von 18 Zollen, wird mit Korkfpinen 
und entweder auch mit Weidenrutken tiberflöchten oder mit einer wei⸗ 
plante überlegt. Auf dem Boden befinden fich zwei Rofte, entweder 
ſtarken Geflechte von Weidenruthen oder von Hol, wodurd das Waſ⸗ 
Kblauf erhält. Der untere Roſt muf mit der Kante der aͤußern gefloch⸗ 
u in einerlei Ebene liegen; dir obere Bann fich etwa 9 Zoll darüber er> 
muß fo Dauerhaft gemacht werben, daſi cr den Druck erträgt, welchen 
il. Der arößte Durchmeſſer Braucht nidyt über 6 Fuß und die Hoͤye 
3, Eſchente Aufl, RAIN, 15 


226 Reg 


nicht über 3—4 Fuß zu betragen. Inwendig werden ringsum Sie 
weiche man ebenfowie obigen Zwifchenraum mit Korffpänen aus 
Randplanke hat Blöcke, worauf ſich die Riemen (Ruder) bewegen, 
Leuten ſtehend in Thaͤtigkeit gefegt werben. — Unter andern Rettunc 
dient das von dem Mechaniker Lionel Lukin zu London Auszeichnung. 
tungsboot hat Segel, aber keine Ruder, und kann weder umfchlager 
finten. Die berühmteften Schiffbaumeifter und Seefahrer fanden 
vortheilhaft, daher der Exfinder ein Patent erhielt. Sichere Reiſeſch 
finten Eönnen, aber bloß Paffagiere an Borb nehmen, werben feit m 
in Kingholm aus Tannenholz erbaut. — Zur Rettung bes Lebens ı 
gefahr dient auch 7) das ſchwimmende Licht, für Perfonen, welche be 
Bord in die See gefallen find. Es ift ein Eupfernes Boot mit einer X 
Erfindung verdankt man bem William Shipley von Maidſtone in A 
man einen im Waſſer verunglädten Scheintodten auf das Land gebı 
fen unverzüglich die Wiederbelebungsverfuche angeftellt werben. Hie 
an mehren Punkten der Ufer aufgeftellten Rettungs » oder Nothkafte: 
die zu Wiederbelebungsverſuchen nöthigen Snftrumente, 3.3. die 
Eipftiermafchine, lederne Röhren, Gorey's doppelten Blafebalg, El: 
nen, Goodwyn's und van Marum's Pumpen u. f. w., fowie einen 
Vorrath der erfoderlichen innern und Außern Arzneimittel enthalte 
Unter die Rettungsanftalten für Menfchen, welche durch Mangel 
Gefahr gerathen find, zähle man alle Mittel, die zur Wieberbelebi 
Dünfte, Dämpfe oder tödtende Luftarten erfliditen Scheintodten d 
folche find vorzüglich zu rechnen alle mögliche Reizmittel, Einblafer 
durch lederne Röhren und Blafebalg, Bürften, warme Tücher, Ta! 
fliere, der Galvanismus, die Elektricität, das Erdbad für die durch 
teoffenen, Meunier's luftniederdruͤckende und Iuftausziehende Sprit 
in die Lungen einzubringende Sauerftoffgas. 

Retz (Sean Francois Paul de Gondy, Garbinalv.), geb. ; 
1614, wurde von feinem Vater (General der Galeeren) gegen feine! 
geiftiihen Stande beftimmt; fein Lehrer war der berühmte Vinc 
1643 erhielt er den Doctorhut der Sorbonne und die Stelle als ( 
Erzbiſchofs von Paris. Obgleich mit ganzer Seele die militairifche & 
ſchend, mar Gondy doc) klug und ehrgeizig genug, feine Geiſteskraft 
lent in ber ihm aufgedrungenen Laufbahn geltendzumadyen, und n 
leichtfinniges Temperament auch zu mancher den geiftlichen Stand ı 
Handlung hinriß — wie denn die Zahl feiner verliebten Abenteuer ı 
und manche fogen. Ehrenſache von dem jungen Abbe mit dem Degen 
wurde —, fo mußte er doch bald die Herzen ber Parifer durch feine fı 
berebtfamkeit zu gewinnen und dadurch auch die oft gegen ihn zuͤrne 
Zeit zu verföhnen. Diefe Gewandtheit, verbunden mit einem fichtb 
nach politifcher Bebeutfamkeit, das nur zu oft in Umtriebe gegen die 
ben herrſchenden Minifter ausartete, mußte dem Goabjutor nothwe 
merffamteit, aber aud) den Haß bes allmädjtigen Nichelieu, und na 
Mazarin's, zuziehen. Die Fronde (f. d.), als bie dem Hof 
entgegenftehende Partei, bermächtigte fid) bald des Coadjutors, ale e 
der durch feinen überwiegenden fcharfen Geift, fowie durch bie Lie 
ihr eine bedeutende Verftärkung fein mußte; und in der That ergrifl 
Sache diefer Menſchen mit um fo größerm Eifer, je mehr ihn feine R 
litiſchen Händeln hinzog. Die Raͤnke, die den Hof bewegten, die 
Aufftände des Volks und der Frondeurs, die Thätlichleiten, die mi 
legt, nie von Bebeutung waren, Died Alles eröffnete ihm eine weite X 


Rep 227 


einer Entwuͤrfe, und als ſich endlich der. Hof durch einen Parlamentsfchiug 
a ſah, den von Mazarin feftgefegten Prinzen Conde loszugeben, und 
in (vgl. d. und Eonde) felbft aus Frankreich entweichen mußte, da 
als ftände Meg am Ziele, und es hinge nur von ihm ab, hinfort die Zuͤ⸗ 
egierumg zu führen. Doch Mazarin Lehrte bald aus feiner Verbannung 
nädytiger als je; die Fronde, deren Verbindung nie fehr feft und deren 
ner, außer Condé und Reg, ſchwach und ſchwankend waren, Löfte ſich 
balb nachdem Legterer durch Verwendung des Hofes, nicht ohne Reitung 
gners Mazarin, den Cardinalshut empfangen hatte, brach über ihn ber 
erein, der kurz zuvor Mazarin bedrohte. Er wurde plöslich auf Befehl 
b, oder vielmehr Mazarin’s, in das Schloß Vincennes gefegt, von ba 
Nantes gebracht. Hier fand er Mittel zu entlommen, und irrte nun, 
gt von Dienern Mazarin’s, faft 8 Fahre in Spanien, Stalien, Deutfch> 
Mand und England unter wahrhaft romanhaften Schidfalen umher. An 
mocen; fand er eine mächtige Stüge; feinen Tod empfand Reg um fo 
ber, da der Nachfolger deffelben, Alerander VII., der ihm feine Erhebung 
akte, dem Verfolgten nicht half. Hierzu kam, daß nad) früherer Vers 
ng und Sreigebigkeit feine ungeheure Schuldenlaſt täglidy zunahm, durch 
ne6 fürftlichen Gefolges, mit welchem Reg ſich theils aus Liebe zur Pracht 
tbeil ums dadurch fich beffer vor den Verfolgungen feines Gegners zu 

Diefe Schuld war bis zu 5 Mill. Livres geftiegen, als Reg fich Über 
und nach Holland begab. Hier entließ er den Troß feiner Begleiter, ſtuͤrzte 
us Verdruß über das ihn verfolgende Mißgefchid in ein ausfchmeifendes 
Die Anerbietungen des fpanifchen Hofes, ihm Steiftatt und Unterftügung 
een, hatte er ausgefchlagen, die von Karl II. von England nahm er an 
b fi) dahin. Da aber ber Monardy nicht fonderlicd, geneigt ſchien, die 
ige su befolgen, die ihm fein Schügling ertheilte, fo begab ſich Net bald 
uf das fefte Land, wo unterbeß der zwifchen Spanien und Frankreich ges 
prrendifche Stiebe auch ihm entfernte Hoffnungen zeigte. Doch war defs 
htet feine Lage fo bedrängt, daß er auf dem Punkt ftand, eine Schilderung 
Mände und Darftellung des Haffes feiner Seinde druden zu laffen, um 
höhere Geiſtlichkeit aller Länder zu vertheilen: ein Vorhaben, von dem 
de Nachricht abhielt, daß fein Feind Manzarin hart darniederliege. Den⸗ 
te er, nach des Minifters Tode 1661, erſt dann zurückkehren, als er feier: 
chen hatte, nie wieder in politifche Verbindungen fich einzulafien. Won 
hien Sondy ein ganz Andrer geworden zu fein. Mit einer Schmeichelei 
vor dem Throne. Als nämlich Ludwig XIV. zu ihm fagte: „Cardinal, 
u weiße Haare befommen”, erwiberte er: „Sire, man ergraut geſchwind, 
u bie Ungnade Em. Majeſtaͤt trägt”. Er legte hierauf fein Erzbisthum 
erwaltete die Abtei St.:Denis, lebte eingezogen, befchränkte feine Beduͤrf⸗ 
jahlte feine ungeheuern Schulden und ertheilte auch noch feinen Freunden 
u Mit allen Parteien verföhnt, lebte der Mann, deſſen umfaffender, 
ins Romantijche ſtreifender Geift fich früher nur in den mannigfachen 
gungen politifcher Parteien gefallen hatte, jegt ruhig und zurädgezogen 
Beifer. „Der Cardinal Rep”, fagt Rochefaucault, „hat einen großen 
ber mehr Stolz als wahre Seelengröge. in außerordentliches Gedaͤcht⸗ 
sandtheit und Zierlichfeit des Ausdruds, und ein liebenswürbiges aͤuße⸗ 
men find ihm eigen. x fcheint ehrgeizig, ohne e6 zu fein, und feine 
gen gegen Mazarin waren weniger unternommen, diefen zu verdrängen, 
u furchtbar und bedeutend zu machen. In der Zeit ſeiner Gefangenfhaft 
mit Keftigkeit und Anftand benommen, und feine Freiheit verdankte er 
mbeit. So lange Majzarin lebte, hatte er, durch alle Studöweclel uns 

15 * 


228 Retzſch 


erſchuͤttert, feinen erzbiſchoͤfl. Stuhl behauptet; als fein Feind nicht mehr 
ſtieg er freiwillig davon herab. Als Cardinal hat er ſich durch fein Benehm 
den verſchiedenen Conclaven die Achtung feiner Mitbürger erworben. Obgiekl 
ziemlich vorherrfchender Hang zu Vergnuͤgungen und Müßiggang bei ihm fd 
war, fo war feine Thaͤtigkeit doch auch wieder erftaunlich, fobald fie durch Un 
angeregt wurde. Die Geiftedgegenmwart, mit der er die unvorhergefehenften 
fände zu erfaffen und zu wenden verftand, tft bewundernswerth, und ferne H 
[ungen mußten um fo mehr das Sepräge einer gewiffen Glaͤtte und Abwaͤgun 
ſichtragen, da er eigentlic, nie weder haßte noch recht liebte, obgleich er U 
fich mitunter zu zeigen bemuͤhte“ — Seine nachgelaffenen „Mcmoires” 
1718, 3 Thle; deutfh, Sena 1793, 3 Bde.) geben eine ſehr anziehenbe 
derung feiner Individualität. Eine Gefchichte der Verſchwoͤrung bes Sun t 
in Genua, die er als 17jähriger Juͤngling mit fihtbarer Vorliebe für feine 
den fchrieb, zeigte fchon damals die Neigung feines Gemuͤths: eine Bermesl 
bie dem Cardinal Richelieu auch nicht entging, als diefe Sugendarbeit Gondyl 
zu Geſichte tam. In den legten Zeiten feines Lebens kam cr felten nad) 
Er ſtarb daſelbſt 1679. Einige Fahre vor feinem Tode ſchickte er Clemens 
Gardinalshut zuruͤck, Willens, wie er vorgab, ſich ganz von der Melt zuruͤch 
hen; er erhielt ihn aber zurück mit dem Befehl des heil. Vaters, ihn zu bei 
bis an fein Ende. Bol. St.⸗Aulaire's „Hist. de la Fronde” (Paris 1827, 31 
deutſch, Leipzig 1827). | 
Retzſch (Morig), Profeffor an der Ein. ſaͤchſ. Akademie der Malt 
Dresden, geb. bafelbft d. 9. Dec. 1779. Seine Vorfahren flammen aus 
von wo fie, als Proteftanten verfolgt, nutgewandert waren. Schon als 
zeigte N. tiefe® Gefühl und eine feltne Feſtigkeit. Er und fein ältefter 
Auguſt befchäftigten ſich mit nicht lieber als mit Zeichnen und Illuminiren. 
gaben ſich einander darzuflellende Gegenftände auf und hielten 20 Jahre 
Tagebuch, worin fie von allen bebeutendern Ereigniffen illuminirte Zei 
entwarfen. - Auch fchnigte Morig Köpfe aus Holz, die fo ausdrucksvoll 
daß ſelbſt Renner fie gern betrachteten. Begabt mit einer glühenden 
fehr empfindlich gegen Unrecht aller Art, ftreng rechtlich, ehrgeizig, 
mg, komiſch und ausgelaffen, dann wieder ernft und ſchwermuͤthig: fo 
R. auf zum Juͤngling und zum Mann, ftets im Herzen tiefe Sehnſuch 
gend nad) dem Höhern und Ewigen. Beide Brüder wurden 20 Jahr alt, 
nut zu ahnen, daß fie der Kunft fih wibmen koͤnnten. Morig wollte Jäger 
den, weil er fi) nach Waldeinſamkeit und Muße zum Zeichnen fehnte. E 
ein Lehrer, der bie Sünglinge In der ſchoͤnen Riteratur unterrichtete, den Autl 
hat: „Moritz habe wol Kopf zum Studiren, allein er glaube, daß fid) weit 
ein Matergeift in ihm rege”, zerriß der Nebel, der den Brüdern ihre Zufunf 
huͤllte: Auguſt wählte die Landfchafts:, Morig die Geſchichtsmalerei. 17A 
M. auf die Akademie; fo unangenehm ihm bad Nachzeichnen war, da ec ti 
fetbft erfunden hatte, fo machte er doch [ehr rafche Kortfchritte. Später ſu 
er ımter der Leitung des Prof. Graſſi. Altes wurde ihm leicht, feine Erfindi 
fanden Beifall, denn in feinen Werken ſprach fidy tiefes Gemüth, Dichten 
tafie und ungemeine Grazie aus. Die traurigen Kriegsjahre 1806 — 14 & 
ten unfern Kimftler in feiner Laufbahn. Er war in jedem Sinn Verforger! 
ganzen Famllie; beiden fehr ſchweren Einquartirungslaſten, bie fie trafen, € 
er allein fie aufrecht halten. Tief fühlte der fir Kunft glühende Ihmgün] 
ſchwere Opfer, jeder Reiſe nach Stalien zu entfagen; ihn trieb ein edler U 
auf den Pfad der Selbftverleugnung. Sein geringes, theils ererbtes, theils fd 
erworbenes Vermögen zerrann in den Stürmen der Zeitz nur fein Talent bil 
umb bie Seinen aufrecht. Allem Nachahmen feind, wählte er nie die Gegenſ 






Reuchlin 229 


ſchon fo oft von allen Kuͤnſtlern mwieberho:t wurden; bagegen bot ihm 
be Feld der romantiſchen Dichtung die reichte Fülle friſcher Gegenſtaͤnde. 
fte er auch aus der Tiefe feines Gemuͤths Ideen der finnigften Dichtung, 
b je durch Malerei geftaltete. Meifterhaft führte er mehre Scenen aus 
m ciafjifcher Dichter aus. Wie ein echt poetifher Sinn feine Werke 
it, fo zeichnet fie der Zauber meifterhafter Haltung und Lichtvertheilung 
ht minder geiftvoll find feine Umriffe zu beruhmten Gedichten. Er zeich⸗ 
wdirte 1812 26 Blätter zu Goͤthe's „Fauſt“, die allgemeinen Beifall fan: 
onden nachgeſtochen wurben und ben Ruf des Künftlers in England und 
gründeten. 1816 malte er zwei Altarbilder mittlerer Größe. 1822 
von Cotta den Auftrag, faͤmmtl. Werke Schiller's mit Umriſſen zu be⸗ 
Seitdem vollendete er eine Folge radirter Blätter zu dem Gang nach dem 
mer und zu dem Kampf mit dem Drachen. Bon 1827 erfcheint f. Galerie 
ware’s dramat. Werken (mit deutfchen, engl. und fcanz. Textſtellen, Lpz. 
Bleifcher, in$.). Als Portraitmaler iſt R. fehr gluͤcklich im Auffaffen 
hleit und in geſchmackvoller Anordnung. Seine Miniaturportraite in 
gefallen allgemein. Er malte öfter die Prinzen und Prinzefjinnen des 
ſauſes. Doch wendet fich fein Talent mehr demjenigen Buche zu, worin 
finden Freiheit hat. — 1816 wurde Morig Retzſch Mitglied der dresd⸗ 
akademie und 1824 Profeffor. 13. 
uchlin (Sohann), gräcifirt auch Gapnio genarmt, war zu Pforzheim 
ı angefehenen Altern geb. Auf der Schule zu Schletejtädt zeichnete er 
Fleiß und gute Sitten aus. Seines fchönen Gefanges wegen wurbe er 
weile feines Landesherrn, des Markgrafen Karl von Baden aufgenommen. 
uf emannte ihn diefer Kürft zum Geſellſchafter und Reifegefährten feis 
ed, des nachmaligen Bifchofs Friedrich von Utrecht. So kam R. 1473 
Prinzen nad) Paris, um dort, auf der berühmteften Schule Damaliger 
Rubiren, und erwarb jene gründlichen Kenntniffe, die nachher im Vaters 
Höne Früchte trugen. Zwar mußte er ſchon 1475 Paris mit feinem Prin- 
x verlaffen, doch ließ er fich dadurch in feinen Studien nicht flören. 

erregte er das Erflaunen feiner deutſchen Landsleute durch feine für das 
it unerhörten Sprachkenntniffe, durch fein latein. Wörterbuch (unt. d, J. 
peus‘) und feine griech. Sprachlehre, beide die erften in Deutſchland. 
ER. abermals nach Frankreich, ſtudirte zu Orleans die Rechte, während 
ber Zeit die alten Sprachen lehrte, und erhielt zu Poitiers die juriftifche 
ude. 1481 Echrte er nad) Deutfchland zuruͤck und lehrte zu Tübingen 
Agemeinſten Beifall ſowol die Rechte al die ſchoͤnen Wiffenfchaften. Als 
f Eberhard der Bärtige von Wuͤrtemberg fi) 1487 zu einem Zuge nad 
ete, da nahm er R., al& den beften Rateiner in ganz Deutfchland, in fein 
— Die wiffenfhaftlichen Schäge, die Lorenzo der Mediceer in Florenz 
k, ſewie die von Rom, eröffneten fich jest R.’& mißbegierigem Geifte, 
w erflen und berühmteften Gelehrten Staliend in Berührung fam. Bei 
be nad) Deutſchland liek Eberhard den tulentvolien Mann nicht mehr 

Kaifer Friedrich III. erhob ihn in den Reichsadelſtand 1402, gab ihm 
Pfalzgraf und Eaiferl. Ruth, und ſchenkte ihm eine Eoftbare hebr. Hants 

alten Teſt. Nach Eberhards Tode begab fih R. an den Hof des Kurs 
Klipp von der Pfalz, mo er mehre Sahre in Befellfchaft dieſes Wiſſen⸗ 
mden Kürften, feines Kanzler Dalberg und andrer großen Gelehrten 
8 lebte. Hier berricherte er die heidelberger Bibliothek durch Hands 
ed Werke der in jener Zeit erfundenen Buchdruckerkunſt. Da der edle 
sizdy elende Verleumdung am römifcen Hofe angeſchwaͤrzt, ja fogar in 
an murbe, fo brynb ſich I. noch einmal nad) Rom und vortkeitigte hier 


230 Reuchlin 


mit ebenfo viel Klugheit als Berebtfamkeit das Recht feines Sürften, ! 
Losfprechung von Alerander VI. erhielt. R. benuste feinen faft ein Jahr 
Aufenthalt in Rom zur Erweiterung feiner griech. und hebr. Sprachken: 
beſte. Gern hätte ihn der dankbare Rucförf von der Pfalz auf imme 
Hofe behalten, aber in Würtemberg war der rechtmäßige Erbe zur Ne 
langt, und R. glaubte, deffen Ruf nicht ablehnen zu dürfen. Er mu 
zum Vorſitzer des Bundesgerichts ernannt, das von den ſchwaͤbiſchen 
gen bie Anmaßungen des Haufes Baiern errichtet worden war. Außer 
ausgedehnten Wirkungskreife arbeitete R. noch eine überſ. der Bußpſa 
hebr. Sprachlehre und ein hebr. Wörterbud, aus; auch berichtigte er 
überfegung. Weil er feinen Verwandten Melanchthon auf die Bahn 
wo biefer in ber Folge im Verein mit Luther fo wohlthätig wirkte, ta 
als einen Vorarbeiter ber Reformation betrachten. Es Eonnte jedoch ı 
dag in einem Zeitalter, in welchem Finſterniß und Pfaffenthum noch | 
Herrſchaft übten, R. nicht Anfeindungen hätte ertragen müffen. E 
Jude, Joh. Pfefferkorn, umd ein gewiſſer Jak. Hoogftraten, waren d 
biefer blinden Eiferer und griffen die hebr. Sprachkunde an. Sie 
fonft fo umſichtigen Kaiſer Marimiltan zu bereden, daß alle hebr. Sch 
Alte Teft. ausgenommen, eitel ſchlecht und verwerflich Gut wären. 
der Kalfer (1519) den Befehl, diefe Schriften in allen feinen Landen 
nen; doch fügte er hinzu, es möge dabei allemal ein weltlicher Gele 
Math gezogen werden. Dies rettete die orientalifche Literatur. R. ſet 
Katfer in einer Schrift auseinander, daß diefe Werke, ftatt dem Chri 
ſchaden, im Gegentheil zu feiner Ehre und Verherrlichung dienten, d 
dium gelehrte und tapfere Kämpfer erwecke, die für die Ehre der Chriftı 
ten, und man den Feinden derfelben durch Vertilgung diefer Bücher ı 
in die Hände geben würde. Diefe Darftellung R.'s erbitterte die C 
mehr. Zehn Jahre dauerte der Federkrieg. Auf der einen Seite ftande: 
ten umb die Univerfitäten Paris, Löwen, Erfurt und Mainz, auf der an 
Iin und die gelehrteften und aufgeklärteften Männer aller Länder. 1 
von den Schmähreden und felbft den Bannftrahlen feiner Gegner, braı 
Sache endlich vor den Richterftuhl des Papftes. Jetzt eilten feine ( 
Rom, um die Richter mit Gold zu gewinnen. Für R. fprady nur di 
Da trat endlich, als für ihn die Sache am ſchlimmſten ftand, Mar 
bereuend, bag er zu fo widrigem Streit Veranlaffung gegeben, und e 
MR. ein maderer, gelehrter und Gott wohlgefälliger Mann fei, und dı 
wohlthun werbe, feinen beifigen Gegnern Schweigen zu gebieten. 
Kaifers Wort ertönte auch das der edeln Ritter Franz v. Sidingen ı 
Hutten, bie fich zugleich bereit erflärten, im Fall die Zunge nicht ausr 
in diefem Streit, ihre Schwerter zu gebrauchen. Um die damalige 30 
die „„Epistolae obscurorum virorum‘, wodurch R.'s Gegner dem | 
gegeben wurden. Dies gab der Sache eine andre Wendung; der vo 
nannte Schiedsrichter, der Erzbifchof von Speier, entfchied für R. € 
mußten fchmeigen und die Koften des Streits bezahlen. Bald dara 
Streitigkeiten in Sachfen zwiſchen Luther und Tezel die Aufmer 
Machthaber und Gelehrten von jenem Vorkampfe der Vernunft auf di 
Reformation hin. Neue Unruhe follte jedoch R.’8 Tage trüben. H 
fonft gut und brav, hatte in übereilter Hige die Stadt Reutlingen 
war Mitglied des fchmäbifchen Bundes, und diefer rüftete fi), die U 
ſtrafen. Um nicht gegen feinen Landesherrn fprechen zu müffen, hatte ! 
als Bundesrichter niedergelegt; dennoch ward er von den Verblindet 
Betog Wilhelm von Baiern, Anführer des Bundesheeres, dachte 


Reuß 281 


frei zu laſſen, und ſtellte ihn als Lehrer auf der hohen Schule zu Ingol⸗ 
Den Verluſt feiner Habe und Bücher ſuchte ihm fein reicher und edel⸗ 
Freund, Willibald Pirkheimer, Rathsherr zu Nürnberg, zu erfegen. 
aach Wittenberg ſchlug R. aus und empfahl dafür Melanchthon. Als 
Peſt in Ingolſtadt wuͤthete, begab er ſich nach Tübingen, wo er, entfernt 
ügefchäften, aufs neue den Wiffenfchaften lebte. Als er aber von einer 
a Gelbfucht ergriffen ward, ließ er ſich nach Stuttgart bringen und en⸗ 
3%. Suni 1522 fein ſchoͤnes, dem Vaterlande und der Welt nüsliches 
Keine für damalige Zeit vortrefflihe Bibliothek fchenkte er feiner Water: 
beim. Mol. Meiners's Lebensbeſchr. RE. 
ıbauf, f. Reuvertrag. 
ıniondfammern, f. Ludwigs XIV. Regierung. 
18 (Zürften und Grafen). Der Urfprung diefes fürfti. und gräfl. Haus: 
wiß. Bereits um 1084 lebte Heinrich I., Graf von Gleitsberg oder 
ein Nachkomme ber Grafen von Luxemburg oder Lügelburg, von benen 
Raifee Heinrich VII., Karl IV., Wenzel und Sigmund abftammten. 
L von Glitzberg Sohn war Heinrich II., der Stammvater des Geſammt⸗ 
WB. Er war Beherefcher bes ganzen Voigtlande® und wurde, nad) der 
bauten Stadt, edler Voigt von Weida genannt. Sein Sohn, Heinrich 
der Dicke oder Reiche), theilte fein Gebiet ımter feine 4 Soͤhne, von 
ine Vogt und Herr zu Weiba, ber zweite zu Plauen, ber dritte zu Greitz 
te zu Gera wurde. Die greibifche Linie erloſch 1236, die weidaifche 
die geraifche 1550, ſodaß nur die plauenfche, welche fid) in den Enkeln 
ters wieder in bie Ältere und die jüngere Linie theilte, uͤbrigblieb. Die 
m 1526 die Burggraffchaft Meiken und die mit derfelben verbundene 
irde, nebft Sig und Stimme auf den Reichstagen , ftarb aber mit 
U., DBurggrafen von Meißen, 1572 aus. S$ene jüngere, noch unter 
uß⸗Plauen fortblühende Linie fliftete Heinrich der Füngere, wel⸗ 
euffe ( Rufen Ruszo), ſowie fein älterer ohne Erben verftorbene Bruder 
e genannt wurde. Won ihm behielt das Geſchlecht der jegigen Fuͤrſten 
m Reuß ben legtern Namen bei. Heinrich Neuß, Herr zu Plauen, 
Kranichfeld, hinterließ 1535 drei Söhne, welche die Ältere, mittlere 
e Linie flifteten. Die mittlere erloſch 1616, die andern beiden beftehen 
r ältere hatte fich wieder in die Linien Ober = Greig und Unter = Greig ges 
ters Öceig flarb 1768 aus, und Ober: Greig fuccedirte In die unters 
Lande, wurde am 15. Mai 1778, mit Beziehung auf die ehemalige 
meißmifche Fuͤrſtenwuͤrde, in den Reichsfürftenftand erhoben und erhielt 
Reich&beputationsabfchied von 1803 im Fürftenrath eine eigne Stimme. 
re Hauptlinie theilte ſich in die geraifche, die fchleigifche, won welcher die 
ein Nebenzweig ift, und bie 1790 in den Sürftenftand erhobene loben⸗ 
on welcher bie beiden Afte zu Seibig und zu Ebersborf Nebenlinien wa⸗ 
die geraifche Linie 1802 ausſtarb, theilten ſich Kobenftein, Eberstorf 
ie in die Erbſchaft, ſodaß Kobenftein und Ebersdorf die eine, Schleig 
ne andre Hälfte erhielt. Bis jegt ift aber Befig und Verwaltung noch 
felich. 1805 ſtarb der Kürft von Lobenftein ohne männliche Nachkom⸗ 
ihre folgte die Nebenlinie zu Selbis in dem Befit feiner Lande als Graf 
kein; auch diefe Linie erlofch d. 7. Mai 1824, ſodaß von der jungern 
rjegedie [chleigifche und die ebersdorfifheslobenfteinifde 
wiche 1806 in den Färftenftand erhoben wurden. Erſt in der legten 
17. Jahrh. fingen die Grafen von Reuß, nachdem fie ſich lange Zeit 
en Herren von Plauen genannt hatten, wieder an, den ſchon in ben fruͤ⸗ 
ehunderten geführten gräfl. Titel zu gebrauchen. Nicht aber nahmen 


252 " Reuß 


fie nach dem Abgange der Burggrafen von Meißen die fürftl. Wuͤ 
fie durch das vom Kaiſer Sigmund 1426 dem Burggrafen erthei 
berechtigt geivefen wären. — Alle männliche Perfonen des Hau 
fett d. 11. Jahrh. bloß den Namen Heinrih. Fruͤher unterfdie 
Bezeichnung ihres Alters oder irgend einer phyſiſchen oder moralif 
3. B. der Ältere, der Dicke, der Sriedfertige u. f. w., 1668 aber 
dag man fich durch Zahlen unterfcheiden, und zwar jebe Hauptlin 
wollte. Keine Nebenlinie zähle für ſich, fondern alle männlich 
Dauptlinie werben fo gezählt, wie fie nad) einander geboren werd 
man feft, daß man bis hundert zählen wollte. — Am 18. April 
4 regierenden Fürften zum Nheinbunde; 1815 wurden fie Mit 
fhen Bundes, bei welchem fie mit Hohenzollern, Kiechtenftein, ‘ 
Detmold und Schaumburg » Lippe in der engern Verfammlung 
haben. In der mweitern Verfammlung haben die beiden Haupt 
und jüngere, jede eine befondere Stimme. — Das Gefammthau 
fi mit feinen Unterthanen zur luthirifhen Religion bekennt, 
Heinrich der . . aͤlterer (oder jüngerer) Linie Reuß, Zürft, C 
Plauen, Herr zu Steig, Kranichfeld, Gera, Schleitz und Lobe 
tefte vegierende Herr des ganzen Haufes Neuß führt außerden no« 
ganzen Stammes Altefter, und der Ältefle regierende Herr der an 
Adjunct. S. Majer’s „Chronik des fürfti. Haufes der Reuß 
(Reipzig 1811). 

Die reußifchen Lande machen einen Theil des von den Vorfe 
und Grafen Reuß beherrfchten Voigtlandes aus und liegen zreifcher 
walbe und dem Erzgebirge. Durch den neuftädter Kreis des C 
Sachfen werden fie in 2 Theile getrennt, ſodaß die Herrſchafter 
Schleitz und Lobenftein mit dem Amte Saalburg ein Ganzes bi 
N. und D. von dem Königreich und dem Großherzogthum Sa 
von den baitifchen Fuͤrſtenthuͤmern Baireuth- und Bamberg, un 
Meiningen » Saalfeld und Schwarzburg » Rudolftadt begrenzt we 
fhaft Gera aber wird im ©. von dem Königreich Suchen, im 
dem Kürftenthum Altenburg und im N. von dem Herzogthum £ 
Von dem ganzen Staate (23 TM., 77,800 Einmw.) gehören 1) 
Neuß : Steig 7 OM. mit 23,000 Einw., 2 Staͤdten, 1 Masttfi 
140,000 Fl. Eint.; 2) dem Fürften von Reuß⸗-Schleitz 6 
Einw., 2 Städten, 1 Marktfl., 41 Dörf.; 130,000 Zt. Einf. ; 
benſtein⸗ Ebersdorf 74 TM., 15,200 Einw., 2St., 181, 60T 
Eine. In der den beiden jüngern Linien gemeinſchaftlich gebi 
Gera mit dem Amte Saalburg (7+TIM.) find 3 Städte, 89 T 
Einw. Bon den Einf. (an 150,000 $1.) erhält jede Linie die J 
Länder find bergig, befonders der füdl. Theil, durch welchen fid) 
(eine Kortf. des Thlringerwaldes) mit dem an 2300 Fuß hoben 
Kulm zieht, haben aber gut angebaute Thaͤler, worunter die 
welche die Saale und Eifter (die Hauptflüffe diefer Linder) bucdhf 
barften find, vortreffliche Laub⸗ und Nadelmaldungen und Wieſe 
an Wildpret und ſtarke Viehzucht. Der Getreideban ift für den 
reichend; Sartenfrüchte, Obft und Hopfen werden gleichfalls nı 
baut. An Mineralien hat das Land Silber, Kupfer, Blei, Ei 
triolu. few. Die Einm. find aͤußerſt fleifig und betriebſam; fi 
vorzüglich mit Wollen: und Baummollenmanufactur, Stumpf 
wollenfpinneret für in» und ausländ. Munufacturen, Hut», Pe 
badöfabrication, mit Ledergerberei, Alaun = und Vitriolficderei ı 


Reuvertrag Reval 238 


Die Wollenmanufacturen haben ihren vornehmſten Sitz zu Gera, wo 
nften Faͤrbereien unterhalten werben, Greitz, Lobenſtein, Markt⸗Ho⸗ 
nd Schleitz; die meiſten Baumwollenmanufacturen befinden ſich zu 
Ebersdorf ‚ Zeulenroda und Markt⸗ ⸗Hohenleuben. Mit dieſen Er⸗ 
ird ein nicht unbedeutender Handel getrieben, vorzuͤglich auf den leipzi⸗ 
Übrigens kann das Land bloß Vich und Holz ausführen. — Für 
ven Unterricht ift gut geforgt. Zu Greig und Schleig find lat. Schus 
Sera ein wohleingerichteted Gymnaſium. Auch find zu Greis Schul⸗ 
y Predigerfeminarien. — Die Landftände beftehen aus der Ritterfchaft, 
ı und Pflegen ( Gemeinden). Die Linie zu Greig hat dafelbft ein Re: 
nd Juſtizcolleglum, ein Kammers, Finanz⸗ =, Forſt⸗ und Ökonomie: 
- Die jüngere Linie hat feit 1604 eine gemeinfchaftliche Regierung, 
I Suftigcollegium und Gonfiftorium, eine Kammercommiffion, ein ges 
hes Amt und ein Landgericht. Diefe Behörden haben nad) dem An- 
a auch bie verfchiebenen Geſchaͤftszweige der Verwaltung dieſer Herr: 
forgen. Außerdem hat jedes regierende Hauß der jüngern Linie noch 
abinets⸗?, Regierung = und Kammerbeamte, ſowie auch jeder Kürft 
imismäßigen Kriegsſtaat hält. Zum Bundesheere ſtellt die ditere Li⸗ 
‚ die jüngere 538 Mann, zuf. 1 Bat. zur 1. Divif. des 9. Heerhau⸗ 
deuß⸗Koͤſtritz (Mebenaft von Schleig) ift mit der Pflege Reichenfels 
‚ andern Gütern, wie Köftris, paragirt. Diefe, fowie die fhleiger 
sfer Linie, befigen noch anfehnlicye mittelbare Güter, z. B. Ebersdorf 
he Erbherrſchaft. K.K. 
vertrag (paetum displicentiae), ein Nebenvertrag, vermöge def: 
ge ber Contrahenten ausbedingt, von dem Dauptvertrage wieder abge: 
u. Beidem Kaufe wird er Reufauf genannt. Dadurch behalten 
Käufer, bald der Verkäufer, bald aber auch Beide das Recht vor, nach 
m dem gefchloffenen Kaufe abzugehen. Gewoͤhnlich wird dabei eine 
mme feftgefest, welche der Abtretende bem andern bezahlen muß. Zum 
Reuvertrags gehört dies jedoch nicht. Obſchon die Gefege ſich daruͤber 
ſprechen, daß die Neue bier das Geſchaͤft als Nefolutivbedingung auf: 
es doch bei diefer Bedingung noch an ſich ftreitig, ob die Früchte ruͤck⸗ 
Ser Zeit ber erfolgten Übergabe, zu erfegen find. Rathſam ift c# da- 
m etwas feftzufeben, wiees, wenn etiwa die Aufhebung des Vertrags 
ee Übergabe der Sache und zum Theil oder ganz geleifteter Zahlung er: 
ichtlich der gegenfeitigen Berechnung gehalten werden foll; auch forge 
daß, wenn man eine beftimmte Friſt zur Neue nicht feftfegen will, dem 
e die Bedingung auf ewige Zeit eingeruͤckt werde, weil bei einer ganz 
t gelaflenen Zeit nach der Behauptung Mancher das Recht der Meue 
Tagen ausgeübt werben muß. * En. 
al, Hauptſt. des ruſſ. Gouvernements Eſthland am finniſchen Meer: 
einem 1824 zum Waffenplatze für die Oſtſeemarine und zum Anker⸗ 
ie kronſtaͤdtiſche Kriegsflotte eingerichteten Hafın. Sie iſt ſtark befe⸗ 
xt aus ber eigentlichen Stadt mit engen, unregelmäßigen Gaſſen, dem 
und 2 Morftädten, hat 1600 Häufer, daven über 1000 in den Vor: 
therifche Kirchen, darunter die Domkirche, mit einem fehr hohen und 
zerne, 6 wuflifche und 1 Eathol. Kirche, eine Ritterakademie und 15,000 
se einigen Scehandel treiben, indem jührlich über 100 Schiffe in den 
mfen ; doch beträgt die jährl. Ausfuhr nur 500,000 Rubel. Reval 
iegel⸗, e. Leder: und e. Strumpffabrik, e. Stud = und Glockengießerei, 
kupferhammer, cine Börfe, ein Theater, ein Land» und Sechofpitul, 
. 6. IM. 


234  NReventlau (Kamilie) Revolution 


Reventlau, eine alte angefehene gräfliche Familie in Dänemark, 
wig und Holftein, die ihrem Vaterlande mehre verdiente Staat6männer ı 
nifter gegeben hat. Johann Ludwig, Graf Reventlau (geb. 1751, get 
fuchte auf feiner Baronie Brahe⸗Trolleburg die Bauern und Einm. du 
hebung der Srohnbienfte, durch andre zweckmaͤßige Mittel und durch f. eigı 
fpiel zu guten Menſchen und tüchtigen, wohlhabenden Landwirthen zu bifbı 
von ihm angelegten Schul: und Armenanftalten koͤnnen auch für andre U 
Muftern dienen und werden das Andenken dieſes edeln Mannes erhalten. 
Samilie theilt fih in 2 Linten, deren Stammpvater, Konrad, in Dithmarf 
tert war. Die ältere Linie befist auch die bedeutende Grafſchaft Chri 
auf Laland. | 

- Reverbere, ein policter Hohlfpiegel, ber dazu dient, bie hinelnf 
Lichtſtrahlen verſtaͤrkt zuruͤckzuwerfen. An den in neuern Zeiten in mehre 
Städten eingeführten Laternen zur Straßenbeleuchtung befinden fich old 
fpiegel von glänzendem Metall; daher die Benennung Neverberirlat 
— Zur Reverberation in der Chemie (db. 5. zum Verkalken im A 
feuer) bedient man fidy eines Reverberirofens, der fo eingerichtet‘ 
bie Hige des Feuers nicht nur verftärkt aus ihm ftrömt, fondern auch bem 
der zum Verkalken gebracht werden foll, von allen Seiten rund umgibt. 

Revers, eine fohriftliche Segenverpflihtung, ein Angelöbnig, Di 
Jenes zu leiften oder zu unterlaffen, auch ein Verwahrungsfchein, eine ff 
DBerfiherung, daß eine gewiffe Handlung Andern nicht nadıtheilig fei, ode 
kommenden Fällen gegen ihn wiederholt oder fonft gemißbraucht werben 
versbriefe, Reverſe, Reverfalien werden die Verficdherungen: 
in denen ein Fuͤrſt beim Antritt feiner Regierung, bei Huldigung ber 
fonft vorfallenden Gelegenheiten fidy anheiſchig macht, die Mechte, Fr 
vilegien u. ſ. w. feiner Unterthanen nicht anzutaften; ferner die Verfich 
ne, welche Obrigkeiten fich in Betreff ihrer Rechte und Gerichtsbark 
geben. Revers nennt man auch in den Oftfeeftädten (Reval, Di 
fheine, die in bedeutender Zahl von angefehenen Handelshäufern auf g 
Landesgeld (Silberrubel, Bankaffignationen) ausgeftelt, wie baares 
Umlauf gefegt und gegen ſolches von ben Ausftellern jederzeit auf Werlag 
gelöft werden. (Vgl. Papiergeld.) Ihe Umlaufkreis erſtreckt ſich niche 
Mohnort des Ausftellers; dennoch hatte das Haus Zuderbeder und KU 
fich bei feinem Falliffement ergab, allein einige Millionen folcher Never 
ſtellt. (S. auch Muͤnzkunde.) 

Revolution, eine Um: oder Zuruͤckwaͤlzung (von revolvere, & 
zuruͤckwaͤlzen). Der Phyſiolog nennt Revolutionen alle Veränderumgen, | 
die Verfchiedenheit des Alter, des Gefchlechts, des Temperaments, burd 
heiten, Zeidenfchaften, Lebensweiſe in der thierifchen Okonomie heroorgebur 
den. Die Aftronomen verftehen darunter die Bewegung eines kleinern! 
pers um einen größern, der ihn durch das übergewicht feiner Anziehung 
berrfcht, 3. B. des Mondes um die Erde, der Erde um die Sonne. 
Revolution geht Alles feinen gefegmäßigen Gang. Die Geologen — 
ter ſolche Kataſtrophen auf der Erde, wodurch der natürliche Lauf oder da 
liche Verhaͤltniß der irdifchen Dinge eine bedeutende Veränderung 
wenn durch große Wafferfluten, Erdbeben u. dgl. die Oberfläche der 
geftaltet wird. (S. Geognoſie.) Solche Revolutionen haben zwar 
Grund in den allgemeinen Naturgefegen , erfcheinen aber doch in ihren 
als etwas von der gemöhnlihen Ordnung der Dinge Abweichendes, w 
ches bisher Beftandene aufgehoben oder zerftört wird. Diefe Bedeutung 
te8 bat man auf die moralifche Welt übertragen. So fagt man von 


Revolution 255 


Denfart und Sefinnung ſich plöglich ganz verändert hat, es ſei zum 
m Böfen, daß eine Revolution in ihm vorgegangen fei. — Ders 
tionen koͤnnen ſich nun auch in der politifchen Welt ereignen. Denn 
taaten find als moralifche Perfonen zu betrachten, die in Anfehung 
wol als äußern Befchaffenheit fich ebenfo fehr verändern koͤnnen als 
Eine Veränderung diefer Art heißt eine politifche Revolution 
tsummälung. Solche Revolutionen find unvermeidlich, wenn ein 
Rißverhättnig zwiſchen den Kräften, von deren harmonifchem Zu⸗ 
das politifche Leben eines Volkes abhängt, eingetreten ift. Sie 
en Stürmen zu vergleichen, welche aus dem aufgehobenen Gleich⸗ 
mofphärifchen Luft in Anfehung der Elafticität ihrer Theile entfprin- 
an alfo den Revolutionen vorbeugen, fo kann dies nur durch allmaͤ⸗ 
mäse Änderungen geſchehen, bucch welche die Verfaffung und Ver: 
Staates der jedesmaligen Bildungsftufe und den daraus hervorge⸗ 
niffen des Volkes entfprechenber gemacht wird. Wenn bagegen die 
8 Staates hartnädig auf dem einmal Beftehenden beharrt, wenn 
unkte dem Zeitgeifte nachgeben will, wenn fie bie ohnehin fchon laͤ⸗ 
n noch vermehrt und Überhaupt mit herrifcher Willkür die Zügel 
anzieht, während das zur Mündigkeit herangereifte Volk fich nach 
olitiſchen Leben fehnt; wenn fie wol gar in das innerfte und heiligfte 
Menſchen, in das Gebiet des Gewiffens und der Überzeugung, ges 
griffe wagt, fo müffen NRevolutionen erfolgen. Seit der chriſtl. 
yaben 135 Regenten den Thron verloren. Nur 2 Mat fällt diefe 
revolutionen; 47 Mal auf Deere; 40 Mal auf Rivale der Macht; 
Dipfte und Geiftlichkeit. (S. Kolb, „Ki. Schr. polit. u. geſchichtl. 
1826.) Volkstevolutionen aus den oben angegebenen Urſachen wa⸗ 
Revol. von England 1688. Sie wurde veranlaßt durch Ja⸗ 
en, die bereits in frühern Zeiten durch die Magna charta und die 
Be Acte befchränkte koͤnigl. Macht wieder unumfchränkt zu machen und 
(. Religion, deren Bekenner feit 1673 durch die Zeftacte von allen 
mtern audgefchloffen waren, und der er heimlich anhing, wieder zur 
serbeben. Dan rief daher den Statthalter der Verein. Niederlande, 
von Dranien, Jakobs Schwiegerfohn, zu Huͤlfe, welcher im Nov. 
mb landete, den König nöthigte, mit feiner Familie nad) Frankreich 
d unter dem N. Wilhelm III. zum König ernannt wurde. Von die: 
feftigte fid) die freie Verfaffung, wodurch England einen fo hohen 
angte. Denn Wilhelm beftätigte durch die Bill of rights nidyt nur 
schte des Volkes, fondern fügte denſelben nod) neue hinzu. Auch 
die Preßfreiheit, ohne welche Beine freie Verfaffung gedeihen kann, 
Nemwol weniger durch beftimmte Geſetze als durd) [hügende Staate- 
mb durch die Macht der öffentlichen Meinung begründet. Diefe 
olgte ohne alles Blutvergießen, obwol früher auch in England bein 
reiheit mit dem Despotismus Blut genug gefloffen war. (M. f. 
ise. de la revolut. de 1688, en Anglet.”, Paris 1827, 3 Bde.) 
ramerilanifhe Revolution. Sie verwandelte die britifch = 
chen Golonien in einen Freiftant. Die Urfache derſelben war die 
Behandlung der Golonien von Seiten des Hauptſtaates durch Be⸗ 
® Handels und Auflegung willkuͤrliche Abgaben. Deßwegen ver: 
ich einigen Thaͤtlichkeiten wegen einer den Goloniften verhaften Auf: 
bee, 177% zuerft 12 Colonien auf einem Generalcongreſſe zu Phi⸗ 
veren Abgefandte alle Einfuhr engi. Erzeugniffe, ſowie alle Ausfuhr 
srboten. 1775 trat Brorgien dem Gongreffe bei und Walhingten 


256 Revolutionstribunal 


als Obergeneral an die Spige der 13 Verein. Provinzen, die aber erſt d. 
1776, nad) einigen gluͤcklichen Gefechten, ihre Unabhängigkeit erfläctem, 
1783 von England felbft anerkannt werben mußte. Diefe Revolutiug 
viel Blut und hatte fpäter die Freiwerdung des fpaniihen Amerika 
3) Die franzöfifhe Revolution, unftreitig bie —— a 
die biutigfte und graufamfte von allen. Laͤngſt hatten die Gedanken, bi 
und die Wünfche der gebildeten Claſſen in Frankreich einen freien Schu 
nommen, als die Negierung noch immer ihren alten despotifchen 
willkuͤrliche Verhaftungen vornahm, die Bauern von dem Drude bes 
der Seiftlichkeit nicht befreite und dabei immerfort mebr aufwanbte, 
nahm. Die hieraus entftandene Finanznoth beflimmte die Regierung, 
Stände bes Reiche zufammenzurufen. Weil aber, wie gewöhnlich, 
Geiſtlichkeit dem dritten Stande die Hauptlaften aufwälzen wollten, 
die 600 Abgeordneten deffelben für eine Nationalverfaramiung, welcher 
verfchiedene Abgeordnete der beiden andern Stände und zulest alle bei 
Berfammlung hob das Lehnsſyſtera auf, proclamirte die Rechte des 
des Bürger und entwarf eine neue Verfaffung, die nad) dem Muſter 
(hen zwar monardifch, aber gleich diefer gefeglich beſchraͤnkt fein folkted 
trat an die Stelle diefer erftern Gonftitution eine zweite, dritte und viertel 
gefammt republifanifch waren, bis Napoleon nad) und nad) die Mon 
herſtellte. — Frankreich ift während biefer Revolution durch allerlei po 
men bindurdygegangen und zuiegt felbft zu den Bourbons zuruͤckgekehrt 
dennod an innerer Kraft, ſowie durch die von Ludwig KVIIL-gege 
eine im Ganzen liberale VBerfaffung gewonnen. ©. die Literat. im 
leon, Schriften über feine Zeit, fowie die Art. Sudame 
polit.=, Piemontef. Revolut. und Öriehenaufftand. — 
volutionen find demnach große Übel, aber vielleicht nothiwendig, um im 
borbenen politifhen Sphäre bie Luft zu reinigen und neues Leben 
Deutſchland hat feine Revolution gemacht. Das deutfche Reich iſt au 
geiftliche und viele weltliche Stände find verfchwunden, die noch beft 
fhen Staaten find fouverain geworden, haben ihren Länderbefig zum . 
verändert und fidy in einem Staatenbunde vereinigt, dergleichen die Zeil 
gefehen. Dennoch ift Deutfchland im Ganzen nicht eigentlich vevoluttemlk 
Hauptfinaten, Öftreih, Preußen, Baiern, Sachen, Danover, Wird 
Baden, Heffen ıc., beftehen noch mit ihren alten $ürftenhäufern; auf 
nehmften reichsftädtifhen Republiken haben fich als republitanifche Bud 
erhalten, und felbft der neue deutſche Bund ift in vielem Stüden dent ad 
ſchen Reiche ähnlich, das ja zulegt dem Wefen nad) mehr ein Staatemfl 
ein Reid) war. Gleichwol ift nicht zu verkennen, daß man in Deutflg 
überall nach ftellvertretenden VBerfaffungen, Milderung der Auflagen, 1 
derung der ftehenden Truppen, gleicher Vertheilung der Staatslaſten u. f.A 
Da indeffen der Deutſche überhaupt ruhiger und beformener ift, und bad 
(hen Fürften das Wohl ihrer Völker durch weife Reformen befördern, | 
Deutfchland ſich erneuen, ohne eine eigentliche Revolution erlebt zu haben 
Revolutionstribunal. Diefes Gericht der blutigſten 
ftand, u. d. N. eines außerorbentt. Grininalgerichts, 11. Mär; 1793 
am 8. Brum. (im Dct. 1793) den Namen trib. revolutionnaire, 
tionalconvente die Partei des Berges über bie der Gironde die Ok 
Seiner Beflimmung gemäß follte das Revolutionstribunal alle Diej 
fen, die gegen den Gang der Revolution waren und ſich als Anhänger 
hauſes verdächtig machten. Es laͤßt fich denken, welcher ungeheure 
Der Bosheit, dem Haß und dem Verfolgungsgeijte Durch einen ſolchen 























Reynolds 287 


', bex fich an Feine Formalitäten band, immer nur das Tobesurtheil 
e wahren Punkte der Anklage, zulest faum mehr die Ramen der 
unterfuchte, die eine Rotte von Angebern (an deren Spige das Uns 
ier » Zinville fland) ihm täglich juführte. Trotz dem, daß von feinem 
n an das Revolutionstribunal faft unaufhörlic) feine Hände in Blut 
ı doch bald ten immer grimmiger wuͤthenden Satobinern das Ver: 
umftändlid) und langſam, und als 1794 die Girondiſten völlig ge: 
ein Mobespierre ımd ähnliche Ungeheuer herrfchten, da trug der 
sfchuß darauf an, daß das Tribunal mit der Verurtheilung ſich mehr 
ein Vorſchlag, der auch vom Gonvente gebilligt wurde. Won jet 
Hefem entfeglichen Gerichtshof jede einzelne Anklage auf. Fouquier⸗ 
feine Rotten reichten täglich lange Liften Unglüdlicher ein, die des 
an der Republik befyuldigt wurden. Ohne zu unterfuchen, ob, in: 
uf weiche Art die Armen diefe Anklage verdienten, wurden fie vor 
bi gefchleppt, einer ganzen Schar immer auf einmal das angeſchul⸗ 
m und zugleich das Zobesurtheil vorgelefen, ihre Vertheidigung nicht 
bft nicht einmal darauf Rüdficht genommen, ob diefe Unglüdlichen 
saren, bie bie Anklagelifte benannte, oder ob (welches häufig der Fall 
nenverwechſelung ftattfinde, und dann zur Guillotine geführt. Wie 
ber täglich Gemordeten war, erhellt daraus, daß man im Juni 1794 
ſah, die Guillotine auf einen andern Platz zu fchaffen, da der Bo⸗ 
fie bis dahin ftand, von dem Blute fo fchlüpfrig geroorden war, daß 
nen fichern Tritt mehr thun konnten. Bekanntlich find feit Errich: 
Hutionstrib. am 11. März 1793 bis zum 27. Juli 1794, nad) dem 
ffeiben 277% Derfonen, darunter ein Greis von 97 3. u. ein 14jähr. 
nirt roorden. (Dol. „Revelations de Scenart”, eines Beamten des 
ib.) — Außer diefem zu Paris beftehenden Revolutionstribimale 
in den größern Städten der Provinzen ähnliche errichtet, und Mans 
was, Strasburg und viele andre Staͤdte fahen in ihren Mauern das 
fptel wieberholen, welches Paris tiglicd gab. Da aber biefe Art, 
n Feinde der Republik zu morden, den Ungeheuern, die damals 
berrfchten, noch immer zu langſam erfchien, fo nahmen fie ihre Zu⸗ 
Befchießungen in Maffe (Fuſilladen, Mitrailladen) und fogen. repu: 
jechzeiten, two Hunderte, Paar und Paar aneinandergebimden, in 
mtamen. — Als endlich Mobespierre und mit ihm die Bergpartei 
', da befahl der Convent dem Mevolutionstribunale mehr Maͤßigung 
5, umb im Anfang 1795 erntete, von demfelben Mordgerichte ver= 
er fo viele Schlachtopfer angeführt hatte, Fouquier⸗Tinville 
Imm Haufen feiner Helfershelfer feinen Kohn. Noch in demf. Jahr 
bolmtionstribunal ganz aufgehoben und an deſſen Stelle eine Mili⸗ 
ı gefegt, deren Wirkſamkeit aber bald auf militairifche Verbrechen 
Fruͤher ale das zu Paris hörten die in den andern Städten Frank⸗ 
m Revolutionstribunale auf. 
Id s (Jofhua), der berühmtefte Maler der englifhen Schule und 
hnteſten neuern Portraitmaler, war zu Plnmpton in Devonfhire 
ihn fein Vater, ein Geiftlicher und Schullehrer, bis zu feinen Juͤng⸗ 
terrichtete. Obgleich der junge R. beflimmt war, die Arzneikunde 
» erlaubte ihn: fein Water doch, friner Neigung zur Malerei zu fol 
arch Lecture diefe Kunſt betreffender Werke, befonders durch Ri⸗ 
anblung geweckt und durch übung unterhalten worden war. Ce 
Enbe zu einem Bildnißmaler Hudfon gebracht, ber zwar bloß Ge: 
er body ein guter Beurtheiler ber Arbeiten feiner Schuler war. N. 


238 Rhabarber Rhabdomantie 


übertraf ihn bald; nun trennte Eiferfucht Beide von einander. In 
Haus zurücdgekehrt, nahm ſich R. die Arbeiten des Portraitmalerı 
Ereter zum Muſter; auch copirte er Gemälde von Guercino und von 
fi) R's Liebe für ein ſtarkes Helldunkel her. 1746 ließ fih R. als 9 
in Plymouth nieder. Doch fand er Gelegenheit, nach Stalien zu 
ging von Livorno nad Rom, ftudirte 3 Jahre lang im Vatican di 
fael's und Michel Angelo's, kehrte ſodann Über Paris zurüd und I 
in London nieder. Seit Cornelius und Vandyk fah London keinen ! 
von R.'s Verdienften. Seine Werke zeichnen fich freilich nicht durch 
Beftimmtheit der Umriffe, durch Nichtigkeit des Colorits, durch get 
lung ber Natur aus; aber fein Pinfel veredelte Die, welche er malte. 
erwarb ihm einen Ruf in der großen Welt, und er fteigerte daher 1 
Preis für ein bloßes Bruſtbild in Lebensgröße von 12 auf 20 Buineı 
nen Vorſchlag nahmen in den der Gefelifchaft zur Beförderung der K 
gen Zimmern bie Kunflausfiellungen ihren Anfang. Für die 1765 o 
leralademie wurde R. einfiimmig zum Präfidenten erwaͤhlt und bei 
genheit von dem Könige zum Ritter gefchlagen. Um 1763 ftiftete 
Nugent, Percy, Goldfmith und andern berühmten Männern eineı 
Verein und fein Haus wurde der Sammelplas allee Männer, di 
Hauptftadt durch Geift und Zalente auszeichneten. 1778 gab er 
(„‚Discourses”), welche er jährlid) als Präfident gehalten hatte, hei 
durch Eleganz des Style und Reichhaltigkeit philofophifcher und aͤſt 
widelungen auszeichnen. Burke fol diefe Neben vor ihrer Herausg 
baben (überf., Dresden 1781). RE fchriftftellerifche Werke find 
„Ihe works of Sir Joshua Reynolds etc. to which is prefixed 
of the life of the author”, by Edm. Malone (Xondon 1797, 22 
fhienen. 1785 verfertigte er fein lieblicyes Gemälde bes Liebesgotte 
Schönheit den Gürtel loͤſt. Geringen Werth hat fein Hercules als 
die Schlangen würgt und den er für die Kaiferin Katharina von Ri 
Der Tod des Cardinals Beaufort ift unftreitig das fchönfte Stud v 
Hiftorifchen fehlte es ihm an Leichtigkeit ber Compofition und Wahr 
ftellung. — 1790 ward fein Geſicht ſchwach und im folg. 3. verlo 
Er ftarb d. 23. Febr. 1792. Viele feiner Gemätde find in Kupfer gef 
„Memoirs of the life of Sir Joshua Reynolds , with some obse« 
his talents and character”, by J. Farington (2ondon 1809). 

Rhabarber. Diefe heilbringende Wurzel waͤchſt urfprün: 
(China, Tibet, der Bucharei) und treibt einen 5 — 6 Zuß hohen 
ftarlen ausgezadten Blättern und röthlihen, traubenförmigen BI 
Wurzel, die oft mehre Pfund wiegt, ift braungelb, Inwendig rotl 
bat einen ſcharfen, ekelhaften Sefhmad. Der befte Rhabarber w 
Gebirgen der cyinefifchen Tatarei und kommt über Rußland durd) . 
und. Minder gut ift der übers Meer aus Dftindien fommenbe; | 
Sorte ift diejenige, die durch Verpflanzung in andre Erdtheile (Euro) 
gewonnen wird. Außer feinem mebicinifchen Nugen zur Abführung ı 
tung der Eingemweide kann er auch beim Färben angewendet werben. 
kommt von ber alten Unterfcheidung der Pflanze Rha in R. ponticum 
barum. 

Rhabdomantie, das theild bloß natürliche, theild zu ein 
gebildete Vermögen mancher Menfchen, unter der Erde verborgene Ä 
ders Metalle oder Erze und Waffermaffen, durd) ein Ferngefühl ni 
auch wol die Entdeckung derfelben durch die Anwendung gewiſſer We 
der Wünfchelruthe, zu unterflügen. Daß die Nhabdomantie bei dei 


Rhabtomantie 239 


ich derfelben ruͤhmen, Baum etwas Andres ald Selbfttäufchung oder 
ufchung Andrer fei, ift bis jetzt wenigſtens die Meinung wahrhaft 
yofiter und Phnfiologen. Nach Andern find die Rhabdomans 

und Waflerfühler) Menfchen, welche dieſe Empfänglicykeit von 
ı wachenden Zuftande befigen. Nach Ritter'$ und Amoretti's Bes 
Phyſik. und hift. Unterf. über die Rhabbomantie ıc.”, von Carlo 
hd. Ital. von Salie, mit ergänzenden Abhandl. v. Ritter, Berl. 
(morettis „Elementi di elettrometria animale“, Mail. 1816) 
lchen Perfonen, wenn fie in die Nähe unterirdifcher Gewaͤſſer, Erz⸗ 
memen, eine Beränderung des Pulfes, entweder ald Befchleunigung 
rwerden beffelben, Gefühl von Kälte oder Wärme, welches in eins 
bes Körpers entfteht und oft fogar auf das Thermometer Einfluß 
eigen ſich Sefhmadsempfindungen, krampfige Zufammenziehung 
e, Zudungen, oft ganz den elektrifhen Schlägen gleich, Schwin⸗ 
ruhe, Ängftlichkeit u. ſ. w. — Der Sache nach und hinſichtlich ber 
rfcheinungen war die Rhabdomantie fchon den Alten bekannt. „Aus 
iten“, fagt in dieſer Beziehung Kiefer in feinem „Syſtem des Tellu⸗ 
bi), „finden fidy Andeutungen und Nachrichten von einer Kunft, uns 
sborgene Metall⸗ und Wafferabern zu entdeden, naͤmlich von einem 
Bermögen, das Dafein derfelben unter der Erde zu fühlen; welche 
: die neuere Rhabdomantie iſt“. — Dierher gehört bei den Griechen 
dem Metallfühler Linkeus. Snorro Sturlefon ( „Heimakringla, 
Bturleson’s nordlänske konunga Sagor'', Stodholm 1697, Fol. 
I) berichtet, daß Odin, der erſte der Afen, mußte, wo Gold, Sit: 
ıder Erde verborgen lag. Dei Rio (Martin del Rio, „Disquisitio- 
um libri sex”, Köln 1633, 4, ©. 22) erzählt, „daß es in 
afchen gäbe, Zahuris genannt, welche unter der Erde verborgene 
fer s und Erzadern, ſowie Leichname fähen” u. f.w. — Auch 
rakeln der Altern Zeit durdy den Mund begeifterter Perfonen in den 
swweihten Tempeln, Hainen, Grotten u. ſ. w. die Begeifterung ein 
Suftand gewefen fein, weicher kuͤnſtlich durch magnetiſche Einwir⸗ 
mer Subſtanzen, beſonders des Waſſers, erzeugt wurde. — Eine 
e Rhabbomantie genännt, inſofern man ſich rhabdomantifcher Werks 
Bent, deren Wirkungsweiſe aber bisher noch nicht befriedigend erklärt 
. Dieſe Werkzeuge find befannt unter den Benennungen 1) des 
dei, 2) des bipolaren Cylinders, 3) der Wünfchelruthe. Der ſide⸗ 
beiteht in einem Kügelhen von faft beliebiger Subftanz (3. B. aus 
wefel, Holz, Siegellack, Glas ıc.), welches an einem ungedrehten 
ſchenhaar, ungefponnene Seide ıc.) befeftigt if. Beim Gebrauche 
Faden des Pendels zwifchen zwei Fingern und hält diefen ſchwebend, 
wegen, uͤber eine ſideriſche Subſtanz (z. B. eine Metallplatte, eine 
ee Salz gefuͤllte Schale. (&. Siderismus.) Wenn nun ber ben 
ve Menſch, in welchem Grabe es fei, fiderifche Empfaͤnglichkeit (chabs 
igenſchaft) hat, fo geräth ber Pendel in eine Ereisförmig ſchwingende 
mern Verſchiedenheit von den verfchiedenen Verhältniffen, welche hier 
en, abzuhängen fcheint, 3. B. von der verfchiedenen Subſtanz, fo: 
48 als der unter ihm befindlichen Sache, von dem Abftande des Pens 
ter ihm liegenden Körper, von der Individualität des den Pendel 
g anbrer biefen Menſchen berührenden Menfchen vn. f. w. Die 
denheit der Pendelſchwingung befteht in ihrer Nichtung, welche zwie⸗ 
folgt in dem einen Salle von der Linken zur Rechten, alfo mit der 
laͤufig; in dem andern Falle von der Rechten zur Linken, alſo gegen 


240 Khachitis Rhadamanthus 


die Sonne, ruͤcklaͤufig. Daß bier nicht (in vielen Faͤllen wenigſtens) bie meche 
Bewegung des Fingers die Schwingung bed Pendels erzeugt, fcheint and ge 
Beobachtung vieler Verfuche diefer Art hervorzugehen, und wenigſtens iſt ba 
ſtand merkwuͤrdig, daß die Pendelſchwingung nie erfolgt, wenn nicht die Dank 
lebenden Menſchen den Saden des Pendels unmittelbar berührt. — Der 
Eplinder befteht aus einem zweipoligen , leicht beweglichen Körper, dgl. 
gnetnabel oder ein zweimetalliger cylindriſcher Stab ift ; überhaupt verricht 
leichte, Iangrunde Körper, z. B. eine Schreibfeder mit der Sahne, bie 
bipolaren Cylinders, welchen der Rhabdomant zwifhen Daumen und 
in fentrechter Richtung hält, während er mit der andern Hand einen: fibei 
kenden Körper, z. B. ein Metall, berührt. Unter diefen Umftänden 
langfame, drehende Bewegung des Cylinders zwiſchen den Fingern, bie 
wie beim Pendel, nach Beſchaffenheit der Verhaͤltniſſe, bald recht 
ruͤcklaͤufig iſt. — Zur Wuͤnſchelruthe (vgl. b.) endlich bedient man 
biegfamen Ruthe von beliebiger Subftanz ( Hafelruthe, Fiſchbein, 

3 — 4 Fuß Länge, oder auch einer gabelförmigen Nuthe. Die beiden 
felben werden in beide Hände genommen, fobaß bie Ruthe aufwärts g 
ſcheint. Auch hier entfteht, wenn der die Ruthe haltende Menfch rhab 
ft und Metall ober andre fiderifche Subftanzen berührt oder in den 
fommt, eine nad) unten ſich drehende langfame Bewegung der Ruthe, | 
nad) Umſtaͤnden in verfchiebener Richtung, nad) Sinnen oder Außen, w 
laͤufigen und ruͤcklaͤufigen Bewegung ber vorhergehenden Werkzeuge en 
wie bei biefen, fo erfolgt auch bei der Wünfchelruthe keine Bewegung 
bare oder unmittelbare Beruͤhrung berfelben durch einen lebenden Menf 
füdlichen Frankreich und in der Schweiz übt man bie Kunft Häufig un. 
Metalloſkopie (Kunft des Metallfühlens) und der Hydroſtopi 
des Waſſerfuͤhlens). Bei der Ausuͤbung fhlieft man aus der Richtung, Dei 
und den übrigen VBerhättniffen der Bewegung der chabbomantifchen Wer 
die Qualität, Quantität, Entfernung und Lage der unterirdiſchen fideri 
ftanzen, oder man achtet zu dieſem Behuf auf bie bei verſchiedenen R 
verſchiedenen Empfindungen, welche fie an ihrem Körper bemerken. 
der Kunſt aber befteht in der Entdeckung unterirdifcher Quellen ( zum M 
graben), ber Salzquellen und Salzlager, der Erzgänge, Schwefelkieslagecy 
Eohlenlager u. ſ.w. Bol. Gilbert, „Über die Verfuche mit Scmefelfietpenl 
(Dale 1808). 

Rhachitis, f. Engliſche Krankheit. 

Rhada manthus war ber Bruder bes Altern Minos auf 3 
erſten Geſetzgebers der griech. Welt. Nach einer andern Gage legte IE, 
Grund zu der Eretenfifchen Gefeggebung, auf welchem der Bruder Minosn 
dend fortbaute; wahrfcheinlic) ftammte er aus der Familie des Dorus, 
fommen Deufalion’s, von deſſen Sohne Tektamus oder Teutamus ab 
mit feinem Sohne Afterius (dem wahrſcheinlichen Vater des Rhad 
Minos), in jener Zeit allgemeiner Voͤlkerbewegung und Strömung in 


























“ land, nad) Kreta einwanderte. Das ift das Wichtigfte, was wir in ber rk 








den mythifch=hiftorifchen Betrachtung feiner Gefchichte zu unterfcheiben 
Nhadamanthus wird Übrigens noch neben Minos und Äakus, den 
Achilles, als einer jener 3 Michter der Tobten aufgeführt, die am Ei 
Schatteure ichs neben dem Throne des Pluto Geſetz und Recht den 
und mit ernſtem Scepter was ſie im Leben trieben auch im Tode noch 
Denn es war allgemeine Anſicht der Griechen, daß auch der hingeſchi 
ten in dem duͤſtern Reiche des Tartarus noch ſich muͤht und ſtrebt, die 
des Kebens fortzuſetzen. Doch darf man wol nicht vergeſſen, daß 


... Rhapfodie . Rhen 241 


hus vom Tartarus In biefem Ginnd mehr Philofophem als eigentliche 
war. 
pſodie (a. d. Griech.), urſpruͤnglich eine Reihe einzelner, unter fich 
er in Zufammenhang ftehender Gefänge, 3.8. biedes Homer (f.d.). 
‚en hießen bei den alten Griechen bie herummandernden Sänger, die 
omerifchen Dichtungen (diefe hießen auch Homeriden), theild eigne dem 
ıgen. Ihren Namen führten fie nach Einigen von dem Stabe, welchen 
der Hand hatten; nady Pindar aber von dem Zufammenweben meh⸗ 
. Sept verficht man unter R hHapfodien auch eine Sammlung von Er⸗ 
Dichtungen, Darftellungen u. dgl., die zwar durch Einen Geiſt belebt, 
othwendig unter ſich in Verbindung flehen. Rhapſodiſches Wiffen 
es, das aus unzufammenhängenden Bruchſtuͤcken befteht. 
‚tien. Diefen Namen führten bei den Alten zwei Länder, Rhaͤtien 
kkien. Später wurden beide getrennt und das erfte und zweite Rhaͤtien 
Daß erfte oder eigentliche Rhätien (Rhaetia proprie) ging vom Rhein 
norifchen Alpen, und von Stalien biß an bie Grenzen von Vindelicien, 
bi. Es enthält die Flüffe Rhein (Rhenus), Inn (Alnus), Etfch 
and mehre Kleinere, ' und umfaßt alfo das heutige Vorarlberg und Tirol, 
Theil von Graubünbten. In frühern Zeiten wohnten hier die Etrusker, 
r ihrem Anführer Rhaͤtus diefe Gebirgsgegenden beſetzten, fpäter aber, 
sachfende Macht der Gallier vertrieben, nach Sitallen zogen und dort 
erſte Bildung Stalins fo wichtige Rolle fpielten. Juſtinus, Plinius 
van der Byzantiner nennen daher die Rhaͤtler ein etrusciſches Volk. 
fpätern galliſchen Völkern, welche diefe Gegenden befesten, find mehr 
Namen als durch ihre Wichtigkeit die Brenni ausgezeichnet. Auch hier, 
s andern Provinzen, legten die Römer Colonten an, unter denen Tri- 
isident), Belunum (Bellımo), Bauzanum (Bogen), Bilitio (Bellin« 
venna (GEleven), Curia (Chur) die vorzüglichiten waren ; jedoch haben 
Staͤdte nur ihre Erweiterung und Verſchoͤnerung den Römern zu vers 
e Khaͤtier verbanden ſich oft mit ihren galliſchen Freunden und verwuͤſte⸗ 
Nfche Gebiet, daher ſchickte Auguftus feinen Stieffohn Drufus mit eis 
gegen fie. Diefer [chlug fie 16 3. v. Ehr., unweit Trident in bie Flucht. 
Sieg indeß nicht viel nügte, fo unternahm Drufus, in Begleitung ſei⸗ 
6 Ziberius, einen zweiten Seldzug, in welchem Tiberius die Vindeli⸗ 
Sodenfee angriff, während Drufus zu Lande gegen bie Rhaͤtier ruͤckte. 
feried fich dee Sieg für die Römer und beide Länder wurden roͤmiſche 
Rhaetia transdanubiana , die Länder auf dem linken Donauufer, 
vanten grenzten, waren ben Römern wol bekannt, aber niemals ihnen 
1. Vielleicht hat fi) davon noch der Name das Rieß erhalten, welchen 
Ländern wol beizulegen pflegt. Nach der römifchen Herrſchaft befegten 
und Sueven jene römifchen Provinzen. 
a. Wie die ditern Bottheiten der oriechifchen Mythologie felbft noch 
biſſen Nebelſchleier des Daſeins eingehuͤllt ſind und ihre Dichtung ge⸗ 
Schwankenden und Ungewiſſen der Umriſſe ihren eigentlichen Charakter 
fließen auch hier mehre nach Zeit und Volk verſchiedene Dichtungen in 
men und bilden den Doppelmythus: Rhea und Cybele (ſ. d.). 
ſpruͤnguch und beſonders als Titanide eigentlich griechiſche Dichtung; 
„ſelbſt der. Geſchichte nach, phrygiſchen Urſprungs. Beide floſſen, 
auf Kreta, in Eins zuſammen, offenbar ihrer innern Verwandt⸗ 
u. Aber gleichwol find fie noch immer zwei verſchiedene Dichtungen, 
Die Eigenthuͤmlichkeit jeder erhalten ift, obfchon wir die Dichtung von 
ur an ber von der Rhea Eennen lernen, diefe aber felbft wieder fiber jener 
Bicbente Aufl. Bb. IX, 


242 Rhea Sylvia Rhede 


zulegt ganz verſchwindet. Rhea, eine ber merkwuͤrdigſten Titaniben (f. Tit 
iſt Schwefter und Gattin Saturn’s, und mit ihm — denn bie Dichtung der C 
hen von den alten Göttern ift doch nichts als Phitofophie über erſte Entfleh 
und Bildung der Welt — Symbol des erften Formens und Bildens aus der R 
des Chaos heraus. Rhea, die Fliegende (vom griech. gesıv, fließen), das 
dungsreihe und Bildungsempfängliche, ift Symbol dieſes Ringens. Aber: 
berrfcht zugleich die Macht des Chaos, des Formloſen. Der Rhea zur Seite 
Saturnus, mit der büftern Herzlofigkeit des Abgrundes eiferfüchtig auf bie a 
Bildungen und fie im Augenblid! des Entftehene fogleich wieder vernichten 
darum Bild der Alles verfchlingenden, fich felbft in jedem Augenblick zerftden 
Zeit. Doch es foll das Univerfum endlich Geftalt geminnm, das Schwan 
feft werden. Die Zeit der Entfcheidung iſt gekommen. Auf Gaͤa's, ihrer 1 
ter, Rath, gibt Rhea ihrem Gatten, der aus Furcht ber alten Weiffagem 
Saturn) feine Kinder fogleich nach dee Geburt mwieber verfchlingt,, ſtatt det 
gebornen Sötterkindes einen Stein in den Windeln. Auf diefe Welfe ı 
Rhea vor den Verfolgungen bed Vaters 3 Söhne und 3 Töchter, Zu 
Veſta, Ceres, Juno, Neptun und Piuto, den Chor der neuen, in fefter,. 
lifcher Bildung flrablenden Olymposbewohner. Nur hat fie damit auch ihre, 
Herrſchaft untergraben. Sie tritt fortan In die Reihe der alten Gottheiten 5 
und ift nur noch durdy Rath und Weiffagung wirkſam, z. B. mit Themis um 
dern bei der Geburt des Apollo auf Delos, bis fie in [pätern Zeiten durch 
ſchmelzung mit'Cpbele ein eignes, aber höchft ſchwankendes Dafeln in ben 
wieder erhält. — Loͤſt ſich nad) diefem Allen die ganze Dichtung von der 
Ende in ein fosmogonifches Philofophem auf, fo erfcheint die Göttin im 
ftaiten zur Erhaltung des künftigen Beherrſchers der Bätter und Menſchen 
ta, im Getöfe, das ihre Priefter, die Korpbanten (Kureten), um bas 
des Goͤtterkindes zu verbergen, machen müffen, als Symbol ber unendliche 
zeugungsfraft, ber allbefruchtenden Natur, als das erhaltende,, Leben ul 
ftaltung gebende Princip der Welt. Dahin deuten audy ihre Abbildungen, all 
digerin der Löwen, die ihren Wagen ziehen, als mit einer Mauerkrone gefäg 
als Begleiterin bes Bacchus; dahin ihre Verehrung. Diefe, einerlei mit bey 
ehrung ber Cybele, ift roher Naturdienft, die tiefſte Entartung der religiäfg 
Inge im Menfchen, in ſich eigenthuͤmlich fchauderhaft und graufend, weil 
die traurigfte Unreligion, Woluft, zur Religion, ja zum Moft 
wird. Die wildeſte, frechſte Wolluft, jener Lingambdienft der Indier, iſt im 
ſte der Rhea⸗Cybele heiliger Gebrauch. Jene Selbſtentmannung ihrer 
nicht Selbſtverleugnung, ſondern im Gefolge der Alles befruchtenden 
das hoͤchſte Maß der ſich ſelbſt uͤbertreffenden Frechheit. Alles im 
unendlichen Zeugungskraft iſt, felbft ohne Maß und Ziel, nad Genuß 
und darin untergehend. 

Rhea Sylpia lebte ungefähre 800 3. vor Chr. und war eine x 
Numitor's, Königs von Alba in Stalin. Obgleich Veſtalin, gedm 
aus Mars's Umarmung das Zwillingepaar Romulus und Remus, die Ei 
Roms. | 

Rhede, aud) Reede, ift die Gegend des Meeres, im geringer © 
nung von der Küfte, die den Schiffen einen guten Ankergrund gewährt, | 
diefe vor dem Winde fo lange daſelbſt ficher liegen, bie fie bei eintretenber 9 
den Hafen einlaufen können. Eine gefchloffene Rhede heißt in der Ochiffih 
eine folche, die von Batterien am Strande vertheidigt wird; eine offene, M 
Schiffe ohne Unterfchied ankern koͤnnen. — Rheder, Reeder, wid 
nannt, der ein Schiff ausrüftet, uͤberhaupt die Befrachtung der Kauffahetel 
zu feinem Geſchaͤft macht. Da felten Einer ein ganzes Schiff auf feine Koß 











Rheims Rhein 248 


zeten Mehre zufammen, die dann Schiffsfreunde, Mitchederge: 
den. Eines jeden Einzelnen Antheil am Schiff heiße Schiffsparte. 
eims, eine der Alteften Städte und anſehnlichſten Manufacturpläge 
*, am Fiuffe Vesle in Champagne, im jegigen Marnebdepart., in 
Anhoͤhen umgebenen Gegend, enthält mit ben Vorſtaͤdten 4200 Häufer 
V Einw. Die Stadt hat breite Straßen, eine ſchoͤne gothifhe Domlir- _ 
n die franz. Könige gekrönt und gefalbt werben, ein Rathhaus mit einer 
m Facade, den ſchoͤnen Koͤnigsplatz und einige römifche Alterthuͤmer, 
rin Triumphbogen. Sie tft der Sig eines Erzbiſchofs, welcher Primas 
iſt und das Recht hat, bie Könige in feiner Hauptlicche vor dem Hochs 
alben und zu kroͤnen. (Vgl. Karl X.) Rh. hat ein Lyceum, welches an⸗ 
uch die Revolution untergegangenen Univerfitdt errichtet ift, und eine 
Biffenfd. Mit Weinen und bier verfertigten Seiden⸗, Wollens und 
lenwaaren, Leder, Richtern, Hüten ıc. wird bedeutender Handel getries 
Gircaffiennes von Rheims werden bie nach Indien verführt, wo fie mit 
nö wetteifern. Auch ift der Pfeffertuchen von Rheims berühmt. Der in 
different von Rheins wachſende Champagnerwein iſt ber vorzuglichfte. 
sar auch in den Operationen bes Feldzugs von 1814 begriffen, f. Pas 
Shatillon.) 
sin, einer von den Hauptflüffen Deutſchlands, der ein ſchoͤnes, wein = 
treiches Land durchſtroͤmt. Er entſpringt in dem heivetifchen Canton 
ten aus 3 Dauptquellen, welche der vordere, mittlere und hintere 
jen. Der vordere quilit aus dem Gebirge Crifpalt, nordöftlidy vom Gott⸗ 
) vereinigt fich bet Diffentis mit dem mittlern Rheine, welcher vom Lul: 
se herabkommt. Diefe vereinigten Stüffe vermifchen fich bei Reichenau 
Dinterrhein, der im Gebirge Adula auf dem Vogelberge aus einem 
ſich fammelt und bis Reichenau 20 Stunden weit fließt. Daſelbſt ‚er 
fe: 3, vereinigten Rheinquellen den gemeinfchaftlichen Namen Rhein 
| eine Breite von 230 Zug. In der Gegend von Chur, der Hauptſtadt 
tens, wird er ſchiffbar. Zwiſchen Rorſchach und Fußach ſtuͤrzt er mit 
mäufche in den Bodenſee, den er zwiſchen Stiegen und Eſchenz wieder 
b feinen Lauf nad Schafhaufen und Baſel fortfegt, nachdem er vorher 
ſſerfaͤlle (ſ. Rheinfälle) gebildet hat. Vom Bodenſee bie Bafel, wo 
ve Breite von 750 Fuß erhält, hat er ein felſenreiches Bett. Won Ba⸗ 
sd fein Bett von vielen Inſeln durchfchnitten, die jedoch zum größten 
aus Sands und Kiesbänken beftehen, welche häufig von einer Seite 
s und an der andern wieder angefegt werden. Von Breifac, herab trifft 
mehre beftaubdete und felbft angebaute Infeln. Zwiſchen Strasburg und 
eim iſt das Bett immer noch fehr infelveich, aber der größte Theil diefer 
mit Gebuͤſch bewachſen. Zwifchen Strasburg und Speier ift der Rhein 
1200 Zuß, bei Mainz; 15 — 1700 F. und bei Schenkenſchanz, wo er 
beriande eintritt, 21505. breit. Die Tiefe bes Rheins beträgt 5 — 
Däffeldorf fogar 50 F. Bei Schenkenfchanz theilt er fih in 2 Arme, 
füdliche die Waal heißt, + feines Gewaͤſſers nimmt, ſich hernach zwei 
er Maas vereinigt und unter dem Namen Merwe in das beutfche Meer 
e noͤrdliche Arm des Rheins hatte vormals in feinem Laufe nach Arm: 
sehre Windungen ; feit 1720 aber hat man von ber Waal aus bei dem 
werden einen Ganal gegraben,, wodurch das alte Bett des Stroms nun 
Us vertrocknet if. Durch diefen pannerdenfchen Canal fließen jegt die 
des Rheins fort, nachdem fie fich unterhalb Millingen von der Waal ges 
en. Ehe diefer Arm des Rheins nach Arnheim kommt, theilt derfetbe 
oberhalb Weftervoort und bildet Die fogen. neue fiel. Diele Abteilung 
16 * 


244 Rhein 


des Stroms ift eigentlich der Ganal, den Drufus graben ließ, inden bie Bew 
fih bei Doesburg mit der alten Yffel vereinigen und zulegt fidh in die Zuyderſ 
gießen. Von da, imo fich der ebengenannte Drufifche Canal von dem Rheine tuı 
wendet diefer letztere ſich nach Arnheim und behält feinen Namen, bis er beit 
geningen und Rhenen vorbei ift, wo er Lech heißt und auf Wyk bei Durſtede | 
Bon hier floß fonft ber Rhein mit vollem Strome nady Utrecht, jept iſt abe 
noch ein fehr ſchwacher Arm übrig, der krumme Rhein genannt. Weiterhin, 
gen Vianen über, iſt ſchon vor mehren Jahren aus bem Lech ein Canal 
worden, welcher nad) Utrecht geht und gewoͤhnlich die Vaart genannt 
derſelbe mit Schleufen verfehen ift, fo kommen auf demſelben fehr ** 
Schiffe nach Utrecht und von da weiter nach Amſterdam. Unterhalb Vianen 
ſich ein kleiner Arm vom Lech ab, den man bie VYſſel nennt und ber ſich eine 
oberhalb Rotterdam In die Merwe ergiefit. Der Lech fließt von Wianen nach 
bofen und geht oberhalb Grimpen op de Lekin die Maas. Von den 
Rheins, die nad) Utrecht fließen, gebt abermals ein Arm ab, welcher die 
nannt wird und fi) nad) einem adıtftündigen Laufe bei Wunden In die 
derfee ergießt. Der übrige Rhein fließt von Utrecht nach Leyden, wo er beinal 
nem Graben ähnlich fieht. Bei Rheinsberg vorbei kommt endlich deffen kleinch 
wäfler, 3 Stunden von Leyden, nad) Katwyk op Rhin, wo berfelbe eine 
GStunde davon fi noch zu Anfange dieſes Jahrhunderts in den Sand verler. 
hatte der Rhein da einen Ausflug in die See bei Katwyk op Zee. Nach 
geblichen Verfuchen, bie alte Mündung wieder zu öffnen, welche durch die 
denen Dünen verfchwunden war, hat man erft ſeit wenigen Jahren bie 
kelten völlig uͤberwunden, indem man in einem Ganale die in den Sand 
renden Gewaͤſſer des Rheins gefammelt hat. Am aͤußerſten Ende deffelben 
fi eine Hauptfchleufe, und fo ift durch Huͤlfe der Kunft ber Ausfluß des 
wieberhergeftellt worden. So durch Thellungen gefchwächt, befchließt dieſer 
“nach einem Laufe von 277 Stunden feine Reife. Er durchfließt zuerft Gran 
macht die Grenze zwifchen dem vorarlbergifchen Kreiſe und bem helvetiſchen 
ne ©t.» Ballen, ſcheidet dann, nachdem er ben Bobenfee verlaffen hat, 
berzogthum Baden und Helvetien, von Baſel an, wo er ſich nörblich wen 
ſelbe Sroßherzogthum und bie franz. Departements des Ober: und | 
ſowie den Rheinkreis des Königreichs Baiern; durchſtroͤmt nun das Brafgt 
thum Heſſen, das Herzogthum Naſſau, die preuß. Provinzen Miebercheill 
Jülich» Kleve⸗ Berg und zuletzt bie Niederlande, Die vornehmſten Im 
ſich ergiegenden Flüffe find: die Aar, die Fu, die Kinzig, Murg, der 
bee Main, die Nahe, Lahn, Mofel, Exft, Ruhr und Lippe. Viele er 





















Städte liegen an feinen Ufern. Wir nennen davon auf feinem Laufe d 
tien und Deutfchland: Konſtanz, Schafhauſen, Baſel, Alte Brelfach, 
Manheim, Worms, Mainz, Bingen, Koblenz, Neuwied, Bonn, I 
Düffeldorf, Wefel und Emmerich. An Fifchen Ift der Rhein fehr reich. Man 
darin Salmen, welche im Fruͤhlinge im Hinauffteigen aus der See Lachſe 
nad) aber, wenn fie ſich gegen den Herbft wieder nad) dem Meere zu wenden, N 
men genannt werden, Mheinftöre, Neunaugen, Hechte, Karpfen, oft zu 20 
ſchwer ıc. An Federwildpret Hält fih auf den unzähligen Rheininſein und 
Ufern eine Menge verfchiedener oft feltener Gattungen auf. Audy führt 
etwas Bold unter feinem Sande, welches theild aus dem Gebirge He 
aus dem des Schwarzwaldes kommt. — Eine vorzügliche Wichtigkeit, 
für das weſtliche Deutfchland, hat der Rhein durch die Schifffahrt. — 
Rhein wird von Chur in Graublindten an befahren; unter Schafhaufen 
beyuemere Schiffbarkeit des Stromes an; allein die größere Rhein 
ſchwer beiadenen Schiffen beginnt erft bei Speier. Von Strasburg bie DRM 











MEREELD UV HIEH MN DEI WOLLTE EINE zwat TEIE, (DET enge Vahn. 
„ Beß diefe Öeffinumg erweitern, aber fie blieb noch ſo enge, daß nur ganz 
wage bie Sahrt machen konnten. Erſt unter bem Kurfuͤrſien Sigismund 
munde der Weg für größere Schiffe brauchbar und minder gefährlich ger 
of waͤhrend der erſten franz Revolutionskriege haben franz. Ingenieure 
beitet. Ungeachtet aller biefer Arbeiten ficht man doch noch das gemalt» 
jan der Welten an den Selfen und kann ben Wafferfalt recht gut bemers 
Hngige Durch fahrt, weiche man das Bingerlody nennt, ift nur 50 Fuß 
i mittierm Waſſerſtande ift keine Gefahr, aber bei niedrigem Waffer 
Durch fahtt die größte Vorſicht und Locaikenntniß. Hier ſteht mitten im 
feinem Feifen Hatto’6 Thurn oder der Mäufethurm. 2) Das wilde 
i Boqcharach ift nur für die den Strom hinabfahrenden Schiffe gefährs 
ver Strom im Thalweg mit fuͤrchterlichem Gefälle des Waffers zwiſchen 
Bänken eine Art von Trichter bildet. 3) Die fogen. Bank vom St.⸗ 
des Fluſſes Welten an eine Gruppe theils fichtbarer, theils verborgener 
und einen Strudel bilden, der zuweilen ben Schiffen, befons 

Mögen, verderblih wird. 4) Der Eleine und große Unkelftein bei dem 
Unkel, eine Gruppe von Bafaltfäulen, die theils unter dem Waſſer vers 
d, theils hervorragen. Die größere Gruppe, ber große Unkelftein ges 
unter der franz. Herrſchaft Hinmeggeräumt worden. Die Meinen Grup⸗ 
ıbei hohem Waſſer von leeren Schiffen überfahren werden, für geladene 
er bleibt nur das Ausweichen übrig. Kein Strom Deutſchlands wird 
ven, feiner fÄyönen Umgebungen wegen, und feit der Einführung ber 
, häufiger bereift als der Rhein. Won Bafel bie Mainz durch ⸗ 

—2 Thal, auf der linken Seite von den Vogeſen und auf der rechten 
Dana Schwarzwalde und den Bergen längs ber Bergſtraße begrenzt. Von 
shdten Die Gebirge nahe an den Strom, anfangs nur auf dem rechten 
Be dem Üiheingau bilden; von Bingen an aber verengen die Berge, auch 
hen Seite her, den Strom fo, daß er nur eine Breite von 1100 Fuß hat. 
⸗. bik Riniohminter bieten hie ifer manniafaftiae Kolfen « mh Roran 





246 - Rheinbund 


ſcher's „Neueſter Wegwelſer von Mainz bis Köln" (Frankf. a. M. 1827). 

bifdlihen Schilderungen gehört hierher: „Der Rheinlauf von deſſen Quellen 
feinen Ausflüffen”, nad) der Natur gezeichnet von Primavefi (1818); „Pan 
des Rheins von Mainz bis Köln nach der Natur aufgenonimen”‘, gez. von £ 
kamp und geft. von Richter in Dresden (80 Bl., Frankf. a. M. 1825 fo.) 
„Hiſt. ftatift. Panorama des Rheinſtroms von Bingen bis Koblenz”, v. Dahl 
be 10) Über die 1815 befchloffene Verbindung des Rheins mit der Lip] 

ms ([.b.). 

Rheinbund. Im dem für ſtreich fo ungluͤcklichen Kriege von 180 
ten mehre Fürften bes füdlichen Deutſchlands durch die Gewalt der Umftän 
nöthigt worden, ſich an Frankreich anzuſchließen. Darauf gab ber Friet 
Preßburg (26. Dec. 1805) den nächften Anlaß zur völligen Auflöfung des bes 
Reichs, indem er den Kurfürften von Baiern und Würtemberg die Könige 
und beiden, fowie Baben, die Souverainetät ertheilte, wie fie ſchon puve 
den andern großen Staaten Deutfchlande ausgeübt worben war. Bald n 
(28. Mai 1806) zeigte der erfte deutfche Kurfürft, der Reichserzkanzler 
Meichstage an, daß er — was gegen die Verfaflung war — den Carbinal 
einen Oheim Napoleons, zu feinem Coadjutor und Nachfolger ernannt habe. 
lid) erklärten 16 deutfche Kürften förmlich ihre Trennung von Kaifer und ! 
durch die am 12. Juli 1806 von den Königen von Baiern und Würtemberg 
Kurfuͤrſten⸗Reichserzkanzler, dem Rurfürften von Baden, dem neuen Here 
Kleve und Berg (Joachim Murat), dem Landgrafen von DeffensDarmftab 
Fuͤrſten von NaffausUfingen und Naffau- Weilburg, von Hohenzollern⸗Hed 
und Hohenzollern⸗Sigmaringen, von Salm:Salm und Salm>Kyrburg, den 
zoge von Ahremberg, den Fuͤrſten von Iſenburg⸗Birſtein und von Liechtenftel 
dem Grafen von der Leyen zu Paris unterzeichnete und am 1. Aug. 1801 
Reichstage mitgetheilte Bundesacte. Sie begründeten diefe Losfagung a 
Mängel der beutfchen Reichsverfaffung und Iuden auch die übrigen Reicht 
ein, Ihrem Bunde beizutreten. Der franz. Geſandte Bacher fügte an ben 
Tage noch die Erflärung hinzu, daß fein Kaiſer Eein deutſches eich weiter 
kennen werde. (&. Deutfchland.) Der Kaifer Sranz II. legte am 6. 3 
feine Würde ald Oberhaupt des beutfchen Reichs nieder, wozu nach feiner 
rung ihn bie Foderungen aus mehren Artikeln des preßburger Friedens und bi 
Vereinigung der rheiniſchen Stände, wodurch er fein Amt als Reichsoben 
für erlofchen betrachte, veranlaßten. Nach jener Acte, welche auch im Nam 
Zürften von Liechtenftein, ohne daß er darum mußte, mit unterjeichnet u 
war, befam der Kurf. Erzkanzler den Titel eines Fuͤrſt-Primas, der Kurfkı 
Baden, der Landgraf von HeffensDarmflabt und ber Herzog von Berg er! 
den großherzogl. Titel mit koͤnigl. Rechten und Vorzuͤgen, Naffausllfingen 
die herzogl. und von der Leyen bie fürftl. Würde. Der franz. Kaifer aber ı 
fi den Protector des Rheinbundes. — Durch die Errichtung dieſes Bunde 
loren ihre politifche Selbftändigkeit die Reichsſtadt Nürnberg, welche an 9 
fiel, Frankfurt, welches dem Fürften Primas, das dem Sohanniterorden ge 
Flͤrſtenthum Heitersheim, welches Baden, und die Burggraffchaft Fels 
die Heffen:Darmflabt unterworfen wurden. Herner wurden durch Meblatl 
die Färften von Naffaus und Oranien⸗Fulda, von Hohenlohe, von Schwarge 
von Lömwenftein, von Leiningen, von Thurn und Tarie, von Salm⸗Reifer 
Krautheim, von Wied⸗Meuwied und Wied⸗Runkel, von Öttingen, ven 
von Metternich, von Truchſeß, von Zürftenberg, von Solms, der Landge 
Heffen-Homburg , die Herzoge von Corswarem⸗Looz und von Eroy, viele 
graͤfliche und alle noch übrige reicheritterliche Familien den xheinifchen Bund 
ſten untergeorbnet. Jenen mebiatifirten Reicheftänden und Reichegliebern 1 


R Rheinbund 247 


atrimonlalguͤter und ihr Privateigenthum, die Berichtöbarkeit In erſter 
Inſtanz, die lehnthertlichen und Bergwerksrechte u. ſ. w., aber die 
we Landeshoheit gehoͤrigen Befugniſſe der Geſetzgebung, der oberſten 
ege, die Rechte des Kriegs, des Friedens und der Buͤndniſſe, der Po⸗ 
eBeſtenerung u. f. w. fielen den Bundesfuͤrſten, denen die Vermittel⸗ 
sworfen wurden, zu. — Der Zweck diefes Buͤndniſſes follte Sicherung 
und innern Friedens fein, Frankreich und die Mitglieder des Rheinbun⸗ 
Einer für Alle und Alle für Einen ftehen, und wenn Einer von ihnen 
ebroht ober angegriffen wäre, fo follten auf die Einladung bes Protec- 
beige Mitverbündete ohne weitere Berathung zu den Waffen greifen 
edrohten oder Angegriffenen zu Huͤlfe eilen. Obgleich nad) der Bun⸗ 
joleon Beſchuͤtzer der Mheinconföberation fein follte, fo follte e8 doch . 
Beberhaupt geben, dem die Megenten der einzelnen Staaten als folche 
waͤren. Kür bie Berathfchlagungen über bie gemeinfchaftlichen Anges 
ber Berbündeten follte zu Stankfurt a. M. eine Bunbesverfammlung 
im, dem Eöniglichen, in dem auch die Großherzoge ihren Sig haben 
dem fuͤrſtlichen, flatthaben. Allgemeiner Präfident der Bundesvers 
und befonberer des koͤnigl. Collegiums follte der Fuͤrſt⸗Primas fein. 
il. Collegium aber follte ber Herzog von Naſſau den Vorfig führen. 
weömaligen Tode des Fuͤrſten Primas follte deffen Nachfolger von dem 
us RKheinbundes ernannt werden. Kein Mitglied des letztern follte ans 
a den Staaten ber Bundesgenoffen oder der mit denfelben Verbündeten 
men, und fo follte auch ein Mitglied des Mheinbundes feine Souverals 
als zu Gunften eines Bundesgenoſſen veräußern dürfen. Die Strei⸗ 
:Bheinbundesfhrften follten auf den Bundeötagen entfchieben, und zur 
8 der Klagen gegen die Mitglieder des Rheinbundes follten 2 Ge: 
wichtet werden. Aber fo wenig dies, wie eine Bunbesverfammlung 
Rattgefunden. Enblich follten Katholiken und Proteftanten in allen 
tem gleiche bürgerliche Mechte genießen. — So trat an die Stelle bes 
heigen Reichs deutfcher Nation ein Bund, der, fo vorübergehend auch 
mung in Hinſicht mancher Verhältniffe war, doch in den ſtaatsrecht⸗ 
Iitniffen der ehemaligen deutfchen Reichsftände und ihrer Unterthanen 
w, dauernde Ummälzung bewirkte, und welchen man unrichtig beurs 
sman ihn bloß ale das Erzeugniß fremder Herrſchſucht und nicht als 
wibliche Entwicklung der innern Aufiöfung der veralteten Reichsver⸗ 
achtet. Schon am 25. Sept. 1806 trat audy der Kurfürft von Wuͤrz⸗ 
uBherzog bem Rheinbunde bei; dagegen hatte Preußen fich vorbehalten, 
& fernern Anwachs dieſer Confoͤderation fich vergrößernden Macht 
Schranken zu ſetzen, einen aͤhnlichen Bund unter feinem Protectorat 
Nifchenn deutſchen Sürften zu bilden. Diefer Entwurf wurde aber durch 
wa 1806 — 7 vernichtet, und nody während dieſes Kriegs trat der 
ı Sachfen, nachdem er ſich von Preußen getrennt und in feinem Frieden 
& zu Poſen (11. Dec. 1806) den Rönigstitel angenommen hatte, dem 
bei. Ihm folgten am 15. Dec. 1806 die 5 fächfifchen Herzoge, 
kam 13. April 1807 zu Warfchau unterzeichneten Verträge wurden 
in von Schwarzburg, die 3 herzogl. Linien von Anhalt, die 
Eppe⸗ Detmold und Lippe⸗Schaumburg und die Fuͤrſten des Geſammt⸗ 
ga Mitglledern des Rheinbundes aufgenommen. Das aus den erober⸗ 
& andern Staaten fuͤr Hieronymus Bonaparte errichtete Königreich 
ard durch bie von dem Kaiſer der Kranzofen am 15. Nov. 1807 beftd- 
ung gleichfalls zum Rheinbundesſtaat beftimmt; endlich wurden noch 
oa MediemburgsStrelis (18. Febr. 1808), von Mecklenburg⸗Schwe⸗ 








d h, 
248 Rheinfaͤlle * 

tin (22. Mär; 1808) und der Herzog von Oldenburg, Fuͤrſt von Luͤbeck( 
18308) ald Mitglieder aufgenommen, fodaß der Bund nunmehr auf 591 
14,608,877 Einw. zählte und das Bundesheer durch dieſen Zuwachs von 
fangs feitgefegten 63,000 M. atıf 119,180 gebracht wurde. Allein ber ] 
des Rheinbundes, welcher denfelben zur Sicherung des innern und äußern ı 
und der Unabhängigkeit der Bundesgenoflen geftiftet hatte, dieſer Protert 
war es, der ſich zuerſt an der Sicherheit und Unabhängigkeit feiner cheinifdy 
desgenoffen vergriff und durch ein Decret vom 10. Dec. 1810, wodur 
Schelde⸗, Maas:, Rheins, Ems⸗, Wefer: und Elbmuͤndungen mit Frankr 
einigte-, folgende Rheinbundesfürften ihres politifchen Daſeins und ber ihn 
die Bundesacte zugeficherten Selbftändigkeit beraubte: 1) den Herzog vor 
burg, welchem er fein Herzogthum nahm und bloß das Fuͤrſtenthum Luͤl 
2) den Herzog von Abremberg , von deſſen Landen ein Theil mit Frankre 
übrige aber mit dem Großberzogthume Berg vereinigt wurde; 3) die Laͤ 
Zürften von Salm⸗Salm u. Salm⸗Kyrburg wurden gleichfalls mit Franki 
bunden. Auch vom Großherzogthum Berg und vom Königreiche Weſtfalen 
bebeutende Theile zu Srankreich gezogen. Das Ganze dieſer gewaltfamen 
nungen betrug 532 LIM., mit 1,133,057 Einw., daß alfo dem Bunde no 
UM. und 13,475,820 Einw. verblieben. Ebenfo wenig gebachte Napole 
bei Errichtung diefer Conföderation ertheilten Verſicherung, dag er fich 
Oberlehnsherrlichkeit über die von ihm als Souveraine anerkannten Fuͤn 
Rheinbundes anmaßen, noch ſich eine Einmifhung in ihre innern Ver 
erlauben wolle. Als Köberativflaat unter dem Schuge eined übermütbi 
fchüger®, deſſen großer Gewalt, unbegrenzter Herrſchſucht und eifernen 
der ganze Rheinbund nichts ihn Sicherndes entgegenfegen konnte, erfchi 
Bund vom Anfang an als ein Unding. Da er. überalf nur ald Werk und I 
Napoleons angefehen wurde und ihm alle innere Garantie fehlte, fo konnt 
gegen Außen keinen Beftand haben. Das Jahr 1813 machte demſelben e 
Die jegigen Großherzoge von Medienburg: Schwerin. und von Mecklenbu 
lig, welche bie. legten gemefen waren, die, durch ihre Lage gezwungen, 

Rheinbunde angefchloffen hatten, waren, gleich al& Preußen ſich mit Ruf 
gen Napoleon vereinigte, die erſten, welche vom Rheinbunde fich losſagt 
nen folgten, außer verfchtebenen minder mächtigen, balb die Könige von 
und Würtemberg. Andre zögerten länger, indem theils die Lage ihrer 
theils andre Verhaͤltniſſe eine freie Erklaͤrung binderten ober doch erſchwert 
hin gehörte der König von Sachſen; ferner der Großherzog von Frank 
Mitſtifter und Präfident des Bundes. Jener verlor die Hälfte feines Lau 
diefer Altes. Gleiches Schidfal hatten der König von Weſtfalen und der ( 
zog von Berg (Bohn des Erkönigs von Holland). Aus demfelben Grund 
durch die Befchläffe des wiener Congreſſes die Länder des Kürften von | 
und des Zürften von der Leyen, die ald Rheinbundesfürften Gouverain 
mebiatifirt. Die übrigen Mitglieder des Rheinbundes, mit Ausſchluße 
3096 von Ahremberg und ber Fürften von Salm, find als Souveraine dem | 
Bunde wieber beigetreten. liber die Veranlaſſungen und politifchen J 
welche die Bildung des Rheinbundes herbeiführten, lefe man. von Gagern 
Antheil an der Politik“ (Stuttgart 1823) ; des Marchefe Luchefini: „Dil 
widelung der Urfachen und Wirkungen bes Rheinbundes” (aus dem Sta 
von v. Halem, Leipzig 1821 fg., 3 Thle.), und Pahl's, Politiſche Lection 

n’' . 


Rheinfälle. Der 1. iſt eine Stunde. unter Schafpaufen bei de 
Laufen, wovon das eine (Dorf und Schloß) dicht am Rhein, auf dem 
helvetiſchen Cantons Zürich, und das andre, ein altes Schloͤßchen, gegen 


ze 


Rheingau Rheingrafen 249 


hegt. Nachdem der Strom ungefähr 500 Schritte oberhalb fein Ges 
hen ungeheuern $elfen, die zum Theil mitten aus feinem Bett hervor- 
eng zufammenziehen mußte, fängt er nun allmälig an zu ſchaͤumen 
ein, fchieft Dann bei immer zumehmendem Abhange in unzähligen Buchs 
rauf Fels bin, und ſtuͤrzt fich enblich mit feiner ungeheuern Maffe von 
be mit einem in der Nähe betäubenden und bei ſtiller Nacht auf 2 Meilen 
em Getöfe in 3 Fällen fteil herab, twovon der auf der Sübfeite, wels 
s 2 Seifenpfeilern ftatt hat, der gemaltfamfte ift. Die volle Breite der 
e beträgt 300 Fuß. Nicht weit vom Gturze findet fich faft in der Mitte 
rin Dans, zu dem eine Zugbrüde führt. Hier überfieht man den Sturz 
en Breite. Das unaufhörliche Toſen und Braufen der herabſtuͤrzenden 
ſermaſſe und das beftändige Zittern bes Felſens, auf dem man fteht, 
a Bild darzuſtellen. Kein Schiff kann diefen Waſſerfall paffiren, fons 
muß die Ladung zur Are durch Schafhauſen und unterhalb der Stabt 
chiffe bringen. 2) Der Rheinfall unter Zurz ach, bei der Mündung 
‚wird verurfacht durch einen quer durch den Rhein gehenden Felfendamm, 
itte fich eine Luͤcke befindet, welche bei niedrigem Waſſerſtande das Wafs 
L, auch Raum genug für 2 nebeneinander fahrende Heine Schiffe darbie⸗ 
ber im Sommer oft der Rhein hoch anſchwillt und fich Über Die zu beis 
ber Lücke ſtehenden Felfen ergießt, fo entfteht ein Sturz, der alle Schiff» 
glich macht. 3) Der Rheinfall bei Laufenburg befteht nur in einer 
fe, anf welcher die Schiffe leer und an Seilen durch Menfchen, jedoch 
wfabs heruntergelaffen werden. 4) Der Rheinfall bei Rheinfelden, 
sahalen, auch dad Gewild genannt. Die Selfen im Mheine fangen 
Btunbe oberhalb Rheinfelden an und ſtreichen bie unter bie Bruͤcke diefer 
Kalt fort, daß nur eine ſchmale Öffnung bleibt, wodurch die Schiffe 
ken Behutſamkeit geführt werden müffen. Unterhalb der Bruͤcke hört 
und der Strom wird ruhiger. 
ingau, ein 4 Stunden langer und 2 Stunden breiter Landſtrich mit 
wohnern, längs des rechten Rheinufers, ehemals zum Erzſtift Mainz 
w ein Theil des Herzogthums Naffau, ift eine ber herrlichiten Ges 
Kichlands, beruͤhmt durch die ſchoͤnen abwechfelnden Partien und reizen» 
Ken und durch die herrlichen Rheinweine, die bier gedeihen. Er wird 
Weingaugebirge (deſſen hoͤchſte Spige der Mabenkopf ift), welches nur 
mes Thal von dem Taunusgebirge gefchieben ift, gebildet und von dem 
\ gegen WB. fließenden Rheinſtrome beſpuͤlt. Ex fängt bei dem Dorfe 
Bf unterhalb Mainz an und endigt fich bei dem Dorfe Lorrich. Das ſchoͤne 
Exfetb ift der Hauptort des Rheingaus. Ferner liegen Erbach, Hatten: 
sh, Mittelheim, Winkel, Schannisberg, Geißenheim, der ſchoͤne große 
beaheim, Asmarmehaufen, Dreiedshaufen, Nieberheimbach und Lors 
mb am Ufer eine Reihe von Landhäufern. Die Ange des Rheingaus, 
4 fein Gebirge gegen die Nord» und Oſtwinde gefchligt und dagegen dem 
hl der Sonne außgefegt ift, trägt zur Güte des Weine vorzüglich bei. 
K des Weinbaues wird der Rheingau in bie obere und untere Gemarkung 
b. 5. in die Dörfer der Höhe und in die Dörfer länge des Ufers. Die 
eine gebeihen auf den höchften Höhen, die gefünbeften auf den mittlern. 
Biefe wadhfenden werden fpät trinkbar. Die berühmteften Weine des 
ind der ſtarke und feurige Rüdesheimer und Markebrunner, der gewuͤrz⸗ 
misberger und Geißenheimer und ber liebliche Asmannshäufer. (©. 
ine.) Außer dem Weinbau hat man auch vielen Obftbau und auf dem 
fer weit entfernten Gebirgsruͤcken anfehnliche Waldung. 
ingrafen, f. Raugrafen und Wildgrafen. 


ui 


250 Rheiniſcher Fuß Rheinfhifffahrt und » Handel 


Rheinifcher oder rheinländifher Fuß, f. Fuß. 

Rheinsberg (Rhinsberg), Stadt am Flüßchen Rhin und einem 
im ruppinifchen Kreife des zur preuß. Provinz Brandenburg gehörigen poti 
Megierungsbezirts, 12 Meilen von Berlin. Es ift regelmäßig angelegt umk 
große Öffentliche Piäge, 200 H. und 1490 Einm., welche von A Ä 

. brauerei und Branntweindrennerei leben. Auch beſchaͤftigt eine —* 
ſchoͤne Waaren liefert, gegen 70 Arbeiter. Unweit der Stadt liegt eine Gla 
Das Schloß des Prinzen Auguſt von Preußen hat einen ſchoͤnen Park mh 
Spisfäule zum Andenken des Prinzen Auguft Wilhelm, Bruder Friedrichs 
mit den Dentmälern mehrer preuß. Generale, die fich im fiebenjährigen Kriqy 
zeichneten. Anfangs nur ein Schloß, gehörte Rheinsberg zu den 3 Stammh 
der Herten von Brebow, von ihnen fam es an das Daus Beville. Dee. 
Friedrich Wilhelm I. kaufte es 1736 und erhob e& zu einer Stadt, mo bed 
lige Kronprinz, nachheriger König Friedrich II., refibiren follte. Ver 
Werke der Kunft und durch bie edle Vorbereisung auf ein ruhmvolles Leben, 
Friedrich der Einzige fich hier widmete, gehört diefes Städtchen in bie 1 
der preuß. Gefchichte. Aber auch als Mefidenz des großen Bruders Friebril 
des Prinzen Friedrich Heinrich von Preußen, follte Rheinsberg auf6 neue U 
licht werden. Das Städtchen brannte 1740 ab, der König ließ es wieder au 
und ſchenkte e8 1744 feinem als Menſchen, Weifen und Feldherrn gleich ur 
neten Bruder. 

Rheinsburger ober Collegianten nennt ſich eine Secte in Si 
welche zu Anfang bes 17. Yahrh. aus Remonſtranten (f. d.) entftanb, 
nach der dordrechter Synode zu Mheinsburg bei Leyden verborgen hielten 
nachdem den Remonftranten Religionsfreiheit zugeflanden worden un 
biefen nicht vereinigten, weil fie in der Freiheit ihrer Meinungen von den 
Gebraͤuchen der Neformirten noch weiter abwichen. Sie wollten keine 
und keiner angehören, fonbern nannten ihre Gefellfchaft Collegium und 
meinden Gollegien (daher ihr zweiter Name). Da fie die Bibel als einz 
ſchnur des Glaubens und Lebens aufitellten und dabei bie größte Ung 
ja Verſchiedenheit in der Auslegung berfelben geftatteten, gefellten ſich 
ratiſten aller Art zu ihnen; um Leyben und Rotterdam erhielten fie den meh] 
wachs aus Mennoniten. Socinlanern und andern liberläufern der proteftait 
Hauptparteien. In ihren Gemeinden ftellten fie keine beftimmte Geiftlihe, | 
nur Älteſte, Diener und Krankenpfleger mit Vorbehalt der —— 
ſich dazu faͤhig fuͤhlte, durfte in ihren Andachtsverſammlungen Vo 
Taufe und Abendmahl begingen fie, ohne die Feier der Sacramente für noth 
zu achten. Die Uneinigkeit einiger Schriftfteller aus ihrer Mitte, die ders 
zismus zum Socinianismus geleitet hatte, verurfachte eine Spaltung 
die die holländifchen Collegien von den gröningifchen trennt; jene bufden d 
nianismus, diefe nicht. Um 1740 hatten fie noch 18 Gollegien ober Geh; 
die vorzüglichften zu Amſterdam, Leuwarden und Gröningen. Jetzt ſchel 
Secte zu erlöfchen. Y. 

Rheinfhifffahrts-Dcetroy, f. denfolg Art. 7 

NRheinfhifffahrt und » Handel. Schon die Römer ſuchtng 
dem fie fich an dem linken Rheinufer feftgefest hatten, bie Schifffahrt * 
unter der Aufſicht eigner Schifffahrtspraͤfecte nicht nur zu regeln, 
durch billige Schifffahrtsabgaben die Mittel zur Handhabung der 
Ordnung auf demfelben zu gewinnen. Etwas gleichfoͤrmiger wurben 
fahrtsverhaͤltniſſe, als beide Rheinufer unter römifcher Herrfchaft Ra 
blieb man aber damals, forte fpäter, mo der Rhein deutfcher Herrfchaft 

fen murbe, von dem eigentlichen Ziele entfernt. Was Karl d. Gr. im 

























Rheinſchifffahrt und - Handel 2381 


iſchifffahrt und ⸗Handel audſprach, waren nur augenblickliche Lichts 
velche nicht unbedeutende Ruͤckſchritte in den naͤchſten Jahrhunderten 
er größere Beſchraͤnkung der Schifffahrtsfreiheit, ſowie größere Zoll⸗ 
en das Ziel der zum Beſitz der Landeshoheit gelangten Großen der 
mechie zu fein. Der cheinifche Stäptebund trat zwar diefen verberbs 
kan feft entgegen; auch die Kurfürften, in deren gefteigerter Macht die 
undes unterging, fuchten durch ihre in den Bollcapiteln entworfenen 
chifffahrtszwang zu mindern; beffenungeachtet war im Mittelalter 
die Entſtehung der Stapelmonopole und einer Art Rheinſchifffahrt⸗ 
igei Das Stapelfpftem — urfprünglidy eine wohlthaͤtige 
td im 16. Kabrh. ein immer laͤſtigeres Zwangsrecht, durch welches 
ſche Fuͤrſt auf Koften des Anbern Vortheile zu erwerben fuchte. Köln 
eiten unter den Stapelftädten die erften Rollen, und letzteres dehnte 
6 17. Jahrh. fein Monopol fogar auf bie Sciffe andrer Ströme 
n& wirkten dagegen die papierenen Reichögefene, die Friedensſchluͤſſe, 
# Mepreffalien, Abfchlüffe einzelner Verträge und Klagen bei ben 
ı. Je mehr bie deutfchen Lande zerftüdelt wurden, befto mehr zer⸗ 
ich die deutſche Rheinfchifffahrtöfteiheit. In der zweiten Hälfte bes 
bite man immer ftärker die nachtheiligen Folgen der vielen auf einan⸗ 
Rheinzollaͤmter, der Willkür ihrer Beamten, der Verſchiedenheit 
ngen und des Mangels einer allgemeinen Steompolizei. — Dem 19. 
die Ausführung Deffen vorbehalten, was die Öffentliche Meinung 
Fahrt und ⸗Handel laut in Anfprucdh genommen hatte. Schon auf 
Briedenscongreffe foderten die franz. Gefandten gaͤnzliche Zollfreiheit 
zunb bemwilligten die deutfche Gegenfoderung freier Schifffahrt bis in 
wie Aufhebung aller Stapelrechte und alles Schifferzunftziwange®. 
Raifer der Franzofen ging nicht fo weit, faßte aber Dagegen den ſchwie⸗ 
inem getheilten Fluſſe ein feſtes, vollftändiges und gleichförmiges 
Rem zu geben. Durch die am 15. Aug. 1804 zwifchen ihm und dem 
als Bevollmächtigten des deutſchen Reiche, abgefchloffene, jegt noch 
ation warb fein Plan ausgeführt. Er ruht auf den 3 Grundlagen, 
ia von Strasburg bis an bie holländ. Grenze als ein gemeinfchaft: 
mgefehen, ımb 2) auf demfelben flatt der 32 Rheinzoͤlle ein nicht 
CEt. abs und 2 Fr. aufwärts betragmdes Rheinfhifffahrts- 
u, auch 3) zwar der Stapel zu Manz und Köln aufgehoben, dagegen 
e Umfchlag in beiden Häfen beibehalten werden folle. Napoleon ges 
Schifffahrtsfreiheit und die gleichen Rechte nur inſoweit zu, ale er 
b des linken Rheinufers, nicht in feinem Bemühen, Frankreichs 
& Handel auf Koften andrer Staaten zu heben, geftört glaubte. Dies 
rar und iſt der Rheinfchifffahrtsoctroivertrag, vein angewendet, noch 
ker für alle Schifffahrtsadminiftrationen großer Fluͤſſe. Nothwen⸗ 
ner zwei erften Grundlagen waren, daß die ganze Schifffahrtspolizei 
kon in allen Theilen und die Gerichtöbarkeit uber Schifffahrteftreitig- 
n und gleichförmig, auch felbftändig und unabhängig von jedem 
Inate bleiben, fofort einer nur der Gemeinfchaft verpflichteten, ober> 
Mainertraut werden mußte. So ward ein Handelsſchifffahrtsſyſtem 
he es ſelbſt jetzt noch kein beutfcher Strom aufzumeifen hat, und da⸗ 
sehe Epoche der Rheinſchifffahrt und des Rheinhandels begründet. 
ie diefer Saat nicht in größerm Maße geerntet wurden, war eine Folge 
Woften®, ſowie der franzöfifchen Eingriffe in den Octroivertrag, bes 
w 3eit an, wo der ehemalige Kurerzkanzler, mit Abtretung feiner 
Detroteintünften, Die oberfte Aufſicht Über die Rheinſchifffahrisver⸗ 


2 - Kheinfhifffahrt und -Bandel (1816-18) 


waltung ber franz. Regierung faft allein uͤberließ. — Nach Napoleons € 
von den alliirten Maͤchten in dem parifer Frieden ber lang erſehnte Gru 
Schifffahrtöfreiheit auf dem Rhein bis in das Meer ausgefprochen. 2 
widelung bfieb dem mwiener Gengreffe vorbehalten. Diefer befchäftigte fi 
ter Theilnahme der Sefandten der allirten Mächte, forvie der Rheinuferb 
land, Preußen, Frankreich, Baiern, Baden, Heffendarmftadt und N 
Lich mit Ausfchluß ber Schweiz), fo thätig mit Löfung diefer Aufgabe, d 
24. Mix; 1815 die wiener Congreßſchifffahrtsacte unterzeid 
Auf die Unterhandlungen derſelben war es von großem Einfluffe, daß 
einfeitig geftimmten Deputationen für und gegen die Stapelgerechtigk 
erfahrene, mit den verwidelten Mheinfchifffahrtöverhäftniffen gena 
und zugleich ganz parteilofe höhere Rheinſchifffahrtsbeamte zu Wien 
welche zur Aufklärung und Berathung , ohne alle andre Rüdficht als a 
der Sache mitzuwirken, Kraft und Willen hatten. Zwar wurde be 
Mheinoctrois@eneraldirector Eichhof, auf den Worfchlag bes niederläu 
fanbten, über einzelne Artikel der vorgelegten Conventionsentwuͤrfe ge 
aber des Erftern kurz vor dem Congreſſe herausgegebene „Darftellung d 
genau and mit voller Sachkenntniß erwogen hatte, der konnte vorher 
weiche Partei der Verfaffer als die kuͤnftig in der Rheinhandelsſchifffal 
fchende anfah und an welche er ſich Daher anzufchmiegen gedenfe. Für! 
rung der wiener Rheinfchifffahrtsacte war ed naͤchſtdem von noch na 
Einfluffe, daß fie fich nicht auf allgemeine zur Ausführung des 5. Art 
Frieden hinreichende Srundfäge befchränkte, fondern, nach dem diplo 
Holland wohlberechneten Vorfchlage des nieberländifchen Gefandten, in 
Anwendung berfelben einging. Begünftigt ward damit deffen Streben 
nautifchsmercantilifchen Übergewichte auf dem Rheinftrome, und weı 
und wichtigfte Artikel jener Acte: Schifffahrtsfteiheit, nad) dem todten 
gegen die Abſicht der Convention, nur bie an das Meer gelten follte, fo 
That mit dem Königreiche der Niederlande zu Wien ein nacıtheiliger Wa 
fchloffen worden. Der künftigen Gentralcommiffion für die Rheinſchifff 
zur Pflicht gemacht, Alles, was die Convention von 1804 Gutes und 
enthalten, beizubehalten. Auch warb dem damaligen Generalcommifl 
Nheinfchifffahrt, Grafen von Solms⸗Laubach, aufgetragen, eine Gomn 
ftehend aus dem ehemaligen. Seneraldirector Eichhof und 2 Rheinſchifff 
ten, anzuordnen, welche den Entwurf eines definitiven Reglemente für 
ſchifffahrt vorbereiten ſolle. Herr Eichhof konnte aber mit den beiben Ge 
gliedern zu keinem Mefultate gelangen. Er erflärte vielmehr, feinen E 
Rheinſchifffahrts⸗Centralcommiſſion nad) ihrem Zufammentritt unmit! 
geben zu wollen. 

Die Beftimmung diefer Gentralcommiffion war dreifach. 
gebende Behörde follte fie gleich nad) ihrem Zufammentritt 1) im N 
Uferftaaten eine interimiftifche Infteuction erlaffen, welche bis zur Exfd 
definitiven Verordnung die Befolgung der Sonvention von 1804 vorfd 
doch (mie es in der wiener Acte wörtlich beißt) „Diejenigen Artikel bezei 
che bereits durch erftere aufgehoben find, oder durch andre Vorſchrifter 
erfegt werden muͤſſen““. Sobann folle fie ein definitives Reglement für 
ſchifffahrt abfaffen, und fobald diefes von ben Uferftaaten die Sancti 
haben werde, folle die neue Ordnung der Dinge ihren Anfang nehme 
tralcommiffion aber in ihre gemöhnliche Function, d. h. einer oberſten 
und Controfbehörbe über die permanente Adminiftration, eintreten. WB 
fie 2) die bei ihrem Zuſammentritt aufhörende, von den alliicten Maͤcht 
. nete Gentralverwaltung vertreten, d. h. als oberfte abminiftrative St 


Rheinſchifffahrt und «Handel (1816—18) 255 


hende unseittelbare Verwaltung der Rheinfchifffahrt leiten; 3) enblich, 
:abmeinifkvatio s gerichtliches Collegium, mehre iht ausdruͤcklich zugewie⸗ 
unterfuchen md enticheiben. Gieichfalls, aber vorübergehend und an 
Men Zeitpuntt gebunden, erhielt fie die Beſtimmung, das Penfions: 
Ider alten Mheinzoll », als der feit 1804 angeftellten Rheinfchifffahrtes 
ı figuidiren und den Etat definitiv abzufchließen, auch Allee, was bie 
winfehifffahrtöoctroi angeroiefene Renten betrifft, in Drbnung zu brins 
Conmiſſion hielt ihre erſte Sigung zu Mainz am 15. Aug. 1816. 
be Verhandlungen in franz. Sprache. Unter ben nad) und nach auftres 
oImaͤchtigten machte fid) bald der batrifche Staatscommiſſair v. Nau 
Die natürliche politiſche Stellung ber einzelnen Commiſſionsglie⸗ 
uf einen Verband zwifchen ben Commiffairen von Preußen, Heſſen und 
möge ihres gleichförmigen Staatsintereſſe. In Frankreichs und Hols 
ümächtigten lagen, obwol fie die Zukunft als Seehandels » Nebenbuhler 
manche Affimilieungsftoffe. Den beiden andern Commiſſairen bezeich- 
uttfch = miercantilifche Polltik eine neutrale Stellung ale ihre regelmäßige 
ins anders geftalteten ſich dagegen 2 Parteien, theils durch ben gehels 
tenfiuß des ehemaligen Generaldirectors Eichhof, theil® durch per- 
thäimiffe der einzelnen Commiffaire. Der bairlſche Commiſſair hielt fich 
Scharffinn ganz richtig in der Mitte. Preußen fand ſich faft iſolirt; 
ge ſich nach und nad) Heflen, nach einem richtigen diplomatifchen Tak⸗ 
m kraͤftigen und preiswuͤrdigen Verfechter der deutfchen Schifffahrtsfreis 
ben niederlänbifchen Schifffahrts⸗ und Handelsmonopolienbrud. Der 
heinſchifffahrtsdirector trug, ſtatt feiner eigentlichen Beflimmung und 
en Amte gemäß, der Gemeinſchaft zu dienen, das niederlaͤndiſch⸗ fran= 
Bier. Der Centralconmiffion blieb daher an dem geraden, beſonders 
xabilitaͤt der Rheinfchifffahrtsadminiftration fehr gefchickten u. erfahre⸗ 
ale Dermann ihr einziger, allem Parteigeifte fremder, ihr un- 
For leiftender Beamter. — Im erften, anderthalb Jahre dauern⸗ 
Rheinſchifffahrtsverhandlungen erblickt man, obne vorhergegangene 
joe Die anzunehmenden Grundlagen, fiebenfahe Entwürfe einer in⸗ 
Inſtructlon. Nur darin hatten alle, welde von den Gliedern der 
den Partei ausfloffen, oder auf welche der Generafdirector Eichhof ei: 
ausübte, eine gemeinfchaftliche Tendenz, daß gaͤnzliche Aufhebung 
zu Mainz und Koͤln noch vor der definitiven Übereinkunft eintreten 
b hätte aber, muß bier jeder Unpartetifche fragen, die nieberländifche 
nech auf dem Rheinſtrome zu fuchen gehabt, wenn ihr ber Diplomatifche 
durch Stapelnufhebung auf einmal Alles in Allem ſchon während des 
a Zuftandes zu gewinnen, wirklich gegluͤckt wäre? Diedeutfchen Rhein: 
hätten das ganz gleichgültige Recht, ihre Schiffe etwas weiter auf dem 
,. auf ber holländifchen Strecke fahren zu laſſen, mit dem Werlufte des 
dles ihrer bisherigen Dandelsfchifffahrt erfaufen, fich von den hollaͤn⸗ 
Wenhändlern alle tiber die See bezogene Süter direct bis an bie Außerfte 
Sheins zuführen laffen, alle vormals befeffene und in dem parifer Frie⸗ 
hate miercantilifche Voͤlkerverbindungen und Benugung der urſpruͤngli⸗ 
aufheben, dennoch ſchwete Abgaben in Holland besahlen und in bem 
ben e8 an den Rheimmündungen zufchnüct, für immer ftedien bleiben 
br ein gluͤcklicher Zufall und Preußens guter Genius bewahrte Deutſch⸗ 
un fo verberblichen proviſoriſchen Zuftande, der vielleicht ein halbes 
mert haben wirde. Gluͤcklicherweiſe hatte nämlich der niederländifche 
Yen Muth nicht, den fiebenten, fchon von der Majorität der Central⸗ 
ſwaheſcheinlich um nur zu irgend einem Refultate zu gelangen) gecey⸗ 






254 Rheinfchifffahrt und » Handel (1818—21) 


tirten Entwurf einer interimiftifchen Inftruction unbebingt anzunehmen 
benugte feine Weigerung unb ließ ſogleich durch feinen Commiſſalt in I 
vom 27. Zebr. 1818 erklaͤren: „daß es die Interimiftifche Inftruction ı 
mige, vielmehr ihn angewiefen babe, ſtracks auf das Ziel losugeher 
Zeitverluft die Abfaffung des befinitiven Meglements in Antrag zu bring 
land aber, das ſchon manche Vortheile in dem proviforifchen Zuftandı 
fie durch Aufhebung der Stapel zum höchften Punkte zur fleigern ſucht 
alte indirecte Springfebern zu Erwirkung eines nur ihm nuͤtzlichen intı 
Zuftandes, und fo warb ſowol diefer preuß. Antrag als die weiter gefl 
native, die interimiftifche Inftruction auf eine Norm für bie Zollbeami 
gulictung der innern Angelegenheiten zu befchränten, mehr oder minder 
theiligten Regierungen abgelehnt. Das Refultat zweijaͤhriger Unterha 
daher fein andres als eine Proclamation vom 10. Oct. 1817, mittelft 
die Centralcommiſſion als conftituirt erklärte, eine proviforifche Verwa 
miffion für die Rheinfchifffahrt ernannte, die Exhebungsämter von d 
rains, in deren Gebiet fie fidh befinden, in Beſitz die Beamten fowol| 
als auch für Befolgung der Centralcommiſſionsbefehle in Pflichten nı 
was eigentlich Hauptzweck war, die jährlich in ben Exhebungsämtern ı 
Gelder an die einzelnen Regierungen auf dereinſtige wechfelfeitige Abre 
weifen ließ. 

Der zweite Act der Sentralcommiffionsverhandlungen umfaßt 
jährigen Zeitraum (vom Aug. 1818 — 21), Das Commiffionsper 
in bemfelben das naͤmliche. Baden allein ſandte flatt bes bisherigen A 
(v. Mügig) feinen vietjährigen Rhein⸗ und Nedarfchifffahrtsreferenten 
gierungsrath Hartieben). Der neu eingetretene badifche Commiſſair [dj 
jedem, befonders dem holländifch = franzöfifchen Parteigeift abzurvenden 
ſich vielmehr mit den bairiſchen und naſſauiſchen Commiſſairen in der! 
mit ihnen jedesmal auf diejenige Seite überzutreten, melde nach Em 
wahren Zweckes ſtrebte. Beſonders zeigten fich in der Verbefferung b 
ftration, welche ducch viele franz. Eingriffe außgeartet war, ber baltiß 
bifche Commiffaie anhaltend thätig. Viele gründliche Ausarbeitungen 
des Turnus der Rheinfhifffahrtöbeamten, ihrer Befoldungsverhältniffe, 
fergildewefens, der Schiffsaiche, ber Wafjerdiligencen, ber herzuitellen 
foͤrmigkeit bei Erhebung ber Recognitionsgebühren, der Frachtenreguik 
feneinrichtungen, Stapelmißbraͤuche, Schiffermanifefte, des Leichtend 
fe, der Leinpfade u. ſ. w. kamen zur Berathung. Weit mehre Refultat 
folgen koͤnnen, waͤre nicht oft von dem niederländifchen Commiſſair, der 
Ben (yon am 13. März 1818 wol bemerkte) noch zur Zeit gar kein Red 
nahme an der Abminiftration des conventionellen Rheines hatte, Wit 
gen mehre Änderungen der Eichhof’Ichen Adminiftration erhoben worden 
den ferner, befonder& durch die Bemühungen der preußifchen und ı 
Commiffaire, die Penſions⸗ und Rentenanſpruͤche liquibirt und feflge 
über die Xheilung der Rheinfchifffahrtseinkünfte Unterhandlungen gep! 
quidirt und regulirt find zwar jegt nach ben Artikeln 29 und 30 der ı 
alle Penfionsfoderungen der Rheinſchifffahrts⸗, ſowie der fruͤhern 
beamten und ber Witwen, auch ift beflimmt, mer die anerkannten 
bezahlen fol: allein die deutfchen Uferfiaaten verweifen die zum Theil fe 
ten Gläubiger an Preußen, weil e6 bisher mehr an Zolleinkünften eh 
babe als ihm gebühre. Dieſes verweigert dagegen die Leiftung von 3 
bezahlt aber jährlich die ihm für feinen Antheil zugefallenen Penfionifte 
her Art verhält es ſich rüdfichtlidy der Rentenfoderungen, Über bera 
Fein Zweifel mehr obmwaltet. Was die Theilung der Rheinſchifffahrtse 


heinfhifffahrt und Handel (1821—22) 255 


eben fich nady langer Zeit Baden, Baiern, Heſſen und Naffau (mit 
Frankreichs, das einen eignen Plan vorlegte) über einen Theilungs⸗ 
sic einander vereinigt. Gemäß beffelben würde Preußen an bie in- 
5 Uferflaaten, nad) Abzug der bereitd non ihnen eingenommenen 
Stanten, vom 1. $uni 1815 bis 1. Juni 1824 noch eine Bruttoein- 
4,012,321 Franken zu vergüten haben. Preußifcher Seite hat man fich 
Yefen Theilungsmaßſtab, den ohnehin Frankreich verwirft, noch nicht 
er ſcheint Manchen zu hoch gefpannt zu fein; denn bie betheiligten Ufer⸗ 
mn an der ganzen Einnahme, flatt 20 Procent, deren 35. So entbeh: 
immer noch anfehnliche Summen, ftatt ſich über den preußifchen Ver⸗ 
ſchlag zu vereinigen. Unter den übrigen Verhandlungsgegenftänden 
25. Aug. 1820 zwifchen den Commiffaiten von Frankreich und Baden 
ne Vertragsproject über Einführung des Octroi und eine Schifffahrtes 
f ber oberſten Rheinftromftrede von Baſel bis Strasburg zu bemer- 
| &brigens den Abfchluß eines definitiven Reglement für die ge⸗ 
einſchifffahrt betraf, fo Eonnte nady ber Lage der Sache nidyt mehr ges 
I die Bönigl. preuß. Regierung zu einem weitern Schritte deßhalb zu ver- 
Yet herzogl. naffauifche Commiſſair ergriff hierzu jeden möglichen Anlaß. 
s alle Gommiffaire, mit Ausnahme des nieberländifchen, ſowie deren 
a überzeugt, baß jegt nur ein Definitivreglement zum Ziele führen koͤn⸗ 
m verfprad) endlich, einen Entwurf hierzu vorzulegen. 
beitte Act ber Gentralcommiffionsverhandlungen begimmt mit 1821 
In der Mitte von 1822. Die Commiſſaire waren bie nämlichen, weil 
ungen von ber liberzeugung ausgingen, daß fie durch ihre in einer fo frem⸗ 
ı sefammelten Erfahrungen den Zweck am leichteften erreichen koͤnnten. 
u wechfelte zum dritten Dal. Das erfte merfwürdige Ereigniß war die 
Pranfreiche, daß es feinerfeitd vom 1. Juli 1821 an die mit Baden pro> 
wieinführung und Schifffahrtsorbnung in dem neuen Bureau zu Stras- 
Imehr ausführen werde, als bereits die Majorität der Gentralcommif: 
erklärt habe, daß Baben und Frankreich hierzu ein volllommenes Recht 
gegem die projectirten Artikel Nichts zu erinnern fei. Der nieberläns 
Biffate aber trat allein al& heftiger Gegner gegen dieſes Vertragsproject 
uch fogar von lÜibereilung des franz. Dofes und fügte fich unter Anderm 
ß Baden das Project noch nicht ratificirt habe. Der badifche Commiſ⸗ 
? auch wirklich am 16. Juni 1821: „daß fein Hof, verfchiebener Um: 
m, moch zur Zeit Bedenken getragen habe, dem fraglichen (von Baden) 
Vnahme der Sentralcommiffion gebrachten Vertragsentiwurf die Geneh⸗ 
eilen“. Ein zweites fehr wichtiges Ereigniß mar die von Preußen 
1 geſchehene Vorlegung bes Entwurfes eines definitiven Reglemente, 
demerken, daß ber deutfche Tert deffelben als Driginal anzufehen fei 
Discuffionen über den Entwurf ein preuß. Specialbevollmächtigter wer⸗ 
werben. Am 22. Febr. 1822 waren auch bereits alle Commiffaire, au: 
diſchen, über das Project inftruirt. Noch 4 Monate, alfo im Gan⸗ 
el Fahre verfloffen, bis diefer am 26. Juni deffelben Jahres erklaͤren 
mmebhr mit Inſtructionen verfehen zu fein. Inzwiſchen hatte der nieder: 
senmiffair diefen langen Zeitraum benugt, um mehrmals feinen alten 
"Abfaffung einer interimiftifchen Inflruction, welche die beiden Stapel 
w wiederholen. Da er aber bei ber in einer Reihe von 6 Jahren erprob: 
Bichkeit, dieſes Ziel feiner Wuͤnſche zu erreichen, von keiner, ja nicht 
babiſcher Seite Unterftügung fand, fo entfchloß er fic doch endlich, auf 
nungen über ein befinitives Reglement einzugehen. — Ein dritte® merk: 
keigniß war, neben ber Tendenz verfchiedener Staaten aufUntervrlukung, 





258 Kheinſchifffahrt und Handel (182225) 


des gemeinfchaftlichen Verbandes’ durch Geltendmachung ber Eouven 
Preußens Streben, fein Donanenſyſtem auch auf dem Rheinfirome 
hen und zu befefligen. Die Centralcommiſſion flelite dagegen bie } 
der neue preuß. Douanetarif, welcher bie in dem Entwurf eines bef 
ments vorgeſchlagene Douanenbeflimmungen jegt ſchon einfeitig zı 
bringe, mobificitt und die tractatenmäßige Rheinfchifffahrtöfreiheit 
ten werde. Naffau machte auch bei der Centralcommiſſion bie Anzeiı 
Mauthbeamte gegen ben 88. Artikel der Gonvention von 1804 ihr 
tungen auf ben Steom felbft ausdehnten. Durch eine über beid 
gegebene Erklärung fand ſich zwar die Gentralcommiffion groß 
higt, erneuerte aber ihre Beſchwerde über die an dem Hauptzollaı 
eingeführte materielle Revtfion der auf Rheinſchiffen geladenen Gi 
Einfoderung von Begleitumgefcheinen, und verbot allen Schiffen ſich 
zu unterwerfen. Preußen erwiberte, daß bie Gentralconmiffion, da 
Iative Gewalt habe, incompetent fei, einen folchen Beſchluß zu fafl 
wies zwar ihre Sompetenz; es blieb aber bei der mit der tractatenn 
ſchifffahrtsfreiheit wol nicht ganz übereinflimmenden materiellen G 
Koblenz ımb dem ihr entgegengefesten Verbote an die Schiffer, fi: 
unterwerfen. | 

Der vierte und wichtigfte Act der Centralcommiſſionsverh 
gann in der Mitte 1822. Unter den handelnden Perfonen ging einı 
änderung vor, durch die Ernennung des Regierungschefpräfident 
£önigl. preuß. Specialcommiffair. Dieſer ausgezeichnete Staatsman 
Fifche und zugleich bie gute Sache Deutſchlands fo Eräftig und mit | 
matifchen Gewandtheit vertheidigt,, daß Nichts als bie Fortdauer des 
in dee Majorität der betheiligten deutfchen Höfe zu wuͤnſchen uͤbr 
vorherrfchende Charakter des von Preußen entworfenen definitiven | 
im Beifte des parifer Friedens und der wiener Schifffahrtsacte, d 
ßige Befefligung voller Schifffahrtöfreiheit von Bafel bis in bie offen: 
gekehrt von berfelben bis Baſel, jedoch inſofern, als fie Bezie 
Handel hat. Ohne diefe Freiheit bleibt Suͤbdeutſchland in ein 
ten zinsbaren Verhältnig gegen einen Staat, der feine Wiederherfti 
insbefondere Preußen in dem Befreiungskriege zu verdanken hat. £ 
die Voͤlkerverbindung unmöglich, welche die alliirten Mächte durch li 
tungen herftellen wollten; dern Holland fperrt Die See entweder bur 
gaͤnzliches Verbot ober durch enorme Abgabenbelaftung der Güter, 
Rheingrenze gebracht werden ſollen. Es unterwirft alle Schiffe de 
einem gezwungenen Umfchlag bei der Ausmuͤndung des Rheins in bi 
deit fie alfo ungleich und ganz anders als die Schiffe aller andern S 
ohne ihre Ladungen an das Land zu führen, auf urze Zeit in einem 
fen verweilen. Der jegige traurige Zuftand Deutfchlande rührt au 
von diefer Behandlung her; denn feine Getreideausfuhr iſt ganz ur 
die Durchgangsgebuͤhren des Getreides in Holland doppelt fo viel 
Merth des Getreide beträgt. Diefer Fall tritt in ähnlicher Art b 
anderer Waaren ein. Von denjenigen, deren Ducchfuhr auf den 
Mpeine in die See nicht ganz verboten ift (ſowie dies Häufig vorko 
Holland nicht, wie die Rheinuferftaaten, ein bloßes Octroi, fondı 
auf vielfache Art, um Sübdeutfchland nicht nur feine eignen Probu 
cate ausfchließlic, aufzubringen, fondern auch von denjenigen, wel 
See aus andern Staaten holt, als monopolirter Zwiſchenhaͤndler bı 
winn ganz allein zu ziehen. Holland läßt fich von den Gütern, bie « 
im bie See gebracht werden, alfo nur tranfitiren follen, nicht mar ei 


Eheinſchifffahrt und Handel (1822 — 26) 257 


238500, der oft 20—30 Mal mehr als die Befahrung des Rheines auf ei⸗ 
un strecke beträgt, fondern auch noch andre Mebenabgaben von Bedeu: 
um. Es nimmt außer dem Lagergeld, den Sommiffionsgebühren u. f. 
os fogenannte Syndikat, d. h. einen Zuſatzzoll von 15 Proc. auf den Be: 
Tranfiegebühren. Es nimmt ferner unter der Benennung: Plombage ber 
nden Waoren, nicht etwa eine Verguͤtung für die verwendeten Bleie, 
ine weit bebeutendere, bis auf 14 Proc. fteigende Steuer vom Kranfit, 
emigen Güter, bie ihrer Natur nad) gar nicht plombirt werden können, 
von Blei, Kupfer, Zinn in Bloͤcken u. f. w. Bel einer folchen, ben Frie⸗ 
Am, Vertraͤgen und liberalen Abfichten der verbündeten Mächte wider: 
: Behandlung der Süddeutfchen, wuͤrde alfo Preußen, wenn nicht 
rtefreiheit in die See Grundlage feines vorgefchlagenen definitiven Regle⸗ 
worden waͤre, nicht nur feine Rheinprovinzen der erlangten Vortheile bes 
dern auch einen Theil der deutfchen Nationalintereffen fremder Will⸗ 
wgeben haben. — Charakteriſtiſch, doch mehr für das befondere preuß. 
eine beustfche Intereſſe berechnet, ift das in dem definitiven Reglemente: 
khtbare Streben nach Beſchraͤnkung des beftehenden gemeinſchaftlichen 
sam Vortheile der Souverainetät der einzelnen Rheinuferſtaaten, ımb 
nstehnung des preuß. Mauthſyſtems auf den Rheinſtrom felbft, indem 
te die Convention von 180% die Donanenaufficht nur auf die Rheinufer 
Ss iſt ferner aus diefer Acte auch nicht alled Nuͤtzliche, was fie enthält, 
chrift der wiener Convention entiehnt, fondern es find vielmehr bie be: 
bildeten und geregelten Rheinfchifffahrtsverhätmiffe mit den noch immer 
w Ausbildung erwartenden Verhältniffen des Eibes und Weſerſtroms 
B. Indeſſen wird e8 wol den betheiligten Uferflanten nicht ſchwierig wer⸗ 
Ber ihre dießfaltfigen Wünfche mit Preußen auszugleichen, da fich bie: 
bfiper beider Rheinufer leicht, befonders auch durch Anlegung einiger 
Bhäfen, In Stand feken Tann, feinen Zweck ohne nachtheiltgen Einfluß 
auf das Schifffahrtsfnften der Gemeinfchaft zu erreichen. — In dem 
blungen ward von Seite des nieberländifchen Gommiffairs vor 
imf gebrungen, daß der Status quo der Gonvention von 1804 während 
keblungen beibehalten werde. Auf die Gegenbemerkungen bes preuß. und 
kemmiffatr® geftand man endlich felbft niederlaͤndiſcher Seite gu, daß der 
» von 1804 mit den feither von der Gentralcommiffion befchloffenen Aus: 
ten ſolle. Hierauf gaben im Febr. 1823 Batern, Naffau und Heffen ihre 
eren Anträge Über alle Artikel des definitiven Reglementsprojects 
Yad. Baden und Frankreich erklärten aber, nur artitelmeife abftimmen 
In Erwartung der nieberlänbifcyen Inſtruction wurden die Verbands 
fe Monate vertagt; mblich erklärte deffen Commiſſair, daß er verſuchs⸗ 
weiſe ſich in Discuffionen Aber den Entwurf des definitiven Reglemente 
wie. Die Majorität gab der Minorität nah, umd fo gelangte man end» 
3. Aug. 1823 zur Discuffion des 1. Artikels des Reglementsentwurfé! 
‚ gleich dem 9. Artikel der wiener Acte, die Sreiheit der Rheinſchifffahrt 
Mene Ser aus. Baden und Frankreich hatten vorerft dabei nicht® zu erin⸗ 
aber Die Niederlande dagegen proteftirten und diefe Freiheit nur bi® zu den 
Emftlerdam, Rotterdam und Dortrecht zugeftehen wollten, traten beide 
Echte. Zur deutſchen Oppofittonspartei gehörten Preußen, Baiern, 
u Heſſen, leßtere® etwas ſchwankend, meil ed der Meinung war, daß 
wnd wichtigſte aller Streitfeagen nur von den Garants der wiener Con⸗ 
tſchieden werden könnte. Daß der badiſche Commiſſair (Bühler) mit 
Wifchen gemeinſchaftlich die Rolle des Vermittlers uͤbernehmen wollte, 
befeemden, wolnber, daß er, biefem Zwecke entgegen , felbft ale Ber- 
& Eiesente Aufl. BE. IX 17 











258 Rheinfhifffahrt und Handel (1822—25) 


theidiger der niederländifchen Behauptung auftrat. Der Sefammtinhalt b 
einfeitiges Rocalintereffe gebauten Hauptgründe ber nieberländifchen Partei. 
in Kolgendem: Der 1. Artikel des wiener Vertrags fpreche die Schifffahrtef 
‚jusqu’ä la mer” und nicht jusques dans la mer” aus, auch beftätige t 
19. Artikel, wo es heiße: „jusqu’ä son embouchure dans ia mer’. Bid 
die Abficht der Gontrahenten auf dem wiener Congreſſe zu Rath, fo koͤn 
Flußacte fich auch nicht weiter al6 auf den Fluß ausdehnen. Man habe Niet 
Nichts von den Seerechten auf fein Seegebiet, über das in Wien fein Wort 
chen worben fei, vergeben wollen noch vergeben können, ba es dieſe nach 
finanziellen oder politifchen Ermeffen, ebenforvie die Flußſtaaten ihre Zerritorke 
auf den Landftragen, auszuüben befugt ſei. Vermuthen könne man ebenfa 
ſolche ſtillſchweigende nachtheilige Verzichtleiftungen, als fie an und für fl 
in der Freiheit der Rheinfchifffahrt mit einbegriffen, ſonach als aufgehoben 4 
ben fein. Vorausgeſetzt, daß wirklich alle Waaren außer den Schifffahrte 
ven frei fein follten, fo bebürfe es dazu keiner gänzlichen Aufhebung aller nie 
difchen Seezoͤlle, fondern nur die Beſtimmung der Schifffahrtögebühr. € 
aber keineswegs in der Abficht der Contrahenten gelegen, alle Waarenabge 
zuzulaffen, fonft würde man das Naͤmliche auch bei ben Nebenftrömen bes 
verfügt haben, und frei bleibe diefer, fo lange auf demfelben Eeine Hindern 
Beldftigungen einträten. Die Freiheit auf dem Seegebiete muͤſſe aber fh 
wiefen werden. Wäre übrigens der 1. Artikel des wiener Vertrags wirkll 
felhaft, fo. dürfe, er nicht gegen, fondern nur nach deffen Worten erklaͤrt 
Niederland lege gegen die Vortheile, welche ihm bie Kreiheit auf dem gang 
gewähren werde, bie ungebinderte Schifffahrt auf feinem Flußgebiete bi8 
Märkten, die Aufhebung der Schifferrechte, die freie Concurrenz mit fe 
fern und die Entfernung aller Douanen von dem Rheinſtrome als Aula 
bie Wagſchale. Daß es aber feine Seerechte unbedingt bingeben folle, 

zu Wien nicht verlangt und verlangen Binnen. Baden und Frankreich fol 
ber aus diefer Behauptung, daß Niederland Feine weitere —— 
die Seezoͤlle nicht zu feinem privativen Vortheil zu benutzen, folglich jebes J 
verbot aufzuheben und den Seezoll unabaͤnderlich zu fixiren. Der badiſt 
miffair verficherte fogar, Niederland werde feine Seerechte nie unbedingt af 
wogegen aber der bairifche Commiffair bemerkte, daß jegt ſchon ber nieber 
Seezoll den franzöfifchen Handel beföcdere, und daß wenn einmal Strasiuf 
den Rhonecanal mit dem Mittelmecre in Verbindung ſtehe (auch, fegen s 
Paris nach dem gegenwärtigen Plane ein Seehafen ift) und der Rhein ! 
Ems und Lippe neue Hanbelözuflüffe erhalte, den Niederlanden ſelbſt mi 
bauptung des babifchen Commiſſairs, fie Eönnten fich dieſes Rechtes nie ! 
Umfange begeben, vielleicht Bein Dienſt geleiftet werde. Siegreich trat} 
die Majorität ber Gentralcommiffion, an deren Spige Preußen ſtand, be 
fer Sache nie fein SSntereffe von dem der übrigen Uferflanten trenmte, in fh 
„Dauptgegenfägen auf: Bei bem 1. Artikel des wiener Vertrages, buchß 
nommen, wird felbft ein Collegium franz. Sprachlehrer zugeftehen, daß d 
druck jusqu’ä la mer im gewoͤhnlichen Sprachgebrauche fo viel als bis in 
welches bei feiner Ebbe und Flut ohnehin keine Scheibelinie zwiſchen Fi 
Seewaſſer ziehen läßt, zu bedeuten habe. Jeder, der fagt: La grande rogf 
libre de Chatillon jusqu’a Paris, nimmt an, daß man auf diefem 
Paris gelangen kann, da der Ausdrud jusqucs dans Paris edenfo Ab 
ungebräuhlic if. Daß in dem 19. Artikel der wiener Acte ber Ausb 
£ommt: „jusqu’a son embouchure dans la mer” ift fehr natürlich, 
nur von aufzuhebenden Stapel: und Umfchlagrechten die Rede ift, folg 
fen 3wed und an diefer Stelle die gewählten Ausdrüde hinreichen. 






























Rheinichifffahrt und = Handel (1822-25) 259 


ber richtigen Bemerkung des bairifchen Commiſſairs) hier vielmehr die 
Wort als das Wort der Sache den Sinn abgewinnen muß, auf bie 
un Geiſt, die gegenfeitigen Verhaͤltniſſe der Contrahenten und den Zu: 
ng bed wiener Vertrages über, fo ift nichts gewiffer, ale daß die Schiff: 
eit bis in bie See beftehen fol. Der Deutung der badifch niederlaͤndi⸗ 
ei ſteht ſchon das bekannte franz. Decret vom 21. Oct. 1811 und nod) 
zariſer Friede entgegen; denn deffen Artikel 5 ift ganz in dem Geſichte⸗ 
er durch liberale Inſtitutionen herzufteltenden Völkerverbindung verfaßt, 
eflimmt von der Gleichheit der Abgaben, der Begünftigung des Welts 
id der durch denfelben zu erwirkenden Annäherung der Völker fpricht. 
: Eontrahenten wollten geroiß nicht dem Gutfinden eines durch ihre Ans 
vieder erſtandenen Staates ihre commerzielle Verbinbung anheimftellen 
ven Grundſatz ber Rechtsgleichheit vernichtende Verbindung eingehen. 
Abſicht anders geweſen, fo hätte etwas über das Seerecht beftimmt 
b der nieberländifche Gefandte feine entgegengefebte Meinung erklaͤren 
mn wenn Holland, bas ohnehin fo große indirecte Hanbelsvortheile hat, 
‘ Bedingniffe an den Mündungen des Stromes vorfchreiben kann, fo 
eine folide Handels⸗ und Fabrikfpeculation von ben Unterthanen der 
kaaten voraus berechnen. Angenommen, daß wirklich ber 1. Artikel 
ges einen Doppelfinn hätte, fo müßte er zu Gunſten ber Handelsfrei⸗ 
er Voͤlkerverbindung interpretirt werden. Daß man aber hierüber gar 
zeifel geweſen, ergebe fi) aus den gleichfalls auf bie wiener Acte gebau⸗ 
s abgefchloffenen Elbe⸗ und WBefer: Schifffahrtsverträgen, in welchen 
Banbelsfchifffahrtsfteiheit bis in Die offene See als 1. Artikel voranftehe. 
nd fei vorhanden, warum’ das fübliche und weftliche Deutfchland einen 
ehr mit allen Seeftaaten, zum Abfag feiner Erzeugniffe, entbehren folte, 
Beſitz ſich das nördliche und oͤſtliche Deutfchland bereits befinde, daher 
neuerlich auf dem Congreffe zu Verona von der britifchen Geſandtſchaft 
mg ber niederländifchen See in einer Note reclamirt worden, bie feinen 
rig lafle, daß in Wien oder Paris von Begebung des nieberländifchen 
‚die Rede gewefen fein müfle. Was Holland gegen die für fein Interefs 
ige freie Schifffahrt auf dem ganzen Rheinftrome als Aquivalent in bie 
legen wolle, fei für die Rheinuferſtaaten, die eine Menge finanzieller 
geopfert hätten, insbeſondere für Preußen, das bloß allein durch Umle⸗ 
karifs, worauf Holland dringe, mehr ale 700,000 Sr. aufgebe, nicht 
Sollten die fämmtlichen Rheinuferftaaten ihren Hoheitsrechten auf 
biete entfagen, fo muͤſſe dies auch von Holland ruͤckſichtlich der Verbin- 
Rheines mit dem Meere gefchehen ; denn was in den Niederlanden an ben 
m Seerecht heiße, fei jeder Rheingrenze eines Uferftantes das Strom: 
ı der Freiheit des Tranfitd und der Theilnahme am Welthandel beſtehe 
einzige Gommpenfationsmittel und die einzige Gteichflellung der Souve⸗ 
chte und Handelöverhältniffe. Der Abſatz Hollands, den Rhein auf: 
trage jest fchon (tie der bairifche Commiſſair ſehr wahr bemerkte) we⸗ 
D Mi. Gulden jährlich, während der Abfag der Mheinländer auf dem 
en Markte kaum tel diefer Summe ausmache. Stehe aber jegt ſchon 
Kehllanı zum Vortheile Hollands auf *tel, fo werde, nach Aufhebung 
I zu Koͤln and Mainz, Handel und Schifffahrt ſich mehr wie jemals in 
m der Dolländer befinden. Es fei eine ganz eigne Erfindung des niebers 
Gommiffaite, daß er eine nieberländifche Zerritorialfee den Landgebieten 
naten zur Seite ſtellen wolle. Man beftreite ihm fein Seerecht nicht, 
We ſes nur mit dem Stromrechte in ‘Parallele. -- Den Werth foldyer 
um Bründe, welche bie beutfche Partei für fi hat, mußte der nieder: 
| 17* 


260 Rheinſchifffahrt und - Handel (1822 — 25) 


laͤndiſche Sommiffair mol fühlen, weil er fi auf den mehrmaligen preu 
den Art. 1 den Garants der wiener Acte zur authentifcyen Sinterpretati 
gen, ebenfo wenig als auf den Geiſt des Vertrags, oder andre bi: 
Actenſtuͤcke einlaffen, vielmehr fein ganzes Heil einzig und allein in ber 
‘hen Auslegung einer von geiftvollen Staatsmaͤnnern verfaßten Acte fu 
Ein befonderes Stantdintereffe des badifchen Commiſſairs laͤßt fich nich! 
da Baden weder Seehäfen hat, noch feinen manheimer Nedarftapel mi 
fperre in Verbindung fegen kann, auch die kühnften Ideen von zu eı 
Danbelsvortheilen. durch Frankreich oder Holland, von Anlegung ein 
dungscanals zwiſchen dem Rhein und Nedar u. ſ. w., im Verhälmiß z 
ringenden Thellnahme am Welthandel, kein ausgeſchiedenes Intereſſe 
koͤnnen. Dieſe Anficht beſtaͤtigt auch einer der Eingeweiheten in das badi 
fahrts⸗ und Handelsintereſſe, der auf allen neuern Handelscongreſſen 
als Bevollmaͤchtigter erſcheinende Geh. Rath Nebenius, in feinen „Be 
über den Zuſtand Großbritaniens“ (S. 121), wo er, als entſchiedener 
von Holland aufgeſtellten buchſtaͤblichen Auslegung des wiener Vertrage 
1818 mit hoͤchſtem Eifer fuͤr die gerechte preußiſch⸗deutſche Fodecu 
Merkwuͤrdig find folgende Aeußerungen des k. preuß. Specialcommiif: 
wohlwollender Vermittler muͤſſe ſich in die Mitte ſtellen und nicht mit d 
riſchen Anerkenntniß des Rechtes der einen und des Unrechtes der audern 
als Vermittler ankünden” (295. Specialprotokoll); ferner „mann 
Har und vollſtaͤndig feine Meinung fagen und nicht die Reiheorbnung 
end umkehren wollen. Wenn A fage, ich flimme für jetzt noch nicht, © 
erſt hören, vote B fich äußert, fo dürfen B, C, D u. f. m. vor= und 
das naͤmliche Recht in Anſpruch nehmen, wodurch wir (die Commiſſa 
cherweife in den Fall einer Gefellfhaft gerathen koͤnnten, die complime 
der Thuͤre ftehen bliebe, weil Niemand zuerft eintreten wollte”. Nach di 
pfe im Plenum der Gentralcommiffion gingen Preußens und Hollande X 
tigte, um einen Verſuch zu wechfelfeitiger Annäherung zu machen, zu 
traulichen Notenmechfel über, ber vom 23. Sept. 1823 bis zum 31.‘ 
fortgefegt wurde. Die Refultate diefer Unterhandl. waren einzelne Zu« 
untergeordneter Art, die als Mißbraͤuche und übertriebene Beſteueru 
ohnehin nicht mehr wuͤrden beftehen Finnen. Niederland erbot fich näı 
Vorausſetzung, dag auf die freie Schifffahrt in die See verzichtet n 
Zranfit der Güter zu geftatten, jebod mit Ausnahme des Salzes, 
der Heringe, des Papierd und der von feiner. Nationalfifcherei herkommen 
Es erbot ſich auch, die Zranfits und DOctroigebühr fo feftzufegen, 
fammengenommen die Rheinoctroigeblihr von Lobith bis in die See entr 
oder nur um Weniges überfteige, und zugleich ein Maximum für die 
gaben nebft einem Claſſentarif aufzuftellen. Der preuß. Commiſſair fon 
türlih auf folche unzureichende Nachgiebigkeiten nicht einlaſſen, ſond 
mit vollem Recht vor Allem auf der freien Fahrt bis in die offene See 
trat der bairifche Commiffair mit neuern, auf Deutfchlande wahres Be 
techneten Vermittlungsvorfchlägen auf. Als Grundlage nahm er an, t 
Schifffahrt bis in die See, jedoch nur zu Bunften der Rheinuferftaaten 
finitiven Reglement ausgefprochen werde. Der nieberländifche Comm 
aber auch die® ganz und die übrigen Vorfchläge mehr oder minber.ab, 
übrigens die Einbolung von Inftructionen vor, ob und inwieferne chd 
Tranfittarifes und der Nebenkoſten nachgegeben werden koͤnne — 9 
abermaligen fruchtlofen Berfuchen blieb nichts Andres als die Erklärung 
preuß. Commiſſairs uͤbrig, daß, wenn der niederläntifche Bevollmaͤe 
Binnen einer von ber Gentralcommiflien zu beſtimmenden Friſt ben ! 


heinſchifffahrt und Handel (1822 — 25) 261 


m entfprechendere Anträge machen koͤnne, Preußen den Zeitpunft, wo 
ung einer freundfchaftlichen Vereinigung im Wege ber jegigen Unterhanbs 
ht weiter genaͤhrt werben koͤme, als eingetreten und fich einftmweilen aller 
chkeiten gegen das niederländifche Gouvernement enthoben anfehen mäffe. 
he Commiſſair hatte das Naͤmliche in Hinficht der Rheinuferfiaaten [yon 
ur mit dem Schlußzufage erklärt, daß feine Regierung jede Einrichtung 
werde, die nicht dem Nheinfchifffahrtstractate (d. h. der auch von 
shtlich angefprocdhenen Schifffahrtöfreiheit in die See) entgegenftehe. 
naffauifche Bevollmaͤchtigte Hatte für feine Perfon geäußert, wie er aus 
ver Verhandlungen erfehe, daß die Gentralcommiffion ihr Enbe erreicht 
ifo bie Inſtruction feines Hofes einholen wolle, was er bei ber bevorſte⸗ 
fiöfung der jegigen Verſammlung derfelben zu erklären habe. — Als 
ederlaͤndiſcher Seite Leine entfprechende Erklärung erfolgte, vereinigten 
h Die Glieder der Commiſſion zu dem Befchluß gegen Preußen, daß kein 
fi) kuͤnftig von der Unterhandlung losfagen dürfe, und daß man inmit⸗ 
|. Artikel des Entwurfs bei Seite legen und mit ben übrigen fortführen 
lein der preuß. Bevolimächtigte beharrte bei feiner Erklärung und be: 
sw, außer Etand zu fein, an ber Fortfegung einer Unterhandlung Ans 
henen, von welcher, nad) der Erklärung bes niederlänbifchen Commiſſairs, 
feiebigender Erfolg für die Rheinuferftaaten erwarten laffe. Es wurden 
m Mitte des J. 1824 die Sentralcommiffionsverhandlungen über das be: 
tglement proviforifch vertagt. Mad) etwa dreiviertel Jahr trat der nie⸗ 
e Gommiffair, der zu Einholung neuer Inſtructionen im Haag ge: 
r, in der Gentralcommiffiondfigung vom 9. März 1825 mit der Erklaͤ⸗ 
daß er auf die Grundlage der Vermittlungsvorfchläge bes koͤnigl. bairi⸗ 
miſſairs mit entfprechender Inſtruction zu weitern Nachgiebigkeiten ver 
Als man aber vernahm, daß fie in nichtE Anderm als ber Aufhebung 
enpidrigen Spndikatsabgabe und der Plombageſteuer, ſowle ber Hoff» 
e Dlinderung der Zranfitgebühren in Hinficht vieler zu ſchwer belafteten 
Bet beſtehen foliten, fo entwickelte der preuß. Bevolimächtigte in feiner 
13. und 16. April, daß feine Regierung den Eentralcommiffionsvor> 
aſtweilen mit den Discuffionen auf die andern Artikel des definitiven Mes 
kherzugehen, gerne berkdfichtigt Haben würde, wenn ſich eine Vereinba- 
vorherige Erledigung des 1. Art. denken liege. Er fei aber nicht bloß der 
mbern auch dem Werthe nad) der erſte, aus welchem die übrigen Artikel 
mur al& Ableitungen und Folgerungen zu betrachten feien. Fruchtlos fei 
weitere Unterhandlung, nachdem das niederlänbifche Gouvernement das 
m Rheinſchifffahrtsfreiheit bis in die See bucchaus nicht anerkennen wolle, 
e Grundlage der Bereinigung fehle. Preußen habe neuerlich im Verein 
a Maͤchten, als Garants der Rheinſchifffahrtsfreiheit, Schritte bei der 
Wien Regierumg gethan, folglich Eönne eine Berathung Über bie Maßre⸗ 
pe Nachgiebigkeit zu bewegen, Beine Aufgabe der Centralcommiſſion fein. 
faßte zwar die Sentralcommiffion den Beſchluß, daß fie einftwellen die 
Wichere Anträge acceptire und den verfprochenen Ergänzungen berfelben 
Ge, inmitteift aber die Verhandlungen über die Artikel des Entwurfs 
Win des erfien fortfegen wolle; allein Heſſen trat vor der Hand diefem 
68 zur Einholung neuer Infteuctionen nicht bei, und Preußen wieber: 
Bes ſich vor Erledigung der Hauptfrage in Beine weitern Verhandlungen 
Iefinitive Reglement einlaffen könne. So fanden im Mai 1825 die faft 
yon Gentralcommiffionsverhandluimgen. Die bisherige Majorität der 
uuuiftion, d. h. Preußen, Baiern, Heflen und Naſſau, fteht eigentlich 
w Holland, Frankreich und Baben gegenüber. Am 77. Juti 18%) wur: 


262 Rheinfchifffahrt und Handel (1822—25) 


den zwar Baiern, Heffen und Naffau von dem nieberländ. Commif 
eingeladen, fich mit Niederland zu vereinigen; allein Preußen, Bai 
fen. beftanden auf dem Nechte der Scifffahrtöfreiheit in die See; 9 
(am 27. Aug. 1825) nur bann — alfo bloß dem Namen nach — aı 
fahrtsfreiheit in da6 Meer verzichten, wenn Mieberland bie deutfchen V 
porte gegen jede Hemmung ober Erfchwerung auf dem nieberl. Gebiete 
Hierauf ruhte die ganze Gentralcommiffionsverhandlung feit dem 5. € 
Gen begann eine unmittelbare Unterhandlung zu Brüffel, nahm aber ı 
‚ zer Verhandlungen weiter keinen Theil. Seitdem hat die Gentralcon 
mit Verwaltungsgegmftänden, z. B. die neue Dampfſchifffahrt bei 
beſchaͤftigt. Niederland aber befteht noch immer darauf, das es eber 
nem Rechte, das Auslaufen der Schiffe aus dem Rhein in die See 3: 
ausbrüdlich entfagt habe, als ihm baffelbe durch die Gongreßbefchlüiffe 
entzogen worden fei. Sein Seeſtapelrecht fei nicht gleich den Flußſtape 
‚gehoben worden. Doch hat ſich Nieberland bereit erkiärt, fich über | 
fit, den es ben Uferflaaten nicht verbieten koͤnne, mit denfelben gütli 
chen. So ift alfo nad) elfiähriger Verhandlung noch nicht einmal der 1 
definitiven Reglements feflgefegt; der Zunftzwang, der Drud der 2 
ſchaft dauert fort; im füblihen Deutfchland, da, wo bie Schifffahrt 
Eoftfpieligften ift, find fogae mehre Zölle, 3.8. in Kaub, Manhei 
Near, in Altbreifah, auch in Straßburg, noch erhöht worden ! 

wies in dieſem diplomatifchen Kampfe eine Feſtigkeit, die ihm den 
Dank der beutfchen Mit⸗ und Nachwelt fihert. Der Einwurf, daß 

fein preuß. Nationalintereffe vor Augen habe, ift falfch, weil es il 
Leichtes fein würde, durch einen befonbern Handelövertrag mit den S 
getrennt von ber deutſchen Sache, große finanzielle Vortheile zu err 
Dreußen wird die unparteiifche Geſchichte Baierns hohes Verdienſt 
active Vertretung bes deutſchen Intereſſe, dankbar würdigen. Sn 
Niederlande bemerkt der anonyme Verf. der „Neuen Organifation der 
und Handelsverhältniffe auf dem Rheinftrome” (Bafel 1822, ©. 1 
tig: „Beharrt Holland auf der ungerechten Foderung ungleicher Rei 
binblichkeiten, bedenkt es nicht, dag ihm für den wichtigften Theil fe 
die Rheinſtraße ganz unentbehrlich iſt, daß wir unfere Colonialbeduͤr 
auf andern Wegen, in gleihen Preifen und Frachten, werben besi 
daß es an Frankreich und den Hanſeſtaͤdten wichtige Rivale hat u. f. 
beffer,, fich von der Gemeinfchaft mit demfelben zu trennen und bie 
vention nur bis an feine Grenzen auszuführen, als ihm alle Vorthei 
fahrtöfreiheit auf dem Rheinſtrome zu geftatten unb dagegen nichts 
fiere Strecke der Rheinfahrt zu gereinnen. Wir behaupten fogar, daß 
Zuftand mit den Stapeln des Rheinſtromes weniger ſchaͤdlich ift, al 
an die See befchränkte Theilung der Rheinfchifffahrtöfreiheit mit Hol 
derland muß daher früher oder fpäter nachgeben, wenn es nicht eineı 
25 Mil. bettagenden Hanbelsübergewichts gegen Deutfchland av 
Preußen führe nur fo lange eine Tranfitabgabe auf feinem Stroinge 
Holland fein Seerecht nicht bloß dazu benust, fondern ſich fogar gän; 
erlaubt, ober man laffe die Holländifchen Schiffer zu Emmerich ausl 
fage ihnen die Concurrenz mit den beutfchen Schiffern. Die zweckm 
folcher Maßregeln unterliegen keinem Zweifel, beſonders wenn in der 

öffnung des Rhonecanals nody hinzu kommt ımd eine Niederlage zu S 
ziehbung der Güter auf ben neuen Hanbelsftragen von Havre be Grac 
Strasburg, Mainz u. f. w. mit geringerer Sracht, wie jegt ſchon dei 
ſchleunigt. Der badifche Geheimerath Nebenius gab a. a. O. fdhı 


Rheinfchifffahrt und Handel (1826 fg.) 263 


gegen Holland neben bem Octroi einen Tranſitzoll anzulegen und den gegen 
Hand gerichteten Beſchraͤnkungen gleiche Retorſionsmaßregeln entgegen zu 
ba es ohnehin gleichgültig fei, ob man die Colonialmaaren von holländie 
framzöftfcden oder von Sechäfen des ndriatifchen Meeres beziehe. Es ift 
wie die Folge bei eintretendem beffern Willen ber holländ. Regierung zei⸗ 
9, die freie Durchfuhr ohne abfoluten Schaden für Holland leicht möglich, 
est [yon mehre der gangbarften Gotonialartikel, wie 3. B. Caffee, Zuder ıc., 
antenz fo preiögegeben und herabgefegt find, daß fie mit einem Schifffahrtes 
ns: Zranfit ebenfo viel eintragen wie mit einer Zranfitabgabe, folglich Hol⸗ 
keinem Fall ein Opfer bringt. 
egenwärtiger Zuſtandder Rheinſchifffahrt u. des Rhein— 
186. Auf dem oberſten Theile des Rheins von Baſel bis Strasburg find 

: Zeit die Schifffahrtseinrihtungen den beiben Uferftaaten Frankreich) ımd 
auf deffen unterflem Theile von Schentenfchanz bis in die Sechäfen aber 
als alleinigem Befiger beider Ufer überlaffen, daher man auch von dieſen 
Steamftreden keine zuverläffige Nachricht hat. Die Schifffahrt des conven⸗ 
Rheins, d. h. von Strasburg bis an die holländifche Grenze, zerfällt in 
Hungen: die ober=, mittel: umd unterrheinifche. Sie wird auch einge: 
Vie große und Eleine Schifffahrt. Erſtere heißt gefeglich fo, weil fie von eis 
ale des Rheinſtroms zum andern ftattfindet und die großen Handelstranb⸗ 
ſergt; lebtere weil ſie bloß den wechſelſeitigen Verkehr der beiden Rhein⸗ 
ſchen den zwei Hauptſtationen Mainz und Köln zum Zwed hat. Bor Ein» 
der Dampffchifffahrt auf dem Rhein befanden ſich in den Häfen des Obers 
133 Scyiffer und Nächler mit 196 großen und Eleinen Fahrzeugen, in ben 
ws Mittelrheins 574 mit 696 Fahrzeugen umd in den unterrheiniſchen Däs 
mit 208 Fahrzeugen, folglidy auf dem ganzen conventionmellen Rheinftrom 
Kiffer und Nächler mit 1100 großen und Beinen Fahrzeugen. Weit flärker 
fhe Rhein mit Schiffern und Fahrzeugen befegt; von leßtern wers 
in den holländ. Häfen angetroffen, und 76 kommen mit ihren gros 
‚ die zufammen 4,006,000 Gtnr. laden Finnen, nach Koͤln. Aufden 
en des Rheins zähle man im Sanıen 963 Stiffe mit 1884 Fahrzeu- 
auf dem Nedar 231 Schiffer mit 255, auf dem Main 285 mit 
über Lahn 93 mit 140, der Saar 21 mit 56, der Mofel 218 mit 524, 
e 87 mit 225 und der Lippe 28 Schiffer mit ebenf o viel Fahrzeugen. — 
uſchiffer auf dem Rhein bilden 2 Schiffergilben , deren eine ihren Sig 
y, die andre zu Köln hat. Erſtere beforgt den Waarentransport von und 
kasberg,, fowie nad) Frankfurt ausſchließlich, von und nad) Köln und 
ber in Concurrenz mit dem koͤlner Schifferverein. Lestere theilt fi) in 2 
m, deren eine mit dem mainzer Verein auf der Fahrt von Köln nach Mainz 
we, die andre aber auf alle Transporte von Köln nad Amſterdam, Rotters 
dDortrecht Anſpruch hat. Nur die Mitglieder der Gilden find berechtigt, 
Mationshäfen nad) der Rangordnnung zu laden. Die Dauer ihrer Reifen iſt 
i aämlidy aus Holland nach Köln 14 und zuruͤck 10 Tage, von Köln nach 
zund zurhdt 4 — 5 Tage und von Mainz nach Strasburg 14 — 20 und 
— 8 Tage. Wer als Sciffsmeifter in einer ber beiden Gilden aufgenom: 
Yen will, muß zuerft 4 Jahr Lehrling, 4 Jahr Gefell und eine Zeitlang 
ee Schiffmeiſter geweſen fein, feine Landesfprache lefen und fchreiben koͤn⸗ 
pgenthämier bes Fahrzeugs und ber Geräthfchaften fein, auch das Zutrauen 
heisfkandes befigen. Die Kieinfchiffer im oben angegebenen gefeglichen 
Üben keinen Verein und bedürfen nur eines Erlaubnißſcheines ihrer reſp. 
istherefchaften. Außer den Groß⸗ und Kleinfchiffern beftehen aud) noch 
Eransport ber Reifenden umd ihter Effecten Jacht⸗ oder Ditigencen\äifier 






264 Rheinſchifffahrt und Handel (1826 fg.) 


von Mainz nad) Köla und umgekehrt, fowie eine 1826 georbuete, 

Gentralcommiffion fehr begunftigte Dampfſchifffahrt, welche eine Waflı 
bilden. Die Fahrzeuge auf dem Rheinſtrome haben nad) beffen verſch 
theilungen auch eine verfchiedene Bauart und Ausruͤſtung. Die größt 
nen find die rotterbamer von durchgängig 180 — 250 Laft, oder 7200 
Etnr. Ladungsfähigkeit. Ihre Bauart ift beinahe den Seefchiffen gleid 
einzigen Unterfchiebe, daß fie, wie alle auf dem Rheinſtrom fahrende € 
platte Böden ohne Kiel haben. Sie find rund, d. h. bauchig gebau 
Maften, alle Segel und feitwärts 2 Schwerter, deren fie fidy bei t 
bedienen. In gleicher Art find die amſterdamer Schiffe, Samoiweß 
aber ohne Bauch gebaut. Die übrigen Gattungen holländer Fahrzeuge 
und haben mancherlei Benennungen, theild nad) ihrem Zweck, thei 
Orten, 100 fie gebaut werden, 3. B. Boender, Lichter, Akens, Dor 
Die mittelcheinifher Schiffe Haben eine Labungsfähigkeit von 1800 
Ctur., platte Böden, find vorne und hinten fpig beigebogen, eini 
Maften, alle aber aufführige Segel. Die nieders und mittelrheinifd 
bienen den Schiffern und Ihren Samilien auch zur Wohnung. Die obı 
Schiffe von wenig unterfchiedener Bauart und nur mit einigen verfchi 
Sahrgerätbfchaften ausgerüftet, können 1500 — 3000 Ctnr. laden 
Schweiz kommen auch fogen. Lautertannen mit Landesproducten, z. B 
(Schiefer), Latten, Schweizerkaͤſe ıc., den Rhein herab. Sie koͤnn 
1200 Etnr. laden und find ganz leicht gebaut, weil fie nur zu Thalg 
gewöhnlid, an den Beſtimmungsorten zerfchlagen werden. An Nache 
—500 Etnr. Sadungsfähigkeit fehlt es auf dem ganzen Rheinftrome ni 
Waſſerpoſtſchiffe von Mainz bis Köln find zierlich und bequem eingeric 
haben eine Labungsfähigkeit von 100 — 300 Etne. (Über die Rheinfl 
fe.) — Alte Schiffer muͤſſen an den auf dem conventionnellen Rheir 
12 Exrhebungsämtern ihre Rheinfchifffahrtsgebuhren voraus entrichten 
ſtehen in einem umter diefelben vertheilten Tarif von mindeſtens 4 bi 
19 Gent. zu Thal und 4 bie 29 Gent. zu Berg vom Ctur., fodann ein 
tions» ober Befichtigungsgebühr, welche als eine Art Gewerbfteuer a 
von allen beladenen fowol als leeren Kahrzeugen nad) ihrer Ladungefähig 
— 2500 Emmen. und daruͤber. Auf dem linken Rheinufer befteht diefi 
10. Cent. bis 15 Franken und auf dem rechten ebenfo viel Cent. bis i 
Der Tarif, der übrigens zu Beförderung des Aderbaus und Gewer! 
gewiſſen Artikeln nur zum 20. ober 25. Theile, oder flatt deſſen von 
Landeöprobucten nur bie doppelte Necognitionsgebühr erhoben wird, 

der wiener Acte auch auf bie Rheinſtrecken zwiſchen Strasburg umd | 
von Frankreich bereitö proviforifch gefchehen ift, fowie zwifchen ber 
Königreichd der Niederlande und den Mündungen des Rheins durch N 
der ganzen Gebühr nad gleichen Verhältniffen ausgedehnt werden. V— 
gen beffelben koͤnnen flatthaben, Vermehrungen aber nur burch gemi 
Übereinkunft in ben dringendſten Fällen. Die an jedem Erhebungsam 
bezablenben Rheinoctroigebühren, welche nad) der Convention von 18 
der franz. Regierung und bem deutfchen Kurerzlanzler getheilt wurden, 
jeber Rheinuferftaat von den auf feinem Gebiete befindlichen Erhebung 
gemeinfchaftliche Abrechnung in Empfang. Nach Vollziehung ber win 
bie Totalitaͤt derfelben auf bie Ausdehnung der Uferbefigungen verthei 
nimmt jeder Staat die Gebühr für feine Rechnung ein, und wenz ſich 
ämter auf das Gebiet zweier ober mehrer Uferflaaten ausdehnen, wirb 
me nach dem Verhaͤltniß ber Ausdehnung ihrer Wferbefigimgen , ber in 
gen befinitiven Reglement enthaltenen Beftimmung gemäß, vertheilt 


Rheinfihffffaprt und = Handel (1826 fg.) | 265 


1805 an, wo bad Rheinoctroi eingeführt wurde, bi6 Ende 1815 hat 
und Berg zufammen einen Ertrag geliefert von 19,472,354 Franken 
» von 1816 bis zum Schluſſe 1823 zufammen 21,082,11% Fr. 99 
Banzen alfo in 18 Jahren und 2 Monaten 40,554,469 Fr. 62 Cent. 
‚4 lieferte eine Einnahme von 2,437,235 Sr. 43 Cent., wogegen wähs 
ktinentalfperre in einem einzigen Jahre nur 1,980,041 Fr. 55 Cent. 
Es ergibt ſich alfo unwiderlegbar, daß mit Anfang ber Sperre 1808 
se von ben zu Berg, d. h. den Rhein herauf transporticten Guͤtern, fo 
perre dauerte, bis 1814 ſtets abnahm und nur erſt von diefer Zeit an 
6 fie enblich nad) hergeftelltem Frieden 1815 und in ben folgenden Jah⸗ 
ahme von den Thalgütern, d. h. den Rhein hinab transportieten, übers 
welches auch das natürliche Verhältniß bei richtigem Handel ift. Die 
sabme in ben 18 Jahren liefert das Jahr 1817 mit 3,414,844 Fr. 
was Lediglich In ben damals großen Fruchttransporten zur Verſorgung 
enden fübdeutfcher und ſchweizer Lande feinen Grund hatte. Bemer⸗ 
2 audy, daß ſich feit Einführung der Schifffahrtöfreiheit auf der Elbe 
foroie bei dem fortdauernden nieberländifchen Prohibitivs und Abgas 
e Rheinoctroieinnahme vermindert hat. | 
eflimmung der Ladung eines Rheinſchiffs und als Maßſtab der Verzol 
auf dem Rheinſtrom, ausnahmsweife von allen Flüffen Deutfchlande, 
nungswertbe, längft auf den Zlüffen und Candien im Innern Frank: 
übrte Anftalt, die Schiffsaiche. Sie ift zweifach, bie cubifche, 
eomettiſche Bermeflung und mehr für große Schiffe geeignet, und die 
mittelft Einſetzung eines Gewichtsquantum in das Schiff, mehr für 
enge anmenbbar. Beide zeigen auf den an beiden Seiten befindlichen 
Gradmeſſern die Einſenkung derfelden an. Alle Schiffe des Rhein: 
Ihe nicht unter 300 Etnr. Ladungsfaͤhigkeit haben, und felbft auch diefe, 
ter Die Wafferpoftfchiffe und Marktnachen gehören, ſowie bie meiften 
Mebenftröme gleicher Art find jegt geaicht; denn ſelbſt die Gegner der 
n nicht leugnen, daß fie wenigftens ein zuverläffiges Controlmittel ift. 
mbender war, daß ihrer in dem preuß. Reglementsentwurf nicht gedacht 
‚ dagegen zwölfmalige materielle Unterfuchung der Ladungen, welche 
Willkuͤr der Zolibeamten abhangen, und fowol der Schifffahrt als dem 
ch langen Aufenthalt hoͤchſt nachtheilig find, künftig wieder eingeführt 
m. Indeß haben bereits Naffau und Heffen in ihren Geſammtabſtim⸗ 
f Beibehaltung ber Sciffsaiche angetragen, und ed ift nicht zu zwei⸗ 
nehre Regierungen ber Rheinuferſtaaten von dem naͤmlichen Geſichts⸗ 
when werden, indem bei eintretender voller Rheinfchifffahrtsfreiheit die 
enothwendiger ift als jemals. — Abgabenerleichterung haben bereits 
Köln (diefe aus eignem Antriebe und fehr bedeutend) und Mainz in 
b Zwangsumfclags eintreten laffen. Doch beftehen, außer dem ohne: 
ı Iwangdumfchlage verbundenen Zeits und Koftenaufwand, mehre fol- 
sche, befonbers in bem Stapelhafen Mainz, und es ift charakteriftifch, 
tſchen Landesproducte zu Köln Umfchlagsfreiheit genießen, zu Mainz 
Imfchlagsjwang unterworfen find, während man in dem Hafen diefer 
ſchweizer Lautertannen , alfo die fremden Landesproducte, frei paffiren 
nach ausgefährter voller Rheinſchifffahrtsfreiheit ein verftärkter Mauth⸗ 
Kranfithandel eine größere Laft, als den bisherigen Stapelzwang, auf: 
„ iſt wol nicht zu befürchten, da man ohnehin einfieht, daß durch eine 
situng und Zreihäfen alle Beforgniffe von Defraudationen ohne Schiff: 
Igungen abgewendetwerden können. — Über die Einrichtung der Fracht: 
anifefte beſtehen genaur gleichförmige Vorfchriften. (S. Fracht.) Nadı 


266 Kheinſchifffahrt und Handel 


Aufhebung ber Stapel und ber Schiffergilben in dem beftnitiven 9 
den die Srachtpreife und alle übrige WBebingungen des Transporte Iı 
freiwilligen Übereinkunft ber Schiffer und der Verfenber beruhen. D 
ftädte werben, nach Art der laͤngſt ſchon in Holland beſtehenden mufteı 
fahrten, gemeinfchaftlihe Rangfahrten einführen und über dere 
Verträge miteinander abfchließen koͤnnen. — Zür die Öffnung ber’ 
dem Rheine beftehen noch Feine beftimmten und gleichförmigen Pr 
nicht alle Hafengebühren gleichförmig reguliert, und es gehört unter 
fenden Mißbräuche, daß man in manchem Hafen Werft⸗, Krahnen 
Magasingebühren zahlen muß, wenn man auch von diefen Anftalı 
brauch gemacht hat. Manche polizeiliche Vorfchrift zur Sicherheit d 
fahrt und bed Handels, beren Beſtimmung biöher auf dem gen 
Strome nur von ber gemeinfchaftlichen oberften Behörde abhing, wi 
der einzelnen Staaten überlaffen bleiben. Der nämliche Fall tritt jetz! 
ſicht der Leinpfade und Stromhinderniſſe ein; doch befteht noch bie ı 
che Aufſichtsbehoͤrde, aber ohne die vormalige regulaire Unterſuchi 
fraubationen der Rheinfhifffahrtögefälfe werden gegenwärtig noch 
bungsämtern umterfucht und mit Vorbehalt bes Recurſes an die Gent 
abgeurtheilt, in der Folge aber von eigen bazu aufgeftellten Zolfrichte 
Die Größe des Rheinhandels hat feit der Dampfſchi 
beſonders leichte Fabritwaaren in Maffen ſchnell befördert, fehr 
Holland liefert zum Rhein folgende Hauptartikel: Baummolle, Farbl 
und Spezereien, Hiute, Deringe, Hörner, Indigo, Käfe, Caffee, C 
Materialwaaren, Mimition, DI, Papier, Pech, Pfeffer, Piment, 
Meis, Rofinen, Sago, Salpeter, Salz, Sarbellen, Schwefel, Seife, 
Stodfifhe, Sumach, Tabad, Terpenthin u. Terpenthindl, Thee, 5 
Vitriol und Vitriolöl, fremde Weine und gebrannte Waffer, Zink, 3: 
MIN. Star. im Durchſchnitt für einen Capitalwerth von 30 — 40 
Mhein. Hiervon gehen -, von der Grenze Hollands nad) ben Flevi 
liſchen, juͤlich ſchen und bergifchen Landen bis einſchl. Köln; -I, vo 
Köln nach der Eifel, dem Bergifchen, Naffauifhen (mo allenthalbı 
ffationen find, welches dem Handel unmbdliche Vortheile gewährt), de 
Trierfchen und dem Hundsruͤck. Weiter gehen von Köln nach F 
nach Mainz, der Pfalz, dem Rheinkreife Baierns, wo aud über 
ftationen find, dem Nedar, Heilbronn, Manheim, Schröd, Sreiftd 
ber Schweiz. -', nad) der Oberpfalz und Strasburg. Der Rh 
Mebenflüffe liefern folgende Producte. a) Der Oberchein: Baus 
holz, Droguerien aus dem Süden von Frankreich; gebrannte Waflı 
Effig, Hanf, Krapp, von Hagenau; Obſt und Getreide, befond 
und Mandeln, aus der Umgegenb von Speier;z Reis, Schweize 
Krämer: und trodene Manufacturmaaren aus Tirol, der Schweiz ur 
b) Der Nedar: Baus und Zimmerholz, Brennholz, Potafche 
Schwaͤrze, Droguerien, Krämer: und trodene Manufacturwaare 
Getreide, Reis, Baufteine, Salz (von Wimpfen), Gyps, Kal, 
Taback, DI, Effig, Wein ic. 0) Weiter abwärts bie Rheingegen! 
meine, Obft und Getreide, Kaftanien, Zabad, DI, befonders die € 
Worms; Nutz⸗ und Brennholz c. d) Der Main: Baus und 
Maften, Potafche, Obſt und Getreide, Reis, Frankenweine, Mi 
Droguerien, Krämer: und trodene Manufacturwaaren, Glaswaa 
Eifen und Gußeifen, Blech, Zink, Meffing, Blei, Baufteine, Dru 
ofenfteine, Abfluß⸗ und Abtrittsſteine. e) Unterhalb des Main 
gegenden: Dbft und Getreide, Kein» und Kleefamen, Wein, befo 


Rheinfhifffahrt und Handel 267 


Effig, Dfeifenerde, Schiefer oder Leien von Kaub ; Pech vom Heffenlande 
u Hundsruck; Toͤpfererde ıc. f) Die Lahn: Mineralwaſſer, einiges 
mb Brennholz, Exrdengefchirr, Eifen und Gußeifen, Hofnererz, Obft und . 
5 Eoheinde, Wacholderbeeren x. g) Die Mofel: Bau⸗ und Zimmers 
keunbolz , Lohrinde, Afche und Potafche, Steinkohlen von der Saar, 
pe, Salz, Schlefer oder Leien, Schleif: und Wetzſteine, Glaswaaren, 
im, Krapp, gebrannte Wafler, Esprits, DI, Wein, Obft, Wacholder: 
. 5b) Unterhalb ber Mofel die Rheingegenden: Mühlfteine, Zufffteine, 
Andernach; Papier, Blei und Bleierz aus der Eifel; Eifen und eiferne 
w Bendorf und Neuwied; Kupfer von Waldbriedbach; Toͤpferwaare 
ngelchirr, PDfeifenerde, Lein= und Kleefamen, Obft und Getreide, Wein, 
‚ Bleichert c., Glaswaaren und Porzellan aus dem Luremburgifchen ; 
5 Hauſteine von Königswinter; Pflafterfleine, Afche und Potafche, 
erbeeren ıc. i) Die Sieg: Schiffsbauholz und Pfeifenerde im Überfluß. 
fe: Blei, Bleierz und Getreide. 1) Die Ruhr: Stahl, Kupfer, Eifen, 
aller Art aus dem Bergifhen; Taback, Schiffsbauholz, Brennholz und 
m, Potafche, beſonders viel Geriß und Steinkohlen, um Alle Rheingegens 
8 zu verforgen, Kalt, Baufleine, Getreide, Wacholderbeeren. m) Die 
d bis zur holländ. Grenze die Rheingegenden: Kuͤpp⸗, Bau⸗, Schiff: 
us, Brenn: und Faſchinenholz, Kohlen, Torf, Gußeiſen, Muͤhlſteine, 
meter, Obſt und Getreide, Salz, Steinkohlen, Dachſchiefer, Traß, Tuff: 
bheinbe, Afche und Potafche, Kalk, Ziegel, Bad:, Brauch⸗, Hau: und 
Irine, Toͤpfer⸗, Waller: und Pfeifenerde, Sand, Lehm, Kies und Rauch⸗ 
Bachelderbeeren ꝛc. Bon diefen mehre Millionen Gentner betragenben 
m ımd Kabricaten werben wol die Hälfte in den Rheingegenben felbft ge 
‚mb ein paar Mill. Centner jährlich, im Durchſchnitt, nach Holland ver: 
i das Baus und Zimmerholz den Hauptartikel ausmacht. — Merk: 
dag fchon jegt die Schweiz und ein Theil des füdlichen Deutſchlands 
ialmaaren aus Frankreich als aus Holland beziehen, da von Havre be 
Bafel der Cine. 1 Francs 74 Cent. wohlfeiler ift als den Rhein herauf 
t und Amflerbam, und jene Waaren durch Frankreich in einem Zeit: 
en 30 Tagen bezogen werben koͤnnen, während ed von Rotterdam oft 2 
and noch länger dauert, ehe folche zu Bafel ankommen. Auch foll ber 
bee Waaren durch das Innere von Frankreich, nämlich bis Chalons zu 
ed von da bis Straßburg zu Lande, gegenwaͤrtig im Verhältnig zum Be⸗ 
Wellanb einen Unterfcied von 2 France für den Ctnr. betragen. Bon 
Ben droht alfo dem holländ. Handel wegen des übertriebenen finanziellen 
Bfeiner Regierung eine nicht unbedeutende Gefahr; denn ſchon 1823 ftand 
Isabel zum erften Dale in den bebeutendften Waarenartikeln höher als der 

mdel; fo 3. B. kamen von Colonialmwaaren auf dem Niederrhein zu Köin - 
B Etur. an, dagegen aber auf der Niederelbe bei Wittenberg 675,131 Ein. 
Dinficdye der Holztransporte behielt der Rhein das Übergewicht, da auf 
m im nämlihen Jahre 2 Mill. Sm. Bau : und Zimmerhol; ohne 
WM, dagegen auf der Eibe nur 739,438 Cine. fammt dem Brennholse 
Lt Ohne Vergleich, ftärker ift auf dem Rhein die Handelsfchifffahrt zu 
Bau Thal. Der Eölner Handelsverkehr ift auch im Verhaͤltniß zu bem von 
weit größer; die ftärkften Artikel der Rheinfchifffahrt machen aber immer 
Bahvaaren und Koffilien aus. — Zu Gunſten des Handels beftehen für 
ia und Main Affecuranzgefellfchaften zu Strasburg, Mainz und Köln. 
tere find shiteinander in Verbindung. Nedarfaufmannsgüter werben 
mforwie Rheinguͤter von der großen Aſſecuranzgeſellſchaft zu Paris ver: 
— Bol. 1) Hermann’s „Sammlung der feit dem Reichödeputationshaunt: 



















. 268 Rheinweine ' - Rhrtoren und Brammat 


ſchluß vom 25. Febr. 1803, in Bezug auf Rhrinhandel und Sch 
nen Geſetze, Werordnungen und allgemeine Sinftructionen” ı 
2) Das Wichtigere der Centralcommiffionsverhanblungen liefern 
träge zur Kenntniß und Beförderung des Handeld und der Sch 
1818—25, 5 Bde.). 3) Eine Gedichte und Kritik der Ver; 


- wie des Entwurfs eines definitiven Reglements, hauptfächlidy auc 


Darftellung aller Verhättniffe, Mängel und möglichen Verbefferu 
fchifffahrt und des Rheinhandels, enthält die „Neue Organifation 
und Dandelsverhältniffe auf dem Rheinſtrome“ (Bafel 1822). 4) 
ber Rheinfchifffahrtsverwaltung”, von Hermann, in deſſen +. Fat 
eine treffliche Topographie des. Rheins findet. 
Rheinweine. Das Vaterland diefer Eräftigen und ge| 
Meine ift der Rheingau zwifhen Mainz und Bacharach. Indeß 
hochheimer Weine, von benen ber befte auf einem Berge wäd 
Domdechanei in Mainz gehörte, und der nierenfteiner, obgleich 
bezeichneten Bezirk wachfen, zu den beſten Rheinweinſorten. D 
der rheingauer Weine wachfen um Rüdesheim und am Johannist 
der Oberpfalz folgen ihnen im Range nad). Weniger gefudht if 
racher; er hat einen füßlihen Geſchmack. Doc, wird daſelbſi 
Mein gebaut, der, wenn er einige Jahre gelegen hat, alles Herbe 
minder berühmt ift ber um Koftheim, bei Mainz. Noch verbien 
guten Weinbaues Erwähnung: Affenftein, Hambach, Pfeffershei 
Laubenheim, Bodenheim, Markbrunn u. a. Vorzuͤglich gute 
von 1748, 1760, 1762, 1766, 1776, 1779, 1780, 1781, 
1783 und 1811; auch 1822. -— Bleicherte nennt man ſchi 
meine, die theild um das Schloß Argenfeld im Zrierfchen, theils « 
gen koͤlniſchen Oberftift (befondere der angenehme Aarwein, der a 
Eifel wähhft) gewonnen werden. — Lorchweein ift ebenfalls 
Mein, der bei Lorch im Naffauifchen erzeugt wird; begleichen d 
fer, der bei dem naffauifchen Dorfe Asmannshaufen waͤchſt. 
Rhetoren und Grammatiker werden mit gricdii 
drüden die Medekunftverftändigen und Sprachkundigen genannt. 
matifer oder Philologen hießen die Sprachgelehrten bei Griechen ı 
Vorzeit. Ihr Fach war eine Tifenfhaft, deren Gebiet ſich faſt 
der Gelehrſamkeit verbreitet. Ihr Segenftand iſt der ganze R 
Schrift vorhandenen Geiſteswerke jeder Gattung, fowie Alles, 
voliftändigem Verftändnif und alfeltiger Verdeutlichung dienen 
ſaͤchlich aber befchäftigten fi) Die Srammatiker, anfangs auch Krit 
Römern Literatoren genannt, mit Erklärung u. Beuttheilung dltere 
ner unterfchiedb man Grammatiker von Grammatiften, welchen 
liche Gelehrſamkeit zugefchrieben wurde. Grammatiſtik ndmii. 
mit Anfangsgründen und Vorkenntniffen, Grammatik aber mit 9 
Erklärung aller Schriften zu thun. Die erften ſprachwiſſenſchaftl 
gungen treffen wir unter den Sophiften an, die feit Perikles's 3 
Schulen fid) mit auf Geſchmacksbildung und auf Schärfung bes | 
abzielender Erklärung der Dichter, vor Allen des Homer, abgi 
Scharffinn an geößtentheils felbftgefuchten Schwierigkeiten übte 
ten fie die Sprachgeſetze felbft genauer beftimmen und forgfältiger & 
de erwarben ſich auch Sokrates's Schüler, beſonders Plato, Be 
Erklärung der Dichter. — Als Urheber der Kritit und Grammat 
les genannt, welcher eine Überarbeitung der Homerifchen Gedicht: 
den Großen unternahm und fie von fremden Zufägen zu reinigen 


Khetoren und Grammatiker | 269 


: nicht nur ſchon Pififtratus Homer's Geſaͤnge, deren einzelne Theile 
r gehörigen Verbindung ftanden, in die Ordnung gebracht haben, in 
st fieben, fondern aud) Cynaͤthus aus Chios, Antimahus aus Kolo⸗ 
gene® aus Rhegium und einige A. ber Erläuterung des Homer ihre 
zn gewidmet haben. Obgleich nun fehon bisher Einige, theils auf 
theils auf Entfehlerung der alten Schriftfteller erfprießliche Bemuͤ⸗ 
yendet hatten, fo wurde doch die Sprachwiſſenſchaft und Kritik vors 
sch die alerandrinifchen Sprachforfcher ausgebilbet. Seitdem ndm= 
tien die Heimath der Wiffenfchaften geworden, befchäftigte man fich 
rftellung der Gefege der griech. Sprache, ingleihen mit Beftimmung 
fchriften für die Auslegung der Schriftftellee und für die Erklaͤrung 
und mit Beurtheilung der Lesart und der Vorzüge einzelner Stellen 
Bädyer. — Als das erſte Zeitalter daher wird angenommen das der 
en Grammatiker (f. Alerandrinifhe Schule), melde nicht 
Nangordnung der alten Schriftfteller, die als Gefchmadsmufter gel: 
ntfchieben, ſondern auch einige Schriften derfelben durchfahen, durch 
e Bearbeitung erläuterten, Die Mythologie entwidelten und deuteten, 
x über einzelne ober über mehre Schriftfteller verfertigten, die Rehrfäge 
hre zufammenfteliten, und endlich, was das Sefchäft der höhern Kri- 
Schriften felbft und deren Fehler und Vorzuͤge wuͤrdigten. Um Be- 
verichiedener Art am Rande der Bücher anzudeuten, brauchten bie 
re tritifche Zeichen und Merkmale. Auch wurden zu verfchiedenen 
iſchiedene Zeichen beigefegt. — Unter den Grammatifern dieſes Zeit- 
st als Kritiker genannt zu werben Dibymus von Alerandrien zu Aus 
‚ mit dem Zunamen: 0 zurxdvreoos, d. 1. ber mit ben ehernen Ein⸗ 
wu er 4000 Bücher gefchrieben haben fol. Das zweite Beitalter 
Zeitraum der neuplatonifchen Phllofophen, welche diefe Gegenſtaͤnde 
# für wichtig genug hielten, um bdenfelben ihren Fleiß zu widmen. 
‚und Grammatiker dieſes Zeitalter& waren gemeiniglic, mehr mit den 
er Schriftfteller und mit dem Inhalt ihrer Schriften, als ınit Worte 
B mis den Sprachgeſetzen befchäftigt. In Allem ſchimmerte der Geiſt 
keligion gegründeten urmiffenfchaftlichen Lehrbegriffs durch. Doch 
Reiften die Eigenthuͤmlichkeit und das Weſen des griech. Alterthums 
haut. Den Anfang kann man machen mit Plutarch von Ehdronen 
r.), dene jeboch einige Eritifche und geammatifche Schriften beigelegt 
+ feiner unwuͤrdig find. Das dritte Zeitalter endlich umfaßt die 
Grammatiker, die faft alle Mönche waren und die befonders fleißig 
Mer auspluͤnderten, indem fie entweder Wörterbücher aus verfchtedenen 
ten faramelten, ober aus einigen wenigen Schriftftellern Regeln Über 
des attifchen Ausdruds gaben, oder Bemerkungen an den Rand der 
m festen. Aus diefem Zeitalter find fehr viele grammatifche Werke 
wen Würdigung, in Anfehung ihres Gehalts und ihrer Brauchbarkeit, 
Das Talent ihrer Berfaffer, fonbern vielmehr der Reinheit der Quellen, 
b fAröpften, in Anſchlag kommt. — An diefe fchtoffen fi bie Griechen, 
ihrem Baterlande gefllichtet, zuerft in Italien den Eifer für die grie⸗ 
sreilfenfdyaft weckten und nährten, zu Ende des 14. und beſonders 
H. Es gibt einige im 15. und 16. Jahrh. gemachte Sammlungen 

fer. Zu bemerken find „Fruchthorn und Luſtgarten“ (bei 
medig, 2496, %ol.) und Alerander Heladius’s „Ahreniefe der griech. 
— Bon den Römern mar früher, wie griech. Gelehrſamkeit überhaupt, 
Bycadyeunde nicht gepflegt; vielmehr fchien fie den Meiften nur ein 
Zeitvertreĩb, den Vaterlandöfteunden fogar fittenwerderblid), fo lange 


270 Khetoren und Grammatifer 


nämlich der Staat roh und Eriegerifch war, und man noch kein Bed 
GSeiftesbildung empfand. Indeß erwachte es doch durch Bekannt 
Griechen bald bei Mehren, und es ließen felbft die vornehmften 
Staats, ein Scipio Afticanus und Caj. Laͤlius, die Beförderung 
ſamkeit fich eifrigft angelegen fein. Die erften lat. Sprachmeifter, 

nicus und Ennius (236—166 v. Chr.), Halbgriechen, die ſowol d 
als ungebundenen Rebe fich bebienten, begnügten fich mit Dolme 
Merke und mit Vorlefung eigner lat. Auffäge. Eifer zur wiffenft 
(häftigung mit der Sprache und den dazu nöthigen Huͤlfskenntni 
den Römern durch den Zufall hervorgebracht, daß der griech. Kritik 
matiker Krates, aus Mallus, Zeitgenoffe Ariſtarch's, bald nach dem 
nius (170 v. Chr.) ald Sefandter des Königs Attalus Philadelphus 
nad) Rom kam, und, als fich fein Aufenthalt daſelbſt verzögerte, vı 
Vorträge hielt und durch f. fleißigen Unterricht bei ben Römern aı 
zur Nachahmung erwedkte. Übrigens behielten, da griech. Wiffenfe 
‚des Mufter der Nacheiferung wurde, auch die nachfolgenden Nömı 
nach feinem ganzen Umfange bei, weldyen die Griechen von der Spr 
aufgebracht hatten; und fo bilbete fich dann auch die römifche Mun 
niſchen Sprache unter bem Einfluffe der griechifchen zur Bücher: un 
— Hierauf wurde die Sprachkunde immer beliebter, ſodaß felbft die 
Männer als Schriftfteller darlıber auftraten, und es bald mehr, bald 
len von Bedeutung zu Rom gab, die Sprachlehter aber fo gut bezah 
ein fo hohes Schulgeld entrichtet wurde, daß Lutatius Daphnis von I] 
für 23,333 Thlr. als Sklav gekauft und in kurzem freigelaffen wurd 
jus aber, von einem reichen römifchen Ritter um einen Sahrgehal 
Thlr. gebungen, vielen Unterricht gab. Auch in die Provinzen w 
Eunde gebrungen,, und es lehrten namentlich in Gallien einige de 
Lehrer. — Mit dem Zuwachs an Geifteswerken in latein. Sprache 
Mutterfpeache, roͤmiſche Buͤchergelehrſamkeit und xömifches Altı 
mehr ein Gegenftand gelehrten Forſchens. Sueton hat die Alteil: 
matiker aufgeführt in einer befondern Schrift, wo man Nachrichten ü 
Schriften derfelben findet. Die nody vorhandenen Schriften dı 
Grammatiker fiehen in der Sammlung des Elias Putſch (Har 
Veſpaſian und Hadrian beftätigten die Grammatiker in dem Vorr 
fönlichen Staatöbürgerpflichten u. a. Laften frei zu fein. Auch nat 
ger der Schulen an und unterflügten fie aus ihren Ditteln. — 

früheften Zeiten der Unterricht in der Grammatik und in der Tonkun 
von einem und bemfelben Lehrmeifter ertheilt wurbe, fo lehrten die a 
titer auch als Mhetoren die Redekunſt, und viele haben fidy in beid 
Schriftfteller bekanntgemacht. Selbft als ſich ſchon beide Wiffenf 
ben, behielten doch die Grammatiker ſich noch den Unterricht in gewi 
niffen zur Redekunſt vor. In den frühern Zeiten waren auch wol u 
der Schule eines Grammatikers vortrefflid, gebildete Redner hervo 
zugleich gerichtliche Händel zu führen unternahmen. — 2) Rheto 
Medekunftiehrer bei den Griechen, und ebenfo, oder Profefforen, b: 
ber Vorzeit. Als mit fortfchreitender Vernunftentwidelung die I 
Übung der Rede mächtiger wurden, verlor fi immer mehr das € 
diefer, und es Eonnte eine durch beflimmte Grundfäge bedingte Rebe! 
fein gelangen, welche einerfeits dad Geſchaͤft der Sprachwerkzeug: 
daͤchtniſſes erleichterte, andrerfeitd aber gemeinnuͤtzlich und ergögli 
Erfindung der Redekunſt wird, weil man im Alterthbum in allen € 
unb deren Äußerungen die Offenbarung von etwas Goͤttlichem 


Rhetoren und Grammatiler 271 


Dichtern dem Thoth, Hermes oder Mercurius beigelegt; baher ihm 
e als das Mittel der Beredtſamkeit geheiligt war. — Pittheus, des 
m, foll der Exfte geweſen fein, welcher diefe Kunft zu Troͤzene im Mu⸗ 
te, und eine Schrift darüber verfaßt haben; was aber vun einer fo 
nglaublich if. Won Denen, die einen fpätern Urfprung annehmen, 
ben Empedokles (444 v. Chr.), der wol den erften Grund zur Rhe⸗ 
‚ben mag, al& Erfinder derfelben an, Andre den Korar und Tiſias 
die, als nad) einer in Sicilien entitandenen Staateummälgung ſich 
eitigkeiten um vormaligen Beſitz erhoben und man das Beduͤrfniß 
Figen Redevortrags vor Gericht fühlte, zuerſt die Vorſchriften dieſer 
ch abfaßten. Kerner fchreiben Einige dein Gorgias, des Empedokles 
Zeontini in Sicitien, die Erfindung der Redekunſt zu, weil er ſich 
icherlei Lünftlichen Figuren und Rebebilder bediente, welche ben Vor: 
ı mit Flitterprunk ausfchmüden und heben, und weil er zur bürger: 
famteit den hohen Schwung hinzufeste. Noch Andre endlich er: 
finder dev Rhetorik Ariftotele® an, der, wenn man auf ihr Weſen 
zuerſt wiffenfchaftlich ausbildet. Auch werden zwei chetorifche 
en) erwaͤhnt, deren Anhänger Apollodoreer und Theodoreer hießen, 
rus aus Pergamus, welcher zu Apollonia Lehrer des Kaifers Augu- 
d Theodorus, welchen der Raifer Ziberius zu Rhodus fleißig gehört 
Das Ziel der griech. Rhetorik war, Alles und Jedes fo darzuftellen, 
sch den möglichen Schein der Wahrheit für ſich gewann. Die Kunft 
rags war zur Zeit des Ariſtoteles noch nicht wiffenfchaftlic, behan- 
b alfo erſt eine Anmweifung nur zur Redekunſt, aber noch nicht zur 
Bor Ariftoteles traten als Lehrer der Berebtfamkeit Zeno's aus 
3er in der Dialektik, die Sophiften, auf, die, von Anmaßung, Gefall- 
nfucht und eigennügigen Abfichten befeelt, durch die Gewandtheit, 
uch unvorbereitet, jierlicy zu reden, bie Bewunderung der Dienge auf 
und durch Überrebungstünfte fich Einfluß auf die Gemüther zu vers 
a, zu einer Zeit, wo Reichthum, üppigkeit und Sittenverderben und 
mtlicher Beredtſamkeit, die vornehmlich zu Athen, von Gemeinherr> 
gt, zu ſchoͤner Blüthe emporftrebte, zu einer ſolchen Kunſtbefliſſen⸗ 
; feit der 84, Olympiade oder 440 v. Chr. Sowie nämlich im⸗ 
rall die Kunſt, die nach innerer Naturanleitung zwedimäßige Schoͤ⸗ 
orbringt, der Wiſſenſchaft vorangeht, fo ift auch die Beredtfamteit 
ıng feühern Urſprungs als die Lehre der Redekunſt. Denn aus den 
ı ber Redner, die bei den Griechen eigentlich felbft Rhetoren (grroges) 
Die Lehrer der Beredtfamkeit, die fpäter fogen. Rhetoren, durch Vers 
Lehrſaͤtze und Vorfchriften ab und erläuterten fie durch aus denfelben 
fpiele. Allein diefe Verfahrungsart wandelte fi) um zu den Zeiten 
e. Da flanden naͤmlich zu Alerandrien 2 geiftreiche und vorzligs 
unftrichter auf, die alerandrinifchen Grammatiker Ariftophanes und 
Reſe flellten aus der fehr großen Menge Redner nur 10 attifche 
u Leben in einem angeblichen Werke des Piutarch befchrieben ift, als 
Bufles der Nachahmung auf, die dann auch bie fpätern Rhetoren eins 
jergliederten und aus denen fie ihre Lehrbegriffe fhöpften. Somie 
uſt älter iſt als die Rednerwiffenfchaft, fo wurde dagegen jene von dies 
denn Längft war jene im Leben untergegangen, als dieſe noch immer 
Beiten ded Kaiferd Theodoſius d. Gr. — in ihren Anweifungen ge: 
kriften aufftelte. Nur 150 5. blühte zu Athen die Beredtſamkeit 
ıng, und ſank, wie alles Edle und Große, zugleich mit ihrer Pflegerin, 
6 Staats, in deren Gefolge fie, auch wieder jene ſchirmend, geweien. 








* un. 


272 Khetoren und Grammatiter 


Sodann richtete fie ihren Bang durch Kleinafien, Rhodus, wohin 
vertrieben, fie brachte, und durch a. Eilande, durch welche Wand 
ihre urfpränglihe Anmuth einbüßte und von den Sitten des Aus 
wurde. So entftanb ber Unterfchied der attifchen, afiatifchen und ch 
Dem atifhen Styl war eigen die harmonifche Geſtaltung des Ga 
fame Vertheilung des Schmude® mit einfihtsvoller Mäkigung ı 
zu fehr abftechender Stellen. Die afiatifche Beredtſamkeit ha 
Ausführung und Überladung mit Nedeblumen in der Ausfchn 
pflegte bei den aftatifchen Rednern, befonders bei denen aus Lycien 
Ton gegen den Schluß der Rede faſt gefangmäßig zu werden. 
Gattungen fol die rhodifche Beredtſamkeit das Mittel gehalten hal 
wurde die Beredtfamkeit durch griech. Lehrer nad) Rom verpflai 
neuer Lichttag aufging, und Cicero als der größte Öffentliche Redne 
auch hier trat, nachdem fie ben Gipfel der VBolltommenheit erreicht, 
ein, wo fie von ihrer Höhe merklich herabzufinfen begann. De 
muͤthigkeit im Neben verftummen mußte, fo ward auch die öffentlid 
fire Nichts mehr geachtet. Die ältern Sophiften erwarben ſich um 
Bearbeitung der Beredtfamkeit unverfennbare Verdienfte durch 
Rednerſchulen, und es gab eine Zeit, wo nur die Sophiften öffer 
ſamkeit lehrten, und theils durch Unterricht daruͤber und Durch übur 
als Medekünftler oder Prunkredner (von den Kateinern genannt 
durch redneriſche Vorträge und eignes Beifpiel die Jugend zum 
dem Ruhm der Beredtſamkeit aufmunterten. Zur Auszeihnun. 
gehörte ein purpurfarberer Mantel, der gewiffermaßen ihre Um 
Es durfte aber zu Athen ehedem Niemand, zumal fein Frember, fic 
zulegen, ohne Zuerfennung der Sophifteninnung und ohne die Wei 
ſchem Gebraud erhalten zu haben; und in der Folge erließen auch 
einfchräntende Gefege gegen die Lehrfreiheit von unberufenen 9 
gegen unbefugte Ausübung der Prunkredekunſt. Es hat jene Weihe 
den neuern Doctorpromotionen. Zu diefer Feierlichkeit gehörte nu 
Gebraͤuchen, daß man in ein Öffentliches Bad geführt wurde. 9 
nahm der fo Getaufte ben Mantel an, kraft des Anfehens der dam. 
der Beredtfamkeit zu Athen, welchen er für diefe Erlaubniß beträd, 
zu entrichten hatte. Mit dem Mantel zugleich erhielt der Ein: 
und Ehrennamen eines Sophiften. Die, melche auf diefe Weife 
Rhetors ertvorben hatten, gaben ſich bafür aus, die Redekunſt zu I 
ten zu biefem Zwecke mit ihren Schülern mannigfaltige Übungen 
Vortrag an. Seiner Hauptabficht nach beftand aber der rhetorifi 
Anweifung zu Führung von Rechtshändeln, weil bei diefen Altes t 
Bericht ausgemacht wurbe. — Diejenigen ſowol, welche in Nedr 
Übungsreden ber erdichtete Fälle hielten, als auch deren Zuhörer, 
laftifer. Endlich kam bdiefer Name in Verachtung. Die rh 
anmeifung der Sophiften beftand meiftene in Kniffen, wie man de 
durch gewiſſe Blendwerke eines gefchminften und einnehmenden 7 
durch argliftige Vernünfteleien und Spigfindigkeiten bethören und 
Dafür bedungen fie ſich einen gar anfehnlichen Ehrenfold aus, de 
vorausbezahlt wurde. Späterhin wurden die griech. und lat. Rh 
tömifchen Kaifern (zuerft unter Befpafian) befoldet. — Die Rh 
auch Reden für Andre. Antiphon war der Erfte, der zu Andere 
richtliche Reden verfaßte. Mit einer Rede des Lyſias errang Ipt 
über f. Gegner den Vortheil. Anytus bewirkte, durch eine für Loh 
des Sophiften Polykrates zur Anklage ausgerüftet, die Verurtheitt 


Rhetorik Rhigas 273 


erſchmaͤht hatte, eine ihm von Lyſias angebotene Rede zu gebrauchen. 
fi) durch Verfertigung beftellter Reden; denn man trieb 
einträglichen Erwerb, und Manche flanden damit fo in Ruf, daß fie 
kun hatten. Endlich verfiel dies Wuchergemwerbe in verdiente Verach⸗ 
lele große Maͤnner ſcheuten hy i Reden fchriftlich zu hinterlaſſen, weit 
Schimpfnamene Sophift ſchaͤm B— 
orif, f. Redekunft, Beredtfamtelt, Medende Rünfe 
t. 


ima, Rheumatis mus, eine ſchmerzhafte Krankheit, bie fo große 
nit der Gicht hat, daß fie von mehren Ärzten für gar nicht verfchieden 
alten worden if. Indeſſen läßt fich ein Unterfchieb zwiſchen beiden 
1. (S. Arthritiſch.) Dan unterfcheidet einen acuten und chronis 
natismus. Jener dauert eine Eurze Zeit, wird bald in diefem, balb 
heile, dem Kopfe, der Dand, den Fuͤßen ıc. empfunden und von 
m Manne der Fluß genannt, ober er fegt ſich in einem Theile feit und 
icht in den chronifchen übergehen, wenn nicht bei Zeiten dienliche Mits 
vet werden; bisweilen kommt aud) wol Fieber hinzu, oder er findet ſich 
ge andrer Fieber vorzuͤglich im Anfange ein. Diefe Zufammenfegung 
md Rheumatismus wird rheumatifches Fieber genannt und von eis 
a als eigenthuͤmllche Fieberart aufgeftellt. Es wird daffelbe zu ben 
migften® gefahrlofern Fiebern gerechnet, fo lange ed nicht in ein fchlim- 
eht; bisweilen aber fcheint es auch nur den Anfang eines Nerven: 
machen. — In manchem Fruͤhlinge und Herbfte, oder auch in naffen, 
lichen Sommern und Wintern, wo die Gelegenheit zur Erkältung bes 
# unb häufig ift, mifchen fi) folche rheumatiſche Schmerzen beinahe 
Krankheiten bei, und man fagt fodann in ber drztlichen Kunſtſprache, 
mit einer cheumatifchen Conſtitution zu thun. Finden ſich zu einer 
n Zeit ſehr Viele, die an rheumatiſchen Übeln leiden, fo ſagt man wol 
Reantheit berrfcht epidemifch. — Der dyronifche Rheumatismus, der 
uten, bei Vernachläffigung deffelben, und ben alten fortwirkenden ober 
umenden Urſachen zu entftehen pflegt, nähert ſich der Gicht, und man 
ugeben, daß berfelbe bisweilen in fie übergeht. Anhaltender, heftiger, 
kg nachlaſſender, aber bald wieder in derfelben Heftigkeit zuruͤckkehren⸗ 
wodurch die Verrichtung be leidenden Theils nicht nur für den Aus 
8 ſondern bisweilen gaͤnzlich gehemmt wird, ohne alles Fieber oder 
De, auch ohne die in der Gicht fo gewöhnlichen Verdauungsbeſchwer⸗ 
ft das Auszeichnende diefes Übels, das oft Jahre lang anhält, ja wol 
ste Die Gicht, habituell wird und ſchwer wieder ganz gehoben werben 
war ſetzt man den Rheumatismus gewöhnlich nur auf die äußern mus: 
ane; indeſſen hat man bisweilen bemerkt, daß durch benfelben auch 
Theile, insbefondere die feröfen Häute, die Pleura, das Peritondum, 
se ergriffen wurden, und es kommen ſolche Beobachtungen beim epi⸗ 
Beumatismus und der cheumatifchen Conftitution nicht felten vor; es 
ı Krankheiten gewoͤhnlich falfche Entzuͤndungen genannt, weit fie ſich 
liche Weiſe wie die Entzündungen ber ergriffenen Tpeite äußern, und 
ber That bisweilen in diefelben übergehen. — Die Heilung des acuten 
nus ift bei zweckmaͤßigem Verhalten gewoͤhnlich Leicht zu bewerkſtelligen. 
E die des chronifchen, welcher oft allen Mitteln widerſteht. Warme 
kalich Die mineralifchen zu Teplig, Aachen ıc., bie kuͤnſtlichen Geſchwuͤre, 
melle, die durch Seibelbaft oder ein Haarfeii unterhaltenen, Derstefen 
sem wirkſamſten. 
ſas (Konflantin), ber Tyrtaͤus der Neugriechen, det le * is 
Girbente Aufl. 8b. IX. 


274 . Rhigas 


bellenifchen Freiheitskampfes, geb. um 1753 zu Veleflini, einer kl 
Theflalien, zeichnete fich durch Kaffungskraft und Thaͤtigkeit fchon ı 
len feines Vaterlandes aus. Da er nicht reich genug war, um u 
Wiſſenſchaften leben zu können, fo widmete er fidh dem Handel, gir 
reſt und trieb daſelbſt bi 1790 theils Handelsgefchäfte, theils fein 
dien. Auch war er Secretair des Bojaren Nikolo Brankovano. De 
audgezeichneten Männern von verfchiedenen Nationen und bie Ben 
wählter Buͤcherſammlungen teugen zu feiner Bildung viel bei. Die 
Literatur entflammte feine Einbildungskraft. Latein, Franzoͤſiſch,“ 
Deutfch waren ihm gleich geläufige Sprachen; er [chrieb Griechiſ 
ſiſch, war zugleich Dichter und Tonkuͤnſtler. Am liebſten befchäfti 
der vergleichenden Geographie. Damit verband er daß tiefite, lei 
Gefuͤhl für fein ſchoͤnes und unglüdliches Vaterland, deffen Befr: 
Joche der Sklaverei fein gluͤhendſter Wunſch war. Diefes Ziel fpanı 
Kraft in ihm, und fo entwarf er den fühnen Plan, durch eine großı 
bindung Briechenland von der Pforte loszureißen. Mit der größten 
band. er eine hinreigende Beredtſamkeit, und bei der allgemeinen Ad 
her er ſtand, warb es ihm leicht, den Kern der Nation und angefeh, 
feinen Entwurf zu gewinnen. Unglaublich ift es und dennoch wahr 
mächtige Tuͤrken, unter Anbern den berühmten Paßwan Oglu, in 
dung zu ziehen wußte. Hierauf begab ſich Rhigas nadı Wien, wo t 
chiſche Kaufleute und einige Gelehrte von feiner Nation lebten. Bon 
te er einen geheimen Briefwechfel mit den bedeutendften Mitgliedern 
Griechenland und dem übrigen Europa. Auch wird behauptet, dal 
parte fiber Griechenlands Befreiung verhandelt habe. Zu gleicher: 


griechiſche Zeitfchrift zur Bildung feiner Landsleute heraus; er über 


dem die „Reiſe bes jüngern Anadyarfis” und ſchrieb eine Abhandiun 
tik und einen Grundriß der Phyſik für das Leben. Wahren Natioı 
in ganz Griechenland erwarb er fich Durch feine patriotifchen Gefänge 
fprache,, die ganz geeignet waren, um bie Einbildungskraft der helle: 
zu entflammten und ihr den ftärkften Haß gegen die Tyrannei der Mı 
zuflößen. Noch jegt fingen die heilenifchen Helden, wenn fie zum . 
feine NRochahınusıg des marfeiller Liedes (‚„‚Allons, enfans dela pı 
Lied und bas fchöne Berglied von Rhigas: „Wie lange noch lebt. 
Bergen”, haben den tieffien Eindrud auf die feurige, von den ZI 
Griechen begeifterte, helleniſche Sugend gemacht. Lieder von ihm, 
Deutſch, find abgebrudt in Schott und Mebold’s „Zafchenb. fi 
Geſch des griech. Volke⸗, Heidelb. 1824. Auch entwarf Rhigas e 
ganz Griechenland mit alten und neuen Ortsnamen in 12 BI., die 

ner Landsleute in Wien geftochen wurde. Diefer raſtlos thätige SM: 
die Kraft feines. Genies der wahre Ucheber des griechifchen Aufftande 
endigte in einem Alter von 45 Jahren auf eine furchtbare Art. Ein te 
der Kaufmann Eleutherios Dikonomos, und der Bifchof von Belgra 
gaben den unglädlihen Rhigas und 8 feiner Freunde bei dem Drau 
Eifchen Geſandtſchaft in Wien als Verſchwoͤrer an. Mh. entfernte 

ward aber in Trieſt, wo er ſich nad) Griechenland einfchiffen wollte 
dern, dieihn begleiteten, verhaftet. Ex wollte fich das Leben nehn 
Dolchſtich war nicht töbtlich. Als er fich gefangen ſah, faßte er den 
Qualen mit Muth. zu ertragen und keinen von Denen, die ſich ü 
befanden, zu verrathen. Die Unterfchriften aller der im Vereine Aı 
waren in einem Hefte enthalten, das er ſtets wohl verwahrt bei ſich fı 
tiß er in ber Nacht und verſchluckte die Namen feiner Landsleute, ı 


Rhinoceros Rhinoplaflit 275 


entziehen. Dan führte die Gefangenen nach Wien ab. Als hier feine 
in feiner Gegenwart zum legten Male verhört wurden, fprach er mit fes 
ne in der Hoffnung, fie noch zu retten: „Was wollt Ihr von ihnen? 
babe Alles gethan und bereue es nicht. Ich weiß es, daß ich den Türken 
jeliefert werden und bag ich umkommen muß. Allein nur mein Leichnam 
m; mein Geiſt wird Euch überleben: denn er hat ſchon alle Herzen ber 
uchdrungen.” 3 von den Verhafteten wurden nebft Rhigas, gefeffelt, 
798 nad) Belgrad abgeführt; 3 andere, welche mit ruſſiſchen Päffen 
aren, wurden über bie ſaͤchſiſche Grenze gebracht. Der Paſcha von Bel: 
e die Verſchworenen aus Furcht, Paßwan Oglu Könnte fie auf dem We⸗ 
valt befreien, nicht nad) Konftantinopel, fondern ließ fie enthaupten und 
au werfen. Nac) andern Nachrichten (f. die „Briefe eines Augenzeugen 
hen Revolution im 3.1821", Halle 1824) wurde Rhigas zwiſchen 
yendig zerfägt. Unter mehren Heinen Schriften, die ber Tod des „Mär: 
Religion und Freiheit”, wie Rhigas von ben Hellenen genannt wird, 

if die von M. C. Nikolo-Poulo, einem jungen griedifchen, bei der 
des koͤnigl. Inftituts zu Paris angefteliten Literator verfaßte „No⸗ 
"Derrfchaft des Gefeges), den Manen bes Rhigas geweiht”, die 
ke. _ Das ausdrudvolle Bildnig des unfterblihen Dichters befindet 
ätellupfer vor den oben genannten „Briefen eines Augenzeugen”. 
ott's „Nachrichten über Rhigas's Leben und Schriften” (Heidelberg 

20. 


noceros, f. Nashorn. 

inoplaftik (von ger, Nafe, nAuozıxr, die Kunft zu bilden), ein von 
Ife (f. d.) neu gefchaffene® Wort, zur Bezeichnung der von ihm wieder 
u und vervollkommneten Kunft, den Verluſt der Nafe organifch zu er⸗ 
nlich nicht durch eine mechanifche Vorrichtung , fondern durch lebendige 
eines der Nafe ähnlichen fleifchigen Gebildes, wodurch denn die häßliche 
ung bes Gefichts giucticdy gehoben wird. Schon feit frühen Zeiten wird 
: in Indien von ben Brahminen und nod) jetzt von den Abkoͤmmlingen 
t, von ben Koomas, geübt, und zwar fo, daß aus der Stirnhaut ein Zap: 
chnitten und zur Bildung der neuen Nafe verwendet wird; dieſes Wer: 
nt Gräfe die indifhe Methode der Rhinoplaſtik. 1442 verrichtete Bran- 
Kanifcher Arzt, ebenfalle die Rhinoplaſtik, nicht aber nach der indiſchen 
ms der Stimbaut, fondern der Armhaut des Individuums, und nach 
die Operation bei der Familie Bajani ald Geheimniß getrieben, bis Kas⸗ 
enz3i (geb. 1546, geft. 1599) das Verfahren in Bologna aushbte und 
lic) befanntmachte. Wielleicht war die Kunſt unmittelbar von ber Fa⸗ 
ni (deren fettes Glied 1571 flarb) auf ihn gekommen; wenigſtens ver⸗ 
Ne Rhinoplaſtik ebenfalls aus der Armhaut, und die indifche Methode war 
unbekannt. Gräfe nennt diefe Methode die italienifche, und fie wurde zu> 
Bolinetti zu Anfange des 17. Jahrh. ausgeübt. Am 8. Mai 1816 ver: 
fe zuerſt wieder die Nafenbildung aus der Armhaut, an einem jungen Krie⸗ 
we Naſe durch einen Säbelhieb verloren hatte, und feine in manchen 
we der italien. Methode abweichende Operationsart wird von ihm bie 
lethobe der Rhinoplaſtik genannt. Auch bei diefer wird bie neue Nafe aus 
nt bes Individuums gebildet, nur weicht das Verfahren in etwas von 
lagllacoyzi ab. Die Rhinoplaſtik gehört nach der Graͤfe ſchen Erneuerung 
Rerung zu den glänzendeen Ergebniffen der neuern Chirurgie, und es zeigt 
hier wieder, wie der Deutfche alleß Fremde ſich aneigne, um ed in einer 
sollenbetern Form fo hervortreten zu laſſen, baß es wahrhaft feine eigne 
wird. ©. Graͤfe's „Rhinoplaſtik, oder die Kunft, den Vertuft der 

15 * 


276 = Hhobus Khone 


Naſe organlſch zu erſetzen c.“ (Berlin 1818, 4.); lateiniſch von | 
Hecker (Berlin 1818, 4.); italien. von Schönberg zu Neapel. 
Rhodus, jetzt Rhodis (21 TIM.). Diefe einft der Sonne ge 
infel, berühmt. Im Alterthum wegen ihres heitern Himmels und ihrer 
Fruͤchte, liegt zroifchen Kandia und Cypern, 2 Meilen von der ſuͤdl. Küf 
im mittelländ. Deere, ift 8 Meil. fang und 3 breit. Die Luft ift gı 
ſehr fruchtbar, aber unbebaut. Sie war im Alterthume eine Repu 
beträchtlichen Seemacht. Sie gruͤndete Colonien in Sicilien, Stat 
nim. Die Größe und Schönheit ihrer Kunftwerke waren im ganzen 
berühmt; auch warb fie deßhalb'von ben Römern viel beſucht. Die 
Rhodier galten wegen ihrer Zweckmaͤßigkeit an allen Küften und in al 
des mittelländ. Meetes als Grundlage’ des Voͤlkerrechts und werd: 
zur Entfcheldung benugt (lex Rhodia de jaetu). Das mächtige ur 
dus fpielte in den Kriegen ber Römer, oft ald Bundesgenoffe, ei 
Rolle. Erſt Vespaſian madıte fie zu einer roͤm. Provinz. 1309, r 
tufte von Palaͤſtina, wählten die Johanniterritter diefe Infel zu ih 
und wurden deshalb Nhodiferritter genannt. 1480 wehrten fie ein. 


Tuͤrken ab, 1522 aber ward ihr Großmeiſter Villiers von dem Sultaı 


gezwungen, ihm bie Inſel zu übergeben, und die Ritter ließen fid 
auf Malta nieder. Rhodus mit 37,000 Einw., darımter 11,000 
einem Erzbifh., fleht unter dem Kapudan Pafcha oder Großadmiı 
verneur ber Infeln des Archipelagus, und wird von einem Pafcha 
Einkünfte des Sultans von der ganzen Inſel werden auf 90,000 Pi 
Sie ift der Hauptfchiffbauplag der Tuͤrken und führt Wein, Getreil 
diſches Holz, Baummolle, Suͤdfruͤchte, Wachs, Honig, Vieh ıc. aus. 
Rhodus oder Rhodis, (15,000 Einw.), wird von den Türken ale 
windliche Feſtung betrachtet, da fie mit einem Sfachen Wall und eir 
Graben umgeben ift. Sie wird von Türken und Juden bewohnt, t 
Vorſtaͤdten wohnenden Chriften werben nur bie Sonnenuntergang in 
duldet. Noch fieht man die Wappen und Namen ber Rhobiferritter ı 


- een vieler Häufer, ımb eine Straße heißt noch die Ritterftraße. Di 


Häfen; bier ſtand wahrfcheinlich der berühmte Koloß. (S.d.) 2 
Dreisfchrift „Rhodi dereriptio Macedonica aetate” (Göttingen 
„Rhodos, ein hiſtoriſch⸗archaͤologiſches Fragment von Heinrid 
tona 1823). 

Rhombus, Raute, iſt eine vierfeitige geometr. Figur, n 
als ein ſchiefes Quadrat vorflellen mag, denn ber Rhombus hat 49 
weil aber diefe nicht rechtwinklig, ſondern fchief zufammenftoßen , 
gegenüberftehenden Winkel einander gleich, und zwar 2 find ſtumpfe, 
Rhomboides fleht ganz in dem Verhältniß zum Rechteck oder 9 
der Rhombus zum Quadrat. 

bone (le Rhöne), entfpringt im Kanton Wallis aus einen 
Surkaberge, nicht weit von dem St.⸗Gotthard und 2 ſtarke Str 


Quellen des Rheins. Auf ihrem reißenden weftlichen Laufe durch? 


durch viele Bäche und Flüßchen verftärkt, durchſtroͤmt dann ben 
feitt als ein ſchiffbarer Strom in das Gebiet von Frankreich, wo fi 


- wendet ımb eine Strede die Grenze zreifchen Frankreich und Savoy 


terhalb Lackuſe verſchwindet der Strom faft gänzlich dem Auge, in 
furchtbarem Getöfe in einen Selfentrichter ergießt, der fo eng tft, d 
gegenüberftehenden Klippen nur 2 Fuß Entfernung haben. Einige t 
unterhalb dieſes Trichters Läuft die Rhone faft 6O Schritt weit völlig 


fen weg. Nach einem Laufe von I0 Lieues ergießt fie fi) Durch 3 5 


Rhoͤngebirge Rhythmus 277 


ind. Meer, wo ihre Arme die 9 IM. große Inſel Camargue bilden. 
en heftigen und ungeſtuͤmen Lauf, fuͤhrt vielen Sand mit ſich und ver⸗ 
yr Bette, ſodaß die Schifffahrt auf derſelben, die beſonders von Lyon 
bhaft ift, ziemlich gefährlich roird ; daher rourde der Canal von Beau: 
set 1811) angelegt, wodurch auch die Suͤmpfe von Aigues Mortes 
et worden find. Ihre vornehmften Nebenflüffe find: die Arve, der Ain, 
welche fich bei Lyon mit ihr vereinigt, die Iſere, Dröme, Arbeche, 
ıd der Gard oder Sardon. An der Rhone liegen: Genf, Lyon, Vienne, 
pignon, Beaucaire, Zarascon u. Arles. Rhoneweine find Franzwei⸗ 
beiden Ufern der Rhone in Provence, Dauphine ıc. erbaut werden. Zu 
Sorten gehören bie rothen und weißen Hermitageweine, welche zwiſchen 
d St.sBaliere wachfen; ferner ber Galcernier von Chateau neuf, Ta 
ote de St.-Andre u. a. Sie werben in 1. und 2. Sorte Hermitage, 
2. Sorte Eote:rotie unterſchieden. Wir ziehen fie über Avignon, Cette 
yelfier. 
ngebirge, exftredit fi) von Kaltennorbheim bie über Biſchofeheim, 
ge von 5 bid 6 Meilen und in einer Breite von 1 Meile an ber weſtl. 
vormal. Großherzogth. Würzburg hin und gehört theils zu dem Für: 
nach, theils zu dem Untermainkreife des Koͤnigreichs Baiern. Nördlich 
ch dem thüringer Walde und ſuͤdlich dem Speffart. Diefes Gebirge bie: 
be Bafaltfelfen dar; aber nur Abhänge deffelben enthalten einige Wal: 
hoͤchſte Spige ift der 2300 Fuß hohe Kreuzberg, unweit Biſchofsheim. 
yöngebirge gehört die lange Rhön, auf deren Höhe man ebenfalls viele 
a und Lavabloͤcke, aber wenig Ward findet. Viel Heu wird darauf ges 
Nerkwuͤrdig find das rothe, weiße und fhwarze Moor. Auf erfterem, 
1000 Morgen faßt, foll ein Dorf verfunfen fein. _ Noch wafferreicher 
ze, das bei 500 Morgen einnimmt. Die Kälte ift auf diefem Gebirge 
groß, und der Schnee meiftens fo hod), daß defhalb die Fußwege durch 
ejeichnet find. Metalle enthält dies Gebirge nicht. Oft vechnet'man 
IHöngebirge die im Fuldaiſchen befindlichen Worgebirge, als den Dam: 
Ye Milgeburg oder das Heufuder, welche ſich durch Ihre groteske Form 
, Bafaltgebirge find und eine Höhe von 2500 bi6 2800 Fuß erreichen. 
thmus (aus dem Griech., @v9uos, rhythmos), ein Wort, deſſen 
duch den etwas unbeftimmten Gebraud, ſchwankend geworden ft. 
ı vermuthen, in jenen alten Zeiten des erſten Gebrauchs fei der eigen: 
Kinn des Wortes am ficherften zu finden, fo würde man irren. Die erfte 
g einer Sache begreift gewöhnlich einige Zufälligkeiten, die man nicht 
wn wollte, neben dem Wefentlichen, dem die Bezeichnung gilt. Die 
„welche das Wort empfing, ift in dem üblichen Gebrauch befangen, 
rt faft ein neuer Erfinder dazu, um einem üblichen Wort feine wahre Be: 
meignen, die nämlich, welche der Erfinder bezeichnen wollte, aber, weil 
lige nicht hinlänglicy fonderte, nur unvollkommen wirklich bezeichnete. 
wei verfchiedene Verfe hört, 3.2. ” 
Eilende Wolfen, Segler ber Lüfte 


Mahadoͤh, der Herr der Erbe 
ragt, worin, abgefehen vom Anhalt, ihre Unterfchied beftehe, fo hört 
antworten: im Rhythmus. Cinige, das frembe Wort vermeibend, fa: 
a Sylbenmaß, allein fehr unrichtig. Denn Sylbenmaß iſt die Verglei⸗ 
eitgehaltes einer Sylbe mit dem einer andern. Iſt im Vers das Maß 
unrichtig, fo roiderftreitet dad Spibenmaß dem Rhythmus, von mels 
ı ganz verfchieden iſt. Ebenfowenig ift Versmaß eine hinlängliche Wer: 


a EEE 


278 Rhythmus 


deutſchung von Rhythmus, denn Mas iſt die beſtimmte Größe, m 
Groͤßen geſchaͤtzt und beſtimmt werden. Man koͤnnte alſo vielmehr der 
Daktylus) ein Versmaß nennen, denn nad) deſſen oͤfterer Wiederkehr we 
Versarten ihrer Laͤnge nad) gemeſſen und benannt, z. B. der Heramet: 
rühmte Philolog Hermann fagt: ber Rhythmus fei die durch bloße Zei 

Form der durch Wechſelwirkung beftimmten Gaufalität, was ohne 
deutlich fein mag, wenn man ſchon weiß, mas man bei Rhythmus zu 
Andre erflären ihn anders. Vielleicht findet man den wahren Sinn | 
indem man ähnliche Dinge damit vergleicht, von welchen man ſchon bi 
ftelungen hat. Wer etwas Kenntniß von Muſik befigt, der weiß, ma 
muſikaliſchen Gedanken nennt. Man behält eine ſolche kurze Metodie I 
Eennt fie im Tonſtuͤck wieder, der Zonfeger mag fie in derfelben Harm 
einer andern, in ber erſten Bewegung ober in der Gegenbewegung, : 
einem eintönigen Inſtrumente, der Pauke oder Trommel, wiederholen | 
in einem folchen mufitalifchen Gedanken nicht der Harmonie angehört, 
gar in eintönigen Klängen noch ben Gedanken darſtellt, ſodaß der Hörer 
wiedererkennt, das ift der Rhythmus. Denken wir ung 5. B. die befur 
bes Waltenftein’fchen Reiterliebes, fo iſt ihr bloßer Rhythmus, abgefel 
barmonifchen Verhältniß der ine: 
N Nnl |! } 

. AL⸗ Sell), 

der ſich durch die üblichen Notenzeichen außer dem Rinienfoftem fehr bequ 
lich machen läßt. Auf diefelbe Art verfinnlicht fich Leicht der abgefondert 
aus jeber Melodie, und daß man einen Rhythmus vernehmen und aufze 
wenn er auch nicht zuvor aus einer mufilalifhen Melodie abgefondert 
die Zrommelmelodien, welche bloße Mhythmen ohne Tonverhältniß f 
man dennoch vernimmt und unterfcheidet. Wer tiefer in die Sache et 
ber. kann fich den Rhythmus recht ſchicklich als eine Kigur in der Zeit ot 
Figur denen. Wie man naͤmlich zufammengehörige, zu einem Ganzen 
Theile räumlicher Anſchauungen eine Figur nennt, fo nennt man die zu 
zen verbundenen Theile, welche nicht im Raum, fondern in der Zeit ( 
seffion) aufgefaßt und vernommen werden, einen Rhythmus. DVerglei 
Auffaffen der Figur mit dem des Rhythmus, fo wird man ſich der Ähnl 
feicht bewußt werben unb zugeben, daß der bildliche Ausdruck: Zeitfigun 
ger gewoͤhnlich, aber nicht weniger ſchicklich ſei, als wenn man von Tie 
des Tones, von ber Farbe, von Tonfiguren oder andern verſchiedenen 

verglichenen Dingen fpricht. Wer die Sache noch gründlicher erörtert 
verfteht e8 ohne Zweifel, durch Vorkenntniffe vorbereitet, ohne meiter 
wenn wir fagen: Rhythmus fei finnliche Anfchauung der Einheit in 
von Momenten, oder mit weniger Worten: Rhythmus ift Form der ( 
oder im Begenfas von Harmonie: Rhythmus ift finnlidye Erfcheinun; 
in der Aufeinanderfolge, Darmonie daffelbe im Gleichzeitigen. Set 
fügt daffelbe, nur für einen verfchiedenen Gefihtspunft, aus. Am ar 
ohne Zweifel wird die Vorftelung vom Rhythmus durch die oben erwaͤh 
nung deffelben in Noten. Man denkt das Linienfyftem von den Not 
der reine Rhythmus fteht Jedermann vernehmlich und unzweideutig vo 
ift ein Gtüd für uns, daß wir eine fo leicht faßliche und brauchbare Vi 
weife der Tonrhythmen in unferer Notirung haben. So gut hatte mi 
ters nicht, und wir felbft befigen diefe Vortheile kaum feit ein Paar Si 
es gehört nicht wenig dazu, Etwas, das der Sinn vernimmt, fo gänzii 
aufzulöfen und auf den Verſtand uͤberzutragen, daß es diefer durch voll 

hen ganz unzweideutig, toieder durch Vermittelung des Verftandes, 
eines Anbern bringen kann; und gewoͤhnlich führen erft niel unvolltomn 


Rhythmus 279 


. Karld. Gr. ließ die gefchidteften Sänger zu dem kirchlichen Gottesbienft 
gleithwol war es unmöglich, was bei uns leicht ift, ihnen die Melodien 
ſchen Kirche durch Vorzeichnung deutlich zu machen. Sie mußten felbft 
m, um dort zu hören. Was man allenfalls in alten Zeiten von rhythmi⸗ 
hättniffen beseichnete, war Das, was ſich freilich zumächft darbietet: ber 
ne Unterſchled von lang und kurz. Um das Lang zu bezeichnen, bebiente 
des Striches (-), für die Kürze des Haͤkchens (v); das weniger lang und 
8 (3.8. Fund }.) fühlte man wol dunkel, allein man erhob dieſes Ge⸗ 
t gur Deutlihhkeit, und deßwegen gelangte man nicht dahin, biefen Unter: 
e Bingen und Kuͤrzen zu bezeichnen, foroie wie jegt in einem ähnlichen 
Unterſchiede der Farben nicht mit Beftimmtheit bezeichnen, weil 
ehende fidyere Scale bafür fehlt. Wie wir diefe Sarbenunterfchiebe 
b den Augenfchein auffaffen, fo mußten die Sänger damals die Unterfchiebe 
r Bängen und unter ben Kürgen durch eignes Hören auffinden. In vielen 
a trifft es nun allerdings, daß nur eine Art von Rängen und nur eine Art 
pn barin vorfommt, imd dieſe bezeichneten fich am leichteften mit ben an⸗ 
men Zeichen ber Länge und Kürge, wie denn auch ihr Rhythmus im Ge: 
wenigften zn verfehlen wär. De Rhothmus z. B. 
venmer Stab, a hätt’ ich nimmer mit dem —E dich vertaiſcht 
ıdiefer Gattung. Man fand in ſolchen Rhythmen die Dauer der einge 
gen gleich, daffelbe Verhältnig ließ ſich auf den Rhythmus: 


133473467357 


n und, da dieſe IR. KR RR die üblichften waren, fo ſetzte 
em Theoretilern die Dieinung ale ein Grumdfag feft: jede Länge fei gleich 
. Wo nun in einem Rhythmus eine Länge zu bezeichnen war, ba 
be man ſte mit dem üblichen Zeichen (-) und fchrieb ihr in alten Fällen den 
m zwei Kuͤrzen zu: Ebenſo rechnete man von Allen Klityen ohrie Ünter: 
f auf eine Länge. Die Muſtker, welche wol fühlten, daß bie Längen in ber 
er R.| Noän andern Öehalt hatten, als indiefee J J DJ] X 
metrifch auf Biefelde Art (- - u u | -) bezeichnet werben, behauptite 
man mäffe zwiſchen Lang und Lang unterfcheiden, und zroifchen Räkyz 
he intrefihled zu machen; allein weil man damals Beine Motengehaftfet: 
&, fondern den Gehalt ber Töne aus den Sylben der Verſe fchließen müßte, 
en fie ihren Sat fo zu erweiſen, daß fie auf dem verſchiedenen Zeitgehalt 
Ka aufmerkſam machten, die wenig Mitlauter haben, 5. B. Kuh, ukb in 
heren viel ſich vereinigten, 3. B. Strumpf. So verſahen fie es freilt tm 
Ixer —*8 ‚ und bie Metriker (oder Grammatiker), die mit jenen 
ke, nadı Marius Victorinus’s Verfiherung, ſtritten, machten ihren Sag 
* geltend: jede Laͤnge ſei gleich zweien Kuͤrzen. Man darf ſich uͤber 
jarrlichkelt der alten Metriker nicht wundern, denn wiewol wir jetzt ſeit 
Frinem Jahrhundert in unſerer Notirung eine fehr paffende Bezeichmung 
hener der Zeitmomente im Rhythmus haben, fo behatren dennoch unſre 
Retziker fo uwerruͤckt auf ihren Steichen und Haͤkchen und auf dem Gag 
ee Länge, als ob eine Erfindung wie unſere Muſiknoten gar nicht 
und Rhythmen von andern als zweizeitigen Rängen noch nie erhoͤrte 
im. Betrachtet man alte Berfe nad) dem Sag von ber bloß zwelzeitigen 
Pbekomm man Rhythmen zu ſehen, gegen welche anfer Gehör ſich etwas 


ee: 


Nee 






280 Khythmus 


und Ähnliche noch unglaublichere. Die Metriker verwerfen aber das 
Neuern als verwoͤhnt durch die moderne Erfindung des Taktes, welche 
Muſik verderbt habe, indem er ſie eintoͤnig und langweilig mache. G 
(meinen fie) ſei es mit ber alten Muſik beſtellt geweſen. Durch ihre 2 
babe fie fich in fchöner Freiheit bewegt und dadurch die Wunder bewi 
alte Schriftftellee mit Entzuͤcken von ihr berichten. Der gelehrte Mei! 
dieſe Wunder der Taktloſigkeit wiederholen und ber neuen Welt bie W 
Muſik zeigen zu koͤnnen. Sein griechiſches Goncert, das er der König 
gab, that auch wirklich ungewöhnliche Wirkung, wiewol von anbrer ? 
gelehrte und übrigens fehr verbiente Unternehmer gehofft hatte. Sieht e 
gener einen foldyen angeblich taktloſen Ver, 3. B. den eben erwähnten 
U-- U U-U 
Im —* Buchhain, 
fo faͤllt es ihm ſogleich auf, daß der Vers ſelbſt ganz unverkennbaren Te 


| d. & an d. d 
"und ba er nur durch bie munderliche Bezeichnung und durch das unv 
Hören der verfchiebenartigen Längen und Kürzen das krauſe Anfehen e 
lein die Metriker glauben dieſes noch nicht, denn bie Länge iſt nun einm 
zweien. Rärzen gleich. Wenn einem unferer Mufiker eine Stelle vorge 
| JS 83 N J 2. 881.5 
fo würbe er die Stelle auf diefe Weile: : . 
til LESS). 
berichtigen, Jedermann würde ihm auch hierin beiftimmen. Wenn n 
Sylbengehalt eine Verſes findet 
--uu|-vu-u|-vo-vu|-- 
iſt es nicht natuͤrlich, ihn eben fo zu verftehen, wie der Muſiker, und 
dem weniger unterrichteten Schreiber, befonders wenn der Verb z. B. 
Schoͤn waren bie golbnen Träume, freudenlos das Erwachen 
die Meinung des Muſſkers rechtfertige? Wir werden uns mithin aı 
Einficht Halten müflen, welche durch die genauere Mufißbezeichnung be 
ben ift, wenn wir über Rhythmus, ſowol ber neuern als der alten Zei 
wollen. Die alten Verſe zeigen uns, was bie Alten hörten; ihre Zei 
wir verſtehen, wie fie von ihmen gehört, role fie von den Metrikern ge 
den. Daß unfere Zeitmeflung Übrigens in der Natur felbft berube, 
leicht, wenn man auf die Natur des rhythmiſchen Beitmafes, was m 
nenne, achtet. Metrum verwechfelt fidy allerdings leicht mit Rhypthnu 
alle Theorien verwechfeln es, indem fie ſich bemuͤhen, einen Unterfchiel 
den ihre Verfaſſer nicht deutlich fühlen. Der berühmte Metriker u 
Hermann lehrt: Metrum iſt das Verhältniß der Zeitabtheilungen geg 
ohne allen Rhythmus. So ift es allerdings vom Rhythmus gefondert 
allein vom Rhythmus, fondern fogar von feinem eignen Begriff, dei 
haͤltniß der Zeitabtheilungen gegen einander ift nur im Rhythmus dent 
alfo außer der Bedingung feiner Möglichkeit zum Metrum werben El 
unter die Geheimmiſſe ber Wiſſenſchaft und unter die vielen Räthfel der 
(hen Theorie. Nimmt man bie Anficht des Rhythmus als Zeitfigur 
rakterifirt fich jeder Rhythmus, wie jede Sigur überhaupt, durch den 
durch das Verhaͤltniß ber Theile untereinander. Umriß iſt bei ber Rc 
Grenze, welche fie vom übrigen Raum abfondert, bei dem Rhythmug 
welche ihn von der Zeitreihe abfondert, alfo fein Anfang und Ende. 
"der Theile in der Raumfigur wird durch ein inneres, aus der Figur fell 


[1777 De 


(6 BMobell) beftimme,-cbenfo-bei ber Zeitfigur, und dieſes Innere, aus 
15 felbft entlehnte Maß feiner Theile iſt das Metrum, welches alfo 

ime Grundbefinition der wiſſenſchaftllchen Metrik will, ohne allen 

, fondern gerade umgekehrt, bloß im Mhpthmus flattfindet. Gin ein 
Etang gibt noch) Eeinen Rhythmus, fo wenig ais ein Punkt eine Figur aus · 
Bmei Klänge können einen Rhythmus geben, wenn ſie fo vernommen ters 

ah fie aufanımenzugehören fdjeinen, als ob ber eine ben andern Sersargebenhk 
fie tert dieſes beffer und geſchwinder als eine ausführliche Ab 
hervorbringenben Theil nämlich nennen bie Muſiker den guten Takte 

ben jebrachten den fehfechten, Jenen nerinen die Metriker (bee 

cache entgegen) Arfis und biefen Thefis. Die Atſis bezeichnet man mkt 
scene (*), wo es nöthig ift. Das Zeitvechältniß der Arfıs zu der Theile 
durch das Metrum beftimmt. Iſt die Theſis der Arfis an Beitgehakt 

1, fo.entfieht ein gleiches Metrum (gerader Takt); Äf Hingegen bie 

de Arfis ungleich umd alſo Meiner (bem ein Größeres Ednmte nicht aus dem 
torgegangen ſcheinen), 4. — fo entſteht das ungleiche Metrum 


Lake). Met die Anfichten tiefer aufzufafſen leht, der denke ſich bag 


m der Thefis aus der Arfis ale das Segen eines Gegenſatzes Der has 


ber Thofis gegen die Krfis ſt auch in Der That awithetifch, und man nennt 
Antithefis und die Acfis Thefts, welches Legtere die Mufiter thım. 
ift aber der Thefis gleich" und nur durtch dem Charakter der Ab⸗ 
von iht verfchieden. „So entfteht die Gleichheit des Metrums, Läpt 
Bat Kraft waren — BR * — ohne Hy An 
ſich hervorgehen, fo vi ſich in.diefem dritten Erzeugni 
hie Ghnakre Gele anthei m Meichung auf Ne ehe En 
(arfifch) in Beziehung auf die ihm unmittelbar, vorher; 
Gnfehanlicher wird vielleicht die. Sache hierburch: man denke fich. de 
mngeraden Tattes ) | Die Wieritenote iſt biet vn 
Mer halben; ve biefe in Biertet auf (¶.M: fo HE hie 
a AAN jeigedn u — 
ten Beziehung, Diefes Servorbringen ber .dritien Rote 
SE 
man entfichen ſen, ſo ſe 
eilin, 100 bie Biel umb bie Drzi, alfo Die beiben erften Vrrhäle 
‚geraden Metrum ift Are und Theſis ſich gleich. Man 


chen Beftandtheile Hanptmomente nennen. Jebes biefer . 


num nochmals in Sat und Gegenfag erlegen: 2 

vr . a 
a 
H ifchen Beftandtheile Momente zweiter Ordnung. Da 
ich gleich) find, und die Momente zweiter Orbnung ebenfaßs 
Momenten berfelben Ordnung kein Unterſchled ber Ih 

m Dromöne beider Dtbnungen vermifgpt werden (J dd) 


hied. Rhythmen, welche ſich in Momenten 
RN aufoihre Arfis und Theſis nicht nach ein h 
Noß durch ben Accent, ber, auf dem guten Takttheil (Arſis) fänk. 
ſcuitte Mhythmmen, bahin gehören z. B. unfere Kirchen⸗ 
ingegen, welche fih in Dromenten verſchiedentt Drang 





288 Rhythmus 


bewegen, unterfcheiden ihre Momente zugleich nad Längen und $ 
Quantität). Diefe heißen bewegen quantitirende Rhythmen, und ı 
hört der größte Theil der alten Verfe. Die beiden Hauptmomente bes « 
trums koͤnnen ſich auch ungleich zerlegen: 
) 

Be 
und fo entfteht ein gemifchte® Metrum (der Sechsachteltakt). Daß bie 
adch in lauter Achtel geſchehen Eönne, begreift ſich Leicht, umb ebenſo, 
Achtel durch ftärkere Marfirung leicht in ein punctirte® („ID N N) übe 
ſchen fich nun beide Orbnungen der Momente, fo entftehen mancherlei 
Rhythmus, welche hier zu bemerken find, wegen ihrer fonderbaren 
von den Metrikern: 


d 0) diebachifche Form, bei den Metrikern - - u 


en... 
® 


. NIS dieerfte pdonifche Form . . . . -vuu 
I, DNS die ionifhe Som .. . . -- vu 
1 N ]. \ die Bretifche Korm . . . -u- 
IND  dieviertepäonifje Form... . . vuu- 
Se. die horiambifche Form ..... . -vu- 
Kam 5. B. der aus folchen Formen beftehende Vers vor: 


8 IS Sl). 
gi FO» Ei BIER N» Pen —8 IRAK, 
fo bezeichnen die Metriker fie nad) ihrer zweizeitigen Länge fo: 
-- uvu| -uv-- | - vo-w 
SINN ISIS 
und behaupten, die Alten haben fie auf diefe Art vernommen, bemm d 
ter werde nicht von der Enkelin tanzen gelernt haben. Dieſer gelehrt 
tungen wegen war es nothwendig zu zeigen, daß die Formen, nad) 
Rhythmen meffen, nicht der neuen Muſik angehören, fondern im Weſe 
mus gegründet feien, bag mithin (um bei dem beliebten Gleichniß zu bi: 
mutter und Enkelin diefelbe Lehrerin hatten: die Natur. Das ungen: 
hat drei Hauptmeniente: (J. N), welche, in zwei Untermomente zerle 
Ioffifche Metrum geben, in der Mufit den Dreivierteltalt. In dr 
zweiter Ordnung zerlegt, bildet es ein Metrum, welches wir dab tri 
nen und das dem Neunachteltakt gleich ift. Zieht man die beiben erft 
zufammen (| N), fo entfteht das trodyäifche Metrum oder ber D 
Welches Maß irgend einem Rhythmus eigenthuͤmlich fei, kann natuͤrl 
beftimmt vernommen werben, als bis in feinem Verlaufe die Hauptaı 
kehrt iſt. Die Hauptarfis aber kann ſich erft nad) mehrmaliger regelm 
ehr als Dauptarfis bewaͤhren, denn die Arfis, welche wieberkehrend 
wird, koͤnnte auch den Momenten fpäterer Ordnung angehören. Die 
kehrt nach einer gewiffen Zahl von Hauptmomenten zuruͤck, und die ! 
welcher fie wiederkehrt, heißt in der Muſik der Takt. Es zeigt fi a 
Takt ebenfalls in dem Weſen des Metrums gegründet und Teinesiwi 
gelehrten Metriter meinen, eine Erfindung neuerer Zeit ift, um meh 
ohne Verwirrung zugleic) hören laffen zu koͤnnen. Vermuthlich ifl der: 
Gebrauch beider Süße heim Gehen auch eine Erfindung neuer Zeit, u 
wirrung mehre Soldaten neben einander marfchiren laffen zu innen. 
lung von einer Hauptarfiß zu der andern nennt man In der Muſik beka 
Takt, wir nennen fie im Allgemeinen eine metrifche Periode. Wie e 
durch mehre Takte gehen kann, fo farm ein Rhythmus, z. B. ein ' 
mehre Perioden gehen, z. B. 


ISIMNMINMMINMIN 


a ee ne ag, 
wizd alfo Die metrifche Periode zum Bersma (f.d.). Die Abtheilung von 
erarfis bis zu der andern nennt man in ber Metrik einen Fuß, wenigſtend ift 
er urfprüngliche reine Begriff davon. Anfchaulicher erfiärt man ſich ben mete. 
hie Form, nicht ber ganzen Periode, fondern eined einzelnen Hauptmomentes 
m So bat bie Periode des gemiſchten Metcume In ber trochäiſchen Gar 2 
id m meiſger Sericang 
der —— ee | 
T 
Ist deßwegen Dipobie (Doppelfuß). Die Periobe bes teipebifchen Metrums 


drei Füße: 

di 4 3 in metrlſchet Vecichn -,- 

Re zusvoleu 
Br 


—— —** — Urſpruͤngüich, wie geſagt, war dieſes die wahre Ber 
ortes Fuß, und in diefem Sinne gibt es aur folgende Büße: J 


Pyerhichius, metriſch bezeichnet u u 
Xi . .. . uuu 
Dal .-. . .' - vu 
a5 ber Derkche unb ib Bormuen biefeb Difet gelten Eleruap. 


Wenn (2) Fa mon pe eigen u dm Füßen vorn 
p folgende: 















Halptmomsinten erfüllen. Alten biefe wahre eigen⸗ 
metrifähen Fußes, wiewol fie noch jest bie eigentlidy wies 
eine Nebenabficht. bes 


I en 


d 
Bi m hen. 
Moiof. 


— Ruth 

| -w u.Bacchius. - 

u - - Antibackhius. 

-u- Kreis, oder Amphimacer. 
UUu- An 


\ 


- u - zweiter tritu 
- - u bdritter Epi 


-- -u vierter 
as * un 
u-0u weiter 
uvi- u * Dim. on 
vuvu - dierter 
- - u u finfender | 
ze 0.0. =. =, ſteigender | Ioiter j 
" -= uU Kuno 
EI, Ditiodlus, 
u- v - Miambus. 
Die größte Verwirrung entftanb nun baber, dag man diefe nach ei 
— at aan zufamm menbefeeten Füße der urfpräntglichen Bede utu 
So zerriß man’ die Rhythmen zue I 
er 5 m — ——— Rhythmus; B. 
a aufrglüchendem or a, 
über deſſen Geſang kein Bu entfichen Eann; hellen ‚die gelehrten 


und jede Länge iſt (hmm fbehjetig , wobur fr fe de Wentermeiobie 
Kyersidl. 





nig Brauchdarkeit weg 
Art Ehe als profobifche Tompoſitionen, ſi —— fie ihre wahre 
thämliche Bebeutimg. Der profebifche Gehaik einer Sylbe 
triſchen durchaus zu unterſcheiden. Der metriſche Gehalt einer 
Pe nd Ir (Bu in re Die Sylbe Schön z. B.iſt ir 
LCACAIAO 
Schoͤngiũ⸗ hen⸗der ¶ Morgen· ſtrahl 


ech EC N dr uhr 





dreigeitig: bei 


Rhythmus 285 


igeitig, und in 
. 2. Rn. 
Schön, wie * orgens — | KR, Pracht 

ollkommen. Anders ift e8 mit bem profodifchen Gehalt. Diefer zeigt fein 
5 Maß einer Spibe, er betrachtet die Sylbe außer dem Rhythmus und 
haͤltniß. So beflimmt er bloß Länge und Kürze im Allgemeinen. Die 
choͤn 3.3. iſt profodifch nur lang Überhaupt: wie lang, beſtimmt nicht 
Nie, fondern das Metrum. Diefe zufammengefegten Süße kann man alfo 
the Wortformen (Wortfüße) betrachten, welche durch die rhythmiſche 
g ihrer Sylben zu Wortrhythmen werden. Dabei gefchieht e8 nicht felten, 
ſodiſche Form eines Wortes einen andern Namen haben kann als beffen 

fo ift 3. B. die proſodiſche Form des Wortes fortmanberten ioniſch 
‚am Schluß bes jambifchen Verfes hingegen: 

v-u-|vuv-u-|v-ov- 
Aus theurer Heimath Vaterhaus fortivanderten, 
riſche Form die jambifche " RA . Die geſchickte Stellung der Wort 
em Were ift eine der Hauptbebingungen zu beffen Schönheit, und man 
Bortfäße nicht unſchicklich den Notenfiguren vergleichen, welche der Coms 
inem Bogenftrich verbunden haben will. Schon vor alten Zeiten haben 
etiker rhythmiſche Verfe von metrifchen unterfcheiden wollen. Indeſſen 
te Erklaͤrungen bunkel, was gewoͤhnlich ber Fall ift, wenn man von dun⸗ 
hlen redet, denen kein reeller Begenftand entſpricht. Es iſt unmöglich, 
wimenbhängende Sylben zu ſprechen, ohne einen Rhythmus hören zu laſ⸗ 
mehrſylbige Wort ift ein Rhythmus, jede Profa befteht alfo aus rhyth⸗ 
Atzen, deren jeber fein Metrum hat. Der Unterfchied bes Verſes ift nur 
v die rhythmiſchen Säge im Verſe durch ein und daffelbe Metrum vers 
Bw; 3.8. im Vers: 
N RN VON» 

{ been BEN ! 4 2 an HEN —W IRA 
Ihpthmen durch das fortgehende gemifchte Metrum verbunden; im profais 


Barphörner wurden abmwechfelnd von zwei Singftimmen unterbrochen, 
küs Rhythmen, aber Eein ununterbrochen gleichförmiges Metrum, wel 
abindet, und barum iſt der Sag kein Vers. So kann eine Declamation 
Mlautend fein, aber fo lange fie nad; Gebühr nicht aus ber declamatori⸗ 
Wein die harmoniſche Scale tritt, iſt fie fein Sefang. Wenn im Verſe 
wm ıwechfelt, fo kann e8 wenigftens nicht eher gefchehen, ale bis der Vers 
wendete DRetrum firirt hatte; im profaifchen Styl hingegen foll da6 Mes 
ie lange gleichförmig fortgehen, daß es ſich firiren koͤnnte. Welcher reelle 
um nun wol jenen fogenannten vhythmifchen Verfen zum Grunde liegen, 
atten neuerlich, wieber zur Rettung mancher Theorien: heraufbeſchworen 
Das einzige Reelle babei ift die Unbekanntſchaft der Theoretiker mit bem 
e von ihnen als rhythmiſch proclamirten Verſe. So follten vor einiger 
sBiamben dergleichen gefeglofe Rhythmen fein, weil aus ihrer krauſen 
Bezeichnung: 
- - u |u-|uv- | -vuv]|-vu]|vou- 
m und kein Befang zu vernehmen war, wovon indeffen, wer ben galllam⸗ 


⸗ 
ErrPISAFI SIE FRI SIE 


Gin ſtroͤ⸗men⸗der Quell von Bohllaut in bes geifternder Melo⸗ die, 


Eu] Rhothmys 
hört, keins von belden vermißt. Auf ähnliche Art werden ſich alle fo 
ſche Verſe entweber in ein bekanntes Metrum pder in Profa aufldfe 
aecentuirte Verſe unter rhythmiſchen verfiehen, fo hat die Sache Sir 
accentuirte Vers hat Metrum, wie jeder, nur nicht durch Quantität, 
Accent beftimmt. Hat man ſich von dem wahren Wefen des Rh 
zeugt, fo fleht man leicht, daß die alten Metriker, oder, wie man | 
einen falfchen Weg einſchlugen, indem fie Rhythm 
durq Süße meffen wollten, welche nicht durch Zerfällung — 
ſondern durch Sylbenzuſammenſetzungen entſtanden waren. 
** waren vorzöglich Hr der Grieche Hephäftionz eo un 
en Marius ), Diomedes, Priſcian, andrer Schriftſteller 
— Ariſtides, —* nicht zu erwähnen, welche buch ar 
ebenfalls bekannt find. Nach mandım Vorarbeiten, —5 ! 
Bentley und Damwes, erwarb ſich der lelpziger Philolog H 
mehre Irrthämer jener Grammatiker aufzudeden und die Mt n 
zu behandeln. eine vorzuͤglichſten Werke find: „De metris“ 
nHambbauch der Metrik (&pz. 1799) und „Elementa doetrina 
3 110). mei wollte andre en a Per a 
fen fen, biefe aber nach jenem Gefeg c 
derbtheit w ale Dede Auein’ fo rühmensiwerth auch fein ZU 
fo wenig gelang #8 ihm, in das wahre Wefen des Rhythmus einzubı 
burd) das Worurtheil, die neue Muſik fei wefentlid) von der alten v 
durch die Einführung des Taktes verberbt, von bem wahren Wege abı 
E unternahin, Dinge, die vor Alem mit dem Sinn ergriffen fein 
hergebrachte unverftandene Formeln auhufafen Bu diefen Forme 
atglid) der Sag von ber bIoß zivelgeitigen Länge. Seit einigen Jahrı 
im Wefentlichen audzugöivelfe gegebene Theorie bes Rhythmus bei 
nad) weldyer der Takt, wie in der neuen Muſik, fo auch in ben alten X 
alß nothwendig und unzweifelhaft vorhanden nachgemiefen wird. 
Theiften doräber find: „über Argus un und Metrum”, von A. 
Aug. at Belang” 1807 u. 1808), unb: „Detrit von dem 
1814). Dem hier aufgeflellten Begriff des Rhythmus als einer Z 
ſpricht es nicht, daß man die Worte: Rhythmus und Euchpehuie 
genfäpaften der · Dinge braucht, welche im Raume fi aim. | 
Hermann in [. „Metzi®”", meinen, man verfiche dann unter Ryythn 
mäfiges Verhältniß Überhaupt; allein wer auf den Ausbrud fei 
* wird Symmetrie mit Eurhythmie nicht verwechfels 
keit zum Grunde, jedoch in derſchiedener Beziehun 
Yelnen flonzengeftalt kann man Eurhythmie bewundern, ohne ebe 
zu bemerken, ebenfo koͤnnen Verzierungen ſywmetriſch angebracht fa 
man verſucht wird, vom Curhythmie zu ſprechen. Wer bie Natur 
und auf die Bedeutung ihrer Gefgeitung zu merken gewohnt iſt, 
den Charakter einer zeitlichen Erfcheinung durch eine Gattung von ( 
gedehdt, ſodaß in bei Belt gleichſam das Wort und Im Raum ber k 
genfand dazu ſich zu finden ſcheint. Es iſt unmöglich, hier biefe 
auszuführen, ais In feiner ummittelbaren Beziehung auf Rhythmus 
ratter des Mhpthinus it das Entfichen der Theſis aus der Acfıs, d 
das Werden, die Evolution, welche im Rhythmus als befchloffen vo 
sum Gnbe finniich erfipeint. Ein finnliches Wild der Eootution ir 
alſo ein räumlicher Rhythmus genannt werben, Das, was man a 
nennt. In ber Mate iſt es deſonders Die Pflanze, welche dieſes r 
der Evolmion zeigt, wie denn überhaupt bie Zeit in der ganzen A 


Kibera Riccardo | 287 


Begenbild und in der Gaufalität ihren entfprechenden Begriff findet. 
en Ausbrud der Geſetzlichkeit im Raum, auf Rhythmus ober Evolu« 
I, nennen wir daher Eurhythmie, fowie wir unter Symmetrie den 
nöbrud der Sefeglichkeit in Beziehung auf Harmonie verfichen. Im 
m Verhaͤltniſſe werden bie Gegenfäge als von einander unabhängig 
m einer gemeinfchaftlichen Theſis (Einheit) abhängig gebacht, daher 
ter ſich nicht in dem einfeitigen Abhaͤngigkeitsverhaͤltniſſe der Cauſalitaͤt, 
em bie Abhängigkeit durch Gegenfeitigkeit derfelben compenfirenden 
ber Wechſelwirkung. Im Verhaͤltniß der Eurhythmie hingegen wird 
6 von feiner Theſis ale abhängig gedacht und fleht alfo unter ihm in 
igkeitöverhältniffe der Caufalität ohne pofitive Zuruͤkwirkung. Was 
! Darmonie und Rhythmus ift, daß zeigt fich alfo im Raum als Sym⸗ 
Furchpthmie. Erinnert man ſich, daß die erfle Dimenfion des Raumes 
ie) ebenfalls der Zeit und der Succeffion angehört; die zweite hinge⸗ 
: Flaͤche) dem Raume, alfo dem Zugleichfein (bie dritte gehört nicht 
fondern der Meflerion), fo begreift ſich, daß bei Längenverhältniffen 
w, Säulen) von Eurhythmie, bei Breitenverhältniffen hingegen von 
bie Rede if. Will man nun fagen: Eurhythmie fei der im Raume 
bes, Symmetrie die zur Geſtalt gewordene Harmonie, fo fagt man 
weniger Fremdartiges, ald wenn man von Aufklärung eines dunkeln 
8 fpricht, wo nicht bloß die Zeit in den Raum, fondern gar ein finns 
Kand, Licht, in einen intellectuellen eingreift, und wer ſich an den Aus» 
Architektur fei die Muſik des Raumes (weil fie die Harmonie und die 
bes Raumes ordnet), der huͤte fich wenigſtens, wenn er confequent 
‚, jenen Ausdrud eine froflige Metapher zu nennen, fonft vereinigt er 
sbei zwei in noch entfernteren Sphären liegende Begriffe. Al, 
za (Slufeppe), f. Spagnoletto. 
erdo (David), flaatswirthfchaftlicher Schriftfleller, geb. 1767, geft. 
823 zu Satcomb» Park in der Grafſchaft Gloucefter, war bis in fein 
mesalter als Bankier und auf der Stodbörfe thätig, wo er durch Bes 
und Berftand fich ein bedeutendes Vermögen fammelte. Schon in f. 
pen trieb er wiffenfchaftliche Studien, und fobalb er reich gervorden war, 
wa den Befchäften zuruͤck und widmete ſich befonbers ber Staatswirth⸗ 
durdyf. „Principles of political economy and taxation‘' (deutſch von 
idt, Weim. 1821) bereicherte. Dieſes Werk zeichnet ſich, ungeachtet f. 
we Anorbnung und Darftellung, durch gewandte Erläuterung abftracter 
charfſinnige Entwidelung der Grundfäge und ihrer Kolgerungen fo fehr 
am es als die vorzuͤglichſte Schrift dieſes Faches anfehen darf, die in 
‚Adam Smith erfhien. Im Parlament, das ihm f. literarifcher Ruhm 
teen Fahren öffnete, fprach er felten anders als uͤber Gegenftänbe ber 
iſchaft; aber ſ. Reblichkeit, f. fanftes Benehmen, die meifterhafte Er 
Fragen, die er behandelte, und bie unbezweifelte Reinheit f. Abfichten 
Hadngen Gewicht und Anfehen. An tiefes Denken gewöhnt, unab> 
Bage, von aufrichtiger Wahrheitsliebe befeelt und unerfchütterlich in ſ. 
„ batte ex nichts mit dem großen Haufen der Parteipolititer gemein. 
nwohl war der einzige Zweck ſ. Bemühungen im Parlament. Er befaß 
Ieabe die Babe, über die ſchwierigſten Gegenftände mit Klarheit und 
we ſprechen, und in diefer Hinficht waren ſ. Reden vorzliglicher als f. 
pm Deren Verflänbnig eine angeſtrengte Aufmerkfanskeit nöthig iſt. Er 
} die Krankheit, die ihn zu früh hinraffte, in der Ausarbeitung eines 
ber die befte Einrichtung einer Nationalbank” unterbrochen. Das hins 
anchftit tuurde 1824 gedrudt. 26. 


288 Ricci Rictoboni 


Ricci (Sciplo), Bifchof von Pifkoja und Prato, ein Merwar 
ten Jeſuitengenerals, geb, 1741 zu Florenz, war ein Zögling des ri 
minard und wäre Jeſuit geworden, hätten ihn f. Altern nicht zurädige 
erft Auditor des Nuntius in Florenz, dann Generalvicar des Erzbiſche 
erhielt er endlich das Bisthum Piftoja. Die Ausfchweifung zu züg 
wiffenheit zu vertilgen, Zugend und Frömmigkeit aufjumuntern, A 
verbreiten und die Vorfchriften der erften hriftlichen Kirche in Anfeher 
die® war das Ziel, welchem er troß aller Verfolgungen und Hinbd: 
genftrebte. Damals regierte Leopold in Toscana und befolgte das 
- often f. Bruders Joſeph. Ihm näherte ſich Ricci und veranlaßte 
Maßregeln, welche die geiftliche Macht unter die weltliche beugten. 
Biſchoͤfen ein Beifpiel, verbefferte er den Öffentlichen Unterricht, vermi 
tage und Proceffionen, hob die Brüderfchaften auf und führte eine r 
Kirchendisciplin ein. Dann erhob er ſich gegen die Lehre von den, 
und ließ viele Schriften von Boffuet, Arnauld, Nicole u. A. ins Sta 
1786 verfammelte er zu Piftoja eine Synode, welche bie berühmten 
annahm, bie von der Verfammlung der franz. Geiftlichkeit 1682 fanct! 
Auf die Grundlage biefer Synode follte eine vom Großherzog 1787 
ſchoͤfliche Synode einen Kirchenreformationsplan für Toscana entwe 
die Anhänger bes Papalſyſtems verbreiteten gegen Ricci die geöbfte 
gungen: „Er habe die Ohrenbeichte abgefchafft, dad Symbol veränbeı 
vernichtet und bie Autorität des Papſtes geleugnet.” Leopold war 
Ideen einverftanden und ließ auf f. Koſten die Acten der Synode ( 
drucken. Als aber der Streit darüber nody am heftigften wüthete, ftarl 
Leopold erhielt die beutfche Kaiferkrone, und Ricci verlor f. Beſchi 
darauf empörten ſich die Didcefancapitel gegen ihren Biſchof und er r 
ten; aber die Achtung ber Beſſern folgte ihm in die Einfamteit, wo eı 
und dem Ungläd Troft und Hülfe brachte. Man gönnte ihm diefes 
anf Anftiften des Erzbiſchofs von Slorenz wurde er 1799 durch die 
Arezzo, unter Auführung des engl. Gefanbten Windham, aufgehoben. 
tete drei. Monate im Gefängniffe unter den niedrigften Verbrechern. T 
er in ein Dominicanerklofter gebracht und erhielt f. Freiheit erft nad) 
Einmarfch der franz. Armee. Die Froͤmmelei des etrurifchen Hof 
neuen Berfolgungen aus, und auf alle Weife quälten ihn f. Feinde, 
die Bulle Auetorem fidei annahm. Jetzt genoß er einige Ruhe ı 
27. San. 1810. — ©. v. Potter’ (Vfs. des „Esprit de l’eglis: 
‚ pontificat episcopal de Scipion Ricci, eveque de Pistoja et d 
reformateur du oatholicisme en Toscane, sous le regne de Leopo 
1825, 3 Bde.; deutſch, Stuttg. 1827). 

Riccoboni (Lodovico), zu Modena aus gutem Geſchlecht 
hatte früh eine befondere Vorliebe für da6 Theater. Was er vorfand, w 
lich und volksthuͤmlich, wenn auch roh und geſchmacklos. Es befta 
wuͤrfen, wie die zu unſern echten Marionettenſpielen bis in die Haͤlft 
Jahrh., aus improviſirten Poſſen, welche die Haupthandlung heber 
ſam duch Widerſpruch reizen ſollten, aus mimiſch⸗rhetoriſchen G 
Nur allmaͤlig, ſowie die Nation vielſeitiger wurde und eine beſtimmt 
chene Richtung nahm, konnten Verſuche der kuͤnſtlichen Poeſie Pla 
Der 22jährige talentvolle Riccoboni übernahm es, der Reformator det 
Drama zu werben, ftellte fi) an die Spige einer Schauſpielergeſellſch 
mit behartlichem Eifer an f. Aufgabe. Dabei unterflügte ihn der g 
thumsforſcher Scipione Maffei mit gutem Rath, und fo wurden | 
Vorbilde ber Alten ausgearbeiteten Tragoͤdien ital, Dramatiker auf d 


Kichard I. Löwenherz (König von England) 289 


Sa 10 Jahren hatte ex in der Lömbarbei und in Venedig das Theater 
ſeltene Höhe erhoben, zumal da er bie Klugheit hatte, auch dem eigenthuͤm⸗ 
mwifberten oder rohern Volksgeſchmack durch Aufführung damals gang⸗ 
ofen nicht alle Nahrung zu entziehen, noch ihn gegen fi fi) aufjureizen. 
aber jene Strebungen hauptfächlic) der Tragödie gegolten, fo verfuchte er 
» mit allmaͤligen Umpilbungen der beibehaltenen vier komiſchen National- 
Die Komödie hinaufzulaͤutern; er arbeitete gute franz. Stuͤcke mit Ruͤck⸗ 
die Foderungen bes voltsthämlichen Geſchmacks um und hatte, ſchon weil 
ungier in Anfpruch nahm, ſtets volle Häufer. Diefe Befchäftigung reiste 
nach und nach, mit eignen Erzeugniſſen (der „Eiferſuͤchtigen Srau‘‘) aufs 

. Ja er wurde fo kuͤhn, den Arlecchino zu verbannen. Aber diefer Ver⸗ 
m doch uͤbereilt; die Zufchauer murrten laut. — Willtommen war ihm 
Gelegenheit, eine Schaufpielergefellfchaft für den Herzog v. Orleans in 
s errichten. 1716 trat er mit f. Sefellfchaft auf dem Theater im Hötel 
wsgne auf. Er und f. Familie, von f. beiden Frauen befonders bie zweite, 
slettt, und fpäter f. Sohn Franz, genoflen durch die Seinheit, Gewandt⸗ 
Sebenbigkeit ihrer Darfiellungen allgemeinen Beifall. Sein erfter Auf: 
a Paris dauerte biß 1729. Er war in biefer Zeit unermübet und bear 
Geſeliſchaft mit Dominique und Romagnefi, auch [. Sohne, feinen Anſich⸗ 
decke n gemäße Komödien, meift bloße Entwürfe, die auch deßhalb eane- 
m, dem Stoffe nad) zum Theil altitalifch, und beren weitere Ausführung 
uch mimiſche Behandlung und Belebung den Schaufpielern, wie in der 
mmedia deli’ arte, vorbehalten geweſen zu fein fcheint. Sie find nicht 
‚aber durch den „Mercure“ bekanntgemacht. Außer dem immer unter 
Il Geſtalten mit mancherlei Schidfalen wiederkehrenden und durchleuch⸗ 
kischhino, ber ſich doc) nicht ganz bannen ließ, waren es auch meift in das 
gezogene Charakterſchilderungen, wie „Die eiferfüchtige Frau”, ‚Der 
Staliener”, „Der Betrüger wider Willen” ıc. Lefling hat inf. „Xhea- 
llothetk“ mehre mitgetbeilt. Dazu fchrieb R. auch eine „Geſchichte 
v vom Verfall der lat. Komödie an, mit einem Verzeichnig ber 
56 1660 gedruckten ital. Tragoͤdien und Komoͤdien. Seine hiſtoriſch⸗ 
Bemerkungen über bie verfchiedenen Theater Europas enthalten viele 
merfungen und theoretifche Winke über feine Kunft. Auch über bie Dars 
Bunft ſchrieb er und fein Sohn „L’art du theätre” (Paris 1750). Er 
Dam f. Entlaffung,, die er mit einem Jahrgehalt erhielt, und lebte bier 
Berma. Aber wenn ihn vielleicht die dieſem Gefchäft eignen Verdrieß⸗ 
vdem Theater entfernt hatten, fo 309 ihn feine Liebe bazu doch noch flärs 
E und fo ging er wieder nad) Paris, mit allgemeinem Beifall empfangen. 
daſelbſt 1753. — Ermägt man bie gleichzeitigen und fpätern Strebun⸗ 
uf suifere Zeiten im Verhaͤltniß zu der Theilnahme bes Publicums, fo 
u, daß BR. nach manchen Schwankungen, welche aus f. Eigenchuͤmichkeit 
e mit der Volksthuͤmlichkeit hervorgingen, durch den Gang ber Zeit doch 
vun nn welche wieder durch manches Auf und Ab bindung die 


be geblisben i 

ihard L., König von England, Sohn Heinrichs II. und Bleomaens 
nme und Poiton, ber gefchiebenen Gemahlin Ludwigs VII. von Frank: 
Degen ſ. Tapferkeit und Kuͤhnheit erhielt Richard den Beinamen Löwen: 
Bach f. Thronbeſteigung (1189) vereinigte er ſich mit König Philipp von 
h gu einem Kreuzzuge gegen den aͤgyptiſchen Sultan Saladin, befreite 
wf. Schwefter Mathilde aus der Sefangenfchaft des Königs Tancred 
Men und eroberte bie Inſel Cypern, deren König, Iſaak Komnenus, In 
Beffetn gefchlagen wurde. In Paldftina —* er ſ. mm Burd 
ker. Bicbente Kafl. BD. IX. 





















2080 MNchard IL (König Von Eugländ} 
rdie Eroberung von Ptolemais (Acre) in Syrien unb manche ri . 
ober, bet ur ie uf Op u ih —— 
der navareifäen Prineffin Betengaria, Uneinigkeit: zwifchen ihm ‚unb 
mit deſſen Schweſter er verſprochen war, ausbrach, fo trennte ſich Du 
ihm 1391, worauf auch er ſich 1192 auf den Heimweg begab. Dach | 
an bie Kuͤſte von Dalmatien. verfchlagen, wurde er von f. perſoͤnlichen F 
Herzoge Leopold VI. (dem Zugendhaften) vom Oſtreich, gefangen gene 
ſaß auf der Felſenburg Dürrenftein bei Krems, wurde an Kaifer 
geliefert, ber ihn Aber ein Jahr lang in fehe beeter Gefangmfähaft 
Worms und auf dem Schloffe Trifele) hielt und ben 2. Febr. 1194 fi 
gelb von 100,000 Mark Silb. freigab. (Die u. d. Art. Bilondele 
fſchichte ſ. Befreiung iſt unverbürgt.) Bei f. Mldkehr fand af. 
auf den Throne, den er jeboch verbrängte, worauf er fich gegen F 
weliches: die Normandie angegriffen hatte. Sin ber Schlacht bet € 
‚ee Me Franzoſen, ward aber bald barauf bei ber Belagerung von Sa j 
hard sinen Pfeilſchuß verwundet und flach (1199), 42 J. alt. Die vi 
Ubenteuer dieſes Könige Haben reichen Stoff zu Erzählungen und Liebernt 
Gen Mißgeſchick in — hatte ex ſich durch übermuth gegcu U 
ſhemun Palaͤſtina und durch bie Unterſtuͤrung ber Unruhen in Steilen | 
feo Heinrich VE. zugezogen. Geiner Verordnung nach warb fein 2 
' Sentestaut, zu Fuͤßen des Sarges f. Waters, beigefegt,. um dadurch 1. 
bus pflichtwibrige Betragen anzuzeigen, das er fich bei Lebzeiten gegen 
hatte; jedoch wurden f. Eingeweibe, gleichfalls auf f. Befehl, zu Che 
Herz zu Rouen beerbigt, weil, wie er fagte, die Bewohner bes seiten ” 
see —* nichts Beſſeres von ihm verdlenten, die des letztern ai 
| Ahee Anfänge fein Herz ſich auf immer erworben hatten. ! 
‚Richard H., König von England, Sohn des ſchwarzen % 
Onkel Eduards IIE., geb. 1306, Betten (1377) in feinem 11. 8., * 
—— den Ahron. Das Volk, welches das Andenken ſ. Heibung 
WDaters verehrte, —— ———— Die Staatc 
damals In den en Dlnhen f. rei Oheime: Johanns dv. Gaunt, Herzogo u 
Strafen v. Sambridge, nadyımal. Herzogs v. York, und KB 
v. —* nachherigen Herzogs v. Glouteſter. Die erſten Sabre de 
jaͤhrigkeit Richards verfloffen unter Kriegen mit Frankreich und Gchottie 
e ein fürchterlichee Aufruhr (unter Wat⸗Tyler) war, welcher durch 
Dienfte erfoderlichen Auflagen veranlaßt wurde, wobet 6 
tige -Rönig eine außerordentliche Gntfdloffenheit zeigte. Zur Ser 
begangenen Bewaltthaten verlor das Volk feine Rechte, und ber £ 
warb ſchlimmer als vorher. Dazu kam, dag Richard, deſſen Erziche 
taugte, an Verſtand ſchwach und leicht verführbar, in —22 | 
tem geriet; und fidy ganz der Leitung feiner Lieblinge Aberlieh. Da T. 28 
derhelrathete er ſich mit Anna, X. des Kaifers Karl IV. Briege zul 3 
und Schottland, ſowle die ehrgeizigen Entwürfe des Herzogs v. ‚ 
ruhigten fortwährend Richards Regierung. Mährend er 1385 ne 
fiel und Alles verheerte, thaten die Schotten daſſelbe in Englanb.) WE 
fand in England * ein heftiger Kampf gegen ben König uw deſſu 
Das Parlament beraubte den König eine Beittung kic 
Endblich vertrieb Richard f. mächtigften Gegner, den Herzog v. & | 
gleich erließ dr eine Anmeſtie und hob alle durch das legte Paria 
Auflagen auf. Einige Tahse-fpäter bildete fich unter dem FA 
‚ eine ber Gloucefter’fchen entgegengefepte Partei, mit welcher Richac 
Ren Buße Iebee, De Krieg mit Frankteich ward nachläffig sorgen; | 



























= 


Richard III. (König von England) 2 


nmit einem Heere 1394 nach Irland und ließ fi) von ben Großen bas 
gen. Mach dem Tode f. Gemahlin heirathete er die X. Karls VI. von 
h abet, und fchloß mit diefem Reiche 1396 einen 15jährigen Waffen- 
Allein durch f. Lebensweife machte ſich Richard dem Volke verächtlich. 
biinge theilten Ämter und Würden aus. Er felbft mar nachlaͤſſig und 
verbrachte f. Zeit bei Gaſtmaͤhlern und lebte vertraulich mit Leuten ges 
tandes. Daher gelang es dem unrubigen Herzog v. Glouceſter, durch 
bei, beſonders ber franzoͤſiſchen Heirath und bes langen Waffenſtillſtan⸗ 
jermikther des Volks immer mehr aufjuregen. Zwar ließ der König auf 
feiner Guͤnſtlinge ihn und zwei von f. Vertrauten, die Grafen v. Arımbei 
weich, gefangen nehmen; Arundel wurde bes Hochverrathe fchulbig ers 
1397 hingerichtet, Warwick ımb fein Bruder, der Erzbiſchof v. Canter- 
den zu ewiger Verbannung verurtheilt, und ber Herzog v. Glouceſter 
5 ins Befängniß geſchickt, wo er eines graufamen Todes geſtorben fein 
ı balb nachher führte ein Streit zwwifchen ben Herzogen von ‚Dereforb und 
wegen verädhtlicher Reden, bie der Legtere von Richard geführt haben 
hards gänglichen Fall herbei. Die beiden Herzoge foberten fi, mit 
ng des Könige, zum Zweikampfe, aber Richard nahm f. Erlaubniß zu⸗ 
mbannte bie beiden Streitenden, Norfolk auf Lebenszeit, Hereforb auf 
e. As nun Rihard 139, nad) bem Tode des Herzogs v. Lancaſter, 
». Gaunt, deſſen Sohn und Erbe der Herzog v. Hereford war, bie gro⸗ 
deſſelben einzog, entſchloß ſich der Herzog v. Hereford, waͤhrend ber Koͤ⸗ 
in Irland unternommen hatte, von Frankreich aus in Vorkſhire 
Mit Ihm verbanden ſich die Grafen von Northumberland, Weftmores 
; ex foberte nun an der Spige von 60,000 M. das Herzogthum Lanca⸗ 
Regent des Königreich, ber Herzog v. York, ſchlug fich zu Hereford's 
d ber König, welcher ſchnell nach England zuruͤckkehrte, ſah ſich faſt von 
mſen. Zu einer. Zuſammenkunft mit Heinrich v. Hereford eingelahen, 
dem Wege dahin von bewaffneten Leuten uͤberfallen und nach Flint⸗ 
Von dort fuͤhrte ihn Hereford nach London. Hier ſetzte man 
gegen ihn auf, von denen viele übertrieben und falfch waren, 
wirkliche Beſchuldigungen von Grauſamkeit und übeler Regiesung 
Der Einzige, der für Richard fprach, war der Biſchof von Garlisie; 
Mann mußte daflır im Gefängnig buͤßen und Richard warb (1399) 
egt. Heinmrich erhielt die Krone und erklärte, das Leben des ungluͤck⸗ 
Ren, den er des Thrones beraubt hatte, zu fehonen. Hierauf warb 
Eh Pamfort in Schottland zu ficherer Verwahrung geſchickt, wo er 1400 
sch der gemeinen Meinung ward. er von f. Wächtern mit Hellebarden 
Wahrſcheinlicher ift es jedoch, dag man ihm hatte verhungern laffen; 
nen f. Leiche zuc Schau ausftellte, waren Eeine Spuren einer Ges 
B is bemerkbar. Richard A. flarb ohne Nachtommen im 34. 1, Sahte 
rd im 23. f. Regierung. 
yarb II. (der Budige), König von England, geb. 1450, * ne 
„Herzogs v. York, der im Steeite mit dem Haufe Lancafter 
sunfolge ( Streit der rothen und weißen Rofe — f. Großbritannien) 
lacht bei Wakefield blieb. Als Richards diterer Bender, Eduard IV., 
t behazıptete (1474), ward er zum.Derzoge von Glouceſter ernannt. 
ve Umziehen in der frühern Regierung Eduards biente er ihm mit großer 
dielem Muth. Man beſchuldigte ihn, heil an der Ermorbaung bes 
— — VI. und ſ. eignen Bruders, des Herzogs v. Clarence, 
Mad, Eduards IV. Tode, 1483, warb er zum Protector von 
* Ex ließ ſogleich ſ. Neffen, den jungen Ednard Y vum Künige 
19 


LT Marz 


298 . _ .Widarb M. (König von Englanb) " 


erklaͤren und ſchwur ihm ben Eid der Treue. Die Nation theiite ſich dam 
wei Fartionen, von welchen bie eine aus den Anhängern der Witwe Era 
unter Leitung ihres Bruders, des Grafen Rivers, und ihrer Gähme erfter &f 
Marquis v. Dorfet und. des Lords Richard Grey, befland. An der 
andern befanden ic) der Bezug dv. Budingham und Lord Haflinge, - 
ſchmeicheit⸗ der Herzog v. Slourceſter, fo lange er die geheimen Plane feiiit 
verfolgte. Sein Borfat war, fi von Alten, weiche dutch Bande des] 
mit-dem jungen re zu befreien, deßhalb lieg er 
hanger der Königin unermuthet gefangen nehmen und ohne Werhör hi 
ed Haſtings wurde bald nachher auf gleiche Art hingerichtet. N 
ihnen umb bisttigen Anfange war der Protector bem Ziele fein 
. Der ——— hierzu war die Erklaͤrung, daß Cduarde AV. 
amehelid) wären. jedoch hierdurch, wenn es auch beiviefen tar, 
a Ken Ban dem Herzöge v. Clarence ihrer vorzüglichern] 
yum Zirane nicht beraubt werben Eonnten, fo machte er einen Angriff auf 
feiner eignen Mutter, gab vor, daß fie Eduard IV. und den Herzog v. Ela: 
ne habe und ihrem Gemahl bloß bei Richards Erzeitgung kei 
jefe Beſchuldigungen wurden fogar auf ber Kanzel votgeträgen, 
Ion ee v. Budingham eine Mede vor bem Stabtrath und dem 
vom London, ihnen bie Anfprüce und Tugenden bed Protectors u 
ʒ 05 fie den Herzog von Glouceſter zum Könige wählen wollten? CH 
—5 Ba an man 
olkeſtimme gl unb ber Lordmap 
zum Protector und boten Ihm bie Krone an. fe felte er 1 rei 


folge Laſt auf fi gu nehmen, von A nv bes] 
Doecaeı mnd 1erd den 27, Sum 1468 als Richard III. zum Könige en! 
Die abgefete 12jährige Ebmard V. und, fein Bruder, der Herzog v. Work 

—ä umgebracht. Dichard fing feine Negl 


# 





















Erg 
Er 


erlangt hatte, gegen diefen unternahm, enbigte durch Budingh 

und Hinrichtung. Cine gleichzeltige Landung des & 
wmend an der engl. Khıfte mijlang ebenfalls. ¶ Richard glauibte ich mum 
ein Parlament, 


Kichardſon Richelieu (Cardinal) 293 


Bol Verzweiflung ftürzte ſich Richard auf ſ. Mitbewerber und erſchlug 
wich deffelben, unterlag aber der Menge. Sein Leichnam warb ent 
f dem Selbe gefunden und in Leicefter begraben. — So fiel dieſer ges 
ft im 35. Lebensjahre, nachdem er 2 Jahre und 2 Monate dem 
m er durch eine Menge Verbrechen erworben, nur mit Mühe behauptet 
lin und mißgeflaltet, von abfchrediendem Äußern, befaß Richard IM. 
eredeſamkeit und Eönigliche Eigenfchaften; aber Grauſamkeit, Verſtel⸗ 
wlofigkeit und unbegrenzte Ehrfucht machten ihn zu dem abfcheulichften 
‚ der je auf dem engl. Throne fa. 
harbfon (Samuel), einer der beruͤhmteſten engliſchen Romanen⸗ 
db. 1689, war ber Sohn eines Tiſchlers in der Grafſchaft Derbb. Da 
nögensumftände ihm nicht erlaubten zu ftudiren, fo widmete er fid) ber 
erkunſt, um dadurch f. Hang zum Lefen zu befriedigen. Bald machte er 
f. Zalent, zu erzählen, und durch f. Sertigkeit, Briefe zu fchreiben, bes 
Daber foberte ihn, als er f. Lehrherrn Tochter geheirathet und bereis f. 
um hatte, ein Buchhändler auf, Muſterbriefe für das gemähnliche Leben 
Mit diefer Arbeit befhäftigt, kam er auf den Gedanken, biefe Briefe 
Erzählung und eingewebte moralifche Lehren zu: verbinden; ſo entſtand 
Pamela“, weiche ungemeinen Beifall erhielt. R. wurde dadurch der 
einer Art moralifcher Romane, die auch im Auslande großes re 
Bald konnte er ſelbſt eine anfehnliche Druckerei errichten, wobei er 
Derausgabe mehrer Dion Then Schriften ein beträchtliche Vermögen 
Die vorzäglichften f. Werke: „Pamela, „Clariſſa“ und „Grandiſon“ 
mais ind Deutfche und Franzoͤſiſche Aberfegt worden. Wenn die Kritik 
Romanen eine zu große Breite tadelt, fo erkennt fie boch auch die darin 
Menſchenkenntniß und richtige Charakter» und Situationszeichnung an. 
Neutfchen liberfegungen gehört die der „Clariſſa“ von Kofegarten, in 8 
en beften. R. flach den 4. Juli 1761 und hinterließ ben Ruf eines 
‚ wohlthätigen und arbeitfamen Mannes. pin Leben hat Anna 
in der „Correspondence of Samuel Richardson * w. u 
808, 6 Ste.) 
bhelieu (Armand du Pieffis, Cardinal, Herjog v ) einer ber größs 
Runner Frankreichs, ward d. 5. Sept. 1585 zu Paris geb. und er⸗ 
2. J das Bischum Lugon. Sein Vaterland war durch Heinrich IV. 
Miriſter Sully aus langer Verwirrung endlich wieder zur Rube, Wohl⸗ 
* gekommen. Mach Heinrichs Ermordung, 1610, warb Bud» 
Butter, Maria v. Medici, deffen Vormuͤnderin. Bei diefex wußte 
ie Bunft zu ſetzen, daß fie ihn 1616 zum Großalmoſenier und Staates 
eb. Allein die Unordnungen, welche Maria verfchulbete, ihr Annei⸗ 
WB öfte. Haus und der Einfluß Concinl's ( Marſchalls d' Ancre) erkitterten 
n und das Volk fo, daß der König die Fremden dem öffentlichen Haffe 
Der Marſchall d'Ancre warb ermorbet, feine :Srau, Galigai, ent⸗ 
mb die Köntgin nady Blois verwieſen (1617). Auch bie von * 
ste Verſoͤhnung zwiſchen ihr und ihrem Sohne dauerte nicht lange, da 
rim Verbindungen gegen den Sünftling des Königs, den Connetable Luy⸗ 
Iige Große (1620) einlieg. Richelieu, der zwifchen die ftreitenden Pars 
Melt, von keiner eigentlich geliebt, von beiden aber als hoͤchſt brauchbar 
warb, hatte einen ſchweren Stand, und es war bie ganze Klugheit eines 
ubes feinigen erfoberlih, um in fo mißlicher Lage nicht allein ſich hal⸗ 
am auch Reigen zu koͤnnen. Als durch feine abermalige Vermittelung bie 
ng Mutter und Sohn erfolgt war, führte Maria Richelleu, der 
Berwendung 1623 Gardinal geworben war, nachdem der Sonnetahle 






















E23 gichellen CNemand du DIR, Goch; Pekiog 


Supnis 1691 geft: umb der Seperge Wi Martuis v. Viruoll 
1O2E In dm Sauter un, u — Rune Bid en dr Sp! 
Seht glaubte dee Pranterminifter, die dicher getragen⸗ 

De Stnlatn, vie er mer als ittel zu feiner Erhaltung 6 
achmen gu Können / und zw fpdt bereite Marla den Schutz ben fü 
—— si —— ran m 
ward fg. alle je von ich, amı 
Grundſat eines fteten Gnsgegenftzebens wide 

gen Herrſchertamm befolgt. ae heben! 


ring. Königs dur) ——8 De Bra dr 
He 9 Macht des Hauſed — 
entf tar G ‚umtsinfchrändter 

— 5 — ——— feine © Fi —— —— viar 

ſelbſt mie —— betrachtete, den er gern i 

töenn ee ohne ihm hätte € ** DIE Partei dee Mefor 

Ba a Ka nn na 
„um mehren v 

—— Bee Bent 


in 


—2 a * je nachdem ſie er 
mächtige den Deapambunıne der Herrſcher 
daher die minder — — Artur gedutdete ducch bie größere Parı 
tördehiekent ud dadurch Denen, "bie feinen Abſichten ſich widerfege 
Hauptſtuͤtze raichen "Durch, bas Edict'von Nantes war ben f 
faſt gleiche Sehe mit den ai Kit ano eine de 
es gab gange ie en ſie faſt ausſcht u 
mir, die fie er wat hinreichend den zusam 

—— ide Sie hatte ihren Veitteipunde m Mödhelte; I 
gg jede Mitteh" anyumoenden; "Diefe Steht Ihnen zu ei 
Bel; dom Rochelle befehllate er fethft die Aamee 
als Vertheldig Platzes werden als ein Mufler von Kriege 
eier —— der Geſchichte bettachtet· Wen England : 
der ten Seeftabt immier neue Hütfaquelten etgfnede wide 
den Bemühungen des’ Carvinäts, und’ fdjom verfchwan 
8 zit erobern / ais Richelſen durch einen — ——— 
wohnern der Stäbe die Huͤlfe von der Seeſeite abſchnitt und didl 
ger —— a zu ergeben (1629). Der zwene Schritt, dei 
far, bie Königin Mütter vom Hofe zu entfernen. Diefe Srftin 
jert, 2 'getäng ihe/im eiher geheimen Unterredung, Den König geg 
einjunehimen, da feat Nicheieu in das Cabinet; de ee 
Er blieb ruhig, Bat, SR und erſuchte endlich t 
um die Ertaubnif, dein Hof verlaffen zu dürfen. ¶ Schon traf er Ai 
reife. Allein dem Könige Hatte der Zorn feiner Mütter edemfo fer 
Abm das ehrfürchtövolle Betragen des Cardinals gefiel. , Er gun 
ling St⸗Simon um Rath.  Diefer überzeugte ihn von ben Mer 
Unentbehrtiäjleit 0, worauf Bubreig den Carbinal fegleichzufich 


= 


Bi 


Bidkime Armand bu Pleſſis, Garbinal, Herrog m}. 295 
bien eine Vohnung im Gchioffe unmittelbat unter der feinigen anwies. 
wunte Diefen Tag (1.690, 10. Stov.), der alle Hoffnungen ber Königin and 
DS Ghrbkwaiö vereitelte, lajournoe des dupes.. Weil die Königin tn ih 
6 unbefonmen zu dußern, fo brachte der Cardinal mit Hülfe 

puziner®® Jofeph, den König dahin, baß-fie 1631 nach 


— * Dieſes und die faſt gänzliche Vernichtung der Vorrechte 

sub ber Geiſtlichkeit erbitterten nicht minder Hohe als Niebere ger 
VBerwaltung des Cardinals, und. ver Unwille brach in mannig⸗ 
und Merfehisduungen aus, bie aber durch bie kraͤftigen unb 




















— **— Die Unternehmungen her Herzoge v. Lothringen, 

Inc U 3° feihfk Die, de de König Im Gehelm sohlwillte und bit 
; weaßten vor der Matht des allgersaltigen Miniſters fich bangen 

aba Sehen bt ‚Uuterfongen buͤßen, fich. ihm wiberfege zu 














‚auf. bitterſte 
Ede Macht den Waffen zu ihrem Schutz in Deutſchland, birkum 
e Haid Dfireiie bemüthigen. —— —— 
e bie: Gewiſſenefreiheit in 


Sebrubten Deuskhionk , teheillkt 
s fe lange, als er fit miche gefäheich für Btundecich Va Aal 
Siege Guſtav Abolfe 










J De mmardifhe Macht Feankreichs anfıtiliı hoͤchſten Gipfel 
3 ellehaizman ficht Ach genochigt, ben Yolliimytfolgen, 'enngb 
| — | 





angedeihen ließ, ; 
—— bed Jaräte dimp — konnen Das nicht aufwie⸗ 
verſchulbete. — KRichelieu ſtarb am 4. Der. 1642. Sa⸗ 
hear einge war wenige Mowate vor ihm zu Köimin - 
t geftocben. Er hatte zu feinem Nachfolger im Minifktrim 
en. Raum ein halbes Jahr nady Richellew’s Tode trat auch 
er von ber Mähne, ud imite feines Machfbiges langer Begierung ent 
Mär eek alle Reime, die Ricyefien gefärt hatte. S. „Maximen d’ttat, eu 





206 Richelien (Louis Francois Armand du Pleſſis, He 


testam. polit. du Card. de Richelieu” (Paris 1764, 2 Wbe.) 
„Vie du Card. Rich.” (9.%., Amfterd. 1753, 5 Bde.). 
Richelieu (Louis François Armand du Pleſſis, Herzog v 
von Frankreich, Mitglied der franz. Akademie und ber Akad. der W 
zu Paris 1696, mußte fich durch feine ſchoͤne Geſtalt, durch die &ı 
ned Geiſtes und durch feine wigigen Einfälle bei Hofe, befonders 
gin v. Bourgogne (feit 1741) in Gunſt zu fesen. Indeſſen wurd 
dereien, wie man feine Thorheiten und vielleicht auch bie bee Herzog 
boshaften Leuten übel gebeutet, und das liebenswuͤrdige Kind, fo E 
v. Michelieu bei feinem Hofnamen, warb in bie Baſtille gefegt. Naı 
warb er Adjutant bes Marſchalls v. Villars. Diefem gefielen Rid 
menbe Lebhaftigkeit, feine freien, kecken Manieren und eine gewiſſ 
ſche Kuͤhnheit: Eigenſchaften, welche Villars ſelbſt beſaß. Nach t 
wigs XIV. kam Richelien an den Hof des Herzogs⸗Regenten, wo 
gnügungen deffelben Theil nahm. Wegen eines Duelle mit einem © 
worin er noch dazu verwundet warb, wurbe er nach ber Baſtille ge! 
war er wieber frei, fo mußte er abermals dahin zurüd, weil er an t 
fpanifchen Sefandten Gellamare gegen den Regenten Theil gnomm 
Um ihn aus diefer dritten Gefangenfchaft zu befreien, vereinigten 
finnen, de Charolale und de Valois, die Tochter bes Herzogs v. $ 
fonft Rebenbuhlerinnen. Indeſſen hinterließ diefe legte Gefangenſch 
Eindrud auf Richelleu's Gemüth; er gab feine Vergnägungen u 
teiebe zwar nicht auf, bemühte fich aber doch von jest an, auch i 
bältniffen fich.zu zeigen. In feinem 24. Jahre ernannte ihn die fran 
ihrem Mitgliede. Er hatte damals nichts weiter als Liebesbriefd 
und verfland keine Sylbe von Orthographie. Fontenelle, Campiſ 
touches machten ihm jeder eine Antrittsrede, woraus er ſich base 9 
und fid) damit hören ließ. Dagegen zeichnete er fich bei der Belagı 
Ippöburg (1734) und in der Schlacht von Fontenod (1745) du 
Geiſtesgegenwart deſto mehr aus. Wegen ber Bermählung bes Da 
Prinzeſſin von Sachfen warb er 1746 zum Ambaffabeur an dem 
ernannt, wo er einen außerorbentlichen Aufwand machte. Nichte 
der Lächerlichen Pracht feines Einzugs als Geſandter in Wien, wo « 
nes Gefolges Pferde mit Silber fo befchlagen ließ, daß die Hufeifi 
Zuges in ber Katferftabt abfallen mußten, um dem Volke zu t 
Ebenſo prachtliebend und verſchwenderiſch betrug er ſich nachmals a 
 mBordeaur. Alb Bevollmächtigter ımb General zu Genua erwar 
Megierung biefe& Staats eine fo hohe Achtung, ba ihm ſogar ei: 
‚dem. Saal des Senats errichtet wurde. — 1756 zum Marfchall e 
tigte er bie Belagerung von Mahon, welches von den Engländern b 
eigte hier viel Beuth, Eriegerifche Einficht, ein feines adgefchliffene 
die feindlichen Befehlshaber und große Sorgfalt für das Woh 
genen. — Nach ber Eroberung von Mahon, ben 28. Juni 1756, 
DOberbefehl über die Franzofen in Deutfchland. Er hatte ſich aber de 
Marquiſe v. Pompadour zugezogen ; denn als diefe Ihm ihre Tocht 
lin für feinen Sohn vorfchlug,, antwortete ihr der Herzog, dieſe Wi 
de ihm überaus viel Ehre machen, weil aber fein Sohn mit dem kai 
wandte wäre, fo glaubte er, nicht barein willigen zu bürfen. Der 
anfcheinend vortheithaften, aber im Grunde nadıtheiligen Convent 
reich mit den Huͤlfstruppen des Könige von Preußen, unter dem 
Herzogs v. Cumberlanb (Ktofter Seven d. 8. Sept. 1757), gab 
wand zu feiner Zuruͤckkberufung. Der nachmals von ihm erbaute Pi 


—R 


"Bichelitn (Armand du Pleſſis, Hetzog von) 297 
w ee Deukmal ber Beiberpreffungen, bie ex fich in jenem Lande erlaubt 
Ind ehem erlaubte er in Deutfeland Plünderungen und Untu⸗ 
: ber geßeen Böerbienfie D.18 mag e6 Immer fein, baß er 

eine Berfolgung ber Peoteflanten, bi ber Miniſter Saint ⸗Floren⸗ 
wiberieth. UÜbrigens war das ganze Beben dieſes Höflinge 






















kunden Unfehen, aber fein hohes Alter und fein Witz fchüsten ihn vor 
kauuliäfegung. Er verheisathete ſich drei Mal, 1713 mit einer Herzogin 
52734 zuit einer Pringeffin v. Lo Buife, und zulett in ſeinen 

incest Fran v. Roth. — Die „Mömolres du Maröchal de Richellen" . 
pn feines Aufſficht von Gonlavie zufammengetagen. Bit Voltaire taub 
um verisanten Briefwechfel. Er befaß die Tapferkeit, das Gluͤck und bie 
inet großen Generals, den Geiſt, die. Gewandtheit unb Menſchenkennt⸗ 
j Seaatemannes, aber mit. dieſen und andern lichensmärbigen Eh 


elien —— — Sepp v), Entel dei Narſchane R. 
Luß Dergogä von Fronfac, Ctastsminifler und Pair, 1816 Titgl:$. 

> pie 9. 23: Sept. 1818 Präftbent berf., geb. zu Paris 25. Sept. 1766, 
22 Er hieß damals Herzog v. Chinon, ging nach 
Im ruſſiſchen Krieges 


| — ward re erſter Miniſter und 5 die Bels 
2‘ iten. : Ihm wurde die ſchwierige Aufgabe, den Ver⸗ 
1. 1815 alt ben auswärtigen 





208 MNichter (Jean Paul Friedrich) 


Gept. 1816 (woburch die Ultraropaliften- Kammer von 1815 aufgeloft n 
. mb dem Wahlgefehe, das den Triumph der Liberalen begründet hat, werk 
nicht entgegen. Um ben Ruͤckzug ber verbünbeten Deere aus Frankreich zu ba 
nigen, fowie die ruͤtkſtaͤndigen Zahlungen Frankreichs zu reguliten, "hei 
fich auf den Kongreß zu Aachen (1818), erlängte Nachlaß und Stunbung l 
fehung der letztern, und unterzeichnete dafelbft ben Zutritt Frankreichd zu Du 
Ben Bunde der europäifhen Hauptmaͤchte, fowie die feierliche 
aachner Quintupleallianz vom 15. Nov. 2318; daß forthin nur das ON 
der leitende Grundſatz der Staatskunſt in ber Erfüllung ber Pflichten ber 
gegen ihre Völker fein folle. Deſſenungeachtet gewann er daſelbſt 
fidhten von der Innern Verwaltung Frankreichs und trat nach feiner 
entfchieben auf die Selte der Ultras, fuͤr welche fich auch der Miniſter deo 
Leine, und der Miniſter Mole erklaͤrten. Sie beabſichtigten eine 
Wahigefeges durch 2 Wahlgeade, ſowie in der Zahl und dem Alter der 2 
neten; mit Einem Worte: ein die Ariſtokratie beguͤnſtigendes ea 
ſte der Ordomanz vom 13. Juli 1815. Allein Decazes und Gouvien 
widerſetzten ſich im Miniſterrathe jenen Worfchlägen, und ber Erſtere et X 
er nicht fuͤr die Öffentliche Ruhe ſtehen koͤnne, wenn mm ſich im gering 
harte entferne. In Folge des barlıber.entftanbenen Streits verließen 1 
Dasauier das Minifterium. Die Ultras fchienen geftegt zu haben, * 
an bie Bildung eines neuen ganz ultraroyaliſtiſchen Miniſteriums. 
ſtand eine allgemeine Beſtirzung. Die meiſten Staatsraͤthe und Diese 
einzelnen Verwaltungs zweige gaben ihre Entlaſſung. Die Mehrzahl ber 
neten mißbiili Richelleu's Plane. Das Zutrauen verſchwand unb-bie 
fielen. Dies oͤffnete dom Könige bie Augen. Derazes wurde eingrladen, 
oſeullle wieder zu Abernehmen. Er that: dies, und ſogleich fliegen die 
Als biexauf Decazes und Richelieu ſich über die Bildung eines neuen Mi 
‚nicht vereinigen Eonnten, gab R. feine Entlaffung, und nach langen € 
entſchied ſich der König den 20. Dec. 1818 für die von — 1J— | 
‘Bildung eines neuen Minifteriums, das im Geiſte der Conſtit | 
mengeſetzt war, und wodurch der Sieg der Liberalen Über vie —** 
ſchien. Der König entließ den Herzog v. Michelieu mit den Zeichen ‚ber 
Achtung, und in ber Pairskammer machte der Graf de Lafig-Toirabal 
flag, dem Herzoge als eine Rationalbelohnung ein Majorat vn 600009 
Ein. aus den Domainen der Krone zu bewilligen. Daſſelbe geſchah null 
„Kammer der Abgrordneten, und es ift dieſer Worfchlag mit einigen er 
‚Btfägen bucchgegangen. M., der anfangs: nicht touͤnſchte, daß feinetr 
ya den Laften ber Nation ‚hinzugefügt würde," tdar zwar genoͤthigt, bu 
‚anzunehmen , beftimmmte.aber den ganzen Betrag milden Stiftungen wid 
eine Handlung der Uneigennuͤtzigkeit, welche die ruͤhmlichſte Ausgei 
dient. — Er mäthte hierauf eine Reife und erhielt vom König das 
ſteramt mit 20,000 Ir. Gehalt. Doch fihon den 20. Febr. 1820 trat er I 
die Spise des Miniſterkums, an Decazes's Stelle, uͤbernahm abet fein 
"Departement. Algs fölcher hat er die Herren Villoͤle und Corbiere in6 
‚berufen und die Ausnahmögefege ſowie das neue Wahlgeſet untesftägt: 
:4821 nahm er feine Entlaffung und ſtarb d. 17. Mat 1822 zu Patrik. : 
beſcheiden, loyal, umelgennüsig. Er hinterließ nur 13,000 Fr. Bentem 
MPair und Herzog von Ricyelieu folgte ihm f. Schweſter Sohn Doet de day 
dam ber König ein Majorat gab. Vgl. „Beitgen.”, H. XIX, und bes nn 
Beauffet ‚ Eloge histor. de M. de Richelieu”. ET 
Richter (Yean Paul Friedrich). Diefer geniale deutſche Hmmeibn 
Tage des Fruͤhlingsanfange 1763 zu Wunſiedel im Baireuthifchen geb. ul 

























Bichter (Jean Paul Friebtih) 209 


5b. 14. Mov. 1825. Er war mit Caroline Mayer: aus Berlin verhei 
het aus diefer Ehe 2 Töchter hinterlaffen. Die beutfche Leſewelt lernte 
mter der Namensabkürsung des Jean Paul kennen, die nur einmal, 
WBorrede zu den „Zeufelöpapieren”, in J. P. F. Haſus verlängert ward, 
kin Quintus Firlein“ feinen vollen Tauf- und Samlitiennamen gebrauch» 
neſem voliftänd. Namen war er in Wunſiedel getauft. worden, ber Sohn 
u daſelbſt, nachherigen Pfarrers zu Schwarzbady an ber Saale. Das 
un zu Hof gab Ihm 1779 eine Stelle in f. oberften Claffe, und 1780 zog 
en Zeugniſſen nach Leipzig, um Theologie zu flubiren. Sein Sim für 
rd indeß fehr bald reif; er entfagte der Theologie und lebte eine Zeit⸗ 
em fhßen Hange folgend, In Schwarzbach, gleichſam brütend über den 
rhdsten feiner Zukunft. Bon da wandte er ſich nach Hof umb ſandte 
Andenden Blige in gang Deutfchland aus, ſodaß er ſchon von Oſtern 
us ein gefrierter Name unter ben privatificenden Gelehrten Leipzig& glängs 
as von da nach Welmar, Berlin, Meiningen, Koburg u. f. w. und 
x in Balreuth, vom Derzog von Sachſen⸗Hildburghauſen aus eignue 
z mit dem Titel eines Legationsraths und vom Fuͤrſten Primas mit eis 
chen Beſoldung ausgeftattet, welche legtere in der Folge ber König von 
ı sahlen übernahm. Er verließ die ermählte Heimath wenig, und ſeine 
nad) Heldelberg und dem Rhein, Berlin und Dresden. waren fröhliche 
Ihn und f. zahlreichen Freunde. Seine erfte humoriſtiſche Schrift waren 
en Procefie‘’ (Berl. 1783), dann folgtedie „Auswahl ausden Tess 

m" (1788), ferner „Die unfichtbare Loge‘ (1793), „„Hesperus‘‘ (1785), 
HEiztein‘' (1796 u. 1800), „Btograph. Belufligungen unter der Gehten» 
e Bliefin, Blumen, Frucht⸗ und Dornenftüde” (1796), „Der Jubelfes 
des Campanerthal mit einem fatyr. Anhang” (1797), „Palingenifien“' 
ne „Briefe u. bevorftehender Lebenslauf‘ (1799), „Titan 1800-5), 
betjahre“‘ (1803-—5), „Katzenberger's Badereife‘ u. „Des Kelbprebigers 
helfe nad) Floͤt (1809), u.f.w. 1804 trat ce mit dem erften bedeu⸗ 
Iite philoſoph. Inhalte, der, Vorſchule der Äſthetik (2. Auft., 1800) 

ch in ſ. legten Jahren eine Nachſchule mit Anhange von Recenſionen 
1825) angefchloffen hat. Zu ihm gefellte ſich (1807) die „Revana‘, ein 
wh Tür Mütter, und, nachdem er ſich aufs neue an dem fchönen Stin⸗ 
Bibel erquickt, hat er, außer feiner „‚Briedensprebigr”‘ (1809), noch ie 
ww Phobus Thronwechſel im J. 1814 und’ in den „Politiſchen Faſtru⸗ 
“(2817) im Felde der politiſchen Zeitgeſchichte mit dem gewohnten 
Mehrer Heinen Aufſaͤtze nicht zu gedenken, die z. B. in feinem 

„° (1814) und in felnen „„Herbftbluminen". (1810 — 20) gefammelt 

BO erfähten „Der Komet, od. Nic. Markgraf“, eine komiſche Sefchichte. 
-feinenk Tode bereitete er eme Ausg. ſ. ſaͤmmil. Werke vor, von weldyer 
we Bieferungen im Reimer’fdyert Berlage erfchienen find. Wir wollen beh 
Armor zuerft ſelbſt für fich ſprechen laffen, um allen Schein bee Partei⸗ 
verzufden. Er legt in „dem Billet an meine Freunde flatt der Borrede* 
lettelkaͤſten des „Quintus Fixlein“ &. 7 das naive Geſtaͤndniſt ab: ‚Ich 
n-mehe als drei Wege, gluͤcklicher (nicht giädlich) zu werben, anskunds 
Der erſte, der in die Höhe geht, iſt: fo weit Liber dad Gewoͤlke des Les 
mözwdringen, daß man die ganze Außere Welt mit ihren Wolftegruben, 
kew sumd Gewitterableitern von weitem unter feinen Fuͤßen nur wie cin ein⸗ 
Mieb Kindergaͤrtchen liegen fieht. Der zweite iſt: gerade herabzufal⸗ 

Uetchen, und da fich fo einhetmifch in eine Furche einzuniften, daß, wenn 

feinen warmen Lerchenneſt herausfieht, man ebenfalls keine Wolfsgen- 
Ishäufer und Stangen, fondern nur Ähren erblickt, deren jede für ven 







DR:  Wühter (Jeau Paul Friedrich) 

Neſtvogel ein Baum und ein Sonnen⸗ und Meganfchtens iſt. "Der brish 
Uch, ‚den Ich für den fchwerften und kluͤgſten halte, if der, mit den beiden d 
zu wechfeln”. Gegen wir zu ben letzten Worten noch Das, was er &; 1 
2 Pi ed wol außer Zweifel, daß ber zulegt bezeichnete Weg fein Gempigst 
Denn hier hat er und offenbar einmal einen Bück hinter die Gardinen fi 
gen ſelbſt⸗ biographifchen Scherze thun — „kenn es (ber nn 
(6 (dhön ab dem idege bes genialen Gluͤcks in ben bes häuslichen ek 
er wenig verſchieden von mir ſelbſt, der ich jegt 28 mir die X 
bieten follte, es merken zu Iaffen), ber ich jeht, ſag' Ich, naltten senter I 
hung dieſes Billets doch im Etande war, daran zu denken, ˖daß, we 
iſt, die gebackenen Roſen und Hollundertrauben auch fertig werden, 
den Verf. dieſes in Butter ſiedet. — Wie haben vielfaͤltig —*8* 
wahre Humor deutſcher Kımfl und Art erſt in Jean Paul vollſtaͤndig ecſ 
und daß aut — nur Vorſpiel und einleitendes Wetterleuchten zu dem 
ſifchen Gewitter geweſen, das wit unſerm Autor hefruchtend über dern & 2 
aufgegangen ſei. Und wie? wenn denn gerade Humor. »*⸗ | 
beiden Äußerften wire, das unfer Heid oben nach Ort und Stelle ie 
bageichnet hat? „Unter alien Bäften "« führeibt: ber tokfe Friebrich.imn, 
* „ſoll ein guter Humor der angenehmſte Saft fein‘, und — 252 
wot, ber hier gemeint: weich, eine andre Species iſt, ſo gift dies bach 
—— ——— — unſere Autors Der Dumor t22 
ſaicgen Weltanſichtes, bie. —— ſeht gern zum 33* jener | 

nehenften erheben moͤchten, deren es nach unferm 
. Bean es eine formenteiche Region am Parnafi gibt, wider min 
wein der hoͤchſten Berge am Dia Zeit des laͤngſſen Tags, noch abe buy (ER 
dab. Abendroths verglommen: ift,, ſchon das Morgengold bes -auuenS 
auffliegt: und Alles in eins seines. lntenynalgen Bichtätten fd 
u8.chne mittlere Megion,. we Lichter und Schatten in geftlebenen 
heu'gegenüber ſtehen und fich an einander nur rin befto greßieree O 
doſe ber unterſten Megten, in den dumpfiger — 




















































wie: sin 

ums :Dinune 

Dei auf ber Ä 

Wurm, ber unter den gefallenen Blättern rauſcht, zu ** 
Bohlglaſe wird Alles zu ſolchen beldlebigen Beftalten, und ber £ 
der Sprofſe, die im a ‚mel näher hoc an ice anbrn au an 


[ 
2 


Erde herunter. Himmel iſt der Correetlonswinkel des 
ſtreckt auch ihre Arme aus, um den Himeel zu —2 
Baffer ihrer Tpränen feucht und verklaͤrt zuriickuwerfen 

zum Kieinften unb erhebt wieder das Kleinfte zum Gröften,: 


£r 
? 


ger 
Hi 
$ 
H 
Hu 
a 
iR 


nationen (unter weichen ja 408 des Dimmel6 und der (Erbe fh 
allerwunderlichſte iſt), bie Neigung deffeiden zum Gatyefchen wies 
w.L w. — Diefer Geiſt des Humors ift es, der Form 

aufizebenben Man iR ga „Warme Lerchenneſt des Firlein ober fi 





zaffiniete Sinnll reinſte chſten und 
nis, Jene vorghalihe Selgana und Faͤhlgkeit, Stillieben und Minia⸗ 

ſcher Genauigkeit in das Meinfte Detail 
x, Die offenbar in dem ansgebehnten und Anſpruͤche machenden 
ma werden, verlegt wurde. in humoriflifcher Ges 


(gt bi8 zu feiner phllofephifcgen Levama * * 

= um — weich” 
Bafız auf dem Jelde der Ar tuchegelegt 
bene: Br Sam m pn Optik, 


802 Richter (Auguſt Gottlieb) Richteramt 


Friedr. Richter's Selbſtbiographie: „Wahrheit aus Jean Paul's Lei 
lein, Breslau 1826 — 28). 

Richter Auguft Baites), bochverbient um Chirurgie und 7 
dicin, befonders um die Lehre von den MWrüchen und von den Augı 
war 46 J. lang Lehrer auf der Univerſitaͤt Göttingen, von wo aus eı 
im Sache der operativen Chirurgie, Lehrer von ganz Deutſchland wu 
Zoͤrbig in Sachſen am 13. April 1742, wurde er 1764 Dr. der M 
‚surgie, 1766 außerordenti. Prof. der Medichn zu Goͤttingen, 1771 
daſelbſt, 1779 k. großbritanniſcher Leibarzt, 1782 Hofrath, und ſta 
gm am Morgen d. 23. Juli 1812. Blumenbach ſchrieb eine Mer 
dienten Mannes, bie in der göttinger Societät der Wiffenfch. zugleic 
daͤchtnißſchrift auf Heyne, den die Univerfität kurz vorher verloren he 
fen wurde und auch gedruckt iſt. Von feinen zahlreichen Schriften fi 
die wichtigern an: „Anfangsgründe der Wundarzneikunſt“ (Göttir 
1804, 7 Bbe.); „Abhandl. v. der Ausziehung ded grauen Staates’ ( 
„Abhandı. vor den Bruͤchen“ (Bött. 1778-79; 2. Aufl., Goͤtt. 1 
dichnifchschtrurgifche Bemerkungen‘ (Ber. 1793, 2. Th. 1813). — 
Richter ferner durch feine lang beftandene und immer wichtig bleibende 
Bisliothet” (Goͤtt 1774—97, 15 Bde.). Seinen pathologiſch⸗t! 
Nachlaß, beftehend in einem ausführlichen Danbb. der fpeciellm T 
fein Sohn, Georg Auguft, zu Berlin feit 1813 nicht chne manniof 
that heraus: „Die fpecielle Therapie nach dem binterlaffenen Papie 
Aug. Gottl. Richter, herausgeg. von G. A. Richter” (Bert. 1818 — 
Richter’ Bildniß befindet fi) vor dem 52. Bd. der „Allgem. deu 
the‘, auch vor dene „‚Zafchenbuche ber Wundaͤrzte auf das J. 178: 
Richteramt. Die lantsrechtliche Befchaffenheit und Stel 
terlichen Gewalt des Richteramts ift in den Art. Gericht, © 
Gewalt, Regierungsrecdhte u.a. entwickelt worben. Hier if 
dem Berufe des Rechtſprechens an und fuͤr fich felbft bie Rde. Ct 
bloß logiſche Function, indem bie Merkmale bes einzelnen Falles wu 
meinen Begriff des Geſetzes zu fubfumiren find, um baraus die Co 
Urtheil zu finden. Allein da die Kenntniß der Geſetze ſelbſt Feine bie 
Sefestunbe, fondern eine wiffenfchaftliche fein muß (f. Rechtewif 
fo wird fchon von biefer Seite der Beruf des Richters Bein ganz lei 
nen, unb auch bie Fertigkeit, die weientlichen Merkmale der Recht 
des zu entfcheibenden Falles, wobei ſich oft unendlich, feine Werfchiet 
mannigfaltige Gombinationen finden, kann nicht ohne eine große ül 
eigenthuͤmliche Ausbildung der Urtheilskraft gewonnen werben. D 
oft die Bemerkung gemacht, daß fehr ausgezeichnete Advocaten zum 
als Richter find, weil die Babe, Dasjenige hervorzuſuchen, waß f 
theil des einen Theiles anführen läßt, von der parteilofen Abmdgun: 
fo wefentlich verfchieben iſt. Daher kommt es auch Dem, weldyer 
rung und Nachdenken mit den Exrfoderniffen bes Richterams vertrau 
hber alle Mafen ungereimt vor, wenn Dance meinen, daß bie e 
fegung der Berichte mit ungelehrten (rechts unkundigen) Schöffen eh 

zug ber ältern Zeiten geweſen fei, und daß in Griminalfachen, wo 
lung ber fogenannten Thatfrage (quaestio facti) faft nie ohne ein Ur 
zechtlichen Begriff (quaestio juris) möglich ift, durch dergleichen € 
ſchworene) ein reineres und ſichereres Urtheil zu erwarten fei. Das. 9 
Di gewiſſe natürliche Qualificationen, welche durch die Staatsgeſe 
auer beflinumt find: ein gewiſſes Alter, den Beſitz der Gimme bes 

| 24 das Bekenntniß einer im Staate anerkannten Religion, 


‘ Ried * Riedinger 808 
FJe genauer * ——— 
Gerichts⸗ 





Verbindung bringt, die —* wird praktiſcher 
wenn uhter ben Lehrern and) Richter und unter dem 
ber Rehtsmiffenfeft find. Die abſylute Trennun — hat allen 
wo fie ſtatt gefunden hat, wie z. B. in Frankreich. Das Weſen 
bloß in dem Faͤllen des Urtheits, Im Scheiden des Rechts 
e; Aes Andre, was nach vielen Staatsverfaſſungen bamit ten 
Ih und dis Eyecution ber Urthelle, ſteht damit ur In einer zufälligen 
9. Auch bie Beglaubigung richterlicher Verhandlungen iſt zwar ein 
sb, aber doch vom Richteramte ganz getrenntes Befdzäft, weßhalb dafuͤr 
find Drotokollficheer) eine 


344 


ß Aecht Haben koͤnnen, den Richter zu beſtellen. Ohne Auftzag, mit⸗ 

x *2 des Staats, Erım Niemand richterliche Befugniſſe 
die Gerichtsbarkeit kann niemals als Ausfluß eines Cigenthums⸗ 

. Die Integritaͤt des Richters iſt feine —8 Eher; 

Anfehen 3 ber Derfen, um und one ſich davon buch Freumb⸗ 

— Bern, ober um Geſcheuke uud —X willen 
eine unverzoͤgerte, reine und Gott wohlgefaͤllige Be 

iſt der djenafteeiflifche Inhalt des Büihtereldes. Befindet 

daß nathrtiche Gefuͤhle ihm dies Amt befonders ſchwet 

in Sadın naher Berwandten urtheilen zu follen, fo kann 

und bie 2* Ar häufig fo diseret, ———— 


FH 

ei 
IH: 
ii 
5: 
& 










ã 


ir 
H 
Hi 
si 
} 
Ä 
2: 
;E 









ltener groͤßer die 
kann, chells iſt auch die Beurtheilung ſelbſt in der. hoͤhern 
als in d ber ‚zeften. Sin den Goltegien bilbet fi) das 


14 
} 





j 
i 





j. Mehrheit der Stiumen, m wich die Stimme 
er beppelt gezaͤhlt; in Griminalfachen gebt häufig die mübere Mei⸗ 
Bu eine größere 
nihe Bicheheit, 


IR: 





E.IOeREe. Deir dem AUTKANDE zu Aramıiie), va Der acht zum 2: 
ſchaͤtzte er ben geſtuͤrzten Bnftiing, Don Danzel de Godoh, vor 
Bote. Auf Murat’s Befehl warb er nebſt mehren Garben, als⸗ 
jenen Vorfaͤllen, verhaftet; er befreite ſich aber ſelbſt, vereinigte ſich 
dem Domherrn D. Miguel, für die Sache feines Vaterlandes ge; 
Unterdruͤckung und diente als Gapitain in einem aflurifchen Regime 
Überfalle, wo er f. General Azevedo, um fich zu retten, fein eignes P 
er gefangen und nad) Frankreich gefühet. Hier ftubirte er Kriegsku 
und Gtaatswiffenichaft. Nach dem Frieden in Freiheit gefegt, ſah 
und England, kehrte dann in fein Vaterland zuruͤck und flieg bis 5: 
tenant. „ Demut gaben — 6, en und Lacy’6 Verſuche 
ſtellung ber Conſtitutien rtes, lleſteros s, des Empecinad 
ten Männer Zuruͤckſezung am Hofe Ferdinands, ſowie der zuneh 
des und der Plan, bie amerikaniſchen Colonien 
—— — Geiſte des Heeres, das man bei Cadiz zuſamm 
aan Der Schwindelgeiſt politifcher Umkehr eraeif 
Riego, ber, ah kat mit den Fortfchritten ber bürgerlichen | 
2 bie Inquifition haßte, welche zugleich mit der Wink: 
wieder Wurzel faßte. Schon hatten mehre Oberofficiere einen $ 
des Regierungsſyſtenns entworfen, und ber Oberbefehlshab 
HSelnich D’Donnel, Graf v. Abisbal, fien be demſelben —8— 
8. 8. Zul 1819) plöglich bie Maske abwarf, einen Theil ber Xeupz 
bie Häupter ber Verbindung, Quiroga, Rotten, Arco-Aguero, 
Dahn. U. verhaften lief. Miego biieb frei; allein er und viele 
tenfen insgeheim alle Borbereitungen, um das Werk durchzuſetzen. 
18% verfammelte Riego fein Bataillon In bem Dorfe las Cabezas 
umd rief die Gonflitution der Cortes aus. Am folg. Tage nahm ı 
an Abisbal s Stelle getretenen Oberbefehlähaber des Heeres, den Gi 
und beffen Generalſtab gefangen. Mehre Eruppencorps folgten 
Gonftitution; die gefangenen Officiere wurben befreit; Quiroga 


Gampona im Gehorfam; Joſeph D’Donnel (des Grafen v. Al 

matfchirte mit einigen Begimentern gegen Isla de Leon, und bald 

Freiere (Freyre) —— —— bie Inſel ein. 13 

—— mit 500 Mann einen kuͤhnen Zu — — 
wo ex, von‘ Iofeph O Donnel hart gedraͤngt, "ber Kntep 


 Montille pog, imehee Angefe yerhäf6ing un 8 mir 3304 


seichte. Auch bier fand bie Gonflitution viele Anhänger; bie €. a 
gleichgältige Zuſchauer, die Obrigkelten wagten nichts, und 
entfam in bie Sierra Mocena. Hier Wöfte fie ſich auf, und Jeber, 


Riego 805 


4 Jela de Leon zu gelangen. Seit diefem abenteuerlichen Zuge 
in Algeſtras gedichtete) Hymne der fpanifche Freiheitögefang. 
dh das conftitutionnelle Syſtem über ganz Spanten verbreitet; 
m König daffelbe anerkannte, Lehrte Quiroga in fein Vaterland 
im zuruͤck, wo man ihn zum Deputirten wählte, nachdem er an R. den 
fehl auf der Inſel übergeben Hatte. Im Sept. 1820 hielt ber gefeierte 
Gabezas feinen Einzug in Madrid. Aber bald verwandelte fich die 
für R. in Argwohn und Verfolgung. Ohne Grund gab man 
d, er wolle eine Republik errichten. Der Kriegsminifter, Mara. be las 
, ße das Heer zu Itla de Leon auf; R. ward nach Afturien ver: 
Monate fpäter jedoch zumm Seneralcapitain von Aragonien ernamt. 
a ihn unruhige Vorfälle erantwortung zu. Er verlor die Stelle und 
Lerida. Bald nachher wählte ihn Afturien zum Deputirten bei den 
v reiſte damals durch Catalonien und uͤber Valencia; wo er uͤberall die 
jur Volkdſache zu erheben ſich bemuͤhete, im Febr. 1822 nach Mabrid. 
der von ben Connmetos an allen Orten hochgefeiette Mann ſehr be⸗ 
uf; er ſprach nur bei wichtigen Anläffen; nie verfocht er überfpannte 
mach ſchmeichelte ex der wilden Volkspartei. Auch als Präfident der Ver: 
) behamıptete ex denfelben Charakter der Mäßigung. Der König behan⸗ 
oft mit vertraulicher Huld; doch R. blieb ſtets in der ehrfurchtsvollſten 
g und brauchte fein Anfehen nur, um den HAusfchweifungen des Poͤbels 
w thun. Auf das Geſchenk der Cortes von 5000 Thlr. (80,000 Realen) 
infte in Nationalguͤtern leiftete er Verzicht. Als aber in den erften 
Be Juli 1822 die Garden das conftitutionnelle Syſtem umftürzen wollten, 
als Gemeiner mit in die Reihen der Vertheidiger der Verfaſſung. Bei 
des franz. Heeres (1823) ſtimmte R. für die Abreiſe des Könige 
| Hier ernannte ihn Ferdinand zu dem zweiten Befehlshaber des 
er Balleſteros. Als aber auch Sevilla keine Sicherheit gewährte, trat 
er tlichen Befchlufle bei, in Folge deffen die Regierung nach Gabi; 
ie Macht der Cortes und des Königs bis dahin aufgehoben und einſtwei⸗ 
egentſchaft errichtet veurde. R. wollte jekt von Cadiz aus mit 1500 
| Oitreifzug nad) Andalufien unternehmen, um das Volk zu ben Waffen 
* es fehlte dagn an Geld. Endlich erlaubte man ihm, in Malaga, 
7. Aug. ankam, den Befehl über die dafigen Truppen, etwa 2000 M., 
a5 Hein ſchon hatte General Ballefteros mit den Franzoſen eine 
abgeſchlofſen. R. verwarf die Einladung, ihr beizutreten, und ver: 
den Behoͤrden in Malaga was er brauchte. Die Franzoſen nöthigten 
; Malaga zu räumen. Bei Priego ſtieß er auf Balleſteros's Truppen. 
einige berfelben für die Conſtitution, Eonnte aber den General felbft 
—— Di Hierauf zog er ſich nad) Jaen. Yon den Sranzofen verfolgt, 
öfter Stand, mußte aber der Üibermadht weichen umd endlich feine fehr 
me char nad) dem Gefecht bei Jodar ganz auflöfen. Ex feldft Eonnte 
Ir Käfte fluͤchten und nad, Gibraltar einfchiffen; allein er befchloß, trog 
Heinlichſten Gefahr, fid, nach Gatalonien zu Mina zu begeben. Raum 
er die Sierra Morena erreicht und in einem Pachthofe bei bem Dorfe 
ammweit der Colonie la Carolina, einige Stunden geraftet, als er erkannt, 
| am 15. ©ept. nebft ſ. Begleitern (einem fpan. Capitain, einem 
Drtäiientenont ımd einem geweſenen engl. Kieutenant)*) verhaftet, dem 

































ph 


war Riego's Abjutant und faß in ben fpanifchen Kerkern bie 
5 001, wo bas engl. Minifterium feine Zreilaflung bewirkte. Bon ihm er: 
1884 „A narrative of the sufferings of general Riego and his 


Biebente Kufl. 85. IX. 20 


800 RKiemer:5 Rienzi 


franz. Teuppen, die ihn verfolgten, ausgellefert und von dieſen nı 
st wurde. — Auf Befehl des Herzogs v. Angouloͤme am 
fpan. Behörden ausgeliefert, kam er am 2. Oct. nach Madrid. H 
unter ber Aufficht. des Grafen de Torrealta fehr hart t 
einem kurzen Proceß zum Galgen verurtheilt und am 7. Nov. 1823 
gerichtet. Seine Frau, Donna Maria Therefa, farb in Londor 
1824 aus Sram. Das Leben dieſer Dulderin ift ein Märtyrer 
Seh. 1800 in Afturien, verlor fie jung ihre Altern, dann ihre Verr 
erzogen non ihrem Oheim, Don Miguel dei Riego, Domherr bei 
zu Doiedo, und lebte während Napoleons liberziehung der Halbinf 
der Flucht vor Feinden. Vermaͤhlt den 15. Oct. 1821 mit dem ( 
bem Hruder ihres Oheims, warb fie durch bie politifchen Verhaͤl 
Det. 1822 von ihm auf immer getrennt. Ihr Oheim und Sch 
fich mit Ihe und ihrer Schwefier ans dem füblicyen Spanien nadı 
von hier nach England, wg fie im Aug. 1823 zu London ankamen 
fie vergebens eine mächtige Fuͤrſprache für ihren unglüdlichen Gem: 
Drei Donate nady ihrer Ankunft erfuhr fie deſſen Dinrichtung. 
ihr Leben. In ihrem legten Willen dankte fie der britifchen Natiı 
muͤthige Theilnahme, welche fie gefunden, und betheuerte bie Rein 
mmgen ihres Gemahls, deffen Herz und deffen Handlungen nur 
Voterlande geleitet habe. S. des Domherm Riego Denkwuͤrdig 
Leben des Generals Don Rafael Riego: „Memeoirs of the life of 
family, including a history of Spain, from the restoration of 
the ‚present time’ (London 1824). u 
 - Riemer ($riedrih Wilhelm), geb. zu Glatz den 19. %ı 
großherzogl. Bibliothekar zu Weimar. Anfaͤnglich wibmete er fid 
doch überwiegende Neigung z0g ihn zum Studium des Alterthums 
der Sichule des Philologen Wolf, warb er 1801. Erzieher in der Fal 
v. Humbeldt und begleitete diefen 1803 nad) Italien, wo ber Anbl 
Natur, Kunft und Menfchenwelt für ihn mannigfaltige Folgen 
Gefelifchaft Fernow's nach Deutfchland zuruͤckgekehrt, erhielt er die 
von Göthe und ward Lehrer f. Sohnes. Won Goͤthe eines befond 
gewürdigt, erhielt er durch ihn mehrfache Beihäiigung und, ı 
Aufenthalt bei Goͤthe, eine Profeffur am mweimarifchen Symnafiv 
1820 f. Entlaffung, um fi) einem fleten und folgerechten Stubi 
Sprache zu überlaffen, der er mit bebeutendem Erfolg einen großen 
gewidmet hatte. Seit 1798 befchäftigte er fich mit einem Aus; 
Wörterb. von Schneider (1. Th. 1802, der 2. 1804). Das We 
Beifall, daß 1825 ſchon die 4. verm. und verb. Aufl. erfchien. R. 
Poefie erhielt durch den Aufenthalt bei Söthe große Nahrung; ı 
Romano erfhienen von ihm: „Blumen und Blätter (2 Bde., % 
und 1826 eine größtentheilg aus Gelegenheitsftüden, für die R 
gluͤckliches Talent zeigt, beftehende Gedichtfammlung amter ſ. Na 
Eine gewiffe Gediegenheit der Form bezeichnet f. poetifchen Arbeiter 
Rienzi, eigentlich Nicolaus Gabrini, ein Demagog, ber! 
Mom zu feiner altrepublitanifchen Verfaffung und Sitte be 
geringen Ältern geb., mußte er fi zu einem Manne des Volks 
fo bedeutenden Anhang zu verfchaffen, daß nicht allein Rom feine 
kannte, fondern auch mehre Fürften fih um fein Buͤndniß bewarl 


aide-de-camp, Mr. G. Matthewes, in the dungeons of Spain; fı 
to April 1324, and of the latter events of the spanish revoluti 


Rienzi | 807 


und ummfaflendem Geift ausgeftattet, erwarb fih R. Geſchicht⸗ und 
maskunde, und der Druck, unter dem fein Vaterland von den Großen und 
el gehalten wurde, erwedte in dem jungen Mann die dee, einen Ums 
der Dinge herbeizuführen. 18 Öffentlicher Notarius angeftellt, gewann 
Rechtſchaffenheit, Uneigennügigkeit und faft ſchwaͤrmeriſche Beredtfanskeit 
der geringern Volksclaſſen fo fehr, dag man ihn zum Sprecher der Ges 
ft erwählte, die Roms Einwohner damals an Papft Clemens VI. nad) 
aſchickten, ihn zu bitten, feinen Sig wieder nad) Rom zu verlegen und ben 
umgen einiger übermächtigen Großen ein Ende zu machen. Glemen®, der 
ı feinem eignen Anfehen laͤſtig fallende Anmaßung bes römifchen Adele zu 
Ken wuͤnſchte, hörte mit Vergnügen den lebhaften Vortrag R's. Mit 
Berfpredyungen Eehrte bie Geſandtſchaft zuruͤck; da aber Clemens keine der⸗ 
füllte, der Drud des Adels immer läftiger wurde, fo dußerte fich die 
kmme immer lauter. R. erhitzte durch muftifche Reden und Bilder die 
es noch mehr, wobei er ſich jedoch In Acht nahm, unmittelbar ben ſorg⸗ 
gen Abel anzugreifen. — Endlich glaubte er, daß der Zeitpunkt zur Aus: 
tfeines Unternehmens gekommen fei. Die Vornehmſten der adeligan Fa⸗ 
yaren theils in ruhige Sicherheit gemwiegt, theild mit ihrer zahlreichen Dies 
tauferhalb Rom auf ihren Gütern; da verſammelte (1346) er das ganze 
begeiflerte es durch eine gewaltige Anrede, ließ fi zum Volkstribun aus⸗ 
nd vertrieb die zuruͤckgebliebenen Adeligen, bie feine Würde nicht anerfen- 
ken und auf feinen MWiderftand gefaßt waren, aus Rom. Here der neuen 
B, die er unter Oberherrfchaft des Papftes zu verwalten vorgab, beſchaͤf⸗ 
R., Geſetze zu geben und Alles fo wohl zu orbnen, daß nicht allein 
er Rome mit ihrem Tribun aufs Außerfte zufrieden waren, ſondern 
VL, ja felbft mehre auswärtige Fuͤrſten den gluͤcklichen Empor: 
ihres Beifall verficherten, einige fogar Bündniffe mit ihm fchloffen. — 
ie und Gerechtigkeit, mit der R. dies Alles betrieb, erwarb ihm 
lande ſolchen Ruf, daß wichtige Streitfahen von entfernten Orten 
ſcheidung vorgelegt wurden, und es eine kurze Zeit fchien, als wolle 
hügelftabt durch die Leitung eines einzigen Mannes ſich wieber zu 
Glanz emporfhwingen. Aber beraufht von dem Gluͤck, das ihn 
Staube niedriger Abkunft zus folcher Höhe emporgehoben, vergaß R. 
g und Klugheit, mit der er fein Werk begonnen. Statt, wie bisher, 
unbebeutenden Anhang des Papfted mit fchonender Ruͤckſicht zu beachten, 
wa ihn zurückzuſetzen. Mancherlei Bedrüdungen, die er ſich geyen has 
te, entzogen ihm deffen Liebe; am mehrften trug hierzu bei eine Tra⸗ 
mit der er anfing fich zu umgeben. &ein fleigender Übermuth brachte 
igen Döfe gegen ihn auf, fein Stolz wiegte ihn in Sicherheit. So ges 
daß nad) Eurzer Herrſchaft (7 Monat) die vertriebenen Adeligen eine Ges 
kutioss bewerkitelligten, die mit R.'s Verjagung aus Rom endigte. — 
d Schutz bei Kaifer Karl IV. in Deutfchland. Durch die Vorfpiegelung, 
wit beizulegen, der zwiſchen bem Kaifer und dem Papft damals herrfchte, 
ter fich die Gunſt des Erftern zu erwerben; Karl ließ ſich jedoch auf Nichts 
bern ſchickte ihn unter Bededung an Clemens. Wahrſcheinlich dürfte ein 
Befängniß hier feiner gewartet haben, hätten nicht die. erneuerten Anma⸗ 
Adels in Rom fein Geſchick gewendet. Clemens VI. war geftorben, 
iger, Innocenz VI., glaubte am beften die Großen in Rom zu demuͤ⸗ 
wenn er R. gegen fie ſchickte. Don dem Papft unterflügt, von einer 
mer großen Anzahl der römifchen Einwohner willig aufgenommen, vertrieb 
‚eamsal (1354) die Adeligen und wurde zum römifchen Senator ernannt. 
ber durch das erfahrene Mißgeſchick nicht weifer geroorden war und vu 
20 * 















308 Kiepenhaufen (Zriebrich und Johann) R 


überteiebenen Aufwand und Druck ſich die Gemuͤther bes Volks imn 
fremdete, fo dauerte dieſe neue Herrſchaft abermals nicht lange, u 
dem er Rom der Oberherrſchaft des Papſtes wieder unterworfen! 
auf Anſtiften des Adels eine neue Empoͤrung. Ans mehren Quartie 
vertrieben, verfolgt von dem wüthenden Pöbel, der jest in ihm nu 
drüder fah, floh R. in Bettlertracht, ward aber eingeholt und von 
- ten Menge umgeben. Da fehlen es, als wolle Noch einmal fein E 
ſchuͤtzen. Faſt eine Stunde lang ſprach er zu dem Haufen, der, fd} 
fhen Haß und Berounderung, ihn umftand, nicht wifſend, ſollte er il 
oder ihn vernichten; aber auf ehtmal trat ein Diener des mächtige 
lonna hervor und durchſtach den Unglüdlicdyen, Beten Leichnam nı 
der aufgebrachten Menge wurde, bie ihn auf das Schrecklichſte gerfli 
den Galgen hing. 

Riepenhauſen (Friedrich und Johann), zwei Bruͤ 
ſche Kuͤnſtler in Rom. Sie haben nad) Pauſanias's Beſchreibung 
Gemaͤlde des Polygnotus in der Leſche des Apollotempels zu Dei 
©. die von ihnen gezeichn. und geft. „Peintures:de Polygnote dans 
Deiphes eto.” (Rom 1826, gr. Q.⸗Fol.). Ihr großes Bemälbe: 
baroffa im Handgemenge mit dem roͤmiſchen Volke anf dem Peters 
1155, wie ihn Heinrich ber Lime ſchuͤzt, das 1826 in Rom aus 
und für den Saat des Guelphenorbens in Hanover beftimmt ift, 
Breite und 14 F. Höhe. 

Kies (Ferdinand), Inftrumentaltonfeger und Pianofortef 
Vater war Muſiker in Bonn und gab ihm wahrſcheinlich den erſt 
Später wurde er Beethovens Schüler, unter deffen Leitung er 180 
Pianofortefpieler in Wien auftrat. Hierauf reifte er durch einen Theil 
land, Schweden und Rußland und begab ſich endlich nad) London, 
Jahre zubrachte und als Virtuos, Lehrer und Tonfeger reichlichen ! 
1817 ward er auch Director bes dortigen philarmontfchen Concerts. 
er ſich Godesberg in der Nähe von Bonn, durchreifte aber im Winte 
Städte Deutfchlands, wo er einige neue Werke f. Sompofition aufl 
Pianofortefpieler auftrat. Sem Spiel ift ford und ruhig, ohne 
von Mofcheles u. A. zu haben. In f. Compofitionen zeigt er fidh ı 
reicher und gewandter Beãrbeiter denn als begeifterter Erfinder, 
durch f. gefälfige und doch Tebhafte und effectuirende Art ein großes 
worden. Seine Werke, deren er eine große Anzahl gefchrieben hat, 
7 Pianoforteconcerten, unter denen das Fismoll-Concert vorzügki 
aus Symphonien, unter welchen einige zu ben vorzüglichften diefe 
hören, Quintetten und Quartetten für Streichinſtrumente, und eine 
Sonaten, Ronbos, Variationen ıc. 

Rieſen beißen Dienfchen, deren Größe die gewoͤhnliche weit 
iſt Naturgefeg, da jedes organifche Weſen gewiffe Schranken ber 
über bie e& nicht hinausgeht. Die gewoͤhnliche Statur eines Mammı 
ten Klimaten ift zwiſchen 5 und 6 Fuß. Nach unleugbaren Zeu 
aber auch, befonder® In England und in der Schweiz, Menſchen 
Fuß gegeben. S. Stöller in f. Buche: „Vom Wahsthum des 9 
Man glaubte ehemals, daß es in ber alten Welt Menſchen von ein 
lichen Länge gegeben habe. Nach der heiligen Sage ber Juden g 
Saͤndflut Riefen, die die Söhne Gottes genannt werden. Und ale 
um das Ihnen verheißene Land zu erobern, Runbfchafter hineinſan 
ten diefe von den Söhnen Enak in Hebron, daß fie Koloffe geweft 
ſich ſelbſt note Heufchreden in ihrer Gegenmaet vorgekommen feien. 


. Rieſenbetten | 809 


um, Dg, König von Bafan, der von Mofes befiegt wurbe, ſoll eine 
on 9 Ellen Länge und 4 Ellen Breite gehabt haben. Nahe bei 
zeigte man noch in fpätern Zeiten ein Grabmal mit der Infchrift: 
er Rieſe Og. Im biefens Grabe wollte man um 1670 einen Zahn ges 
en, ber 44 Pfund wog. Dem Riefen Goliath geben die juͤdiſchen Aus⸗ 
5 Länge. Die profane Geſchichte ift noch reicher an Sagen von Miefen. 
Strabo von dem Geripp des fabelhaften Antäus, welches in Maurita⸗ 
von uud GO Ellen lang geweſen fei. "Wem find bie Giganten, die Söhne 
mbefannt, die nach blutigen Kämpfen mit den feligen Goͤttern endlich _ 
nifche Inſeln begraben wurden ımd Feuer ausfpien! Plinius fpricht 
Wiefengeripp, welches, 46 Ellen lang, bei einem Erdbeben in Kreta ger 
den. Bei der Schlacht, bie Marius den Teutonen bei Aquaͤ Sertiä lies 
m ber König der letzteren, Teutobocus, ald ein auferorbentlicher-Riefe. 
o diefes Zeutonenfönigs will man in Hochburgund 1613 gefunden ha⸗ 
entbedite nämlich ein Grab, von Ziegelfteinen gemauert, 30 Fuß lang, 
und 85. tief, worauf man die Inſchrift: Teutoboous rex, wollte 
m. Hierin lag ein Serippe, der Sage nach, von 254 Fuß Länge, 
te in den Schultern und 5$. Tiefe vom Bruftbein bie zu den Ruͤcken⸗ 
He Schenkelknochen follen 4 5. lang gewefen fein. Diefe Knochen wur⸗ 
sach England gebracht, und man weiß nicht, wo fie weiter hingekommen 
na 16. Jahrh. kommen ähnliche Nachrichten vor. So will Dalechamp 
eines Miefen von 18 Zus, Selig Plater bei Lucern die Gebeine eines 
oa 19 8. und Licetus in Sicilien ein Riefengerippe von 30 8. gefuns 
Allein es iſt jegt feinem Zweifel unterworfen, daß alle diefe Gerippe 
ſchlichen Körper, fondern Thieren aus der Vorwelt angehörten. Das ° 
w, der Elefant und das Paldotherium der Vorwelt waren Rieſen⸗ 
zen Gebeine häufig, beſonders in Nordamerika und Sibirien, gefun⸗ 
mals, aus Unkunde in der Anatomie, für menfchliche Knochen gehalten 
BO gab fogar eine Zeit, als die Zerglieberungskunft ſich erſt zu bilben 
zum die Natur ben Ausfagen bes Galen, der nur Affen fecirt hatte, 
mb fand, und daher auf den Ausweg kam, zu behaupten: bie Natur 
wa habe ſich Ug verkleinert, und das jegige Zwerggeſchlecht koͤnn⸗ 
me bie phyſiſche noch die moraliſche Größe der Alten begreifen. Ein 
dom, Sylvius, flelite biefen Say gegen Veſalius auf. Auch von ben 
den fruͤhern Einwohnern der Canarien, hat ein leichtgläubiger Reifen: 
st, daß fie, nach den Mumien zu fehließen, 15 Fuß lang gewefen feien. 
nerbess die Patagonier, als man fie zuerſt kennen lernte, wie Giganten 
Indeß bat ſich bei näherer Unterfuhung ergeben, daB dieſe Nation 
ng6 eine ungewöhnliche Größe habe, aber Gap. Sarteret, der mehre 
(1766) gemeſſen, fand, daß die meiften boch nur 6 Fuß bie 6 F. 5 Zoll 
Berichte, beſonders von Clarke und Wallis, bezeugen, bag es 
mehre gibt, die bis 7 Fuß lang find. Hierdurch wird num das hoͤchſte 
mfchlichen Statur, weiche wir oben angegeben, beftätigt. Ein größerer 
ſt immer als eine Unregelmäßigkeit zu betrachten, welche ber Geſundheit 
machtheilig iſt. Die meiften ungewöhnlich großen Menſchen haben 
B Pets, find ſchwaͤchlich und eben in. der Regel nicht lange. 
enbetten, auch Hünengräber, werden diejenigen Grabhuͤgel ges 
nam nach hin und wieder in Deutfchland, beſonders an ben Oftfeefüften 
Sei Mögen, findet. Sie find gemeiniglich mit Fels⸗ und Stein» 
Haßt; man findet oft in ihnen irdene Töpfe mit metallmen Span⸗ 
u, eisernen Opfermeſſern, Gteeitbeilen u. dgl., häufig find fie 
ser, und, fo viel uns bekannt, hat man niemals eiſerae Walken 





310 Riefendamm * Riefengebirge 
Fr gefunden: ein Umſtand, ber auf das hohe Alter biefer Srabmäler 
fen 


Riefendamm, Giants-Causeway, in Irland, norböftl. von % 
eine 600 Fuß weit ins Meer Hinauslaufende,120—140 F. breite nd 16 — 
Über dem Warfferfpiegel hervorragende Reihe von Bafaltfäulen, die aus ve 
denen kurzen Öliedern zufammengefegt find, die wie ein Knochen in fein d 
auf einander paffen, ſodaß das eine Ende eine® Gliedes eine 3— 4 Zoll tief 
lung bildet, in welche der convere Faden eine® andern enges ugefreen gem 
gefuͤgt If. Diefe merkwürdige Bafaltformation tft der Saͤulenbildung u 

‚nahen hebridifchen Inſel Staffa (f.d.) ähnlich. Lady Morgan hat ie‘ 
Romane „D’Donnel, oder die Reife nach dem Rieſendamme⸗ (1824), ı 
ſches Sittengemaͤlde aufgeſtellt. 

Rieſengebirge (boͤhm. Krkonoſſy). Von dem Sudeten gebiege 
ſich von der Oberlaufig an zroifchen Schlefien und Böhmen, dann sreifhen? 
fin und Mähren hinzieht, bei Jablunka mit den Karpathen zuſan 
in dieſer Ausdehnung verfchtebene Namen erhält, iſt das Riefengebirge fr 
Theil, welcher aber das hoͤchſte Gebirge bes noͤrdl. Deutfchlanbs bildet, 
nicht, gleich den Alpen im I Deutfchland, die Schneelinie erreicht. &6 
fi (in dem hirſchberger Kreife des zur preuß. Provinz Schleflen gehörigen! 
bacher Regierungsbezirkes) zwifchen Böhmen und Schleſien von dem # 
Stinsberg bis zur Stadt Schmiedeberg, wo es feine hoͤchſte Höhe zwiſchen 
term Stadt und ber boͤhm. Stadt Hohenelbe erreicht. Hier ragt ber Se 

und, als deſſen Höchfter Gipfel, die Schneetoppe (4950 Fuß über ber 
fläche) hervor. Noch bat das Riefengebirge O—30 Berge, welche zu 
4500 $. hinanfteigen, und worunter das große Rab 4700 F., die Stu 
A540 und ber Reifträger 280 F. hoch iſt. Der hoͤchſte Theil des Miefem 
liegt auf der fchlefifchen Seite, two der hohe lange Gebirgsruͤcken fich fteil 
Tiefe erhebt, während das Gebirge von boͤhmiſcher Seite her erft durch 
ftufungen zu feiner völligen Höhe binanfleigt. Der Körper iſt Granit, 
ober weniger fruchtbarer Dammerde bedeckt. Aber je höher, befto bi 
biefer Uberzug, der auf den obern Höhen des Gebirges ganz in? 
geht. Am Fuße bes Gebirges beftehen die —— mei © aus *. scher 
Ulmen, Erin ıc., auf dem Abhange aus Fichten und en; aber mi 
Megionen findet man nichts als Rnieholz, und wo auch dieſes aufhoͤrt, dad 
fi) über den hohen Rüden weite Wiefen hin, voll bruchiger Stellen; 
Moräfte, Suͤmpfe und felbft ganze Wafferanfanımlungen, welche meh 
als der Elbe, fer, Aupe, Bober, Queis ıc., den Urfprung geben. Di 
pe, das vornehmſte Ziel der das Rieſengebirge befunden Reifenden, | 
wöhntlich von Schmizbeberg aus beftiegen. Der Weg über Gteinfelf 
bäbel, über die Seifenlehne und den Seifenbach nad) der Hampeisbdube 
ber empfehlungswerthefte, weil von den Gebruͤdern Hampel die fleile € 
ſeit einigen Jahren ducch Treppen und Sige bequem zum Befkeigen ge 
den ift. Im der Hampelsbaude (Bauben nennt man bie im Rtefeng 
Then einzelnen Wohnungen), melde 4140 Fuß hoch liegt, pflegen: wi 
um zu Sonnenaufgange bie Koppe erreichen zu Binnen, zu uͤbernachten 
fleigt man auf den Kamm des Gebirges, wo bie Grenze zwiſchen S 
Schleſien hintäuft, und dann gelangt man Über den Koppenplart an bi’ 
Koppe, einen hoben, fteilen, meiftens in Wollen und Nebel etagthit 
auf den ein ſchmaler und fteiler Fußweg führt und auf deffen abgefl 
eine dem heit. Lorenz gewidmete Gapelle fteht, deren Inneres fele 
zerſtoͤrt iſt. Hier findet man die Veilchenfleine, die, wenn man em 
angenehmen Veilchengeruch non ſich geben, der van dem feine Kl 

































Riga Righini il 
‚ womit fie überzogen find. Die Ausficht auf diefer Höhe iſt weit unb 
mb. fieht man von hier über Schleſiens Fluren bi6 an die Grenze 
vsherzogthums Pofen und weſtlich nad) Böhmen blickt man in einen ſchroff 
»fenden, 15008. tiefen Thalgrund, Riefen- od. Teufeldgrund genannt. S. 
ws. Dandb. für Reifende n. d. Riefengeb.’” (3. Aufl., Bert. 1827); Hefer’s - 
‚spittor. liberf. des Rieſengeb.“ (2%de., Wien 1803 fg., m. Kpf). 
ige „ befeftigte Hauptſt. des ruſſiſchen Gouvernements ge N., oder Liefs 
der Düne, Über welche eine Schiffbruͤcke geht, liegt In einer fandigen Ge⸗ 
ke durch Zaſthauſer und Gaͤrten belebt wird. Die Vorſtaͤdte, welche bei 
Ingerumg 1812 vom Gouverneur abgebtannt wurden und größer als bie 
He Stadt waren, find groͤßtentheils wieder aufgebaut. Riga zählte 1824 
WOO Einw., darunter 23,200 Lutheraner, in 2643 Häuf. Es hat 10 Kir⸗ 
ie Eyceum, ein Spmnafiunt, eine Stadtbibliothek mit einem Naturallen⸗ 
r pabtreiche miſde Stiftungen und gemeinmügige Vereine. Ausgezeichnete 
be find: das prächtige Rathhaus mit feinen zierlichen Thurme, der kalſerl. 
das alte Schloß, in welchem der Bouverneur wohnt, mit einer Stern⸗ 
des große Ritterhaus der liefl. Mitterfchaft ıc. Die Einw. find großen. 
ſche oder deutfche Abkoͤmmlinge, und es herrfcht viel Reichthum, guter 
feine Lebensart unter denſelben. Sie betreiben Zucker⸗ Stärke:, Puder⸗ 
Kartens, Strumpfs und Nabelfabriten. Riga ift nad) Peters⸗ 
der wichtigften Sechandelsftädte des Reiche. Aus dem Hafın bei 
wird ber bei weitem größere Theil des ruſſ. Getreides ausgeführt; 
3 IR die Ausfuhr des Flachſes und Hanfs. Jaͤhrlich laufen an 1000 
und ein. Der Werth der Ausfuhr betrug 1825 über 46 Mill. Ru» 
Anbenten der 3. 1812, 1813 und 1814 errichtete bie Kaufmannfchaft 
B Pf. fchwere) Saniefäule mit dem bronzenen Bilde ber Siegesgättim. 
4521 gehörte die um 1200 vom Biſchof Albrecht gebaute Stadt. ben 
Abern unter der. Doheit des beutfchen Ordens; nad) dem Vertrage 1561 
ten Heermeiſter von Liefland kam fie unter potnifche Herefchaft; 1621 
großer König, Guſtav Adolf; 1710 kam fie nad) Karis XIL 
ge uunter ben ruff. Scepter. 1814 litt die Stabt durch Eiſsgang einen bes 
Bertuft, indem Aber 400 Häufer zu Grunde gingen. 
gdint (Wincenze), einer ber gediegenften unter ben neuern italien. Cem 
y er. zu Bologna 1760, nad) Andern 1758. Die außgezeichnete Stim⸗ 
a betoog feine Ältern, ihn in das Gonfervatorium feiner Vaterſtabdt, 
, befonders im Geſange, vortreffliche Lehrer befaß, aufnehnten zu 
Bei man ihn aber zu lange Sopran fingen ließ, fo verlor feine Stimme 
t, und der Tenor, in welchen fie überfprang, erhielt etwas Heiſeres 
, ſodaß er als Sänger in Wien, ungeachtet feiner vortrefflichen Schu⸗ 
Agen Beifall fand, Deſto größern Beifall erhielt feine Geſangeme⸗ 
pi bald einer der gefuchteften Singmelfter in der mufitliebenden Kal» 
£. Sum Lehrer in der Compoſition ſoll er den berühmten Pater Martini 
zu, wovon ſich jedoch in feinen Werken Leine befondere Spur zeigt. Ats 
stte er außer einigen beliebten Geſaͤngen u. Goncertarien nur 2 Eomifche 
werden laffen, als ihn der legte Kurflieft von Mainz 1788 zu feinem 
we berief. In jenen Opern (‚Il convito di pietra” u. „La vedova seal- 
‚gegen 1782 gefchrieben) erfannte man zwar den geiftreichen Meiſter, 
5 bin trefflichen Sänger; das Ganze gefiel jeboch nicht fehr, da das 
4 Sphäre war. Seine opera semiseria: „Il Demorgone”, 3 
be Richtung, die fein Geiſt genommen, die wärbige Gattung, 
MNatur beftimmt war und in welcher. er einem großen deutſchen ot: 
2; deſſen Werke in Wien den tiefften Eindruck auf ihn waadyten). wort, 





















sie | Righini 
eigenthuͤmlichem Talent nachſtrebte. Dieſem folgte ſeine „Armida“ (i 
Compoſition zu Metaſtaſio's „Aleide al bivio‘’ (1789), welche von ihr 
ſpaͤter in Koblenz, Wien, Leipzig ıc., mit verdientem Beifall aufge! 
Hier zeigte er fich in der Gattung und Weiſe, welcher er von nun an tı 
größerer Meifterfchaft. — „Righini’s Opern”, fagt ein Kenner, „wie ı 
Zeit feiner Reife an fchrieb, mithin „‚Armida’, „Aleide‘, „Arianna“, 
fein „‚Enea nel Lazio‘, ‚Tigrane‘, ‚La selvaincantata” u. ‚Gerusa 
rata’', find eigentlich Beine Opern=, ſondern Concertmuſik. Die geößern ı 
tern Stuͤcke derſelben gehören zu dem Derrlichften, was jemals von Gef 
certe gefchrieben worden if. Vor Allem iſt das Terzett, Quarteti 
kaum von einigen, die recht eigentliche Baßarie aber von keinem ein; 
niften trefflicher bearbeitet worden als von ihm. Er fegte legtere fi 
ſten des koͤnigl. Theaters zu Berlin, Fiſcher den Water. Kür die? 
feine Charaktere zu wenig Beflimmtheit, Begrenzung und Individr 
ganze Schreibart geht zu fehr in die Breite; auch haben die an fich tre 
führungen bebeutender Scenen zu wenig Verſchiedenheit gegen einand« 
haupt zu wenig von Dem, was fie einander unterorbnen und erſt als H 
eines theatralifchen Ganzen vereinigen follte. Aber als Concertmu 
und von Örchefter und Sängern gut ausgeführt, gewähren feine Oper 
nen einen unbefchreiblichen Genuß, und werben als Lieblingswerke gebi 
freunde und als Fundgruben fir Concertdirectoren und vorzügliche 4 
lange bilden und erfreuen. Vereinigen doch ihre Hauptftüde Altes 
man von biefer Gattimg nur wuͤnſchen kann: einen fließenden und doch 
glänzenden und doch natuͤrlichen, ſchoͤn verflochtenen und body ſtets Ela 
meifterhafte Behandlung der Infirumente — immer reich und nie üb 
. mer obligat, nie zerſtreut ober die Hauptfache verdunkelnd, immer ı 
nie ben Geſang überbietenb ; babei-überall Ordnung, ſchoͤnes Verhält 
gegen einander und eine ſtets anitändige, edle und großartige Harm 
auf das fichere Fundament bedeutender u. energifcherBäffe; überall aı 
lichkeit und Genuͤge, überall Benugung der groͤßten und natürlichfi 
wol jeder gebildeten Menfchenflimme als jebes gut behandelten Sy 
Dem Charakter nad gebören feine Compofitionen mehr der deut] 
italienifchen Muſik an; kein Statiener hat wie erben gebiegener 
die Harmonlefüße der Deutfchen mit dem Fluſſe der italieniſchen 
maͤhlt, Eeiner ſteht Mozart fo nahe als er, Seiner befigt biefe ( 
der Ausführung. Naͤchſtdem hat R. ſich das größte Verdienſt 
fang” in Deutſchland erworben, nicht nur durch feinen bis zum Enbe | 
ertheilten trefflichen Geſangunterricht, ſondern auch durch feine Übu 
ben Gefang und feine herrlichen Liedercompofitionen. — Geine Seife: 
dürfen Keinem unbekannt fein, welcher fich zur einem guten Sänger av 
fie. find gruͤndlich, lehrreich und doch fehr geſchmackvoll, fie vereinig 
der alten Meifter mit der Anmuth und dem guten Gefchmade unfer 
Seine Lieder, Canzonetten, Duetten x. mit Begleitung des Piano 
eine ſtets ausdrudänolle, anmuthige und gefangreiche Melodie, di 
Harmonie getragen, aus; einfach und ungefucht, ohne trocken und 
find fie fr eine von der Natur begünftigte und gebildete Stimme un 
hend. Auch in ihnen erblidt man die innigfie Verſchmelzung des deutſ 
Charakters, u. man kann fagen, R. habe in ihnen die ital. Anmuth ar 
deutfcher Semütblichkeit, die im deutfchen Liedergefang vorzuͤglich 
großem Gluͤck verpflanzt und fei in dieſer Hinſicht undhertroffen. „ 
ſchen Ledern“, fagt jener Kunſtkenner, „wird man es ihm, ber. bie C 
fprache feines zweiten Vaterlandes Year verſtaud und allenfalls ſprach 


H 


NR 
il Hi] 
Birch 
— 
Huhn 
er a: 
nahe 
HERGHE 


ii 
ei 
7 
F 
i: 
Hi 
f 
A 


f 
3 
! 
i 
Ft 


F 
N 


eingszogenes Reben. ‚Auch feine Frau war eine nicht ums 
te. er eine Reife, um fein Baterland noch 
i — am 19. ug, uch Die alas 


a montium), ein von aflen Seiten freifier 


Hi 
if 
i 


i 


r Berg Im Ganten Schropz,; griſchen dem.zuger, Ingemer und lower⸗ 
ver ber hefachteften Göherfpumfte ba der Eiche. | Die Anficht deffel- 
Ders von Mitternacht und jen fehe maleriſch. An ſeinem Buße 
weße Dörfer, sub auf feinen Höhen üher 150 Gennhhtten,: 
Invaohmer ihr Vieh zur Weide treiben. Die Auhaͤhen gegen ben age 
DB, dbe und Reit, die füdlichen weniger [hroff, und man findet hier 
m, foger Randel · und Beigenbäsme. « Der Weg. für Tußndugee 
ih, für Beiter Über Lowerg, bie fid) auf dem Athange be6 verges 
„ Wei dena ‚Hofpin, wo einige Gapuciner wohnen, findet man 4 Wirthe· 
in Hofpiz ift am 22, Jul ein viel befuchtes Ge, wobei Die Gicen _ 


Spiele aller Artzeigen. Im den Wirthehaͤuſern wohnen während dor 

Sfeis bn Rns. Di Ha 
ig fteigt man zu den . 

| ee Rigitulm (5676 Fuß über dem Mes). Man Über 

& ganze öftliche und noͤrdliche bie weit in Schwaben hinein, 

bis gegen Biel, die Hochalpen bis zur im Ben, und 

pen: U.d.F.: „Der Rigi in Zeichnungen“, lieferten und OM. 


dont bes Nigikulms in + BL Der Kigi iſt reich aa Alpenpflangen und 
Ähfen füdlicher Gegenden, befenbers am mittägigen Abhange. 
m Gipfel beſteht er aus abwechſeladen Schichten von Breecien (Riefele 
hebuird) gröblihe Sandkoͤrner und ein kaikiges Biudewittel nerbumben 
Bambfleim. Die nörbliche, ſteil zum zuger Eiee.ahfaliende Seite iſt her, 
Imisrbig, da fie die Schichtung der Beſtandtheile bed Berges De 
m Buße find 50—60 Fuß mädtig, und Höher hinauf oft äber 30, 
Feiner Überrafchenden Regelmäfigkeit. “ 
eismus, in der Moral, iſt Diejenige Strenge in ber moraliſchen 
Gucqhet ‚Handlungen, vermöge welchen sraı bie fittliche Berpflichtung fo 
Int, des es gat kein Gleichgaͤtiges gibt. Migonikifhe Mouat 
ber auch biejenige, welche die Freiheit durch abflunete Metwachtung des 
Ba Ban des Ortes malen Eee a 


e 


1 


heraber audy nicht: fo groß als bei biefime.: nn 

Ztaffe Diarechia (2500°9., 17,400 E.). Diefer bildet an feiner 2 
Dafen, welcher aber durch den Sand, und die Steine, die das Waſſer 
gen mit ſich führe, unbrauchbar geworben und jegt nur von Fiſcher 
iſt. Das Meer hat ſich über eine halbe Meile vom ehemaligen Leı 
wülgesogen, den jegt Gärten umgeben; nur wenig Spuren des alte 
noch übrig. Am Xhore S.⸗Giullano kommt man über eine herrlic 
zierte Bruͤcke in die Stadt. Sie wınde unter Auguflus und Aberir 
te, wo ſich die beiden Conſularſtraßen, Via Flaminia und Aemili 
aus dem en reißen Marmor der Apenninen erbaut und ift 
erhaltenfte Denkmal dieſer Art aus dem ganzen Alterthume. or 
Thore, durch weiches man Rimini verläßt, ſteht noch ein alter, zu 
guſtus errichteter Triumphbogen. Der Dom, der auf ben Ruinen 
des Kaſtor und Pollux fteht, iſt, wie mehre andre Kicchen, aus be 
. fafluung des alten Haſens erbaut. Die Kirche S.⸗Francesco, In der 
Jahrh. erbaut, zeichnet fich durch ihre edle und prächtige Architekt 
wurbe von Pandolfo Malateſta geftiftet, deſſen Familie im Mittela 
Rimini geherrſcht md die Stadt mit mehren öffentlichen Gebäuden g 
Auf der Piazza del Commune befindet ſich ein ſchoͤner Springbrumnen 
ne Statue des Papftes Paul V., und aufdem Marktplatze ein Pieb: 
chem berab Caͤſar fein Heer nad) dem lbergange den Rubicon 
entflammt haben foll.. Neun Arcaden im Capucin er Hält man fi 
nes vom Gonful Publ. Sempronius erbauten Amphitheaters. X 
des. Grafen Gambalonga und die vom Dr. Bianchi gefliftete Samn 
ſchriften md andern merkwuͤrdigen Alterthuͤmern verdienen Erwaͤhnr 
Rindviehzucht, die, beginnt, wenn der rohe Naturmen 
ſcherei und Jagd im den Hirtenſtand übergeht. Wäre auf den gro! 
fünften Welttheils eine dergleichen Thiergattung vorhanden, ſo iſt Eeii 
a ana aloichen Heſachen nlrichs Mirbiuna orfalat hie Monfoolknhor 


Rindvichzucht Ä 816 


weich gibt, fo tft doch dieſes von unferm gewoͤhnlichen Rindvieh fehr verfchies 
wers verlangt diefe Buͤffelart durchaus ein warmes Klima, wie in Uns 
Italien iſt. (Der Verſuch de verft. ſaͤchſ. Minifter Grafen v. Einfiebel, 
96, Büffelvieh auf ſ. Gute Wolkenburg einheimifch zu machen, hat Beinen 
hen Erfolg gehabt.) — Die zahme Rindviehzucht mußte eine mannigfaltige 
der Rasen erzeugen, je nachdem Futter, Klima und Lebensart der 
Natur diefer Thiere zuträglich war ober nicht. In Europa unter 
wen polniſches, ungariſches, ukrainer, molbauer, fchweizer, tiroler, 
‚ friefifches , vogtlaͤndiſches und a. Racen. Das in jeder Provinz von 
ber einheimifche Rindvieh nennt man Landvieh. Wenn alfo von Land⸗ 
hen wird, fo fragt es ſich, von welcher Provinz bie Mebe if. Da na⸗ 
eine Race vor der andern Vorzüge hat, fo fuchen bie nach Verbeſſe⸗ 
ren Landwirthe Zuchtvieh von biefen vorzüglichern Raçen zu erhalten; 
Wer größtentheilß die Urfachen nicht vorhanden find, die biefe Racen nach 
zeugt haben, fo find diefe Verfuche im Anfange oft von keinem guͤnſti⸗ 

. &o 3.8. war das ſchweizer Vieh vor 46 Jahren diejenige Rage, , 
viele Landwicthe in Deutfchland ftrebten. Da dieſes Rindvich aber 
m Alpenroeiben bier nicht vorfand, fo war ber Nugen deffelben anfangs 
sis der vom Landvieh. Da aber mehre ven Verſuch nicht hufgaben, fo 
fi) das von ber erften und den folgenden Generationen gezogene Vieh im⸗ 
an bie hier gewöhnliche Fütterung, und fo iſt bie davon abflammenbe 
viel vorzüglicher als das ehemalige Landvieh; der Beweis davon ift, daß 
unter ben wohlhabenden Landwirthen biefe beffere Rindviehraçe antrifft. 
bat fich gezeigt, daß die Baſtardraçe, welche durch Begattung der Lanb- 
ſchweizer Ochfen entftand, in der britten und vierten Generation bei un 
e gewaden ift. Neuerlich Hat man mehren Gegenden die friefifche 
dem ſchweizer Vieh vorgezogen, weil fie von noch anfehnlicherer Groͤ⸗ 
Ienheit ift; bie jetzt iſt man aber Damit noch nicht fo weit vorgefchritten, 
nen hoͤhern Ertrag gegen Landvieh behaupten koͤnnte; wiewol nach eis 
ationen und beſonders Baſtardzeugungen es derſelbe Fall wie bei dem 
ſchweizer Vieh ſein wird. So findet man in den meiſten deutſchen 
kaum noch einige Überbleibfel von dem alten Landviehſtamm, als etwa 
de, und Altes iſt eine durchkreuzte gemifchte Race von fchweizer, freies 
Landvieh; daher die fo vielfältigen Farben dieſer Viehheerden, bie aber 
a einen höhern Ertrag als das ehemalige Landvieh gewähren. Die Rinb- 
it in der Landwirthſchaft zugleich ein Mittel, um das Gras und Übrige 
Düngung zu verwandeln, ohne welche der Ackerbau nicht beftehen koͤnn⸗ 
bes fonft auf keine andre Welle in ſolche Eräftige Düngung verwandelt 
a, als wenn e6 durch bie Verdauung einen chemifchen Proceß erlitten 
eine Kunft nachzuahmen im Stande iſt. Zwar pflügt man jegt noch 
| r und andre Futterfräuter unter und rechnet dieſe verfaulenden Fut⸗ 
x dem Ader ale Düngung an; fie find dies aber lange nicht in dem 
eis wenn fie durch den Verdauungsproceß in Düngung verwandelt 
Um ben nöthigen Dünger zu gewinnen, ift bie Stalifütterung be6 
entftanden: eine Erfindung ber Deutfchen, die nach und nad) von 
ationen angenommen werben wird, bie nad) Verbeffenmg des Aderbaus 
Nur da, wo der Aderbau mit zu vielen natbrlichen Hinderniffen zu 
bat und defhalb kaum die Koften trägt, wie in hodhliegenben gebirgis 
den, wo nur eine geringe Oberfläche vorhanden iſt, beffenungeac- 

g noch Gras zu guter Viehweide waͤchſt, wäre e6 umvortheilhaft, ba6 | 

€ auf die Weide zu treiben, da dieſes Gras, morunter vorzuͤglich 
stifche Kräuter find, die nur auf Bergen wachfen, ſonſt welter nut 







ins Stalle gefüttert volrd. : Die Stallfüttesung gewährt alfo nicht n 
gung, weh alle Epcrrmente bed Viehes zur Dimsung schalten w 
po Ha ber Weide verlaren gehen, ſondern auch noch ben Wostheit, - 
Anzahl Vieh ausgefüttert werben kann. Man unterſcheit 
fütterung in ganze und halbe. Wenn das Getreide eingesntet 
eine Menge Gras auf dem Stoppelfelbe, das fonft nicht benus: 
ebenfo wenn die Wieſen das letzte Mal gemaͤht find, bleibt noch 
Grasſtoppeln, fowie junger Nachwuchs des Grafes. Dieles läßt 
und das Vieh vom Aug. bis Eintritt des Winters dahin treiben ; di 
die halbe Stalfütterumg. Die ganze findet flatt, wenn bas Vieh: 
nicht auf die Weide getrieben wird. Die halbe Stalifütterung | 
Verzug vor ber ganzem, es geht zwar einige Düngung babei verlor 
benugt eine Menge Weldefutter, das font verloren ginge; man 
Vieh halten, wenn man diefe Weide benust, und gewinnt dadu 
gung als bei der ganyen Stallfütterung; auch kommt bie Düngui 
Ader und die Wiefe fällt, diefen doch einigermaßen zu gute. Rech 
den größern Nutzen von mehrem Rindvieh, das man bei der halben 
halten kann, fo bfirfte es wol nur wenige Ausnahmen geben, wo t 
fütterung der halben vorzuziehen wäre. Thaer, in den „Grund 
nellen Landwirthfchaft‘‘ (4. Th., S. 224), fagt: „Die halbe Stallfuͤ 
bei bad Vieh sinen Theil des Tages zugleich weibet”. Diefes ift 
durch wäre aller Unterfchieh zwifchen Weidegang und Stallfütteru: 
Ehe die Stalfütterung erfunden wurde, trieb man das Vieh eb 
Weide und fütterte e6 hernach, wenn es nach Haufe kam, im t 
iſt e8 noch überall, wo Leine Stallfuͤtterung eingeführt if. St 
der Weide entgegengefeht; ganze und halbe Stalfütterung unterfi 
in Anfehung der Zeit. ‚Bei dem Weidegange wird das Vieh vom 
teitt des Winters ausgetrieben; bei der halben Stallfuͤtterung wi 


balbe Zeit, vom April bis zur Ernte, wo das Stoppelgras die er| 
aanı im Bitalls ashttert: hai hor aanım Stallfütteruma mirh bag ! 


UUindviehzucht 817 


Die veredelte Kuh gibt ebenſo viel Nuzung ımb auch Duͤngung als 
ber Fuͤtterung abet liegt der Unterſchied, bie veredelte Kah verlangt 
nd beſenders beſſeres Futter. Stroh, womit man zur Noth Laud⸗ 
kann man hler nur als zum überfluß gegeben anrechnen, fonft faͤllt 
an den veredelten Kuͤhen ganz weg und bleibt noch hinter dem der 
ke. Dieſes beſſere Futter erlangt man aber bei der Stallfuͤtterung, 
Bang der Wereblung beobachtet hat, wird gefunden haben, bag man 
thrung der Stalifütterung häufig nach der Veredlung geftrebt bat. 
Fütterung ift das Erſte, eine Menge Futterkraͤuter anzubauen, bie 
he gebaut hat, und eben diefe Futterkraͤuter find das befiere Futter, 
kung bes Viche® unumgänglich nothwendig iſt. Am vorzäglichften 
der jegt überall in fo großer Menge gebaut wird, daß man füglic) 
onate vollauf Kutter ei bie ganze Wirthſchaft erhält. Der Anbau 
Felde verbient um deßwillen ben Vorzug vor anbern Futterkraͤutern, 
m nachfolgenden Betreidefrüchten am wenigfien nachtheilig iſt, und 
ıen reinen Geroinn bes Brachfeldes gibt. Iſt man nım hierdurch zu 
vefferm Sutter gelangt, fo kann bie Anzahl des Viehes vermehrt und 
nm. Go gibt mehr Sutter mehr Dich, mehr Vieh mehr Düngung, 
g mehr Ertrag des Ackerbaus. Dieſes find die neuern Grundſaͤtze 
ſchaft, von denen ber Futterbau und die Viehzucht die Grundlage 
fe Grundſaͤtze find von großem Erfolg in der Ausführung geweſen. 
hnet, daß nur allein in bem ehemaligen Kurſachſen, vor den Ders 
) franz. Krieges, 70,000 Stud Rindvieh mehr gehalten worden 
der ausgebreiteten Einführung des Kleebaus, um melden fich bes 
bart v. Kleefeld fo ungemein verdient gemacht hat. Das fhönfte 
ion Übrigens, two Släffe und Auen und daher vorzägliches Fut⸗ 
u Überfluß vorhanden ift. Daher fagt men auch von vorzäglichem 
Eibvieh, Odervieh, Weichſelvieh u. ſ. w. Eine genatte Beſtim⸗ 
nıgung der Rindviehzucht iſt nicht moͤglich. So verſchieden das Fut⸗ 
den die VBichragen find, fo verſchieden iſt auch die Benchung; fa, 
Anerlet Race und Groͤße, an demfelben Orte gezogen, mit gleichem 
wt, geben wicht gleichen Ertrag; die eine Kuh) legt mehr auf das 
ndre mehr auf die Micch, die fetteften Kühe unter ber Heerde find 
ſenigen, die den größten Nutzen geben. Den größten Unterfchieb indem 
kbt jedoch eine Kuh in einer volkreichen Stadt und auf dem Lande. 
ungen auf dem Lande wird für eine Kuh jänlih 8, 10, 12— 15 
t, nachdem ˖ die Viehrace iſt und hinlaͤngliches und gutes Futter da= 
d. In großen Staͤdten hingegen gibt biefelbe Kuh im Durchſchnitt 
Thie jährl. alfo 40— 50 The. Ertrag, und diefer Unterſchied 
dem verfciedenen Preife und Verkaufe der Milch. In Thaer's 
der rationellen Landwirthſchaft“ (4. Th.) wird ber Gelbertrag vom einer 
nach dern Preife der Butter beftimmt. Es wird angenommen, bie 
Wochen im Jahre melkend, gäbe im Durchſchnitt 14 Geidel Milch, 
ı Seidel, 40 Seidel Mitch gäben 1 Pfund Butter, folglich waͤren 
väter der jr. Ertrag. Damm werden noch 22 Gulden fr Käfe und 
gerechnet, hingegen 20 51. 24 Kr. für ſaͤmmtliche Wartungskoſten 
& hieraus der Satz aufgeftelit, dab 67 Fl. 16 Ar. der Pachtpreis 
Kerner heißt es daſelbſt: „In Wirthſchaften jeboch, welche ſich 
de und Kuhhaltung auszeichnen, kann bee Bruttoertrag einer Kuh, 
zug der Wartungs» und alfer Nebenkoften, wol auf 98 81. 25 Kr. 
ommenem Butterpreife (das Pfd. 214 Kr.) getrieben werden”. Als 
nan Dies zum Maßftabe bei Rindviehverpachtungen , To würbe man 





Lampen vor den Marilenbilbern erfeht, — 
Geſchoſſe; doch gibt es auch fehr anfeßuriche. Altane 
Stodtierken find jet gäniyfich abgefihjäfft. Unter & 
em ie men Shen ab Köfter, — * die nene praͤcht 

Auch find die koͤnigliche Enpelle und die Mänze, die beide el 
Walaftes eusmadien, fehensmerth. De Wurttpläge find ante 16 
brunmen gegiert. Das Waſſer erhält die Stadt aus elner Entfernu 


Schule ein 23 eine Bibliothek, Stermparte, botantfcyen 
GSeit 1808 hat fich die Induftrie vermehrt. In der Nähe gibt es — 
Steingut⸗, Glasfabriken ıc. und in der Stade mehre —— 





Gedfämiedeic. —— Aufmerkſamkeit derbient no bie 
NRelomuͤhle und die he Wallfiſchthranſiederei. Rio Janeiro iſt fi 
ten der Hauptmarkt. Det lebhafteſte Verkehr findet mit ven Berg 
oft in Entfermeingen von 3 — 400 Stunden ftatt. *— ziehen ı 
800 — 1000 Maulthiere aus und ein. Außer mit dem Intern 
Lande findet ein auſehnlichet Beckeht mit ben TRdL. und noͤrdl — 
fahrer ſtatt. Auch der aͤußere Handel hat an Wichtigkeit gew 

iſt der beſtgelegene Häfen für Die ganze Weit; ein —— wo ir 
Suropa mb —— — mb Oſtindien, ‚wie mit 
und von ſeeinfein am bequem kann 

an 1900 Gchiffe ein und aus. Die bedeutendſten fuer 
affee, Zucker, KRum, Baummwolle, Häute, Salg, Indigo, feine 
‚grobe Bermisoffemeude; Taback, Gold, Diamanten, farbige 
Loftbare Juwellerarbeit. Was da6 Mkına betrifft, fo Herefäyt bei 
ders in den Sommermonaten, eine fehr große Bige, bed Nachts Hin: 


Daher find Fieber ib Hautkrankhelten nicht felten. Eingeborene 
nur wenig davon, Fremde hingegen außerordentlich, bis fie nach em 
ganzen Jahre ſich an das Klima gewöhnen. Lebensmittel aller Art ı 
fluß. Kteitimg und Hausmiethen find [ehr theuer. Schenken und“ 
«sin Menge, suoße Wirths haͤuſer nach europälfcher Art hingegen u 
mer vermißt. Die kirchtichen Feierlichkeiten begeht man mit aı 
NPracht. Die Bildſaͤulen der Heiligen find dann: Im eigentiichen © 
manten bedeckt. Dübel finden Abende große? Zeuerwerke ſtatt D 


Ripperba 321 


Im ODecheſter, welcher nicht Solo fpielt, fonbern bloß die Stimme verftärkt. 
if alrımt alfo eine untergeorbnete Stelle ein, und muß fid) ganz nach 
oder Vorſpieler richten und in das Ganze ſchmiegen, ohne im Spiel 
Brliche Verzierungen u. dgl. zu erlauben. Aber die Anfoberungen an den 
Men vornehmlich bei der Wioline, find jegt von Seiten ber Zonfeger fo ſehr 
t werden, daß es in gewiſſer Hinficht leichter iſt, Solo zu fplelen, als eine 
we gut auszuführen. Kraft des Tons und Feftigkeit bes Takte ift hier 
Dingen erfoberlich. 
iyperda (Johann Wilhelm, Baron von), ein politifcher Abenteurer, 
ber hollaͤnd. Provinz Groͤningen 1680 von adeligen Altern geboren und 
£ von ben Sefulten in Köin erzogen, heirathete aber eine Proteftantin 
zur proteftantifchen Kirche über. Als er 1715 von den Generalftaaten 
efung eines Handelsvertrags nach Spanien gefhidt wurde, erhielt 
Be eines Oberften der Infanterie. Nachdem er fi) aber bei dem König 
J. in Gunſt gefegt hatte, trat er zur kathol. Religion zuruͤck und biieb in 
B Er lieh aus Holland Weber kommen und legte auf koͤnigl. Koften, jedoch 
fen Verluſt, eine Tuchmanufactur an. Nach dem Tode feiner erften Frau 
er ſich 1721 mit einer caflilifhen Dame von hoher Geburt, mit 
2 Söhne zeugte. Ex flieg fchnell im Vertrauen bed Könige und 
1725 nad) Wien gefandt, um eine Ausgleihung mit dem kaiſerlichen Hofe 
In eben biefem Jahre unterzeichnete er mit ben Bevollmächtigten 
a den Vertrag von Larenburg und ward dafür bei feiner Ruͤckkehr zum 
NRipperda und zum Grand der 3. Claffe ernannt, auch zum Staats: 
der ausw. Angelegenheiten beförbert. Nachher wurden ihm nod das 
zines und Sinanzmwefen anvertraut, ſodaß er alle Macht eines Premier: 
, wur nicht ben Titel hatte. Doc [hon im Mai 1726 ward er feiner. 
fegt und in das Schloß Segovia eingefperrt. Nah 2 SSahren fand 
gu entkommen und ging Über Portugal nad) England, wo er bis 1730. 
kauf kam er nad) dem Haag, nahm die proteftantifche Religion wieder 
m feine übrigen Tage in Ruhe verleben zu wollen. Sein unruhiges 
6 Gemuͤth aber veranlaßte ihn, mit dem maroccanifhen Gefandten in 
g zu treten, zufolge deren er fich zu Ende 1731 nad) Marocco begab. 
gänftig aufgenommen, gewann bald fo viel Einfluß, daß ex die Barbaren 
zung der fpanifchen Seftung Ceuta bewog, nahm, nachdem er zum mos 
fiyen Glauben übergetreten war, den Namen Osman an und ward 
öhaber des zu bem Kriege gegen Spanien beſtimmten Heeres ernannt. 
von Spanien, von felnem Unternehmen benachrichtigt, widerrief das 
Deburch er ihn zum Grand und Herzog ernannt hatte. Die Ankunft eines 
Heers in Afrika, welches Oran belagerte, zerflörte feine Entwürfe. 
wte er bei der Belagerung von Geuta und brachte auch der Befagung, 
Hbem fie verftärkt war, einen Ausfall gewagt hatte, eine bedeutende 
bei; allein ein bald nachher von fpanifcher Seite erfolgter Überfall der 
in den Laufgräben zwang ihn, bie Belagerung aufzuheben und die Flucht 
fu. Im Hemde kam er nad) Tetuan und ward vom Hofe fo kalt empfan⸗ 
ee ſchon darauf bebadyt war, nad) einem andern Lande zu fliehen, als 
entdeckt und er vor den Kaifer gebracht wurde. Bon der Sraufamteit 
aren durfte R. Nichts als den Tod erwarten. Er vertheidigte ſich 
gewandt umb Bug, daß er nach einer kurzen Gefängnißftrafe wieder in 
gelegt wurde. Hierauf lebte er ruhig zu Marocco und zeigte einen großen 
feine neue Religion. Um ſich wieder in Anfehen zu bringen, entwarf er 
| Bereinigung ber jüdifchen und mohammedaniſchen Religion, die er 
bag er auf einer Seite den Mohammed für den groͤßten Prophetin gelten 
es. Olebente Kufl. 8b. IX. 21 



















—u.... vo. yr. — TUT DUTWYVL o”"” ve 


von von Ger ĩca ca mit bedeutenden ðeldſu ummen unterſtuͤtzt hatte. 

Riſalit, Riſalita, Vorſprung, wird in der Baukunſt de 
Gebaͤudes genannt, der durch alle Stockwerke hindurch vor dem übrig 
vortritt und gewoͤhnlich mit einem Fronton oder niedrigem ital. Dad 
Man findet ſolche Riſalite nicht allein in der Mitte der Gebaͤude, ſon 
den Ecken oder Enden; treten ſie daſelbſt aber ſo weit hervor, daß 
Wohnungen benugt werden, fo heißen fie Fluͤgel. 

Riß, die Zeichnung zu einem Gebäude nach verjüngtem Maffi 
man die Sorm, Anorbnung und Einrichtung des Ganzen und aller z 
fieht, und monad ein Gebäude errichtet wird. (S. Profil, : 
Grundriß.) 

Ritornell (Ritornello), in der Tonkunſt die muſikaliſche Pi 
während die Hauptſtimme pauſirt, von den andern Inſtrumenten 
öfter verſteht man darunter ben Eingang einer Arie oder fonft eines 2 
von ben begleitenden Inſtrumenten gefpielt wird, ehe noch die concertir 
einfälst amd der meift die ‚Dauptgebanten und Säge des nachfolge 
enthält. Diefes Ritornell wird dann, nachdem die Singſtimme ihre 
bet, häufig wieberholt; daher auch der Name. Es ift fonadı Bors, : 
Nachſpiel. Bei Opern, befonders denen im ital. Styl, find die Rit 
oft bis zur Ungebühr ausgedehnt, wodurch zwiſchen dem ber Arie v 
Mecitativ und der Arie felbft ein zu großer Zwiſchenraum entfleht, | 
ſtoͤrend ift; fie ganz wegzulaffen, thut dagegen auch felten gute Wirk: 
3.8. bei mehren Arien in dem von Himmel gefegten Singfpiele „San 
ift. Die Anwendung oder die Weglaffung des Ritornelld muß dem 
Tonſetzers überlaffen bleiben, weil ein Eingang öfters an einem D 
Wirkung ift, der Dagegen an einem andern fchaden würbe. Ein allzu 
nell aber macht felten eine gute Wirkung. — In der italienifchen Pı 
man unter Ritomellen Eleine, meift locale dreizeilige Volkslieder der i 
bewoßmet, bie auch sum Improviſiren benugt werben. Map und S 


ie Ritter (Joh. Wilh.) 823 


xichnete dis Ackerknecht mathematifche Figuren auf feinen Pflug imb 
ei Der Jeſdarbeilt hölzerne Uhren und künftliches Schnitzwerk. Geine 
‚mechanifchen iffenfchaften und die Rüdficht auf feinen ſchwaͤchlichen 
e enblich die Altern, ihn zu einem Uhrmacher in die Lehre zu thun. 
Beite ſich fein Talent bewunderungswuͤrdig ſchnell. Bald hatte er das 
mäßige feines Gewerbes begriffen und dürftete nach edlerer Nahrung. 
und in den Stunden der Nacht las er mathematifche Schrifs 
Mich Newton's Principim) und drang ohne Beihülfe in die höhere 
md Analyſis ein. Der Sternenhimmel und ein Buch wurben feine 
Aſtronomie, die für den ernften Süngling einen unmiberftehlichen Reiz 
z nach eigner Erfahrung verfertigte er ein Drrery ober Planetarium, 
wınberung ber Kenner erregte. Ein zweites, von ihm erbaut, wird noch 
mathematiſch⸗phyſikaliſchen Gabinet ber Univerfität von Pennſylvanien 
-&o ward allmälig der Werth des jungen Künftiers bekannt, und 
e Dr. Smith, der Naturhiſtoriker Barton, ber Generallandmeffer von 
ken, Sohn Lukens, felbft Kranklin, wurben feine Freunde und trugen zu⸗ 
iſchaftlichen Ausbildung nicht wenig bei. Dabel bewahrte er, durch 
ber geroöhnlichen Schullaufbahn gebunden, die Eigenthuͤmlichkeit ſei⸗ 
und fchritt auf den felbfterprobten Wegen des Denkens und Forſchens 
uf weichen er fich außer feinem Hauptfache gründliche Kenntniffe in ber 
Theologie, Phyſik, in der franz., hollaͤnd. und deutſchen Sprache 
& feine dichterifchen Anlagen und Zalente für Muſik blieben nicht ganz 
es. Nach oft wiederholten Vorftellungen ließ er fich endlich von feinen 
| und Freunden überreben, auf einem groͤßern Schauplage aufs 
x 309 1760 nad) Philadelphia, wo ex fein Gewerbe als Uhrmacher und 
mathematiſcher Inſtrumente fortfegte, und balb die Mitgliedſchaft 
eUſchaft ber Wiſſenſchaften erhielt. 1769 warb er von ber Philofoph. 
Philadelphia, deren Präfident damals Franklin war, nach Norris 
keaficyaft Montgomery gefandt, um bort ben Voruͤbergang der Venus 
me zus beobachten. Die Reſultate bavon und andre aflronomifche Bes - 
, die er auf der felbflerbauten Sternwarte zu machen Gelegenheit fand, 
le Gnuͤge, und wurden vom Dr. Smith (in den „Amerik. pbilofos 
nerbactionen”, 1. Bd.) umftändlich und mit ungemeinem Beifall bes 
Auch in feinen fernern Beobachtungen auf der Sternwarte bes 
B zw Philadelphia zeigte er fich als einen gemanbten prakt. Aſtro⸗ 
hemals ward er in ben nordamerikaniſchen Provinzen zur Berich⸗ 
plätifchen Brenzen gebraucht. Beſonders feste er bie Grenzen von Penns 
und endete Dadurch mandyen langen und heftigen Streit mit ben bes 
und Landeigenthümern, wobei er. ebenfo viel Uneigennuͤtzigkeit 
bewies. Das Vertrauen feiner Mitbürger übertrug ihm 1777 die 
pie eines Schagmeifters von Pennfylvanien, die er 12 3. hindurch mit 
siffenhaftigkeit und mathematiſcher Drbnung verwaltete. Selbſt die 
mg des Muͤnzweſens in ben Verein. Staaten warb ihm 1792 übertras 
one zunehmende Schwäche nöthigte ihn, dies Amt nad) 3 I. niederzu⸗ 
wiberfuhr ihm die Auszeichnung, an des verſt. Franklin's Stelle zum 
Ser Nordamerik. Geſellſch. der Wiffenfch. gewählt zu werben. Eine 
helt endete fein verdienſtvolles Leben am 20. Juni 1796. 
ar, f. Ritterwefen. 
er Iehann Wilhelm), einer der geiftweichften Phyſiker bes 19. Jahrh. 
Wen wir zunaͤchſt die eigentliche Einficht in das Weſen bes Galvanis⸗ 
Wen: Phpfioiogen gezeigt, daß ben Lebensproceß ein beftändiger Gal⸗ 
ngleite. Zu fo.tiefer Einficht in den Geiſt der Natur kam R. nur bare 
21 





























Par 
N 


U Nitterghtee  Sikterpfende‘ 


raſtloſes Unterficchen ihres Leibes. Es hat wol niemand mehr ——— 
erbaut, Niemand mehr Stoffe und organlſche Theile in bie Saule g 
mand mehr feine Sinnorgane bei ben Verfuchen angeftrengt ale er. Por ei 
ein Syſtem der elektrifchen Körper entwerfen. Wenn fein Buch hierdber ni 
gewuͤnſchte Abrundung hat, fo muß man bedenken, daß beffen Deuck eb 
dauerte, während er umaufhaltfam weiter arbeitete. Seine „Beiträge wei 
Kenntnis bes Salvanismus" (Jena 1801, 2 Bde.) enthalten einen GE 
Verſuchen und Erfahrungen, bie in alle Zweige der Natur eingreifen. X 
bert's, Annalen ber Phyſik“, in Voigt's „Magazin ber Naturkunde” bat 
tiges über Elektricität, Wafferzerfesung, Magnetismus 5 
uber Meteore, Meteorſtein⸗ u. ſ. w. niedergelegt. Endlich flieg er in i 
Gegenden, nahm ben ‚von ihm fo genannten Siderismus, oder das W 
beſonders Metalle und Waffer unter der Erde zu empfinden und auf M 
tallmaſſen felbft geiftig zu wirken, wiſſenſchaftlich mit dem bekannten BE 
Sampetti vor. Im Begriff, und feine Verfuche und Theorien Aber t 
ſtand, der fo wefentlidh mit dem Mesmerismus verſchwiſtert (ober vi 
Ihm eine). ift, mitzutheilen,, hörte fein durch phyſikaliſche und &hemifche ĩ 
zerſtoͤrtes Leben auf. R. war geb. 1776 zu Samig bei Hainau in & 
ſtudirte Mebicin und lebte nachher in Jena, wo er fich vorzüglich 
galvanifchen Arbeiten befchäftigte, uͤbrigens in ziemlich Emmerlichen Ba kuss: 
doch gab es eine Zeit, wo er vom Herzog von Gotha Unterftägung | 
erhielt er einen Ruf als Mitglied ber Akademie zu München und Hätte m mu: 
fangen Eönnen, ohne Sorgen zu leben. Allein ein regelloſes Leben, R 
Verdruß durch eine unkluge Heirath, Übertäubung durch geiftige Getraͤuk 
(is die angreifendften, Sinne und Glieder aufreibenden Verfuche und tie 
, dazu noch Neid und Verfolgungsſucht, ſchwaͤchten das Nerve 
genialen Mannes fo, daß kein Organ mehr für das andre arbeitete und 
eimanber fielen in einem Alter, das dem Manne das Eräftigfte iſt. Er ſte 
San. 1810 zu Münden. Unter den muͤnchner Akademikern war er der 
unter den Phyſikern von ganz Europa der tüchtigfte, unter den Menſche 
nachahmungswuͤrdigſte. Außer den ſchon erwähnten Schriften und AM 
nen wir noch feinen „Beweis, daß ein beftändiger Galvaniem den 8 
begleite (Weimar 1798); f. „Phufifchschemifchen Abhandlungen“ (B Bi 
3 Bde); „Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Phyſikers (H 
2 Bde; mit einer verfchleierten Autoblographie). 
" Nittergüter, gefchloffene größere Befisungen, worauf Mittert 
teten , wobei aber bie Lehnbarkeit nicht weſentlich if. Denn e6 gibt 23 
diale Ritterguͤter, ſondern ehemals auch ſolche, welche einen auswaͤrti 
herrn hatten. Zum Beſitz der Ritterguͤter waren auch keineswegs ie 
fchlteßlich berechtigt, nur in neuerer Zeit hat dies in einigen Laͤndern f 
Mit dem Befig eines Ritterguts ift der Regel nach gutsherrliche Ger * 
Frelheit von perſoͤnlichen Dienſten und Abgaben und Gig und Stimm 
Landtagen verbunden. Gewöhnlich ftehen die Ritterghter unter den d 
eihten | (als ſchrift⸗ oder kanzleiſaͤſſig); hier und ba gibt es auch a 


Kitterord en, ſ. Orden (Ritter) und Ritterweſen. 

Ritterpferde. Als im Mittelalter die Mitterfchaft des E 
freien Vaſallen vermöge der Lehnsverfaffung gehalten waren, Denn € 
baupte, ober wem fie Lehnsleuͤte eines Reichvafallen waren, dieſem x 
leiſten, wurde die Anzahl der von Ihnen zu ſtellenden Kriegemannfihit“ 
und folche unter dem Ausdruck Ritterpferde begriffen. Diefe DR 
£ehnöträger gegen die Lehnsherren blieb, als in der Folge die Elf 

































Dr 


«“ 





|" 0 2 4 2 Yin 7 rw yo; ne. yo... | and us zw ” 


Jetzren haben, von edler Abkuuft fein und durch Kriegsthaten ſich aus 
Wer suußte. “ en. 
eufpiele, f. Turniere... —. | 
erfprung (Voritt). ‚Unter die befondern Rechte und Freiheiten der 
gehört das noch beftehende, wiewol felten geübte Recht des Vorritts, 
rovinz vom Kaifer Ferdinand J. 1544 zugetheilt wurbe, und das darin 
ider abelige Befiger eines Mannlehngutes, wenn er Feine männliche 
eine Ditbelehnte hat, daffelde ohne weitere Anfrage beim Lehnsherrn 
fen Genehmigung veräußern darf, jedoch nur dann, wenn. ber Vaſall 
ande ift, in voller ritterlicher Ruͤſtung, wie fie 1544 gewöhnlich war, 
e ohne Beiſtand einen guten und ſtarken Hengſt zu befteigen, und vor 
w Lehnsheren abgeſchickten Sommiffarien herumzweiten. Wenn ein 
Hintrat, fo wurde eine völlig neue Ruͤſtung angefertigt, biefe ſowol als 
gende Pferd von den Commiflarien gehörig geprüft, und darauf den 
ag unter Vorausreiten von & Trompeten das Probeſtuͤck von dem 
gelegt. Diefe Seremonie muß auf dem Schloffe Ortenburg zu Baugen 
ı Randhaufe der Stände des baugner Kreifes die Rüftungen —e 
ht, die den Vorritt gethan haben) geſchehen. Sie geſchah zum erſten 
Nach langem Zwiſchenraume machte fie 1777 Graf Hoym, wodurch 
e (nachmals die Gemahlin des Fuͤrſten Reuß zu Ebersdorf) die Herr⸗ 
and erbte, und 1778 ein andrer adeliger Vaſall. 
erwefen, oder, wuͤrdiger ausgedrückt, das Rittert h um in feiner 
ben Bedeutung. Wir haben zwar auch jetzt noch eine Ritterfchaft in 
Korm und Geſtalt; allein. dieſe näher zu bezeichnen, überlaffen wir dem 
m unb bem Staatscehtögeled ‚ boch kommen wir vielleicht hin und 
Begenfages wegen darauf zurüd. Das Ritterthum iſt bie Blüthe, bie 
ver Menſchheit im Thun und Wirken des Mittelalters (f.d.) ge 
amd darum die fchönfte, bezeichnendfte Eigenthuͤmlichkeit jener Zeit. 
leiſt eines Zeitalters wird doch vornehmlich nach dem Zreiben und Thun 





worden war, wurde nım öffentliche Bolkslehre, Bolksgiaude. 
über Sinnes » und Denkart der. Menfchheit und gab ihr in ber fol, 
eine ibeale Richtung, die freilich ebenfo oft in Überfpannung und &d 
artete als die Sinnlichkeit des Heibenthums in Woluft und Spb 
war dem Gemüthe der Sinn für den Himmel aufgegangen. Die he 
ftelit in einer Reihe ber ibealften Bilder das innere Leben der Welt ı 
zu fagen, finnlich dar. Die Zeit der Symbole und ber Dichtung wa 
in fo manchen Tieblichen Anklaͤngen der alten Zeit Angebeutete war 
nen und der Sohn Gottes felbft auf Erden gewandelt, nicht wie ir 
nien der alten Zelt nur fombolifch und ſinnbildlich, fondern in wund 
licher, wefentlicher Vereinigung mit einer menfchlichen Natur, me 
ten als um zu lehren, mehr um zu fein als um geahnet zu werben. 
einen anfänglichen feligen Zuftand des Dienfchen, aus welchem er 
hoͤchſt traurige Verblendung gefallen war, ging wieber auf. Was | 
der Gegenwart und in ber gemeinen Wirklichkeit gefucht, oft Eünft! 
und fo fi) immer weiter von ihrem Urfprunge entfernt hatte, das fi 
da, 100 es doch allein zu finden iſt, in der Zukunft und im Idealen; 
Heiland das flammende Schwert des Cherubs, der dad Parabies 
brochen hatte, fo war die Eroberung der heiligen Stadt und des ' 
Füße des Goͤttlichen geweiht hatten, die fchönfte Offenbarung de 
Menfchheit gewordenen Glaubens; und bie Kirche fand da als 
Vorhof des Himmels, durch). den allein ber Weg in die Heimath mı 
ſchoͤnſte Kleinod der Zeit und das wahre Palladium des Lebens: 
fondern wirkliche Vorhalle, durch die Thon das Kicht bed Paradiefes 
Diefe neue, ideale Anficht, die al eigentliche Erfüllung ebenfo not 
reale der alten Welt folgen mußte, wie das Symbol ohne den bet 
ftand ein leeres, trauriges Nichte ift, konnte ſich nur langfam bı 
niffe der entfliehenden Geifter ber alten Welt Hindurcharbeiten. 
ihr das römifche Reich, diefe größte und kühnſte Ausgeburt be 
Zeuaniß-aeben in der gewiß nicht ohne Wunder erfolaten Bekehrr 


Ritterweſen, Urfprung _ 3827 


Bimmel. Die Kirche war das Licht, dad Altgemeinmenfchliche In dies 
D fo konnte auch ber Rittergeift in nichte Anderm ſich vorzüglicher und 
re ausfprechen als in Ehrfurcht gegen die Kirche, in heiliger Scheu 
wunderbaren Heiligthum, in Schug und treuem Dienfte, der Kirche 
ben, Gefahren und Anliegen geleiftet. Wir fehen dies als den erften, 
ten Zug des Ritterthums an, und wenn Geiftliche überall bie ganze 
ten und Schwert und Roß des Ritters erft weihen mußten, fo war 
kelichfte Zoll, der ber Kirche entrichtet werden konnte. Daß die Kirche, 
rtete, nicht mehr das belebende Grundweſen für das Ritterthum fein 
vorher; daß überhaupt dann die Elemente, bie zur fchönften harmo⸗ 
inigung beflimmt waren, auseinander. gingen und ſich feindlich theil- 
mat; und wenn bie Kirche ihre heilige Beftimmung vergaß, fo festen 
cht weniger ihre Pflichten aus den Augen. — Aber um nun dem gan- 
ums gerade die eigenthuͤmliche Geftalt zu geben, die es hatte, es gerade 
lt erſcheinen zu laffen, in welcher e& erfchten, dazu wirkten viele befon= 
de mit, und felbft diefe Geftalt war nach den verfchlebenen Himmels⸗ 
Gegenden, unter welchen das Ritterthum auftrat, hoͤchſt verſchieden. 
itterweſen verdankte feinen Urfprung ber eigenthämlichen Bildung 
germanifcher Völker, von welchen überhaupt die dußere Form aller 
Einrichtungen in der hriftlichen Zeit ausgegangen iſt. Vielleicht ift 
g davon fchon in der Eigenthimlichkeit der alten germanifchen Kriege 
on welcher auch das Lehnsweſen und der Erbabel ſich ableiten. Schon 
Kämpfe waren mehr Ritters als eigentliche Kriegäzüge. Wen Geiſt 
er Muth trieb, der zog aus, den Schwächen zu bekämpfen. Ihm 
ne Schar an, die dem Ruf des Führenden folgte, und die Natur 
ederkeit und Treue mochte es nicht über fich geminnen, von Dem, bem 
Wort gegeben mar, ſich fo bald loszuſagen, fowie es eben aus diefer 
eutſchen Geiftes folgt, daß jene Freien, bie ſolche Ritterzäge führten, 
Adhiebenheit und Abftufung, ſich unter einander als ebenbürtig anfahen 
enenden entgegenfegten. &o entflanden bei dem tiefen Gefühl für 
t und Bundestreue, das der Germanen Charakter war, bald Aberall 
chaͤltniſſe und Verbindungen mit engen und weitern Abflufungen, 
:Santen des freien Geiſtes da und bort aufleuchteten, fo bildeten fie 
‚einen Kreis um ſich, den fie erhellten. Das alte Homerifche Wort: 
zerr!“ bewährt fich vom Anfang an in ber beutfchen Nation auf eine 
ste Weife, und der Begenfas des herrſchendes Geiſtes und der dienen» 
aktheit trat wol In keinem andern Volke fchärfer und durchgreifender 
tigfaltigern Geftalten hervor. Durch die uralte Ehrfurcht für Stämme 
n kam man bald zu dem Glauben an Exblichkeit des Geiſtes, und bie: 
echtfertigte ſich wieder in dem edeln Feuer der Nacheiferung, mit wel: 
In den Tugenden eines berühmten Vaters nachſtrebte, ſodaß fic früh: 
tion in Herren und Knechte mit mandherlei Schattirungen, vom ‚Ders 
freien Dann mit feinen Leuten herab, theilte, und ſchon Karls d. Gr. 
war nichts Andres als der größte Ring, der die zahliofen Ringe der 
» Grafen, der abeligen Freien u. f. m. zufammenfaßte, alles Eins in 
s Mamen der Ritter. Wie biefer eigenthuͤmliche Geiſt germanifchen 
ſich überall hin außbreitete, wohin dev Strom ber großen Völker: 
ich ergoß, fo wieberholte fich auch in Spanien, im füblihen Frank⸗ 
ten das Nämliche, und mit dem Lehnsweſen und dem Vaſallen⸗ 
ad auch ber Sattungsbegriff davon, das Ritterweien, überall Ein» 
Yag nun, was Jeder weiß, der Name Ritter vom Reiten herkommt, 
1. im Deutfchland erft in den Kriegen mit den leichtberittenen Unaoın 


828 _ Ritterweſen, Ritterftand 


und Avaren beffer mit dem Pferbe bekannt warb, daß Die, melde ihre ie 
beweglichen Feinde mit gleichen Waffen, nämlidy zu Pferde, angriffen, num. 
valerie, Chevaliers, Cavaliers und zu deutfc Ritter genannt wurden, bad 
bloß der Vouftändigkeit wegen noch hier flehen. Lieber bemerken wir, daß 
Nitterftand, wie die Natur felbft ihn als ein Ganzes hinlaͤnglich auegeze 
batte, das ſich in allen feinen Theilen, fo verfchieden an Gröfe und Bede 
und Rang fie fein mochten, in dem Begriff des Herrſchens gleich war, num 
ſich feibft aͤußerlich zu einem Ganzen bildete und dazu vielleicht Manches auf 
niedrigern Sphäre, 5. B. den Handwerkszuͤnften und Mönchsorben, borgte 
früh vorbereitet, als abgefchloffene Anſtalt erft feit dem 11. Jahrh. beſtan 
bie zu feiner Vollendung fortdauerte. (Ein Ritterftand, auf welchen der Abe 
ſchließlich Anſpruch machte, bildete ſich erft am Ende des 14. Jahrh.) 
Jede Seite des Menfchengeifte® arbeitet fich durch bie herrlichen Zeiten: 
freien Erguſſes zu beftimmten Formen hinan, und fo nothwendig und unven 
lich) ihm dies ift, fo gemiß bereitet er fid) auch allemal in diefen Formen fein 
und Über dem Abgefchloffenen und Fertigen woͤlbt ſich die Puppenhülle bed & 
So wurden jene natürlichen Scheidungen ber Mündigkeit und Unmuͤndigkeit 
Echtheit und Unechtheit, der Unbefcholtenheit und Befledung, im Ritt 
und nad) auf beftimmte Formen und Gefege zurüdgebracht. Der gewä 
Gang der Ritterbilbung fing mit dem Buben ober Pagen an, der am Hofe 
andern Ritters die Anfangsgründe ritterlicher Tugenden erlernte. Im 14.8 
jahre ward der Bube zum Knappen und wartete der Pferde und Waffen 
Meiſters, ihn felbft zu Pferde begleitend, und im 21. Lebensjahre warb der K 
gewoͤhnlich unter Zeierlichkeiten zum Ritter gefchlagen. — Der Zweifampf 
jenige Gottesurtheil, das das ehrenvolifte und ritterlichfte fchien, entſchie 
ihre Streitigkeiten; Wappen kamen auf, die Ahnenprobe ward auf fehr 
beſtimmte Gefege zuruͤckgefuͤhrt u.f.w. — Hier aber müffen wir noch eis 
eine ſchon gemachte Bemerkung zurüdtommen. Der Ritterfiand « 
berrfchende und darum repräfentirende Stand. Ihm gebührte alfo ar 
Befte, das die Länder trugen, und in feinen Sclöffern, die mit ihren $ 
und Befigungen der Ahnherr als feinen Antheil an der Beute ritterlich erw 
hatte, mußten Pracht, Reichthum, heiterer Lebensgenuß nicht weniger « 
ſchoͤnſten Bitumen der Kunft und Liebe zu finden fein. So war der Ritt 
feinem Schloffe unumſchraͤnkter Herr; fo führte er, ein Kaifer im Kleinch 
feinen Nachbaren biutige Fehden; fo artete, vom Bemwußtfein ber Unbefd 
heit zu weit verführt, mancher Ritter zum Raubritter aus, der dem fal 
Kaufmann am Wege auflauerte und manches wehrloſe Klofter aͤngſtigte, 
mit großen Summen ſich Löfte, — befonders in Deutfchland, mo, der Nat 
Reichsverfaſſung gemaͤß, die Sreiheit des Einzelnen nody unbefchränfter we 
in andern Rändern und oft unter ſchwachen Kaifern zu wahrer Zuͤgelloſigkeit m 
Aber eben, meil er der Herrfchende war, fo zog nun freilich auch der Ritter 
Das in feinen Kreis, was ihn ald den Herm bezeichnen und ſchmuüͤcken ke 
Nicht nur die glänzendften Waffenrüftungen bedeckten ihn, wenn er auszog. 
von der Arbeit der Knechte, ergögte ihn, wenn er auf feiner Burg haufte, d 
terliche Luft der Jagd; oder die genußreiche Betrachtung feiner blühenden Fl 
oder ein heiteres Bankett, wo der Wein in reichen Strömen floß und der & 
des Minnefängers froͤhlich hindurchklang. Dann aber zog er wieder au 
feinen Reifigen, jest in den Kampf mit den Feinden feines Lehnshertn odı 
eignen, jegt zum feftlichen Zurniere, mo alle Pracht der Erde vereinigt war, 
auf Feſte fich drängten, und der Dank, aus den Händen ber ſchoͤnſten Dam 
pfangen, die zartefte aber eben deßwegen Eoftlichfte Belohnung des Sieges wi 
So fehen wir den Ritterftand im Befig der irdifchen Herrlichkeit, des giäm 



























Ritterweſen, Gefchichte 829 


es, der feinen Lebensart feiner Zeit; und wenn Überall nur ber Sreie 
enießen fol, und Genuß und Heiterkeit nicht in gemeiner Weife, ſon⸗ 
nm Sinn und echt menfchlicher Bedeutung, der natürliche und unent- 
mud des Befiges ift, fo erfcheint und der Ritter als die Blume der 
ht und Schönheit feiner Zeit. — Nehmen wir nun aber diefe Eigen- 
es Ritterthums zu, jenem Einfluß, den die durchs Chriftenthum völlig 
ebensanficht auf daffelbe aͤußern mußte, fo fehen wir ganz natürlich 
1, bedeutungsvollen Züge des Ritterthums hervorgehen, bie ihm einen 
hen Meiz ertheilen. Hieraus erktärt fich jene fogenannte Cheva- 
elleicht aus Courtoiſie (curialis facetia, Höflichkeit) und edler Ga- 
nd. Die irdifche Liebe durfte im Kreife eines ſolchen Lebens nicht 
fie ift ja das Höchfte was die Erde bringen mag. Aber nun war 
: jene gemeine, finnliche Liebe des Heidenthums, nun war fie durch 
Anſicht geläutert, umd fo entftand jene zarte Minne, wo ber Ritter 
rue und feiner Thaten gefeierte Größe des Wohlgefallens feiner Dame 
ern firebte; wo er Bott und feiner Dame ſich empfahl, werm er ins 
nd mit züchtiger Sitte und Eindlicher Scheu von jedem unreinen Be⸗ 
uruückhielt. Dies der eigenthuͤmliche Geift ber fo weit verbreiteten 
— Nahe hiermit hing jenes zweite Hauptgeſetz alles Ritterthums zu: 
Hüger des ſchwaͤchern Geſchlechts zu fein, und die Srauen, felbft un: 
em Arm bed Ritters Wehr und Waffe zu jeder Zeit finden zu laffen 
ie). — Eben daher erklärt ſich auch ber eigenthümliche Geift der 
tee. Abenteuer fucht überall der Held, der Mächtige, ber Herrſchende. 
ie Helden der Argo dem goldenen Vließe nady und die des Homer 
Ilium. Aber der chriftliche Ritter, noch nicht durch Schranken bes 
tebenß feftgehalten, 309 für das Kreuz ober für die zuͤchtige Liebe feis 
‚ber für den lieblichen Weihrauch des Ruhms, immer mit Glauben 
us in ferne Lande. Es zog fich durch feine erbittertfien Kämpfe ein 
Höflichkeit und Rechtlichkeit, und er befledte fein Schwert, wenn er 
scheidelinie abwich, etwa im Vortheil ber Waffen gegen feinen Feind, 
diefer zu Fuß war u. ſ.w. — Endlidy fällt nicht weniger hier in die 
gerade Zurniere (f. d.) mit ihrer Pracht und ihren feinen zarten 
en bie eigentlichen Ritterfefte fein mußten, und wie die einzelnen Ge⸗ 
, die ebenfo ſinnreich als unverleglich waren, meiſtens nur aus bie: 
8 Ritterthums erklärt werben können. — Alles dies wurde durch den 
Geiſt des Zeitalters (f. Romantiſch) noch beflimmter ausgebil- 
um dadurch unftreitig jenes bunte, reiche, farbige Gewand, das im 
Ritterweſens nicht verfannt werben mag, ſowie gerade diefe bunte 
gkeit der Charakter der Romantik ift. Indeß gilt dies doch zunächft 
chlich von den romantifhen Ländern, und 3.3. in dem nordifchen 
tört uns die erwähnte Mannigfaltigkeit weit weniger. 

eſchichte des Ritterweſens im Allgemeinen. — Wie alle Keime 
zu Blüthen und alle Blüthen nicht fogleich zu Früchten werden; wie 
age im Süden anders gedeiht als im Norden, und im frudhtbaren Erb: 
r empormwädft als unter Dornen und auf Felfen: fo fehen wir aud) 
am, von einer fchönen Eraftvollen Kindheit beginnend, eine herrliche 
ollendung fpäterhin erlangen, bie e8 nad) durchlaufenem Ringe, wie 
e, wieder feine Endfchaft erreichte, und dabei eigenthuͤmliche Farben 
ing annehmen von den verfhiedenen Ländern und Verfaffungen, un> 
elchen es blühte. — NRitterromane nicht nur, fondern bie Geſchichte 
uns in die Zeiten Karls d. Gr. zurüd, wo wir die erften blühenden 
itterthums, fein fabelhaftes Heldenzeitalter, fehen. In allen alten 





Yatte, wiedergegeben uu haben? Daffelbe gilt von den Kitterr 
Graals und Könige Arthus; dafſſelbe von ben Amabiſſen, bie, ohr 
oder Arthus ſich anzuſchließen, mehr die Ritter einzelner Abenten 
Zeitbegebenheiten geweſen zu ſein ſcheinen. In der Daͤmmerung 
roths wollen wir nicht verlangen, die Geſtalten genau unterſcheiden z 
fo find wie zuftieden, In den Sagen von Karl d. Gr. die erſte jugen 
des Rittergeiftes im Kampf gegen die einbrechenden Araber, ein Vo 
höhern Kampfes gegen die Saracenen im heiligen Lande, in den € 
thus diefelbe im Kampf gegen die einbrechende übermacht des nord 
geiftes, durch welchen diefem feine Grenze angersiefen wurde; in be 
des —— dieſelben im großen, ernſten Gemuͤthe des Niede 
ber deutſche Ritter fih anſchließt; und in den Amadiſſen die erften € 
teuerlichen Ritterlebens in einzelnen Unternehmungen zu erbliden 
mochte det Übergang von der fabelhaften Zeit Bis zur fichern, beſtimm 
der fhönen, ‚ausgebildeten Bluͤthenzeit des reifen Alter bauern. 

manche Großthaten gefchehen, und die Ritterfänspfe in Deutfchland, | 
der Kaifer, in Frankreich unter den Großen bes Reiche, die bürgerli. 
Spanien mit den Mauren waren herrliche Voruͤbungen des viel Gr 
kommen ſollte. Da that fi (von 1095 bie gegen 1270) ein Licht 
auf, und der Ruf des Kreuzes rief den Ritter aus Suͤd und Welt 
einem würdigen Schaupfag feiner Thaten. Das heilige Land zu 
heilige Stadt zu gewinnen, ward für das Ritterthum ein herrliches 3 
es immer ſcheinen, als fei alle diefe koſtbare Kraft an ein Hirngefpenf 
worden, fo war body die Idee, welcher gehuldigt ward, die höchfte 
Sehen wir ja doch auch, nach dem wunderbaren Willen des Verhd 
Helden, die Troja erobern halfen, die Früchte ihrer Anſtrengungen i 
genden Abenteuern wieber verlieren, und fo ſcheint überall die Menfe 
beftimmt zu fein, die höchfte Sproffe wol zu erfteigen, ohne fie jed: 
zu koͤnnen Idee fol und muß Idee bleiben, aber nichtebeftoron: 


PH. PR Mir.2 nun Pin anna anna at.. L.. LE... MA ann un 


7 


Ritterweſen, Ritterpoefie 851 


uzzuͤge die Ritterorden erfcheinen, gleihfam das Allerheiligſte 
ame, in welchem ſich der Geiſt deſſelben recht idealiſch offenbarte. Es 
eils vor den Kreuzzuͤgen, theils während berfelben, *ẽ in dem heiligen 
e weichen die 3 früheften, die Sohanniters, die Tempelher⸗ 
Ye Deutfhen Ritter (f.d.) am berühmteften wurden, da ber 
jur Pflege der Ausfägigen geftiftete Lazarusorden, der nachher aud) 
rd, ſchon in frühern Jahrhunderten erlofh. Pilgernde Ritter, ſich 
Rrengen, ibealifchsreinen Seesen verbindend zur Pflege kranker Glau⸗ 
mb zum Schuge der vom Saracnenübermuth Gebrüdten; mit ben 
Kirche in Bruderbünbnig getreten, nur Schritt vor Schritt der wach: 
nacht des Islams weichend, und noch im Weichen mit ungebeugtem 
ider der Tapferkeit verrichtend — ber hohe Muth des kühnen, zum 
Rimmten Ritters, gemildert durch das fanfte Licht bes Glaubens, ber 
Yemuth, des Altes verleusnenden Gehorſams gegen bes Ordens Ge⸗ 
ın von Kaifern und Königen mit Liebe gepflegt, bellehen mit weiten 
und Ländern; ja, als im Oſten das Feuer des heiligen Kampfes ſchier 
e, in den Falten Norden wandernd, um das Kreuz mit dem Schwerte 
en — gewiß, dies ift die Krone des Ritterthums. — Bor ben Kreuz 
ndeß ber Geiſt des Ritterweſens in den verfchiebenen Ländern hoͤchſt 
vefen. Anders ber feanzöfifche Ritter in feiner Leichtigkeit und Ge⸗ 
n echt romantifches Gewand ſich Fleidend, oft fo des Halte und ber 
‚entbehrend. Anders der ſpaniſche Ritter mit feinem heißen Blut und 
ı Beharrlichkeit, oft in ber Glut der Eiferfucht und Rache das Ziel Über: 
Der deutfhe Ritter mit feiner Rohheit und Ungefchliffenheit, aber 
ſchoͤnſten Rittertugenden, einer feften, unerfchütterlichen Treue, einer 
rkeit und Glaubensinnigkeit, konnte leicht feinen Nachbaren mehr mit: 
von ihnen annehmen. Wie lieblich ſchmolzen num nicht in den Kreuzs 
einzelnen Elemente in einander, und wie theilten fich nicht im Wechſel⸗ 
ationen gegenfeitig mit, ſodaß Jeder, bereichert mit den Vorzuͤgen Aller, 
ur das Vortreffliche und Hoͤchſte brachte. Selbſt die hohe Bildung 
landes und bie finnliche Verfeinerung der Saracenen theilte ſich den 
tittern mit, glättete manche rauhe Seite an ihnen ab und gefellte zum 
die gefällige Form, fodaß die feine Sitte und Lebensart, das ausge: 
terthum, erft von ben Kreuszügen an batirt werden muß. — Aber lei: 
e bald nad) den Kreuzzuͤgen das Ritterweſen ſinken und, vielleicht durch 
selzung ber Individualitäten zu einem ſchoͤnen harmonifchen Bild, in 
eit den Grund gelegt zu jener allmälig wachfenden Semeinheit und 
» Ritterroefen, die fhon in bem feltfamen Zreiben ber fahrenden, d. i. 
ıchenten, Ritter fi) ausfprach, und bald nady den Zeiten der Reforma⸗ 
ohne Mitwirkung des unlängft erft erfundenen, Muth und Tapferkeit 
eicht erfegenden Schießpulvers immer weiter überhanbnahm, bis jetzt 
: Name des alten Ritterthums noch übrig, der Geift aber längft ent» 
— Hehr und im Geiſt der alten Zeit, gleichfam ein trauernder Rieſen⸗ 
e bem Grabe bes eingefunfenen Ritterrefens, fteht der edle Goͤtz v. Ber: 
t ber eifernen Hand im 16. Sahrh. da. 
8 Ganze und ber Geift der Zeiten fo viel gethan hat, um einen Stand 
und ihn mit dem Köftlichften der Erde, gleich als den Erftgeborenen, 
„ da darf auch die holde Gabe der Poeſie nicht zuruͤckbleiben, und ein 
andy feinen Homer finden, derihn auf den Flügeln des Gefanges auf 
le trägt. Daß der Geift der Ritterpoefie größtentheild roman⸗ 
d nur im Norden einen eigenthuͤmlichen Geift aus der alten Welt mit 
mmen hatte, glauben wir u. d. Art. Romantifd zu zelgm. Mir 


. * 
nae Ritterweſen, Ritterpoefie 
bemerken hier nur noch, daß die Troubadouren im füblichen, die Krouven 
lichen Frantteich und die Minſtrels (Ministriers, Ministeriales, Hofle 
Ian feinen würdigern Gegenftand ihrer. Lieder finden konnten als bie 
Ritter, auf deren Schlöffern fie die gaftlichfle Aufnahme fanden, Jı 
nahmen felbft Harfe umd Zither und fangen dazu von ihrer Minne amt 
ten, In der Provence entſtand eine Cour d’amour, die bei den poeti 
tämpfen der Ritter. entfchieb, und Riebeslieder (ohanzons), Mechfelg: 
vor) ..Sihäferieten (pastourelles) ,. postifche Geſpraͤche (sirventen 
2, dgl, waren nur Vatationen der Liebe und Ritterlichkeit athmenden 
flatternde Bluͤthen und Biumenſtraͤuße am herrlichen Baume der Ron 
‚hen. die Dichter des. ſchwaͤbiſchen Zeitalter® in ihren Minnelledern ne 
Iand verpflanzten. Ernfter und. größer war die eingeborene Ritterpoefi 
,  »Deutfchlands und befonders der Nordländer. Im Nibelungenlled weh 
eheimnißvoll, ‚hexoifch, ethaben, grotesk, wie die Berge und Thaͤler | 
„felbft mit ihrem ımenblichen Schnee und ihren gefahrvollen Witbbahne 
„merkwürdige Eigenthümlichkeit erhielt die Mitterpoefie durch das Fabell 
derbare, das die Kindheit des Ritterweſens auszeichniete; bie Poefie th 
wie überall das Ihrige, um die Ungewißheit nody größer zu machen ı 
fhichtliche noch weiter hinein in die Dämmerung bes Sabelhaften ur 
baren zu. rucken. So Eamen die abenteuerlichen Dichtungen von 
Bivergen, von Feen und Zaubereen und Zauberinnen in den Kreis der 
und mie mögen wol zugeben, daß die Außere Wesanlaffung zu den { 
von den Arabern- kam, aber wir behaupten beffenungeadhtet, daß, wer 
nicht gewefen wäre, die. Ritterpoefie ſich ſelbſt diefe Dichtungen geſch 
würde. Die Dichtungen vom Zauberer Merlin, von den Rieſen un 
1 des Nordens ze. find gewiß unabhängig von jener Quelle aus dern 
den hervorgetrieben, _ Der Geift des Chriftenthums , zu dem Munt 
Beiten gefellt, fonnte wol kaum für Poefie ein andıes Refultat geben, 
diefe Mothologie war die einzig mögliche In einer chriſtlichen Mitterporl 
anders unter ben nordifchen, anders unter den füblihen Völkern audgeb 
durch aber begrlnbet fid) zugleich ein auffallender Unterſchied zwiſcher 
„Hoefie der frühern Jahrhunderte und der ber Kreugzüge, wobel jedoch n 
feben ift,. daß dem finnvollen Dichtergemuͤth auch der reingeſchichtliche 
fer legtern nicht genügte und darum, dem Geiſt einer fehr glaͤubigen 
meſſen/ bas fchöne Fabelfpiel jener Mythologie auch In bie poetifchen 
„gen ber je herübergenommen wurde. — Wir unterſcheiden a 
„Hauptarme der Ritterpoefie Epos und Roman, bie jedoch in ber That 9 
"find als früherhin in poetiſchem und fpäterhin in profaifhem Gew 
führte Epopdien, vielfältig an die „Slia8” und die „Obyffee” und die d 
‚menhängenden chlliſchen Dichter erinnernd. Die Rittercomane ſaͤmn 
von den Kreuzzuͤgen ausgenommen, bie feftern Grund und Boden habı 
für auch der poetifhen Bedeutung ermangeln, ſchweben auf der ſchm 
gelfen Babel und Dichtung, zwiſchen Wunder und Wirklichkeit, ı 
all einen cykliſchen Charakter an, fobag in ber That nur die Korn 
‘ob man Epopdie ober Roman anzunehmen habe. Auch nennen bie alt! 
Dichter Beides ohne Unterſchied Roman. Über die jugendliche Periobı 
wefens floß Roman und Epopdie in Eins zufammen; über bie Bluͤth 
: ben In ben Kreugzügen ſchied fidh zwar Epos und Roman etwas gen 
„yeun jenes allein In Taſſo ð unſterblichem Werke bie Palme erfiegte, | 
Roman, ein dichteriſches Bild ber felbft hoͤchſt wundervollen Geſchicht 
Bu doch auch hier kaum ein felbftändiges Sein erringen, und ı 
- J und Naͤrchen fehr nahe an die Sphäre wie des Epo6, fo der al 


Ritterwefen, Ritterromane : 355 


Wie kennen, wie gefagt, nur eine Epopdie uͤber das herrliche Nitter⸗ 
mmazbge, die alle andre Verſuche in die ſem Felde weit hinter ſich zuruͤck 
wie meinen das ſchon gedachte, Befreiete Jeruſalem“ von Torquato 
Meiſterſtuͤck, das den Namen feines Vfs. ſelbſt in dem Munde des 
nftexhlich gemacht hat. Was es aber ſonſt von Ritterepopoͤien gibt; 
riet iſt, das gehört, mit fammt den Oberon und Blliomberis und 
Neuern, dem zwifhen Roman und Spopdie ſchwebenden Befilbe 
5 von den alten, jugendlichen Zeiten des Ritterthums an, und alle 
gen waren wirklich urſpruͤnglich in poetifchem Gewande gegeben, aber . 
der, in Profa uͤberſetzt, die zahlloſen Scharen der Ritterromane. 
die Geſchichte der Epopdie zugleich Die Befchichte des Romans, und 
1, ehe wir biefelbe berühren, daß auch in dieſer Sphäre ber ital. Bes 
Meifſterſtuͤck feines Ariofto, dem „Raſenden Roland”, allen-anbern 
Hang abgewonnen habe. — Daß die Dichtungen über bie frühefle 
Nitterweſens fämmtlich einen cykliſchen Charakter haben, wird ame 
I, wenn wir den Fabelkreis der alteri Ritterromane ungefähr geſchicht⸗ 
men ſuchen. Nach Abzug der nordiſchen Sagem bleibt uns für ben 
ein breifacher Mythenkreis Abrig: der vom König Arthus, von Karl 
von den Amadiffen. Wir koͤnnen nicht mit Sicherheit beſtimmen 
als den erfien anzufehen haben. Vielleicht waren ſie fo ziemlich gleich⸗ 
e gewiß ift, daß fie drei von einander verfchiebene Fabelkreiſe dar⸗ 
woL auch jeder einem andern Volke angehört, obgleich fie in der Folge 
verfchlungen wurden. Wie koͤnnen mit Recht behaupten, daß wenig 
m beiden Cyklen fi an etwas Diftorifches anſchließen; und im dieſer 
Kört der Dichtung vom König Arthus, der Zafelrunde (ſ. b. A.) 
ber Merlin (f. db.) der Vorzug des Alters. Was vielleicht das eins 
Ihe in diefem Mythenkreiſe if, kommt ungefähr darauf zuruͤck, daß in 
fe zwiſchen den Britannien und Angelfachfen (von 455 — 582) um 
uglands Arthus der Befehlshaber der Britannier und der Letzte war, 
das Land ſeindr Vaͤter, das bald nach ihm den Sachen zu Theil wurde, 
Merkwuͤrdig bleiben in diefem Fabelcyklus die eigenthuͤmlichen Dich⸗ 
‚Banberer Merlin und vom heiligen Graal, eigentlich dem Becken, im 
Wi Blut bei ber Kreuzigung aufgefangen wurde (sang royal), nach⸗ 
eil er In den Befig der Ritter von der Zafelrunde gelommen war, mit 
jedentend, wodurch fich diefe Dichtung an die bibfifche Geſchichte un» 
Me aͤlteſte Chronik von diefem Fabelkreis ift von 1150, in der ven 
Place eder Euſtache, a. d. Lat. des Gottfr. v. Monmouth uͤbertragenen 
Bretons” oder im „Brut d’Angleterre” des Mob. Wace (Baffe) 
mb fehen wir auf den Schauplatz, auf welchen er fpielt, und nehmen 
Wifchen Farben, die dem Ganzen bei weiten ben fÜblic, remantifchen 
Dichtungen aus der Provence nicht geben, fo werben wir nicht ans 
als das Eigenthum der Normandie und Englands und als den näch- 
ch den nordifchen und deutfchen Sagen zu betrachten. Der zivelte 
die Blitterromane von Karl d. Gr. und feinen Paladinen, feinen 12 
wem er fid) an Karl d. Gr. Geſchichte, biefen Lichtpunkt In bes Ge⸗ 
Mittelalters, wirklich anſchließt, fo hat die Dichtung Nichte gefpart, 
ritterlicher Deldenmuth und Abenteuer zur Verherrlichung dieſer Zeit 
mie, und durchhin leuchten einzelne hiftorifche Sterne, 3. B. bie 
m RNenteval, in welcher Roland blieb, durch den lieblichen Zauber 
I, malt des Morgenlandes üppigen, ſchwellenden Bildern bereicherten 
choben. Die aͤlteſte Quelle dieſer Dichtungen iſt Turpin's fabels 
me, als deren Verf. der Zeitgenoffe Karls d. Gre, der Cerbiheot ve 















> 


07 Rituale Kivarol 


Rheims Turpin, an angegeben wird, bie aber wahrſcheinlich noch fpäter 4 
10. Jahrh., wohin fie von Vielen verlegt mworben ft, zuſammengeſtonpelt 
Allein aus: biefer Duelle ſchoͤpfte man erſt feine Ritterromane, al6_bie Re 
ſchon beendigt worden waren, gegen das Ende des 13. Jahrh. und nun 
die ſinnreichen Romane von Bertha mit bem großen Fuß, vom * 
ber Rinald von Montalban, die vier Haimonskinder, Huon von $ 
yon Mainz, Morgante der Riefe u.f.w. Kaum barf bemerkt werben, 
weich der Schauplag dieſes Romankreiſes ift und die provengafifde Z 
—ã in ihm den wirdigften Stoff fand, da Meifter Arioſto in 8 
4 ihn fo glaͤnzend verherrlicht bat. Hiſtoriſch wol völig w 
Hier —3 — der Amadiffe(f.d.), PR vielleicht dem Spaniem « 
gehert, und wenn ja die frangöfifche Einbildung ſich bie erſte Weucbeig 
AImabdis von Sallien im 13. Jahrh. nicht nehmen Iaffen mil, 8 * 
folgmben Nachahmungen: der Amadis von Griechenland, der F 
Birtanien, der Galaor, ber Floreſtan, der Eſplandian, rein ſpau 
. Man kann kein großes Ereigniß in ber Geſchichte finden, wela 
gen ſich anfchlöffen, und faft fcheint hier bie Komanenbidtung: 
—— in Samittengefhichten und Privatabenteuer heral 
eine erdichtete politifche —— und Verfaſſung nur als tee 
affung diente. Außer dieſen Romanen hatte die Ritterpoefie der. S 
Romanzen vom großen Cid, ihre Guerras civiles u. a x 
Deutfchland fein den nordiſchen Sagen verwandtes Nibelungenlicb u 
denbuch: S. Prof. Büfching’s „Worlefungen über Ritterzeit unb € ii 
(By. 4823, 3 Bde.); das an Notizen reiche, obtwel minder gruͤ 
Kitterweſen und die Templer, Johanniter und Darionız“ x. 
1822 fg., 2 Thle.), und „Mem. sur l’ahcienne chevalerie, per I 
Dar) Palaye’' (n. &., m. e. Einl. und hiſt. Anm. v. Nobier, Pas 
2 r 
— a n die römifche Kiccjenagenbe, bie die vorgefehriebenen 6 
enthält, die beim Bathol. Bottesbienft beobachtet Werben, 
hatten und haben noch zum Theil ihr eignes Mituale. Dann, 
As Geremoniel und fehriftliche Anordnung beffelben. 
s : Rivarol (Antoine), geb. 7. Apr. 1757 zu Bagnoles in 2 
eines Gaſtwirths, war Solbat, dann Hofmeiſter u. d. N. —** 
er jehoch wieder ablegen mußte; endlich führte ihn ber Zufall nach % | 
< gab er einen verfificiten, gegen des Abts Delille Gedicht: „Die Gärtn | 
teten Dialog: „Der Kohl und die Mühe”, heraus. Diefes, we “ 
Heimen Sachen, verhalf ihm zur Mitrebaction an dem berüßusten , 
Framee.' Als bie evolution ausbrach, ging R. 1790 nad £ 
nach Berlin, wo König Friedeich Wilhelm IL. und Prinz Heinrich (Mau 
richs U.) ihn mit befonderer Büte aufnahmen. Doch bebauerte ex oft Die} 
mung vom Waterlande. Er flarb d. 11. Apr. 1801 zu Berlin. Im BR) 
ter waren Eitelkeit und Eigenliebe hervorftechende Zuͤge; ſein⸗ * 
zu oft in Boshelt aus, wie u. a. bie von ihm verfaßte Parodie von ? % 
bejeugt: ein Werk, im welchem er mehr haͤmiſch alt witzig bie belamisfl 
henkhunteften eften Schuiftfteller und Schriftflellerinnen feiner Nation :omaui: 
wichtigſten feiner Werke find: 1) eine Übesfegung von Dente’t, „Hier, 
use in ſehr wenigen einzelnen Theilen den — — 
ai Necker über die Wichtigkeit eeligiöfer Meinungen und Doaft . 
„Almanach großer Männer‘, worin er gleichfalls meprrmals —— 
fosden Bügel laͤßt. Eine Abhandlung von ibm: 
‚ Jangus frangalse", welche einem franz. —ãæãS won. er * 




























Kivoli Rigzio 885 
ur Einleitung dienen follte, wurde 1784 von ber berliner Akade⸗ 


‚ ein menig bedeutender Ort in der venetian. Provinz Ubine, noͤrd⸗ 
a, zwiſchen dem Gardaſee und dem rechter Ufer ber Etſch, nahe 
„ bie von Trient nad) Verona führt. Auf der Hochebene bei Ri⸗ 
ve blutige Schlacht am 14. u. 15. Ian. 1797, zwiſchen den Öftreis 
ofen, das Schidfal von Stalin. Wurmfer war in Mantua ein: 
von dem Befig dieſer Seftung hing gewiffermaßen auch ber Beſitz 
md Wenebigs ab. Man bot daher Alles auf, irgendwo bie franz. 
nechbrechen und Mantua zu befreien. Alvinzy hatte beträchtliche 
Tirol geſammelt und gebachte über Rivoli vorzubringen, während 
orps unter Provera durch das Vicentinifche gegen Mantua bewegte 
bung beider Operationen Verona angreifen ließ, was aber bei der 
e6 Terrains ſchaͤrfere Berechnung der Zeit und mehr Beruͤckſichti⸗ 
ern und gefchicktern Gegners erfobert hätte. _ Napoleon hatte bald 
chſchaut und eilte mit allen verwendbaren Truppen zuerft auf Rivo⸗ 
zu verelteln, wo ſich Zoubert mit 9000 M. allerdings nicht lange 
men. Während Augereau auf den rechten Flügel bei Ronco, Ser⸗ 
neua und ein andres kleines Corps bei Verona die Öffreicher beobs 
en Rapoleon mit Maffena und etwa 22,000 M. bei Rivoli, wo 
6 Gorp6 des Ben. Joubert vermiuthete. Dieſes zu vernichten, hatte 
nr getroffen; die Divifion Lufignan, 2000 M. ſtark, umging es 
n, ein andres Corps „ 22,000 M. ſtark, in 2 Colonnen auf dem 
und die übrigen Truppen nahmen eine Stellung zwiſchen Caprino 
so, ben Franzoſen gegenüber. Napoleon benugte diefe Trennung 
e feines Gegners, der fie in dem aͤußerſt ſchwierigen Terrain nicht 
d zu verwenden wußte. Joubert und Bial eroberten Sans Marco, 
ner oͤſtreich. Stellung. Dagegen verloren bie Franzoſen auf ihrem 
errain, ihre Mitte wurde fogar erfchättert und wankte. Berthier 
b Gleichgewicht bald wieder her und Maſſoͤna gab dem linken Fluͤgel 
igkeit. Unterdeffen war bie oͤſtreich. Colonne durch das Etſchthal 
itete ſich auf der Hochehene vor Rivoli aus und bedraͤngte ben franz. 
Doch wurde dieſes Manoeuvre, durch die franz. Reiterei unter Le⸗ 
e und durch eine ruͤkwirkende Bewegung Joubert's von San⸗Mar⸗ 
Alein gaͤnzlich vereitelt, ſondern auch die oͤſtreich. Colonne zerſtreut 
hal zuruͤckgeworfen. Nicht beſſern Erfolg hatte die Unternehmung 
tſſignan. Schon bes Siegs gewiß, gerieth fie zwiſchen die Reſerve 
mad das Corps des Generals Ney, welches aus der Gegend von De⸗ 
blichen Gardaſee anlangte, und mußte ſich ergeben. Alvinzy ſelbſt 
Ne Stellung von Corona zuruͤckgedraͤngt und Napoleon hatte hinrels 
mehren und ben General Provera zu überwältigen, ber über Anghia⸗ 
genug gegen Mantua zog und am 15. bei la Favorite vor Mantua 
geſchlagen und mit 6000 M. gefangen genommen wurde, waß die 
Mantua felbft zur Solge hatte. Die Franzoſen hatten am 14. und 
WDR. Gefangene gemacht und 46 Stud Kanonen genommen. So 
reich. Heer in Italien faft ganz aufgerieben! Napoleon erkannte. 
ungen Mafjena’s bei Hivoli Durch ben ihm verliehenen Herzogstl⸗ 
x Schlacht inden „Memoires” (t. IV, p. 331.fg.) eigne kriegskuͤnſt⸗ 
Hungen gewidmet, bie genauen Aufſchluß über bie damaligen 


t geben. 5. 
Davib) (eigentlich Ricci), der Vertraute der ſchottiſchen Koͤnigin 
.Vaen feinem Water, einem armen Tonkimſtler in Turn, var 


zas ‚Robert 1. Ring von Sqezottland) 


Rute erzogen; jeichnete DR. ſich Hab vortheithaft I diefer · -enft aut 
ſich nad) Nizza, der damaligen Reſidenz bes Herzogs von Savoyen. | 
genoͤthigt, zu feinem Fortlommen als Bedienter bei dem Grafen More 
mals vom Hofe zu Nizza als Geſandter nady Schottkind gefenbet wurd 
gwnehmen. Sein Bere empfahl ihn der mufiktiebenden Königin Dean 
anfangs bei ihter Gapelle und nachher als Seeretair anftellte. Bald dei 
ſchlauen Staliener, fich die Gewogenheit feiner Monarchin zu erwerber 
dieſe Gunſt bis zu einer zaͤrtlichen Neigung gefliegen , iſt durchaus / une 
um fo imehr zu bezweifeln, da Rizlo's ANußeres nichts weniger al Tieben: 
weſen fein ſoll. Allein fo viel iſt gewlß, täglich ſtieg der Italienet in ber 
Ber Monarchin, und die Reichthuͤmer, mit denen ihn fle uͤberhaͤnfte, 
imnißvergnuͤgten Schotten um fo mehr gegen ben Fremdling auf, da Rizlı 
muthe zulegt fogar ‚allen Anſtand gegen bie Monarchin vergaß. Mar 
mals ihre Hand dem Grafen Darnley, vieleicht felbft nicht ohne R. 
geſchenkt, ber burch die Wahl der Koͤnigin hoffen durfte, in feinem Eh 
gefährdet zu werben. Denmoch erweckten R.'s Anmaßungen endlich 
Stolz und Eiferſucht, ſodaß er, durch bie gegen R. aufgebrachten 
Großen gereizt, dem Gehaßten aus der Wett zu ſchaffen beſchloß. Au 
ſellſchaft einer Hofdame mit der Konigin in ihrem Zimmer ſpeiſte trat 
umgeben von einigen bewaffneten Vertrauten, in das Zimmer; R. wi 
achtet die Konigin ihn zu befähligen bemüht zone, herausgeniffen und 
niebergeftoßen, waͤhrend Darnley die vor Schreck und Zorn ganz außer 
Maria in feinen Armen fefthielt. Dies geſchah 1567. Wi. ’s Ermoı 
Darnloys Tob-und er Marias Ungtäd zur Folge. : - 

Ä Robert J., König von Schottland, deffen —— — er 
ſtellte, ſtammte * dem alten Peruͤhmten Geſchlechte Bruce. Re 
1275 geb., waheſcheinlich diente er in feiner Jugend unter dem Deere 
von Erisland,. dem fein Bater, Mobert Bruce, ergeben war. - Als E 
ter und Anſpruͤche feines Vaters, machte ee tühne Entwürfe für Schu 
feetung, verieß den Hof Eduarbs und gi g 1305 nadı Schottland. 
Zuſammenkunft mit feinen Anhängern Dumftied im Febr 1306 ° 
“ Grafen Cora ober Cumming von Badenoch, welcher, tie einige © € 

Plage Moberts Plane dem Könige Eduard vetrathen hatte, 
Hietauf belagerte er das Schloß Dumfries, verhaftete die Bei 
—8 die dort verſammelt waren, und erhob feine Anſpruͤche an € 
Krone. Bald fland er an der Spige einer Heeresmacht, mit der eı 
vorbrang, und warb zu Scoon feierlich gekroͤnt. Allein der engl. Gen 
v. Valence, Graf v. Pembroke, ſchlug Brute's Truppen bei Methre 
ſhire gänzlich. Bruce mußte fein geringes Gefolge ntlaffen und fluͤch 
ner unbewohnten ‚hebribifchen Inſel. Drei feiner Brüder und mehr 
nehmſten Anhänger wurden als Verräther hingerichtet. Beine Gem 
Tochter und 2 Schweſtern wurden in den Kerker geworfen. Ploͤtzlich 
wieber an ber Spige einer kleinen entfchloffenen Mannſchaft auf feinem 
rick, wo er einen engl. Großen gefangen nahm, der mit diefer Wefigen 
‚worden war, 309 ſich aber bei der Annäherung engl. Truppen wieber is 
land zuruͤck. Eduard rüftete fich jetzt zu einem ‚Deeredzug nach Schot 
der an feinem Hofe befindliche Cardinallegat that Robert und deſſen? 
den Bann. Allein im Fruͤhlinge 1307 kam Robert mit verfiärkter D 
Gebirgen hervor, ſchlug den General Anmar v. Valence und 
dv. Glouceſter in der Feſtung Ayr. Bald darauf flarb Eduard I., eff 
Sohn, Eduard I., den Krieg gegen Schottland mit wenig 


M vorr« fich Btobert die weittichen Landfchaften ——æ—— 


— 


Robert (Ludwig) 857 


it feines tapfern Freundes, James Douglas, und brang weiter im 
u feine Feinde vor; aber eine lange Krankheit hinderte feine Fortſchrit⸗ 
wurde von ben Cummings in einer feiner Feſtungen belagert. Sein 
meb erhielt indeß mehre Vortheile gegen den Feind. Als R. wies 
jkeit kam, fchlug er feine Widerfacher bei Old Meldrum, bemaͤchtigte 
ung Inverneß und ber nördlichen Gegenden, und als er endlich auch 
erth und die Feſtung Forfar eingenommen hatte, mußte ganz Schott: 
usſchluß weniger Seftungen, feine Oberherrfchaft anerfennen. Der 
Ichen Eduard II. im Herbfte 1310 nach Schottland unternahm, war 
Endlich nöthigten ihn Unruhen in England, mit Schottland einen 
and zu ſchließen, ben Robert benuste,. um feine Macht zu befeftigen. 
1314 waren nur noch die Feftungen Dunkar, Stirling und Berwid 
m ber Engländer. Im uni d. J. fiel Eduard II. mit einem fo gro: 
Schottland ein, wie noch keins von England aus Schottlands Gren⸗ 
tten hatte. R. belagerte eben Stirling. Sein Heer, viel gerins 
» aber aus alten geübten Truppen beſtehend, erwartete den Feind 
des Bannod auf der Straße von Stirling. Hier kam es zu der ge 
: von Bannodburn, in welcher R. den entſcheidendſten Sieg über 
r erfocht. Eduard ſelbſt entkam nur mit Mühe. Die Zahl der vor⸗ 
angenen war fo groß, daß M. feine Gemahlin, feine Tochter, feine 
nebſt andern hohen Perfonen, die in Eduards I. Gefangenfchaft ge: 
‚ auswechleln konnte. R. verfolgte feine Vortheile bucch einen Ein⸗ 
ab, wobei er die nörblichen Graffchaften ohne Widerftand verwuͤſtete. 
er auch feinen Bruder Eduard mit einem Deere nach Irland den Ein: 
Dülfe, um fi von Englands Herifchaft zw befreien, welche Unters 
sch mißlang. Englands innere Zwiſtigkeiten verhinderten einen kraͤf⸗ 
\s ſich wegen bes Verluſtes bei Bannockburn zu raͤchen. Nun wollte 
sen Frieden zwifchen beiden Königreichen vermitteln, weil aber. die 
a Roberten nicht den koͤnigl. Titel gaben, verwarf er ihre Vermitte⸗ 
je mit ben Beindfeligkeiten gegen England fort. - Endlid) ward 1323 
= Waffenflilftand mit diefem Reiche gefchloffen, Robert jedoch nicht 
ger König anerkannt. Nach Eduards II. Tode brach er (1327) felbft 
illſtand, verwüftete England und zwang Eduard IL. zum Frieden, in 
x allen Anſpruͤchen und Rechten auf Schottland entfagte und die Uns 
biefe® Reichs und feiner Könige anerkannte. Zugleich wurde Roberts 
ib, mit Eduards Schwefler verlobt. MR. ſtarb, nach einer 24jähr. 
1329, in einem Alter von 54.3. mit dem Ruhme, feinem Volke 
er ſelbſtaͤndigen Nation wiebererfämpft zu haben. 
et ig), geb. zu Berlin 1779, empfing ſeine erſte Bildung da⸗ 
a franz. Gymnaſium und beſuchte die Univerſitaͤt Halle. Im Berlin 
'8 eifriger Schüler, deſſen Philoſophie fein Leben und feine Dichtung 
one fich eine vorgefchriebene Laufbahn zu erwählen, folgte er, wie f. 
Lage ihm geftattete, lediglich der Neigung zur Dichtlunft. Seine 
ſchen Arbeiten erfchienen in dem „Drufenalmanady” von Chamiffo und 
fir 1804. Nachher wurde in Berlin ein Luftfpiel von ihm aufgeführt: 
beten”, eine neue Bearbeitung von DMoliere’8 „Precieuses ridieules”. 
arauf, nachdem er Wien und Hamburg kennen gelernt, Holland und 
Bon Paris riefen ihn die Ungluͤcksfaͤlle 1806 in die Heimath zurüd. 
ı von ihm nad, unbebeutenden Verſuchen auf der Bühne: „Die 
kechältniffe”, ein Trauerſpiel in Profa, welches wol als das gehalt: 
| ichfte Werk des Dichters zu betrachten if. Das J. 1813 
R. zu politifcher Thaͤtigkeit. Bei einer Gefandefchaft im (üblichen 
Bicbente Aufl. 8b. IX. 22 


[4 


— 


6. Robertfon _ Röbeöpierte 


Deutſchland hatte er Gelegenheit für die vaterlänbifche Sache elfcig ı 
Die Ereigniffe gaben zugleich feiner Muſe neuen Stoff und veramlaßtei 
'pfe der Zeit“, 12 Ged. 1817. Nach wieberhergeftellter Ruhe kehr 
uiſabhaͤngige Lage und zur Dichtkunſt zurüd. Auf einer durch Deu 

het Gattin unternommenen Reife hielt er ſich anfang6 in Dresden a: 
Berlin; von hier kehrte er nach Karlöruhe, feinem gegenwärtigen U 
ruͤck. Unterdeſſen war fein „Blind und lahm“ mit Beifall gegeben wo 
rend ber betzten Zeit theilte er, ohne ſich zu nennen, Eritifche Gorrefpo: 

im „Morgenblatte” mit; bie Bebichte an Tied, „Spaziergänge in Ber 
nen unter feinem Mamen. Auch, fallen in diefe Beit die Gedichte in den 
then“ und der „Caſſtus und Phantaſus (Merlin 1824). Ein großer 
dichteriſchen Arbeiten ift noch ungebrudt. Das Ungtäd, was fo Bi 

in ihren kroniſchen Schöpfumgen von ihrem Volke nicht verftanden zu | 

zum Theil auch N; verfolgt. Im Bangen iſt das epigrammatiſch 
Ibm das vorherrſchende. Praͤciſion im Ausdruck charakterifirt feine 
um. wie benn auch Hier feiner Vorliebe für ben Alepandeiner ı 
Rerfhaft in Ausbildung deffelben gebacht werben muß. 
Robertſon (William), der berühmte Sefcyichtfchreiber, geb 

4721, widmete ſich anfangs der Theologie. Sein Hang zu den W 

erregte Aufmerkfambelt, und ſchon fein Wahlſpruch: sine liter 
den er in alle feine Hefte ſchrieb, bewies feinen Eifer für die Wiffenfch 

fehr jung, erwarb er ſich durch feine nachher im Druck erfchienenen Pre 

Beifall; doch zeichnete er ſich auf dem Felde ber Geſchichte befonbers c 

Unparteilichkeit umb Unrficht, die In feinen Werken herrſcht, die fein 
de Tharakteriſtik des moralifchen und pofitifchen Zuſtandes der Nati 
"Yediegene, Eräftige Sprache weifen ihm einen ber ehrenvollſten Plaͤ 
Sifeiten neuerer Zeit an. Seine Geſchichte Karls V.“ (im Origi 

1,3 Bbe:, 4.5 beutſch mit Anmerk. von Remer 1778 u. 1792 - 

"zeigt fehr ehrenvoll die Kenntniß des Verfs. und fchilbert den damal. p 
von Europa mit kritiſchem Scharfſinn. Ein gleiches Lob verdient fein 

von Schottland unter der Regietung der Marla Stuart und ihres So 

(London 1759,2 Bde., 4., Zufäge 1787 u. mehrmals). Noch hat man 
SDefchichte von Amerika” (London 1777, 2 Bde, 4., Zufäge 1788) m 

ungen Über die Geſchichte von Indien”, die, forte feine andern WR 

fanden. Robertſon ftarb 1793 als Dr. der Theologie und Principal 

tät Edinburg, welche Tegtere Stelle ev 32 J. bekleidet hatte. S. I 
* „Acoount of the life and writings of W. Robertson” (£onden 180! 

Robespierre (Marimilien Joſeph), geb. zu Arras 1759, de 

Heberlichen Abvocaten, der nad) langem Umherfchtweifen in Märchen fl 
junge R. auch feine Mutter verloren hatte, fo nahm fich der Bifchof v 
ner an und bewirkte, daß er ind Collegium Louis-le-grand zu Part 

men wurde. Schon in feiner Jugend zeigte R. einen verfchloffene 

ſtudirte aber gut, und einer ſeiner Lehrer, ein eifriger Bewunderer der 
lobte feinen Hang zur Unabhängigkeit und Gleichheit. R. Fudirt 
warb Advocat und prafticirte in f. Waterftabt, wo er u. X. eitten Pro 

Schöffen der Stadt St.⸗Omer gewann, die aus altem Wahne bie Bi 
ſchaͤblich hielten und nicht dulden wollten, In f. Schupfchrift für bi 

fprach er von Ludwig XVI. mitgroßem Lobe. 1784 tuug er zu Amine | 

die befte Beantwortung ber Frage bavon: woher es komme, daß bie 
. Strafe eines Verbrecher auf feine Familie zurkcfänt. Attardlig warl 
che entfchiebener, er griff verfchiebene Mißbraͤuche an, fein Charakter 
tiger Republitanismus fprachen fi aus. Er ward baher zum Abg 


Robcöpierre 339 


aft Arras beiden Generalſtaaten ernannt (1789). Als Mitglied ber 
a und felbft noch der gefeggebenden Verſammlung erregte er jeboch 
es Aufichen. Zwar z0g er die Aufmerkſamkeit ducch mehre Meden 
B. über das Erbrechen der Briefe, Aber die Drudfreiheit, über vor- 
chwoͤrungen (ein Thema, über idelches er beflänbig ſprach), über das 
: Stellen, über das Recht, Krieg anzukuͤndigen und Frieden zu ſchlie⸗ 
auch widerſetzte er fich dem Grundfage ber Unverleglichkeit der Pers 
ardyen; doch behauptete er damals noch, die monarchiſche Regierung 
e, bie einem fo großen Staate wie Frankreich zukomme. Sin einem 
rte jener Zeit: „Les grands hommes du jour”, wird er gefchilbert 
hemme roide et apprete, petit esprit sec et pointu, petit ca- 
äsitionnaire et acariätre, folglich als ein bloß Bleinlicher Menfch, 
ıde, aber auch keine Bewunderer habe, und wenn er etwas Auffals 
Andern nachrede. Sogar Mirabeau, dem er ſich gern anfchloß, fol 
aoch verfannt umd wenig geachtet haben. Zu bemerken ift es auch 
in jener Zeit auf die Abfchaffung der Todesſtrafe drang und fich übers 
mäßigt zeigte. Man wollte ihn zum Öffentlichen Anklaͤger beim Gris 
ernennen. Er ſchlug diefe wichtige Stelle aus. Aber damals ſchon 
mit Marat und Danton verbunden, nahm lebhaften Antheil an der 
Uſchaft und gab ein Journal: „Der Vertheidiger der monarchifchen 
‚ heraus. Er warb nun (Sept. 1792) Mitglied des Convents unb 
fuͤrchterliches Leben eigentlich, an. Sept dußerte er ſich als der Ärgfte 
‚ verfolgte den König auf die wuͤthendſte Art, drang auf feine Hins 
verwarf allen Aufſchub. Nach der Hinrichtung des Königs fchlug er 
ze koͤnigl. Familie und die Girondiſten vor das Revolutionsygericht zus 
btere hatten ſ. Herrſchſucht ſchon geahnet und ihn im Gonvent des 
© Alleinherrſchaft befchulbigt; daher zuhte R. auch nicht, bis er 
gerüft gebracht hatte. Von nun an beherrfchte er wirklich den Na⸗ 
‚ Die parifer Gemeinde war ihm ergeben. Es wurde unter feiner 
asichuß für die Öffentliche Wohlfahrt, nebft 12 Commiffionen errich⸗ 
dt die Schredensregierung begruͤndet. R.'s Helfershelfer errich- 
He in den Provinzen, welche, wie ber Wohlfahrtsausfchuß in Pas 
hörteften Grauſamkeiten und Ungerechtigkeiten verübten. Die Des 
Dantoniften, die ihm anfangs fehr behülflich gewefen waren, wur: 
hin verbädhtigund ebenfalls Schlachtopfer f. Bilutgier. Den National 
e er nun mit Recht feine Decretömafchine nennen. Er herrfchte ganz 
md fprady wie der Gebieter Frankreichs. Indeſſen merkte er, daß er 
und um fi) dem Volke zu nähern, befchloß er einen Schatten von 
der einzuführen, worauf das berüchtigte Decret erfchlen, worin die 
höheres Weſen anerkannte. Diefer kluge Einfall that große Wirkung, 
des höhern Weſens wurbe in der That mit vieler Feierlichkeit bes 
ei R. eine Rebe hielt, die feine eben nicht fehr religioͤſen Abfich⸗ 
xutlich angab. Man rieth ihm, ſich zumeilen zu Pferde zu zeigen, 
Zruppen wegen. Er verfuchte deßhalb reiten zu lernen, allein es 
sicht gehen. eig war er überhaupt; daher auch feine Tyrannei.nicht 
Da fich feine Grauſamkeit über alle Parteien erfiredte und er ohne 
munbe und Feinde würgte, jene, weil er neidiſch auf fie war, und 
fie fuͤrchtete, fo hatte er bald alle Parteien gegen fich, und fo groß 
recken war, den feine Macht einflößte, fo war doch das Elend zu 
Unterdruͤckung zu ſchmachvoll, ale daß die Klagen nicht hätten laut 
ſelbſt im Convente. Schon war ein Mäbchen, Namens Ge 
‚in R.'s Wohnung ergriffen worden, das 2 Meſſer bei ſich hatte 
22 * 


m 





-- =--=- --—— —— — — 200. 


Weryeet: „„DETUNIEE it DEM aꝛyrannen! Er ſtieß einige Brohun 
wurden nicht mehr gefürchtet. Jetzt ward ein Anklageberret g 
tigt, und er mußte ſich mit Couthon und St.⸗Juſt, mit feine: 


und Lebas vor die Schranken begeben. Das Gerücht von fein 


tionalconvent verbreitete fi in Paris, noch ehe die Sigung zr 
Gemeinde der Stadt, die ihm ergeben war, begab ſich aufs £ 
Sturmglode läuten und verfammelte eine Menge Bewaffneter a 
Hentiot, ber die Nationalgarbe befehligte, ruͤckte mit derfelben 
9n; allein der Haß gegen ben Tyrannen düßerte ſich fo laut, 
um benfelben zu retten. R. ward alfo im Conventöfaale verhaf 
rief: „Die Sauner triumphisen; die Republik ift verloren!’ D 
Insemburger Gefängniffe; allein hier weigerte ſich der Auffehe 
Vorficht, ihn aufzunehmen. Die Zahl feiner Anhänger vermeh 
warb überwältigt und R. von feinen Befreiern auf das Rath 
die Gemeinde daſelbſt ihren Sig hatte, fo ward gefchworen, | 
gen den Convent vertheidigen. Allein umterbeffen erklärte ihn 
Acht, und Barras befam Befehl, ihn aufs neue zu verhaften. 
mit feinen Batalllonen; das Dunkel der Nacht begünftigte ihn 
Verſammlungsſaal. Hier fol fih R., wie auch Lacretelle 


nen mit unficherer Hand geführten Piſtolenſchuß die Kinnlade ; 


Drubhomme hingegen, in dem von ihm herausgegebenen „‚Dic 
que”, behauptet, ein Gendarme, Namens Meda, habe fich 

zugebrängt und, da er R. in einer Ede bemerkt habe, auf 
fen. Bon da.ward der num ohnmaͤchtige Thrann zum Woh 
Gonventöhaufe gebracht und hier auf einen Tifch gelegt, wo e 
Lage bi zum andern Tage liegen blieb. Zu den Schmerzen 

bem daraus erfolgten Fieber kamen noch die Schmähungen di 
die Verhöre feiner vorigen Eollegen und Untergebenen. Am : 
Nachmittags ward er mit 22 feiner Mitfchuldigen zum Blutger 
Geſicht mar ganz entftellt und feine Augen faft augefchloffen. 


Robinſon, Robinfonde 941 


be Stimme, dern Rauhheit er aber durch Bemuͤhung bedeutend ges 
Er declamirte gut, befaß aber übrigens Feine Berebtfamkeit. Was 
d, after und Verſchwoͤrungen oft vorbrachte, war Geſchwaͤtz. Übers 
ein mittelmäßiger Redner... Unvorbereitet Eonnte er faft gar nicht res 
sonie war feine Pieblingsfigur; auch miberlegte er oft mit vieler Ges 
te Gründe feiner Gegner; übrigens mar fein Ideenkreis fehr bes 
muß weder ale ein Ungeheuer ohne Talent und Charakter, noch 


kter Ufurpator angefehen werden. Er war keins von beiden. „Nies 


in Geſchichtſchreiber, der Ihn gefannt hat, „hat beffer die Kunft vers 
Befinnung des Volks zu lenken und fich eine fo außerordentliche Pos 
rwerben. Mit Huͤlfe diefer Popularität lenkte er die Schritte des 
&, 309 den unbeftändigen und aufrührerifchen Pöbel an fi), machte 
end, um bie Tyrannel zu gründen, und verhinderte die Weifen laut 
dem er ihnen die Gefinnung der Böfen zeigte. Er brauchte die Hes 
#6, die Chaumette, um Alles zu desorganiſiren, um Alles zu zers 
‚ Sefebe und Religion, und ihr Lohn war — Schande und Tod! Er 
he Anklaͤger, ihr Nichter und faft ihr Denker, erklärte ſich für ben 
es Sottesdienftes und der Moral. Er verfanmelte um fich her bie 
te der von ihm zerflörten Parteien und beſtimmte die gefälligen Die: 


annei zur Todesſtrafe!“ Mobespierre’s jüngerer Bruder hatte zwar 


tnicht, wär. aber nicht minder zum Despotismus geneigt, half ihm 
seiten vollziehen, ward mit ihm gefangen, fprang aus einem Fenſter 
5 hinaus, brach ein Bein und warb verlegt, wie fein Bruder , zung 
bieppt. An den beiden folgenden Tagen hatten nach 83 feiner Ans 
 Schidfal. 
fon. Die erfte deutfche Überfegung des Robinfon Cruſoe aus dem 
1724, worauf in den naͤchſten 50 3. wenigſtens 40 deutfche Rob. 
frt (barımter auch ein juͤdiſcher, ein mediciniſcher, ein Buchhaͤnd⸗ 
Ferngfernrobinſon) gedruckt morben find. - Diefe Robinſona⸗ 
a Erzählungen ſeltſamer Abenteuer zu Waffer und zu Lande. Zu 
folgende Begebenheit Veranlaffung: Alerander Selkirk, aus Largo 
‚, geb. um 1680, diente von Jugend auf zur See, begleitete- al6 
m den engl. Seefahrer Dampier nad) dee Suͤdſee, gerieth mit feinem 
n in Streit und ward 1705 auf der damals unbewohnten Snfel 
des, hinter Chile, zuridgelaffen, nach einem einfamen und kuͤm⸗ 
mthalte von 4%. u. 4 Mon. 1709 vom Gap. Woodes Roger, bet 
ms die Welt, wieder an Bord genommen wid nach 2 Jahren nach 
Egebracht. Selkirk beſchrieb hierauf feine Begebenheiten und über: 
ve einem Schriftfleller, Daniel de Foe (ſ. d.) zur Durchſicht, um 
zu befördern. Diefer entwendete aber daraus die Materialien zu eis 
und gab dem betrogenen Seefahrer feine Paptere zuruͤck. Er änderte 
d Namen, verlegte die Scene auf eine der Karalben beim Ausfluffe 
bannte feinen Abenteurer Robinfon, ließ ihn burd, Sturm u. Schiffs 
aſchlagen werden, verlängerte feinen Aufenthalt bis auf 28 Fahre, 
ſchichte rückwärts in die Mitte d. 17. Jahrh., woraus denn bie Ge: 
Minfon Grufoe entftand. Rouſſeau fand diefes Buch befonders em» 
für feinen &mil. Auch ift es vorzüglich geſchickt, dem jugendlichen 
wendigkeit einer frühen Gewoͤhnung zum Fleiß und Aufmerkſamkeit 
mb bürgerliche Gefchäfte, zur Unabhängigkeit von aͤußerer Bequems 
Mirdigung der wahren Güter des Lebens, zu Gebet und Vertrauen 
Hung, zur Übung des Erfindungsgeiftes, zur Schäguks mancher 
bohlthaten be& gefeltfchaftlichen ebene und viele. heilſame Exietyonat: 





‚Saffungöfrelfe ber Kinder weniger angermefiene Umarbeitung Wege 
„Robinſon (ir John Frederik), Lord Goderich, geb. 17 
Mathfolger als erfter Miniſter, ift der jüngere Sohn von Thom. 
Abkoͤmmling einer alten Kamilie, ber im Apr. 1761 mit dem } 
tham zur Pairie erhoben wurde. Sir John wurde Mitglied des Pa 
für den Flecken Bipon, und feit 1813 flet6 wieder erwählt. Unte 
trat er in eine der fecunbairen Stellen bes Dinifteriums. Beim ? 
reagh's war er Präfibent bes Handelsbureaus, und als Vanſittar 
ley erhoben wurde, folgte, ihm R. als Kanzler der Schatzkammer. 
im Apr. 1827 erſter Lord de⸗ Schatzes ward, erhielt R. den Lorde 
nes Viscount Goderich. Er ging jetzt aus dem Haufe ber € 
Oberhaus uͤber und erhielt das Miniſterium der Colonien. R. w 
lich, der ſ. Freunde Huskiſſon in ſ. Bemuͤhungen zur Seite 
alte Monopol: und Prohibitivſyſtem des engl. Handels abzuſchaff 
Rochdale, Marktfl. in dem gewerbreichen Lancafhire, a 
GSanal gi. R., einft Lord Byron gehörig, mit 12,000 &., iſt 
Flanellweberel ein merkwuͤrbiger Punkt, in der Nähe von Danc 
pool, auf Großbritaniens Culturcharte. Diefer Ort und die um 
verforgen faſt ganz England mit Flanell und Boy. Nach dem „Ed 
journ ”, Juli 1824, werben dafelbft wöchentlich ungefähr 20,0C 
und Bon (Baise), jebes zu 46 Darbs (zu 3 Fuß) verfertigt 
47,840,000 Yarbe! Davon nimmt man an, daß 17,840,001 
« führt werden. Die übrigen 80 Mil. bleiben in England. Der 
zen Fabricats ift ungefähr 3 Mill. Pf. St., und der Werth der‘ 
Hälfte des Verkaufpreiſes, ſodaß fuͤr Di, Spinnen, Weben u. 
RL Pf. St. verbient werden. 
Rochechouart (Krangoife Athenaie de), eine der Geliebten 
aus einer fürfli. Familie, anfangs bekannt u. d. R. Madame de $ 
te, nach einer Beſitzung ihrer Familie. Ihre Schönheit zeichnete 


“la Ihua suenmnnchana ò euch arteulice Mueksh2rus ÜÄla ma 


DBie UNONLEIPAN ‚Hatte DIE ZA Xquiete vexoraugt uno ELTILHE vurch Die 
und dann durch die Marquife de Maintenon daffeibe Schick⸗ 

le XIV. befahl ihr 1680, den Hof zu verlafien;. fie ſtarb 1707, 66 
Beurhen, two fie bie Bäder gebrauchen wollte. In ben legten ehem 
3 fah fie auf den Verluſt ihrer Gunſt ſtandhaft hin. Die Religion 
npfimdungen der Neue und felbft der Demuth ein. Der Marquis be 
an welchen fie auf Verlangen ihres Beichtuntesg, des Paters be In 
eb, wollte nichts von ihr wiſſen; indeß trauerte. fie dennoch um feinen 
e MWine⸗ Nach und nach widmete ſie ſich ganz den Armen, arbeitete 
e Stunden des Tages und ließ ihre welbliche Dienerſchaft für fie arbei⸗ 
ehemals mit liberfluß verfehene Tafel ward einfacher; fie vermehrte 
und Gebete. Ihre Buͤßungen waren anhaltend; doch konnte ſie das 
x Königin nicht verleugnen. Sie hatte in ihrem Zimmer einen einzi⸗ 
N, we fie die Huldigungen der Großen, der Prinzen und Prinzeſſin⸗ 
‚ ohne fich ſtoͤren zu laſſen und ohne ihnen das Beleite zu geben. Reize, 
waren, erhöht durch feine Höflichkeit und treffende Spiele bes Wigeh, 
vas ihr Hochmuth Hartes haben konnte. Gie erhielt ihre Schdukeit 
beit bis zu den Ickten Tagen; indeß glaubte fie immer, fie fei krauk. 
ye unterhielt in ihr ben Geſchmack am Reiſen. ‚Das legte Mal, als . 
wrbon ging, bezahlte fie auf 2 Jahre bie Penfionen ihrer Mibtäi- 
I fie überzeugt war, daß fie nicht zurüdlommen würde. Sie hatte 
kerwahl einen Sohn, der u. b. N. Herzog von Antin bekannt u unb befs 
amenfchaft 1757 in feinem Enkel enbigte. Ma: 
efoucauld. Diefe Zamilie zählt feit dem 11. Jahrh. in Rriegb- 
Henften, fomwie im gelehrten und im geiftlichen Stande —— 
Wir nennen nur zwei: 1) Franois VI., Herzog von La Rochefou⸗ 
3 von Marfillac, geb. 1603, war buch Geiſt und Tapferkeit eine 
wu3..Dofs. Seine Verbindung mit der berühmten Herzogin v. kLongue⸗ 


hen, fich in die Streitigkeiten der Fronde zu-mitfchen, wobei er in eis 
ke hetmaha Fiir immer had Moficht noriaren Hätte Minch Kisten Tine. 





bau; die Manufactmeen, ben Kunſtfleiß unb die polttifchen und woht 
richtungen derſelben betraf, genau befanntmachte. Mach dem 1 
kehrte er über Hoͤland, Dänemark und das mördliche Deutſchland mr 
zuruͤck, lehnte aber alle Anträge Napoleons, ber ihn in feine Nähe 
ab, nahm von ihm’ bloß den Orden der Ehrentegion an und befchäf 
fchließend-mit ber Ausfuͤhrung von Planen, wozu fein Aufenthalt in 
Amerika ihm die Ideen gegeben hatte. Seine eignen Güter fand er z 
nicht aber die Güter feiner Gemahlin, welche fi zum Schein von 
hatte. Auf diefen legte er nun Spinnereien von Baumwo engarı 
"Art, an und erwarb ſich dadurch große Verbienfte um den franz. Kunf 
reich verdankt ihm vieles Gute, was er aus England und Amerika 
land verpflanzte, vorzäglic die Einführung der Schußblattern; | 
Präfident vieler wahlthätigen Vereine, verlor aber dieſe Stellen du 
ſter Sorbiere, weil ec mit den Maßregeln der Miniſter nicht uͤbe 
dachte. Seitdem lebte er zu Liancourt, wo er ſich ber Leitung mehpe 
geimbeten mohlthätigen Anftalten widmete. Er war ber Erſte, der 
1826 eine Normalſchule für angewandte Geometrie und Mechanik ;ı 
dete. Diefer von den Ultras verfolgte Breis farb zu Paris den 26 
tt einem Alter vön 81J. und ſelbſt fein Leichenzug ward durch) 3 


t. 

Roche⸗Jacquelin (Graf Henti ve ta), geb. d. 30. Aug. 
tillon in Poitou, und feines Bruders Lokis Gemahlin, Marie %ı 
R, Marquife de ta R.⸗J., geb. Donniſſan, geb. zu Verſaille 
1772, haben fi in dem Wendeekriege großen Kriegsruhm erwo 
—— eines der Haͤupter der royaliſtiſchen Partei in dieſem Buͤr 
er d. 2. Mär; 1794 von einem republikaniſchen Soldaten in einem? 
tödtet wurbe. Dee Name La Roche: Sacquelin, feinen Anhänger 
‚den „Helden der Wenbee” nannten, vor allen andern werth, wi 
in ihren kriegeriſchen Geſaͤngen gefeiert, imd die, welche ihn uͤberleb 


nam (ich Cainan nadı bie mich anhar nl mit [mthufiaamıd __ STDA 


Rochelle Rochlitz 845 


nziehend. Der Baron La Motte Fougue hat ſolche auszugsweiſe übers 
in zweiter Bruder ded Grafen Henri war Augufte Graf de la R.⸗J. 
Er focht unter Napoleon in Rußland und warb gefangen, trat dann 
ite der Bourbons und reiste 1815 die Vendee für fie zum Aufftand. 
andirte er in Spanien eine Gavaleriebrigade. Die Kamille La Roche⸗ 
werde 1815 durch die preuß. Armee von dem Öfficiercorp& berfelben ſehr 
#5 dem älteften Sohne der Marquife warb 1817 von bem preuß. Ge⸗ 
Paris im Namen deffelben ein prächtiger Degen, als Zeichen ihrer 
ng für diefe Heidenfamilie, feierlich überreicht. Außerdem weihte das 
kercorpe dem Andenken des tapfern Henri Roche⸗Jacquelin 2 Candela⸗ 
ariſchem Marmor. 
elle, La, Handels» und Seeftabt im Depart. der untern Charente 
H, am atlantifchen Deere, ift ftark befefligt und gut gebaut. Dee 
iſt einer der fchönften Öffentlichen Pläge in Frankreich. R. hat 6 Kies 
wiſſenſchaftliche Anſtalten, eine Schifffahrtöfchule, ein Naturalienca⸗ 
Häufer und 17,500 Einw., welche außer einer Zudkerraffinerie, Fayen⸗ 
söfabrik, lebhaften Seehandel treiben. Dee Hafen, welcher durch 2 
me vertheidigt wird, ift fiher und bequem, aber nur bei der Flut gut 
In den bürgerlichen und Religionskriegen Frankreichs, zu den Zeiten 
us dem Haufe der Valois, forsie unter den erften Bourbons, war R 
mb Waffenplag der Hugmoten bedeutend, bis es sınter ber Verwal⸗ 
elieu's (f. d.).nach einer 14monatlihen Belagerung, in welcher 
mfchen vor Hunger und Elend geflorben waren, den 29. Det. 1628 
e ber Katholiten kam, wodurch der Untergang des veformirten Partei 
b entſchieden ward. Ein großer Theil der Bewohner flüchtete damals 


efler (John Witmot, Graf v.), einer der witzigſten engl. Satytiker 
) einer ber zügellofeften Wuͤſtlinge, welche den üppigen Hof Karls IT. 
geb. 1648, geft. 1680, zeigte ſchon in der Jugend feltene Fähigkeiten. 
be Frankreich und Italien, kam zuruͤck, nahm Kriegsdienfte und führs 
Mr nicht ohne Auszeichnung, überließ ſich aber der entehrendſten Lebens⸗ 
chwaͤchte dadurch feine Geſundheit fo fehr, daß er In der Blüthe feines 
a fant. Das Beſte, was er gefchrieben hat, find ſeine, jedoch + 
R, ne (Zondon 1714); feine Gedichte find zu fhmusig, als 
Lefens dürften gewürdigt werden. Kurz vor feinem Xode ließ er den 
t Salisbury, Burnet, kommen, um als reuiger Suͤnder fterben zu 
we Belehrung wurde in ber Folge durch eine Schrift von demſelben 
entlich befanntgemacht... 
‚Lig GFriedrich), großherzogt. fachfensweimarifcher Dofartı geb. zu ec» 
der Sohn eines nicht wohlhabenden Bürgers. Der Unterricht 3. 
er Thomasſchule daſelbſt genoß, brachte ihn ſchon der Kunſt näher 
erhin ſich fo verbient gemacht hat. Er widmete ſich erfk dem * 
Heslogie, fand aber dann in literariſcher — vornehmlich in 
der Erzählung und in muſikaliſcher Theorie und Kritik feinen Beruf. 
Erſtere anlangt, fo nimmt er umter den beutfchen Erzaͤhlern, welche 
ologiſche Charakteriftik tiefe Menſchenkenntniß verbunden mit reicher 
Reit, fi) auszeichnen, einen Ehrenplag ein. Noch mehr erhebt ihn 
fe Grundlage der Weltanfidht, welche fich in feinen Darſtellungen 
viele Dichter diefer Gattung. Vornehmlich aber ift er in ausge⸗ 
Miderungen jovialer Charaktere, welche fich umter Außerm Drude frei 
Halten, und in ben Schilderungen gutmuͤthiger ee gluͤck⸗ 
Wgeseichnet. UÜberall erſcheint er als feiner Beobachter der Diirküitett 


Ren Rocky Modntains 


und burchaus füttlich in feinen Darſtellungen. Schon feine erſten Darfi 
- „ehambieihmengm von Menſchen nach Geſchichte und. Erfahrung” (Rei 
mb „Gharaktere intereſſanter Menſchen in moralifchen Erzählungen 
1794, 4 The), dann feine „Denönale glüclicher Stunden. geigen Bf 
. Unter den „Kleinen Romanen und Erzählungen‘ aber befinden fich bieg 
‚seofen exzählenden Darftelungen bes Werft. Eine Auswahl des Velten: 
wi fünssatlicgen Schriften hat Rochlig zuieht in 6 Banden. (Aiillichau) 
Wes das Zweite anlaıgt, fo nerdanken wir ihm die Gründung 

der „Leipziger muſikaliſchen Zeitung”, bie feit 1799 bis zu 
Agang von ber Bedastion 1818 fehr verbienitlich für die Kunft gewirkt 
andgezeichnetften Abhandlungen und Mittheilungen Über dieſe Kunſt 
Seiner. zuleht exfchienenen Sammlung: „Bür Freunde der Tonkunfl” 
, 2 Rh), zufanmengefelit. 8. privatifict, allgemeingefhäkt, 


VDateeſtadt 

vun. 300010 (Friebii Eberhard d.) auf dietahn Diefer um die Jug 
weidiente Mam war #734 zu Berlin geb. und kam auf die Ritteraka 
Im —* ex in die Garde und folgte feinem König 
—— Te Fi Sm Beipgig lernte er 1759 Gellert und mehre bafı 


























rau 


Hi 


. Man. folgende Jahr rief R. wieder ins Feld; da aber eine 

’ —— fo mußte er bie} 
‚Safe 73 Er tebte nun auf feinen Süitern dem Landleben und 
fenung des Schulunterrichto der bamala noch fehr vermachlät 
an „ABerfuc eines Eipulbuche fe Alu — —— 1 
Li —e——— een Beifall und die gun 
Bankätäge auf. ı einen Obtern wurde von dem beften Erfolge gekrönt, m 

"a Rekahn, wie denn auch bie fpäterhin erfolgte Landfchulenverbefferm 

u. a. Stanten.geößtentheil mit als fein Werk betrachtet h 


Einderſchriftſteller zeichnet er fich gleichfalls aus, wie fein „Kim 
D beweiſt. ie 
Fan’ rin braver Mann. Geine Beftrebungen für bie Aufnahme bes Lan 
Sen Marken find hoͤchſt lobenswerth. Dit-Gellert blieb er ſtets ind 
Shaftlichften Verkehr. Als warmer Anhänger feines Königshaufes umd 8 
un ber ‚Helbenthaten.ber Braudenburger, leß R. bei Halenberg unweit ä 
in Denkmal der 1675 auf biefen Feldern gefchlagenen Schlacht zwiſchen 
den Barfürfirn und den Gchweben errichten. „ Cr tach 1805. 
 Rody Mountains, Belfengebirge, eine Fortfegung ‚ber 
en; ‚jener Höhengug, ber langs der norbuorftlichen Rüfte in mehren von 
N. auffleigenden parallel ſtreichenden Ketten, die eine Breite von 42 
a, 1" —— — das amerikauiſche Binnenland vom Auſtralm 
aund an ber Greuze von Neunorfolk endigt. Das Gebirge gleicht einer jr 
MAelſeaaaſſe von gretesken Formen und hat daher wahrſcheinlich feinen Ma 
aut über bie Linie deo ewigen Schnee hinaus der. auf bem höchften, mad) 
tigonometrifhen Meffungen 11,500 Fuß uͤber bas Meer ſich — 
oegen 1650 Fuß unter ber Spitze anfängt. Innerhalb der Ketten find mei 
are Thaͤler und die Seiten ber Berge mit hohen Fichten. bebedit, 
der Umgegend iſt rauh. Die Geſtalt der Bebirgskette deutet auf frühere 
me Erſchůtterungen, und man findet wehre Spuren von Vuttanitt. 
Eereichen der verſchledenen Ketten, ihre Ausbehnung, ihre Döhe und 
Fifge Beſchaffenheit waren wir zeither nur dieftig unterrichtet, und felbft 
dewis und Clarke („Travels te the seurces of the Missouri River‘, 
4814, 4.) gegebenen Nachtichten waren unvollftänbig., Befriedigenbe Suml 
aæwrtich Edwin James, der den Majet Bong auf feiner Reiſe von Pietsbul 


Robe (Bernhard) Rodney 947. 


webirge als Botaniker und Geolog begleitete, in ſeinem Berichte („Ao- 
am expelition from Pittsburgh to the Rooky Mountains performed 
ers 1819, 1820‘, London 1823) gegeben, ber bie erften wiffenfchaft« 
bachtungen über dieſes Gebirge enthält. An dem Fuße deſſelben dehnt 
kte8 Sandmeer aus, u. die Sandfteinformation zieht ſich in einem fchroff 
bene auffeigenden Wall, der die ihr eignen feltfamen Formen zeigt, um 
ze, das nad) James aus grobkörnigem röthlichen Granit beſteht, in der 
wo bie Alpenpflanzen erfcheinen, in ein feinkoͤrniges Conglomerat von 
jeldſpath und Hornblende übergeht. 
be (Bernhard), weicher 1797 als Director der berliner Akad. der bild, 
ch, war 1725 zu Berlin geb. Seine frühere Neigung zu den Wiſſen⸗ 
nırbe in der Folge durch die Liebe zur Malerkunſt überwogen. Anfangs 
er aus Siebenbürgen, dann ber berühmte Ant. Pesne f. Lehrer. 1750 
: Paris, nugte anderthalb Jahre Karl Vanlo's Unterricht, kam nach Ver⸗ 
und trat von da f. Reife nad) Italien an. Hier verliebte er 2 Jahre 
tom, theils in Venedig, und verfertigte ein großes Gemälde, den Alerans 
lend, welcher weinend dem Leichnam des Darius mit feinem Purpurmans 
Nach ſ. Ruͤckkunft veranlaßte ihn der Tod f. Waters 1756 ze 2 
egorifchen Gemälden, welche er, nebft einem großen Altarblatte, ber 
che zu Berlin fchenkte. Ähnliche Geſchenke erhielten andre Kicchen, na» 
ie Garniſonkirche. Diefe Arbeiten machten f. Namen auch im Auslande 
Bein raſtloſer Fleiß umd f. Manier, welche die muͤhſame Vollendung vers 
machen die Menge f. Arbeiten erklaͤrlich; die meiften berfelben find non 
in Kupfer radirt worden. Won diefen Blättern gibt es ein Verzeichniß 
Jeit., worin jedes Stuͤck ausführlid, befchrieben ifl. Mit befonberer 
ke er die merkwuͤrdigſten Epochen aus ber brandenburgiſchen Geſchichte. 
f. Steundes Geßner Idyllen hat er einige fchöne Stuͤcke gemalt und 
sbeln Bellert’s Blätter radirt. Bibliſche Gegenſtaͤnde waren ihm jeboch 
ı Einen befondern Werth legte er auf einen Chriftuskopf, der noch 1799 
fe war und ihm zum Mufter für alle f. Chriftustöpfe gedient hatte; eben« 
war er zu bewegen, eine Auferweckung ber Todten zu veräußern, ein 
Werk, das R.'s Meifterfchaft als Geſchichtsmaler vollguͤltig beweifl. 
auferftehenden Frommen hatte er eine Gruppe feiner eignen Verwandten 
Lk Sin den Sciöffern zu Potsdam ıc. fieht man mehre von ihm aus⸗ 
Dediengemälbe. 
de (Pierre), einer der größten jegt lebenden Violinfpieler. Ex iſt geb. 
wre 1774 und Schüler Viotti's. eine großen Anlagen richteten balb 
eckſamkeit aufihn; er wurde daher zuerft 1798 Vorfpieler In dem Orches 
ofen Oper in Paris und dann 1801 Profeffor an dem Mufikconſerva⸗ 
Napoleon fiellte ihn 1302 als erſten Violiniften und Concertmeifter ſei⸗ 
e an; allein er blieb nicht lange in biefer Anfielung. 1803 machte er 
r Reife durch Deutfchland (ſchon 1798 fpielte er in.Damburg), wo er in 
m Städten und mit ungemeinem Beifall auftrat. 180% ging er nad) 
mad warb vom Kaifer Alerander in Petersburg angeftellt; 1809 reifte ex 
6 zuruͤck. 1812 war er wieder In Deutfchland und hielt ſich längere Zeit 
firend auf. Später lebte er in der Schweiz und zuletzt roieder Int 
J. Alle Freunde der Kunft beklagen e&, daß feine gänftigen Bermoͤgens⸗ 
ihn wenigſtens der Öffentlichen Ausuͤbung der Kunſt entzogen haben. 
verein ward die Fuͤlle ſeines Tons, fein großartiger Bogen, der einfathe, 
Bortrag dieſes berühmten Violiniften bewundert. 
due v (George Brydges), der britiſche Seeheld, geb. 1718, widmete 
ve Seedlenſte und zeichnete ſich bald ſehr aus. 1751 ward er (kam 


gr ———————— — m m — — — — — — = = 


ſollte Im Jan. 1780 eroberte er eine bedeutende Anzahl ſpaniſch 
ſchiffe, 8 Tage hernach — er die ſpaniſche Flotte unter Langara, 
fangen wurde. Das edelmuͤthige Betragen, das M. gegen die geſe 
nier bewies, hatte zur Folge, daß feitdem auch bie gefangenen Englaͤt 
beſſern Loofes in Spanien zu erfreuen hatten. Der Sieg über Lange 
dem bebrängten Gibraltar Xebensmittel und Kriegebebürfniffe. R. 

Weſtindien. Noch in demf. Jahre (im Mai) Iteferte er der franz. Flo 
Befehl des Grafen v. Guiche auf der Höhe von Martinique 3 u 
Gefechte, die aber ben Ruhm ber -beiderfeitigen Anführer erhöheten 
ternehmen Im Dec. 1780 gegen bie Inſel St.⸗Vincent mißlang , dei 
fiel der Angriff auf die Infen St⸗Euſtach, Martin und Saba aı 
Gebr. 1781 eroberte, wobei 159 Kauffahrteifchiffe, eine Convoi von 
und mehre Kriegefahrzenge in die Hände der Engländer fielen. Au 


“folgte die Übergabe der hollaͤnd. Colonien Effequebo, Demeram und 2 


ber Infel St.»Barthelemy. Sein glänzendfter Steg war jedoch am 1: 
über die franz. Flotte unter dam täpfern Grafen 6. Graſſe, auf ber. 
©t.s Domingo und ben heiligen Snfeln. (Bol. Duchbreihen ! 
Die Franzoſen verloren 5 Lintenfchiffe, darumter das Admiralſchiff X 
und Grafſe felbft wurde gefangen. Für diefen Sieg, welcher Jar 
ernannte ihn fein König zum Pair und Baron des Reichs m. d. ° 
v. Rodney : Stoffe, das Parlament aber gervährte Ihm eine lebensl 
flon von 2000 Pf. St. Bon da an lebte R. in Ruhe und flarb 17° 

Roger, ober Mogier von der Weyde, einer ber trefflichften ni 
Maler ber Älter Schule. Ex war zu Brhffel geb., auf deffen R 
auch & allegorifche Biber von ihm gemalt befanden. Ein andres bei 
von ihm war eine Abnehmung vom Kreuze, welche nach Spanien Eaı 
deffelben Inhalte findet fich in der Bettendorf’fchen Sammlımg in 2 
zeichnete fich Roger in der Glasmalerei aus, wovon ſich ſchoͤne Beleg. 
giatkirche in Bruͤfſel finden. Er ſtarb 1529 mit dem Ruhme eines | 


au ac nun a &. ABLE 1 LILI. man 


‘ 


Rohr Roͤhr 849 


ſieneicd⸗ entſetzt und in bie Abtei La Chaiſe⸗Dieu in Auvergne 
inf. Bisthum zu Strasburg verwiefen. 1789 ward er zum Abges 
Geiſtlichkeit des Amtes Hagenau bei ben Generalftaaten ernannt. 
ırtei hoffte, daß er aus Rache gegen ben Hof die Neuerungen wider 
Peit beglinftigen wuͤrde; aber der Cardinal entfernte ſich von ihnen und 
Berfammlung. _ Kurze Zeit nachher, da er ale Ucheber der in dem 
„ entflandenen Unruhen angeklagt war, zog er ſich in die in Deutſch⸗ 
en Theile feiner Befigungen zuruͤck, wo er ſich frei von Bitterkeit und 
gen Ungiädliche zeigte. Er flarb zu Ettenheim den 17. Febr. 1802. 
ieter Beſchuͤter dee Gelehrten hatte er den Abbe. Le Batteur an fich 
Seine Unterhaltung war lebhaft und aufgewedt; er ſprach über Alles 
‚, und wenn feine Jugend durch einige Verirrungen bezeichnet war, fo 
igluͤck und das Alter feinen Geift zur Meife gebracht und fein Herz fenft 
Uend geflimmt. Wal. des Abbe Georgel „Memoires et.” - 
e (fpanifches) ift aus Indien, Spanien und Italien zu un getomamen. 
ven legtgenannten Ländern wird es, vornehmlich in den feuchten Wein⸗ 
flanzt und treibt dicke, hohle und gleiche Stengel, bie gegen 10 Ellen 
und Stäbe, Pfähle, Pfeifen u. dgl. abgeben. Auch die Stuhlmacher, 
Handwerker verbrauchen das Padrohr in großer Menge. Die Stods 
a ſtuͤck⸗- oder bundweiſe verkauft. Die beften often in Holland 50, 
he Gulden das Stüd. 
: (Johann Friedrich), D., geb. am 30. Juli 1777. zu Roßbach bei 
bildete ſich von 1790—96 in der Fürftenfchule Pforte, ſtudirte bier 
ig bis 1802 Theologie und nahm ſchon hier, von den phllofophifchen 
iſchen Anfichten Platner's und Keil’ vorzüglich angezogen, die ents 
lichtung zu der fogen. rationellen Anſicht und Behandlung des Chris 
Zufolge der günftigen Meinung, melde Reinhard in Dresden in 
ateneramen für ihn gefaßt hatte, wurde er 1802. Hülfsiehrer in Schul⸗ 
pe fich neben dem lnterrichte in den alten Sprachen vornehmlich auch 
er engl. Literatur befchäftigte. Won da wurde er 1804 in das Pfarr⸗ 
au bei Zeig verſetzt, deſſen Gefchäfte f. Neigungen mehr zufagten als 
ben. Hier fand er Muße, f. theologifchen Anfichten weiter auszubils 
s den durch Reinhard's „Geſtaͤndniſſe“ angeregten Streitigkeiten über 
Confequenz öffentlich auszufpredhen. 1820 erhielt er ben Ruf als 
eintendent nad) Weimar und von der Kacultät zu Halle das theologi⸗ 
tplom. Diefer umfaffende Wirkungskreis befchäftigt ihn als Predi⸗ 
mb in der Stadt, als Oberconfiltorial: und Kirchenrath und als Vor⸗ 
ahlreichen Geiſtlichkeit ziemlich vielſeitig. Won f. zu Weimar gehals 
gten iſt eine Auswahl 1822 — 23 (Neuftadt a. d. DO.) erfchienen. 
von ihm flehen in der mit Schleiermacher und Schuderoff von ihm 
ers Sortfegung des Hanftein’fchen „Magazins chriftlicher Feſt⸗ und 
gredigten”. Beim Oberconfiftorium macht er fich verbient durch f. 
— — die nach Herder's und Reinhard's Vorgang wieder bei 
ren gehalten werden, ferner durch die in demſelben Geiſte geleiteten 
Aoquia; auch erregen ſ. „Drei Jahrgaͤnge neuer evangeliſcher Peri⸗ 
wear 1824) mit Recht Aufmerkſamkeit. Die fogen. General s Kirchens 
fitationen, welche nach unbeſtimmter Reihenfolge binnen einem mehr: 
zus nach und nad) alle Kirchen und Schulen des Landes treffen, hält 
bexer Pünktlichkeit und Genauigkeit. 1824 bekam er das Ritterkreuz 
.Falkenordens. Gene Anſicht iſt von ihm beſonders in den „Briefen 
ſonalismus (Zeig 1813) und in der von ihm herausg. Kritiſchen 
othek (fruͤherhin: „Predigerliteratur“) ſ. 1815 ausgefüigt wer 


850 Roland Roland (Manor Jeanne Phlipon) 


den. Auch bie Rechte ber proteſtant. Kirche haben, ben Anmaßungen di 
katholiſchen gegenkber, an Ihm vinen muthigen Vertreter. 

Roland (Mutlanb), ein in alten Ritterbuͤchern unb Gefängen 
Melle fpielender fabelhafter Helb, Schweſterſohn Karls d. Br. und elı 
Palabine dieſes Kaiſers. Er fol bei nem Ruͤckzuge Karls d. Br. au 
In den Pyrenaͤen, Im Thale von Ronceval, von ben Basken erfchlagen w 
Dies gruͤndet fid, auf Turpin's fabelhafte Erzählung „De vita Caroli : 
landi" und die altfranz. Heldengedichte von Karl d. Gr. und feinen ' 
Die berühmteften Gedichte, welche die Thaten bes Roland (wiewol 
fließend) befingen, find Bojarbo’6 „Orlando innamorato” und n 
Arloſto's „Orlando furioso”. (Bgl. Ritterweſen.) 

Roland (Jean Marie Baptiſte de In Piatiere), Gelehrter ur 
mann, geb. zu Villefranche bei Lyon um 173%, begab fih im 19. 5 
. Raute, um die Hamblung zu erlernen. Bei dem Manufacturwefen 

angefkeilt, bereifte ex in taufnännifchen Geſchaͤften mehre Länder und ı 
—— Auffeher des Handels und ber Fabriken in Lyon Bein f 
Revolution warb er Mitglied ber Nationalverfammlung für Lyon. Ge 
niß des Handels und Verkehrs, ſowie die Liebe, in ber er beim Volke 
pfahlen ihn Ludwig XVI., ber ihn 1791 zum Miniſter des Innern ern 
ſtand diefem Poſten taͤhnuiq ch vor, verſchlimmerte aber durch Bitterkeit 
mung gegen de den unglädlichen König immer mehr und warb befhatb ber 
1792 aus dem Miniſterium entlaſſen, in welches er jedoch, als Ludwi⸗ 
war, am 13. Aug. wieder eintrat. Sein Bemühen, die durch die Jak 
beigefähete Anarchie zu unterdruͤcken, fowie die Bekanntmachung mehr 
vorgeblich in den Tuilerien gefundenen Papiere, wodurch Viele ins Un: 

machte ihn aber bald verhaßt, unb er ward mit ben Girombiften ; 
Gleich nach der —— — des Königs hatte er ſ. Muiiſterſi 
* Vor den Verfolgungen der p eniioh er nach Rouen, wı 

ſ. Sattin, die in Paris geblieben war, das Blutgeruͤſt befliegen hab: 
en! Art.) In verzweifelindem Schmerz —** er ſich den 18. Nov 
einem Stockdegen anf ber Landſtraße unweit Rouen. Man fand bei 
Bettel, worin er ſich als einen Mann fdyildert, der fein Leben dem « 
Beſten gewidmet habe, und tugendhaft geſtorben fei, wie er gelebt. 
ibm verfaßte Schriften, in das Fabrik⸗ und Handelsweſen einfchlage 
von guten Kenntnifſen. 

Roland (Manon Jeanne Phltpon), Gattin des Vorigen, T.t 
ten Kupferftechers Phlipon zu Paris, war 1754 geb., von ſchoͤner € 
erhielt eine ausgezeichnete Erziehung. Das Stubium ber griechifchen 
ſchen Geſchichte * ihr eine große Neigung zum Republikaniſamus 
und fie fühlte ſich mächtig ergriffen, als die Staatsveraͤnderung in ih 
lande ausbrach. Sie hatte ſchon mehre Helrathsantraͤge abgelehnt, g 
41779 den Bewerbungen R.'s nach, der durch die an fie gerichtete 
f. „Briefe über Stalien” ihre Hochachtung gewonnen hatte, unb bear! 
gemeinfchaftlic, mit Ihrem Gatten verfchiedene Gegenftänbe des gelehrte 
As R. die Stelle eines Miniſters erhielt, eröffnete ſich ihr die lang 
politifche Laufbahn. Dit unermüdetem Eifer fland fie ihrem Gatten 
ſchaͤften f. Departements bei, fertigte Auffäge, fhreb Adreffen und u 
—** um ſich einen Kreis von Gelehrten und 
bie wichtigften Vorfälle der Zeit befpuochen wurben. In dieſem Kool 
fie einigermaßen bie ihrem Geſchlecht gebührende Zuruͤckhaltung verge| 
ben, denn ihre Anmaßung ging bald fo weit, daß mehre 8 
nerale defßwegen mit ihrem Gatten yerfielen, 1. B. Dumouriez. 9 


Welondöfäulen Wolke 331 


fiel auch fie, ein Opfer der Begnpartei, am 10. Mov. 1793 unter 
Der koͤnigl. Familie, beſonders der Königin, hatte fie ſich immer 
gezeigt, und der Brief, den fie im Namen bed Convents an den 
beweift, mit wie wenig Zuruͤckhaltung fie ihre Anmaßungen geltend 
ens bleibt diefer geiſtreichen, aber irreligioͤſen und unmwelblichen Frau 
affender wiſſenſchaftlicher Kemntniffe. Won der Anhängliczkeit ihres 
ſo feft — daß, als fie das Schaffot beſtieg, fie den Umſtehen⸗ 
: the Gatte wuͤrde fie nicht überleben. Noch im Kerker, wenige 
abe ſchrieb fie ihr Leben nieder, fowie mehre bie Revolution bes 
Standhaftigkeit, mit der fie das Blutgeruͤſt beftieg, machte 
achtungewerth. — Ihre hiſtoriſch wichtigen ae | 
einzein, nachher 1799 gefammelt erfchlenen waren, find 1820 
halten in den „Memeires de Mde. Roland; avec une notiog e * 
*3 Berville et Barriers (Paris, 2 Bde.; die erſte Lieferung der 
de memeires relatifs & la rövol. frang.”). Nach diefen Denkwuͤr⸗ 
Ihre Lebendgefchichte in den „Zeitgenoſſen“, N. R., IV, bearbeitet. 
ostduten Rulandsfäulen, Rutlandsbilder find 
Itentheils roh und übel geformte Bildfäulen, die man in 28 beutfchen 
B. 73 remen, Dale, Magdeburg, Belgern, Bramſtedt ıc., 
Hägen, Märkten u. dgl. aufgerichtet antrifft und die gewöhnlich einen 
Dann, ein Schwert in ber Band tragend, vorfiellen. Der Gage nach 
lulen ihren Namen von dem beiden Roland teagen, dem zu Ehren fie 
den wären; doch bie Deutfchen, befonders bie Sachſen, werben wol 
formen geweſen fein, einem Feldherrn ihres Drängers, Karl des Gr., 
zu errichten, der, wenn er je lebte, feine Thaten In Frankreich und 
wichtete. Wahrfcheinlicher ift, daß diefe Bitbfäuien, deren Entfichung 
b aus fpäterer als des großen Karls Zeit fich herfchreibt, mit ben Weich⸗ 
Hei Bedeutung haben, die man an ben Grenpmarken verfchiebener 
%. Ein ſolches Weihbit (von Weich, Wyk, d. h. Stadt ober Dirt) 
u in Beichen der —— und bedeutet, daß die Stadt ihre eigne 
Statuten habe und wie weit ſich ſolche oͤrtlich erſtrecke. Hier⸗ 
* Bu warum jene Säulen mitunter die Reichtinſignien an ſich tra⸗ 
ame Rolands⸗ oder Rutlandeſaͤulen rührt aber wol von bem im Zei⸗ 
verftandenen Worte: Ruge, Rüge her, welches —8 fo viel als Ge⸗ 
te, daher der Name mol Ruͤgelandsſaͤulen fein muß, d. h. eine Säule, 
nbern abi bezeichnet. ©. K. Tuͤrk, „De statuls Relan- 


e (Gohann Deinrich), geb. zu Quedlinburg 1748, Iernte unter der 
run, der In der Folge Mufikdirector zu Magdeburg war, die An- 
der Muſik. Schon in f. 13. Jahre componirte er, im 14. erhielt ex 
es Drganiften an ber Peterslicche in Magdeburg. 1736 ging er nach 
Rechte zu flubiren. In Berlin richtete fich fein Geſchmack ausfchlies 
Muſik, fodaß er als Kammermufitus in koͤnigl. Dienfte teat. In ber 
er die Stelle feines Vaters als Muſikdirector in Magdeburg und flach 
von Ihm gefchriebenen Dratorien, beſonders f. „Tod Abel’ und f. 
uf Mora" erwarben ihm einen gegründeten und ehrenvollen Ruf als 
neift. Beſonders find die Chöre derfelben ausgezeichnet. Auch ſchrieb 
umsige Motetten. 
I nennt man in ber Schauſpielkunſt überhaupt den Antheil an der mi⸗ 
nifenden Handlung, welcher einem einzelnen mimifchen Künftler zur 
kbertengen wird, namentlich infofern ee dem Kuͤnſtier fchriftlich aus⸗ 
echeilt und feinem Stublum überlaffen wird; auch dieſe ukGe 


—— 
g' 


Ba. u KRollenhagen. Kollin 


Verzelchnung ber einem Schauſpieler zur Darſtellung ber Perſon eines 
übertragenen Reden ober Handlungen ſelbſt. Aus dem Begriffe ber Ro 
fi, daß der mimiſche Künftier, dem eine ſoiche übertragen wird, ſich nie ei 
3e6, wenn auch in vielen Fällen al Hauptperfon, anfehen barf, ſondern 
dem Ganzen unterorbnen und mit dbemfelben in Harmonie treten muß Di 
wird erfobert, daß er nicht bLoß feine Rolle im buchſtaͤblichen Stune fiunbize,; 
erft das Ganze aufzufaffen und fich die * zu beantworten ſuche, 
zlehung ber ihm übertragene Antheil zum Ganzen habe? Die gewoͤ 
und Theaterproben möchten bazu nicht hinreichen, fe auch ſchon zu ſpaͤt 
der Schaufpieler ſolite daher zuerft das Schauſpiel Überiefen, in weichem er 
und ſich feine Rolle nach allen ihren Beziehungen vorſtellen, un hliernach 
zeine bilden zu koͤnnen. Mehre nicht zufammenteeffende Rollen in 
demſelben bramatifchen Werke Binnen nut von einem [ehr gewandten >= 
as wenn. fie ſehr unbebeutend find, vom einer Perfon 
Übrigens iſt jeder mimifche Kuͤnſtler durch fein Äußeres, fein beft 
. alter, erlangte Übung und Talent ıc. für eine Gattung Nut teren 
befonbers geeignet: dies ift fein Rollenfach. Unzweckmaͤßig und bas 
ſchraͤnkend iſt es aber, wenn theatralifche Directionen im Allgemeinen 
lenfaͤcher feftfegen und für biefelben einzelne Schaufpieler annehmen. 
fchteiben der Rollen, in bem oben zuletzt angegebenen Sinne, gibt 
tern Worte des Vorherfprechenden (Stichworte) jur Unterflügung bes 
Pi gewöhnlich mit farbiger Dinte umterfirichen, und Alles, was fidh 
Fed Spk und Scene bezieht, Im Schreiben befonders ausgezeichnet 
eben abgefondert an. Stumme Perfonen, bei deren Leiſtungen auf 
bad —— uͤberfluͤſſig waͤre (Statiſten, Comparſen), pflegt man in 
muͤndlich anzuweiſen, daher man auch nicht leicht von Rollen 
ee fpricht. | 
» .. Rollenhagen (Georg), geb. 1542 zu Bernau in der 
denburg, widmete fich der Theologie und ſtarb als Mector der Schule 
‚burg, nach koͤrperlichen Leiden mancherlei Art, 1609. Er ift berühmt 
von ihm verfaßten Bomifchsbidaktifchen Kabel: „Der Froſchmaͤuſeler, 
ſche und Mäufe wunderbare Hofhaltung ; ber frölichen, auch zur 
Blegimenten erzogenen Jugend zur anmuthigen, aber fehr nüslichen Leer” 
burg 1595), in welcher allegorificenb über den Zuſtand der Politik und 
pbie, ber Theologie und Moralitaͤt jener Zeit gefpottet wird. Diefes 
eine Nachbildung der „Batrahompomadie” (f.d.) und nähert 
-Anlage einem andern bekannten fatyrifchen Delbengebicht altbeutfcher 
„Meine de Fuchs“ (f..d.). Die neuefte Ausgabe 
1730. In der erften, deren Titel oben angegeben ift, 17 der 
den fonberbaren Namen: „Marx Hupfinsfeld von Mäufeloch, ie 
Borfinger und Calmäufer” auf. Eine Nachbildung dieſes Werks if: 
Froſchmaͤusler“, von Stengel (Köln 1796); eine auszugsweiſe Weachei 
K. Lappe (Stralfund 1816). 

Rollin (Charles), Geſchichtſchreiber, geb. 1661 zu Paris, * 
ein Handwerksmann war, warb anfangs zu demſelben Stande erzogen, 
een entdeckte in ihm Anlage zu etwas Hoͤherm und verfl 

‚.fobaß er fiudiren Eonnte. Nachdem R. auf dem 
du Pleſſis . Gurfus vollendet hatte, ftubirte er 3 Jahre 
bonne, erhielt bie Stelle eines Lehrers der Beredtſamkeit und 16988 
der Univerfität zu Paris. In dieſer Stelle, die er 2 Jahre nach 
dete, bewies ſich R. für die Aufnahme der griech. Sprachkunde unb I 
Kubiums ſehr thaͤtig. Dann warb er Vorſteher des Collegium zw 


— 
















Rom, das alte 858 


le er aber 1712 gezwungen war nieberzulegen, da bie Sefulten ihn bes 
6 beſchuldigten. Don jest an widmete fih R. der Ausarbeitung f. 
m Werke, die f. Ruf hauptſaͤchlich gegründet haben. Er flarb zu Paris 
reicher Achtung er nicht allein bei f. Landeleuten, fondern auch im Aus⸗ 
ei den vornehmften Perfonen ftand, bemweift f. vertrauter Briefwechſel 
pH. von Preußen. Die Werke, die ihn als hiftorifchen Schriftfteller 
achten, find f. Geſchichte der alten Agnpter, Garthager, Affyrier und 
(„Ylistoire aneienne ete.“, Paris 1730—38, 13 Thle.,, 12.) und 
he Geſchichte von der Gründung der Stadt bis auf die Schlacht bei 
Letzteres Werk ift duch f. Schüler Grevier und fpäter durch Te Brau 
erden (Amfterd. 1742—50, 16 Thle.). Auch von R.'s „Alter Ge: 
eine Fortſ. u. d. T.: „Neuere Geſchichte“ in Frankreich erfchienen, 
Kegebenheiten der neuern Völkern, mit Ausſchluß des größten Theils 
fhen, enthält. Außer biefen verdient noch ſ. „Anweiſung zum Stu: 
hoͤnen Wiffenfchaften” (in 4 Bbn., 12.) Erwähnung. Baftien gab 
yolftändige Sammlung aller Schriften von Nollin mit ihren Fortſetz. 
: ımd le Beau in 60 Bbn. heraus. Wenn auch R. nicht alle Fo⸗ 
efriedigt, bie an einen claffifchen Gefchichtfchreiber gemadyt werden 
tem er befonbers zu declamatorifch ift, fo ift er doch durch fein meiſten⸗ 
zes Quellenſtudium und durch die Anmuth und Correctheit f. Vortrags 
n Hiftorikern f. Zeit und f. Volks zu zählen. 
3, die ewige Stadt, wie fie oft genannt wird, an bie faft alles Große 
sürbige, daß feit drittehalb Jahrtauſenden gefchehen, fich knuͤpft, und 
dem Schwerte, bann mit den mächtigern Waffen des Glaubens Jahr: 
mduscch den Erdkreis beherrfchte und vor ihrer Majeſtaͤt die Voͤlker aller 
beugen fah, ift jegt nur das Schattenbild ihrer ehemaligen Gröge und 
. — Das alte Rom lag ungefähr auf der Stelle des heutigen, in 
uf mehren Hügeln (daher die poetifche, nicht buchftäblich zu nehmende 
‚ der Siebenhügelftadt) zu beiden Seiten des Ziberfluffes unfern bes 
Meeres; doch lag ber Haupttheil ber Stadt auf der Oftfeite des Fluſ⸗ 
befanden ſich zu oberſt der pincifche Berg, und am ©trome hin das 
ber capitolinifche Berg, das Korum Romanum unb ber auentinifche 
ne zweite Bergreihe, oͤſtlich bon der vorigen, bildeten von N. gegen ©. 
Auirinalis, Palatinus und Coͤlius; eine dritte endlich der viminaliſche 
nifche Berg. Jenſeits der Tiber lagen die Berge Vaticanus und Sant: 
chon wor Roms Gründung wär biefe Gegend angebaut. Die auf dem 
yen Berge von griech. Eoloniften erbaute Stadt Pallantium ftand viel⸗ 
als Romulus und Remus eine Golonie aus Alba longa dahin führten, 
ur ermeitert und das eigentliche Rom nicht gänzlich neu angelegt wurbe. 
Stadt erhielt den Namen Rom, wahrfcheinlich nicht von ihrem Erhauer, 
nach ihr Romulus benannt wurde, fondern nad) dem Fluſſe, der, wie 
führt, vormals Rumon hieß. Die Ableitung von dem griech. prugın 
e, Maͤchtige) ift eine fpätere Spielerei. Zwei Zeitrechnungen geben 
rbauungsjahr Roms an: nach der Gatonifchen fällt e8 in das 752., 
arzonifchen in das 754. J. v. Chr. Letztere iſt die allgemein angenom= 
ie Gründung ber Stadt geſchah nach etruscifcher Sitte dadurch, daß 
mit einem von 2 weißen Rindern gezogenen Pflug um ben palatinifd;en 
tiere eine Furche 309 und nach diefer Furche einen Erdwall rings herum 
ließ. Armfelige Hütten füllten den innern Raum. — Die Gefhichte 
fälle in 3 Zeiträume: in dem erften ift Nom Känigthum, in dem 
epublik, im dritten Kaiſerthum. I. Bon Erbauung bis zum J. 245 
Rom als Königreich. Romulus ward erfter König der neuem Staht 
„ Biebente Aufl. B6. IX. 93 





4) 2 wm. vu. v warn. ug, J WU | 


einigung mit einem Theile der Sabiner; Numa Pompitius (39- 
"die roͤmiſche Stanllbeligion; Tullus Hoftilius (82 — 114) beſie 
legte ben Grund zu Roms Herrſchaft über Latium; Ancus Martins 
legte die Golonie und den Hafen von Oftia an; Tarquinius Priscus 
führte bereitS Krieg mit den verbündeten Etruskern; Servius Tı 





220), ber merkwürbigfte von allen, flellte Rem an die Spitze bes I 


und theilte das Volk nad) bem Vermögen in 6 Glaffen ein, worau 
Einrichtungen, der Cenſus und die Comitia centuriata, gebaut n 
und legte König, Tarqumius Superbus (220— 245), firebte nad) 
heit und ward wegen feiner Tyramnei vertrieben, worauf man I 
(509 v. Chr.) umgeftaltete. (Vgl. Romulus, Puma und X. 
Schon in diefer Periode erfennt man in ben Römern ein maͤnplich, 
emporftrebendes Volt. Aderbau und Krieg waren ‚Dauprbefchäfti 
falt der Sitten und der Genuͤſſe herrfchten im Privatleben. — IL R 
ftaat, von 245727 ber Stabt. 1. Abfchnitt. Die koͤnigl. © 
eben der Unbeflimmtheit, wie die Könige fie ausgeuͤbt hatten, 2j 
ten Conſuln übertragen. Gleich im Anfange der neuen Regierung 
nen Kampf für feine Freiheit mit Etruskern und Lateinern zu befteh 
ten Beb dungen bet Patricier, welche alle Gewalt anfichriffen, 
Volk und hatten im 3.261 die Einführung von Volkstribunen ( 
zue Folge, welche feine Rechte und Freiheiten gegen den Abel f 
Seitdem entfpann ſich ein langwieriger Streit zwifchen ben Volke 
den Patriciern,, beffen Hauptpunkte folgende waren: a) bie Zribu 
bei dem Proceffe des Coriolan das Recht an, einzelne Patricier v 
des Volks zu ziehen, wodurch bie dem Adel ſo nachtheiligen Comi 
ſtehen; b) fie verlangen, daß die ben Nachbarn entriffenen Laͤnder 
ärmere Volk vertheilt werden, wodurch die Adergefege (lagen agre 
gung kommen; e) der Tribun Publius Volero erweitert die Comit 
fegt die Wahl der Tribunen in benfelben durch ; d) der Zribun C. 5 


Rom, die Republit 855 
g wurden. Durch bie fermonifchen Gallier gerieth Nom an ben Abgrund 
nbens. Es ward erobert und eingeäfchert im 3. d. &t. 365. Camil 
). Roms Retter, feßte den Wiederaufbau ber Stabt durch. Endlich. 
J. 388 der erfte plebeiifche Conful gewählt, und bald nahm das Volt ' 
Ragiftraturen Theil, nämlidy an der Dictatur 398, an ber Cenfur 403, 
raͤtur 417 und an dem Priefterthume 454 (300 v. Chr.). So fand am 
8 Zeitraums eine völlige politiſche Gleichheit des Adels und des Bürger: 
latt, die Innern Unruhen ließen nach und in gleihem Maße wuchfen bie 
5 Staats nad) Außen, worauf die glänzende Periode feiner Eroberungn 
In dieſer ganzen Zeit hatten die Sitten ber Römer noch ganz bie alte 
it und Rohheit; ſchoͤne Künfte und Wiffenfchaften waren ihnen fremb, 
ie ſchon bürgerliche Künfte und Gefhidlichkeiten, Handlung (im 3.409 
ertrag mit Garthago gefchloffen), Schifffahrt und Handwerke 
Der Adırbau war nod) die Hauptquelle des Volksreichthums. — Die 
ke des 2. Abſchnitts waren noch mit Unruhen zwifchen ben Piebejern und 
u bezeichnet. Auch ward Rom von det Peft heimgefucht, welches bie 
ng der fcenifchen Spiele aus Etrurien veranlaßte. Über die Gallier exs 
ke Römer mehre Siege, wobei T. Manlius Torquatus (f. Manlius) 
that. Zwei Geſetze beftimmten die Zinfen zum Vortheil der Schuldner. 
einige Jahre früher mit den Samnitern (f. d.) gefchloffenen Buͤnd⸗ 
mb 411 ein fuͤrchterlicher Krieg zwifchen beiden Nationen, welcher bie 
nte, Rom ben Weg zur Unterjiohung Stalins bahnte und den erfien 
in zu feiner künftigen Macht legte. Diefer Krieg war die Helbenperiode 
r. Er lehrte fie die eigentliche Taktik, beſtimmte ihre Verhaͤltniſſe mit 
bern, ben Lateinem und Etruskern, indem jene gänzlich befiegt, dieſe 
ſerholt gebemüthigt wurden, und brachte bie Römer auch mit den ent 
„Apnuliern und Umbrern in bald freundfhaftliche bald feinbs 
Wrung. In dieſer Periode bildeten fich die Hauptideen über bie politis 
haͤltniſſe, in welche fie befiegte Völker mit fich festen, meiter aus. Als 
wiochung bee Samniter die Römer ihre Macht in Unteritalien befefli« 
km, riefen die Tarentiner (im 3. Rome 473) aus Epirus den König 
8 (ſ. d.) gegen fie zu Hülfe, welcher troß feiner macebonifchen Kriegs- 
we unterlag und 279 Stalin räumen mußte. Tarent fiel 482 und . 
uf ganz Unteritalien in Roms Gewalt. Sein Ruhm drang UP nach 
deſſen König (481) durch eine Sefandtfhaft um Roms 
: Das Hauptmittel, wodurch Rom feine Derifchaft über die beflegten 
feſtigte, war die Anlegung von Colonien roͤmiſcher Büxger , die den ein⸗ 
wen Städten zugleich zur Befagung dienten. Jede Colonie hatte ihre 
Fehlen ähnliche Verfaffung. Dies Colontalfpftem umfaßte aumälig 
Im. Zur Erleichterung der Verbindung wurden große Heerſtraßen anges 
ge Städte und Voͤlker Italiens hatten das volle römifche Bürgerrecht - 
ie); andre hatten das Recht der Golonien (jus coloniarum); die uͤbri⸗ 
a entweder Verbündete (sacii). oder Unterthanen. (dedititii). Letztere 
wech abgeſchickte Präferten regiert. Schon hielt Rom auf dem Meere - 
Wilotte und errichtete das Amt ber Duumviri navales, melche die Aufs 
des Serweſen führten. Die Gerichtsverwaltung gewann ſehr durch die 
der Praͤtoren, ſowie die Polizei durch die curuliſchen Ädilen und bie 
wapitales. Die Geiftesbildung begann. Fabius Pictor führte bie Ma⸗ 
em ein, 2. Papirius Curſor brachte (461) den erften Sonnenzeiger 
b &p. Carvilius ließ eine Bildfäule Jupiters gießen. Mit dem Aſtulap⸗ 
B die Arzneikunde nach Rom; die Werke des Appius und ber Concors 
Ides Camillus betweifen bie Fortſchritte ber Baukunſt. — den (im 
2 











I‘ 


. 
m 





erfchten dadurch den Griechen rettend und hülfreih. Sorcpra, 

andre griech. Städte begaben ſich inter roͤm. Schuß; die Achder, Ato 
wetteiferten in Bezeigung ihrer Dankbarkeit. Während Carthago 
zu entfchäbigen fuchte und von Rom zu dem Verfprechen genoͤthi 
Iberus (Ebro) nicht zu Überfchreiten, führte diefes einen Gidl 
Krieg mit den cisalpinifchen Galliern, der die Gründung feine: 
Morditalien (um 222 v. Chr.) zur Folge hatte. Hierauf nahm der 
Krieg feinen Anfang. Hammibal griff an und verfegte den Schaup 
nach Stalin. Er dauerte von 536—553., Nach großen Siegen 
thago; Rom aber ſtand, ungeachtet feines Menfchenverkuftes un 
ſtung Italiens, zu Ende bes Krieges viel mächtiger da als zu An 
tige Länder waren erobert und bie Herrfchaft auf dem Meere gefiche 
änderung ber Innern Verfaffimgsform hatte ber Senat eine faft 
Gewalt erlangt. Der Geift der Regierung machte Rom zu einem 
herrfchaft ftrebenden Stnate. Am Enbe des zweiten punifchen Kri 
cilien, Sarbinien, Corſica und ein Theil von Spanien, wie aud 
Gallien, römifche Provinzen; Garthago war ganz von Rom abh 
gen bildeten im Oſten die macedoniſchen Reiche nebſt den griech. 

Staatenſyſtem, befien Verhältniffe in ſich felbit fehr verwickelt, 

erſt feit dem illyriſchen Kriege und Philipps IT. Verbindung mit Hi 
den waren. Bon 3 Mächten vom erften Range, Macebonier 
Agypten, waren bie beiden erften gegen bie legtere verbunden, t 
Mom In gutem Vernehmen fland. Die Mächte vom zweiten Ran 
Bund, die Könige von Pergamus, die Republik Rhodus und and 
Athen, waren bereits feit dem Bünbniffe gegen Philipp (543) Ver 
der alhäifche Bund hingegen hing dem macebonifchen Intereffe an. 
mit Carthago Frieden gefchloffen, als der Krieg mit Philipp von 
gann. Anfangs waren die Römer ungluͤcklich, bis T. Quinctius ? 
Staatskunſt und Felbherrntalent Roms Macht im Often begrün 
enticheibenben Schlacht hei Mnnnaßenhalk (A457) verlor Dhilinn 


Rom, bie. Tepublit Be 867 
halbe Maßregeln ergriff. Antiochus, zur See und zu Lande befi * 
der Schlacht bei Magneſia (564) gu einem Frieden genoͤthigt ber 
deraſien draͤngte und gänzlich von Rom abhängig machte. Zu glöicher 
n die biutigen Kriege in Spanien und Oberitalien fort. 569 fingen 
nit Philipp wieber an, well er einige Eleine Eroberungen gemacht hatte; 
n, den man mit feinem Sohne Demetrius hatte, und Philipps Ted 
ten ben Ausbruch des Krieges bis 582. Dex Krieg mit Perfeus von 
ien (f.d.), Philipps Sohn, endigte durch den Bieg des Paulus 
Pydna mit deni gänzlichen-Untergange des Reiche, Die Eroberung 
ıcch Antiochus Epiphanes hatte Rom durch ein Machtwort feines Be: 
ilius gehemmt. Nach Maceboniens Eroberung. verfolgte es offen feis 
r Weltbeherrſchung und verſchmaͤhte dazu keine Mittel. Durch Wäre 


daß Agypten getheilt wurde; es hemaͤchtigte ſich bes Vormundſchaſt 


und "machte es wehtlos. — Jetzt false nach beiſpielloſen Mifhanks 


Garthago vernichtet werben. Dies geſchah in dem dritten puniſchen 


ber von 604608 banerte. Das ftolze Carthago ward 608 (146 
best. Gleichzeitig murbe ein neuer Krieg in Macedonien gegen Andrid⸗ 
‚ ber fich an die Spige ber Mißpergnuͤgten geſtellt hatte, aber (dem 
tetellus unterlag. Darauf nahm der achaͤiſche Krieg feinen Anfang, 
die Aufiffung des achdiihen Bundes war. Mummius endigte ihn 
drung Kotinths 608 (1.46 v. Chr.) ; Griechenland u. Macebonien wur⸗ 
Provinzen. — So hatte fih. Rom binnen 18:3: pur Veheerfcherin 
aporgelhrwungen. Beine Kriegsfunft was jetzt fo ausgebildet, daß 
ber Kraft der Regionen zu widerſtehen vermochte. Den Seekrieg aber 
he Römer nur unvollfommen und die Belagenungshmft brachte exff ber 
canus zu einiger Höhe. Außer Stalien befap Bom.n.b. R. Provik: 
ffeitige und jenfeitige Spanien (beides aber noch beſtritten), Afrika 
von Garthago), Sicillen, Sardinien, Eorfisa, Ligurien, das cib⸗ 
allien, Macebonien und Achaja. Nicht nur der: Drive 


weichthum; 
‚die Staatseinkuͤnfte ſtiegen anfehnlich. iüberhaupt bereichen in Roma 


ı ber Geiſt der ſtreugſten Ordnung. Mit dem Reichthum nahmen 
zung und Verfeinerung der Buͤrger zu. Man fah unter ihnen bie er⸗ 
auftreten und bie erſten zegekmößigen Schauſpiele Heben. zug * 
nie Wiſſenſchaften nach den Kriegen in Griechenland und 
Satyren, Fabius Pictor und Egto Annalen ber 2 
ward ausgebildet. Man lernte Sonnen⸗ und Mondſi e be: 
an führte Waſſeruhren nad vollkommenere —— dh ein. Di 
waren die Römer. noch Barbaren. Die Sitten verloren nach beit 
(hen Kriege immer mehr die. alte Meinheit und Enfachheit. Man 
enbegängniffen grauſame Fechterſpiele, wandte ungeheure Summen 








chen Spiele und ſchweifte auf mancherlei Weiſe aus. Schon muß⸗ 


egen den Aufwand gegeben und bie ſchaͤndlichen Bacchanalien 568 


shot verhindert werden. — 4. Abſchy. : Die Kriege in Spanien, vor 







en Celtiberern und Eufitanern, wurben mit Heftigkeit foxtgeſetzt. In 
—— erhielt Rom einen furchtbaren Gegner. Der Geiz bes 
Bicinius Lucullus (603) und des Prätors Gutpidus Galba (604) 
Daß anter Viriathus's Anführung der Arieg mit ermeuerter Wuth los⸗ 
her Ermordung dieſes berühmten Mannes (614) ward Lufitanien 
Ingegen aber nöchigten die Numantiner den Conful Mancinus zu ei? 
Rasa Vergleich. (S. Numantia.) Zwar heendigte 621 Scipio dies 
ber das noͤrdliche Spanien blieb noch ununterworfen. In dem naͤm⸗ 


igeschten bie Roͤmer vom Attalus das Koͤnigreich Pergawað in Afen, 





Amitianus bie Ariſtokraten eine neue Stuͤtze erhielten, fo kam doch 
ten der große Sklavenaufſtand in Sicilien (620—623) fo wohl ; 
fe unterbrüct werben tonnten. Die Volkstribunen erlar 
Stimme im Senat; fie wollten aud ihre Erneuerung gefegmäßig 
gelang, ben Unruhen auf einige Zeit vorzubeugen, indem man tb 
Molkspartei ehrenvoll entfernte. Waͤhrend deffen wurde 626 dur 
Flaceus die vömifche Macht im transalpinifhen Gallien begruͤndet, 
war der fübliche Theil deffeiben römifche Provinz. 631 trat Caju 
Volkstribun auf, erneuerte das Adergefeg noch gefchärft und errec 
Bährungen als fein Bruder, Er wollte ben Richterftand zum Ge 
Senats machen und fuchte feine Partei dadurch zu vergrößern ‚\ db 
den italifchen Voͤlkern das roͤmiſche Bürgerrecht zu ertheilen. D 
wußte ihn um bie Gunſt bes Volks zu bringen und feinen Fall zu bi 
warb auch er in einent großen Volksaufſtande ermordet und die 2 
nugten ihren Sieg zu einer gänzlichen Aufhebung des Adergefeges. 
gannen jest bie Unruhen mit den italifchen Bundesgenoſſen, welc 
Bürgerrechte foberten, und nur zufällig wurbe nach der Ausbruch d 
hindert. Auf die Sitten hatte der Pargeigeift einen fehr nachthe 
dem weder bie Stränge der Genfur, noch die Aufwandögefege, noc 
nöthigen Gefege gegen die Ehelofigkeit fteuern konnten. Bei den & 
Habſucht, im großen Haufen Zügellofigkeit. Durch die übermäßie 
des öffentlihen Schatzes entftand zunaͤchſt ein Öffentlicher Lurus, 
auch Privatiurus folgte, der reichliche Mittel zu feiner Befriedig 
pr der Statthalter und in den Geſchenken auswärtiger Für! 
Beſtechlichkeit zeigte fich auffällend in dem Kriege mit Sugurtha (6% 
eben dadurch fo verlängert wurde. ‘Das Ende diefes blutigen Kriege 
Piehejer, dem C. Marius, den Weg zu den höchften Staatewuͤrde 
Ariſtokratie einen empfindlichen Stoß erlitt. Ihm gelang, bie 





ſtuͤrzen, ba, die Kriege mit den Cimbern, während in Sicilien ein: 


au MABlanamleian methata Ihn aemanshahrlich machten Hier Odahuwa 


u Rom, die Republik | | 7889 


ermorbet wurde. Dept ariffen alle Völker Stalins vom Liris bis 
hen Meerbuſen zu den Waffen, um fi) von Rom unabhängig zu mas 
Gefahr war groß. Die Fasces wurden dem 2. Julius Caͤſar und P. 
pus anvertraut,. und unter diefen Confuln traten die größten Feldher⸗ 
taligen Zeit auf: En. Pompejus, C. Marius, Q. Caͤpio, E. Pers. 
lerius Meffala, Com. Sylla, T. Didius, P. Lentulus, P. Lici⸗ 
.Marcellus. Aber auch auf der Gegenfeite fanden Männer von gro⸗ 
, und nachdem ber Krieg von 653—656 mit abwechfelndem Gluͤcke 
Erbitterung geführt worden, konnte Rom ihn body nur dadutch endis 
; die Foderungen ber Bundesgenoſſen bewilligte,, wodurch es aufbörte, 
b Oberhaupt des Staats zu fein. Zu biefer Nachgiebigkeit noͤthig⸗ 
thridates (f.d.) Rüftungen und die Zwiftigleiten zwifchen Sylla 
. Diefe brachen zu Anfange des erſten pontifchen Krieges aus. (Wal. 
ad Splla.) Der Senat hatte dem Splia den Oberbefehl übertragen, 
band fi) (656) mit dem Tribun Sulpicius, um es ihm zu entreis 
aber vertrieb ihn an der Spitze feines Heeres aus Rom, flellte das 
Senats wieder her und eilte feiner Beftimmung zu, nachdem er, um 
u ſchmeicheln, feinen Gegner Ginna zum Gonfulat erhoben hatte. Die 
war, baß mährend biefes Kriege® (656659) eine neue Pöbelanar- 
ausbrach, die nach des Marius Tode noch ärger wurde. 671 Eehrte 
»Sylla nad Rom zuruͤck; ein fhredlicher Bürgerkrieg entſtand, der 
cd Sylla's Erhebung zur Dictatur beendigt wurde. Sylla ſuchte die 
e Partei zu erdruͤcken. Des Ämilins Lepidus Verfuch, ihm entgegen 
parb vereitelt. Wichtiger war ber durch den Demokraten Sertorius - 
angefachte Krieg, welcher 682 mit deſſen Ermorbung enbigte. Zus 
in Stalien felbft der fucchtbare Krieg ber Gladiatoren und Sklaven, in 
in neuer gefährlicher Krieg mit Mithtidates aus. Dazu kam, daß die 
nit großen Flotter bie Meere beuntuhigten und Rom eine Hungersnoth 
Pompeius (f. db.) rettete den Staat, indem er die Seeräuber mb , 
Rithridat beſiegte. Kleinaſien, Syrien und Kreta wurden römifche 
Armenien, Kappabozien, der Bosporus und Judaͤa wurden gänzlich 
haͤngig; die Macht der thrazifchen Wolter war gebrochen. Jetzt Eonnte 
Feind mehr Rom gefährlicy werben, aber im Innern waren wieder 
yerungen vorgegangen. Einige Berfuche, die Conſtitution des Sylla 
waren zwar mißlungen, aber ſchon 679 fegte Opimius durch, daß 
it nicht von höhern Ehrenftellen ausſchloß, und daß ben Mitten die 
bergegeben wurden; hierauf vernichteten fie Pompejuß und Craffus 
ed Gonfulats 684 faft ganz, indem fie bie tribuniziſche Gewalt vdilig 
Durch diefen Sieg ber bemofratifchen Partei warb eine Art von Dlis 
et; einzelne übermäc,tige Dinner traten an die Spige des Staats. 
wifche Verſchwoͤrung (f. Catilina) wollte die damaligen Gewalthas 
mb eine aus ber Hefe des Volks beftehende Partei erheben. Cicero 
der und ſtellte die innere Ruhe Dadurch her. Dennoch ging der Staat. 
u feinem Untergange entgegen. Lurus, durch die aus Aften geroges 
ern Reichthuͤmer erzeugt, hatte die alte Tugend verberbt. Eigennutz 
€ waren bie herrſchenden Leidenſchaften der Großen. Pompejus, ber 
jen zurückkehrte, fand in dem firengen Gato einen überlegenen Geg⸗ 
ng fich daher zur Volkspartei, um mit ihrer Hülfe feine Plane durch⸗ 
Mar’s Ruͤckkehr aus Lufitanien aber (694) gab ber Sache eine andre 
Diefer bildete mit Pompejus und Graffus das fogen. erfle Tri um⸗ 
) und gelangte dadurch 695 zum Confulat, welches ihm den Weg zur 
mte. Er ließ fich die Provinz Gallien auf 5 Jahre ertheilen, um do⸗ 


WIEIET FIAT VRR. «HP VER AZTOJJUD gegen VIE Parther gedi 

ompejus, flatt in feine Provinz abzugeben, als alleiniger Conſul 
torifcher Gewalt an bie Spige der Republik trat, war der Bürgerkr 
üh. (8. Caſar und Pompejus.) Statt dem Decret des Se 
hen, ging Caͤſar über den Rubicon und nöthigte Pompejus zur Fli 
Der Bürgerkrieg begann und wurde 706 bei Pharfalus entfchieder 
Caſar Dictator mit den ausgebehnteflen Vorrechten. Sein nid) 
war, bie Partei des Pompejus ‚gänzlich zus befiegen und die Ordnu 
rütteten Stalien herzuſtellen. Er fand 710 feinen Tod, aber feine 
ten die Republik nicht retten. Schon 711 bildete fich ein neues T 
ſchen Octavius, Antonius und Lepidus, deſſen Zweck die Vertilgu 
kaniſchen Partei war. Wie fie diefen Zweck dürch Ächtungen und W 
aller Art verfolgten, fih dann unter einander entzweiten und aufe 
blut floß, bis endlich die Schlacht von Actium den Dctavius zum £ 
römifchen Reichs machte, ift unter d. Art. Anfonius und Aug 
worben. Rom hörte auf eine Republik zu fein. Die Hauptveränber 
in diefem Zeitabfchnitt die roͤmiſche Verfaffung erfuhr, find fchon in 
deffelben mit angeführt worden. Beſtechung und Privatvortheil leit- 
verfammlungen; igennug und Ehrſucht riffen die Staatsaͤmter 
Ritterſtand bildete fi und gemann große Macht und ungeheure 
Das Kriegsweſen erweiterte Marius, aber die Kriegszucht verfiel 
fochten mehr für ben Feldherrn als für ben Staat. Sie flanden Z 
der fie bezahlte. Große Kortfchritte aber machten die Wiffenfchafte: 
Zeitraum gehören bie Dichter M. Pacuvius, C. Lucilius, Plautu 
Lucretius und Catullus; die Hiftoriker Salpurnius Pifo, Porec. C 
Rufus, Claudius Quadrigarius, vornehmlid, Caͤſar, Salluſtir 
Nepos, Hirtius Panfa u. A.; als Rebner und Philofoph Cicero; 
titer Terentius Varro, ber auch über den Landbau ſchrieb. Mit de 
Periode begann das goldene Zeitalter der römifchen Literatur und 
ahmte die Griechen mit Geſchmack und lid nah. Nicht nur ging 


Rom, das Saiferthum | | g6L. 


bie man graufam behandelte. Das gemeine Volk lebte trotz feiner Ar⸗ 
üfigang und war um fo williger, fich von Denen leiten zu laffen, bie 
ste und Spenden zulommen liefen. Durch Gelb war Alles zu errei⸗ 
L Rom als ungetheilte® Kaiferthum, obes als Monarchie, unter 
‚vom. d. St. 7277—1148 (ober 395 n. Chr.). Wir theilen dies 
n in 4 Abfchnitte. 1) Octavian war 725 als Sieger nad) Kom zus 
and fand jegt 43 3. an der Spige des Staats. Er war Noms erfter 
ohne diefen Namen zu führen. . Zufrieden mit bem Beinamen Aus 
d.), welcher ihm 727 ertheilt wurde, herrſchte er mild und mit Beiber 
tepublilanifchen Formen. Die Amter, welche er in ſich vereinigte, 
Conſulat, die teibunizifche Gewalt, die Imperatorftelle und das Sims 
onfulare in allen Provinzen, endlich das Amt eines Magiſter morum - 
ntifer marimus. Den Schein ber Anmaßung zu vermeiden, lieh er 
te Bemwatt von Zeit zus Zeit beftdtigen. Der Senat beftand als Staates 
Die republifanifhen Magifttaturen wurden beibehalten, verloren aber 
nkeit; dagegen wurden die Präfecturen der Stadt und ber Lebensmifs 
ı und widtigften Stellen, weil von ihnen die Öffentliche Ruhe abhing: 
sine Stammmiliz (cohortes.urbanae) und eine Leibwache (cohorten 
ie) errichtet. Die Statthalter ber ‘Provinzen wurden befolbet und ia 
befchräntt. Im Finanzweſen wurden Verbefferumgen gemacht. Der 
wiſchen der Staates und Privatcaſſe des Kaiſers ergab ſich von feibfl; 
wurden beide eine. Die Grenzen ded Reiche wurden erweitert, vor⸗ 
uch die Einnahme Ägyptens 724, Pannoniens 719, Möfiens 725, 
Vindeliciens und Noricums 739, und durch die völlige Unterwerfung 
ra Spaniens und weſtlichen Balliens 729. . Dagegen kriegten bie Roͤ⸗ 
Mich gegen .die Deutfchen. Auguſts Nachfolger war fein Stiefſohn 
(f.d.), von 767 — 90. Unter ihm wurde durch die Majeſtaͤtsge⸗ 
sia majestatis, eine Art von Sabinetsjufliz) der Despotismus gegrüns 
smar ebenfo fehr die Feigheit und Nieberträchtigkeit bes Senats als 
che Charakter des Fuͤrſten Schuld, der ſich überbie von 77678 
oͤſewicht Sejan leiten ließ. Seine Nachfolger, Caligula (bis 796) 
ı8 (bi6 807), waren jener ein wahnfinniger Thrann, diefer ein Schwäche 
: Zesterm fingen feit 796 die Eroberungen in Britannien an, umb zu 
purben gemacht: Mauritanien 795, Lucien 796, Judaͤa 797 und 
0. Sein Nachfolger Nero (von 807— 824), ein heischlerifcher, zur 
| amb Grauſamkeit geneigter Tyrann, war ber legte Kaifer aus dem 
ſts. Unter ihm wurde der groͤßte Theil von Britannien roͤmiſche Provinz 
eg in Armenien und gegen die Juden gluͤcklich geführt. Auf Nero's 
‚ fo Heftige Stürme, daß in nicht vollen 2 Jahren 3 Regenten ſich ges 
3 Thrones bemächtigten, Galba, Otho und Vitellins (ſ. d.). 
iſche Literatur und Kunſt war dieſer Zeitraum, beſonders die Regierung 
as goldene Alter. Statt der Politik beſchaͤftigten ſich die Vornehmen 
ſenſchaften, beſonders den ſchoͤnen, oder gewaͤhrten ihnen doch Schutz 
rung, wie Muͤcen und Agrippa. Auguſt und Afinius Pollio legten 
— an. In der Dichtkunſt glaͤnzten Virgil, Ovid, Cornel. 
gel. Severus, Zibull, Properz, Gratius Faliscus, Manilius, Horaz, 
deine Menge von Epigrammendichtern. In der Geſchichte lieferten Li⸗ 
onpyſius von Halikarnaß allgemein geſchaͤtzte Werke. Die Beredtfams . . 
Infer, aber die Philofopbie und Mathematik fanden noch Verehrer 
fter ; dahin gehört Vitruv wegen feiner Baukunſt und Hygin wegen 
nonsilone. Als Grammatiker verdient M. Berrius Flaccus erwähnt 
die Geographie hatte einen Strabo, die Rechtögelehrfamteit einen Di, 





nahm das Sittenverderbniß uͤberhand durch Schwelgerei und unn 
luͤſte. Auslaͤnder und Freigelaſſene wurden die Vertrauten der Ka 
daten bildeten einen eignen Stand und dienten nicht dem Staate 
Despoten, ben fie hinwieder abhängig von fich machten. — Nah Bi 
beftieg 823 Flavius Vefpafianus den Thron. Er fellte das Reich he 
Finanzen ordnete, für den Öffentlichen Unterricht forgte, die Kriegs 
umd die Majeftätsgerichte aufhob. Unter feine Regierung fällt der 
Bataver Civilis und die gaͤnzliche Eroberung Britanniens durch Agı 
fian regierte bis 832, fein treffliher Sohn Titus bis 83%, deffe 
Nachfolger Domitian, der vollendetfte Despot, bis 849. Unte: 
der Krieg mit dem Könige der Dacier, Decebalus, welcher die fı 
gluͤckklichen Kriege mit den Markomannen, Quaden und Jazygen ve 
veranlaßte. Er wurde ermordet, und nun folgten bie rühmlicher 
bes Nerva (bi 851), der die Schredensregierung aufhob, die Abı 
und den Gewerbfleiß wieder wedte; Trajan's (bi6 870), der eine 
Verfoffung herftellte und das Reich durch gluͤckliche Kriege mit ben 
meniern und Parthern vergrößerte; Hadrian's (bi 891), der vornel 
nere des Reichs verbefferte und die Kriegszucht fchärfte. Am gluͤcklid 
unter der friedlichen Regierung des Antoninus Pius (bis 914); unt 
oder Antoninus dem Philofophen (bis 933) beunruhigten große U 
tige Kriege mit den Katten, Parthern und vornehmlid, mit den ' 
das Mei), aber feine Meisheit mußte die Wunden zu heilen. : 
(180 n. Chr.) das blühende Zeitalter Noms. Die Staatsverfaff 
Charakter einer gemäßigten, auf bürgerliche Freiheit gegründeten M 
Staatswuͤrden wurden zum Theil zu leeren Ehrentiteln und dageg 
von Hofftellen eingeführt, die immer mehr Macht anfichriffen. J 
"4 Provinzen getheilt, denen Gonfularen vorftanden. Große Ver 
wirkte im Gerichtöwefen das Edictum perpetuum; die Eaiferl. Befet 
immer mehr bie Senatsconfulte. Auch im Kriegswefen fanden S 


fbatt namentlich sins-anhro Kinthaifuna hor Frannon Mio Pitorai 


Rom, das Kaiſerthum 868 


Sextus Eäcitius Africanus, Terentius Clemens, Vinidius Verus, 
mricianus, und noch beruͤhmtere juriſt. Schriftſteller, Sertus Pompo⸗ 
luſtus Maͤcianus, Q. Cervidius Scaͤwvola, Ulpius Marcellus. — 3) Von 
amt ber immer zunehmende Verfall des roͤmiſchen Reichs. Commodus, 
P8 Sohn (von 933—945), war ein Ungeheuer. Von ben Marko⸗ 
mfte er den Frieden; In Dacten und Britannien kriegten feine Feldher⸗ 
. Rad feinem Tode erfolgten große Erfchütterungen.: Pertinar res 
> Monate, und M. Didius Julianus, der das Reich meiftbietend ers 
2 Monate, worauf das Heer in Illyrien ben Septimius Severus, das 
rien den Pescenninus Niger zum Kaifer wählte. Exfterer behauptete 
rfchte bis 965. Er bekaͤmpfte bie Parther und Britannier. Caracalla 
tar ein Thrann; ihm folgte bis 971 fein Mörder Maerinus; Helioga⸗ 
ſchamloſer Wolluͤſtling (bis 975); Alerander Severus (bis 988), ein 
uͤrſt. Nach ihm herrſchte fein Moͤrdet, der Thrazier Maximinus (bis 
ben militairiſchen Despotismus aufs höchfte trieb. Während er mit 
keutfchland Eriegte, wählte der Senat ben -alten Gordian gurı Kaifer, 
fen Tode den Marimus Pupienus und Clodius Balbinus. Die Praͤ⸗ 
ıordeten fie und riefen den jungen Gordian zum Kaifer aus, ber bis 
M. Julius Philippus bis 1002 regierte. Dann regierten Trajanus 
04 von ben Gothen erfchlagen); Trebonianus Gallus (bis 1006) ; 
kianus (3 Monate); P. Licinius Valerianus (bis 1011); P. Licin. 
bis 1021), unter dem ſich faft alle Statthalter zu Kaifern aufwarferi 
etſchen und Derfer über die Römer fiegten; M. Aurelius Claudius (bis 
bie Alemannen und Gothen ſchlug; Domitius Aurellanus (616 1028), 
orene Länder wieder and Meich brachte, die Zenobia gefangen nahm 
freiwillig räumte; DM. Claudius Tacitus (bie 1029); Probus (bls 
Eriegerifcher und guter Fuͤrſt; M. Aurelius Carus (bis 1036); M. 
umerinnus (bi6 1037), ein gebilbeter und fanfter Fuͤrſt. Ihm folgte 
bis 1058), welcher den M. Valerius Diarimianus zum Mitregenten _ 
ußerbem nahm er noch ben C. Galerius, ſowie Marimian den Flavius 
Chlorus zum Gehhlfen an. Diefe theilten daB Reich, unbeſchadet 
kt und widerſtanden nicht nur den Barbaren, fonbern erweiterten e8 - 
em bis an den Zigris. Beide Kaifer legten 1058 die Regierung nicher, 
erius in den Morgenlaͤndern, Konftantins- in den Abendlaͤndern folgte. 
sarımte 2 Gehülfen (Caͤſares), den Flavius Severus und Mariminus. 
; farb 1059 und hinterließ feine Länder feinem Sohne Könftantin, der 
Beihe von Zrenlofigteiten 1076 bie Alteinherrfchaft gewann. In dies 
m war zwar die Staatsverfaffung biefelbe geblieben, aber uͤberall 
Nitairbespotismus. Der Soldat ſetzte Kaifer ein und ab. In Rechts⸗ 
bieden die Kaifer durch ihre Conſtitutionen. Immer mehr fliegen das 
ebniß, die Ohnmacht des Reichs, die druͤckenden Abgaben, die Ars 
zoſks, die Tyrannei ber Regenten, ber Andrang ber Barbaren. Die 
nd der Geſchmack kamen gänzlich in Verfall. Sprache und Schreibart 
. Einzelne Männer ftudirten die Alten und nahmen fie zu Muſtern. 
Achtern find zu bemerken Terentianus Maurus und Nemeſianus; uns 
ichtfchreibern find von anerfanntem Werth Dio Caffius und Hero: 
8 find zu bemerken die Verf. der Kaifergefchichte (Seriptores historiae 
, Spartianus, Gapitolinus, Trebellius Pollio, Vopiscus, Lampris 
Istcatins Gallicanus. Apuleius fchrieb Romane, Älian Anekvoten. 
Werke verfaßten die Lobrebner der Kaifer, Mamertinus, Nagarius, 
ufonius u. A., Latinus Drepanius, Cumenius und Pacatus. Dee 
er Latinus Soltnus lieferte einen Auszug aus Plintiad’E Noturaeiärdte 





u Kom, das alfe und neve 


u. b. 3. „Polphiſtor“, Serenus Samonicu ein Lehrgedicht uber die Arznei 
3. ein Merk über den Landbau, der Grammatiker Genforinus ein ge 
Fronoiogiſches Werk „‚De die natali”. Große Rechtögelehrte waren Papiak 
Mpionus, Julius Paulus und Herennius Modeſtinus. Die Kunſt 
n war die chriſtl. Religion weit verbreitet. — 4) Konftantin ber * 
4099) nahm aus Politik 1064 dad Chriſtenthum an, welches dadurch be 
Religion ward. Der militairiſche Despotiemus hörte auf. Die Refid 
vach Banflantinopel verlegt, das Reich neu eingetheilt, inte an and Mi 
malt getrennt. Nach Konftantin’s Tode theilten feine 3 Söhne, Konflantig; 
Bamtind und Konſtans, das Meich, bis nad) 12jähr. Kriegen 1106 Konf 
Bag ganze Reich anfichbrachte. Cr regierte zuerft .mit dem Caͤſar Se 
Gallus, dann mit dem Gäfar Julianus, bis 1114 unter beſtaͤndigen Sıley 
den Barbaren. Sein Nachfplger war Julian, der Apoflat oder Abtckn 
t (bie. 1146) , ein talentvoller, lafterfreier Fuͤrſt, der aber zum Del 
Mod) ihm regierte Jovian bis 4417, Valentinian J. im De 
1128, Valens im Orient bis 1131, unter. dem die Hunnen nach arme 
ration und Valentinian H. tm Occident, erſterer bie 1136, letzterer bi 
dann Theodoſtus bie 1147. im Orient, bis 1148 über das ganze Reich. 
a ei (395 n. Ehr.), dad fortan in dem morgenländifchen ober oſtrig 
- in dem abendlaͤndiſchen ober weſtroͤmiſchen Kaiferthun getzennt blieb, 
hefchichte des erſteen ugter Byzjantiner, bie Geſchichte des legtrem m 
cibenialiſchet Kaifſerthum. — Aus dieſem Zeitraum nennen wir f 
Schhriftſteller: Claudian als Dichter; Ammignus Marcellus, Auxelit 
Euteopius und Zoſimus als Geſchichtſchreibetr. Als Redner war, Sor 
Us Sophiſt Thewiſtius berühmt. Vegethus ſchtieb vom Kriegßweſen ı 
gohius ward ein giadticher Nachfolger des Varxo und Gellius. -Wirtor a 
tus Rufus fchrichen Zopographien von Rom. Mon jest an artete bie Ä 
Sprache durch Vermiſchung und Barbarei immer mehr aus, bis ſi ie 
Wa den romanifchen Sprachen verſchwand, und ebehfo ſank die Geifte 
Die Ältere Zeit bis zur Dictatur [. Niebuhr's „Roͤm. Gefchichte” (1. 5* 
Balin 1827). Vol. Wachsmuth, „Die Ältere Geſch. des rim. Staats 
4819). ‚Über die Kaifergefch. ge ve Werte von Tillemont u, Crevier, ? 
von Hübler (3 Thle., Feeib. 
Rom, die Stadt, iſt 10 ie et, obſchon feit Jahttauſenden durch m 
lei I feinbfeige Schickſale heimgefucht, die herrlichfte aller Städte. Die R 
wie die Prachtgehäube ded neuen Roms, umſchwebt ber Bub | 
—8 und Würde, und glänzende Erinnerungen aus allen Zeiten fi 
Denkmale geknuͤpft, die bei jedem Schritte des Wanberers ſich häufen. ZU 
der Vorzelt und der Gegenwart erfcheint nirgends fo,. wie innerbalk der | 
Roms; jenes claſſiſch in alfer feiner nach Außen gekehrten Kraftfuͤlle, Nefel 
. nem mehr nad) Innen gerichteten, beſchaulichen Treiben vol romantifhn 
Daher der tiefe, unausloͤſchliche Eindrud, den Mom auf ieden finnige, % 
gehen Saft macht; daher hie Sehnfucht fo Wieler, bie dort gewefen, dahin 
zukehren. — Dos alte Rom war auf mehren Hügeln gebant, bie jegt 
vielen Schutts, womit die Thaͤler ausgefuͤllt find, kaum noch bewmerfher. 
(f. d. Anfang d. vor. Art). Die niedrigen Dftufer ber Tiber gaben bi 
böufigen Überfhwernmungen preis. Umfang und Vollömenge 8 | 
denen Zeiten fehr verfchieden. Wir fprechen bier von der k 
Vopiscus im Leben Aurelian’s fegt ben Umfang der Stadt nad) ihrer: 
tweiterung durch diefen Kaifer auf 50,000 Schritt (84 Meile), mefke 
48,000 Schritt leſen zu müffen glauben, da Plinius den Umfang in den Zell 
Aurellan auf 13,000 Schritt (24 Mei) omaikt, Damit fimmn * 
































- 


Ron; das alte N. Du 


see Neifenden Aberen. Die Bevoͤlkerung mag damals gegen 8 Mill. 
etragen haben; bie Zahl det Bürger. war nte uͤber 300,000. - Schon 
atte Die Stadt mit einer Mauer; oder vielmehr einem Erdwall umge 
den 4 Thoren, bie er Anlegte, dem carmentafifchen, panbahtfcher 
ſchen, tomaniſchen und mugonifdhen, erhielt ſich nur das carmentali⸗ 
auerr lef vom palatiniſchen Berge am Fuße des aventiniſchen hiniweg 
ibers; bann fuͤllte ein Stuͤck derſelben den Abſtand zwiſchen der Tiber 
pitoliniſchen Berge aus, ſchnitt auf der andern Seite ben Palatinus 
rgers Edle, Esquilinus, Viminalis und Quirinalis ab und endigte 
a bei dem Capitol Die zweite, bie ſerviſche Mauer, war ungleich 
und ſchloß die genannten Berge insgeſammt von der Morgen⸗ und 
e ein, lief unter dem aventiniſchen Beig herum nach bie Tiber zw, 
bez den Fluß auf die Abendſeite deſſelben, too fie, im Dreieck bis auf 
Spitze bed Janiculus fortgeführt, dieſe von dem übrigen. Berge ab⸗ 


dann In einer geraden, nach dem füblihen Ende der Tiberinſel zugehen⸗ 


ıg , die ganze Maffe der Wohnungen jenfeit der Tiber umfaßte: Auf 
te ber Stadt wurde größtentheils bie Alte Diauer des Romulus beibe⸗ 
zo aber an ber Spitze bes Quirinalis die alte Mauer geendigt Hatte, 
ſerviſche bis ans aͤußerſte öftliche Ende des Quirinalis fort und zog ſich 
te übrigen Berge degm Morgen herum. Der pincifche Hügel,’ das 
ab der vaticaniſche Berg lagen alfo ganz außerhalb berfelben: Alle 
umſchloß auch die dritte, die aurelianifche Mauer; indem fie aber dom 
x Enbe des Quirinalis noch weiter nach Norden fortsing, begriff fie, 
karsfeld von bem pindfchen Hügel in ſich, 309 fich außerhalb des Tegterm 
fiber, umfaßte jenſeits derfeiben in einem großen Bogen den vaticant« 
und ſchloß ſich dann an die alte, bis auf bie Spige bes Janiculus ges 
we an, fobaß die Tiberinſel nun mit zur Stadt gehörte. Bej einen 


Infange mußte bie Zahl der Thore beträchtlich; fein... Plinius zaͤhlt 37, 


asch mehre jetzt unter verändertem Namen beftehen. — Das alte Rom 
Beiden, von denen einige noch gangbar find: Die unterſte und’ Altefte 
ns sublioins, welcher vom Aventinus in das Thal unterhalb des Jaui⸗ 
e umb jest nicht mehr vorhanden iſt. Die givrite führte vom Markte 
Santculus und hieß pons senatorius, weil ber ſeierllche Aufzug des 
Aber ging, wenn bie ſibylliniſchen Bücher vom Janiculus geholt wer⸗ 
.Slie war die erfte fleinerne Brüde Roms und Hegt jetzt u. 6. N. ber 
Be in Truͤmmern (ponte rotto). Auf die Fiberinfel führten 2 Vruͤcken, 


u der Oſft⸗, die andre von der Weſtſeite, jene pons Fabrivius (jet - - 


Maattxs capi), dieſe pons Cestiun (jept Bartholomaͤusbruͤcke) genannt. 
? Brille, pons Junionlensis. (jest ponte Sisto), führte von Mars⸗ 
Theater des Marcellus nad; dem Janiculus. Won ber-finften, pone 
Ser triumphalis, welche vom Marsfelde nach dem Vatiean führte, 
noch Bkinen bei bem Heiligengeifthofpital. Die dtifche Bruͤcke, pona 
Hegige ſchoͤne Engelsbruͤcke, führte eben dahin nach ber Moles Dabriant. 
ber Mater, oberhalb des pinciſchen Hügels, lag die fiebente Bruͤcke, 
lbs (ER ponte molle), von M. Ämtlius Scaurus nach bes Spin 
st. — Die Straßen Roms waren, feibft nach. dem Wiederaufbau der 
koMeen, ſehr untegelmaͤßig; die öffentichen Plaͤtze, deren es eine große 
5 Neb man Mn arese, Worpläge von Paldften und Tempein, 
Die watt Daſen bewachſene Plaͤtze, die theils zu Berathſchlagungen des 
Bid a Affmilichen Aufzligen, theils gu Waffenuͤbungen ber Ingend und 
ed wer Leichen dienten, und in fora, welche gepflaftert waren units 
Amanunntanften des Vocts sam Abthem maucherlel Wirgeriiänr 













— 





13) Aventinus, 14) Irans liberim. Zu den mertwürdigiten 
baͤuden und Dentmälern gehören die Tempel, Theater, Amphit 
Naumachien, Porticus, Bafilick, Bäder, Gärten; Triumphboge 
Cloaken, Wafferleitungen, Grabmäler ic. — Bon dem Capitol, 
dem Haupttempel Rome, das bem Jupiter Gapitolimus geheiligt ' 
dem Pantheon, f.d. Art. Naͤchſtdem waren die merkwuͤrdig 
pel des Äfkulap, auf der dem Gotte geweiheten Tiberinfel, jegt t 
lomaͤuskirche; ber Tempel des Antonius und ber Fauftina in der 
die Kirche S.- Lorenzo in Miranda; ber koſtbare Apollotempel, 

mitten im Palatium von weißem Marmor erbaute, um darin t 
Bücher aufzubewahren; er enthielt außer vielen Koftbarkeiten ein 
thek und diente den Dichtern zum Verfammlungsort, melche ba 
vorlafen; der Tempel aller Kaifer ( Templum Caesarum), ber 
Kaifer enthielt, benen allen einft ein Blitz die Köpfe abſchlug; 

Dioskuren auf bem Forum romanum unter bem palatinifchen B 
S.: Maria Liberatrice gegenüber, den beiden Sünglingen zu Ehre 
der Schlacht am See Regillus den Römern den Sieg erfechten 
‘ man für Kaſtor und Pollur hielt; der Tempel der Göttin Seia (! 
dem Palatinus, den Servius Zullius erbaute, Nero aber in feinen 
30g und mit burchfichtigem kappadoziſchen Marmor belegen ließ 
Templum Dianae commune berühmte Bundestempel, den auf Se 
Beranlaffung bie geſammten lateiniſchen Städte erbauten und 
Säule die Bedingungen jenes Bundes eingegraben waren, geleger 
tinifchen Berg bei der Kirche S.⸗Priscaͤ; der Tempel des Janus aı 
bei der heutigen Sirtusbrüde, einer der fchönften des alten Ron 
des Flaviſchen Gefchlechts, in welchem Domitian begraben liegt, c 
Piazza Grimana noch vorhanden ; der Tempel des. Hercules und bei 
in der neunten Region von M. Fulvius Nobilior, ber hier bie aus 
gebrachten Muſen aufflellte; der Tempel ber Ehre und Tugend ir 
aion. von M. Marcellus erbaut und von den Marcellern mit d 


‘ 


Rom, das alte | 867 


6 Triumphs anfuchten, und den feindlichen Gefandten Audienz gab, 
Trümmern die Kicche belle Palme ſteht; der Tempel bes Mars 
uſt mit großer Pracht erbaut, als er die von den Parthern erober: 
e zurüderhielt; der Eoftbare Minerventempel, den Domitian auf 
z Nerva erbaute; ein andrer Tempel berfelben Göttin, den Pom⸗ 
Marsfelde erbaute, Auguft aber mit Erz überziehen ließ; der Tem: 
3, einſt der fchönfte und reichfte Zempel Ronis, von Vefpafian auf 
in ber 4. Region erbaut, der bie Schäge des jerufalemifchen 
choͤne Bibliothek und viele andre Koftbarkeiten enthielt, unter Com: 
beammte; ber Tempel der Göttin Salus, den Roms erfler Maler, 
‚ ausmalte; der Tempel des Saturn, von dem jüngern Tarquin 
chher die Schaͤzkammer und das Staatsarchiv Roms ward; der 
onne, den Aurelian mit größtem Aufwande anlegte und von dem 
ıen ba find; mehre Venustempel, und unter diefen befonders der _ 
el der Venus Genitrir, den Eäfar der Stammmutter feines Ge: 
der Tempel der Venus und Roma, den Hadrian nach einem felbft- 
erbauen ließ; der Tempel der Veſta, einer ber wichtigften und aͤlte⸗ 
a an der Südfpige des Palatinus erbaut, in welchem die Staats- 
ie Ancilien, das Palladium, das heilige Feuer aufbewahrt wurden, 
on den Paläften führen wir bloß ben Eaiferlichen ald den vornehm⸗ 
ar von Auguft auf dem palati.ifchen Berge erbaut und gab ber 
Stadt den Namen. Die Hauptfeite war nach ber Dia facra ges 
3 davor gepflanzt. Im Bezirke bes Palaftes felbft lag der Tempel 
ber des Apollo, den Auguft zum Haupttempel von Rom zu erheben 
[genden Kaifer erweiterten und verfchönerten dieſen Palaft. Nero 
erbaute ihn jeboch wieder und zwar fo weitläufig, daß er nicht hur 
tinifchen Berg, fondern auch die Ebenen zwifchen biefem und dem 
quilinifchen Berg, ja felbft einen Theil von diefem einnahm. Dabei 
fteinen, Gold, Silber, Statuen, Gemälden und Koftbarkeiten aller - 
geſchmuͤckt, daß er den Namen domus aurea mit Recht führte.. Die 
r beraubten ihn aber nicht nur dieſer Koftbarkeiten, ſondern Veſpa⸗ 
ließen auch viele Nebengebäude abtragen. Den Hauptpalaft vers 
f Domitian; unter Commodus brannte ein großer Theil nieber, er 
ihm und feinen Nachfolger wiederhergeſtellt. Zur Zeit Theodo⸗ 
e neuer Reparaturen, fpäter aber flürzte ber ungeheure Bau zufam= 
ftehen auf feiner Stelle der Farneſe'ſche Palaft und Garten und die 
— Unter den Theatern waren bie des Pompeius, ded Cornelius 
es Marcellus die vorzuͤglichſten. Pompeius erbaute fein Theater 
br aus Griechenland und ſchmuͤckte e8 mit den vorzliglichften und 
riechiſchen Statuen. Kine MWafferleitung brachte Waſſer in alle 
s. Um e6 vor dem Niederreißen zu bewahren, baute er in feinem 
rächtigen Tempel der Venus Victrix. Es faßte 40,000 Menfchen. 
mabigte den Bau; ſchon früher hatte Tiberius bie Scene erneuert; 
bat fpäter Claudius; der Gothenkönig Theodorich ließ es wieder 
ezt ficht man noch wenige Überrefte bei dem Palajt Urfini. Das . 
albus, diefes Lieblings des Auguft, lag auf dem Maröfelbe; da6 - 
zarcellus endlich ließ Auguft feinem Neffen Marcellus zu Ehren er 
e 22,000 Menſchen und ward von Veſpaſian erneuert. Noch find 
bavon zu fehen. — Unter mehren Amphitheatern mar das des Ti⸗ 
rbigfte. (©. Eolifeum, und über den Circus marimus und 
acalla f, Circus.) Unter den übrigen Circus verdienen genannt - 
r Circus agonaliß in ber 9. Region; der Circus Aurelins in ven 





ließ, der vornehme war. Er fand auf-dem Marsfelde, von 
hain umgeben, und wahrſcheinlich rühren von ihm die Marmorſaͤul 
noch jetzt auf der Piazza di Pietra fieht; der prächtige Porticus 
dem Martfelde, mahrfcheinlih von Auguft erbaut und mit bei 
Europa ausgemalt; der Phrticus Hefatonftylon in der 9. Region, 
Säulen fo genannt; der Porticus der Kivla in ber 3. Region, ben ‘ 
Mero aber niederreißen ließ; der Porticus des Metellus, von Met 
donier, zwifchen den von ihm erbauten Tempeln des Apollo und 
9. Region angelegt und mit den aus Macedonten mitgebrachten € 
der Porticus Milliarenfis, der taufendfäulige, von dem noch Spur 
ten bed’ Herzogs Muti zu fehen find; ber Porticus der Octavia, v 
der Porticns Pold, von M. Vipſanius Agrippa erbaut; der Por 
pejus, von feinen Saͤulen auch der korinthiſche genannt; Pompeji: 
Theater anlegen und ſchmuͤckte Ihn mit golbgeroirkten Tapeten; « 
ticus dee Sonne (P. Solis), welchen Aurelian erbauen ließ. — Un 
liten (f.d.) war eine der ſchoͤnſten die Amilifche, auf der Norh| 
romanum, von Paulus Amilius erbaut; Außerdem nennen wir bi 
oder Lucii auf dem Esquilin, die prachtvolle Baſilica Julia auf d 
Forum romanum von Julius Caͤſar, und die Baſilica Portia, die d 
Genforinuß erbaut. — Der Öffntlichen Bäder, die zum Theil wei 
ften glichen und mit großer Pracht ausgeftattet waren, zählen ei: 
und 856 kalte, außer 880 Privatbädern. Mäcen und nach ihm 
bie erften öffentlichen Bäder an, die aber fpäter von denen bes Caı 
wieder von den Diocletinnifchen, deren Überrefte noch vorhanden fi 
wurden. — Auch an prächtigen Gärten war Rom reich. Den erftei 
. bie Gärten bes Lucullus in ber 9. Region ein; nächft diefen war 
Gärten des Afinius Pollto, des Julius CAfar, des Maͤcenas, de 
2. a. — Bon den Triumphbogen find die berühmteften der des K 
4. Region, von dem noch Ruinen vorhanden find; ber des Drufut 
fchen Strafe. aus welchem das feßiae Thor S.= Sebaftian erbaut fı 


nech alle Stürme der Zeit biß auf uns gekommen find. Vgl. „Rom 

von Burton, von Sickler überfegt (antiquar.shilige., mit Planen, ” 
zeimar 1823); Sachſe, „Geſch. und Beſchrelb. der alten Statt. -' 
Grundriſſen und Planen, Danov. 1825, 1. Th.), nad) Adler, Bea, 
muti’6 „Descrisione topograf. delle antichitä di Roma’ (3. A., 

ad verm. von dem Antiquar Stefan Piali; Nom 1824, 2 Bde., 4., 

.). N on 
yeutige Rom, die Hauptft. des Kirchenſtaats, die Reſidenz des Pap⸗ 
Jahrhunderte lang die Haupeft. der Chriftenheit, noch gegenwärtig bie 

r Kunſtwelt (21° 63° 45” N. Br.), hat jest einen Umfang von 2 
ver 13 ital. Meilen. Sie wird von der Tiber in 2 Theile getheilt. Die 

vläfte, Landhäufer, Piäge, Straßen, Springbrunnen, Wafferleitungen, . 
t, Ruinen, Alles verkündigt in biefer Stadt ihre alte Herrlichkeit und 
Bröße. — Unter den Kirchen nimmt ben erften Plag die bewimberne» N 
ters kirche ein, vielleicht das fchönfte Gebäude der Welt. Bramante 
Bau; ihm folgten Sangallo und Peruzzi; aber den größten Theil der 

ı lieferte Michel Angelo, der die ungeheure Kuppel darauf fegte, bie 

ge des Kreuzes 68 Toifen hoch iſt. Später arbeiteten mehre anbre 
Daran; Maderni vollendete die Vorderſeite und die beiden Thürme.: 

Bau mährte von 1506 — 1614 und Eoftete 45 Mil. roͤmiſche Thlr. 
dieſem prächtigen Tempel gelangt, bietet fid dem Auge ber runder 

lag dar, den Bernini’s trefflicher Säulengang.umgibt und ein ägnptie 

k mit 2 herrlichen Springbrunnen ſchmuͤckt. Beim Eintritt in bie 

st fich das Moſaikbild Giotto's, la Navicella; unter dem Porticus, 

Thor gegenüber, das große Baßrelief Bernini's, Chriftus vorftellend, 

16 befiehit, feine Heerde zu hüten; endlich die beiden Reiterfiatuen an 

Enden des Porticus, Konftantin von Bernini und Karl d. Gr. von 

: Der Berein diefer Meifterwerke macht auf das Gemäth einen um _ - 
en Eindrud. Die Harmonie und die Verhältniffe, welche im Ins 





und enthieit, wie man vermuthet, DIE Ace Des 2UC. Agrıppa. D 
‚ Kiche Sta.⸗Maria⸗Maggiore wird von 40 ioniſchen Säulen aus gı 
„getragen, bie aus einem Tempel ber Juno Lucina genommen wort 
‚ ward mit dem erflen Golde aus Peru vergoldet. Man bewundert 
ſchiedene Mofaiten, den aus einem antiken Porphyrſarkophag beft 
altar, bie nad) Fontana's Zeichnung gebaute und feltfam verzierte Cap 
die mit Marmor und Edelfteinen geſchmuͤckte Gapelle Pauls V., die ( 
von Michel Angelo und die Srabmäler Wilhelms della Porta und A 
dem Plage vor der Hauptfeite erblickt man eine korinthifhe Marmor! 
für ein Mufter in ihrer Art hält. Die größte Kirche in Nom, nı 
war die Basilica di S.-Paolo fuori delle mura, auf dem Wei 
(S. Paulskirchen.) Die St.»Laurenzlicche außerhalb der Stat 
Denkmäler des Altertbums. Die Kirche di S.-Pietro in Vinco) 
berühmte Statue Mofis von Michel Angelo. Die St. Agnest 
Platze Navona, angefangen von Ratinaldi und vollendet von Borre 
der gefehmüdkteften, befonderd mit neuern Bildhauerwerken. Mar 
nehmlich ein wunderbares Melief von’ Algardi, welches die h. Agn 
wänder beraubt und bloß von ihrem Haupthaar bededit, vorftellt. 
des h. Sebaftian vor der Porta Sapena enthält die Statue des töbt 
‚ten Heiligen von Giorgetti, einem Schüler Algardi's und Bernini's 
dieſer Kirche befinden fich die Katakomben, die einft zu Begräbniffer 
der St.s Agneskichhe vor ber Porta Pia fieht man ımter vielen fc 
4 porphyrne als Stüdpfeilee des Dochaltars, welche für bie fehl 
Roms angefehen werben. In einer Eleinen Capelle befindet fich e 
Erlöfers von Michel Angelo, ein wahres Meifterftüd. In der Sı 
Eiche bewundert man ein ſchoͤnes Bild von Rafael, den Propheter 
. ftellend, und eine Himmelfahrt von Lanfranco. Das Klofter bei 
Bibliothek, bekannt u.d.N. ’Angelica, und vermehrt durch bie $ 
Garbinals Paffionet. Außerdem verdienen ihrer ſchoͤnen Bauart um 
werke wegen ausgezeichnet zu werden: bie Kirchen S.⸗Ignaz, 


..y...—ves v” vw... v‚ — vr... 


n6 der ſchoͤnfien Werte des Garavagalo, die "Malereien des; großen 
eifterwerk Peters von Cortona u. a. koftbare Gemälde. Unter vie- 
vetken bewunderte man fonft den fchlafenden Kaun, jest in München, 
iche Gruppe der Atalante und bed Meleager, eine Funo, einen kran⸗ 
ı Bernini, die Büfte des Cardinals Barberini von demf., und die 
Rarius, Sylla und Scipio Africanus; die Bibliothek foll 60,000 
und 9000 Handſchriften enthalten; dabei ift ein Gabinet von Me: 
zen und edlen Steinen. Der Palaft Borghefe, von Bramante er: 
äufig und von ſchoͤner Architektur; der Saͤulengang des Hofes iſt 
er Palaſt enthält eine zahlreiche Sammlung von Gemaͤlden, ſeltenen 
ten, Eoftbaren Tiſchen und Geräthen von ſchoͤner Arbeit, aus rothem 


nigem Atabafter ıc. Der obere Saal ift unvergleichlich; die großen . 


on Vernet, womit er geziert ift, find von folder Wahrheit, daß man 
ſich in die freie Natur verfegt glaubt. Der Palaft Albani, deffen 
angenehmften ift, befigt eine anfehnliche Bibliothek, eine große Menge 
ı und eine Sammlung von Zeichnungen von Garacci, Polidoro, Lanz 
aoletto, Cignani ıc. Der Palaft Altieri, einer der größten in Rom, 
infacher Architektur und enthält feltene Handfchriften, Medaillen, 
nd Eoftbare Möbeln. Im Palaft Colonna findet man eine reiche 
n Gemälden ber erfien Meifter; alle Zimmer find damit geziert, 
lich die Galerie, die zu den fchönften in Europa gehört. In dem 
nan die Ruinen der Bäder des Konftantin und bes Tempels bes Sons _ 
er Palaſt Aldobrandini befist das fchönfte Denkmal der alten Ma⸗ 
ldobrandini'ſche Hochzeit, von Pius VL. 1818 gekauft, ein Fresco⸗ 
peldyem die Zeichnung bewundernswuͤrdig iſt. Der große Palaft 
der Zeichnung des Sangallo begonnen und unter der Leitung Michel 
abet, ift ebenfo fehr durch feine Schönheit al& durch feine Kunſtſchaͤtze 
e Garacci und Domenichino haben in feiner Galerie ſich durch ihre 
; verewigt. Den Hof zierten fonft der Sarnefe’fche Hercules, die 





MV TORbUyiE0U URS SUR VEHBSEEEYT, WE Vv Ade ysıyyu. 
! 


Kirche Sta.-DMarla- Maggiore wird von 40 ionifchen Säulen auß o 
- getragen, die aus einem Tempel der Juno Lucina genommen wor 
” warb mit dem erflen Golde aus Peru vergoldet. Man bewundert 
ſchiedene Mofaiten, den aus einem antiken Porphyrfarkophag befi 
altar, bie nach Fontana's Zeichnung gebaute und feltfam verzierte Gaı 
bie mit Marmor und Ebelfteinen geſchmuͤckte Gapelle Pauls V., die 
von Michel Angelo und bie Srabmäler Wilhelms della Porta und 
dem Plage vor der Hauptfeite erblickt man eine korinthifhe Marmor 
für ein Mufter in ihrer Art hält. Die größte Kirche in Rom, rn 
war bie Basilica di S.-Paolo fuori delle mura, auf dem We 
(S. Paulskirchen.) Die St.⸗Laurenzkirche außerhalb ber Sta 
Denkmäler des Alterthums. Die Kirche di S.-Pietro in Vince 
berühmte Statue Mofis von Michel Angelo. Die St. Agnes 
Platze Navona, angefangen von Ratnaldi und vollendet von Bor 
ber gefhmüdkteften, befonders mit neuern Bilbhauerwerten. Ma 
‚ nehmlich ein wunderbares Melief von’ Algardi, welches die b. Ag 
wänder beraubt und bloß von ihrem Haupthaar bedeckt, vorftellt. 
des h. Sebaftian vor der Porta Capena enthält die Statue des töb 
| ‚ten Beiligen von Giorgetti, einem Schuͤler Algardi's und Bernini’e 
"9 diefee Kirche befinden fich die Katakomben, die einft zu Begräbniffe 
der St.» Agneskichhe vor der Porta Pia fieht man ımter vielen { 
4 porphyrne als Stüdpfeiler des Hochaltare, welche für die ſch 
Roms angefehen werben. In einer Eleinen Capelle befindet ſich 
Erlöfers von Michel Angelo, ein wahres Meifterftüd. In der € 
Eiche bewundert man ein ſchoͤnes Bild von Rafael, den Prophete 
‚ftelend, und eine Himmelfahrt von Lanfrancc. Das Klofter bi 
Bibliothek, bekannt u.d.N. l’Angelica, und vermehrt durch bie 
Cardinals Paffionei. Außerdem verdienen ihrer fchönen Bauart u 
werte wegen ausgezeichnet zu werden: bie Kirchen ©.- Ignaz, 





Rom, das neue 871 


efinden fich in bem appartemento Borgia, fo auch Rafael's Ver: 
ver Sirtinifhen Capelle bervundert man das juͤngſte Gericht von 
Den Palaft von Monte Cavallo oder den quirinalifchen Palaft 

ı und fchönen Gärten haben wegen feiner gefunden Luft und ſchoͤ⸗ 
Paͤpſte zu ihrer gewöhnlichen Refidenz gewählt. Der Iateranifche 
xtus V. burdy Sontana neu hatte aufbauen laffen, ift feit 1693 in 
verwandelt. Überdies find auszuzeichnen: der Palaft der apo: 
ꝛi, der Palaſt der Confervatoren, der St.:Marcuspalaft, das Aka⸗ 
. — Unter den Privatpaläften ift der Barberini’fche ber größte. Er 
in einem fchönen Styl erbaut. Man fieht hier die Magdalene 
& der fchönften Werke des Caravaggioı, die Malereien des großen 
ifterwer Peters von Cortona u. a. koftbare Gemälde. Unter vie: 
erken bewunderte man fonft ben fchlafenden Faun, jest in München, 
je Gruppe der Atalante und des Melenger, eine Juno, einen kran⸗ 
Bernini, die Büfte des Cardinals Barberini von demf., und bie 
arius, Sylla und Scipio Africanus; die Bibliothek foll 60,000 
und 9000 Handfchriften enthalten; dabei ift ein Cabinet von Me- 
r und edlen Steinen. Der Palaft Borghbefe, von Bramante er: 
ufig und von fehöner Architektur; der Säulengang bed Hofes ift 
e Palaft enthält eine zahlreiche Sammlung von Gemälden, feltenen 
n, Eoftbaren Zifchen und Geraͤthen von ſchoͤner Arbeit, aus rothem 


igem Atabafter ıc. Der obere Saat ift unvergleichlich; die großen 


n Vernet, womit er geziert ift, find von folcher Wahrheit, bag man 
ch in bie freie Natur verfegt glaubt. Der Palaſt Albani, beffen 
genehmften ift, befigt eine anfehnliche Bibliothek, eine große Menge 
und eine Sammlung von Zeichnungen von Caracci, Polidoro, Lan: 
jetto, Gignani ıc. Der Palaft Altieri, emer ber größten in Rom, 
ifacher Architektur und enthält feltene Handfchriften, Medaillen, 
d koſtbare Möbeln. Im Palaft Colonna findet man eine reiche 
ı Gemälden der erfien Meifter; alle Zimmer finb damit geziert, 
ch die Galerie, die zu den ſchoͤnſten in Europa gehört. In dem 
m die Ruinen der Bäder des Konflantin und bes Tempels des Sons " 
re Palaft Aldobrandini befist das fhönfte Denkmal der alten Mas 
yobrandini’fche Hochzeit, von Pius VII. 1818 gekauft, ein Fresco⸗ 
elchem die Zeichnung bewundernswuͤrdig if. Der große Palaft 
er Zeichnung des Sangallo begonnen und unter der Leitung Michel 
yet, ift ebenfo fehr durch feine Schönheit als durch feine Kunſtſchaͤtze 
Garacci und Domenichino haben in feiner Galerie ſich durch ihre 
verewigt. Den Hof zierten fonft der Sarnefe’fche Dercules, die 
ind die Urne ber Caͤcilia Metella; im Palaſt felbft bemunderte man 
uppe bes Farneſe'ſchen Stieres. Als aber die Farneſe'ſche Erbſchaft 
a Neapel zufiel, wurden jene Statuen nebft andern Seitenheiten 
wacht, wo fie gegenwärtig den Palaft der Studj ſchmuͤcken. Nicht 
# ber Palaſt Sorfini, wo die Königin Chriftine wohnte und 1689 
aͤlt eine anfehnliche Bibliothek und Galerie. Der Palaft Giufti- 
h eine mit verfchiedenen fehr gefchägten Statuen und Bildhauer: 
? Salerie; ihre Dauptzierden waren die berühmte Statue ber Mi⸗ 
fe, bie von diefer Goͤttin vorhanden iſt, und das Basrelief ber 
he ben Jupiter ſaͤugt. Diefe Schäge find von Napoleon buch 
f erworben worden und auch in Paris geblieben. Die Gemälde 
8 in den Befig des Königs von Preußen gekommen. Im Palaft 
an bie Bilbfäule des Pompejus, an. beren Sub CAfar unter den 


972 Rom, dad neue | 


Dolchen feiner Mörder fiel. — Noch find auszuzeichnen: der Palı 
wegen feiner ſchoͤnen Frescogemaͤlde; Chigt wegen f. ſchoͤnen Archit 
maͤlde und Bibliothek; Mattei wegen f. vielen Statuen, Reliefs u 
fehriften ; ber weitläufige Palaſt Pamfili, von Borcomini erbaut, n 
lichen Gemälde und innern Pracht; Pamfili auf dem Plage Navor 
Bibliothef und Galerie; Mofpigliofi auf dem Quirinal u. ſ.w. — U 
(äften Roms, weiche den Namen Villa führen, bemerken wir bie Bit 
dem Monte Pinclo, wo einft die Gärten des Lucull prangten; fie 
* Menge von Meiſterwerken aller Art, aber die Großherzoge Leopold u 
ließen die ſchoͤnſten Stüde, u. a. die Gruppe der Niobe von Skopas, 
beingen. Dennoch bleibt diefer Palaſt fehr fehenswerth. — Unter | 
ber Billa Negroni find die beiden fchönen Statuen des Sylla und M 
auf der Sella curulis. In dem weitläufigen Garten, der 3 Miglien 
- hat, finb unter den Ruinen einiger Häufer ſehr ſchoͤne Frescogem! 
worden. Die Billa Mattei auf dem Monte Gelio, jegt dem Derzo« 
- gehörig, befist außer andern Sehenswuͤrdigkeiten eine herrliche Sa 
Statuen. Die Vila Ludovifi auf dem Monte Pincio, unfern dei 
Circus und der Gärten des Salluft, hat 14 Miglien im Umfang 
Eoftbare Kunftdentmäler, u. a. die Aurora von Buercino, eine altı 
Senators Papirius und feiner Mutter (oder vielmehr der Phädra ı 
polyt), eine andre der Arria und des Pätus und den Raub der P 
Bernini. Die Vila Borghefe bei Rom hat eine herrliche, aber un 
Man überfieht von ihr den größten Theil ber Stadt und der Ges 
Frascati und Tivoli. Sie hat einen Garten mit einem Park, meld: 
im Umfange hält. Der Palaft war in feinem Innern mit fo viel R 
Eleganz verziert und menblirt, daß man ihn als das erfte Gebäude vo 
dem Capitol, beſonders wegen feiner reihen Sammlung von Staı 
konnte. Die merkwuͤrdigſten unter diefen waren: ber Lämpfen! 
Silen und ein Faun, Seneca in ſchwarzem Marmor, oder vielmel 
bei den Bädern, Camillus, der Hermaphrobit, der Gentaur und 

Kaunen, welche die Stöte fpielen, Ceres, ein Agyptier, eine Stat 
Nero, die Büften des Lucius Verus, Alerander, der Fauſtina, des 
ſchiedene Reliefs, unter denen eins den Curtiuß barftellt; eine Urne 
wert Bacchuöfefte vorftelt; eine andre von den Grazien getragene | 
hoͤrner x.; ber größte Theil davon iſt aus Paris nicht zurückgekehrt. 
feiten find mit alten Reliefs bebedt. — Die Villa Pamfili vor 
- &.:Pancrazio, auch Belreſpiro genannt, hat eine angenehme Lage u 
im Umfange. Die Architektur iſt von Algardi, wird aber von Ker 
Im Inpern fieht man einige gute Bilbhauerarbeiten. Sowol v 
von der Villa Borghefe gibt e8 weitläufige Befchreibungen. Die 
auf einer Anhöhe, weiche Tivoli und die Sabina beherrfcht, ift eiı 
Geſchmacks und der Pracht. Der Cardinal Ater. Albani, ein tiefe 
gruͤndlicher Beurtheiler der Schönheiten des Alterthums, hat ungehe 
darauf verwendet und binnen 50 Sahren eine herrliche Sammlur 
gebracht. Das Gewoͤlbe der Galerie ift von Mengs gemalt und ei 
Sugun- Wegen ihrer Herrlichen Außfichten verdienen die Wille | 
Billa Eorfini genannt zu werben; in der Wille Doria, fonft Algiat 
fael bewohnte, fteht man 3 Frescogemaͤlde dieſes großen Meifters 
Farneſe enthält die Überrefte des Palaftes ber römifchen Kaifer. — 

tolium (f.d.) befigt fo viele und große Merkwürdigkeiten aller Ar 
möglich ift, fie hier anzugeben. Wir begnügen uns anzuführen: bi 
Marc Aurel's vor bem Palaft, die gefangenen Könige im Hofe, die 


Jyimys , . 


dei Termine iſt mit 3 Reliefs, welche Moſes, der Waſſer aut einem 
darſtellen und mit einer koloſſalen Statue des Moſes mb 2 aͤgyptli⸗ 
aus Baſalt geziert. Die praͤchtige Fontaine von Trevi. Hefert von 


»Waſſer, welches fie durch eine alte Waſſerleitung erhält. — Unter: 
zeichnet man bie Strada felice und die Strada pie, welche fich Ereu 


ter den Brüden die Engelsbrüde (fonft pons Aeslius) von 300 Fuß 
den Thoren die porta del popolo (fonft porta Flaminia). — Won 


abmälern find nody vorhanden das Pantheon, das Eolifeum, die Co: , 
3, die Colonna Antoniniana, das Amphitheater des Veſpaſian, das 


des Habrian (heutiged Tags die Engelsburg, f.d.), das Mau- 
sguftus, die Kriumphbogen bed Severus, Titus, Konftantin, Janus, 
8, die Ruinen der Tempel des Supiter Stator, bes Jupiter Nonans, 
‚ der Por, des Antonin ımd der Kauflina, ded Sol und der Luna, 
‚ des Romulus und Remus, der Pallas, der Fortuna Virilis, Der 
iebris, der Virtus, des Bacchus, ber Veſta, der Minerva Mebice, 
d des Cupido, die Überrefte von ben Bädern des Diocletian, des Ca- 
Eitus u. a.; die Ruinen von bem Theater des Pompejus bei der 
ji, wo Caͤſar ermordet wurde, und von bem Theater bes Marcellus; 
n Ruinen des alten Forums, jest Campo Vaccino genannt; die 
Bruͤcken, des großen Circus, des Circus des Garacalla, des Haufes 


er Curia Hoftilia, der Zrophäen des Marius, des Porticus des Phi⸗ 
3 DOctavius, des Landhaufes und Ihurmes des Maͤcenas, ber Claus - 
sfferleitung ; die Grabmaͤler der Arunzifchen Kamille, der Scipionen, 
(Capo di bove genannt), das Gefaͤngniß des Jugurtha (Careere 


in weldhem aud) St.: Peter gefangen geſeſſen; das noch ganz un⸗ 
tene Grabmal bes Cajus Ceftius, in Geftalt einer Pyramside, neben 
soteftanten begraben werden; bie von Tarquin erbaute Cloaca maxi- 
- Außer ben Obelisken bei der Porta dei Popalo verbient der unter 
dem Monte Gavallo errichtete Aufmerkfamteit. — Die vornehmften 





874 | Rom, das neue 

(haften und & die hebraͤiſche, griechifche, forifche und arabiſche Epı 
Bon andern Gollegien, wo wiffenfchaftliher und Sprachunterricht « 
ift. befonder6 merkwürdig das Collegium de propagande fide mit fi 
Bibliothef und f. ſehenswerthen Buchdruderei, in welcher die Schri 
alten und neuen Sprachen (von ben Franzofen geraubt, aber wieder zu 
gefunden werben; ferner das Collegium Clementinum, das Coll, 
und das Coll. Nazarenum, verſchiedene Anftalten für den Unterricht 
genländ. Sprachen, das ungarifhe und das beutfche Collegium ıc. — 
Akademien und geleheten Geſellſchaften Noms find die wichtigften I 
der roͤmiſchen Geſchichte, der Geographie, der Kitchengefhichte, d 
Alterthuͤmer, der Arkadier ꝛc. — Die beiden erften Theater find das 
berti und Argentina, auf welchen heroifche Opern mit Balleten gege 
ben zweiten Rang nehmen die Theater della Valle und di Capranicae 
chen man Eomifche Opern, Luftfpiele und zuweilen Trauerſpiele gibt. 
Range ftehen La Paze und La Palla corda, mo Opere buffe und Po) 
das Volk gegeben werden. Aber nur kurze Zeit im Jahre find fie geöffı 
fehensmwürbigften Feſte in Rom find die große Proceffion am Srohn! 
und bie Seremonien der heiligen Woche, in der Sirtinifchen Capelle, 
die Aufführung bed unfterblihen Miferere von Leo Allegri, dann 

erleuchtung in St.» Peter, die Erleuchtung der Paulinifchen Gapelle ıc 
Erleuchtung der ungehenern Kuppel von St.:Peter am Tage diefes . 
große Keuergarbe oder Girandola von 2500 Raketen, welche am Sa 
Papſteskroͤnung auf der Engelshurg abgebramnt wird und megen d 
Fluſſes, in deffen Waffer die ungeheure Feuermaſſe fich unzählige M: 
von umbefchreiblicher Wirkung ift. Über das Carneval f.d. und ( 
fterhafte Schitderung. — Die Luft Roms ift vom Juli bis zum Oc 
fund ‚. der Fremde zumal ift gefährlichen Fiebern ausgeſetzt. Dieſe 
macht, daß während der genannten Donate ganze Quartiere der | 
wohnt ftehen; ja, fie fcheint fid, immer mehr zu verbreiten und voll 
der ewigen Roma ‚nehmen zu mollen. (Vgl. Campagna di $ 
Pontiniſche Sümpfe) Der u. d. N. Sirocco bekannte Suͤt 
die Spannkraft der Muskeln, ohne jedoch weiter gefährlich zu fein. D 
ſucht hat in Rom einen bösartigen Charakter, indem fie fi) dem Ge 
allein durch den Gebrauch der Kleidungsftücde und Meubeln, fonder 
die Wohnung mittheilt. Selbſt durch die Bücher kann fie fortgepfll 
Das MWaffer ift von fehr verfchiedener Güte. Die Kontaine von Ti 
gefundefte Waſſer; dagegen ift das Waffer aus den Thermen des Di 
‘aus der Fontaine des Bianicolo fhädlih und von allen Tifchen verb 
zählt in Rom die Stunden bis 24, wie in mehren ital. Städten. D 
Spaziergang ift der Corfo. Von 22 — 24 Uhr ift er mit Fußgänger 
pagen bedeckt. 1824 enthielt Rom 136,300 Einw., 35,900 Häufe 
Palaͤſte, 81 Hauptlichen, 30 Biſchoͤfe, 1470 Priefter, 30 Kıı 
Mönche, 1318 Nonnen, 460 Seminarien, 7000 Suden, 1210: 
Spitälern und 1080 in den Gefängniffen. Die Zahl der Familien 3 
viel von dem heutigen Rom. — Alles fpricht dort auf eigne Weiſe 
die man athmet, der Anblid der erhabenen Truͤmmer, die feierliche G 
chen und Paläfte, das Andenken an die Vergangenheit, die religiäfe 
die magifche, faft ſchwermuͤthige Ruhe in den prächtigen Villen, d 
unendlichen Runftfchäge, — alles Dies verfegt die Seele in eine un 
über das Irdiſche erhabene Stimmung. Klarer als fonft irgendiwo erl 
wo die Vergänglichkeit thront, das Ewige und Unfterbliche, umd gewir 
- Erkenntniß Sieben und Befeſtigung für das ganze Leben, M. f. Se 


. Roman 876 
Kom 1820); Neigebaur’s „Handb. f. Reifende in Stalien‘ (kEpz. 1826); 
„Runft in Stalien” (2. und 3. Th.), ſowie das Prachtwerli: „Vedute di 
i te ed incise da Gian. Batt. Piranesi, architetto veneziano” 

„Fol., 138 Bl). Bei Cotta erfcheint „Beſchreib. der Stadt Rom, 
Diatner, 2. Bunſen und Ed. Gerhard, m. e. Abe. der Geſch. der alten 
Biederberft. der neuen Stadt, vom taatsrath von Niebuhr” ; nebft Pla⸗ 
uf., 2 Bbe., m. e. Urkundenbuche. Auch ift „Rome in the 19th oen- 
. Aufl., Lond. 1826, 3 Bde., von-einer geifts und kenntnißreichen Beob⸗ 
zu empfehlen. S. auch W. Müller, „Rom, Römer und Römerinnen‘! 
1820, 2 Bbe.). | 
sman. Wir tennen kein Gebiet der Dichtung, das fo vielfältig angebaut | 
wäre, fo hoͤchſt verfchied. Fruͤchte getragen hätte, als das des Roman. Wenn 
Roman zu dem Gebiete der Poefie rechnen, Poefie u. Kunſt aber keineswegs 
Dienerin der Laune und der bloßen Unterhaltung ober Jeitverkürzung ae 
subern fie als die zweite Hälfte bes idealen Lebens betrachten, die mit ber 
daft ſchweſterlich vereinigt iſt, fo halten wir Dagegen jene ekelhafte Roma⸗ 
se, die, ohne mit Korm und Inhalt es fonderlic, genau zu nehmers nur 
such dem Meueften greift.und Feine andre Koderung macht, als baßnurbas 
Bipelt umb die Phantafie mit einem MWechfel von Geſtalten —— uns 
"ie wieder zu vergeffen, für eine Art geiftiger Unzucht und Wolluſt, und 
nfern Abfcheu gegen Diejenigen ſowol, welche für biefen Zweck ihre Federn 
pgung fegen, al6 gegen Iene, die mit Begierde nach diefer dargebotenen 
Iamgen , sticht ſtark gen:g ausſprechen. So lange Romanenlecture nicht 

zuumen, fo lange der echte Roman nicht mit Liebe behandelt wird, AB 
en wir jene Romanenflut mit ihrer waͤſſerigen Unterhaltung für. eig 
ziſchung, die das edelſte Blut der Menfchheit verberbt und unter alien 
em zur Entnervung und Verweichlichung der Menfchheit mol bie gefähr 
IB verderblichfte ift. — Daß der wahrhafte Roman dem Gebiete ber Poefie 
| der epifchen angehörte, wird jest allgemein zugegeben. Ja, es iſt allger 
rommen, Daß jene romanhaften Darftellungen wirklicher Charaktere «US 
chte, wie fie Feßler u. A. geliefert. haben, mit Recht nur ale Halbromane, 
| fich ſelbſt vernichtende Verſuche anzuſehen fein. Denn wo dies 
6 fosche ſich noch immer der Dichtung gegenuͤberſtellt und nicht gangän 
dieſer aufgeklärt und aufgelöft ift, da wird weber dieſer noch jener de 
et. Der Roman gehört in bie Sphäre ber’erzähtenben Poeſie, d. h. 

Dictungbart, weiche die Begebenheiten als gefchehen und vollendet du 
Eder ivir diefes große Gebiet In bie zwei Hälften: Heldengedicht und KRe⸗ 
Bihzren kleinen Geſchwiſtern, dem Märchen, der Novelle, der Romanze, 

euberr Idylle u. ſ. w., abtheiten, fo leuchtet wol si, daß ein großee Un⸗ 
zuifdher Helbengedicht und. Roman iſt, daß ein Roman in Verfen oder ain 
dicht in Profa Undinge find, und daß e6 alfo wol einen tiefen Grund Has 
, warum bie Dichterfprache dieſem und die Profa jenem unentbehrlich IR. 
zuan gzwar den Unterfchieb zwifchen Epik und Dramatik völlig ind Reine ' 
b, alein das Helbengedicht und ben Roman bei weitem noch nicht gehörig 
bert und in ihrer Verfchiedenheit dargeſtellt. Epifche Poefie aber ift nichts 
als ber verklaͤrende Spiegel, in welchem ſich die Menſchheit in den verſchie⸗ 
iheer Geſchichte abbrüdt, ſodaß dadurch nicht eine eigentliche Ges 
geliefert wird, fondern ber Dichter als Schöpfer gleichſam über 
ſteht und ihr das Ideal vorhält, das fie in irgend einem Zuftande 
Seht wenn der epifche Dichter (und es mag dies beim Helbengedicht 
fein) einen gefchichtlichen Stoff zum Grunde legt, fo.ift die Treue 
s bie von ihm gefobert wird, nicht äußere, artenmäßige , (andern \roe 






















* 


876 Roman 
viel Höhere, die dem Befondern nachweiſt, wo es im Allgemeinen ei 
ober vielmehr in Kraft vorherbeftimmter Harmonie aus dem eigr 
Naͤmliche ins Leben ruft, was der Geift der Geſchichte vielleicht mı 
and unausgearbeiteter in feinet Sphäre völlig unabhängig hervorget 
heißt ein Gedicht, ein Märchen, ein Drama fehr gemein anfehen, 
bei fragt: iſts wahr? iſts wirklich gefchehen? Selbſt bei dem eigent 
Stud if diefes Hiftorifche immer nur etwas Zufälliges. Dagegen 
ein treues Bild des menfhlihen Thuns und Treibens in den Farben 
Zeiten und Völker, welchen fie angehört, fein, und was in ihren 
muß, wenn es feine Grundlage nicht in der Wirklichkeit bat, fie de 
koͤnnen, in.ber herelichen , ibenlifchen Ausbildung diefer Grundlage 
lichkeit zwar Überfliegen, jedoch ſo, daß jeder einzelne Zug immer 
und Eigenthuͤmlichkeit des Bodens trägt, dem er entwachfen ift. T 
merkwürdige und wol nicht immer gehörig beurtheilte Erfahrung 
Geſchichte der Völker mit Poefie zufammenfällt, die fpätere Gefd 
. überall beinahe feindlich detfeiben gegenüberftellt, fowie es ben richti 
für den Einfluß der Poeſie auf bie Gefhichte an bie Hand gibt, der 
nichts Geringerm befteht, als daß Poeſie jedesmal ein lebenvolles, 
der Menfhheit in ihren verfchiedenen Epochen, gleichfam als dat 
verſchiedenen Beſtrebungen derfelben, aufſtellt. Wir find barum < 
ber fruchtbarfte Eintheilungsgrund für die verfchiedenen Gattun, 
koͤnne nur von ben verfchiedenen Befteebungen der Menfchheit in de 
Perioden ihres Seins hergenommen werden. Im der Geſchichte ein. 
das einen beſtimmten Kreis ber Bildung durchlaufen hat, ſcheiden fi 
perioden aus: die erſte von der Kindheit bis zur Blüthenhöhe, die 2 
lichen Strebens, der lebendigen Thätigkeit und Kraftäuferung,, 
Ereigniffe und Begebenheiten, — bie zweite, von dieſem hoͤchſten Pu 
allmäligen Untergange, bie Zeit des Befiges und Genuffes des € 
Zeit der Ruhe, wo die Menſchheit im Glanz erfämpften Beſitzes ı 
Sicherheit ein heiteres Leben ber Kunft und der Wiffenfhaft, der 8 
Vergnuͤgens lebt und allmälig in dem verweichlichendem Strom dief 
gerfließt.. Sener erften Periode gehört, behaupten wir, das Helden 
Ddylle, der Romanze, dem Mäcchen ze. an; diefer leptern der Rom 
velle: Von der lieblichen Kindheit frommer Unſchuld und einer tän 
taſie, mo der Menſch mit kindlichem Herzen in dem Paradies de 
ſinnvoll umherwandelt und, ſtatt ſchon handeln zu können, wozu d 
fehlen, erſt von künftigen Tagen wundervoll träumt und in der Beſa 
‚licher Wönfche und Ausficten mit Blumen und Thieren fpielt — 1 
erſte Hälfte einer Umlaufszeit der Menfchheit jedesmal aus, Dies & 
‚genftand des Märdyens und der Jdylle. Bald nad) diefem go 
regt ſich Thatendurft und öffentliche Wickfamkeit. Der Jüngling ı 
in fich frei werben; das Biel, nach welchem er ringen ſoll, ift ihm de 
ben. Kämpfe finden ſich von felbft und nun bereitet ſich allmätig 
das Heldenzeitalter, mehr durch Handlungen als dürch eigentlichen 
gezeichnet: Hier feigen bie Götter vom Olymp auf die Erde, niede 
der Geifter und Wunder thut fich in feiner ganzen Größe und Hertl 
der Traum der Kindheit geht in eine [chöne, große Erfüllung. Die 
liche Zeit des Heldengedichts, und daraus laffen fid die Eigen 
deffelben am beften erklägen. Ohne die Mafchinerie des Wunderbar 
nicht gedacht werden. In Gang ber Begebenheiten muß gebrung 
auch nicht fo rafch wie im Drama, doch viel reicher und mannigfalti 
‚man fein, wenigftens müffen bie Charaktere nicht eigentlich pfychol 


Noman 877 


e in Thaten und Handlungen entwidelt werden. Nicht bie ſtufenweiſe 
Menſchheit, denn diefe verfchwindet felbft in diefer Epoche über dem 
nbern das Thun, das Wirken und Leiden derfelben (in biefer Epoche 
mlichkeit derfelben), ift feine Sphäre. So wird das Heldengedicht der 
Spiegel der Heldenperiode eines Volks; fo erfcheint in ihm bie Menſch⸗ 
ebensvollen Thätigkeit, in ihrem nad) dem Groͤßten ſtrebenden Ringen ; 
Deldengebicht nur in ber ſchoͤnen Sprache der Jugend und Phantafle, 
I. gedacht werden. Die Kämpfe find nun geendigt. Das Wetter 
Yugend hat den Himmel gereinigt. Ein heiterer Tag geht auf und bie 
zlebt ein Zeitalter der Ruhe. Der Befis ift gefichert; im Schoß beffels 
ı fich die Keime und Knospen zu fchönen beflimmten Bluͤthen und 
Hier entwickelt ſich nun erft der Charakter der Menſchheit. Die Vers 
Stände ſcheiden fi) ab, ohne ſich feindlicy gegenkberzuftehen. Zur 
t, kann nun dad Verwandte ſich anziehen und eine faft chemifche Schei⸗ 
ermente zu Stande kommen. Der Verſtand fiegt allmaͤlig Über bie 
die Wunder hören auf, die Orakel ſchweigen, die Götter gehen in den - 
ck, weil ihr Werk auf Erden yolibracht tft; die Wirklichkeit, der kalte 
krengen Urſaͤchlichkeit, der hoͤchſtens zuweilen dem Zufall feine Rolle 
acht ſich geltend; die Poefie darf ſich gar nicht an Das, was gefdhieht, 
es ftandhaft dem Zauber der Phantafie widerfirebt; fie muß jidy ganz 
Gebiet flüchten und ba einen eignen Garten. fic, erziehen, in welchen 
zlumen der Wirklichkeit verpflanzt und zur Blüthe bringt. Dies ift 
es nothwendig in Profa zu dichtenden Romans, und wenn hiernach 
yurchaus Feine aus ber Wirklichkeit entlehnte Fabel haben darf, fo iſt 
eſchaͤft Charakterzeichnung der Menfchheit. Jetzt gilt es nicht mehr die . 
einer allgemein menfchlihen Begebenheit, fondern die dichteriſche Ver: 
yer Menfchheit felbft. Beſondere Bildungsgefhichte derfelben, Leben 
ıle eine® Einzelnen von feiner Geburt bis zu feiner vollendeten Bildung, 
welchem aber der ganze Baum der Menfchheit nach feinen manniofaltis 
gungen in der ſchoͤnen Stillftandszeit feiner Reife und Vollendung dar⸗ 
Lehrjahre des Jüngere, bis er zum Meifter erhoben ift, das ift ber 
Jas Wunderbare ift ganz aus feinem Gebiste verbannt, und darum 
ewiß nicht mit Unrecht die Ritterromane (f. Ritterwefen) in die Re⸗ 
ldengedichts wenigſtens auf, wenn nicht Über die Grenze verwieſen. 
lung muß oft fehr nahe an das Gebiet der Neflerion ftreifen. Der Ros 
des Gemwordenen, mit der Erklaͤrung der Art und Weiſe, wie es ges 
indeß das Heldengebicht Bild der werdenden Menfchheit if. In ihm 
t Vollſtaͤndigkeit aller Stoff zur Erklärung bee einzelnen Ereigniffe und 
on gegeben fein. An der Stelle des Wunderbaren fleht in ihm hoͤch⸗ 
. Ihm kommt barum eine gewiſſe Breite, eine Gedehntheit mit Recht 
x eben deßhalb von viel größerm Umfange ift als das Heldengedicht. 
Wiederfchein der Menfchheit in der Ruhe, in dem heitern Stiuftande 
oliendung und dadurch zu einem geroiffen üppigen Reichthum des Les 
ten Zeitalters. Wir erflären eben hieraus die meiften übrigen Eigen» 
en des Romans. Wie die Menfchheit, bie er abbildet, ſelbſt über das 
ben hinmeg ift und alle Künfte der Profa mit Macht hervorbrechen, fo 
man durchaus nur in der Sprache der Profa gegeben fein, und liebt 
pt vor Allem eine ruhig fließende, edle, nicht ungeſchmuͤckte, aber hoͤchſt 
und biegfame Sprache. Ebenfo kann es nicht ſchwer fein, von hier 
nntigfaltigen Formen des Romans (Briefform, Dialog u. f. w.) zu 
, da Freiheit der Form und der Geſtaltung das Eigenthuͤmliche diefer 
„Im Roman (fagt Goͤthe, „Wilhelm Meifter", 3.0.) (allen vote 


878 Roman 


zuͤglich Gefinnungen umd Begebenheiten vorgeftellt werben, im Drama 
und Thaten. Der Roman muß langfam gehen und die Gefinnungen ı 
fet auf welche Weife es wolle, das Vorbringen des Ganzen zur Entwid 
Halten. Das Drama foll eilen und der Charakter der. Hauptfigur mu) 
dem. Ende drängen und nur aufgehalten werden. Der Romanenpelb m 
wenigſtens nicht im hohen Grade mwirkend fein; von dem bramatifche 
man Wirkung und That. „Srandifon”, „Clariſſa“, „Pamela“, „Der? 
von Wakefield“, „Tom Jones“ felbft find, wo nicht leidende, body ı 
Derfonen, und alle Begebenheiten werben gewiffermaßen nach- ihren G 
gemodelt. Im Drama mobelt der Held Nichts nach fi), Alles wide 
und er räumt und rüdt die Hinderniffe aus dem Wege ober unterli 
Nichts ift endlich natürlicher nach unferer Anficht, als daß die mann 
Neben: und Zwifchenhandlungen den Roman durchkreuzen, daß feldft 

und tiefgehende Betrachtung den Gang ber Begebenheiten unterbrech 
philofophifche und Kunftromane geben kann. Nehmen wir noch hinz 
dem Roman auch Eigenfchaften vorkommen müffen, die andern Dichter 
entbehrlich find, wie 5. B. Anlegung des Plans nicht nad) menſchlich 
und Beflimmungen, fondern gleichfam den geheimen Büchern bes Sch 
mwenbet; Einheit des Plans, fodaß fich alle die mannigfaltigen Element: 
ſchoͤnen harmoniſchen Ganzen runden; Schönheit der Phantafie, richt 
führte Individualität u. f. w., fo weifen wir in ber That dem Romaı 
wichtige Stelle im Gebiet der Kunft an und glauben darum nicht wenig 
haben ftolz zu fein, daß es unferm Zeitalter und Volk vorbehalten war, ei 
bervorzubringen, nachdem die Griechen ihres’ Homer und die Engit 
Shakſpeare fi ruͤhmen konnten. Aber freilich halten wir es für eine 

ften Aufgaben, einen guten Roman zu liefern. Es ift Dazu nicht genug, 
abenteuerlicher Begebenheiten, zum Schreden und zur Erſchuͤtterung 
Nerven, erfunden zu haben, fo wenig als eine moralifche Erzählung in 

mer Manier & la Lafontaine u. A. den Namen eines Romans verdien 
ruht gewiß nicht bloß moralifcher,, fondern felbft poetifcher Fluch auf jene: 
empfindfamen Gemälden, die mit einer gewiffen Lüfternheit gerade die 2 
führen , um die aufgedeckte Scham des Laſters zuzudeden, auf jenen ver 
ſich fetbft mißverftehenden Dichtungen, die, ftatt ein ideales Bild der 

zu geben, mit all ihrem Ringen es nur zur Darftellung jene® Glanzes u 
derben Sarbenfpiels bringen können, das nur dem gemeinen Xroffe bet 
wahre Romandichter muß nicht nur die innerften Falten der Menfchennat 
haben, fondern auch ein helles lebendiges Bild von der wahren Reinheit 
gemäßen Vollendung menſchlicher Charaktere inihren verſchiedenen Xbftuf 
Greiſe bis zum Kinde und von dem Vornehmen bis zu dem Gemeinen 
Gemüthe wie von dem Geiftvollen in der Seele tragen. Wir mwiffen mot, ! 
jene bunten Sarbenbilder gemeiner Sahrmarktsmaler geben muß, bie dei 
gögen, indeß er an den bebeutungsreichen, kunſtvollen Gemälden bei 
Kuͤnſtlers voruͤbergeht; wir wiffen, daß der Geift des Ungeſchmacks nur 
tig ift und in der Gemeinheit des größten Theile ber Menfchen ein allzu ı 
findet, um mit feinen verfchrobenen, durch die Höllenkünfte der Abent 
und Buntheit, forwie ber verſteckten und im Gewand der Unfdyuld de 
Uchern Lüfternheit fo leicht anziehenden Bildern, die fih Romane nı 
Gift einer Höchft gefährlichen geiftigen Selbſtbefleckung und Woluft aut 
aber fie gehören nicht in unfere Theorie. Nichtsdeſtoweniger geben wir 
Mannigfaltigkeit der Romane zu, und tie zwifchen dem Therſites u 
des Homer die ſchoͤnſte Mannigfaltigkeit der Heldenindivibualitäten in 

Begt; wie vom Ernft und Scherz, vom Großen zum Kleinen die zahlt 


j N 


Roman, Geſchichte des | 897% 


n, fo gibt e& der Prädicate unendlich viele, durch welche dem ein» 
eine Individualität, die er als Kunſtwerk nothwendig haben muß, 
Die Verhaͤltniſſe der Menfchheit find überdies in der Periode, 
Roman zur Sphäre angemiefen haben, noch viel zahlreicher und 
als in jeder andem. Mir fehen da die Gewerbe in der wunderlich⸗ 
tigkeit in ihrer den Wis nur zu leicht reisenden Beſchraͤnktheit niit 
ınd in Hand gehen. Die vornehmen Stände erheben fich mit Hülfe - 
; und der Übrigen Vortheile der Zeit gar bald zu einer freien, ebein 
fowie zu einem glänzenden, idealifchen und dabei oft das Ziel übers 
ı8genuß empor. Die Wiflenfhaften wandeln eine freie, lebendige 
och, zumal wo fie zugleich dem Amt und dem Brote dienen, jenes 
13 abzulegen, daß ſich fo leicht mit ihnen verbindet. Die Liebe ſchlingt 
vunderlichen und höchft verfchiedenen Karben durch alle Stände hin⸗ 
chſt tragifch, ebenfo oft komiſch und mit der heiterften Laune. Die 
efte, dem Stande der Zeiten ganz angemeffene Luft, Alles recht rein 
»fend zu genießen, weiß den MWechfel des Stadt⸗ und Landlebens 
a Zwecken zu benusen. Die Lieblihkeit der Reifen In fremde Läns 
ir feine reinmenfihliche Bildung Bemühten in neue Lagen, ſowie 
Wanderungen der Edelften der Zeit dem Ganzen eine eigenthuͤmliche 
mittheilen. Und ſo entſtehen denn natuͤrlich die mannigfaltigen 
mſt: der philoſophiſche, der ſentimentale, der humoriſtiſche, der 
Reiferoman ꝛc. und wieder in jedem einzelnen wechſeln die einzelnen 
erſchiedentlich, forvie e8 von den kleinſten Hanbblättern dis zu den 
amas an der wunderlichften Abwechfelung in MRüdficht der Größe - 
ges nicht fehlen kann. Wenn Sean Paul uns mit feinem Stillleben 
Firlein” und „Fibel“ in einen Eleinen, engen, aber herrlichen Men⸗ 
hrt, fo läßt uns dagegen ein Goͤthe die ganze Menfchheit in ihrem 
se, in einem großen, lieblidy edeln und fanften Bilde, von einem 
zunkte aus, uͤberſchauen. Wenn eben diefer uns in feinem: Meifter: 
Geiſt und deutſches Leben zur fchönften Idealitaͤt durchgearbeitet 
anen wir ſtolz fein, von einem Deutſchen (Heinſe) die ſuͤdliche Giut 
ensfuͤlle der italiſchen Menſchheit im „Ardinghello“ in ihrer hoͤchſten 
reicht und in den brennendſten Farben einer ſuͤdlichen Phantaſie aus⸗ 
n. — | 
Beſchichte des Romans betrifft, fo iſt es merkwürdig, daß 
nrlichen Volke der Griechen, das unftreitig in der alten Zeit im Ges 
das tonangebende war, kaum eine Spur von Roman antreffen, obs 
vielam Tage liegt, daß, zur Beftätigung unſerer Theorie, ganz in 
Drbnung, nach welcher der Roman dem Heldengebicht folgen muß, 
ıbedeutenden Anklaͤnge des Romans, die bei ihnen fich hören ließen, 
b fanden, wo das Heldengedicht umter ihnen ſchon laͤngſt feine höchfte 
batte. Das griech. Volk hatte in feinem Heroenalter ein fo herrlis 
hes Leben geführt, daß es felbit in die zweite Haͤlfte ſeiner Periode 
tiefem Feuer mit hinuͤbernahm und darum nie zu jener fchönen Profa 
(ter gelangen konnte, bie das eigentliche Gebiet des Romans ift. 
nophon’s verungluͤckten Gedanken einer Theorie der Prinzenerziehung 
pädie” wegrechnen, fo fallen die fogen. milefifhen Märchen 
vo vom griech. Volke kein Schatten mehr übrig war, und nad) dem 
gehaltenen diefer Romane, dem Schäfergedicht des Longus von der 
bnis und der Chloe, zu urtheilen (dem einzigen, den ber Verf. dies 
Anſicht kennt), fo kann es kaum etwas Geſchmackloſeres und Er⸗ 
eben als diefe Dichtungen voll faber, bis zum Ekel gerariner Te 


. 880 Roman, engl. 


licher Liebe. &. uͤbrigens Heyne's Beurtheilung ber griech. Romane in | 
des „Chariton““. Daß bei den Römern nody weniger davon zu finden ſeir 
veriteht fich von felbft, da diefe, was Kunft und Poefie betrifft, den G 
weit nadıftehen. Wenn dagegen bei uns das fchöne Herornalter der Ritt 
feine ehrenmwerthen Epopdien und Rittergedichte und Nomanzen gefunden: 
follte doch die Menfchheit in der nachfolgenden Periode erft jene reinmenſchli 
allgemeine Bildung erhalten, wo in dem fchönen Elemente einer genußreicht 
‚die Individualität menfchlicher Charaktere ſich umgehindert entfalten ſollte. 
keiner Zeit paßt jedoch jenes Gemälde, das wir oben entworfen haben, ma 
eigentlicher als von ber neueften, und erſt im 18. Jabrh. hat die Menſchh 
Ruhe und jenen Frieden erhalten, wo der Menſch als Menſch, und nicht bi 
That und fein aͤußeres Schickſal Hauptfache ift und die Phantafie des Dig 
derjenigen Sdealität, die dad Eigenthum des Romans ift, veranlaffen kann. 
fen wir nicht aus diefem Allen ſchließen, daß auch wirklich unfere Zeit erſt im 
gewefen fei, die Blüthe des Romans zur völligen Entwidelung zu bringen! 
ſetzen daher die Ritterromane bei Seite (f. Troubadours, item 
Minnefänger), und gefteben fehr gern den Briten bie Ehre zu, 
nicht unbedeutenden Verfuch im Roman gemacht zu haben. Es wäre. 
wenn wir hier dad Meifterwerk des großen Spanierd, Miguel de Gerv 
vedra, vergeffen wollten, f. fharfjinnigen Edeln „Don Quirote von la 
der in den erften Jahren d. 17. Jahrh. erfhien. Wir Eönnen ihm durd 
das Charakteriſtiſche des Romans abſprechen, fowie das herrliche Leben, 
das Ganze ausgegoffen iſt, die mit der Klarheit Hand in Hand geht 
einem in feiner Art wol unübertroffenen Kunftwerfe erhebt. Indeß ber 
Zweck, aufden dieſes Werk gerichtet ift, ber Zweck, den Halbdichtunger 
terromane ben Todesſtreich zu verfegen, ſtellt es gleihfam als Hüter an 
des Heldengebichts,, damit jene Mißgeburten nicht zuruͤckkehren; und fo 
freilich nicht in die eigentliche Sphäre bes Romans eintreten. Indem 
hafte Ritter zum Schutz feines Phantoms redlich und unermüdet Wache 
er unwillfürlich den Abfichten feines großen Schöpfers dienen, und — eben 
feinen eignen Schügling aufs ſchmaͤhlichſte zu Grabe bringen; fo ſteht 
ſchoͤne Brüde da, auf welcher man in das Gebiet des wahren Romans 
kann, ale der Vorläufer, der den Weg reinigt, damit das Beffere Kaum 
quemlichkeit finde. — Aufdiefem gereinigten Wege mandelten nun zuerfl 
länder, und auch dieſe erft im der Mitte d. 18. Jahrh., von wo alfe 
die Geburtszeit des Romans zu rechnen iſt. Samuel Rihardfon trat 
‚Pamela‘ hervor; ihr folgte die fo allgemein gefrierte „Clariſſa““, umd zum 
wollte er das Höchfte in feinem „Grandifon” erfireben, ohne jedoch nur 
bergehendes Werk erreicht zu haben. Noch ſteht aber Richardfon auf dem 
punkt einer befchränkten, fittlichen Lebensanficht und Uber ben decben 
moralifhen Srzählung geht ihm die echte Treue und Wahrheit ab und 
raktere find am Ende nichts als abftracte Tugenden und Laſter. Meben di 
manen, die ber ernftern Gattung angehören, erfchienen, nicht ohne die 
den gefeierten Ruhm Richardſon's zu beeinträchtigen, die komiſchen Fam 
mälbe des Wuͤſtlings Heinrich Fielding: „Tom Jones“ (4 Bde.), 
(2 Bde.) und „Joſeph Andrews‘, Eleine mit vieler Kenntniß des menſchü 
zens ausgeführte Miniaturgemälde des häuslichen und gefeiligen Lebene. | 
gefelite fich der launige, humoriſtiſche Sterne in feinem „Life and eg 
Tristran Shandy’” (9 Bde.), der als Yorik in f. „Empfindfamen Deifen 
weniger Beifall fand. Wuͤrdig aber erfüllte Olivier Goldfmith den Kreis ll 
MRomandichter duch f. „Landpriefter zu Wakefield’, in welchen ein fd 
ben ber Darftellung und Vorfälle, mit tblicher , beinahe idylliſcher Charck 

















Roman, franz. — deutſche Ä 36 
# und deſſen Sphäre überhaupt nur zu Elein und in ber That bloß Mi⸗ 
m dem Höchften im Gebiet biefer Dichtung’ fich gleichzuſtellen. Seit⸗ 
engl. Roman in tiefen Verfall gerathen, woraus ihn erſt neuerlich der 
Baverien’ durch die gebiegenfte Charakterzeichnung, bei einer ihm eis 
n geiftreihen Behandlung hiftor. Hintergründe und Benugung aufs 
weethämlichkeit, wieder erhoben hat, worin ihm die Nordamerikaner, 
?, u. viele Deutfche nachfolgen. (Vgl. Scott, Walter, u. Wavers 
len.) — Die Franzoſen mochten wol die Muͤhe ſcheuen, ſich den 
fchaffen, ben bie höhere Romanenbichtung fobert, und beffer gefielen 
: et une nuits”, ihre leichtfertigen Erzählungen, ihre „Märchen der 
28°. Doch verdienen Leſage's „Gilblas de Santillane”, und fein. 
» Gonzalez”, befonderö ber erfigenannte Roman, ausgezeichnet zu 
itaire’6 „Sanbide”, „Zabig”, „Mikromegas“ u. f. w. find zu frivof, 
fter zu dienen; Marmontel hat das Verdienft geiftreicher Leichtigkelt 
, d Arnaud's und Florian's Erzählungen aber find für uns nicht viel 
icher, aus welchen wir ein recht leichte8 und gewandtes Franzöfifch.ers . 
mn. Rouſſeau in feiner. „Heloife”, ſowie in feinem „Emil“, ifl am 
garız Andres ald Romandicyter, iſt Philofoph, und die Zeit, bie auf 
fche Philoſophie ſchon den Staub der Vergeffetiheit geworfen hat, iſt 
29, daß diefe Philofophie nicht die Höchfte ift. Wir fenmen die Romans 
er Frau v. Stael; wir ehren Manches aus den Erzählungen ber Frau 
nd der Mad. Cottin; aber find wir ungerecht oder einfeitig patriotifch, 
baupten, jene vorzügliche Schriftflellerin, die wir zuerſt nannten, ver» 
a6 Beffere ihrer Romane dem beutfchen Genius, u. ihre „Corinme‘ fei 
ter und reiner als Ihre „Delphine? — Von Italien a. Spanien (dies. 
wie gefagt, feine. Schuld durch feinen Cervantes auf eine Art abgetra⸗ 
nur eine fo poetifche Nation thun mochte) Eonnte aus dem höhern 
: eigentlich poetifchen Beftimmung diefer Völker für den Roman nichts 
ztet werden, obmol auch Italien in den Movellen feines Boccaccio ges 
was man mut verlangen konnte. Den erſten neuern Verſuch zur Em» 
) des Romans in Italien hat eben Manzoni (f.d.) gemacht — Aber 
m Stolze wenden wir ung zu unferm Volke, dem e6 in feiner Befcheis 
‚ bei feiner oft ängftlichen Sorgfalt für innere harmoniſche Ausbildung 
mfchlidyen gelungen ift, den Roman zu vollenden. Im 17. Jahrh, 
am aus ber Flut der Ritterromane erlöft worden mar, konnte man bei 
a ſchwachen Reben der Poefie und der Berfchrobenheit des Geſchmackt, 
henſtein und. Hofmannswaldau aufgelommen war und faft 60 Jahre 
ws Roman es nicht höher bringen ale zu Volksmaͤrchen, Schaͤfer⸗ 
und hochtrabenden, noch in dem Nebel des Wunderbaren begraberien 
men, am Ende eine bloße Namensveraͤnderung der Ritterromane, 
auf der einen Seite die Volksbuͤcher von Dr. Fauft, von Till Eulenfptes 
ı Schönen Melufine”, vom „Hörnernen Siegfeted”, u. auf der andern 
Kfintifche Banife”, Lohenſtein's, Arminius“ ıc. Wir können diefen Zu» 
Ins als chaotiſch bezeichnen, wo wenigſtens Alles in der Flut der Waffer bes 
Kergegangen war, bamitfich eine neue Schöpfung baraus erheben möchte. 
eb. 18. Jahrh. lernte man in Deutfchland die Richardfon’fchen Romane 
oh fie warb der ſchlummernde Funken angeregt. Freilich mußten auch 
ni Berfuche noch fehr unvollkommen auefallen und das Licht hatte lange 
Jerniß zu kaͤmpfen. Mufäus verpflanzte den „‚Standifon” in einer nicht 
K Nachahmung auf beutfchen Grund und Boden, und in „Sophiens 
us Hermes, muß man bei allen Schattenpartien bes bändereichen Werke. 
a eingeinen Steiten bie Ahnung bes eigentlichen Rowaand aneıtennen. 


382 | | Roman 


Wenigſtens bleibt ihnen das Verdienſt, der erfte beutfche Originale: 
Bon da an ergoß fih nun der Quell des Romans bei unferm Volk i 
vollen Strömen, und man mag über diefe Romanenflut ſich vielleicht 
koͤnnen, daß man nicht vergift, mo die Natur beſchloſſen hat, dad 
vorzubringen, da müffen die vorhergehenden Verfuche ins Unendlicye 
werden. Es folgten die zum Theil mit Recht vergeffenen Familieng 
Duſch, Gottwerth Muͤller, Starke, Lafontaine u. U. Neben di 
manches Beffere zum Vorſchein. Wir rechnen dahin des hHumoriftift 
„Lebensläufe in auffteigender Linie”, ſeine „Kreuz⸗ und Querzüg 
A—3', ferner die Klinger’fhen Romane, die Arbeiten des Grafe 
Sternau (bed Verf. des „Goldenen Kalbes‘'), die Romane von Hei 
Schlegel, Tieck, Novalis (Hardenberg), Ernft Wagner, Anton Ü 
Paul (Friedrich Richter) u. A. Allein zugleich gab es auch wieder „S 
von ihm abflammende ähnliche, füßliche, weinerliche Liebesgeſchic 
„Rinaldo” u. „Batrifche Hiefel”, Weiber und Männer, wie fie fei 
ihrem langen Anhange; kurz der Geift.des Romans ſchien nach allen R 
fi) verfuchen zu wollen, bis er endlich das Nechte treffen möchte. H 
. des eine Zeitlang allgemein gefeierten Wieland gedacht werden. 8 
feltenen Berbienfte diefes wahrhaft großen Mannes um bie deutfche ' 
innige, lebendige Kenntniß des menfchlichen Herzens und ber Leidenfe 
durchaus nicht abzufprechen. Aber wir wollen es auch nicht verhehle: 
unferer Überzeugung, ein Wieland’fcher „Agathon” unendlich mehr Si 
Lüfternheit angeregt hat, als er zu befiegen und zu beherrfchen im 
und wenn er der Zeit ein Ideal der Mienfchheit vorgehalten hat, fo 
ber kunſtmaͤßig ausgebildeten MWoltüftigkeit eines untergehenden Zei 
Wieland's Wirkfamkeit an datirt fi) unverkennbar die WeichlichEe 
Moltüftigkeit der vornehmern Stände Deutfchlands, bei der wir ni: 
wollen, wie großen Antheil Wieland an ihrem Entftehen und ihrer 
hatte, die uns aber gewiß in Schmach und Schande begraben hätt 
nicht durch den Pofaunenton des Kriegs wieder aufgemedt worden 
mögen es alfo wol leicht verantworten, wenn wir Wieland hier vor 
werbung ausfchließen. Aber defto Höher ftrahlt noch im Silber des Al 
Dichter, der nun über ein halbes Jahrh. die Zierbe bes beutfchen- Par 
gab’ zuerft in „Werther's Leiden”, in einem Miniaturgemälde (faft nur 
die erfte mahre Idee von einem Roman. Hier ift fchon Charafter! 
hoher Ausbildung. - Darauf folgte Das, was wir das Hoͤchſte im Gi 
mans nennen, „Wilhelm Meifter’s Lehrjahre”, in welchem der Did; 
finnige Leſer ahnete, noch ehe die geniale Selbfibiographie e8 beſtim 
ein treues, aber im eigentlichen Sinne dichterifches Bild des Edeifte 
feiner Zeit aufgeftellt hat. Dies Werk umfaßt wirklich alle Stände ı 
Berhältniffe der Menfchheit auf ideale MWeife und (mas es uns allı 
machen muß) es gibt deutfches Keben in der hHöchften Vollendung , die 
kann. Solche Männer, ſolche Frauen, folche Kinder hat feinRom: 
zuweiſen und (die wahre Apotheofe des Dichters) es find nicht abfira 
und Laſter, fondern Altes ift concret, individuell, voll Leben und Selb! 
Charakterſchilderung, die Seele des Romans und der höchfte Triumph 
Noch gefiel es dem Dichter, feine „Wahlverwandtfchaften” hervortre 
ein geglaͤttetes Meiſterſtuͤk! Und wenn wir im „Wilhelm Meifter‘ 
Frühlings = zund Sommerblume erhalten haben, fo find jene eine 

» Die den „Wahlvermandtfchaften” fo oft vorgeruͤckte Unſittlichkeit wird, 
tens, dadurch widerlegt, daß es kaum eine größere und bucchgreifer 
“Digung ber Ehe geben kann als gerade dies Buch und fein ganzer Zi 


- 


5 


Romana | . 888 


er Ehe kann ja felbft die Bande der Natur uͤberwaͤltigen, und ihr 
den und Heldinnen des Studs zum Opfer gebracht. Zu biefen 

- Romanliteratur gehört endlich die herrliche Gelbftbiographie, die 
U Wahrheit und Dichtung nannte. Gilt unfere Theorie, fo wird 
Lder Mißurtheite über Goͤthe's Romane von felbft weofallen. Im 
yat doch das Zeitalter die Größe der Göthe’fchen Meiſterwerke aners 
Yichter hat uns neuerlich den Helden feines Romane in „Wühelm 
iderjahren“ in neuen Verhältniffen wieder vorgeführt, und nur 
aan das neue Werk eine Kortfegung des frühern nennen; aber über. 
> Abficht deffelben kann bei dem Bruchſtuͤcke, das mir erſt befigen, 
theilt werden. Ernſt Wagner hat in ſeiner gelungenſten Schrift. | 
fichten des Lebens”, ihn vor Augen gehabt. In „Sternbald's Wanz 
Tieck ift der Einflug des Göthe’fchen Vorbildes nicht zu verkennen; 
wir ein Brudftäd „Siorentin”, von Fr. Schlegel, movon nur ber 
ienen ift, der wol das Nachbild iſt, das feinem Vorbilde am naͤch⸗ 
chte der geiftreihe Dichter das Werk vollenden. Es wäre Schade, 
3e Florentin kein Ziel feines herrlichen Strebens finden und alfo uns 
ie Nachwelt kommen follte. Leider auch bie jegt unvollendet ift der 
Sevennen”, von Tieck, vielleicht fein Meiſterwerk. M-i+»r. 
sa (Marquis de la), Feldherr in dem Kriege ber Spanier. gegen 
er franz. Kaifer hatte, feine Plane gegen die Bourbons in Spanien 
307 ein fpanifches Armeecorps von 10 — 12,000 M. nad) Deutſch⸗ 
an defien Spige der General R. ſtand. Er war bem Oberbefehl des 
madotte untergeorbnet, und erklärte diefem, in feinem und feine® gans 
sen, ihre Anhänglichkeit an Joſeph Napoleon. Aber diefe Erklaͤ⸗ 
eine durch die Noth abgebrungene Täufchung. Boll Hab gegen bie 
nes Vaterlandes trat R., feine Stellung auf der Inſel Fuͤhnen bes 
efelben Zeit mit dem Befehlshaber der bort aufgefteften engl. See⸗ 
me Unterhandlung, erhielt engl, Zransportfchiffe und fchiffte fich 
ummten Mannfchaft, mit Zurädlaffung weniger Abtheilungen, bie 
mg hatten herbeigezogen werden können, vom 17. bis 20. Aug. 1808 
borg und Svendborg ein, und langte, wirkungslos von Napoleons - 
su Coruña an. Seitdem war R. unermüdlich befchäftigt, die Spa⸗ 
- Unterbrüder anzuführen. Er gab zuerft die Idee an, die Bauern 
und dieu.d. N. Guerillas fo bekannten Banden zu bilden, um mit 
flraßen zu beunruhigen und bie Verbindungen der Franzoſen zu ers 
in Scharfblid erkannte, dag auf diefe Weiſe ein leicht zu entflam> 
md neue Soldaten, die an den Krieg nicht gewöhnt, ſchlecht gezo⸗ 
t befehligt waren, und die gegen die krieggeuͤbteſten Truppen Euro: 
ollten, mit dem beften Erfolg benugt werden konnten. Unleugbar 
dadurch, als durch feine perfönlichen Dienfte, einen wichtigen Ans 
ehauptung der Unabhängigkeit Spaniens gehabt. Weniger in der 
ta, (die nur zu oft von Privatrüdfichten geleitet wurde) als im vol⸗ 
der Engländer, führte R. zwar nie ein zahlreiches Heer an, aber 
ihn fein unverfähnlicher Franzoſenhaß und die unbegrenzte Anhaͤng⸗ 
nigen furchtbar. Er war eben im Begriff, im Anfang 1811 aus 
| die Sranzofen, die neue Vortheile errungen hatten, zu ziehen, als 
aufhörlichen Anftrengungen erſchoͤpft, ſtarb. Er war nicht nur ein 
Htiger Feldherr, ſondern auch ein ſehr gebildeter Dann, ber mit 
Ausern Feinheit des Geiſtes und ausgebreitete Kenntniſſe verband., 
zre in Leipzig ſtudirt und mar mit der Literatur, samen der al⸗ 
oberflächlich dekannt. 





DEIEE UVUSEEUBIE 7iYLIUUIU YEIDE VIELE MH JE DU JELE SYUHSEE., 
Romaniſche Sprachen heißen diejenigen, welche fich 
mifchen Reiche gehörigen Ländern Europas, wo die lat. Sprache 
zur Zeit des Verfalls und Untergangs des weſtroͤmiſchen Kaifert 
Munde der Kandesbemohner und einwandernden Barbaren aus den 
gemifchten Latein bildeten. Sie find ein Gemiſch der lat. Sprache 
denen Sprachen der eingemanderten Barbaren, jedoch erfcheint in 
nifche ald Grundlage und Haupttheil, nur nad) Verfchiedenheit der 
den geftaltet. Diefe Sprachen find die italienifche, portugiefifche, 
zoͤſiſche und die rhätifche oder romanifche im engern Sinn. Raynı 
eine romanifche Urſprache ald Typus der gemeinfamen Bildung, 
Schlegel leugnet, und hat in f. „Elemens de la gramm. de la I 
avant l'an 1000” (Paris 1816) über diefelbe Unterfuchungen ang. 
Romano (Biulio), f. Sulius Romanus. 
Romantifh. Das Wort deutet auf füdlichen Urfprur 
wunderbare Zeit hin, in welcher die neuere Gefchichte der füdlichen 
nes Jugendalter gelebt hat. Wie Roman den Namen erhielt von t 
beſonders poetifchen Sprache (Romanzo), fo ift unftreitig auch di 
felben Grunde entwachfen, wenn auch die Sache felbft ſchon vorher 
Bedeutung des Romantifchen wird am beften buch Betradhtun 
wundervollen Zeit gefunden werden, in welcher im Suͤden von E 
neuen Sprachen, der Geift und das Wefen einer neuen Ära ſich 
ztemlich ſchnell eine Bluͤthe entfaltete, bie nun auch ſchon laͤngſt wie 
gen iſt. Nurdarf man das Wort romantiſch, da überhaupt ein: 
ter unferer Zeit ift, nicht mit romanhaft verwechſeln, meld 
größtentheilß aber im fchlimmen Sinne alles vom Gewoͤhnlichen Al 
Idealiſche, das Phantaftifhe, Seltfame, Verfihrobene bezeichnet 
man es von Begebenheiten und Handlungen, Charakteren und ‘ 
DE x eignen dies Wort der Kunft, zundächft der Poefie zu, und mei 
nach der urfprünglichen Bedeutung, eine jener fchönen Formen t 


‚ie bie eigen Berge und Wälder und flärmifchen Meere, und der duͤ⸗ 
ifonlle Rebeihimmel des Nordens, fo iſt die Poeſte deſſelben, bie erſt 
it in ihrer wahren Größe zu wärbigen gelernt bat., gigantıfch, voller 
mächtiger Helden, weithinausfchreitend uͤber bie Engen menfchlicher 
nd ſelbſt der Form nad) mit großem, ernſtem, furchtbatem Tritte eins 
‚ Und nun, tie freunblich und doch auch wieber nicht griechifch, ift 
ie eomantifche Dichtung! recht eägentlich das verbindenbe Mittelglied 
ven, wie bie Länder, in welchen fie bluͤhte, felbft bie Bruͤcke waren, 
der Norden mit dem Lande und den Kunftfchägen der Griechen fpdter- 
hrang kam. Ein ſchoͤnes, Kebliches ; wunderlich bewegtes Gemaͤlde 
ren Blicken auf, wenn wie im Geiſt unter dem wilden, ſuͤdlichen Him⸗ 
yence wandeln und in die blinkenden Schloͤſſer der gewaltigen Herzoge 
eintreten. Verſammelt ift ein glänzendes Hoflager in Gärten mb 
die Natur felbft gemacht hat, das Turnier geendigt, die Preife unter 
Ritter vertheilt von ben Händen ber fchönften Dame des Feſtes, das 
ihl wird gehalten, füße Minne wärzt den Becher unb regt unnennbar 
Beh wie mit Zaubergewalt im Derzen auf. Siehe, da erfcheint ber 
‚ die lieblich Elingende Harfe in ber Hand, Ritter und Damen begrüs 
ee Frende ben lieben Gaſt, er ſtimmt bie Saiten, Altes lauſcht feinen 
nun ſtroͤmen von feinem Munde bie Thaten des großen Karl, des ums 
land, bes Königs Arthus, ber gefeierten Tafeleunde. Wie die Fruͤh⸗ 
wbert fein Lied einen bunten, duftenden Blumengarten hervor. Feen 
kryſtallhellen Seen, Zauberſpruͤche fchaffen im kalten, unwirthbaren 
nbliche Auen und Gärten, von Drachen und Ungebeucen bewacht, aber 
n ihre loddenden Labyrinthengänge eingegangen if, mit unausloͤſchli⸗ 
ı fefthaltend in den Bauberbanden Armidens. Auch der Schoß ber 
w Gewaͤſſer thut fich auf,. in ihm leuchtet eine andre geheimnißvolle 
Ib und Edelgeſteine machten da in herrlichem Glanze. Doch jetzt führt 
Kr ſchuͤtzender Bauber ins bichtefte Schlachtgewuͤhl, Rieſen ftürgen 





hat IHT eigentdumuch Dchones, ihren aſthetijchen eharatter, und Du 
hat ſich Immer auch In Kunſt und Poefie ſolcher Länder abgedruͤckt. 
eine ſchoͤnr, lieblidhe, bunte Mannigfaltigkeit iſt nicht der Charakt 
chen Gegenden Frankreichs und Spaniens, denen die romantifche D 
thuͤmlich iſt! Welch eine Üippigkeit und Fuͤlle, die weit Uber bie Ein 
&enlands und die brennenden Flaͤchen bes untern Italiens (denn bie ! 
hört mit in den Länberkreis bed Romantifchen) fich erhebt, und von 
Grotesken des Nordens mit feinem Schreden und büftern Nebeln 
Schnee ebenfo weit entfernt ift. Wenn im Norden die Flur gleichſam 
ift als eine große Wildbahn, wo ber kuͤhne Jaͤger gelodt wird, mi 
dem Elen ſich zu meſſen; wenn griech. Landfchaft in ihrer eben, her 
ſchimmernden Reizes entkleideten Einfachheit von felbft zur ivealifd 
ſicht Hinfeitet und Veranlaſſung wird, das Leben geifliger zu nehme 
fhönen, freundlichen Gegenden der Provence, Gasconiens (das a 
Aquitanien), die reichen, mit allen Baben ber Flora und Pomona g 
fien Spaniens , fo find felbft manche. Gegenden im füdlichen Deutſe 
Bärten, in welchen das Leben von ſelbſt zum Spiel und Genuß wirb 
warme Luft das ganze Fahr hindurch, in den heißen Monden von 
Oceans, ober von ben plätfchernden Silberbaͤchen der nahen Gebir 
unter einem faft immer heitern Himmel, die Äpfel der Hesperider 
duftenden, fihattengebenben Wäldern, die Erde, ohne viele Bearbe 
dern, im Überfluß gewaͤhrend nicht nur maß ber Leib bebarf, fondern 
erquickt und ergögt, bunte, zerſtreuende, veizende Abwechslung übe 
wie bie Blumen bee Wiefe, kann da Lebensgenuß und Lebensanftd 
romantiſch, d. h. finnlich weich, veinlid und zierlih in einem fdh: 
Sarbenfpiel bes Genuſſes werden ? Gefang und Saitenfpiel zu ber 
weibenden Deerden, die zu hüten und zu warten ftatt Mühe felb 
Unterhaltung gewährt, Übungen in ritterlichen Kämpfen zum Scherz 
Minneluft und Sinn für eine Poefie, die fo bunt, lieblich umd fin 
die Landfchaft ſelbſt: das find die natuͤrlichen Accorde aus ber Menſch 


Romantiſch ‚887 


ittercomane, ber unffreitig dem Süden von Europa entfproffen iſt 
eſt ſich weiter ausgebreitet hat. Diefer romantiſche Geiſt herrſchte 
Alpen, von Limoſiniens Rebenhuͤgeln, über die Pyrenaͤen hinuͤber 
teereögrenzen des von den Mauren beſetzten Spaniens; Chriſt und 
ritterlichen Spielen und Thaten, Herzog und Ritter in lauter Feſten; 
yet, vom Thron verftoßen, wie zum Feſt, mit Rittern und Damen 
hinaus ins freie Seid, in den grünen Wald, wohnt unter Zelten 
mter Spiel und Gefang, unter bem herrlichen Laubdache ſchuͤtzender 
— der Krone und kehrt nur mit Wehmuth auf den dornenvol⸗ 
bl 3 . Ä 
Geſchichte biefer Romantik vgl. m. Mittelalter, Deutfche 
itterwefen:. Wir deuten daher nur Folgendes an: Rad) den 
ed Gr., unter feinen ſchwachen Nachfolgern, machten ſich die Gro⸗ 
3 immer unabhängiger. Die burgundiſchen Königreiche entflanden. 
von Provence, von Zouloufe galten oft mehr ald der Koͤnig, ben fie 
»deten. Die Hofhaltung in der Provence war eine Zeitlang bie ſorg⸗ 
erin alles ritterlichen Thuns und Wefens. Ganz Frankreich, befons 
n, ein Blumenbeet voll der mannigfaltigften Herrfcherblumen. Die 
ie gerabe in jenen Ländern die meifte Theilnahme fanden (felbft das 
Gemaͤlde in der ganzen Gefchichte), kamen hinzu, und fo finden wie 
die ſchoͤnen Dichtungen von Karl d. Gr., feinen Pairs, feinen Kaͤm⸗ 
Mauren, erfimden und ausgebildet. Wie lieblich ift dies ſchoͤne 
ıde von Meifter Ariofto in f. „Rafenden Roland” mit allem Reichs 
aber der Romantik ausgeftattet!. In Spanien verfchaffte ber Kampf 
nit den Mauren, das allmälige Auflommen chriftlicher Königreiche, . 
yen Poefie Stoff und Nahrung. Selbſt die ganze Geſchichte diefes 
wie es das ritterliche Volk, das ihn beftand, immer bis in bie neuefte 
beſen iſt, im höchften Grade romantiſch. Aber nun ging Romantlk 
land, nach Deutfchland über. Dort (in England) wurde doch noch 
„ weil England durch die Normandie mit Frankreich fo nahe verbuns 
Mythus vom fabelhaften König Uterpendragon, von Arthus echt cos 
ebildet und gab felbft der füblichern Romantik feine’ Dichtung vom 
tin ab. Aber in Deutfchland konnte, und auch dies bloß im ſuͤdli⸗ 
waben, durch die Minnefänger, bie einem andern Klima gehörige 
tomantifchen faum noch zu einer echt volksthuͤmlichen Ausbildung ger 
doch Deutfchland fchon im Beſitz einer beſondern Sprache, fowie 
lichen Poefie, der nordiſchen. Unfere Zeit nım gleicht in Bezug 
wem großen Stapelplatz, auf dem man Griechen, Franzoſen, Engs 
ibinavier, jeden in feiner eigenthümlichen Tracht und Weife, umher⸗ 
Wir haben kaum ein andres Verdienſt um Poefle, als daß wir 
em ange ber Zeit allmälig und periodenweis ſich entwickelte, in eine 
gt, bie zerfiveuten Strahlen in einen Brennpunkt gefanmmelt und 
as Eigenthuͤmliches zu befigen, die Geiſter ber Vorwelt heraufbes 
uw. So fehen wir denn neben der Griechheit, neben dem mit droͤh⸗ 
ktte aufteetenden Diefengeift nordifcher und damit gewiß verwandter 
ber Poefle, auch bie heitere, frifche, üppige Romantik lieblich verſchwi⸗ 
umberwanbeln. Daß wir auf diefe Weife wol am beften geeignet find, 
sch den Homeren zu fein, Kunſtkritiken zu machen und ben Geiſt der 
ge Kaufleute beffer zu verſtehen al6 mancher Künftier ſelbſt, Hegt am 
wöchte fich nicht auch fehr natürlich daraus beweifen laffen, daß unfere ⸗ 
liche Nachbluͤthe fei und wenigftens der Originalität entbehre, wie groß 
hen nad) und das Reden von Originalität unter ms möge? 
| 2 


. 





- 


Jene meinen, daß. fich die tomanfifche Literatur. durch Wernachlä 
den Alten beobachteten Regeln, durch groͤßern Umfang ber Did 
bunte, verwirrende Mannigfaltigkeit und eine bis zum Ekeln wah 
der Leidenfchaften und Affecte charakterifire, und Betrachten fo da 
theils nur von feiner negativen Seite, theils fchon in feiner Verzerr 
die jüngern poetiſchen Talente ſich immer mehr von den als claffifd 
gein losmachen. Diefer Antagonismus der tomantifchen und ber cl 
bat auch in Stalien fich gezeigt. Indeß befchreiben die Gegner dei 


dieſe Gattung nur in ihrer Ausartung. So Viennet, diefer 


Epiftel, wenn er in feinem „Epitre aux |Muses sur les romanı 
1 Par: 

„C'est la. mdlanchlie et la mysticite,. 

C'est l’affectation de la naivete; 

C'est un monde ideal qu’on voit dans les nudges: 

Tout, jusqu'au ‚Bentiment, n’y parle qu’en image 

C'est un je ne sais quoi dont on est trausporte; 

Et moins on le cumprend, plus on est enchante‘ 

Romanze, die eigentliche Dichtungsart der rowantiſcher 

das Romantiſche zwiſchen griechiſchem und nordiſchem Geiſte in 
ſo ſcheint die Romanze; die Frucht zu fein, welche epiſche Poefie i 
Europa im ſchoͤnen Zeitalter des Ritterthums alfein bringen konnte 
bracht bat. Wenn nordiſche Dorfie in einzelne geoße, ungeheur: 
mengeht, wenn das griech. Epos faft einzig in dem großen aber e 
des trojanifchen Kriegs ſich bewegt und überall eine edle, wuͤrdige C 
ber Olymposbewohner teie im Schlachtgemühl der Helden vor Tro 


iſt die romantiſche Epit in unzählige Eleine Bluͤthen und Blume 
"durchgängig mit Iprifchem Ausdruck, und das der Grund des une 


thums an Romanzen. Das größte Epos des Südens bleibt immer t 
licher Blumengarten; aber ift er etwas Andres als eine Eöftliche 5] 
lieblichſten Romanzen, finnvolt und kuͤnſtlich angereiht Und felb 


EroitaR Varııfalamld . in ana Maiha Chinan Mainar anstehen 3 


uyysca auyrıulıy, UUU VIEL SIUIJE VEL ZULEEJETS BUY LUSYLELHYJITEEZ TISE 


we Liebe. Leichtigkeit, Gedraͤngthelt, Mannigfaltigkeit, und über dies 
höne, ſchwellende Licht des Südens ausgebreitet, das find bie Hauptel⸗ 
der Romanze. Sie iſt Erzählung einer Begebenheit und in Form und 
antiſch, Durch die lieblicdyen Reim: und Affonanz» und Gonfonansge: 
die Zaubergärten abenteuerliche: Gegenſtaͤnde ſich hindurchſchwingend. 
ewand kleidet fich hier Alles, jede Empfindung, die angeregt, jedes Ge⸗ 
rusgeſprochen werden fell, vom Graͤßlichen bis zum füßen Zauberfpiel 
rab. Go verfchieden jedoch das Heldengedicht, das Drama fein kann, 
n kann auch die Romanze fein, komiſch, tragifch; felbft die Satyre 
nie ift nicht ganz davon ausgefchloffen, aber Alles im Geift bes Romans 
In in bumter Mannigfaltigkeit. Der Geiſt der Romanze ift verſchieden 
ſchiedenen Völkern, die fie ausbilbeten. Spanien ift das Hauptland 
ze, und in dem Kampfe mit den Mauren, ber Jahrhunderte lang 
ftatt das Bild eines allgemeinen, zufammenhängenden Streits zu ges 
bft hoͤchſt romantiſch in einzelne Ritterzuͤge zerfällt, mochte der reichfte 
ihlreichen Romanzen gegeben werden. Man erinnere fi) an die Ro⸗ 
ber Spanier. Der einzige Alonfo de Fuentes, welch einen Reichthum 
omanzen hat er nicht geliefert! In dem alten Frankreich fehlte es nicht 
s Sefängen, wenngleich nicht u. d. N. der Romanze. In dem Ältern 
Englar.d floß der Strom diefer Dichtung ebenfalls fehr reichlich. Man 
nlungen von Percy und Ellis. Go bei jeber Nation aus dem Kreife 
He. Aber in der neueften Zeit, wo allmälig die Schäge aller Nationen 
nfchaftlich geworden find und felbft Die Orangengärten des Südens im 
biuihen, wo der Geift der Poefie, ohne ein eigenthuͤmlicher zu fein, In 
kung der Dichtungsarten aller Zeiten und Länder eine gewiß nicht zu 
Univerfalität ſich erworben hat, in ber neneften Zeit, und zwar befons 
migen Nation, die ohne Zweifel jegt allen übrigen die Dichterpalme ent: 
in der beutfchen, ift Faum eine Dichtungsart ſchoͤner außgebilbet und 
iner gebt worden als die Romanze. Unübertroffen flehen Schiller und 





890 FO Romberg. (Familie) 


wol, daß fie urfprünglich mit lebhafte Mimik vorgetragen wurde; 
tet wol auch ber Name Ballade an. In der Geftalt, in welcher n 
die Ballade vorzüglich auffaffen, kommt fie am früheften bei den En 
Schotten vor, wo fie auch einen ernflen Stoff, und Ton hat. Wi 
zoſen ballades nennen, ift ſchon von andrer Art. Die Staliener aber 
dem 12. Jahrh. ballata ein rein lyriſches Gedicht von: Fleinerm Un 
Gegenſtand gewoͤhnlich Liebesklagen find, was alfo mit unfern Ballı 
Verbindung fleht. Die vorzüglichfien deutfchen Balladendichter 
Stolberg, Goͤthe. Die „Leonore“ des Erftern hat ein claffifche® Anfehe 
Romberg. Aus diefer Tonkünftierfamilie, welche von 
Anton (dem ältern), Birtuofen auf dem Fagott, und Gerhard H 
Müuſikdirector zu Münfter und Virtuofen auf der Clarinette, abflam 
1792 zu Bonn verbunden der Tonkunſt huldigte, find vorzüglich X 
Andreas R. berühmt geworden; Bernhard, Sohn Antons, ale 
lebende Virtuos auf dem Violoncell (geb. 1770); Andreas, Gert 
Sohn (geb. 1767), vorzüglich als Tonſetzer und Violinift berühmt. 
den im. Niederſtift Münfter, und zwar Andreas zu Vechte, 
Dinklage geb. und ließen ſich ſchon im 7. Jahre in einem Concerte | 
machte die muſikaliſche Familie eine Kunftreife nad Amfterdam un 
Paris, wo fie großen Beifall einernteten. Beide Vettern wurde 
glieder der Eurkölnifchen DHofcapelle in Bonn, und gingen, als der 
franz. Revolution fie nöchigte, mit ihrem Sürften zu entfliehen, im DO: 
Hamburg, wo fie fi für bie mufikal. Akademien und Opern auf 
bindlih machten. 1795 traten fie eine Kunftreife über Deutfchlant 
an, von welcher fie 1797 nach Hamburg zurüdtamen. - Sie trenn 
als Bernhard 1799 Hamburg zum zweiten Male verließ und über | 
Spanien nad) Liffabon reifte. 1800 fanden fie fi in Paris wied 
das Theater Feydeau die Oper „Don Mendoze’' gemeinfchaftlich fest 
wurde 1801 als Prof. des Violoncells an dem Gonfervatorium zu 
ſtellt. Von da kam er zwar 1803 wieder nach Hamburg zuruͤck, nat 
eine Stelle in der Eönigl. Capelle zu Berlin an. Er legte diefe nieder, 
nad) Berlin kam, und privatifirte in Hamburg oder machte Kunf 
1827 iſt er wieber in Berlin, jedoch ohne Anftellung. Überall war! 
würbigen Bernhards geniale Leichtigkeit auf dem Violoncell gepriefer 
wol bie Sertigkeit feiner Hand als der geſchmack⸗ und gefühlvolle 
Kuͤnſtlers bewimbert, ter Beine Schwierigkeit ſcheut, aber auch kei 
uͤberall fein Inſtrument als ausgebildeter Meifter mit bewunder 
Monnigfaltigkeit beherrſcht. Seine Violoncellconcerte, Violinqua 
und Ouverturen find fehr beliebt, Dagegen einige Opern, z. B. „Ulvffı 
„Rittertreue“ zc. weniger Beifall fanden. — Andreas dagegen, beı 
Hamburg haͤuslich nieberließ, hat durch feine gründlich gearbeiteten ! 
ſtuͤcke, beſonders durch f. Spmphonien, Quatuors und Quintette, 
fien Melodie und gründlichften Harmonie, die Mufitfreunde in Deu 
fo, wie f. Vetter durch fein Vtoloncelifpiel gewonnen. Am meiften 
bier dem großen Haydn. Weniger allgemeinen Beifall hat er als © 
nift (namentlich durch die Compofition Schiller'ſcher Gedichte, z. % 
her Macht des Geſanges ıc., mit Begleitung bes Orcheſters, und e 
z. B. der „Ruinen von Palnucc“) erhalten; hier hört man nur zu o 
mentalcomponiften, und f. Declamation ift mitunter fehr fehlerhaft. 
« fandte ihm die Univerfität zu Kiel das Diplom eines Doctors ber 
„ Intbefondere ber Muſik. Er hatte fich auf mehren f. Reifen als wacke 
Uchen Biolinfpieles bekanntgemacht, ging 1815 an Spohr's Stei 


Romelien Romilly 891 


Botha und ſtarb dafelbft d. 10. Nov. 1824. Andreas hinterlieg 10 
welchen ber ältere Sohn ein ausgezeichneter Violinift, dagegen Bern ⸗ 
in guter Violoncellift zu werben verfpricht. — Noch ift ein jüngerer 
ıhards, Anton (geb. 1777), als braver Fagottiſt befannt. Ex ges 
4 wuͤrtemb. Gapelle an, reifte 1817 und ließ fich in Berlin und Leip⸗ 
u Beifall hören. Er hat eine treffliche Höhe und Gleichheit ber Toͤne, 
ft, Sicherheit und große Fertigkeit. 

lien, Kum⸗Jli, das ehemal. Thrazien, eine Statthalterſchaft 
Meichb, der ein Beglerbeg (Fürft der Fuͤrſten) vorfteht, welcher zu 
hält. Womelien ift von hoben, fehroffen Gebirgen (Hämus, Rho⸗ 
mitten und ſtoͤßt an das ſchwar ze Meer und den Archipelagus. Kon 
gt innerhalb bes Bezirks von Romelien. 

r, das Rathhaus der Stadt Frankfurt a, M. Der Name (reiit 
ven ehemal. Befigern, einer Familie Römer, die 1405 da6 Gebäude 
tmagiſtrat verkaufte, der es zum Rathhauſe einrichtete. Als des 
m Reichs Verfaſſung beftand, wurden in dem Roͤmer die Berathe 
ber die Wahl der deutſchen Kaiſer und Könige gehalten; der gekroͤnte 
hier bie Huldigung an, zu welchem Endzweck verſchiedene eigens dazu 
Bemäcer und Säle daſelbſt befindlich find. (Die feierliche Wahl am 
dahltage fand in der fogen. Wahlcapelle in ber St⸗ Bartholomaͤus⸗ 
Hier warm aud) die Bruſtbilder aller roͤmiſchen Kalfer aufgeftelt. 
Zopograph. Beſchteib. von Frankfurt a. MM.” findet ſich eine genaue 
des Römers. Auch [, man Goͤthe s „Aus meinem Leben", Ih. 1. 
monate, f. Deutfhes Reid. 

rzinszahl oder Indiction, f. Periode. 

vzug, ſ. Deutſches Reid. 

Uly (Samuel), ein ausgezeichneter Redner und gründlicher Reit 
Verfafſung, war einer der ebelften Vertheidiger der Rechte und Frei⸗ 
486, geb. 1757 in London, ſtammte aus einer franz. Familie ab, bie 
der Aufhebung des Edicts von Nantes in England angefiebelt hatte, 


ich der juriſtiſchen Laufbahn, in der er fich fo auszeichnete, daffein . , 


in ber fpätern Zeit Über 100,000 Thlr. bettug. In f. Privatleben 
em trefflichen Marquis dv. Lansdown, ehemal. Lord Shelburne, enge 
ente in deffen Haufe f. Gattin, Tochter des Heren Francis Garbett, 
ein f. 40. Jahre heicathete, und Fam durch ihm nach Pitt’s Tode in 
wille ſche Minifterium. Dann ward er In das Haus der Gemeinen 
mete ſich auch hier durch f. Talente, Renntniffe und Grumbfäge aus, 
ver berühmten Unterfuchung gegen Lord Melville einer. der Commiſſa ⸗ 
thanfes und ber Berichterfatter ber Comits. In den Verhandlungen 
andel machte ſich Sir amt vor Allen bemerkbar. Rad) For's 
er f. Stelle im Minifterium und trat auf bie Seite der Oppofttion, 
achſter Führer er wurde. Bei der naͤchſten Parlamentswahl ward 
atafter gewählt, wodurch fein Anfehen noch höher flieg. Er befaß 
me Gewalt der Berebtfamkeit, bie durch bie Kraft der Phantafie und 
bie Gemuͤther beherrſcht; aber alle f. Reden waren durch lichtvolle 
deutliche Darlegung der Gruͤnde und durch bie Geſchicklichkeit aus | 
omit ex bie ſtarke Seite ſ. Gründe und die Schwäche der Darftellung 
Licht zu flellen wußte. eine Sprache war als claſſiſch berühmt. 
Berbienfte erwarb ex ſich durch f. Bemühungen um bie Verbeſſerung 
ı Rechts in England, und f. „Observations on the oriminal law 
ws it relates to capital punishments, and on the mode in w] 
bered” (Lkond. 1810) find zur Senntniß Beiingl. Bedyapluge 





! 


VBehorde ernähren müffen, gehen Millionen nad) Kom, von dene 
apoftolifchen Kammer zufließt. — Schwieriger find die Gefchäfte t 


tlonthofes ober bee Rot a. (Vgl. d.) — Einen ausgebreiteten € 


glaͤubigern Zeiten das Amt des Cardinal⸗Großpoͤnitentiarius als 
Penitenzieria, welcher in Anſehung aller Gewiſſensfaͤlle, Geluͤbde, 
ſten und verbotenen Verwandtſchaftsgrade in Eheſachen abſolvirt 
bei denen ber Papft ſich das Recht der Abſolution und Diſpenſat 
bat (daher Refervationen). — Außer diefen Behörden, de 
kreis ſich über die ganze Bath. Chriftenheit erſtreckt, gibt es zu Rom 
naͤchſt bloß mit der Regierung des Kirchenſtaats befchäftigte Be 
Sagra consulta oder das peinliche Obergericht, in welchem der C. 
ſecretair präfibiet; die Signatura di giustizia, ein für Civilfache: 
Suftizcollegium von 12 fiimmfähigen Prätaten, an deſſen Spit 
provebitore oder Juftizminifter des Papftes fteht und mit dem bi 
grazia concurrirt; bie apoflolifche Kammer, in weldher 12 Prät 
Vorfige des Cardinalkaͤmmerlings arbeiten, das Vermögen der . 
Domainen des Papftes verwalten und alle bie Einkünfte einnehn 
Papſt ale Landesherr und oberſter Biſchof des Kirchenflaats, wie a 
und Ländereien, die außer dieſem Staate unmittelbar unter ihm f 
von ihm nehmen, erhalten muß; und eine Menge von Gove 
fecten, Procuratoren 2c., in deren Bänben bie verfchiedenen Zw 


Verwaltung find. — Die Ausfertigung ber Bullen, Beſcheide und 


vom Papfte unmittelbar ober von biefen Behörden erlaflen werden 
ven, welche ber Garbinalfecretait der Breven erpebirt, ausgenon 
durch bie päpftl. Kanzlei, deren Gefchäfte unter dem Vicekanzler vı 
viatores (ſ. d.) und mehren hundert Schreibern beforgt werber 
Stellen werben von Geiftlichen verwaltet und find großentheils Pf 
Papſt um einen nach Verhaͤltniß ihrer jährlichen Einkünfte beſtimm 


lich verkauft. Bei dem Tode Sirtus V. gab ed 4000 verkaͤuflid 


Raht ift aber fnäterbin herabaefest und ber damit aetriebene Mifb: 


Römifcher Kaiſer Romiſche Kunſt 898 


ungen hauptſaͤchlich auswärtige Angelegenheiten betreffen und zur Kennt⸗ 
nden Gefandten kommen. Die öffentlichen Gonfiftorien dagegen wer⸗ 
zehalten und find nur Geremonialverfammlungen,, in denen der Papft 
aften empfängt und wichtige Befchlüffe, 3. B. Deiligfprechungen, Or⸗ 
gen ıc., feleriih bekanntmachen läßt. In der Regel nehmen alle zu 
renden Cardinaͤle an den Confi ftorien Theil, doch darf keiner dabei er⸗ 
en ber Papft nicht jedesmal ausdruͤcklich dazu einladen läßt. Der Papft 
i diefen Sigungen ſtets in eigner Perfon, und’ gegenwärtig find allemal 
ıftantöfecretair, welcher päpfti. Minifter bes Innern und der auswaͤrt. 
weiten iſt, und die Gardinalpräfidenten ber zur römifchen Curie gehörigen 
— Gegenwärtig beftehen 22 Eongregationen der Sardindte zu Rom: 
niſche und allgemeine Inquiſition oder Santo oficio; 2) Viſita apoflos 
anfiftoriale; 4) Vescovi regolari; 5) dei Concilio (tribentino) ; 6) Res 
Bescovi; 7) Immunita eccieftaftica; 8) Propaganda; 9) Indicl (vers 
ber); 10) Sagri Riti (der h. Gebräuche); 11) Ehremoniale; 12) Diss 
olare (Möndysorden); 13) Indulgenze e fagre Reliquie; 14) Efame 
i; 15) Gorresione dei libri della chiefa orientale; 16) Fabrica di 
(Erhaltung der Petersliche); 17) Confulta; 18) Buongoverno; 
; 20) Wafferbau und pontiniſche Sümpfe; 21) Economica; 22) aus 
he ade Angelegenheiten. Die wenigflen diefer Behörden find deq 


nifher Katfer, f. Deutfhes Reich. 
nifch= Patholifhe Kirche, diejenige hriftliche Neligionspartei, 
Biſchof von Rom al ihr fihtbare® Oberhaupt anerkennt, zum Unter . 
der griechifchen Kirche, die fich auch eine katholiſche, d. h. a algemeingen 
nt, aber feine Befehle vom Papfte annimmt. An Anfehen und Uns 
äffe die roͤmiſch⸗katholiſche Kirche, welche, Rußland und die Türkei aus⸗ 
bis zur Reformation die alleinherrfchende in Europa war, noch jetzt 
a. Gie hat mehr Belenner als die proteflantifchen Kirchen zufammens 
‚ und ihr beftändiges Bemühen, ſich auch auf Koften der griech. Kirche 
ern, hat nad) und nach beinahe 2 Mitt. Anhänger des griech. Ritus in ' 
ater bie geiftliche Oberherrfchaft des Papftes gebracht. (Wgl. Unirte 
,.) Nicht geringen Eifer verwendet fie, weil nad ihrem Lehrbegriffe 
n Schoße fein Heil ift, auf die Belehrung ber Proteftanten, welche bie 
zabe der Jeſuiten war. Doch hat der Geiſt unfter Zeit diefem Zwecke 
hums fo kräftig entgegengemirkt, daß nicht nur die Katholifen, welche in 
ſchen Ländern leben, gelernt haben, ſich des verhaßten Bekehrungseifers 
amacherei) zu enthalten, ſondern auch bie freien Anſichten der Proteſtan⸗ 
eligion und Kirchenthum das ſtille Bekenntniß unzaͤhliger Katholiken ge⸗ 
d. Dies zeigt ſich beſonders in Deutſchland, wo der Einfluß Joſephs II., 
anken der biſchoͤfl. Verhaͤltniſſe, die aufgeklaͤrte Denkungsart einiger Erz⸗ 
zb hauptſaͤchlich der lebhaftere literariſche Verkehr unter ben Katholiken 
Dppofition gegen das römifche Wefen gebildet hat, und in Frankreich, 
wisſsmus durch die während der Revolution in Umlauf gefommenen pos 
nd religiöfen Meinungen einen harten Stoß erhielt. Doch haben fidy 
krſchemungen gezeigt, die nur zu auffallend verrathen, daß das alte: 
ie, hereinzutreten“, noch immer nicht aufgehört hat, der Grundſatz dies 
gu fein. Über die Lehre, Verfaſſung und Geſchichte der edmifätathor 
he f. Katholicismus und Papft. 
mifcher König, f. Deutfches Reid, 
mifhe Kunft oder Schule, f. Bauftunft (Gefchichte ber), 
verkunft (Befch.der), Malerei (Geſch. berj und Mufit (Geſch. dech. 


2 


HM . J Eiggptur, Pefe 
x: Roömifhe Literatur. Die Geſchichte derfelben wirb gewoͤhn 
Periode getheitt: 1). von den dlteften Zeiten bis auf Gicero; 2) bi zum 
Juguſtus, das ſogen. geldene Zeitalter, wiewol ſchon einige frühere Schif 
dazu gerechnet werden; 3) bi6 zu Trajan's Tode, das ſilberne Zeitalter; 4) & 
Koms Überwältigung burch die Gothen, das eherne Zeitalter. — Die 9 
sing auch bier, wie in allen Sprachen, der Profa voran. Uxfpränglid, m 
Poeſie in Rom nicht einheimifch ; fie war eine Lünftliche Pflanze, die größte 
griechiſchen Muftern, [päterhin auch der Rhetorik und der Schule ihr Dafk 
dankte. Denn was fich in dem aͤlteſten Zeiten von edht italifcher Poeſie in 
zu bilden anfıng, erflidte ſpurlos im Keime, als der griech. Einfluß ein 
Epoche herbeiführte. Dahin gehören die Saturninifhen Befänge. Zu ben 
Berfuchen in ber Poefie gehören die Atellanen (f. b.). ‚Auch die folgende 
ſuche waren mit wenigen Ausnahmen dramatiſch. Livius Andronikus, ein; 
gener Grieche aus Tarent, gab zuerft, gegen 500 nach Roms Erbauung, be 
miern die „Obpffee”, und machte fie durch Iateinifche, a. d. Griech. uͤberſeht 
nachgebildete Trauerſpiele und Luftfpiele mit dem dramatiſchen Meichthu 
Griechen bekannt. Ihm folgten Naͤvius, der auch ein hiſtoriſches Gedich 
den erſten puniſchen Krieg ſchrieb, die beiden Tragiker Pacuvius und Atti 
zaͤguch aber Ennius (ſ. d.), ber erſte epiſche Dichter und Gruͤnder der rig 
Poeſie, den auch Cicero und Virgil hochſchaͤtzten. Ex führte den griech. Dei 
ein und ſchrieb römifche Annalen in 18 Gefängen ıc. Sein Zeitgenoffe war 
tue, von welchem wir noch 21 Stüde befisen. Seine Stärke ift im Niede 
fen; er hat gluͤcklichen Wis, Laune und echtlomifche Sprache. Dann 
von welchem wir aus Titeln und Bruchſtuͤcken 45 Stuͤcke tennen, und Terent 
ädicher Nachahmer Menander's u. A., welcher fi durch Wahrheit w 
beit des Dialogs, durch eine gebildete Sprache, fowie durch planmäßige i 
mmg feiner griech. Charaktergemälde, auszeichnet. Diefe 3 Komiker nahe 
neuere Komödie ber Griechen zum Muſter (comoedia palliata). Dagegen! 
Afranius nebft wenigen Andern römifche Sitten auf das Theater (c 
togata). Bald nad) ihm zeigte Lucilius (vgl. d.) ein großes Talent zur 
baten: eigentlichee Schöpfer ex umter den Römern ward. — Die Rdn 
demnach keine ausgezeichnete Schaubühne, und ihre Dramen waren 1 
Überfegungen oder Hachbildungen griech. Werke. Die Mimen (komiſche 
beamen) des Laberius und Syrus kennen wir zu wenig, um ihnen einen & 
ben Hang anzumeifen; doch werben fie geruͤhmt. Auch bie fpätern Tray 
den Auguſteiſchen Zeitalter, ein Afinius Pollio, ein Varius mit feinem „IE 
ein Ovidius mit f. „Medea“ werben zwar gepriefen; allein bie Urfachen ſ 
Zu: exrathen, warum man glauben muß, daß die Tragödie auf römifchem 
‚ nie gedeihen konnte. Wir dürfen nur an die im Triumph aufgeführten. 
dierdann im Kerker verfchmachteten, an bie Gtabiatorenfpiele und Thi 
denken. Bei einem Volke, das hieran Gefallen fand, konnte man nie A 
ſche Reinigung der Leidenfchaften, das Ziel der attifhen Tragödie, erwarten 
einzige Probeftüd der tragifchen Poefie aus einer fpätern Zeit ift uns int 
Rrauerfpielen des Anndus Seneca aufbehalten, die man aber, wol nicht 4 
recht, mehren Verfaffern zufchreibt. Sie find unförmliche Declamatien 
ohne Innere Wahrheit, aus den Schulen der Rhetoren herſtammen und 
Wortſchwall nur den gröbften Sinn beftechen Eönnen. — Lucretius, weil 
den frähern Dichtern Roms eine ganz neue Bahn betrat, fchuf nach Demi 
des Epikur ein philofophifces Gedicht Über die „Natur der Dinge”, In 
welches er mit poetifchen Karben reichlich gefhmüdt hat. Auch er ging 
Pr aus, den mehre, giffenfchaftliche Gedichte der Griechen athimen;| 

erdinge ein begeiſterh 






















acſteller der Natur, voll Kraft und Drigt er 








KRoͤmiſche Litzxatur, v 898. 
icht ohne Härten und Dunkelheit. — In einer andern Gattung zeigte fich 
* nämlich im leichten Liede und in der Elegie, auch in Epigrammen. Gr 
l eigenthämliche Zeinheit der Empfindung, auch glüdkt ihm der gefaͤllige 
. Smdeffen nimmt er es, wie die meiften erotifchen und fatprifchen Dichter 
en, mit ber Sittlichkeit des Ausdrucks nicht zu genau, welches in ber herts 
n Anficht vom zweiten Geſchlechte feine Erklärung findet. Welt reiner und 
erſcheint Tibullus, welchem wir mit Quintilianus ben erflen Rang unter 
gifern zuerkennen moͤchten. Ex behandelt bie Liebe am menigften cob, und 
bechaupt wahres Gefühl, ohne gefuchte Kunft. — Mit dem Zeitalter 
nguftes, welches nun beginnt, offenbart ſich in der römifchen Literatur 
er Geiſt, da die Freiheit der Republik gänzlich verfhmwiumden mar. Auguflus 
ab Macenas unterftügten die Dichterifchen Talente. Der erfte diefer beguͤn⸗ 
Dichter ift Virgilius welcher in feiner „Aneide“ ein eigentl. Nationalepoß, 
bung des AÄneas und die Gruͤndung feiner Herrſchaft in Latium, aufgeſtellt 
Biewol der Dichter fein eignes Werk wegen feiner Mangelhaftigkeit ſelbſt 
kun wollte, fo iſt doch fein Streben zum Großen nicht zu verkennen, indem 
Mssnaffen eine neue „Slias” nad, einem hohen Vorbilde erfchaffen wollte, 
Ich nicht fo erziwungen werden Eonnte. Dennod) zeigt er in f. Darfielung 
nhifches Gefühl, gebildeten Kunſtſinn und rein poetifche Sprache. 
mer in feiner Art ift da6 Gedicht vom Landbau („Georgica”), Dier * in 
um eines Lehrgedichts und in einer vollendeten Sprache f. Anſichten, Ke⸗ 
Gefühle vom Landieben niedergelegt, nachdem er in einem frühern Vers 
Eigen” oder Hirtengedichte biefelbe Liebe zur Natur und zum Lanbleben 
hatte. — Wenn wir im Virgil den vorzüglichflen epiſchen und die 
Dieter ber Römer anerkennen, fo erfcheint Horatius als ein Liebling 
a Muſe, als ein Priefter der Muſen rish, wiewol man über ben groͤ⸗ 
gecingern Grad f. poetifchen Selbſtaͤndigkeit, bei dem Verlufte f. griechl⸗ 
bilder, nicht ficher genug urtheilen kann. Doch bewegt ſich f. Ode oft ' 
um Gebiete des römifchen Lebens, dann druͤckt er die edelſten Empfinbun» 
es einem Römer geziemt, Eraftvoll aus. In manchen Oben iſt er ganz 
3 anbre feiner Lieber athmen die höchfte Anmuth. Ebenfo adhtungewerth 
dieſer Dichter in der Satyre, einer ben Römern eigenthuͤmlichen Gat⸗ 
Ihe überhaupt den Charakter ihrer Literatur zu beſtimmen fcheint. Auch 
ns. Epoden und Epifteln ſtellt er mit fpielender Heiterkeit und großer 
* mehr das Ungereimte als das Schaͤndliche bar, wiewol auch dieſes 
mögemälden nicht ausgeſchloſſen iſt. — In das Auguſteiſche Zeitalter 
) amter den Elegikern, bie wir befigen, Propertius und Ovid. Als erfter 
der griech. Elegie betritt Properz den heiligen Hain bes Kallimachus und 
um in bellmifchen Chören italifche Orgien zu feiern; er läßt unter ber 
den Bit der Sinnlichkeit doch eine gewiſſe ernfte Hoheit hervorſtrahlen, 
auch i in Gedanken und Ausdrud nicht felten gezwungen ifl. Dem Ovls 
\ 2) laͤßt fich das fruchtbarfte poetifche Talent und die größte Leichtigkeit 
ificatiom nicht abfprechen ; nur fpielt er zu ſehr mit f. lüberflug und wird 
| ſchen Klagen unmännlih. Das eigenthümlichfte ſ. Gedichte find bie 
s oder bie poetifche Befchreibung der römifchen Feſte und ihres Urſprungs; 
| find wol f. 21 „„Deroiden”. Ovid iſt der Schöpfer dieſer vers 
Dietungsart, Diefe fogen. Briefe find zu einförmig und zu fehr mit . 
Klagen angefült, um Würde und innere Wahrheit zu haben; fie find 
shetsrifche Spiele zu betrachten. — Von den andern Dichtern, die biefer 
. tft wenig zu fagen. Einige gefchägte Elegiker, wie Pedo Albinos 
Aer Gemelius Gallus, find uns faſt gänzlich gegangen. Eine - 
er den Ana, weiches dem von Quintilianus Cornelius Srorcak 















als aͤſthetiſchen Werth. — Wenn wir bei den Häuptern biefer ſpaͤt 
weilen, bei dem Lucanus, welcher burch die Befingung bes Bürger 
Caͤſar und Pompejus zum hiftorifchen Heldengebicht zuruͤckkehrte, 
ſchwuͤlſtigprunkenden Statius, welcher eine „Xhebaide” und den 
„Achilleide“ dichtete, um von den Eleinern Gedichten zu ſchweigen, fof 
durchgaͤngigen Mangel an fchöpferifcher Phantafie und eine Kätt 
uns vergebend mit chetorifchen Feuerwerken zu erwärmen ſucht. 3 
fen Dichtern bie eigentliche poetifche Welt und felbft der Sinn für 
Freiheit Iängft untergegangen. Bei fo Uberfpannten Naturen, ı 
waren, konnten nur Dichter, wie der pomphafte Statius, oder d 
grammatiker Martialis (welchem wir uͤbrigens Wis und Reichthum 
nicht abfprechen koͤnnen) ihr Stud machen. Indeß bewährt Luce 
Fehlern der Anlage und bei einer oft unwärdigen Schmeidhelet, b 
überrafchenben Adel der Geſinnung, Kraft des Ausdruds und gihdli 
der Charaktere. Valerius Flaccus, welcher ben Argonautenzug r 
bilde des Apollonius Rhodius befang, zeigt mehr ein Streben, dur 
kelt zu glänzen, als Originalität und Friſchheit des Colorits, und € 
ein großer Verehrer Virgil’6, welcher den zweiten punifcyen Krieg 


u Stoff wählte, gilt bloß als Hiftorifcher Dichter. — Mit der vie 


zeigte ſich der Verfall der römifchen Poefie immer mehr. Die 

Avienus oder Avianus find in einem harten gefchraubten Style; da 
fid) das Gedicht des Nemefianus über die Jagd, und bie 7 Elfogen t 
wenigſtens durch ziemliche Reinheit und Leichtigkeit der Sprache aı 
macht in f. Epigrammen und fogen. Idyllen, beſonders in f. Gedid 
fel, gleichſam die Grenzſcheide zwiſchen der alten und neuen Welt; n 
erfcheint in dieſer ehernen Zeit faft wie ein Wunder. ? Wenn er au: 
[hen und epigrammatifchen Auswüchfen, von ber Sucht, dur © 
ſchimmern, nicht frei ift, fo fteht er doch über feiner Zeit und neigt fi 
blühenden Kunſtſtyl. Wir fchliegen diefe Reihe mit dem Rutilius 
welcher f. Secreife nah Sallien in eleaifchem Versmaße nicht aaı 


\ 


Roͤmiſche Literatur, vo | 897 


Heben vorzubereiten, da bie gerichtliche Berebtfamkeit immer ber Btennpunft 
wn freien Römern blieb. Won ihren Rebnern kennen wir Viele bloß dem 
u umd dem Ruhme nad, welchen ihnen andere: Schriftfteller 73 

in gehören Cornelius Cethegus, Tiberius Gracchus, Cotta, Sulpicius, he⸗ 
us aber Licinins Craffus, Antonius, Hortenſius und Caͤſar ſelbſt. Das vor⸗ 
fie Verdienſt als Redner erwarb ſich Cicero, von welchem wis nicht allein 
D noch vorhandenen Reden die ſchoͤnſten Mufter dev Beredtſamkeit befigen, 
E= weicher auch in gebiegenen rhetorifchen Werten als Lehrer auftrat unb 






an ber Gruͤndung der profaifchen Literatur der Römer ben entſchieden⸗ 

hatte. — Im Zeitalter des Auguftus, nad dem Tode des legten 

ber römifchen Freiheit, mußte freilich die frele Beredtſamkelt verſtum⸗ 

doch waren auch bie Werke biefer und der fpätern Periode von jenem alten 
4 mehr ober minder durchdrungen. Als den legten Hauch der roͤmiſchen 
Kıfamıkeie kann man die Lobrebe auf den Trajan vom jüngern Plinius qu⸗ 
„ welcher ſich auch als gerichtliche Nebner zu Rom Anfehen warb, Die 

he ber nım ganz darniederſinkenden Rebnerkunft kann man am beflen aus 
mb manchen dem Plinius nachgeahmten lobrebnerifchen Verſuchen ſpaͤterer 
(ber fogen. Panegyriker) beurtheilm. "Noch iſt Quintilianus, ein Zeit 
jenes Plinius, als die legte Stüge rebnerifcher Ziduns theils durch Un⸗ 
theils durch eignes Beiſpiel, zu nennen. Wir haben noch u. ſ. N. 
und 145 kleinere Declamationen oder übungsreden. Größer aber iſt 
ſt als Rhetor und Grammatiker. In feinen 12 Büchern „De insti- 
8 verbindet er mit geſchmackvoller gruͤndlicher Anweiſung zugleich 
ſthrung und Charakteriſirung der beſten Muſter. Früͤher ſchon, im bluͤ⸗ 
a Beitalter der römifchen Literatur, hatten, naͤchſt dem Cicero, Cäfar und 
Barro durch“ ihre grammatiſchen Schriften mitgeroicht, eine wiflen- 
Kenntniß der Sprache zu begründen und ihr dadurch eine fefte Geftalt 
Varro, der gelehrtefte Sprach» und Alterthumsforſcher feiner Zeit, " 

u Werk über dia lat. Sprache, welches urfprünglich aus 24 Büch. beſtand, 
em aber nus noch 6 Bollftänbig uͤbrig find. Im rhetorifcher Dinfiche find 
‚bürgerlichen Mechtshändel (Controversiae) und die Empfehlungsreben 
) bes Marcus Seneca zu nennen, vorzüglich aber ein fchägbarer Dias 
* Urſachen der geſunkenen Beredtſamkeit, welcher von den Meiſten dem 
aus zugeſchrieben wird. Spätere Grammatiker, d.h. Lehrer der Sprach⸗ 
Biteratur überhaupt, von den Zeiten ber Antonine an, find Aulus Gellius, 
Nonius Marcelius, Pomponius Feſtus, Macrobins, Donatus, Pris⸗ 
die ** durch grammatiſche Belehrungen, theils durch Commentare uͤber 
Schriftſteller und durch Erhaltung fchägbarer Bruchſtuͤcke aus denſelben für 
en ſehr wichtig ſind. — Mit der Literatur der roͤmiſchen Sprache und 
keit laͤßt ſich fuͤglich die Literatur ihrer Geſchichtſchreibung verbinden, 
if * ihr und durch ſie ausgebildet hat. Die erſten hiſtoriſchen Schrif⸗ 
bloß txockene Verzeichniſſe wichtiger Vorfälle, weiche durch die Annalen 
zpriefter (Pontifices Maximi) auf einer Tafel in ihrer Wohnung und durch 
aiſſe der Conſuln nebft den merkwürbigften Vorfaͤlen im Tempel ber Mo⸗ 
ibri lintei) aufbewahrt wurden. Fabius Pictor, Albinus Pofthumkes, 
| Cats, Coͤlius Fannius, Valerius aus Antium und. einige X. waren bie 
hreiber der Römer, jedoch ohne alle hiftorifche Kunſt. Erſt in 
— Kom traten einige große Meifter auf. Wer Eennt nicht-bie 
die ſchoͤne Einfachheit, die zweckmaͤßige Schreibart des Jullus CA 
6 merkwuͤrdig erſcheint er in den Nachrichten uͤber den von ihm 
\ "galiifähen und bürgerlichen Krieg. Salluſt's Sprache findet 
Hi bier und da etwas Gezwungenes; in er eine große Garafelk 

























[ 


: 898 Mars Siferatur, Profa F 


"auf die Erzählungen und auf bie Shierung ber Charaktere verwendet mb 
überall Gehankenreichthum und tiefe Beurtheilungstraft, ſodaß er, wicht zu ſ 
VDachtheile, mit feinem-Borbilde, dem Thucydides, verglichen werben Darf. | 
iR, wenn wir die verlofen gegangene Univerfalgefcjichte des Trogus P 
' ansnehmen, ber Hiſtoriker vom größten Umfang unter den Römern und we 
—X Erzaͤhlung und redneriſchen Form vollkommen genannt zu werden, 
nige eine gewiſſe Patavinitaͤt (das Fremdartige feiner Vaterſtadt) ve 
Ei Geſchichte ging von der Ankunft des Aneas in Italien bis auf das & 
TEA, von welcher aber verhältnigmäßig nur wenige Bücher noch uͤbrig fit. 
fen 3 Muftern der Geſchichtſchreibung zunaͤchſt fteht mit feinen Bio; 
zuͤgllcher Feldherren Cornelius Nepos, wenigſtens burch die Reinheit d ⸗ 
dencks. Es iſt zu beklagen, daß ein geſchichtliches Hauptwerk von ibm « 
sangen iſt. — Unter dem Drude des Despotismus entartete jetzt fenft | 
(late, die von den Römern fo wohl angebaut war; dies zeigt die g 
deelamatoriſche Sprache des Velleius, von bem wie einen kurzen Abeif der 
fen Befchichte haben, in welchem er fich bie niebrigften Schmeicheleien 
"bat, Noch mehr zu tabeln ift Florus. Auch er brachte die roͤmiſche Ge 
“Us rinen Auszug ; doch verirrte ſich fein ſchwuͤlſtiger Styl oft zu weit 
"Sretizen der Profa, der unwuͤrdigen Schmeichelei nicht zu gedenken. | 
Marlımıs ift in f. Erzählungen von denfwürbigen Männern mehr Gon 
Anebbotenfammier; Suetonlus befchränkte ſich bei [. übrigen grammatifd 7 
riſchen Arbeiten auf bloße Biographien det Kaiſer, die uͤbrigens durch 
alt anziehend find. — Über biefe verborbene Zeit erhob fich * 
echtroͤmiſche Geſinnung, durch Geiſtestiefe und durch jene Kraft bes 2 
welche oft nachgeahmt aber ſelten erreicht worden if. Man kamr 
ſagen, daß in ihm der Dichter, der Philoſoph und der Gefhiätfärreiber u 
eeſcheinen. — Nach dem Trajan verfchwinden die bedeutenden Schriftfl 
die griech. Literatur wieder ihre Rechte behauptete und die römifche & ic 
von mehren Griechen bearbeitet ward. Juſtinus traͤgt vielleicht bie Schu 
wir durch f. Auszug bie allgemeine Geſchichte des Trogus Pompejus in 44 
verloren haben. Die Unkunde ber römifchen Befchichte ſelbſt war bei den 
ſo weit gekommen, daß Eutropius nad) bem Befehl des Kaifers Walens ei 
zen ·Abriß ber römifchen Befchichte entwerfen mußte. Vom Aurellus X 
wenig zu fagen, und fo bärfen wir ben Verluft f. Hauptwerks vom Uefz 
eömifchen Wolke, weiches nur bis auf das erſte Fahr nach Roms Erbam 
nicht zu fehr bedauern. Weit höher ſteht Ammianus Marcellinus, weil 
lich in einer barbarifchen Schreibart, dem Zorfcher oft veigenbe Aurich | 
amd durch geſundes Urtheil, ſowie durch Mannigfaltigkeit des Stoffe, 
Deſto weniger Lob verdienen bie 6 fogen. Schriftfleller * 
gefehlchte („Seriptores 'historiae Au tee), Spartianus, Gapitoliunf 
bellius, Vopiscus, Ballicanus und Lampribius. — Wenn wir oben fi 
ich die Römer auch in ber Philofophie ausgezeichnet et Hätten, fo iſt —* 
einzuſchraͤnken, daß fie das von den Griechen Gegebene zum Theil in 
lalren Sprache verbreiteten, und daß bie angefehenften Stanttminne 
bithendſten Periode Roms Freunde und Verehrer der Philofophle waren. 
den aͤltern Römern müffen auch in biefer Hinficht befonders Laͤllus der 
afrikaniſche Scipio und Lucullus ruͤhmlich erwähnt werben. — Von ber € 
nm Begeifterung des Lucretius, wiewol er einem feinbfeligen Syſtem haldig 
‚der Lebensphiloſophie des Horarius, welcher übrigens den —— — 
Weisheit nannte, iſt bereits geſprochen worden; allein 
Biden fittlichen Phil 
Verdienſt um die Bi 




















































durch die infüßei 
o der Griechen hat ſich Cicero auch hier ne 
J5 Volks erworben. Er verlor ſich warn 







Römifche Literatur, Profa | 399 


ibyrinthiſchen Gängen der Speculation, aber er kehrte zu ihr im Gluͤck und 
ick ſtets zuruͤck und ſtellte ſie in ſ. claſſiſchen Sprache dar. Urſpruͤnglich ein 
niker, ging er doc) oft zur Sittenlehre der Stoiker Über, oder, wo ihm der 
mge Ernſt berfelben mißfiel, zum Ariftoteles. Nur Epikur mit f. Spftem 
han zuwibder, da er deſſen Nachtheile für den Menfchen, befonders für den 
Bbürger, vollkommen einfah. Zugleich findet man in f. Werken viel Lehr: 
6 über die Gefchichte der alten Philofophie, 3. B. in f. tusculaniſchen Uns 
beugen. Die Philofophie, wiewol bisweilen von den Kaifern, wie früher 
Kterm Gato verfolgt, fand ſtets ihre Liebhaber zu Rom, und faft jede ihrer 
km zählte Anhänger dafelbft; allein fie trat mehr in der mündlichen Unters 
»4, in der Schule und im Leben felbft als in Schriften hervor. Fruͤher hatte 
tere Akademie und die Schule des Epikur die meiften Sreunde gehabt; ſpaͤ⸗ 
ı Rüchteten die unterdruͤckten Geiſter zur Stoa, bie mit ihren pomphaften 
ihen ſelbſt auf einige Dichter einwirkte, 3.®. auf den Lucanus. Der Phis 
ı Annäus Seneca, aus dem Zeitalter bed Nero, von welchem wir, außer a. 
12 philoſophiſche Schriften befigen, gefiel ſich vor allen in künftlich zus 
m Saͤtzen und in biendenden Antithefen ; doch finden ſich bei ihm auch viele 
iche und fchön außgefprochene Gedanken. — Aus der vierten Periode 
hen Literatur ift nur Apulejus zu nennen. Die befanntefte f. Schrifs 
Erzählung vom goldenen Efel. Er war Neuplatoniter, und felbft in 
h erzählten Märchen von ber Pſoche finden wir einen Widerſchein Pla⸗ 
Ideen. — Der Briefſtyl ſteht mit der Beredtſamkeit in Verbindung, und 
it die roͤmiſche Literatur allerdings auch einige Sammlungen muſterhafter 
Die Briefe des Cicero find größtentheils über wirkliche Vorfälle an bie 
Männer ber bamaligen Zeit gefehrieben, mit aller Reinheit und Eleganz, 
ahne Künftelei. Sie enthalten zuverläffigen Stoff zur Gefchichte feiner 
find gleichſam die legten Denkmale der Republik. Die Briefe Plinius’s, 
> mit derfelben Feinheit und Eleganz gefchrieben ; fie machen uns ein lies 
diges Bild von dem Verf. Doc find fie faft zu zierlich und ſcheinen 
einer wirklichen Veranlaffung als einer gewiffen Autoreitelkeit ihr Das 
danken. Die 24 Briefe des Anndus Seneca an ben Lucilius beziehen 
atheils auf die ſtoiſche Philofophie; fie find mehr ihres Stoffe als ihrer 
zen merkwürdig, welche die bekannten Fehler ſ. Schreibart nicht vers 
Mody find die Briefe des Symmachus aus dem Ende bes 4. Jahrh. und 
kan [pätern Sidonius Apollinaris, der auch als Dichter nicht unbekannt 
nen. In den erfien erkennt man einen nicht umglüdlichen Nachahmer 
d. J., bie legten dagegen tragen die Schuld ihres Zeitalters, wiewol fie 
Inhalt anziehen. — Mit den Dichtern berühren fidy die mythologi⸗ 
Heififteller der Römer. Der roͤmiſche Sötterdienft war dem griechiſchen 
fen verwandt, jedoch keineswegs fo völlig einerlei damit, wie Manche 
35 aber die heroifche Mythologie ber Griechen war durch bie Dichter in 
ngefährt worben und knuͤpfte ſich durch nichts am die nationalen Erinne⸗ 
an. &o fchöpften auch bie römifhen Mythographen meiſtens aus griech. 
unb haben daher wenig Eigenthümlichkeit. Den einheimifchen Götter: 
3 Römer lernt man beffer und vollftändiger aus ihren antiquarifchen und 
m Scheiftftellern Eennen. Hyginus, deſſen Zeitalter nicht ficher beſtimmt 
kann, bat uns eine Sammlung von 277 mythologiſchen Erzählungen ae 
Die nicht unwahrſcheinlich für Skizzen alter Trauerſpiele gehalten werben. 
tifche Aſtronomie deſſelben Schriftftellers erläutert die dichterifchen Stern» 
benfo ungewiß ift das Zeitalter des Fulgentius, von welchem wir 3 Bücher 
stfcyer Kabeln haben. — Am ſchicklichſten laͤßt fid) hier nod) Petronius, 
mofle des Nero, anführen, weil auch er durch ſ. Satyrikon“, in woeldyem 

























—.. ,”_r_ WU9U YYYYJPVE m... yovw .———m—.. | „._.„„.u.,.uu. y-.., sv =, y 


micus Maternus eine „Mathefi 8, die aber eigentlich Aftcologie if if 
bes Julius Obfequens über die Wunderzeichen. - — Als Geograp 
ponius Mela und Vibius Sequefter zu nennen. Der Leptere li 
unwichtiges Namensverzeihniß der Zlüffe, Seen, Berge, Waͤl 
Tacitus, der Befchreiber des alten Germaniens, bleibt hier Tacitus. 
wurden erft feit dem Cäfar und Auguftus bei den Römern geachtet. 

bes Celſus von der Medicin, welche nur den Theil einer großen En 
machen, find ihres Inhalte und ihrer Schreibart wegen fehr bedeut 
Macer und Aulus Apulejus (von dem Vorigen verfchieden) ſchrieben 
der Kräuter. Vom Scribonius Largus und Marcellus Empiricı 
unbedeutende Schriften über die Arzneimittel, und vom Serenus ( 
einem Günftlinge des Kaiſers Severus, fogar ein mediciniſches Geb 
ötonomifche Werke der Roͤmer find uns verloren gegangen. Unter ! 
Cato befigen wir ein Wert vom Aderbau. Wichtiger und bel, 
3 Bücher des gelehrten Varro Über die Landwirthſchaft. Columella 
die zum Theil ihre Werke über die Landwirthfchaft dichterifch einklei 
Ruhm zu nennen. Dem berüchtigten Schweiger Apicius legt m 
gefchriebenes Werk über die Kochkunſt bei. — Unter die Polyhiſto 
nius d. A., der eine Naturgeſchichte fchrieb, in welcher er zugleid) 

phie und Geographie, die Medicin und Kunft mit großer Gelehrfe 
gejwungener Schreibart, behandelt. Er hat uns an einem B 
was die Römer mit ihren unermeßlihen Hülfsmitteln fuͤr die Ermei 
licher Kenntniffe hätten leiften Eönnen. Einen Auszug daraus m 
Endlich ſchrieb Marcianus Gapella im 5. Jahrh. in einer barbar 
eine Art von Encyklopaͤdie u. d. X. „Satyrikon“ (wegen ihres gemif 
in meldyer er mehre Wiſſenſchaften mit ihren vornehmſten Lehrfäge: 
Bei einer Üiberficht der römifcyen Kiteratur finden wir, daß die eig 
derfelben nur kurz von Cicero an bis auf den Tod Trajan's gedauert, 
eine höhere Stufe erreicht hat als die Poefie, in welcher der Erfolg, 





Roͤmiſches Recht ara 401 
mifhes Recht. Die Geſchichte des roͤmiſchen Rechts, ſ. innern 
2, f. Abſchließens unter ben ſpaͤtern Kaiſern, hauptfächlich unter Ji⸗ 
ıd f: Kortwirkung im neuern Europa, ift einerber merfwärbigften Er⸗ 

a in ber Weitgefchichte. Die Derrfchaft, welche von dem Eleinen Baus 
en Römer erzioungen wurde, ift duch) ihr Rechtsſyſtem viel weiter aus: 
d viel dauerhafter begründet worden als durch die Gewalt ber Waffen 
flige Gewalt ber Päpfte. Sie ift ein Verweis, daß Nichts untergeht, 
ul ein wahres geiſtiges Leben erlangt hat; und wenn’ alle Staatin Eus 
eigne neue Geſetzbuͤcher geben follten, fo’ wuͤrde Immer der größte Thell 
ilts auf diejenigen vechtlichen Anfichten gebaut werben, welche 16 bie 
Erbtheil und Gemeingut der Menfchheit fr eraige Zeiten hintetlaffen 
Eime formale Abfchaffung des römifchen Rechts iſt noch weit davon mis 
e fortwäheende Wirkſamkeit aufzuheben ,.:und felbfl. diejenigen Whtker, 
roͤmiſchen Geſetzbuͤcher nicht als unmittelbare Rechteuellen angenom⸗ 
„ find denſelben doch einen ſeht: großen Theu Ihrer: Rechtömiffenfchaft 
ab werden immer mehr zn ben Grundſaͤten hingezogen werden, welche 
rmben in der roͤmiſchen Geſetzgebung enthalten: find. Die germaulfchen 
faffungen haben nicht ·wenig: von den enrichtungen Belbe⸗ 
che fie in ben roͤmiſchen Provinzen vorfanden, obgleich bie Zeichen die⸗ 
mg® oft fehr verwiſcht ſind. Die Geſchichte der ˖ Entſtehuch vnd 
dieſes yſtems tan nur dann vollſtaͤndig aufgefaßt karebart, 

ht allein das Rechtoſyſtem ſelbſt in feinem ganzen Uenfange: erljceift, 
as öffentliche Recht in allen feinen Beziehimgen und die Staatsgeſqhicher 
age faßt, — auch auf die Geſchichte der geiſtigen Cultut des Vol⸗ 
Wet iſt. Der Anfang derſelben ſcheint wenig Orlginal⸗s darzubleten 

ſeine Einrichtungen mit allen Nachbarſtaaten gemein; -griechifche An⸗ 
* allenthalben vor. Die Königswärke flel in Rom, wie fie im allen 
naten: gefallen war, und die Spaltung du6:Meided' Ir ein⸗ etbache G⸗ 
fe von Vornehmen und eine Gemeinde gehoechenver Mhrge liege auch 
em Jahrhunderte lang fortdauernden Kampfe: Die wahrr Webaitung 
en Verhättniffe wird auch nach ben tiefen un (charffiimigen Forſga⸗ 
rs in f. „Römifchen Befchichte” noch ein eihet Feid für geichrie Un⸗ 
m und Gombinationei bleiben. - Wenn wir aber männlidye Feſtigkelt 
bs als diejenige Tugend bezeichnen koͤnnen, welche das Ideal eines wolf 
ı Mömser6 ausmachte, fo finden wir auch in dem CEharakter ber rönifchen 
Ae Grundlage wieber. te faſſen den Menſchen nicht in der-Werbits 
Audern auf, wie bie Germanen, wo der Einzelne vorzugẽweiſe nur als 
ber Familie, der Gemeinde oder einer Senofienfchaft Etwas Bile; ſon⸗ 
ſcheint ſchon frkh Jeder für ſich allein, als Hausvater unabhängig won 
draͤnkung —— — oder —— a als Der: der Geintgen uud 
‚ der FSamilte und Gemeinde, bie —— die Erbu' und 
ktex, das Befolge und bie Dienfmannfchaften, ungfeiched Erbrecht ber 
ben ſich nicht; das Verhaͤltniß zwifchen Patricieen und Plebejern, zwi⸗ 
ronen und Clienten war von einer ganz andern Art. Die Vertreibung 

e gereichte zunaͤchſt nur zum Wortheil der Vornehmen (3. Roms 245); 
16 Jahre nachher (3. R. 260) mußten diefe der gemeinen Bürgerfchaft 
an ber Tribunen und Gemeinbeverfammiung zugeſtehen, weiches die 
zug zu ber seoßen Gapitulation der XII Tafeln, von patricifchen Des 
worfen (%. R. 303, 304), mar, welche die Alten ſchon ale eine Gleich⸗ 
er Rechte anfahen, obgleich erft eintge Jahth nachher die Folgen, daß 
und Plebejer untereinander vollfommene fyließen konnten (Nex 
2 Otcbınte Kal. 8b. IX. 26 





tritt feines Amts fich Öffentlich uͤber gewiſſe Srundfäge erklärte, ı 
die feiner Macht überlaffenen Entfcheidungen abgeben werde (Ediet: 
Diefe Edicte ber Prätoren, in welchen fich diefelben Anfichten imm 
und mit feltenen Abweichungen erhielten, waren mehr als ausd 
das Mittel, das Rechtsſyſtem fortzubilden. Neben dem ausbri 
(jus eivile in ſtrengerm Sinne) erhob fidy dadurch ein Ganzes v 
Mechtöfägen (jus honorarium), welches bie Lüdlen ber Gefege erı 
derfelben milderte und oft bie ausdruͤcklichen Reformen vorbereit 
ſchon die Alten, 3.8. Cicero, von der großen Anhäufung diefer 
Geſetze ſprachen, fo war doch die Zahl derfelben, wenigſtens in den ; 
a ben, gegen die neuern Zeiten gehalten, außerordentlich ge 
in Öffentlichen Verhältniffen mag fchon zu Zeiten der Republik ein: 
ende Maſſe derfelben flattgefunden haben, daß Cäfar es für etwas 
halten Eonnte, fie in ein Syſtem zu bringen. Dan darf aber d 
geſſen, daß der formale Zuftand der Rechtswiſſenſchaft ein ganz an 
die gefeglichen Beflimmungen dem Gedaͤchtniſſe des Hechtögeleh 
fein muͤſſen, und daß babei die Maffe weit eher beſchwerlich we 
wenn man fich mit Geſetzſammlungen, Repertorien, Compendien ur 
beifen kann. Fuͤr die ausdruͤckliche Geſetzgebung beftanden in bei 
gefeugebende Gewalten nebeneinander, bie große Bürgerverfam 
unter ihren Tribunen in comitiis tributis, deren Schlüffe Pleh 
und ber Senat, deſſen Verotdnungen Senatus consulta genannt 
fangs waren bie Kreife beider fo getrennt, daß jeder Theil nur üt 
bern Verhaͤltnifſe und Angelegenheiten verfügte; allein [ehr bald ( 
J. R. 468) mußte man gegenfeitig die allgemeine Verbindlichk 
doch If, fo Lange Rom Republik blieb, das Eingreifen des Senat 
gebung das Seltnere. Als die großen innen Kämpfe ausgebroche 
tm die Sieger theils ihre Herrſchaft fefter zu gründen, theils fid 
Volkes zu erwerben, indem fie größere Gefegreformen vornahmer 
Morlshımn anf Bernfracht Iherhaunt BAtantänsrhrorhon nsrichtli 


Römifches Recht, Codices 403 


h die Senatus consulta in kaiſerl Edicten, Gonftitutionen, Refcripten ganz 
re. Die bisherigen jährlichen Edicte der Prätoren wurden unter Hadrian 
KR. 884, 3. Chr. 131) durch den Rechtögelehrten Salvius Julianus in eine 
he Form gebracht und dadurch unveränderlich, das Edietum perpetuum. Merk: 
keig iſt es aber, daß gerade diefe Zeit, wo von Auguft an in allen Öffentlichen 
whältniffen der abfolutefte Despotismus herrfchend geworden war, two man In6- 
budere die Steafgefege nur zum Werkzeug deffelben und zur Verhöhnung aller 
man von Berechtigkeit gemacht hatte, die Bluͤthenzeit der wiſſenſchaftlichen Korts 
Bumg des bürgerlichen Rechte genannt werden muß. Sie beginnt mit Augufl, 
Bid aber allerdings unter den vortrefflidhen Antoninen (23 v. Chr. — 180 n. 
Rh) auf den höcften Standpunkt. Die großen Namen Cajus, Papinian, Uls 
Paulus gehören dem legtern Zeitraume an. Waͤhrend die bürgerliche Frei⸗ 
ine andre Bürgfchaft hatte als die Gefinnung des Imperators, und von 
x Bürgfchaft nur gar zu oft gänzlich verlaffen wurde, entfaltete ſich der Cha⸗ 
des Mechts immer beſtimmter zu dem Princip privatrechtlicher Unabhängigs 
d Sicherheit des Einzelnen gegen den Einzelnen. Bedenkt man, wie oft 
bie bürgerliche Sicherheit und Selbftändigkeit des Einzelnen gegen ben 
durch Mängel der privatrechtlichen Sefeggebung und Rechtöpflege erkauft 
muß, fo wird man fich nicht verhehlen koͤnnen, baß tiefer liegende Urſachen 
Erſcheinung vorhanden fein müflen, deren nähere Unterfuchung wol ber 
werth wäre. Mit bewundernswuͤrdiger Kunft und Confequenz werden in 
Zeitraume alle Rechtöverhältniffe in ſcharfbeſtimmten Begriffen ausgeprägt 
u wenigen burchgreifenden Grundſaͤtzen das Syſtem in fich felbft und aus 
R zu einer Vollkommenheit entwidelt, welche fi am deutlichſten in ber 
inbeit deffelben, d. h. in feiner Brauchbarkeit für die verfchiedenften Voͤl⸗ 
Zeitalter, bewiefen bat. Das Verfahren babei war nur infofern hiftorifch, 
be) immer fireng an die alten Formen ber Rechtsverhaͤltniſſe anſchloß, aber 
rational oder philofophifch, indem es ſtets dahin firebte, bie realen 
der Rechte und Verbindlichkeiten aufzufuchen und das bloß formale Recht 
erwuͤrfig zu machen. In diefer Entwidelung iſt das roͤmiſche Recht ein 
burchaus unerreichbare® Mufter geblieben, und treue Nachahmung ihres 
uns iſt das hoͤchſte Verdienſt, was neuere Völker ſich bis jegt haben ers 
innen, toovon aber ſtlaviſche Anhänglichkeit an den materialen Inhalt 
Rechtebefliimmungen gerade der reine Gegenfag if. Wir müffen unfere 
litute (theils die einheimifchen, theils die von ben Römern angenommes 
fowie fie fich jet geſtaltet haben, zum Grunde legen und fie fo weiter ent⸗ 
‚, wie die Römer bie ihrigen entwidelt haben. Nach dem Zeitalter ber 
(feit 180 n. Chr.) trat eine politiſch verworrene Zeit ein, und auch im 
ve fich der wiſſenſchaftliche Geiſt. Das Rechtsſyſtem wurde jegt bloß 
fd. Conftitutionen fortgebilbet, welche in Beziehung auf das Privatrecht 
ſparſam als in Beziehung auf Öffentliche Verhältniffe häufig waren. Den 
der Altern Mechtögelehrten ber beffern Zeit legte man ein faft geſetzliches 
a bei, und bei den zwiſchen ihnen herrfchenden Verfchiebenheiten half z.B. 
ia MI. (3. Chr. 426) durch ein fonderbares Geſetz über das Zählen Ihrer 
m nad. Die Zahl ber nach und nach erfchienenen Gonftitutionen deran⸗ 
Daammlungen berfelben zuerſt von Privatperfonen (Codex Gregorianus et 
renianus, um 365), dann eine officielle von Theodoſius II. (Codex 
ianus, 438) in 16 Buͤch., wovon die legtern 11 noch ganz, von den 
aber nur Fragmente (neuerlich in Zurin von Peyron und in Mailand von 
entbedt; f. „Dermes”, XXV,314), und in einem Ausz., welcher 1.3.5086 
rauch der Weftgothen gemacht wurde (Breviarium Alaricianum) , vor: 
find. Der bei weitem größte Theil dieſer Verordnungen betrifft dos den» 


26 * 






















ec ee nn - 1717770. „y—- 


ein Ganzes zu ordnen, allein man hatte die Schwierigkeiten zu groß 
erft Juſtinian (527-565) hatte den Muth, fie zu überwinden. 

die noch ‚gültigen kaiſerl. Genftitutionen in eine neue Sammlung bi 
Justinianeus,, angeordnet 927), entfchied (ven 530 an) 50 biähen 
fene Rechtöfragen durch einzelne Decifionen; zugleich wurde aus 


der Nedytögelehrten ein fuftematifcher Auszug durch 17 Commiſſa 


(50 Bücher Digestörum oder Pandectarum) und eine wiſſenſche 


tung In die Rechtswifſenſchaft ausgearbeitet (Inſtitutionen), welch 


ſchon d. 30. Dec. 533 mit Geſetzeskraft befanntgemacdht wurden; i 


tam eine neue Sammlung ber kaiſerl. Verordnungen (Codex re 


‘leetionis in 12, Buͤch.) und von da an noch eine Reihe einzelner 


(13 Edicte und 159 novellse constitutiones), momit das römi 
ein Ganzes abgefchloffen, wenn man will, feines Innern Lebens ber. 
weitere eigne Bitdungsfähigkeit der Menfchheit als ein todter Sch 
an Keiimen Eünftiger Lebensentwickelung überliefert worden iſt. Da 
diefe® Wert Juſtinian's iſt fehr verfchleden. Betrachtet man ee 


ſichtspunkte des praßtifchen Nutzens für f. Volt und f. Zeit, fon 


der Ruhm nicht ſchmaͤlern Finnen, jenem eine gar nicht zu berechne 
erroiefen zu haben, umd auch die Veränderungen, welche im Recht 
nommen wurden, find meiſtens aus einem geſunden Urtheil über bie 
bed Rechts hervorgegangen. Abfchaffung veralteter, bedeutungsl: 


Formen, Vereinfachung ber Rechtsverhaͤltniſſe und des Gefhäftsgen 


ftend als die Urſache der gemachten Abänderungen zu erfennen und 

ficht getroffen. Sind denn auch Verordnungen von geringerm We 
ſo find die Unvolllommenheiten doch nicht größer, als wir fie in aller 
and neuen Geſetzſammlungen finden. Die Redaction aller rech 


lichen Schriften (welche man als Autorität anerkannte) zu einem Ga 


Art von Geſetzbuch, ift befonders ein Gegenſtand großer Klagen für 
Iehrten geworden. Man hätte lieber die Schriften felbft als den 


. 
on EN 
Msmiſches Recht, bei den neues Willen - 405 
a bald für immer verloren gingen) muͤſſen wir bier übergehen, nur einer 
piteen griech. Umacheitung gedenkend/ welche ımtes 8. Bafilius Macedo 
— 886) angeordnet und unter ſ. Nachfolger Leo dern Weifen (836 — 912) 
abet wurde (libri Besilicorum), von deren 60 Büch. wir auch nur einen 
‚wirwol ben geößern, befißen, herausgeg. von G. Dann. Fabrott (Parts 
2:7 nv, is Fol., 4 bort fehl. Bücher von Reib in Meermanns,Theuaur. 
re 1). 
— ) bietet das römifche Hecht von feiner erften Entftehung bis zu feiner. 77 
sen ein originaled und felbfländiges Ganze dar, einen geifligen Organis⸗ 
Knie einem in fich ſelbſt begruͤndeten und abgefchlofienen Leben von 1300.38. 
ialan und von 1850 3. bis zu ben Bafıliten. Es ſteht in diefer Art in 
ſchichte ohne Beifpiel da, und nur das entfernte China bietet vieleicht, 
mie dereinſt feine Geſetze und deren Sefchichte genauer kennen, etwas 
‚bar. Seibſt der Zerfall des römischen Reichs bat die Herrfchaft des roͤml⸗ 
Meqchts nicht vernichtet, fewdern zum Theil weiter ausgebreitet. Es galt, 
neuen Reiche gefliftet wurden, durch das ganze roͤmiſche Europa, vr q 
pen, Franken, Longobarden, Burgunder und andre germanifche —* 
he Hehmdeten, blieb nicht nur ein großer Theil des öffentlichen KRechte 
Be ber neuen Verfafiungen, fondern auch das Privatrecht wurde als geb 
Bet der alten Einwohner fortwährend anerfannt. Die neuen Dertfcher 
defür, daß neben ben mancherlei gefeglihen Anorbnungen für ihte germa⸗ 
| Bäiter * Auszuͤge, und freilich zum Theil ſehr rohe und ungeſchickt⸗ 
en des roͤmiſchen Rechts abgefaßt wurden (Breviarum Alarieisuum 
1, 500; Lex romana der Burgunder, ober Papiani Response zu 
































I 534; für die Longobarden eine Umarbeitung aus dem 8. ober 
‚ umb fo dauerte im füblichen Frankreich und Italien die Gültigkeit pe 
—N fo weit fie ſich mit den übrigen neum Verhaͤltniſſen vertrug, 
hen fort. Allein diefe Guͤltigkeit verminderte fih doc; immer mehr, 
1 manche andre Verhältniffe der Familien, der Gemeinde und des 
achums, befonders bie Lehnsverhaͤltniſſe ausbilbeten und unter den 
a der neuen Staaten uͤberhaupt die Idee des Rechts an Kraft ver⸗ 
*8 aber wieder, als die Staaten zu feſtem Beſtand gekommen 
aan fühlte, daß es etwas Heiligeres und Feſteres gebe als bie bloße Ge⸗ 
ka Volksleben gewann einen reichern Gehalt durch Handel und Gewerbes 
Ale alten duͤtftigen Wolkscechte reichten auf einer Seite mehr aus und auch 
se werben von ber Ahnung wifjenfchaftlicher Cultur (weiche zum Theil 
23 Spanien ans verbreitet wurde) aufs neue bewegt. In biefer Rage 
an m ober Sale m Jahrh. Männer auf, welche Die RFechts⸗ 
| a'e aus ber biöherigen Dunkelheit hervorzogen und durch die Erkll⸗ 
% n eine neue Wiffenfchaft des Rechts in die Welt brachten. . Irnerkus 
das Ende des 11. und im 12. Jahrh. wird als der Erſte genannt.’ Alle 
ergeifien begierig den. ihnen bargebotenen Schatz, weicher nun aud In 
4 em Form Vorbild für die Behandlung der päpftlichen Ver⸗ 
‚des Beharechts und fpäter der germanifchen Rechte wurde. Tauſende 
aus allen Ländern fanden fi) zu Bologna u. a. Städten Stallens 
| * brachten bie erlernte Weisheit in ihr Vaterland zurüd. Man zwei⸗ 
nirgends daran, daß bie Rechtsgrundfaͤtze nicht für Die ganze Ghrifienpeit 
een; indeſſen fand man doch auch balb, daß es ganze Spiteme von Rechts⸗ 
‚gebe, auf welche fie nicht anwendbar felen, und die eigen 
bes Gerichtsweſens ſtand lange der vollſtaͤnhigen Anerkennung bes 
edit im Wege. Diefs ift daher in den. denen Ländern andı ve⸗ 
wer Belt noſ In banfelben Unmfange vıfolgs, Stalin und ip - 







BR) 
« 





beiden wit [ehr bedeutenden Wiodificationen. In Deutichland Fam 
daß bie deutſchen Kalfer Nachfolger ber römifchen feien, und man leg 
dem römifchen Rechte ein geſetzliches Anfehen bei, welches auch in 
(der Kammergerichtsordnung) und vielen Landesgeſetzen beftätigt mo 
ſtehen überall nicht nur die einheimifchen Gefege voran und das 
kann nur in Ermangelung berfelben zur Anwendung kommen (c 
Recht), fondern ſeine Gültigkeit fällt auch weg bei allen eigenthün 
in Deutfchland nicht vorhandenen Inftituten, und ebenfo umgekehr 
im neuern Europa ausgebilbeten Rechtsverhaͤltniſſen (Lehen, P 
Wechſelrecht ıc.), ſowie in Gegenftänden des Staatsrecht und ba, 
fen Anfichten die entfcheidenden find. Da fi) demnach häufig d 
läßt, ob das roͤmiſche Recht überhaupt anwendbar fei, fo ift zwiſ 
und der unbebingten Kraft eines einheimifchen Geſetzes immer e 
Verfchiedenheit. Da auch bie Juftinianeifchen Rechtsbüicher in | 
ohne Dunkelheiten und Widerfpräche find, und fehr Vieles, ohne 
hin unanwendbar zu fein, doch unzweckmaͤßig geworden ift, fo lie: 
fen, verbunden mit der Unzugänglichkeit der Gefege fuͤr das Volk, 
der Grund, auch ein unvolllommenes neues Geſetzbuch dennoch 
Wohlthat und ein dringendes Beduͤrfniß zu halten. 

Roͤmiſche Schule, f. Italieniſche Kunſt. 

Roͤmiſche Sprache. Die altlateiniſche und die roͤmiſch 
verſchleden. Aus der erſten, deren Spuren man noch in den Geſe 
fein findet, und die bald ſo veraltet war, daß man zu Cicero's Zeit 
der Salier (Priefter des Mars) nicht mehr verſtand, bildete ſich n« 
rung der Imölftafelgefege nicht ohne Einfluß der griech. Sprache die 
Müdficht ihrer Mundarten theilte fie fi) in den sermo urbanus 
peregrinus. Die erſte Mundart war in Rom felbft, die zweite a 
die dritte in den Provinzen gewöhnlich. Wenn wir noch bie „Origi 
Gato befäßen,, würden wir fiber die Älteften Bewohner Italiens, al 
Ontftehuna ber lat. Mutterfurache mit Gewißheit entfcheiden koͤnne 


Romml .: Romulns 407 


he und Volskiſche erwaͤhnt, welches wol nur verſchiedene Mundarten 
m mögen. Das Oskiſche erhielt ſich ſpaͤter noch in den ſogenannten Atel⸗ 
Rit ber Eroberung von Suͤditalien und Sicillen, von Macedonien und 
‚Ste die griech. Sprache ben Römern immer belannter, und fo der Eins 
tech. Sprache auf bie Bildung der römifchen noch bebeutenber werben. 
n wir in der Ableitung vieler Wörter ſowol als in der Wortfuͤgung biefen 
äufige Spuren griech. Abkunft, und gerade bie diteften zömifchen Autos 
PDioutus, Terenz, kLucrez, felbft Catull, haben viele Graͤcismen. Die 
a Sprachen bildeten ſich wol meift aus dem Dialekt bes Landes und ber 


mmel (Chriftoph), Dr., geb. 1781 zu Kaffel, ein Sohn des Bucheff. 
yerintendenten.B. Ch. Rommel, gegenwärtig kurheſſ. Hiftoriograph und 
es Staatsarchivs, wibmete ſich zuerft in Göttingen ben orientalifchen, 
ven, ethnographiſchen und hiftorifhen Studien. Nachdem ex in feinem 
bie Preisfchrift „Abulfedae Arabia commentario perpetuo illustrata" 
f den „Caucasus Strabonianus‘ herausgegeben, verfah er von 180% 
ordenti. Profeffur der Beredtſamkeit umb alten Literatur zu Mar⸗ 
ıBer mehren pbilologifchen Programmen und einer bedeutenden Anzahl 
ch⸗hiſtoriſch⸗ politisch « literarifch » Afthetifcher Auffäge in den bamaligen 
a gab er in jener Zeit eine liberfeg. von Theophraft’6 Charakteren“, eine 
r Kunſt überhaupt und der Declamir⸗ und Gebärbentunft insbeſondere 
e8 und Roscius“, Leipzig 1809) und (feiner Hauptneigung gemäß) 
€ „Beſchreibung der Wöller des Kaukaſus“ (Weimar 1808) berams. 
te R., auf Heyne's und oh. Muͤller's Rath, einem Rufe der Universe 
ow als ordentl. Profefior ber alten Literatur, und fanb nun in einem 
der biß zum [chwarzen Meer und bis zum Kaukaſus reicht umb ber mit 
‚Schulen angefült wurde, eine anfehnliche Ausbente für Länbers und 
be. Als Director des pädagogifchen Inſtituts gab er im Namen ber 
: Charkow für ihre Gymnaſien Cicero's meifte Schriften, Cornelius, 
nd eine deutſche poetifche „Chreftomathie” heraus. Die Univerfitäe 
d damals mehrer deutfcher Gelehrten und einer literariſchen Akademie, 
dräfident R. eine ins Ruſſiſche unter feiner Leitung überf. Rede Über die 
alten der alten und neuen Welt hielt. 1814, nad) bem Ende ber Ra 
n Kataftcophe, veranlaftaikn das Nachtheilige der örtlichen Lage von 
hr feine Gefundheit, und bie Sehnfucht nach dem Vaterland und beffen 
ſtellung zu einer Reife über das zerfiörte Moskau (deren Univerfität er 
logifche Bibliothek zum Gefchenke machte) nach Peteröburg, und 1815 
halt eines ruffifchen Jahrgehaltes nad) Kaffel, wo Kurfärft Wilhelm I. 
mte, die busch Wachler's Abgang erledigte Profeffur der Befchichte zu 
anb die kurheſſiſche Hiſtoriographie zu übernehmen. Da diefe Arbeit eine 
ige Benugung ber kurheſſ. Archive zu Kaffel erfoberte, warb ihm 1820 
on biefes diplomatifchen Schages aufgetragen. (Vgl. Strieder's „Heſſ. 
iſtorie“, fortgef. von Juſti, nach dem Megifter bes legten Bandes, bes 
d. 17, Zufäge). | 
mulud, der Gruͤnder Roms und deflen erfter König. Nach einer dun⸗ 
war feine Mutter, Rhea Sylvia, eine Tochter des Numitor, Könige von 
ı eine von: den Prieflerinnen der Veſta, die, der Goͤttin heiliges Heuer 
id, in firenger Keufchheit ihre Tage verleben mußten. Sie war von ih⸗ 
a Amulius, ber ihren Vater des Throns beraubt hatte, zum Dienft ber 
mmt worden, damit keine Nachkommenſchaft von ihr ihn des geraubten 
zluftig machen koͤnne. Aber die Bönigliche Jungfrau vergaß des Sell» 
fehprit und ein Ziviliingebrüberpaar war die Frucht ihrer geheimen Bade. 


\ 


A 

> Ki: Bonaballl 
Unr der furchtbaren Abmung:zu entgehen, die bag Sees über bie ihre P 
geffinden Veſtalinnen ausfprach, gab Rhea Syivia vor, der Kriegsgott 
' Bater. ihrer. Kinder: Dieſe Liſt. rettete die Mutter, ein guͤnſtiges Gef 
Kinder. Auf Amulius's Befehl wurden bie Zreillinge i in eine wilde Gegen 
Afern ber Tiber ausgeſetzt. Hier fell eine Wdlfin fie gefunden und fo lang 
haben bis der Zufall einen Landmann, Fauſtulus mit Namen, hecbeifü 
Dis Kleinen aufnahm und erzog. Bet. ihm verlebten Romulus unb Re 
Ichendzeit unter den Beſchaͤftigungen ber Sagd und wol aud) des Raubel 
der Folge der jüngete, Remus, einft von ben Dienern bes Amulius gefon 
© de, fammelte fein beberzter Bruder eine Meine Schar Unternehmender € 
kt welcher ex ſo gluͤcklich war (da unterdeß feine und feines Bruders vorn 
ſtammung bekannt geworden), nicht allein feinen Bender zu befreien, fon 
des Armlius den untechtinäßig befeffenen Thron zu entreißen und ſei 
Großvater Numitor wieder. einzufeben. . Nach Vollendung biefer Tha 
Aommius, in Werbinbung mit feinem Bruder ſelbſt eine Stabt zu gruͤnd 
Aatz dazu ae oben bet. einem feierlichen Opfer die Götter durch den Fl 
Adlern angezeigt haben. Sp. ward Rom im J. 752 (nady A. 755) v. Ch 
Die Einigkeit, bie: dieher unter beiden Brüdern geherrſcht, endete bei diefi 
nebrken; aus Ehrg Faͤhzorn befleckte Romulus feine Hand mit B 
(Rad) einer.andern Sage entfloh Remus vor dem Zorn feines Bruders 

Alpen und: gründete Mes) Um feine Stadt zu bevoͤlkern, reichte 
Getreuer, die Romulus bisher gefdlgt waren, bei weiten nicht bi 
ſich daher ——— fie zu ehem Bufluchtsort für jeden deimathloſen Sid 
machen. Männer wurden zwar dadurch gewonnen, an Frauen fehlte es 
den roͤmiſchen Bauͤrgern, und ihre Bemühungen um die Töchter der Nad 
wurden von den auf ben Wachsthum der neuen Stabt eiferfüchtigen X 
Verlangten zuruͤckgewieſen. Da veranflaltete R. ein religioͤſes Volksfeſt 
dazu die Sabiner (ogl. d.) mit ihren Frauen und Toͤchtern ein. Si 
aber mitten im Feſte wurden die Unbewaffneten uͤberfallen und ihnen Ft 


Maͤdchen entriſſen, und jeder Roͤmer eilte, ſich mit einer Hausgenoſſin zu 


E kam zum Krieg zwiſchen beiden Voͤlkerſchaften; das Flehen der S 
die ſich zwiſchen die ſtreitenden Parteien warfen, ſtiftete endlich Frieden, 
geioann durch bie Veteinigung mit dem Volke der Sabiner bedeutenden 
Mehre gluͤckuche Kriege, die ſtets mit Volks⸗ und Laͤnderanwachs für di 
GStaat endeten, befefligten feine Fortdauer, und in dem fieggefrönten $ 
erſten Römer verkütidete ſich bereitö das Gewicht, das diefe Stadt einſt 
folite. R. herrſchte als König fireng und gewaltig, zu ſtreng vielleicht fuͤ 
* freiwillig unterworfenen Unterthanen, und fein plögliche® Verſchwin 
die Bermuthung, daß er durch die Hand eines Mißvergnuͤgten fiel. 1 
nach ſoll er gen Himmel zu der Schar der Goͤtter geſtiegen fein, nachde 
Wirk vollendet, die ewige Stadt gegründet hatte; und bis zur Annahme 
Uchen Religion verehrte Rom in eignen Tempeln die Bottheit feines ( 
Möglich ift auch, daß er.vom Blitz erfchlagen wurde; denn fein Verſchu 
während eines Gewitters gefchehen fein, das heraufzog, als er ſich auf 
Stadt bei den Suͤmpfen von Eaprea befand, um fein Heer zu muflern. 
ungefähr 37. Jahre reglert, etwas tiber 60 gelebt, und bie zwar rohen, 
Zeit und Unsfände Hüffenden Verordnungen und Geſetze, die er ſeinem 9 
zeigen von feiner Herrſcherfaͤhigkeit. Als R. ftasb, Toll Nom nach einer | 
von ihm peonfkaltesen Zählung zwiſchen 3000 u. 4000 wehrhafte HRim 
haben. (Bol. Rom.) 
... Bonctedpalledy, franı. Rencevaut, Thal in Nabarra "ya 
pelsitta und St.⸗ Jean Pich Ve Dust, won nadı ar Sanı Tr Ruakpk ' 


2 
“Romans: Moos (Bakie) 4600 


z von den Arabern (778) gefchlagen wurde, und ber täpfere Roland feis 
nd. Dieſe Schlacht ſpielt in dem Fabelereiſ⸗ MAiis d. Gr. (vgl. Rits 
und Molend) und feiner Helden eine glänzende Rolle und iſt der Ges 
Durch ben gleichnamigen Hauptort des Thales geht 
ı Porenden nad) Frankreich führende Rolendepforte und in der Kirche > 
hens werden fabelhafte Alterthuͤmer von Roland aufbewahrt. Dis Frans 
pen hier unter Moncey 1794 die Spanier, und 1813 draͤngte Weling⸗ 
arfchall Soult aus einer feſten Stellung in dieſem Thale. 
sdeau, Rondo, f. Ringelgebicht. In der Mufik ein Tonfthd 
zines Concerts, Quartetts, einer Spmphonie ober Sonate), in welchem * 
hema nach mehren Abwechfelumgen der Modulation ale Refrain wieder⸗ 
iefer Form comiponirte man vomft bie Arie (f.d.); In ber Bocalmufit wi 
auch Nundgeſang genanıtt: Ä 
ıfazd, eigentlich Rouff atb. (Pierre de), geb. zu Poiffomniere, im 
ieanais, 1524, war der erfte franz. Odendichter von Bedeutung, In 
md warb er als Page von dem Herzog v. Drleand an den König Jakob 
Hand ibergeben.. Später in Teinem Vaterlande angeſtellt, folgte ex dem 
if zum Meichetage nad) Speier. Durch diefen gewann ex Geſchmack 
en Wiſſenſchaften; er ſtudirte eifrig die alten Dichter und warb bafb 
feinen Landsleuten ats der Fuͤrſt der Dichter anerkannt. Die Könige 
L, Zranz il, Karl IX. and Heinrich HI. ehrten fein Verdienſt, und die 
alouſe ſchenkte ihm, hingeriffen vol Bewunderung, eine maffive filberne 
on bedeutenden Gewicht, bie.der Dichter wieder feinem König Hein⸗ 
chete. Auch die ſchottiſche Maria achtete Ronſard und befchentte ie 
.Als ee 1585 ſtard, begleitete feinen Leichnam das ganze Parlanımat, 
abinal Duperron ſprach die Beichenrede. Meuere franz. Kritiker, befons 
kal herbe, haben R.'s Talent herabgeſetzt, aber mit Unrecht, denn fie 
nicht die Zeit, in ber R. lebte, und die Rohheit ber bamaligen Sprache, 
£ ee zu kaͤmpfen hatte. Doch hat feine Eitelkeit, bie oft ins Laͤcherliche 
iebene fiel, nicht wenig dazu beigetragen, feinen Nachrubm zu ſchmaͤlern. 
son ihm Oden, Hymnen und. &chäfergebichte: („Denvres“, Lyon 1592, 
b mehrmals.) 
;. 8, der Name einer Malerfamitie, welche im Fache ber Banbfhaft mb 
sei bechhent AR 1) Johann Heinrich R., zu Dttenberg In der 
A geb., der Sohn eines armen Malers, lernte in Amſterdam bei bent 
raler Inilen du Jardin, nachher bei Apclan de Bie. Aus feinen Land⸗ 
ird es wahrſcheinlich, da er Italien gefehen, indem er mehre tömifche 
‚feinen Darflellungen angebracht hat. Zwar malte er auch in der Folge 
‚ aber vorzüglich warf er fich auf die mit Thieren, befonders Ziegen, ' 
mb Kühen flaffirte Landſchaft. Treffliche, neturmahre Zeichnung und ins 
Bruppfeumng diefer Thlere, verbunden mit Eräftigem und angenehmen Gos 
wichtete Bufammenflellung machen ihn zu einem der beften Xhiermaler. 
x Einiges in Kupfer gefincen. Er tieß ſich in. Frankfurt nieder, wo et 
umsgen gewann, verlor aber bei einem Brande 1685 fein Leben. Sein 
deo dor war mehr Portraitmaler. Unter Heinrichs 4 Söhnen war tet 
netſte Maler 2) Philipp R., audı Mofa bi Tivoli genannt, weil 
me Frau in Ziooli lebte. Er ik geb. in Frankfurt 1655, und reifte, von 
nafen son Heſſen⸗Kaſſel unterfiipt, nad, Rom, wo er die Tochter des 
waciuth Brendi heirathete. : Sein Charakter ioird nicht gerühmt, er 
in —— — und ſtarb hoͤchſt elend 1705 in Rom. Er hat ſehr 
itatke gearbeitet. Einer Seinen Soͤhne, Jabob, ahmte (einen Bear 
Inmlsret nd mb if a, db. N. Roſa von Neahe dedue.. 


Li 


mn am andern Tage den Sipfel zuerreicgen: Auf der nad) ihm gi 
'  Minfpige (2325,%. 28, oder 13,952.$.), errichtete er ein eifexmet 
hauyt Tb von den 9. Spitzen, weiche den eifigen Felſenkamm bes md 
bigen, 5 trigonometriſch gemeffen.. Die höchfte Spitze, ein jäher : 
nen Hoͤrnern, ift unerfteiglih; 270 F. höher als die Zumſteinsſr 
ſich 2370 X, 2 $. (nach parifer $. 14,222) über das Meer. (Der 
x. nach ber neueften Beflimmung eine Höhe von 2460 T. 1 F., od. pi 
Die niebrigfle oder die Wincentppramide bat 2164 Toiſen. Die Pa: 
dem Noturforfcher, ber 1817 einen Theil des M.⸗R. bereifte, fe 
22758. 4 3.3 die Signalkuppe, im Mittelpunfte des Gebirge, 
Dir Gebirgsſtock ſcheint, vorzüglid) im feines obern Hälfte, aus 
gu beftehen,, ber bin und wieder mit Gneis abwechfelt; er enthält € 
Kupfer⸗ und Eifenminen. Die letzte Erzhuͤtte liegt 10,086” hoch: a 
Schnee. Granit findet man in größern Maffen nur am Fuße des 
ter⸗ und Sommerroggen reift hier noch bei. einer Höhe von 5500 
Weinſtock im Seſiathal bis zu einer Höhe von 3090’ (auf der Nor 
Rafen findet man in einer Höhe von 9639’ ; das Pyrethrum alpii 
teıma pauciflorum wachen noch 11,340 über dem Meere an e 
Zwiſchen der Nord» und der Südfeite findet ſich ein Unterſchied dı 
Begetationsgrenzen von beinahe 1000°, Die Schnesgeenze auf | 
9500’, die Grenze des Hochwaldes 7000. Auf der Suͤd⸗ und 
auf der Norbfeite wohnen Oberwalliſer deutfchen Stammie®, au 
Niemand. M. ogl. die trefflihe Monogsaphie: „Der Montes R 
graph. und natuchiftor. Skizze, nebft einem Anhange der von Hrı 
machten Reifen zur Erſteigung feines Gipfel”, herausgeg. von £. | 
(ntit einer von Bonati in Mailand 1823 in Aquatintamanier g 
Charte und mehren Steinabbrüden, Win 1824). (Ch. v. Welb 
gonometrifchen Meflungen angeftelle). - : 
- Rofalie nennt man in dee Muſik eine gewöhnliche Phre 
Heinen Sas von meniaen Takten, ber mebrmals bintereinanber, nur 





* 


:.. Mobeoe : --: -Roscommms. : - 418 


leler des altm Roms und Beitgenoffe des. Cicerd, der ihn feiner Freund⸗ 
rdigte und ſtets mit Bewunderung von ihm ſpricht. Wie haben nach eine 
eros, worin er dieſen Kuͤuſtler, der auch wegen feiner Sitten ausge; 
‚gegen eine Anklage verthridigt. Nicht minder ale Cicero ſchaͤtzten 
d Piſo, md der Senat gewährte ihm einen anfehnlichen Jahrgehalt. Daß 
Rom konnte nicht aufhören, feine Kunft zu bervundern, die tm Tragifchen 
niſchen gleich groß war. Sein Rame warb ſpricht drtich jedem autge⸗ 
Schauſpieler beigelegt. Er ſtarb ungefähr 61 J. v. Chr. 
s8coe (Witllam), ein engl. Schriftſteller, von niedriger Herkunft, ber⸗ 
nem. unermuͤdeten Fleiße und feinen glaͤnzenden Talenten einen dauernden 
Dur durch Strenge konnten feine Aitern ihn dahin bringen, etwas Schrei⸗ 
Nechnen zu lernen, aber deſto eifriger las er alle Dichterwerke feiner Na⸗ 
an in die Hände fielm. Später, ats Schreiber bei einem Advocaten ir 
'; @ubdirte ex die lat., franz: und Italien. Sprache: In der Kenntni der 
zb ihrer Kiteratur machte es außerordentliche Fortfchritte. Im feinem 16, 
‚ee band maleriſche Gedicht: Mount pleasant’’, welches/ von hohem Dich⸗ 
wagt. 1773 teng er hauptfächlich dazu bei, zu Liverpool eine Geſeuſchaͤft 
‚ber Malers und. Zeichenkunſt zu errichten. Überhaupt hat ee 
6 Beifpiel und unermuͤdete Anſtrengungen jene Verbindung des kaufmaͤn⸗ 
nt ud geiftiger Beſtrebungen bewirkt, bie er In einer Rede, welche 
einer in feiner Vaterſtadt gegründeten Blidimgsanftait hielt, 
empfahl, and er hat praktiſch gegeigt, wie beide ſich zu Ihrem gegenfeltie 
Zei tn Die ſchoͤnſte Übereinfiiamung bringen Iaffen. - Diefe „Liverpool 
m’ und ander Gtiftungen ber Art, wodurch Liverpool ſich auszelchnet, 
nihm das Dafeim Mit großem Eifer nahm er ſich auch der Abfchaffung 
denhandels an; beſonders in einem ſchoͤnen Gedicht: „Die Grauſamkelt 
,The wrongs in Afriea“, 2 Thle., 1788). Die franz. Revolution 
Im einen Bewunderer, und we ſchrieb mehre Volkegeſange und poetiſche 
me Verbreitung des Sreiheitöfinnes. 1797 1egte er feine Advocatur nie⸗ 
—** ya Liverpool‘; darauf wine kurze Zeitlang Repraͤſentant dieſer 
; Parlament, wo ex wait ber Fox'ſchen Partei in Verbindung trat. Seine 
hüber Parlanientereform ſprach er In einem Briefe an Brougham (1814) 
ene Handelsunternehnungen führten den Sturz feines Haufes und 
die Verſtebgerung ſeinet trefflichen, beſonders im Fache ber italien. Ge⸗ 
reichen · Vucherfammlung herbel. Außer ben angeführten und andern 
BE Hof eis voruͤbergehended oder oͤrtliches Intereſſe habenden Schriften hat 
uforbers durch feine Lehensbeſchreibungen: „The life of Lorenzo de Me- 
lied tho Magnifieent‘' (Liverpool 1795, 2 Bde., 4.5.2. Auft., 1796; 
wa 3. Sprengel, Berlin 1797); „Illustratiene, hiatorioal and eri- 
she Hifo ef Lorenze de Mediei (mit e. Anh. v. Drigmalurt.) u. „The life 
HAsnte of Leo X.“ (4 Bde., 1805, 4., deutfch von Henke mit reichhalti⸗ 
inf.) eis hiſtor Schriftfleiler vorgethan. Ein fchönes Denkmal hat ihm 
Bu Wolng in dem „Sketch book“ -(Bondon 1821) gefest. 
common (Wentworth Dillen, Graf V.), ein Dichter, aus einer 
Jannifie ‚geb. 1633, ftudirte zu San, machte eine Reife durch Itallen, 
We des Alterthums Innen zu lernen, warb Stallmeifter der 
to. York und flach 1684. Er hat wenige, aber ſchaͤtzbare Gedichte hin⸗ 
warb iR, wie Dope von ihm rähmt, aus dem bichterifchen Zeitalter Karls II. 
je, der Me —— Muſen llebte. Die Englaͤnder verdanken ihm das 
„Essay on translating verses‘', worin er die Kunſt 
gen in einem edein, reinen und männlichen Styl auf eine einbrudisuole 


wirägt. An ber Errichtung einer engl, Sprachakademie warb er vurc ven 










414 Roſe (Blume) Reoſe (Krieg d. rothen u. weißen) 


Tod gehindert. Die niuefte Audg. feiner Werke: „Earl of Roscommens 
tical works” (Glasgow 175.3). 

u»  Rofe, ein Blumengefchlecht in der 5. Ordnung ber 12. Glaffe (Te 
Beiygynis) Linne befchrieb 14, Wildenow 30, Perfoon 46, Thory 56,4 
ley 76 Arten. Trattinich will mehr als 200 Arten kennen; mit ben St 

koͤnnte es wol an 500 Arten geben! Die Kunft hat naͤmlich eine Menge & 
ten erzeugt, die fi) mehr oder weniger von der Grundgattung entfernen 
Bellimmung der einzelnen Gattungen ungemein erfchweren. Alle Gattungen 
man unter 2 Familien, je nachdem die Früchte beinahe kugelrund oder 
Zur erſten gehört bie-pimpineliblättrige Nofe, die Zimmt⸗ oder Zuckerr 
ſchwefelgelbe Rofe, die gelbe Rofe, die provenzer Rofe, bie weichhansige 
‚zur zweiten die hundertblätterige oder gemeine Sartenrofe (R. centifolia, bie 
von allen, ‚welche, da man wegen ihrer ſtarken Külle Leine Frucht von ie 
durch die Wurzel vermehrt wird), die Zucker⸗ oder Effigrofe, die bamasc 
die wohlriechende oder Weinroſe, die Moosrofe, die Bifamrofe, bie weil 
‚bie gemeine wilde Roſe (Dagebutte). Ein Prachtwerk ift: „Lee Roses, pi 
:Redqute”; bekannt ift auch Roͤſſig's Werk: „Die Rofen”. Die Rofe if 
Roſenwaſſer für die Apotheke und auch Rofeneffig, Rofenfyrup u. f-w. 9 
fen von Provins (Stadt in Brie) wird nach fremden Ländern gehaud 
führt fie nad) Indien, wo fie in mandyen Gegenden mit Gold aufgewogeni 
In Ägypten, befonders in der Landfchaft Fajum, mo man ganze Haine wi 
ſenſtoͤcken findet, ift das Deftillicen des Roſenwaſſers (bekanntlich in ben 
dee Morgenländer ein Hauptlurußartifel) ein ſehr einträgliche® Gewerbe, 
ſes Erzeugniß ein nicht unbebeutender Ausfuhrartikel. Über die Roſe 
richo f.d. S. Lindley's „‚Betanical history of. Roses” (mit Rpfımd 
Yon 1821). 

Roſe, Krieg ber rothen und weißen: bie blutigen Kämpfe, welche 
fer Lancafler und York über 80 I. hindurch um den Thron von England 
‚jenes hatte eine rothe, diefes eine weiße Roſe im Schilde. Nach vielen 
und Kämpfen twaren unter 3 nad) einander folgenden Eduarden, befon 
Eduard III., Ruhe, Ordnung und innere Macht gegründet worden. D 
der Bewohner Englands, ſowie das Bluͤhen ihres Handels, ftand in fchi 
haͤltniß mit der Macht ihrer Könige, die damals die fhönften Provinzen F 
im Beſitz hatten; aber bald nach dem Tode Eduarde III. gingen faft ale 
verloren durch den wüthenden Kampf, der zwifchen den Vorks und Lamc 
erhob. Beide Häufer waren in Eduard ILL. vereint, auf den Thron war 
Richard I. von Dort 1377 gefolgt. Als diefer ſchwache Fuͤrſt durch He 
von Lancafter, genannt v. Bolingbrode (1399), Thron und Leben ver 
das Haus Lancafter (Heinrich IV., V. u. VI. bis 1461) an die Regierm 
durch entfpann fich der Kampf ber beiden Nofen. Heinrich VI. von Lancaf 
von feinem herefchfüchtigen Vetter Eduard IV., einem York, vom Thron 
(1461) und ermordet (1471). Nach Eduard IV. Tode (1483) beſtieg fein 
Sohn, Eduard V., den Thron, aber Richard v. Gloucefter, fein Oheim (Evm 
- Bruder) bemädhtigte ſich der Regierung , ließ Eduard V. und feinen jünger 
der im Tower erſticken und ward als Richard IH. (dev Bucklichte) König. 
wilde Kronenftreit, welcher 60 Perfonen der Eönigl. Familie und mehr als! 
des engl. Adels hinwegnahm, endigte, als Heinrih von Richmond, & 
Haufe LancaftersZubor, nachheriger König Heinrich VII., 1485 den ge 
Richard in der Schlacht bei Bosworth erfhlug und hierauf durch feine F 
lund mit Elifabeth v. York (1486) die beiden feindlid, getrennten Häufer de 
Doc gab es noch immer unruhige Bewegungen, bis Heinrichs VILL Re 
zeuen Stoff zu Erſchuͤtterungen andrer Art vorbereitete. In der biutigen, 







































fe des 15. Jahrh. und war ein Wappenmaler, beruͤhmter jeboch als 
se. Die Eigenfchaften, welche feinen Beinamen veranlaften,, findet 
umlich in feinen Faſtnachts ſpielen, deren’ 6.ganz ‚ anbee im 
zetheilt find, in Gottſched's, Noͤthigem Vorrath zur Befchichte ber deut⸗ 
tiſchen Dichtkunft” (Leipzig 1757). Das Intereffe derſelben beruht in 
ı Darftelung und ben kecken Spielen des Witzes; ein eigentlich drama⸗ 
reſſe haben fie nicht; fie beſtehen nur aus locker an einander gereiheten 
e zu einem fatyrifchen Ergebniß hinführen. Wie weit die Frechheit ber 
herze zu jener Zeit getrieben wurde, kann man bei feinem Dichter der⸗ 
kennen lernen als bei R., dem man jeboch fehr Unrecht thun mürbe, 
bir bloß darnach beurtheilen wollte. Ehrbar erfcheint ex in andern Poe⸗ 
atlich in feinen erzaͤhlenden Gedichten, bie ih auf einer weit hoͤhern 
Zildung als einen geiflxeichen Mann, einen Eräftigen Sittenmaler und 
Sprache jeigen. Komiſche novellenartige Erzählungen gelangen ihin 
Nur einzelne bavon find bis jet in Canzler's und Meifner’s „Quartals 
n „Bragur” u. a. D. gedruckt erfchienen. ° 

enfeſte, Roſenmaͤdchen. Noch feiert man jährlich zu Salencyh 
oyon in der ehem. Picarbie, jebt Dep. Dife) am 8. Juni ein Zeft, defs 
keiten berühmt find. Aus 3 Mädchen naͤmlich, bie durch Sittſamkeit 
ze Tugenden fich außgeichneten unb gegen deren Verwandte ſelbſt kein 
wäubeingen war, waͤhlte früher der Befiger von Salency (jebt wahrs 
e Friedensrichter) die würdigfte aus. Ihr Name wird vor dem Feſte 
er Kanzel verkuͤndigt, damit die Mitbewerberinnen um bie Ehre einer 
in die Wahl unterfuchen und Einwendungen, wenn es Noth thut, vors 
nen. Denn nur diefe Koͤnigsprobe beftätigte früher die gutsherrliche 
ı 8. Juni, am Feſttage des hd. Medardus, wurde bann bie anerkannt 
fe als Roſenmaͤdchen (Rosiöre) unter Muſik und dem Geleite 12 
mihlter Paare, ſelbſt im ſchoͤnſten Puge, auf das Schloß geführt, dort 
Mangen, vom Herrn des Guts oder feinem Beauftragten in bie Kirche 








Rofenbolz, f. Rofendi. 

Rofentranz, bei den Katholiken, befteht aus einer Se 
Amahl Kuͤgelchen von verſchiedener Größe, die zur Abzählung dei 
Er ift von Dominicus be Gusman, dem Stifter des Dominicane 
erften Hälfte des 13. Jahrh. eingeführt und nach dem Pater nofter 
eingerichtet worten. Es find naͤmlich am Roſenkranz immer 10 klei 
ßere Kugel 15 Mat befindlich; bei den -Heinern wirb ein Ave I 
größern ein Pater nofter (f. d.) gebetet. Doch follen fchon t 
Benedictinermoͤnche Ihre Gebete nach einer Reihe von Kügelche 
Schnur gefaßt waren, beiihrer Arbeit verrichtet haben. Zu Ehren 
1571 bei Lepanto über die Türken erfochtenen Sieges fliftete Pap 
1573 das Rofentranzfeft, welches am erften Sonntage des Det. gefe 
Clemens XI. dehnte diefes Heft auf alle Kirchen bes kathol. Aben 

Ehren des am 5. Aug. 1716 bei Peterwardein uͤb. die Türken erfo 
Herennius Haid Tchrieb eine „Abhandl. über die Detamorphof. dee 
(Kandehut 1809); und Weber: „Ub. das Gebet des Roſenkran 
1815). Auch die afiatifchen Völker von der lamaiſchen Religion us 
medaner bedienen ſich einer ſolchen mit Kugeln verfehenen Schnur 
ihrer Gebete. Die Schnur der Mohammedaner hat 99 Kügelchen, 
bete nach unb nach herablaffen, während fie die im Koran vorkomm 
ſchaften Gottes ausfprechen. Bei ihnen find die Kuͤgelchen gewoͤhr 
Erde von Mekka oder Medina geformt. 

Roſenkreuzer, Mitglieder einer geheimen Geſellſchaft 
zu Anfange d. 17. Zahrh. unerwartet durch eine Menge Schriften 
melche zum Theil die fonderbarften Behauptungen enthielten. Im: 
Bundes war, dem Worgeben nach, eine allgemeine Verbefferung d 
Gruͤndung einer dauernden Wohlfahrt der Staaten und der Ei 
prächtigen Worte waren aber nur das Aushängefchilb, um bie leicht 
anzuloden. Bei genauerer Unterf uchung fand ſich, daß die ſeit lang 


3 a. Bin han [Wo fhama 


| ‚ Rofenmüle oh. Georg) 417 


"nicht erwieſen. Mach Krauſe beſchäftigte Ihn. von Fagend au 
einer zum Theil geheimen Geſellſchaft zue Verbefferung ber menſchlichen 
. Als einen rohen Berfuch, biefe Idee aussufprechen, gab er 1614 
Higte Schrift: „Meformation der ganzen weiten Welt’, heraus und ‚Fama 
is" ⁊c., welche nebft vielen ſchwaͤrmeriſchen auch viele tieffliche Gedan⸗ 
$. Die barin poetifch gefchilderte Brüderfehaft des Roſenkreuzes wurbe 
igen Alchymiſten und chriſtl. Schtwärmern als gefchichtlicd wahr und bes 
hend angenommen, und fo wurde Andreaͤ Weranlaffung zu ben nachma⸗ 
nörenzerifchen Schiwärmereien und Orbensverbindungen, bie ſich über 
usbreiteten unb auch als höherer Grab mit der Freimaurerei in Verbin: 
icht wurden. So viel ift gewiß, daß der Bund der Roſenkreuzer, nadhe - - 
ch eine Menge Schriften ploͤtzlich allgemein befannt wurde, bald in Ver⸗ 
gerieth und nur noch bei betrügerifchen Goldmachern eine Rolle fpielte. 
sten Hälfte des 18. Jahrh. fing das Werfen der geheimen Orden und bes 
zerbundes aufs neue an, die Köpfe vieler Menſchen einzunehmen, wozu 
die Aufhebung des Ordens der Sefuiten und beren angeblich geheime Um⸗ 
vie die myſtiſchen Betrügereien des Saglioftr 0 (vgl. d.), Veranlaſ⸗ 
15 boch verſcholl auch dies, als die Weit durch da trügliche Gewebe ſah 
:öpfer’6 (fi d.) trauriges Ende in Leipzig eintrat. 
fenmüller (Johann Georg), Dr;, erfter Profeſſor der Theologie und 
ndent zu Reipstg ; geb. am 18. Dec. 1736 in Ummerſtaͤdt, einem Stäbts 
Kbhurghaufifchen, wo fein Water (nachher auch Schulmeiſter in Kolberg) 
aacherhandwerk trieb, bei welchem ihm der Sohn beiſtand, fchrieb don 
Knabe Predigten nieder, die er gehört hatte. 1751 kam er auf bie ko⸗ 
naq Nuͤrnberg u. empfahl ſich durch die 1756 gehaltene Abſchiedsrede 
bed Solger. Nachdem er die Worlefungen der Profefloren des Gymna⸗ 
Dt. —2 befucht hatte, ſtudirte ee 1767, durch Solger's Verwenden 
Altborf, war einige Jahre Hauslehrer im Pfätzifchen und Lehrte 
b . zuruͤck, um bem Prediger daſelbſt Beiſtand zu leiſten. 
m ward er an ben Director bes koburg. Gynmaſtums (nachher. Abt in 
zen) Fromman empfohlen, welcher ihn zum. Ausarbeitung feiner erften 
5 und ihm eine Hauslehrerſtelle in Hildburghauſen verſchaffte, 
eini einige Predigten fi fo emdfahl, daß er 1767 hier, 1768 in Heßberg 
F Königeberg in Franken Prediger warb. Unerwartet erhielt ber in ſei⸗ 
ungen befcheidene IR. den Ruf als Prof. d. Theologie nad) Erlangen, 
75..die «ehe Doctorwuͤrde annahm und anderweitige Anträge ablehnte. 
ärztlicher Freunde, bie eine Veraͤnderung feines Aufenthalts zur 
Belung feiner jerrötteten Geſundheit für —— hlelten, verließ er 
mgen, dem Rufe als erfien Prof. d. Theologie und Paͤdagogiarch nach 
gend. Von hier kam er als Paſtor an der Thomaskishe, Superinten⸗ 
kerter Prof. d. Theologie 1785 nach Leipzig, rückte nach und nach in die 
. Drofeffur ein und ſtarb am 14. März 1815, als der damals aͤlteſte 
Ber peutichen Umiverfitäten,, im Leben höchgenchtet und ins Tode tief bes 
Zen Seigzig ward er Begruͤnder einer gereinigtern Liturgie durch Abſchaf⸗ 
rerciemus, de6 —— — durch befoͤrderte Einführung der oͤf⸗ 
Fenfirmation ıc. des beſſern Schulweſens durch die erſte 
ng, Pie er zur Stiftung bes 6 * für Feriwillige, der Raths⸗ 
nd der Buͤrgerſchule gab. Alb Prediger war ee Muſter einer edeln Pos 
Dee bei feinen Vorträgen nie die praßtifche Ruͤckſicht und das Zeitgemäße - 
uige verlor. Die Herzlichkeit, mit welcher er ſprach, erhob oft feine eins 
ı Des. Vortrags zu einer wahrhaft rednerifhhen. Seine fchriftftellerifche 
Pie Zahl feiner Schriften beiäuft ſich gegen 100) ef ſich nicht nur 
„ @iebente Aufl. 86. IX. 


“ a 









418 Roſenmuͤller (Ernſt Friede. al) 


auf Lehrbücher zum Sugenbimterrichte („Chriftt. Lehrb. für die Jugend“, 11.% 
1812; „‚Exfter Unterricht in der Religion für Kinder”, 2. A. 1807, au in 
Wendifche überf. 1799; „Religionsgefchichte fuͤr Kinder, 8.4. 1804), of 
dachts⸗ und Erbauungsbuͤcher (‚Morgens und Abendandachten“, 5. &. 174 
„Betrachtungen üb. die vornehmften Wahrheiten d. Rei. auf alle Tage. 
AMBde., 1801), und auf Predigten (u. a. Sammlungen: „Betrachtung 
merkwuͤrd. Begebenheiten des 18. Jahrh. mit Rüdficht auf Relig. und &% 
keit”, 1801; „Etwas zur Beherzigung für unfere Zeiten‘, Leipzig 1786, 
welchen ſich die Bußtagspred. befindet, durch melde die Stiftung der Frei 
veranlaßt ward; „Das Reich Jeſu“, 1802, hat Beziehung auf die Stifte 
Bürgerfchule; „Warum nennen wie und Proteftanten‘? 1790; „Der? 
Chriſten unter dem lehrreichen Bilde des Schlafs“, am Sonnt. nad) Mor 
gehalten), fondern auch auf Lehrbücher zu akadem. Vorlefungen („Paft 
mweifung”, 1788; „Anleit. für angehende Geiftliche”, 1792; „Beiträge zur 
miletik, 1814). Unter feinen Schriften für künftige Theologen haben feine „S 
lie in N. T.“ (5. A. 1801—7, u. der 1. Th. der 6. X. 1815) noch immer Be 
barkeit, und feine „Historia ‘interpretationis libror. sacr. in eocles. e 
(6 Bde., Leipzig 1795— 1814) werden ſtets eine Hauptauelle für bie Ge 
der Hermeneutik bleiben. Heller Geiſtesblick, Wahrheitsliebe, Sanftmuth; 
vorkommende Gefätligkeit, Beſcheidenheit, raſtloſe Thätigkeit, ſtille Heit 
echte Religioſitaͤt waren unverkennbare Eigenſchaften R.'s. Sein fprechendes 
niß in Bol. hat Bauſe geſt.; ein kleineres findet man im,Jahrb. ber haͤutl 
dacht” von Vater (1820), in welchem ihm auch Dinter ein kleines Denk 
fest und eine Bergleihung zroifchen ihm, Reinhard und Morus als Erami 
angeftellt hat. Eine Biographie R.s enthält die feiner legten Schrift: „© 
Weisheit nad; Seneca“ (Leipz. 1816), vorgebrudkte Vorrede von Dog. 11 
- "Rofenmüller (Ernſt Friedrich Karl), Dr., einer der berühmteften 
taßiften unferer Zeit, geb. am 10. Dec. 1768 zu Heßberg bei Hildburghaufen 
fein Vater, Joh. Georg R. (f. d. vor. Art.), damals Prediger war. Durch 
lehrer vorbereitet, beſuchte er das Pädagogium in Gießen, kam mit ſei 
Leipzig 1785 berufenen Vater In diefe Stadt, wo er, außer beffen Vorief 
auch die eines Morus, Dathe, Piatner, Reiz, Bed u. A. beſuchte. Nad 
1787 Magifter geworden war, erwarb er fi) 1792 die Rechte eines akaden 
centen durch Vertheibigumg der Disputation: „ZohairiCermen templi M 
foribus appensum, nune primum ex codice Leydensi Arabice: edıta 
tine conversum et notis illustratum” (4.), 1795 erhielt er eine aufe 
Profeſſur der arab. Sprache; 1813 warb er orbentl. Profeffor der mıir 
Literatur und 1817 bei der Reformatiohsjubelfeler uͤberſchickte ihm bie ef 
enltät zu Halle das Diplom der theolog. Doctorwuͤrde. Unter feinen gef 
Werten find f. „Scholia in Vet. Testam.” (Letp;. 1788-1827, 8 B 
welchen bie beiden erften Bde. von 1821 — 24 in 3 Bodn. in der 3. 
. der Jeſaias in 3 Bhn. 1810— 20, die Pfalmen, ebenfalls in 3 Boͤn. 182 
ber Hiob 1824, Ezechiel 1826 In der 2. Ausg. erfchienen, wegen ber unsfall 
Darlegung und Beurtheilung der Ältern und neuern, jünifchen und geil. 
telſt Benutzung ber neueften Reifebefchreibungen gehörig gervürbigten Eriuiuue 
ein ſchaͤtbares eregetifches Mepertorium über ba8 A. T. Das „Danbb. fiel 
teratur der bibl. Kritik und Eregefe” (Goͤtt. 1797—1800, 4 Bde.) Te 
ausführliche Beurtheilung der größern eregetifchen und kritiſchen Werke 
A. und N. T., nebft theilweifen Auszügen aus jenen Werken. — Eine fi 
Erläuterung des Altortentalifchen durch das von neuern Reiſenden im Di 
obachtete iſt: „Das alte und neue Morgenland, oder Erläuterungen der 
Echrift (Beipz. 1818— 20, 6 Bde.; indas Holländ. 1823 überf.). Das 






























* 


m 


x 


Rofenmäller (Foh. Chriflopp) "— .. | 419 


Alterthumskunde, von welchem 2 Bde. 1823—26 erfhinen, umfaßt 
kllärung der Bibel erfoberliche Realkenntniſſe ruͤckſichtlich PaldRinas und 
mſelben in Verbindung geftandenen Länder. Das Stubium der arab. 
förderte diefer Drientalift nicht nur durch ein „Arab. Elementay: u. Leſe⸗ 
einem Wortregifter” (Leipz. 1799), deſſen profaifcher hell methodiſch 
‚ bie ältefte Gefchichte und Gebräuche Arabiens betreffende Stuͤcke, dek 
Theil aber Stuͤcke aus der Hamafa und Hartiri Eonfeffus enthält, ſon⸗ 
durch eine, fuͤr den erften Unterricht hinreichende, nach Sitveftre de Sacy, 
„Institutiones ad fundamenta linguae Arabicae‘, accedunt senten- 
arrationes Arabicae una cum Glossario Arabico-Latino”' (1818, 4.), 
e Elementargrammatik mit Leſeſtuͤcken. Richt nur mit Erklaͤrungen der⸗ 
wliaften, ſondern auch mit eignen Scholien ausgeſtattet, erſchienen: „Se- 
sedam Arabum Adagia et Meidanenses Proverbiorum Syntagmata, 
mum Arabice edita, Latine versa et Hlustrata (1796). Ferner gab 
„Analeeta arabiea” (Leip;. 1825—26, 2 Thle., 4.). Außerdem ver: 
n ihm auch die Verpflanzung einiger, im biefen Beziehungen wichtigen 
chriften des Auslandes durch treue Überf. auf deutfchen Boden: Zu den 
Sren: „Bocharti Hierosoieon, s. de animalfbus S. Scriptürae ete.” 
96, 3 Bbe., 4.), bereichert aus anbermeitigen oriental. Quellen und aus 
Hebefchreibungen; „Rob. Lowth de saora Hebraeor. poesi, praele- 
. not. et epimetris J. D. Michaelis eto.“ (eipz. 1815), welches eben- 
ſchaͤtzbare Bemerkungen nach neuern Forſchungen liefert. Zu den legten 
„Herbert Marſh's Anmerk. und Zufäge zu J. D. Michaelis's Einleit in 
Schriften DEN. B.“, aus dem Engl. überf. (Goͤtt. 1795— 1803) ; 
tten ber Bebtinenaraber, aus db. Franz. des Ritters d’Arvieur”, mit 
und einem bibl⸗zoolog. Anhange des Über]. (1789): Seine „Anfichten 
kina und dem heil. Lande, nach Ludw. Mayer's Originalzeichnungen‘ 
10 — 12, Querfol.), find auch für Dilettanten anziehend. Endlich 
Differtation: „De versione Pentateuchi Persica” (Leip;. 1813, 4), 
fehen werben. Seit 1820 iſt er mit Mitredacteur ber „Leipz. Literatur⸗ 
und gegenwärtig befchäftigt ihn bie Bearbeit. eines zweckmaͤßigen Aus3 
:holia in V. T.“ .41. 
ſenmuͤller (Johann Chriſtoph), Dr., einer unſerer beruͤhmteſten 
en Anatomen, ber 2. Sohn Dr. Joh. Georg R.s (ſ. b.), geb. 1771 
9 bei Hilbburghaufen, befuchte in Gießen das Paͤdagoglum, in Leipzig 
zöfchule, fette feine Studien in der Philoſophie,“ Mathematik, Phyſik 
eikunde auf der Univerfität zu Leipzig und fodann auf der zu Erlangen - 
er ſich vorzuͤglich der Naturforſchung, insbefondere der Pflanzenkunde, 
Der praßtifchen Medicin imd Chirurgie widmete: Während der Univerfl- 
ımterfachte ex bie von dem Fichtelgebirge verziweigten Höhlen und Berg⸗ 
Bei Druggenborf, in bern eine er fich mit Lebensgefahr wagte und aus 
yerautgehadt werben mußte. Eine andre, welche er entdedkte, erhielt den 
= Mofennrüllershöhle. Schon dadurch erwarb fich der junge Gelehrte als 
cher einen Ruhm, welcher zu großen Erwartungen berechtigte, bie er 
ber fpäter als Anatom ımb Arzt volllommen rechtfertigte. 1794 als Pro: 
yem anatom. Theater in Leipzig angeftellt, verwaltete ex dieſes Amt mehre 
dem lebhafteſten Eifer für die Wiffenfchäft: 1795 machte er einige der 
ten Entdeckungen in den „Beiträgen zur Geſthichte und nähern Kennt: 
Anochen“ (1.©t., m. Kpfın.), welche er 1794 als Habilitationsbis- 
at. gefchrieben hatte, bekannt. Später (Weimar 1804) entftand aus 
wiften ein kleines Prachtwerk in deutfcher und feanz. Sprache: „Abbild. 
weib. der foſſilen Anochen des Höhlenhäre” : — Te nannte den Ohr, 
2 27 


420 NMRofenoͤl 


deſſen Knochen ſich unter den in jenen Höhlen zahlreich vorhandene 
Thierknochen durch ihre Groͤße aus zeichneten. — Mit feinem Freun 
als Erdumſegler mit Kruſenſtern beruͤhmt gewordenen Dr. Tileſius, 
„Abbildungen und Beſchreib. merkwuͤrd. Hoͤhlen um Muggendorf 
en Oberlande, für Freunde der Natur nnd Kunſt“ (1. Heft) und 
Höhle bei Moda’, mit bunten Kpfen. (Erlangen, Fol) heraus 
theidigung feiner Dieputation: „Orgasorum Iscrymalium part 
externarum desecriptio’' (Leipzig 1797), erhielt ex Die mebic. Docte 
eine außerorbentl. Profeffur und 1804 die ordentl. Profeffin ber‘ 
Chirurgie. Mehre Difertationen, welche ihm feine akadem. Ami 
"zur Pflicht machten, beziehen ſich auf wichtige anatom. Forſchungen. 
‚Fertigkeit im Zeichnen und Abbilden naturhiftor. Koͤrper erleichterte 
ftellung und fette ihn In den Stand, nicht nur mehre feiner eignen V 
auch viele Disputationm andrer Ärzte mit inftructiven Zeichnung: 
So trat er in bie Reihe der verdienftuollen Anatomen, die nicht ı 
decken, fondern auch bem bereit Entdeckten Zweckmaͤßiges hinzufügen, 
durch neue Bearbeitung einen höhern Werth verfchaffen. Das Lepts 
John Bell's „BZerglieberumg des menfchl. Körpers” (2 Thle., mit 
Alex. Monro, „Über die Schleimbeutel“ (mit Anmerk. u. Kpfen., 18 
In Gemeinſchaft mit Sfenflamm gab er „Beiträge zur Zergliederun: 
jig 1800, 2 Bde.) und andre period. Schriften heraus. Sein Ri 
beſonders auf ein, in 2 Sprachen herausgegebenes, dem praft. We 
behrliches Werk: „Ehimrgiſch⸗ anatom. Abbildungen für Arzte un 
(Weimar 1804-12, 3 Thle., mit den trefflichften Kupferftichen),, 
König von Sachſen die goldene Verdlenſtmedaille Aberfandte. Sein, 
Anatomte nach Leber's Umriß der Zerglieberungstunft‘’ (Leipzig 18 
Aufl. noch vor des Verfs. Tode erfihien, beweifi dem Kemer, daß 
{hung mit eigenthuͤmlicher Methode au verbinden verftand. Naͤch 
für Plerer's „Mebichn. Realwoͤrterbuch“ mehre Artikel, lieferte B 
ſchen Seltſchriften, begleitete verfchlebene Werke, unt. and. Benedict 
die Hunbswuth”, ein phyf.späbagog. Werk: „Die Kinberftube”, u. 
den, verferttgte anatomifche Präparate und leiftete, als ſcharfſicht 
Art, vielen Kranken Beiftand. Seine uneigennüsgigen Leiftunge 
hoſpitaͤlern während. der Kriegsjahre 1812 und 1813 belohnte der K 
land durch das Ritterkreuz des Wiabimirordeng; und fuͤr die Umfid 
und Gerechtigkeitsliebe ‚mit welcher er in einer kritiſchen Zeit dag Mı 
verfität ein Jahr lang verwaltete, ertheifte ihm dee König von Sach 
kreuz des Civilverdienſterdens, nachdem er ſchon früher, wegen A 
rer Rufe, beſonders eines nach Rußland, zum k. ſaͤchſ. Hofrath e 
war. Die in Leipzig 1818 geſtiftete naturforſchende Geſeliſchaft w 
rem Director. Auch wurde ihm die Mitvorſteherſchaft über mehre a 
wie das Taubfiummeninflitut in Leipzig, uͤbertragen. Durch An 
Uneigennuͤtzigkeit, zworkommende Dienftfertigkeit, durch ein ihm ei 
heiteres, die Derzen gewinnendes Benehmen am. Krankenbette, im 
amflichen wie in gefelltgen Berhäitniffen, feinen Mitbuͤrgern unvı 
dieſer verbienfivolle Dann, nad) langen Leiden an ber Bruftbräume, ( 
- von ihm vorausgefehenen Schlagfluffe, am 29. Kebr. 1820 zu Leiy 
Roſenoͤl (Moferhozdt). Diefe wohlriechende Effenz ton 

ben Rofen, mit denen: fle Geruchsähntichkeit hat, fordern von d 
Steauches, welches u. d. N. Roſenholz aus den canarifhyen und « 
fen, auch aus ber Levante, namentlich von Rhodus (Daher auch 
Zgfführt wird. Dieſes Holz (fienum Rhodium, bois de Rore, bı 


Roſenſtein Rofette Inſchrift von) - 401 


Rhodes), deffen Heimath der engl. Botaniker Maſſon auf ben canarifdyen 
781 entdedte, hat einen Roſengeruch und Tiefert, mit Waſſer deſtillitt, 
eibe, nach und nach ſich röchende, von bitterm Sefhmade unb fehr an» 
} Rofengeruche oleum L. Rhodii, aber in fo geringer Maffe (nur 4 
daß daraus der hohe Preis biefes is leicht zu erklaͤren ift. 
fenftein (Nils v.), Dr. der Rechte, Commandeur vom ſchwed. Norb⸗ 
ı, einer dee 18 dee ſchwed. Akademie und beftänd. Secretair derfelben, 
n Europa als Schwedens größter Literator, und in feinem Baterlande 
t ſowol wegen feiner gemäßigten parteitofen Denkart als auch twegen fels 
ienfle® um bie höhere Ausbildung ber Nationalſprache, war geb. b. 12% 
2.- Sein Vater, der durch feine von Murray uͤberſ. Schtift Uber die 
en der Rinder (1796, 6. A.) bekannte Arzt, und Profeffor zu Upfala, 
ın6 einer Familie, die viele ausgezeichnete Männer zählt. Der junge R. 
ber Natur ein auferorbentf. Gedähmi, einen tiefen, durchdringenden 
und ein gefuͤhlvolles Herz empfangen. ' Er ſtudirte zu Upſala, ging auf 
d lebte längere Zeit als Seeuteie der ſchwed. Geſandtſchaft un Paris, wo 
e's, d’Alembert’s u. a. berühmten Maͤnner Achtung fi erwarb. Nach 
hdkunft 1784 emammte ihn Guſtav III: : sim Lehrer bes Keonpringen und 
Ihm die .Abfaffeng der Statuten der von diefem Monarchen 1786 geft. 
kademie, beren Mitglied und Heftändiger Secretalt ex ſeitdem geblieben 
e Einfluß und Anſtellung während Guſtavs IV. Regierung, ward er erſt 
n Abdankung, 1809, zum Staatöferretate der geiſtl. Angelegenheiten er- 
ne Stelle, die er 1822 niederlegte. Seit Tätigerer Zeit blind, half er ſich 
Gedäähtnif. Er hielt die gründlichen Vorträge über weittäuftige Acten, 
ch dieſelben rin ober zwei Mal hatte vorleſen lafſen. Außer der von ihm be⸗ 
erausgabe der Denkſchriften der Akademie, hat er ſich durch feine Schrift 
Aufktärung” (aus dem Schweb. von Gröning, 1794) und durch feine 
sort (legen) auf d Alembert dem Auslande befanntgemacht. - Zu 
Dichter Lenngren und Kellgren, ſowle des Rebners Lehnberg, 
—— — und Erlaͤuterungen. Er ſtarb zu Stockholm d. 8. us. 
‚zei Behoͤrden liefen auf ihn Denkmuͤnen ſchlagen: eine die ſchwed. | 
e die finnifche Pfarrgemeinde In Skockholm und dine bie Akad. d. Aiffen: 
Als Anerkennung der weiſen Verordnungen, welche während feiner Wer» 
u einer beffern Einrichtung der Mebicinalanſtalten zrlaffen worden, Tieß 
L Geſundheitscollegium feine Buͤſte verfertigen und in dem Sigunge 
lien. R. war nie ve 
fette Rated), Stadt in Ägypten, am weſtl. Ritarme (3360 8, 
finm.), mit einem Hafen an'ben Pilmänbungen. Beiden Altern Hieß fie 
viefleicht auch Kanopus/ obgfeich man das peutige Abukir, ein mittelmaͤ⸗ 
f, meiſt für jenes aite und praͤchtige Kanopus hält. -R. hat viele griech 
Khre Kirchen umd bebeutende Linonmanufacturen, duch Leinoͤl⸗ Seſamoi⸗ 
en. Es iſt der Stapelplag zwifchen Kairo und Alexandrien; denn ale 
welche den Nil aufivdrts gehen, miüffen hiether gebracht werben. Die 
t, fowol durch die ſchoͤn⸗ Segend, in welcher ſie liegt, als auch durch ihre 
rim und geſchmackvoll gebauten Häufer ein Yeier es Anfehen. Auf den 
b wohnen meiftens Aönrfter, welche Ihre Häufer nicht nirr ſchoͤn erbaut 
Eunſtwerke verziert Haben, ſondern auch In Ihren offenen Läden dem Auge 
errlichen Genuß bieten. Die Libensbeduͤrfniffe find hier wohlfeil und Im 
nur das Waffer ift fehe fettbirhınd In den Sommermonaten müffen fi - 
mit Eiſternenwaffer begnägen. In der Gegend win es eine Ziegenart, 
Nige Ohren hat, daß fie diefelben auf der Erde fchlep 
ette, voem don. Wahhrend —ES in Agyyton nt - 


422 Roſette (Roſenſtein) Roſinen 


deckten die Franzoſen, bei der Herſtellung des Forts St.-Julien, in ber E 
ſchid oder Roſette einen Stein aus ſchwarzem Halbgranit oder aͤgyptiſche 
(black granite), von 2 Fuß 10 Zoll Breite und 34 F. (par. Maß) £ 
durch feine dreifache Inſchrift in Hieroglyphen, aͤgyptiſcher Buchftabenf: 
In griechifcher, gleich anfangs die Aufmerkfamkeit der Gelehrten < 
weiche dem franz. Deere gefolgt waren. Die beiden von Marcel und © 
forgten und durch den General Dugua überbrachten Copien wurden dem 
inftitute übergeben, das La Porte dur Theil mit ihrer Unterfuchung beauf 
nach du Theil's baldiger Abberufung Ameilhon aufgetragen ward. Aber au 
bon fand mit ber Bekanntmachung feiner Arbeit an, weil er den Stei 
fehen wünfchte, ber jedody durch die Gapitulation des Generald Meno 
Sept. 1801 an den Lord Hutchinſon übergeben werden mußte und burd 
Fregatte The Egyptienne im Febr. 1802 nad) Portömouth u. von da | 
tiſche Mufeum kam, ohne je Frankreich berührt zu haben. Die Infchril 
erfte Denkmal, wo man neben Hieroglyphen und ägpptifcher Schrift e 
gleichen Inhalts antraf. Diefe sriec, Über in 54 Zeilen oder Abfägen 
wie die andern Seiten, durch den Bruch bes Steins fehr gelitten, we 
ſichere Brücke in ein unbekanntes Land, bald der allgemeine Segenftan 
fhung und der Hypotheſen. An ſich felbft ward fie wichtig durch die 2 
über die Prieftercolfegien , die durch die große Koͤnigsweihe, bie Anaklete 
der alten Sitte der Pharaonen, Ptolemäus V. Epiphanes 195 v. Chr. 
phis in ihre Mitte aufnahmen. Diefe Anakleterien und der Dank de 
fchaften für die Begünftigungen,, die Ptolemäus V. Epiph. ihnen hatte ; 
laſſen, find der Inhalt diefer im ägyptifchen Sinne, d. h. fchmeichelnd, ı 
Inſchrift, welche den Scharfjinn von Heyne, Ameilhon, d’Anffe de 
Sr. Pahlin, Äkerblad, de Sacy, Confinery Combe, Schlichtegroll 
mann aufgeregt hat und wahrſcheinlich noch Manchen befhäftigen wi 
gegen feine Echtheit. von .Boffi in Zurin erhobenen Zweifel nicht 
Ber Echeblichkeit find. Die befte Abbildung gab in einem Zacfimile bi 
of antiquaries (Lond. 1811), und über den bierogipphifchen Theil d 
außer Dem, was Champollion-Kigeac und St.» Martin gegeben haben, 
Spohn (f.d. und Champollion) ſich fehr genüugende Aufſchluͤſſe v 
als ein zu frühes Schickfal ihn abrief. — Noch ift diefer Denkſtein der ci 
man zur Seite der Dierogipphen eine entfprechende Übertragung in eü 
kannte Sprache angetroffen, ba der von Bankes zu Phild gefundene Ob 
zu Deptforb in England ‚ diefe Hoffnung täufchte. S. „Hiſtor. antigı 
fuchungen über Ägyhpten, od. die Inſchr. von Rofette; aus dem Gri 
unb erläutert von Dr. Wild. Drumann’‘ (Koͤnigsb. 1823). 

Nofette, Rofenftein, ein in der fogen. Rofettenform g 
Diamant (f.d.). Auch Korallen in Rofettenform gefchnitten, fowie a 
ober filberne Verzierungen , weldye die Form einer Hofe tragen, werden 
genannt. Ä 

Roſinen, Meinbeeren, die entweber an ber Sonne get ockne 
füß ſchmecken (Zibeben) oder, im Ofen gedörrt, einen etwas fäuerlichen: 
haben. Es gibt davon verfchiedene Sorten. Calabreſer Rofinen find fi 
von fehr gutem Geſchmack, die, an Faͤden gereiht, in Menge zum J 
bracht werden. Spanien liefert ebenfalls eine große Menge Rofinen. | 
ſten und meiften erhält man aus den Weinbergen bei Velez Malaga (M 
roſinen), die geringern aus Valencia; ferner aus Granada (Pafferilla 
Die Pafferillas de Leria find die in eine Lauge von Weinrebenafche eing 
welche ſtark nad) dem N. gehen. Trefflich find die Topfroſinen, meld 
Auswahl in heißer Mittagsfonne Vieft und ſogeich im verkalkten Töpfe 


o - 
I 


Moskolniken „Roßbach it. 428 
a fpanifchen Rofinen (Pidrofinen, Pidzibebrn oder lange Rofinen) fehen 
chicht und biäulicht von Farbe aus und haben dabei einen angenchmen, bo: 
Geſchmack; die ſchlechtere Gattung iſt lichtgrau, und zwar von Frauben 
re, aber nicht fo ſchmackhaft. Won ben Rofinenforten, welche Frankreich 
enmen bie beiten aus Languedoc und Provence, 5. B. die Jubis, Piccang.. 
ı, Duscatrofinen; noch andre Sorten fommen von Zoulon, Aubagne, 
u f.w. Die Levante liefert eine Dienge Zibeben. Die befannteften find 
fen, welche man auf der Stelle in ſchwarze Sorte u. rothe Karabuno up 
. Geringer find die von Lipari. Die Raifins be Damas find platte lange 
von der Größe eines Fingerglledes, die aus Syrien, befonbere von Dax 
snmen und in ben Apotheken verbraucht werben. — Die Korinthen ' 
on einer Abart des Weinſtocks, deffen Trauben ein, wie Johannisbee⸗ 
rothſchwarzer Karbe und füßem Geſchmack fmd. Man brachte fie ehe⸗ 
fächlic aus Korinth, jegt aber erhalten wir fie nur aus den Inſeln bes 
Rees. — Rofinenmwein (Vinun’passum ber Alten) bereitet man, 
m 3.8. auf 20 Pf. reingeleſene, abgeflielte Röfinen 8 Pf. Sarinzuder 
annen Wein nimmt, nad) -3 Tagen 40 Tropfen zerftoßenes Weinſtein⸗ 
fleich darauf 30 Tropfen Vitrioloͤl dazu mengt, die Maffe in ein Faß 
dieſes wohl zufpündet. Nach ftartem Hin⸗ und Herſchuͤtteln fegt man 
n einen mäßig warmen Ort, verflattet dafelbft dem Gemenge noch eis: 
den gehörigen Zugang ber Luft, fept nach 4 Wochen abermals 4 Pf. 
zu und läßt biefe Maffe 8 — 10 Wochen die Weingährung machen. 
b der Wein abgefüllt, mit Hauſenblaſe geſchoͤnt und auf ein anbres Faß 
laſchen gezogen. * 
skolniken (Raskolniken), Schismatiker. Man bezeichnet in 
Yamit alle Secten, bie ſich von der herrſchenden Kirche trennen. Ras⸗ 
eißt Einer, der eine Erklaͤrung befolgt, die dem hexrſchenden Glauben 
ch. Lehre ober den Gebraͤuchen wiberfpricht. Die Raskolniken felbft nen: 
ztarowerzi, d. b. Altgläubige,, ober Isbraniki, d. h. Auserwählte. Uns 
b. Gr. erlitten fie mannigfache Verfolgung und Drangfale; dennoch blie⸗ 
rem Glauben treu. Katharina IL. gab ihnen Religionsfreiheit. Niele 
kmme, fowie ein großer Theil der Bewohner Gibiriens, befennen ſich zu 
28. - W 
ſoglio, Roſoli, f. Branntwein. 
6 (Cap.), ſ. Nordpolexpedition. 
ßbach, Kirchdorf im Amte Freiburg ber preuß. Provinz Sachſen, zwi⸗ 
unburg und Merſeburg gelegen, iſt bekannt durch ben vollſtaͤndigen 
eidenden Sieg, ben Friedrich II. am 5. Nov. 1757 über bie vereinigten 
er Reichsarmee unter Hilbburghaufen und des franz. Corps unter Sou⸗ 
&. fiber den Stand der militaicifchs politifchen Verhältniffe vgl. man 
jahriger Krieg. Die Niederlage bei Roßbach bebedite die Fran⸗ 
einer Schmach, , bie ſich Lange Zeit ſprichwoͤrtlich im Andenken erhielt; 
würde man fehr irren, wenn man bes Sieger Verbienft babe geringer 
: wollte, weil feine Begner ihm diesmal ftärkere Bloͤßen gaben. Des 
ge war dußerft mißlich; mit feiner Hauptkraft mußte er die Öftreicher an 
e Schlefiens beobachten, es blieben ihm nur fehr geringe Mittel, um 
Kuchen Anbrang feiner Feinde von Werften ber abzuwehren, deren Abficht 
ua sicht zu verkennen war. Schon ruͤckten Ricyelieu mit 30,000 M. ges 
eburg und mit 60,000 M. Prinz Soubife und der Herzog v. Sachſen⸗ 
aufen von Thüringen herein auf Leipzig, während der König eilen mußte, 
erlin felbft von Haddik's laͤſtiger Brandſchatzung zu erlöfen. Inzwilchen 
= beuteflchtige Richelen vor ber Band, man glaubt ducd, den Zauber 


44 RKeoßſchweif 


des Goldes, gefaͤllig finden und hielt Ruhe; Soubiſe aber und fein 2 
ſchienen nicht recht zu wiffen, was ſie wollten; fie handelten ohne Energie 
fogar von den 3 Mal ſchwaͤchern Preußen über die Saale zuruͤcktreiben 
ſich bei Michein auf, einem Örtchen, welches ungefähr die Spige des 
Raumburg und Merfeburg macht. Auch bier rüdte ihnen Friedrich 
gen, ließ jedoch von feinem Angriffsplane ab, Schwierigkeiten in der? 
ſindend, und bezog einflmweilen ein Lager zwiſchen Roßbach und dem D 
daß feine Gegner, Friedrichs geringe Macht nun beſſer über| 
igften Moment gefunden zu haben glaubten, ihn völlig zu 
x ie umbegreiflicher Sotglefigkeit, ja ohne alle militairifche Vorſicht e 
Ihren Zweck zu erreihen. Dem Lager ber Preußen gegenüber ftelite | 
©t.:Germain mit 6,000 M. auf, ſodaß er den König nad) Umftänd 
Inder Front befenäftigen, oder bequem von Merfeburg abfchneiden ko 
verbändete Hauptcorps marfchirte Dagegen rechts ab und bewegte fidh, ' 
Flanke des Könige zu umgehen, ihn von Weißenfels abzufchneiden 
Ruͤcken zu nehmen. Seine Lange ſcheinbare Ruhe eäufchte fie ſchon m 
nung eines ımfehlbaren Erfolgs, und fie nahmen ſich nicht bie Mühe, 
ten Höhenzug zu beachten, hinter welchem, als es endlich Zeit war, der 
ihnen ungeſehen, fein Heer aufbrechen ließ, orbnete und zum überrafd 
griff gegen bie feindliche Marfchcolonne führen konnte. Died gefchah n 
Kriegsgeiſt charakterifirenden Schnellkraft und Pünktlichkeit. 
aber ward Seidlitz der Held des Tages. Er brady mit der Reiterei fo | 
ſo entfchloffen hervor gegen die Spitze ber feindlichen Colonne, die glı 
Meiterei befland, er fprengte fie fo tüchtig auseinander, während nu 
große preuß. Batterie, vom Oberft Moller verfländig auf dem Janush 
ftellt, die feindliche Infanterie fo wirkſam zu befchießen anfing, daß fi 
Augenblide in größere Verwirrung gerieth. Denn raſtlos trieb Seiolit 
einander, was Stand halten zu wollen fchien und Prinz Heinrich nur r 
Bataill. manoeuvrirte fo gut, daß Soubiſe's Maßregeln ſaͤmmtlich ven 
Meferven verjagt, fein Heer vom panifchen Schrecken ergriffen wurde 
ſpiel ber Reichsarmee folgte unb in wilder Auflöfung entfloh. So bii 
neral St.⸗Germain die Rolle, diefe Flucht zu decken, und es muß bem 
daß einzelne franz. Trupps fich gut fchlugen. Dennoch war der Berlu' 
fen höchft unbedeutend, der der Verblindeten fehr beträchtlich. Die 
freite den König von Drängern, bie Ihm in den Operationen in Schl 
lich, vieleicht ſehr verderblicd geworben wären. — Die Bauern von 
werben, einem Dorfe bei Roßbach und wo eigentlich der Sieg erfämpf 
richteten bafelbft als Siegesbentmal eine pyramidaliſche Säule; 479 
Louis von Preußen nebft den Goͤcking'ſchen Hufarenofficieren ein andr 
von Sandftein aufrichten. Als Napoleon nad) ber Schlacht bei. Jena da 
feld bei Roßbach befuchte, umarmte er bie fpäter gefegte Säule und 
Paris bringen. Das Bilom’ ſche Corps ließ nach der Schlacht bei Leip 
Denkſaͤule an den Platz der alten ſtellen. 

,‚Roßſchweeif iſt ein bei ben Osmanen und Tataren die Stelle 
vertretendes Kriegszeichen, das zugleich zur — des hoͤhern 
Grades der Heeranfuͤhrer dient; denn je erhabener der Rang des Aı 
befto mehr Roßfchweife werden vor Ihm hergettagen und vor feinem ; 
pflanzt. So hat der Kaifer im Selbe 7, der Großvezier 5, die Pal 
auch 3 Moßfchweife als Ehrenzeichen. Dies kriegeriſche Zeichen 
Völkern dadurch in Gebrauch gekommen fein, daß einft in einer 
bereit6 alle Fahnen verloren hatten, ihr Feldherr einen Roßſchwelf au 
ſteckte, die Geſchlagenen von neuem \armmelte untı won einen heccikf 


Roßtrappe Roſſini 425 


oßſchweif der Türken befteht aus einer Stange, an welcher ein ober 
hweife und allerlei aus Pferbehaaren geflochtene Zierrathen herab: 
ift oben mit einem vergpldeten halben Mond gefhmüdt. - 
appe, eine ber ſchoͤnſten Selfenpartien im nördlichen Deutfchland, 
Bodefluß aus dem Harzgebirge durch eine echt alpinifhe Kluft aus 
‚ge in die Ebene windet, bei dem halberftädtifchen Dorfe Thale. Den 
dieſe romantifche Gegend von einer auf der Spige eines jäh und 
benden Selfens befindlichen Vertiefung, die dem Eintritt eines rie⸗ 
tfes gleicht und von deren Entftehung viele Sagen befannt find. 
fen erheben fich 830 Fuß ſenkrecht über das Fiußbette der Bode. 
'fprang, ſ. Schachſpiel. 
ıt (Gioachimo), der belichteft der jegt lebenden Operncomponiften 
nr 17. Jahre, fagt ein ital. Journal, begann R. feine muſikaliſchen 
falten und in feinem 30. zählte er ſchon mehr ald 30 glänzende 
unft. Seine Werke nahm ganz Europa freudig auf; ja, fie drans 
Ocean auf die andre Halbkugel. Die muſikal Annalen erzählen 
hes Beifpiel von der fchnell verbreiteten Gelebrität eines Tonſetzers. 
R.’8 Ruhm der Gegenftand des Streits entgegengefester Parteien in 
ven Welt geworden, und f. Gegner behaupten nicht ohne Grund, 
ern Merken. des berühmten Tonſetzers bie Gruͤndlichkeit der muſikal. 
md bie Ziefe der dbramatifchen Charakteriſtik fehle, durch melche 
ozart uwergaͤnglich glänzen: Eigenſchaften, die aber bei andern 
ern eine Schwerfälligkeit und harmonifche Kimftelei erzeugt haben, 
em Zuhörer oft Zweifel entftehen konnte, ob die Mufik auch eine 
auf das Ohr gebaut iſt. Was ift es nım aber, das in Roffin!’s 
te ganze Welt bezaubert? Es ift vornehmlich ber umerfchöpfliche 
Hiklingenden Melodien, die ſich, in das Ohr einfchmeichelnd, ſogleich 
8, oft unmiberftehlich und unausloͤſchlich, einprägen und Jeden 
m reisen; es ift faft ebenfo fehr die unerfchöpfliche Mannigfaltigkeit 
lerungen, mit welchen er f. Melodien ausſchmuͤckt, ja oft, gegen den 
zu ſchildernden Gemüthözuftandes, überladet. In f. Geſangſtuͤcken 
yerkennen, daß er felbft fertiger und ausgebildeter Sänger iſt, der 
nn Das in hoͤchſter Vollkommenheit fodert, was feine ttal. Kehle mit 
muth und Ausdruck hervorzubringen im Stande iſt; und er fcheint 
Tonſetzer für bon Geſang zu fein, als er felbft Sänger und zwar ital. 
Man müßte daher zuerft den ital. Geſang überhaupt als etwas Nich⸗ 
ı, was keinem Einfichtsvollen einfallen rich, werm man R.'s Ruhm 
aponiften in Anſpruch nehmen wollte; fo eng ift biefer mit ital. Ge⸗ 
n, dem er neuen Reiz und Stoff gegeben unb mannigfaltige anmu=" 
sefhaffen hat. Wenn man fomit R., um fo mehr, da er durch die 
ſ. Genies alle Theater in Stalien beherrfcht, gar mol ben Repraͤſen⸗ 
zentoärtigen ital. Theatermuſik nennen tan, fo haben die Angriffe 
2.8 wenig Gewicht, melche f. Werke entweber bloß aus Partituren 
fie von Sängern haben ausführen hören, die für ital. Geſang nicht 
und ihr Organ nicht zu beherrfchen verftehen, wie e6 bie ital. Kunft 
me wer R.’8 Geſangſtuͤcke von Italienern, oder wenigſtens durch 
je den ital. Geſang m Charakter und Formen ſich angeeignet haben, 
m gehörigen Zeitmaßen vartragen hörte, kann über die Wirkung ur⸗ 
> der Tonſetzer hervorbringen wollte. Ein anbree Vorwurf aber, 
R. gegrümbeter machen kann, iſt der, daß viele f. Melodien, ſtatt 
zu fein, ſchon felbft Variationen, Übergänge, Verbindong von 
, und baf er bie Empfindung felten in der Einfachheit autzutruden 





488 Roft GJoh. Chriſtoph) J Roſtock 


mein. Dim nimmt ihn an ben Gewaͤchſen wahr, wo er ſich wahrſch 


“ rüdgebliebenen, an der Luft erhärteten und zu Staub geworbenen' 


erzeugt. | 
R oft (Johann Ehriftoph), ein Dichter und wisiger Kopf, 
Läpzig, wo f. Bater Küfter an ber Thomaskirche war, fludirte die R 


ſich aber nachher den fogen. ſchoͤnen Wiffenfchaften. 1742 ging € 
gli 


und gab dort f. „Schaͤfererzaͤhlungen“ heraus, in denen eine erg 

und Schalkhaftigkeit nicht zu verkennen find. In Leipzig, wohin ı 
erfchienen von ihm ‚Die gelernte Liebe“, in Schaͤferdraͤma in 1 
„Das Vorfpiel”, ein ſachriſch⸗epiſches Gedicht in 5 Geſ., worin e 
f. vormaligen Lehrer Gottſched angriff. Da er indeß Beine fonberfic 
vor fid) fah, ging er abermals nad) Berlin, fchrieb hier die Haube: 
ſche politifche Zeitung, Lehrte aber bald nach Sachſen zuruͤck un 
Secretair und Bibliothekar des Grafen Brühl. Hier fchrieb er, a 
mifche Oper: „Der Teufel ift 108”, Gottſched's Eunftrichtetlichen 
regte, f. bekannte ‚Epiftel des Teufels“ gegen Gottſched, unſtreit 
Merk, wiewol ziemlich kraftlos. 1760 wurde R. Oberfteuerfecr 
den und ermarb ſich in biefem Amte allgemeine Achtung. Er flart 
befigen wir von ihm Briefe und vermifchte Gedichte, unter denen 


beruͤchtigte Erzählung: „Die ſchoͤne Nacht“, befindet, ein Hodz 


ohne fein Vorwiſſen Ins Publicum kam. 

Roſtock, eine der bedeutendern Handelsſtaͤdte an ber deutfc 
und bie größte Stadt (mit 16,000 Einw., unter denen kein Jude 
in Medienburg, liegt in der Derefchaft Roftod an der Warnow, n 
anfehnliche Breite erhält und ſich 2 Meilen nördlicher, bei dem $ 
Mmünbe, in die See ergießt. Sie iſt in ihren 3 Theilen, der Alı 
Mittelftadt, im Ganzen gut gebaut, und ihre vielen alterthuͤmlicher 
mit burgzinnenaͤhnlicher Borberfeite, geroähren einen reinern @indrı 
dazrifchen geflteute moderne Gebäude. R. hat 9 Kichen, unt 
Marienkirche mit ben Gebeinen des Hugo Grotius fich unszeichn: 
Plaͤtzen zeichnet ſich der ehemalige. Hopfenmarkt, jest Btächerspla 
durch Regelmaͤßigkeit als durch Bücher s Standbild von Erz, ein: 
tem Schadow, aus, welches von den Kürften und Ständen Mei 
berühmten Landsmanne 1819 hier errichtet iſt. Es iſt von einer fd 
anlage und diefe wiederum mit einem Gitterwerke von Gußeiſen u 
Seehafen Roſtocks ift zu Warnemünde; aber auch hier koͤmen Schi 
Bus Tiefe einlaufen, größere müffen auf einer unbeſchuͤtzten Rhede i 
leichtern, und fefbft bie Erhaltung diefer geringen Hafentlefe iſt für 
einem jähel. höchft bedeutenden Aufwande verbunden. Die Stadt ii 
Wällen und Gräben umgeben, ohne jedoch eine haltbare Keftung zu 
mit mehr als 130 eignen Schiffen einen lebhaften Handel; der 
Schattmbild ihrer mercantilifhen Wichtigkeit In den mittlern Jah 
bat fie mehre Fabriken, Zuderfiedereien c. und hält jährl. eine Meſſ 
flawiſcher Ort, wurde Roftod 1161 von dem Dänentönige Wald 
und mit f. berühmten Goͤtzenbilde In Afche gelegt. m 1170 dı 
Obotritenfuͤrſten Pribislav II. wiederhergeftelt, 309 f. günflige Hi 
eine ſtarke deutſche Bevoͤlkerung zuſammen, und als Fuͤrſt Dein 
1218 ihm die Stadtgerechtigkeit verlieh, muß es bereits uirgemiſ 
mit Municipaleinrihtungen verfehen gewwefen fein. Won 1237 — 
der Herren von Roſtock, dann unter dänifcher Hoheit, fl die S 
mecklenburgiſch und zwar feit 1695 ber fchwerinifchen Linie allen 
weien, Mitglied der Hanſa, fait von Ihrem ertten Kufktäten am, 


⸗ 


Erinnerungen vertilgen zu konnen. So geichah e6, DaB Woftock feit 
15. Jahrh. mit f. Landesherrn in eine dauernde Kette von Streitig⸗ 
He ward, weiche mehr als einmal Entſcheidungen durch die Waffen, 
h urkundliche Verträge, herbeiführten und erſt unter der Regierung 
roßherzogs, Friedrich Frans, durch einen neuen Erbvergleidy von 1788 . 
als beendigt anzufehen find. Auch nach biefem Vertrage befigt 
e einer eigenthuͤmlich und ganz republilanifch geordneten innern Ver: 
he die gefammte Adminiftration in die Hände der Bürgerfchaft legt 
ve eher zı wenig als zu viele Rechte zugefteht, noch eine folche Reihe 
n politifchen Rechte, daß fie unter den Städten Deutſchlands als 
ige Anomalie dafteht, zu weicher, wenn man bie 4 freien Städte 
ir Wismar in einigen Stüden einen Vergleichungspunkt barbietet. 
ber und Miedergerichtsbarkeit, welche nur das Oberappellations⸗ 
chim uͤber ſich hat, wie früher die Reichsgerichte; eine ziemlich aus: 
tzgebungs⸗ und eine unabhängige Polizeigewalt; ſowie eine ganz . 
srwaltung, felbft mit der Befugniß, Auflagen für die ſtaͤdtiſchen Be⸗ 
‚eranftalten; das Recht der Münze und einer eignen Flagge; das 
te die Ausfuhr zue See, welches nur mit Wismar, und eine Acciſe, 
te mit dem Großherzoge getheilt werden; endlich das Gompatronat 
t, an welcher der Rath 9 ordentliche, von ber Stabt befolbete Pros 
, mögen dafuͤr al& Belege angeführt werben, Auch die landſtaͤn⸗ 
Roſtocks find bedeutend; es bildet einen Stand für fich ; einer feiner 
: fige neit Im Directorium auf Landtagen und Lanbesconventen und 
es engern, permanenten Ausſchuſſes der Stände — Die Unis 
1419 von den Herzogen Johann UI. und Albrecht V. unter Mit 
Stadt geftiftet und vom Papft Martin V. beftätigt; fie war 1437 — 
fswald, 1760 nad) Buͤtzow verlegt. Da bie räthlichen Profeſſoren 
oſtock blieben, gab es eigentlich 2 Univerfitäten im Lande, bie 1789 


weinigung und Reftauration erfolgte. Sie hat 23 ordentl. Pros 
» melchen sa nicht an harihmton Mamen Fehlt inter han inttimten 





480 Roſtra Rota 


Mitgl. des Reichsraths, 1824 auf ſ. Anſuchen entlaſſen, war 1812 
in Moskau. Über wenige Thaten der neuern Zeit hängt ein ſolches 
über die, um beren willen Graf R. von Einigen hart angeklagt, vor 
gegen den erften Heroen aller Zeiten an bie Seite gefegt wurde. 

war man in Deutfchland wie in Frankreich überrafcht, den Grafen 18 
bad umd bald darauf in Paris als einen der liebenswürbigften, ge 
geiftreichften Männer kennen zu lernen. — Graf R. war geb. 17 
alter ruffifchen Familie, bie fi) aber in Staatsdienſten wenig beme 
hat; er kam als Lieutenant in die Baiferl. Garde und machte dann Rı 
land. Später ward er durch die beiden Grafen Numjanzoff begt 
Paul I. anfangs fehr hervorgezogen und mit Orden überhäuft, in 
in Ungnade entlaffen. Unter Alexander erhielt er das wichtige ( 
Moskau, und auf alle Fälle hatte R. bedeutenden Einfluß auf den 
Feldzugs 1812, wenn aud) bie Angabe ber Sranzofen, daß von ihn 
nung der Stadt planmäßig angeordnet worden, unwahr fein moͤch 
feugnete dies beftimmt in f. „Verite sur l’incendie de Moscou” ( 
Indeß ließ er fein Landhaus bei Moskau (vgl. d.) abbrennen und 
zur Vernichtung ber in Moskau befindlichen Magazine. Butarlin ı 
Urheber des Brandes von Moskau; auch die öffentliche Stimme in 
ihn dafür. — 1814 begleitete er den Kaifer Alerander zum Congr 
Seitdem befand er ſich auf Reifen; mehre Jahre verweilte er in Par 
der angenehmften Häufer machte und f. Tochter an einen Enkel d 
Grafen v. Segur (franz. Geſandten bei Katharina II.) vermählt: 
nach Rußland zurüd und flach zu Moskau im Anfang des J. 1826. 

Roſtra, im alten Rom, bie Rebnerbühne, von der herab t 
Vorträge an das Volk gehalten wurden. Der Name entſtand vor 
Schiffſchnaͤbeln, mit denen die Römer nad) der erflen gewonnen: 
gegen die Karthager (durch Duilius, 260 v. Chr.) die Rednerbuͤh 
bie bis dahin Suggestus geheißen.hatte. 

Roswitha (Hroswitha, Roswida), eigentlich Helena v. 
einer altabeligen Familie in der Markt Brandenburg, war Nonne des 
orbens zu Gandersheim um 980. Ihre Lebensumftände find m 
defto mehr aber ihre Schriften, welche ihr einen Ruf der Gelehrfam! 
maligen Zeiten erwarben. Kaifer Otto II. und die Abtiffin Gerber; 
heim foberten fie auf, die Xhaten Dtto d. Gr. zu fchildern, und fie 
Herameten. Wir haben von ihr den ,Maͤrtyrertod einiger Heilige 
eine Umarbeitung ber Luftfpiele des Terenz in Kloftermanier, mi 
geiftlicher Stoffe, u. a., auch hiftorifche Schriften. Konrad Cel 
ihre Werke, geſammelt zu Nürnberg 1501, Fol., heraus; die neuef 
beforgte Schurzfleifch zu Wittenberg 1707, 4. S. Schrödh’s 
berühmt. Gel.” (Bb. 1). 

Rota, oder Ruota Romana, das höchfte Appellati 
Papſtes über bie gefammte kath. Chriftenheit, das nicht nur in gelf 
fachen, fondern auch in Allem, was geiftliche Pfruͤnden, die über 5 
tragen, betrifft, entfcheidet und in feinen Urtelöfprüchen dadurch d 
wicht erhält, daß von dem Grundfag der Unfehlbarkeit des Papftei 
wird. Die Rota Romana hat eine collegialifche Verfaffung umd | 
Prälaten, unter denen 3 Römer, 1 Deutfcher, 1 Sranzofe und 1 
möffen. Sie führen fämmtlid den Titel: Auditores de la Rota, ı 
des heil. apoftolifchen Palaſtes, weil fie ihre Sitzungen woͤchentl 
Palafte des Papftes halten. Der Name des Serichtd entftand v 
daß der Fußboden des Serichtöfanies mit Marmorplatten in Geſte 


Roͤthelfarbe | Rothſchild (das Haus) Ä 481 


Sept iſt; n. A., weil anf dem Plage, wo dieſes Tribunal zuerſt errichtet 


bar, im alten Rom ein rundes öffentliches Gebaͤude ſtand. Es haben ben» 


ee auch andre oberfle Berichte, 5. B. zu Genua, geführt. Mit der päpflt. , 


15 hatte auch diefe® Gericht aufgehört; jetzt iſt es wieberhergeftellt wor⸗ 
Römifhe Eurie) 


thelfarbe, ein Farbenartikel, welcher aus den Kiefen, woraus man 
ist ausgelaugt hat, erhalten wird. Man unterwirft nämlich das nach - 


Kaugen bes Vitriols erhaltene Überbleibfel dem Schlaͤmmen, zieht hernach, 


Sand und andre grobe Theile fich gefegt Haben, die im Waffer befind» . 


? Erde ab, trodnet fie dann und brennt fie im Ofen zu rother Farbe. An 
sten fuͤhrt fie den Namen rothe englifche Erde. Sie dient den Ölmalern 
Ineichen, den Tabadsfabricanten zum Färben der ſpaniſchen Tabadexc. — 
\ ober Rothſtift, eine ſchwere dunkelrothe Erbe, eigentlich ein rother 
nexde vermifchter Eiſenkalk, der beſonders in Englanb und bei uns um 
B gegraben wird. Die gemeinere Art wird in der Medicin zum Blut⸗ 
ie auıd) von Tiſchlern, Zimmerleuten u. bgl. zum Bezeichnen ihrer Arbei⸗ 
macht. Die feine Gattung , welche fich fpalten laͤßt, wird wie das Reiß⸗ 
yalz eingefaßt, oder in länglichen Stüden fchachtelmeife zum Handel ges 
an gebraudt fie zum Zeichnen ıc. 


pthgießerei, Kunftgießerei in Metall und Bronze: Die geöften - 


in Diefem Imeige der Bildnerkunſt erzeugte Italien und Deutfchlanb. 
khmt war bort der Florentiner Lorenzo Ghiberti (f. d.), deſſen 
‚ reich verzierte Thuͤren die Taufcapelle' des heil. Johannes zu Florenz 
w. Unter den Deutfchen ift ber vorzuͤglichſte der treffliche Peter Witcher, 
dinen 5 Göhneh das 1519 vollendete Grabmal des h. Sebaldus in Nuͤrn⸗ 
J, u. wm. A. Johann Jacobi, der 1700 die Statue des großen Kurfürften 


bes Meer, auch ber arabiſche Meerbufen, das Schiifmeer, und 
Mrken Meer von Mekka genannt, ift ein Meerbuſen bes inbifchen Oceans, 
300 deutfcye Meilen weit in einer von S, nad Nordweſten gehenden 
zwiſchen Arabien und der Oftküfte von Afrika hin erſtreckt, bis zu 
3 umb Aften verbindenden Landenge von Suez (ſ. d.). Das zothe 
mt nirgends einen Strom von Bedeutung auf und iſt überall mit fan 

e, mit Klippen, oft mit Wüften umgeben. Die Schifffahrt auf 
IR gefährlih. Den Eingang aus dem arabifchen Deere, einem Theile 










Mie Pforte ber Gefahr). Die Infel Perim (eine Zeitlang von den Briten 
t fie in die ſchmalere arabifche und in die breitere afrikaniſche Straße. 
bat ein 40 — 60 Fuß tiefe® Fahrwaſſer. Auf der Straße Bab⸗el⸗ 

* das Cap el Mandeb, ein iſolirter Berggipfel von mäßiger Höhe. 
stbfchild, das Haus. Unter den Handelshaͤuſern, die bloß durch ein 
je WBentgung ber Wege, bie taufend Andern, gleich ihnen, offen flanden, 
| andenen Unternehmmungögeift, geregelten gleichförmigen Bang, 
der Menfchen und Dinge, bei feftbegrändetem Rufe unbefchols 
petsteit, groß und bluͤhend geworden find, ragt das Haus Rothſchild 


huyer Anfelm R., der Vater der jept lebenden 5 Brüder, warb zu 
“am. ae „et Altern, . er ſchon in feinen n1 1 * 
pexen gottes ge Leute, die, da hzeitig an dem uren 
ps Fäplgteiten bemerkten, Alles ai ge ibm eine gute Erziehung 
n, Zum Lehrfache beftimmt, betrieb er mit Fleiß die hierzu erfoberlichen 
Mafter auf der Schule zu Fürth und kehrte von dort nach einigen Jahren 








Wen oder indiſchen Oceans, bildet die 5 Meilen breite Meerenge Babsels 


x 


y° 


. N . 
438 Er 2 Rothſchild (das Haus) u 
dt zuruͤck. ‚Hier erwarb er ſich eine gute Kenntniß der 


Watecihbt 
%; 7 Münzen Dies Studium ward für ihn in der Folge nicht nt 


fich augeſehene Verbindungen zu verfchaffen, fondern felbft ein nid 
‚licher Erwerbszweig. Da er fi, zugleich in ben Comptoirwiſſenſi 
hatte, fo wurden ihm von mehren Seiten Dienſtantraͤge gemacht. E 


RMufe nady Hanover, wo er ben Gefchäften eines reichen Wechſelh 


Jahre hindurch mit großer Sorgfalt vorſtand. Bei f. Ruͤcktehr mı 


verhgirathete er ſich und gründete mit einem kleinen, durch Fleiß und 
erworbenen Capitale das bis heute beſtehende Wechſelhaus. In Eu 


wannen ihm ſ. Kenntniſſe und die erprobte Rechtlichkeit ſ. Denkungs 
trauen anſehnlicher Haͤuſer; er erhielt bedeutende Auftraͤge; fein Gt 
Bermögensftand nahmen zu. Eine weſentliche Erweiterung, f. Wi 
warb ihm zu Theil, als ihn der Landgraf, nachher Kurfürft von Heſſe 


zuerſt beim Einkauf .alter Münzen und dann bei a. Gelegenheiten, ein 


verlaͤſſigen ale brauchbaren Gefchäftemann kennen gelernt hatte, 18C 


. agentgn ernannte, in welcher Eigenſchaft er fo erſprießliche Dienfte lei 


rfuͤrſt bis gu f. Tode nicht aufhörte, ihm Merkmale ſ. Wohlwoll 
trauens zu geben. *) Während diefer Zeit, namentlich 1802, 1803 ı 


er auch in den Fall, die erften durch f. Haus contrahirten Staatsanle 


$. dänischen Hofe im Betrage / von 10 Min. abzufchließen. Auch R. 
in Franifuct ſchaͤtzten ſ. Verdienſte. ‚Dev damalige Großherzog, di 


den Iſtaeliten den vollen Genuß der birgerlichen. und politifchen Me 
. hatte, berief ihn zum Mitgliede des dortigen Wahlcoll 6: eine ? 


wodurch dieſer Fuͤrſt befonders die zahlreichen Un gen, die 


der Roth feinen Mitbluͤrgern angedeihen lleß, belohnen wollte. 1812 


Anf. R. den Seinigen durch den Tod entriffen, nachdem er feine 1: 


| fegnet und befonders feinen 5 Söhnen das Gebot unverbrüdlicher | 


Herz gelegt hatte: Nie iſt ein vaͤterliches Vermaͤchtniß gewiſſenha 


.nendey vollzogen worden. Eo iſt ein eigenthuͤmlicher Bug im der 


dieſer Famllie, daß die ſaͤmmtl. Mitglieder derſelben bei jedem wichtig 
ihres Lebens, bei der Beurtheilung jedes Geſchaͤfts gleichſam den 
Vaterd zur Rathe ziehen, ſich oft woͤrtlich feiner weiſen, durch Verf 


fahrung geeeiften Beheen erinnern und ſ. Namen nie ohne. Ehrfurcht 


— 1818 traten jeme politifchen Verhältniffe ein, welche das Haus 
ununterbrochene Weihe großer Geld⸗ und Grebitoperationen zu ber € 
gegenwärtig in den europäifchen Commerz⸗ und Sinanzangelegenheit 
gefuͤhrt Haben, Es find naͤmlich in einem Zeiträume von 12 Jahrer 
mittelung biefes Hauſes, für Rechnung ber europaͤiſchen Souver 
411— 1200 Mi. Bulden theils als Anleihen, theils als Subfit 


‚ Übernengnen werben, wovon ungefähr 500 Mist. für. Englan 


O ſtreich 100 für Preußen, 200 für Frankteich, 120 für Neapel, 
land, 10 füt einige deutſche Höfe und Z0 für Vraſilien — ohne wet 


verbuͤndeten Höfe, Im Betrage von mehren 100 Mill. ausgezahlten | 


entſchaͤdigungsgelder, noch die mannigfaltigen vorübergehenden Geſt 
in Auftgägen ber verfchiebenen Regierungen vollzogen und deren © 
die vorftehenden Summen wol noch weit überftieg, in Anfchlag. ze 
Die Frage, wie das Haus Rothſchild in fo kurzer Zeit alles Das, 
flet, unternehmm-and vollhringen konnte; hat ohne Zweifel mehr + 
25 Als der Kurfuͤrſt von Heſſen 1806 bei ber Annaͤheru 

ans R Kane en — — ee re u, 
Rapeleons geworden. R. rettete einen betraͤchtlichen Theil deſſelben bu 
Kiugheit, obgleich nicht ohne. eigne Gefahr, und verwaltete es gewiſſenh⸗ 


Rothſchild (das Haus) 488 


a und politiſchen Kopf’ befchäftig. Wer, ohne bei Zufaͤlligkeiten zu vers 
Sinn genug bat, um zu faffen, daß der Erfolg in allen großen Gefchäften 
der Wahl und Benusung des günftigen Augenblicks allein, ſondern mehr 
ber Befolgung einmal anerkannter Sunbamentalmarimen abhängt, Dem 
> Mar werben, welche Grundfäge dies Haus nie aus den Augen verlor, 
‚ neben einer Eugen Gefchäftsführung und vortheilhaften Conjuncturen, 
en Theil feines Flors zu verdanken hat. Der erfte dieſer Srundfäge bes 
die 5 Brüder, ihre ſaͤmmtl. Sefchäfte in ununterbrochener Gemeinfchaft 
en. Das war die Regel, die der fterbende Vater ihnen hinterließ. Seit 
: Deffelben ward jeder Antrag, von welcher Seite er aud) ausgehen mochte, 
aſtand ihrer gemeinfamen Berathungen; jede nur einigermaßen bedeu- 
ration ward nad) einem verabrebeten Plane und mit vereinten Anftren- 
führt, und Alle hatten gleichen Antheil an den Refultaten. Wiewol feit 
ahren ihre gewöhnlichen Wohnfige weit von einander getrennt waren, fo 
ch diefer Umſtand ihr enges Einverftänbniß nie flören, vielmehr fliftete er 
beit, daß fie, von der Lage der Dinge auf verfchiedenen Hauptplägen voll» 
unterrichtet, Jeder auf feinem Punkte, die von dem Geſammthauſe zu 
enden Geſchaͤfte um fo zweckmaͤßiger vorbereiten und einleiten Eonnten. 
Lebt naͤmlich der Ältefte Bruder, Anfelm, geb. d. 12. Juni 1773, als 
Stammhauſes zu Sranffurt a. M.; der zweite, Salomon, geb. d. 
1774, bat ſich feit 1816 abwechfelnd in Berlin und Wien, größtentheils 
lesterer Hauptftabt aufgehalten; ber dritte, Nathan, geb. d. 16. Sept. 
a Mann, ber burdy feinen fcharfen Geſchaͤftsblick und durch wichtige 
ich das Vertrauen der erften britifchen Staatemänner erworben hat, lebt 
zu London; ber vierte, Karl, geb. d. 24. April 1788, feit 1821 zu 
der jüngfte, Jakob, geb. d. 15. Mai 1792, mit einer Tochter des 
Bruders, einer der liebenswuͤrdigſten Srauen ihrer Zeit, vermählt, ſeit 
Doris. 
e andre Srunbfag iſt der, bei Beiner Unternehmung nad) übertriebenem 
pt trachten, jeder ihrer Operationen beſtimmte Schranken anzumeifen und, 
mfchliche Kiugheit und Vorſicht es vermag, ſich von bem Spiel der Zufälle 
ig zu machen. Sin diefer Maxime liegt eins der Hauptgeheimniffe ihrer 
Es ift ein Zweifel, daß fle mit ben ihnen zu Gebote ſtehenden Mitteln 
rtheil bei dieſer oder jener Operation weit höher treiben Eonnten. Wenn 
ı die Sicherheit ihrer Unternehmungen dabei nicht gelitten haben folfte, fo 
p Doch zulegt weniger gewonnen als durdy Vertheilung ihrer Kräfte auf 
ere Anzahl immer wieberfehrender, unter mannigfaltigen Conjuncturen 
tGeſchaͤfte. Daß es ihnen an dieſen nicht fehlen konnte, daflır bürgte 
B ihr Reichthum und Credit, fondern auch das Vertrauen, das fie durch 
keit ihrer Foderungen, durch bie Puͤnklichkeit ihrer Leiftungen, durch bie 
sit und Klarheit ihrer Plane und die verftändige Ausführung derfelben, 
Herungen-und allen großen Häufern eingeflößt hatten. Insbeſondere has, 
niiche moraliſche Charakter der 5 Brüder auf den Erfolg ihrer Unterneh⸗ 
Beinen geringen Einfluß gehabt. E86 ift nicht ſchwer, fich eine zahlreiche 
s verfchaffen, wenn man mächtig genug ift, Viele in fein Intereſſe zu 
Mber die Stimme aller Parteien zu vereinigen, und, wie die Volksſprache 
heit, bei Groß und Klein hoch angefehen fein, fegt nicht bloß materielle 
fondern auch Gemuͤthseigenſchaften voraus, bie nicht immer mit Macht 
thum verbunden find. Wohlthaten um fich her zu verbreiten, keinem 
mden bie Hand zu verfagen, jedem Hülfefuchenden, zu welcher Claffe 
choͤre, bereitwillig entgegenzulommen und die weſentlichſten Dienfte in 
igften Kormen zu Bleiden: diefe Wege zur wahren Popularität haben, 
Bes. Siebente Aufl, Bd. IX. 28 


484 Ruhe 


role Tauſende von Zeugen beftätigen werden, ſaͤmmtliche Zweige der & 
nicht aus Berechnung, fondern aus angeborene Menfchenfreundlichkeit unh 
muͤthigkeit, betreten. in 
Die Berdienfte dev Herren v. Rothſchild find von mehren ‚Höfen 
anerkannt worden. Außer verfchiedenen ihnen verliehenen Orbenszelchen 
ſaͤmmtl. Brüder bereits 1818 zu k. preuß. Geh. Commerzräthen, 1815 m 
ſiſchen Finanzraͤthen und von dem jegigen Kurfürften zu Geb. Finanzra 
nonnt. Der Kaifer von ſtreich verlieh ihnen 1815 ben erblaͤndiſchen M 
und 1822 den öftreich. Freiherrnſtand Überdies wurde 1820 der in 
etablirte Bruder zum k. k. Conſul und 2 Jahre nachher zum Generalconſul i 
fomwie 1822 der dem parifer Haufe vorftehende zum Generalconful ernannt. 
Rothbwälfc, eine Sprache, welche bie europäifchen Zigeuner, Spt 
unb Bettler unter fich reden, um nicht von Adern verflanden zu werben. 
ein Gemiſch von gemeinen oberdeutfchen, jüdifchdeutfchen und felbflg 
Woͤrtern, auch Verbrehungen von Wörter, um diefelben unfenntlid zu 
Manche deutfche Wörter und Redensarten haben in diefer Sprache durch 
brauch ber Sauner eine ganz eigne Bedeutung befommen; vorzuͤglich fink 
viele Milderungswörter darin, beſonders für diejenigen Begriffe, welche bad 
werk der Diebe, die geftohlenen Sachen u. dgl. bezeichnen. Einen Haupt 
theil machen jedoch die Medensarten und Wörter aus, die aus dem foge 
Juͤdiſch⸗Hebraͤiſchen, wie es nämlich von dem gemeinen Dann gefprocheg 
entlehnt find, ein ziemlich ficherer Beweis, daß Juden die Erfinder dieſer € 
‚ art waren. Doch find die meiften Wörter fo entftellt, daß es ſchwer ift, U 
richtige Lesart und Ausfprache wieberherzuftellen, noch ſchwerer, fie richtig 
lich aufzuzeichnen. Die Sprache heißt auch die jenifhe Sprache und iſt 
eigentlichen felbftändigen Zigeunerfprache , mit der ſie nur einige Wörter 
bat, fehr verfchieben. Die Kenntniß diefer Sprache ift beſonders für den prı 
Juriſten von der größten Wichtigkeit, um bei Verhaftung von Diebesbenf 
nähen Umflände des Diebſtahls, die Art und Weiſe, wie derfelbe geſche 
überhaupt bie Ökonomie ber Banden genau kennen zu lernen. Daher bei 
fich fehon früh, Gerichtsperfonen Huͤlfsbuͤcher zur Erlernung derfelben in! 
zu geben. Diefe Buͤcher entilanden aus Mittheilungen eingezogener Ga 
. nen man das Geheimniß ihrer Sprache entlodtte. Schon 1601 erfchien 
matik der rothwaͤlſchen Sprache, eine vollftändigere zu Frankfurt a. M 
1791 erfchienen die von dem ehemals berüchtigten Gauner Conftanzer DI 
zu Sulz; am Nedar verhaftet wurde, gegebenen Nadyrichten im Drud. 
neueften Zeiten aber iſt die Kenntniß diefer Sprache durch die Bemuͤhn 
merkſamer Suriften bedeutend erweitert und allgemeiner verbreitet veorben 
Ausführlichfte, was wir bis jest über diefe Sprache befigen, ift in der 1AR 
Dr. Pfifter herausgegebenen „Actenmäßigen Geſchichte der MNäuberbanden 
beiben Ufern des Maine, im Speffart und im Odenwalde“ enthalten, we 
MBerfaffer eine Sammlung und Verbolmetfchung jenifher Wörter angeh⸗ 
Da aber bie in biefem Werzeichniffe vorkommenden aus dem Debrätfchen e 
Wörter und Benennungen oft entſtellt und unrichtig aufgefaßt waren, inde 
feine Beiträge von Gaunern erhielt, die nicht geborene Juden waren, 
mit einer Bande zu thun hatte, die nur aus Chriften beftand, fo bat fü 
lebeter (det ſich Br. unterzeichnet) ber Mühe unterzogen, die ans dem Belt 
entlehnten, in dem genannten Berzeichniffe befindlichen Wörter zu bei 
Seine Verbeſſerungen flehen im „Allg. Anz.”, 1812, Nr. 174 und 18 
ige Nachträge dazu ebend. Nr. 237. Noch einen wichtigen Beitrag zur 
der jenifchen Sprache hat geliefert Chriftenfen (Juſtizrath zu Kiel) in feinem 
betiſchen Verzeichniß einer Anzahl von Räubern, Dieben und Wagabumi 
































Rothweiß ·  KRotron 485 


, ‘ 0 
Fügten Signalements ihrer Perſonen und Angabe einiger Diebesherbergen BE 
en mach den Ausfagen einer zu Kiel 1811 und 2812 eingejogenen r 
(Hamburg 1814). : In diefem Buche Hefert derſelbe Beiträge zum ; 
m, Dia worzügtid) darum anziehend find, weil biefe Meiträge , die aut: Yu 
mar im Rorbdeutfchland, vorzuglich in Holſtein und Mecklenburg, eingemg 
Bonumern gefcyöpft find, bewe iſen daß jede Diebespraving ihre eisne Spres 
Ru ab Der Rorddeuiſche fich von dem Sühdeutfehen twefentitd, unterfcheike. 
Be Entfehung ber Sprachen anzugeben ift ſchwicrig Gewis ift, daß mai / 
n fit Sasis V. Zeiten in Deutfdyand-Bennt, wat. %. guch bie Önrbenduie 
$ Die abgebauften Soldaten, die · als Bettler umhotſtrichen, ſich ihm: ber .. 
« Ebenfo ſchwierig iſt bie Derleitung de6 Namens euthwäifch. Gotsicl- 
in Ableitungen war, leitet ihn vom kaiferL Kammergericht zu 
el her, weil dies fo felerht-brutfch heſcheiebem : Wernänfüger-ift dir Digi 
Inbeer,, ‚der. Name ſtamme vom ital. rotto, gebrochen, fobaß es eine ze ' 
wEomberweifhe Sprache bedeute. ::Die richtige Ktymolegie ift viellaicht bie 
Eyrache felbft. In berfeiben bedeutet Rot einem Bettler, und Rotbog eine 
xcbers⸗⸗ wältdı ift autiändifch, fremd Aberhanpts eothwaͤiſch waͤre alfa’ gang 
ig eine Syt ache der Bettier.umd Vagabunden. Die Diebe uud Bamze ff 
Hihse Spoache Kokumloſchen zu neunen, d. h. kiuge Sprache von bike. 
mhanamı (weife, Eug) und Iaschon (die Sprache. iſt ſie auch aech 
bu. d. N. Diebes · oder Gaunerſptache. .-i *. 7% 70 
Rotbm.eil oder Rottweil,nnormals eine t freie: Reic 
dm, Zu ann Baia welches. dom ea Tg ren 
J dgrafſchaft Bar und der oͤſtr. Grafſch— NEU, 3 
—— fe zum Schwargwaldkre iſe des Anigreichs Wirtenbeng GR 
Heiner Anhöhe am Nedar, ift altmodiſch gebann und · mit. hohen 
Thůͤrmen umgeben, Sie hat ein ſchoͤnes Kaufhaus, -ehmanfe 
ein Gpamafiym, eine Zeichnungsſchule kr Khuflies und Haubweris 
ie eine mit einem fehenswerthen gothifchen Thunac; 500 Hänfer and 
welche Komm unb Viehhandel nad) der Schweij treiben: - Die-Enct 
Märkte ‚ vom welchen der Viehmarkt am meiſten befuchtwirk. 
fonft der Sig eines LuiferkxHofgerichts; weiches Konred AL, als ey feine 
bien-hatte,. 1146.gegrünbet haben foll.- Bb-Heflant::anß.einene wo « 
beffen Stellvertreter und 7. Aſſeſſoren, diesieits:mut dera AO, . 
B Magiftentäperfonen zu Rothweii gewaͤhlt nameben..- Sein Friodriche A. 
das Exbhofrichteramt. ein Erbmannlehn der · Graten von Snip Mae 
Ma des Mannsjlammesderfeiben kam diefe Wie 1687 durch) Heirath·e Nie 
Bon Schwarzenberg, bei denen fie bis in die geueſten Beiten biieh. Eein 
E erſtreckte ſſch weit durch das mittlere Deutfeylanb his am den Rhein sr 
















Er haus ſtreich, die-Kurfücften, Bamberg, Mlezburg;: 
indie Markgrafen von Brandenburg, bierPerjuge vom Uihrteniiens - 
von biefer Gerichtöbarkeit ausgenommen. : Die Proreforbugung: zh der 
Hebskamımergeridjts, nur war fie nicht mit fo,vielen Ginnlicpleitescuerften " 
Bor dem wothweilfcen Hofgericht konnten alte Betpköfedpen , nier wädzt geifl- 
DB Ehefachen, verhandelt werden und man ampeiivte:vin: demfelben Ou’bab 
Hammergerihtamd ben Reichshofrath. 1803 warb 6 vom be Könige ven 
Imberg.anfgehoben. Die Reichsftände hatten immer die Aufhebung defekt 
rail auch feine Ausfprüche nicht im großem Auſehn tanden. T.w'n 
Katr on. (Iean), Trauerfpieldichter, geb. 1609 9m Dorur, wo er abs ſatul⸗ 
Bemmter-ichte. Er war unter ben dramatiſchen Dichten unmittelbur vor 
Alte der geiſtreichſte. Won feinen 36 Trauerfplelen, Tragitomsödien und Ruf 
dai fich nur das von Marmontel Überarbeitete Retaenipet rnasttah G 
Be 8 


> 


486 Rottecdk 


gedruckt im „Theat. frane.“, 2. Bd.), deſſen Grundlage von dem ſpan. Di 
Francisco de Roxas entlehnt ift ‚ aufder Bühne erhalten. R. fuchte dad Zr 
ſpiel und die Tragikomoͤbie durch moralifche Zwecke zu veredeln und feine 
mid Heldinnen chriſtliche Empfindungen vortragen zu laſſen. R. zeichnete 
fehe edle Geſinnungen aus. Er weigerte ſich ſtandhaft, ale Ricyelien, 
ein Jahrgeld gab, in ihn drang, unter ben Tadlern des Trauerſpiels ‚‚Cib” ei 
ten, die der Cardinal zu werben fuchte. Er ward das Opfer feines Ede 
als ee 1650, wo eine peftartige Seuche feine Vaterſtadt verheerte, fü id) * 
Vorſtellungen bewegen ließ, feine Mitbürger, deren Wohlfahrt zu b 
Amtspflicht gebot, In ihren Bebeängniffen zu verlaffen. Seine ‚Deurres'f | 
Paris in 5 Bhn. 1820 erfchien 
Rotted (Karl v.), roßberzogl badifcher Hofrath und ordentl F 

DE Rechte an der Untverfität Freiburg, ein für Wiffenfchaft, verfaffur 
Recht, Licht und Aufklärung in feinem Berufskreiſe, wie in allgemeinen ® 
siffen gleich wirkfamer Dann, geb. den 1. Juni 1775 zu —— ‚wo fin 
Director der mebicin. Facultät und Protomedicus ber vorderöftreich. | 
fludiete auf ben Gymnaſialſchulen und auf der Univerfität feiner Vaterftaht, | 
daſelbſt Affeffor beim Stadtmagiftrat, 1797 Doctor der Rechte und 1798 
Drofeffor der allgemeinen Geſchichte Durch Reifen nad) Wien, Paris 
Schweiz und nach Italien: verband. fich In feiner Bildung mit tiefer Gefd 
ſchung die höhere Weltanſchauung; und wie er dadurch fefte- Grumbfäre 1 
Ton edler Freimuͤthigkeit ſich ameignete, ſo belebte diefer Geiſt und durchbrau 
Charakter auch ſ. Schriften, bie fhon durch ihten blühenden Styl viele * 
In J. G. A Tafchenbuc, „Iris und Inden „Deutfchen Blättern’ 
Burg) ifiehen gehaltvolle Auffäge von Rotdeck, meiſt gefchichtlihen Inhalts 
elter 1814 dem unvergeßlichen Großherzoge Karl Sriebrich , ſowle en Ä 
Ey und Lehrer Jacobi Bie Bebächtnißrede. R.’9 Hauptwerk ift f. „Ah 

hichte”, durchgeführt vor: Standpunkte des Rechts und der geſetzlich 
heit; dee 9. und Jeſte Bd. erfchien Freiburg 1826. Es iſt reich an g 
Blicken auf die Brit, in welcher der Verf. Tchrieb: Die 6: Aufl. dieſes We 
vorbereitet. Unter feinen übrigen hiſtor Arbeiten nennen wir unter mel 
Erſch's und Gruber'sEnchklop.“ die Blographle Alexanders d. Gr. ‚And 
zeichnet bie Ruͤckficht auf Recht und Politik den Charakter feiner bir 
diem) Balb erweiterte fich der wichtige Beruf: dieſes Gelehrten. Ä 
vbn ſrinem Landeöheren ben Dofrathetitel:unb 1617 von der Tänigt. & 
Aladentie der Wiffenfchaften das Diplom als Mitglied erhalten; 1818 
eu den Lehrſtuhl der Sefchichte mit dem des Vernunftrechts und der Staa: 
ln die er in feiner Antrittsrede eine Schülerin der Gefchichte nannte, : 
Vorftellung „Über die Erhaltung der Univerfität Freiburg‘, v 
* —** dieſe beruͤhmte Anſtalt den Beſchluß ihrer Fortdauer· Die U 
waͤhlte ihn daher, als die vom Großherzog Katl gegebene Berfaffung Da 
fen Nachfolger 1819 ins Leben gerufen. ward‘, zu Ihrem Abg 
erſten Kammer. Man kannte Hrn. v. R. bereits als Publiciften ans fine 
ten, „Über die heutige Kriegamanier” (Germanien 1816) und „Über fi 
und Nationalmitiz‘ (ind Franz. und Engl. uͤberſetzt). Jetzt erſchlenen fine | 
benden Betrachtung aller Vaterlandsfreunde würdigen „Ideen über 2 
welche Benjamin Conftant ins Franz. übertrug: eine Überfegung , bie bio . 
ſchenk an Freunde verfendet wurde. Dann legte Dr. v. R. das „Laubfih 
Archiv‘ an, welches neben allgemeinen Auffägen eine fortwährende Über 
Landtagsverhandlungen dem Publicum darbot. Noch wichtiger war fi 
telbare Theilnahme an ben Verhandlumgen felbfl. Won ihm fagt em ı 
Staatsmann in ber Zeitfchrift „Tribune” (bei Gotta 1819): „Motte te 



































ar} 


x 
| 
| 


Rotten-Borough 437 


te Denfart und den Reichthum feiner Kenmtniffe nicht nur als Grundlage 
Wirkens in das öffentliche Staatsleben über, fondern feste auch darin mit 
Seiſte und gluͤcklichem Talent die wiffenfchaftfiche Behandlung fort, ohne 
treffende Anwendung und Wirkſamkeit für ben Augenblick, die auf dieſem 
e nit Hecht verlangt werben, jemals gefehlt Hätten. Er ſtand in der Staͤn⸗ 
mumlung al& das Muſter eines edeln Mannes da, dem Vernunft und Wahrs 
reg Alles gehen. Keine Leidenſchaft und keine Ruͤckſicht flörte fein Benehmen. 
knfter Gemuͤthsart, von beſcheidener umd freundlicher Haltung, fein und 
u Umgange, konnte Hr von R. felbft den Gegnern kein Gegenftand perfäns 
Beinbfchaft werben. Sein Vortrag ift ruhig und wärbig, bisweilen bluͤhend, 
wiftennd einfach. Die Gabe der freien Rede befigt er in vorzüglichem Grabe”. 
m beiben erften Landtagen gehörte ber Freiherr von Tuͤrkheim, Staatsrath, 
kzertor und Gurator der freiburger Univerfität, zu R.'s vorzüglichften Geg⸗ 
Dit den beiden Vertretern der Schweſterhochſchule Heidelberg , Thibaut 
ichariaͤ, flanb er ebenfalls meift in Widerſtreit. Dagrgen unterflügte ihn 
ev. Weſſenberg 'bei vielen Anläffen ; auch that dies oft der Präfibent bee 
er, Markgraf Wilhelm. Vorzuͤgliche Beachtung erhielten R.'s Vorträge 
‚über die Stubienfreiheit,, über die Angelegenheiten ber kath. Landeskirche, 
e päpftlichen Anmaßungen in der Weffenberg’fchen Angelegenheit, über Zehn⸗ 
Frohnen, über das Adeldebict uw. a. m.; aus dem J. 1520 die Vorträge 
Böfumg der Leibeigenfhaftslaften,, über Bermögensconfiscation und Beſtra⸗ 
er Deſerteurs, über die Verantwortlichkeit dee Minifter, über Preßfrelheit 
aus dem J. 1822 die über Handelsfreiheit, über Abfchaffung der Staats⸗ 
n, der Einquartierungss und Lieferungsbedruͤckungen, über die Gemeindeord⸗ 
Lf. mw, — Bei feiner Ruͤckkehr von dem erſten Landtage warb Hr. v. R. in 
ug feierlich empfangen, vorzüglich von Seiten der Studirenden; die Stadt 
weihte ihm als Zeichen ihrer Hochachtung einen filbernen Becher. Kür 
| Lanbtage wurde er weder von ber Univerfität noch von ber Stabt wies 
Abgeordneten gewählt. Hr. v. R. hat zu mehren kritifchen Zeitfchriften, 
zum „Dermes‘, treffliche Recenfionen, meift über flaatsrechtliche Schrif⸗ 
zu Murhard's „Politifchen Annalen“ eine beuriheitende Befchichte bed 
Landtags beigetragen. 67. 
otten=Borougb, b. h. ein veroͤdeter Marktflecken, weicher nach um 
ſehr in Verfall gerathen iſt, daß das darauf haftende Recht, Abgeord⸗ 
Parlament zu fenden, in die Hände weniger Eigenthuͤmer gefommen 
Borough heißt in England jeder Ort, der berechtigt ift, Mepräfentanten 
ins der Semeinen zu wählen, das bekanntlich feit der Mitte de 14. 
k neben den Baronen, als abgefonderte Stellvertretung beftand. Seit⸗ 
ab viele, in alten Zeiten zur Reichsſtandſchaft berechtigte Örter zu arm⸗ 
Doͤrfchen berabgefunten, wo oft nur fehr wenige abhängige Eigenthämer 
Stimmrecht ausüben, während anfehnliche, fpäter zu Wohlftand und An⸗ 
e Städte, wie Mandhefter, Leeds, Birmingham, Sheffield, bis 
Wahlrecht find. Solcher Örter werden ungefähr 20—30 gerechnet, bie 
men 50— 60 Abgeorbnete zum Parlament wählen. Darunter gehören auch 
inımer des Fleckens Old-Sarum, einige Meilgn von Salisbury, wo in einem 
Ishanfe, bem einzigen überreſte des Ortes, zur Zeit einer Parlamentswahl 
deigenthuͤmer, welchen die umliegenden Ländereien gehören, verfammeln, 
eordnete zu wählen. Dan hat bei Belegenheit der Vorfchläge zur Vers 
ug ber Parlamentöverfaffung jedesmal auch auf Aufhebung dieſes Miß⸗ 
gedrungen; aber immer vergebens, da die in Verfall -gerathenen Flecken. 
unter dem Einfluffe angefehener Gutöbefiger ftehen, in deren Händen daher 
Baht ift, ober aber durch eine Betriebfamkeit, die man Zledenmäted (Bo- 





der Wähler faͤllt. Die Vertheidiger der beftehenden Wahlgofege, w 
der verſtorbene geiftreiche und patriotifche,, aber in biefem Punkte von 
verblendete Winbham gehörte, fuchen zwar auch biefen Mißbrauch z 
und meinen, es komme uͤberhaupt auf bie Wahlform wenig an, wen 
gezeichnetften Köpfe in dem großen Volksrathe verfammelt würben, 
der in jenen Flecken leicht zu erlangende Einfluß (zumal wenn redlich 
freunde Ihn ausübten) ein Mittel werben Eönne. Aber felbft wenn n 
ben wollte, würde man bennod) ſolche Mißbraͤuche verdammen müffe 
würdige Gebrauch, die Wahlberechtigten in den Rotten Borough, 
dern feilen Flecken, zu gewinnen, nothmwendig unter dem Volke die 
heit und den Stolz auf Unabhängigkeit unterdrüden wird, und ba in 
des Volkes allerdings mehr als in der Zufammenfegung der geſetz 
ſammlung der wahre Lebensquell der Landesfreiheit zu fuchen ift. 
Rotterdam, duch Handel und Wohlſtand die zweite S 
noͤrdi. Provinzen der Niederlande und, die füdlichen mitgerechnet, 
Volksmenge nadı Amfterdam und Brüffer, Sie enthält 6600 H.,n 
Sie hat die Geſtalt eines Dreiecks, deffen Grundlinie ſich ſaͤdofuch 
lehnt, und gewaͤhrt, vorzuͤglich wenn man zu Waſſer von Dordrecht 
prachtvolle Anſicht. Der kleine Fluß Rotte, der hier mittelſt einer € 
Mans oder Merwe faͤllt, gab ihre den Namen. Gie erhielt Stab 
ward ſchon im 14. Jahrh. 3 Mal und noch 3 Mal gegen das Ende d 
vergrößert. 1480 warb fie durch den Häuptling der Inſel Hoekſch 
Diſtrict Dordrecht), Franz van Brederode, eingenommen und eine ; 
den Erzherzog Marimilian mannhaft vertheibigt, brannte 1563 gr 
warb 1572 von den Spaniern durch Verrath eingenommen und ge 
erhielt 1580 buch Wilhelm I. als die erſte unter den fogenannten EI, 
Sit and Stimme in den Staaten von Holland. — Seitdem hat i 
beſtaͤndig zugenommen ; felbft in dem nahrungslofen Zeitraume von 1 
Utt Motterbam vermöge feiner guten Handelslage verhälmigmäßig 


al2 scahua Ppalnsn Eau m amalanlabsn Mana Sana aan “ho. ll nad kan Mina !. 


Raotunda. Rob . 480 
; Die lateln. Schulen der Stabt werben noch jetzt nach dem Namen des grow, 
Iaunes benannt. Die innere Stadt (Binnenftad) wirb durch bie hohe Bi 
vs (Buitenftab), an der Maas gelegen, gefchieden ; die erſtere Hat 







und befteht faft ganz aus Bürgerhäufern, die Iegtere hingegen 
Ue Kaufmannshaͤuſer, denen ſich die Seefchiffe (jährl. über 1500) 
kumigen: Anterplägen unmittelbar nahen, wo fie mit feltener Leichtigkeit akt 
Wadern Eönnen. Uster ben Landungsplägen oder Quais bes trefflichen Das 
Kb die vorzuͤglichſten: der Wins, Leuven⸗ und Nienmehaven, der Blaak, 
Irfchen und fpanifchen Quais, das Haringvliet und ber prachtvolle, fehön 
bite Quai an der Maas, de Boompies. Seeſchiffe, die hoͤchſtens 15 Fuß 
Maſſer gehen, nehmen die Fahrt über Briel (Brielle); gehen fie tiefer iin 
e, von Helvoetfluis durch das Hollandſch Diep und das dortſche Kil (Bahr 
x. war ſchon früh der Hauptfi ig des Holländ. Handels nadı England wid 4 
Hand , und regelmäßig fegelte eine Sloop zwifchen hier und London; diefer - 
ae weig iſt jet völlig hergeftellt. — Die vorzüglichften öffentlichen Gebäude 
Ne große St⸗Laurenzkirche, enthaltend die Gräber der nieberländifchen, größe 
BE im den Kriegen gegen England und Frankreich zwiſchen 1660 und, 1674. 
enen Sechelden de Witte, Kortenar, Joh. van Brakel, Joh. de Lief, de 
ne Mes ,. Kornelius Matelief und Mooi Lambrecht. Außerdem gibt ed hier 
kentfche amd fchottifche Reformirte, franz. und engl. Biſchoͤftiche, preobyle⸗ 
be, tutherifche, katholiſche, anabaptijtifche und remonſtrantiſche Kirchen und 
Käufer. Die Börfe ift groß und ſchoͤn. Bemerkenswerth ift das Abmiralb 
baͤnde (Zekantoor) und der anfehnliche Schiffswerft. Die beiden Haupt 
** find an der Weſtſeite das Nieuwe⸗Werk und an der Oſtſeite die Blau 
apflanzung), beide an der Maas. — Unter den Fabriken jeichnen fidy bie 
affinerien aus. Außerdem gibt e8 Branntweinbeennereien, Naͤh⸗ und Steck⸗ 
Rorko fropfen⸗ und Lackmusfabriken i unter ben wiſſenſchaftlichen Anſtalten: 
rafſch Genootſchap voor proefondervindelijke Wijsbegeerte (Geſellſchaft zur 
zung wiſſenſchaftlicher Forſchungen); eine gelehrte Geſellſchaft unter ber 
ing: Verſchiedenheit und Übereinftimmung, und eim beträchtlicher Zweig 
Imsdifchen Akademie der ſchoͤnen Künfte und Wiſſenſchaften. Man behaips 
in R. das Holländifche am reinften gefprochen wird. 
asıında (Rotonda), iiberhaupt jedes Gebäude, das Außen und Innen \ 
B-. . So if 3. B. das berühmte Pantheon zu Rom: eine Rotunda, beren Ins 
Buxch eine an der Dede angebrachte Öffnumg erhellt wird. Bei Vempeln; 
Ihfäten u. dgl. wird diefe Form häufig angewendet, feltener bei Gebäuden, 
age auf das gewöhnliche Leben berechnet: Ift. 
BRouder (Sean Antoine), geb. zu Montpellier 1745, zeichnete ſich fon 
feine dichterifche Phantafie aus. Beim Ausbruch ber Revolution fühlte 
a den Worten: Freiheit und Menſchenrechte, begeiftert; als aber unter 
aft des Poͤbels das Syſtem ber Tyrannei ſich erhob und entwidelte, 
* feinem empoͤrten Menſcheñgefuͤhl und lud bald den Daß der Machthaber 
. Mehre Mai entging er den Nachſtellungen feiner Verfolger; endlich ward 
* zam Tode verurtheilt und ſtarb unter der Guillotine am 25, Jull 
RS Sediht „Die Monate”, in 12 Geſaͤngen, verdient, wenngleich mehee 
es ziemlich hart beustheitten, doch wegen ber Zartheit feiner Sprache 
Anerkennung. R. fchrieb auch eine lberficht von Speich’d 
ber Art und Urfachen des Woltsreihtjumsumd Heine Dihnumgen 
Wp feinen Zobe herauskamen. 
MoR& nennt men einen Mann, bie dem Beben in der großen vergnuͤgungd⸗ 
— Geundſaͤtze und Sitten geopfert hat. Philipp, Herzog: v. Orleano/ 
Semkreich, waͤhrend ber Dinberkihrigleistuiursige RV. Alarm 

























* 


440 | | Rouen Koulaben 


nig von ben Menſchen hielt und uͤberzeugt zu fein glaubte, daß feldft Die 
er ſeine Freundſchaft ſchenkte, Nichts taugten, hatte feinen Zifchgenoflen 
Iingen den Namen ber Roueö gegeben, womit er felbft andeuten wollte 


. nichts Beſſeres werth ſeien, als geräbert zu werben, nicht ald gemeine X 


ſondern als Höflinge, die ſich jede Handlung ; zu der fie der Taumel bes 


gens trieb, erlaubten, befonbers wenn ihr Fürft fich daran beluſtigte. 
Rouen, Hauptft. der vormal. Normandie, jegt des Depart. d 
Seine, liegt In einer ſchoͤnen mit Anhöhen begrenzten Ebene, am rechter 
Seine, und hat 11,000 H. mit 87,000 €. Es hat 6 Vorftädte, wovon 
ver am linken Ufer der Seine durch eine Schiffbruͤcke mit der Stabt vert 
Diefe Schiffbruͤcke fällt und fleigtimit der Ebbe und Flut, obgleich fie 
und einer fteinernen Brüde ähnlich if. Sie ift 270 Schritte lang und 


. 41626. Die Stadt ift nicht huͤbſch gebaut; die Häufer find größtentheils 


. Die Straßen meiftens enge und dunkel, nur die Quais längs der Seine | 


Die große Domfirche, die fchöne vormalige Abtei St.» Duen, wegen il 
Thurmes merkwürdig, der Suftizpalaft und das Schaufpielhaus zeichni 
ter den oͤffentlichen Gebaͤuden aus. Auf dem Marktplatze aux veaux 
Bildfaͤule des 1430 daſelbſt von ben Englaͤndern verbrannten Mädchen 
leans. R. ift der Sitz des Präfecten, der Departementsbehörben,, bes 
direnden Generals ber 15. Divifion, eines, Erzbiſchofs, e. koͤnigl. Ger 
e. Handelskammer und e. Handelsgerichts. Es hat e. Akademie der W 
ten unb Künfte, e. Societe d’&mulation, e. Lyceum, e. Schifffahrt 
Zeichenſchule, e. imebicinifche und Hebammenſchule, eine Öffentliche S 
e. Mufeum, e. natırhiftor. Cabinet und e. botanifchen Garten. Zahlr 
nufacturen und Fabriken liefetn Baummollenzeuche, vorzuͤglich Nanquit 
Cattun, Shawls, Hals und Tafchentlicher, Leinwand, Papiertapete 
tarten, Tuch, Wachstuch, Zuder, Homs und Eifenbeinarbeiten, che. 
bricate, vortveffliche Confituren, abgezogene Waſſer, Eifen: und Gelbgi 
Oblaten u. ſ. w. Mit der Flut koͤnnen ſchwerbeladene Schiffe bis an | 
gelangen, und von.hier werben dann bie Waaren auf ber Seine weiter 
daher iſt auch der Spebitionshandel fehr anfehnlih. Die Stadt hält gr 
und Twiſtmaͤrkte. 

Rouget de Lisle Coſeph), geb. den 10. Mai 1760 zu Lont 
nier im Suradepart., iſt der Verfaſſer und Componift der marſeille 
die auch unter bem Zitel: „L’offrande à la liberte”,. mit großer Prach 


. Operntheater zu Paris gegeben wurde. Den Namen marfeiller Marfch ı 


erhielt dieſes Gedicht, weil es in Paris zuerft (1792) durch die marfeill: 
ten bekannt wurde. Die Wirkung dieſes Gefanges, beffen Muſik meif 
war bei ben franz. Heeren fo außerordentlich, daß Kiopflod zudem Verf 
als er ihn in Hamburg ſprach: „Durch Ihr Gedicht find 50,000 bravı 
gefallen”. R. war zu Anfang der Revolution als Ingenieurofficier in € 
Man hörte damals nur Gaffenhauer auf den Krieg, und er ward aufgefi 
Kriegshymne zu dichten. In einee Stunde ber Begeifterung fchloß er fic 
in einer Nacht hatte er bie Hymne und die Muſik bazu vollendet. Gleich 
ihn nur der 9. Thermidor vor ben Verfolgungen der Terroriſten. Bei 
ward er verwunbet; ſeitdem lebte er zurüdgezogen, dichtete und compı 


ſchiedene Sefänge, fchrieb ein „Ecole des meres‘' 1798, gab „Cinqu 


ausgemwählte) chants frangais‘ 1825 heraus und arbeitet noch an ein 


über Quiberon. 


Rouladen nennt man in ber Muſik und vorzäglich in der Gef 
die rollenden Läufer, mit welchen die Melodie ausgefhmüdt unb man 
gemacht wid. Sie erfodern ein Stud von lebhafter Bewegung, und b 


Rouffeau (Bean Baptifte) - 441 


Kt mit Überlabung angebracht werden. Beim Vortrag berfelben muß man 
Ichaniömus und bie Anftrengung vergeffen tönnen. Der Zabel trifft dieſel⸗ 
x, wem fie am uncechten Orte over übermäßig angebracht werden. Rouſſeau 
Je ba, wo es zweckmaͤßig ift, die Rede aufjubhalten und die Melodie zu vers 
L Wenn, fagt er zur Rechtfertigung berfelben, das Herz am Iebhafteften 
Hit, fo findet die Stimme viel leichter Accente als der Berftand Worte fins 
m, fo auch Paffagen und Verzierungen. 
touffeau (Sean Baptifte), ein Dichter, der unter Frankreichs Lyrikern 
mer bie erſte Stelle einnimmt. Er war der Sohn eines Schuhmachers, 
a. 4. 1671) zu Paris geb. und ftarb zu Brüffel 1741. Eine vortreffliche 
ng weckte fein Talent und der Unterricht Boileau's f. dichterifchen Geiſt. 
nen poetiſchen Berfuche des Juͤnglings zeugten von Geiſt und Einbildungs⸗ 
1682 ward er bei dem nach Dänemark abreifenden franz. Gefandten 
eaux Page, in ber Folge wählte ihn der Marſchall dv. Zallard, als er nach 
breifte, zu feinem Secretair. Im London ward St.sEvremont f. genauer 
Darauf fam er zum Finanzdirettor Rouille, dem er überall folgte and 
» Umgang er den Wiffenfchaften und der Dichtkunft harmlos lebte, daher 
e ihm angebotene Stellen ablehnte. Als aber gegen den Dichter der pas 
er „„Deflone' eine wigige Satyre in Verſen und bald darauf eine Menge 
x —— voll Gift und Geifer erſchienen, kam R. in Verdacht, daß er der 
Ex leugnete dies ſtandhaft vor Gericht. Indeß war er ſchlecht genug, einem 
zu beftechen, um den Verdacht auf einen Unfchuldigen, den Geometer Sau⸗ 
bringen. Die Sache kam jedoch bald an den Tag und R. ward (b. 7. ap: 
auf eroig aus Frankreich verbannt. Er ging nun nad) der Schweiz; und 
feibft an dem franz. Botfchafter, Grafen de Luc, einen Gönner. 1714 
R er den Prinzen Eugen nad) Wien, wo er ein höchft angenehmes Leben 
Mad) 3 Fahren mußte er ſchnell Wien verlaffen; wahrſcheinlich hatte er 
gen Verſen bes Grafen Bonneval auf eine ber Maitrefien bes Prinzen Theil 
Jetzt ging er nad) Bruͤſſel, mo er mit Voltaire, f. Schulfreunde, in neuen 
verwickelt wurbe. AUnterbeflen hatte es der Gtroßprior v. Vendome, in 
bung mit dem Grafen v. Breteuil, dahin gebracht, dag R. vom Regenten, 
nzoge dv. Orleans, ein Zurhdberufungäfchreiben erhielt. Dies befriedigte 
B Ehrgeizigen nur halb; er verlangte eine nochmalige Durchſicht feiner Pros 
sumb eine öffentliche Zuruͤckberufung. Mit Recht warb dies einem Manne 
wrt, der fich durch eine ehrlofe Handlung gefchändet hatte. Unmuthig 
x, begab er ſich auf Reifen und 1721 nad) London, mo er 1723 die Samm⸗ 
Werke (2 Bbe., 4.) herausgab. Sein damit ermorbened Vermögen vers 
bei der damals ſchon fintenden Hunbelscompagnie zu Oſtende und mußte 
u ber Unterflügung einiger Freunde leben. Endlich warb ihm Brüffel uns 
ch. Einige Freunde ließen ihn heimlich nach Paris kommen, aber nach 
aten mußte er bie Hauptſtadt wieder verlaſſen, in der er abermals feiner 
zum Machtheil mächtiger Perfonen freien Lauf gelaffen hatte. 1740 kam 
ı Brlffel zurück und ſtarb dafelbft 1741. Noch in der Sterbeftunbe bes 
e er, nicht ber Verf. der ſchaͤndlichen Verfe gewefen zu fein. — R.'s Werke 
)4 Bücher „Oden“, deren erſtes Oden aus den Pfalmen enthält. In diefer 
Gattung iſt R. der erfte franz. Dichter. Reinheit und Eleganz des Aus⸗ 
ſowie ein edler und fchöner Versbau, find darin mit trefflichen religioͤſen 
ken gepaart, wenngleich ein prunkendes Wortgepränge oft ben Inrifchen 
ng erfegen muß. 2) Santaten. Auch in diefer Dichtungsart, die R. ſchuf, 
er vorzuͤglich; die Wahl ber Segenftände, die Gewandtheit, mit ber er dies 
behanbelt, verdient ebenfo viel Lob als ber edle Ausbrud. Die Gantate von 
Nece’! fcheint umter allen bie gelungenfte zu fein. 3) Briefe in Berien, am 


400 BRoufieau (Jean Jacques) 
wenhgften gelungen; wlewol fie zu ſ. Zeit wegen ihrer ſatyriſchen Seitenhlce 
Wärtehimgen allgemeinen Beifall fanden. 4) Allegorien. Sie ſind zwar 
atorreet wie bie Briefe, aber langweiliger. Die Erfindung der meiſten ift 
gen und hoͤchſt unwahrfcheinlich, der Verabau einförmig.. 5) Epige: 
den Gantaten und Pfalmen das Befte, wenn man die abrechnet, im denen) 
Felvolitaͤt vorherefht. Im den Übrigen iſt der Wig angenehm umd leicht, 
wechfelung und Wahl der Gegenftänbe gut. 6) Verfchiedene Poefien von 
Werthe, unter denen jedoch manches Stüd noch beffer ift, als 7) f. & 
Berſen und 8) f. 2 2uftfp. in Profa. Zwar iſt der Styl rein, aber bie 
tangwellig als ber. Dialog, ber fi nur in wenigen Scenen audzeichhet. 
ben diefe Stuͤcke bei der Aufführung nie Gluͤck gemacht. 9) Die Opern, bie 
ſchrieben, find vöutg feiner unwuͤtdig, auch hat er fie felbft unterbrlict 
in die Sammlung f. Werke aufgenommen. 10) Eine Sammlung von B 
Proſa, von denen mehre f. zweideutigen Charakter verrathen. — Zu ber 
geführten Ausg. ſ. Werke erfhien auf Verlangen ber Subferibenten, m 
Werte RS verlangten, ein „Supplöment aux Oeurres de Mr. 
Eondon 1723). Zu Amfterdam kam 1726 eine etwas vetm. Ausg. f. 
3 Bm: heraus. Endlich beforgte Segun, in Dienſten des Fürften v. 
Taris, 1743 eine Ausg. (3 Bde.4.und 4 Bbe.12.). Die genannten Ausg. 
Nichts, als wozu ſich R. bekannte; die Gouplets, welche ihn ins Unglüd 
den ſich nur in folchen Ausg, bie gegen des Dichters Willen erfchienen 
ven find. Proben biefer hoͤchſt gemeinen Verſe findet man in’ La Hatpe’s 
„de litteratnre‘‘, TH. 6.. (herausg von Auger). — Eine 1716 zu Paris 
me Schmähfcyeift:- „Histoire satyrique de la vie et des ouyrages 
Rousseau, par Mr. F. Gacon“, enthält die Actenftüde Saurims gegen 
einen Theil der berüchtigten Couplett #. 
> Rouffeau (Jean Jacques), geb. 1712 zu Genf, ber jüngere ©: 
Wrmarhers, kam ſchwaͤchuch auf die Welt und koſtete feiner Mutter dat 
weßhalb er auch feine Geburt fein erſtes Unglück nannte. MR. fagt inf. 
Seasions”' (die doch immer Seibftbefenntniffe einer eiteln Seele find) von 
er 018 7 jaͤhriger Knabe viel Religion gehabt, daß ſ. erſte Lecture von jener‘ 
Nomane getvefen wären, worauf er doch bald eine beffere erhalten und 
den Plutacch liebgewonnen habe. Im 8. Jahre wußte er den Plutarch 
Dig und im 12. hatte er bereits · dile meiſten Romane durchlaufen; dad) 
auch den Zacitus und Grotius, welche zwifchen dem Inſtrumenten auf bee) 
ſtaͤtte ſ. Vaters lagen, kennen. Zugleich ward fchon früh f. mufitnlife 
. Mit dem 9. J. ward er einem Pfarrer auf dem Lande zur 
hergeben; mit 14 I. kam er zu einen Graveur in die Lehre, dieſe 
ſpÿrach f Neigung, wurde ihm aber durch bie despotifche Härte feines 
leidet. Er entlief, ierte in Savoyen herum und änderte aus Dirfti 
Religion. Man unterrichtete ihn in einem Kloſter, ans beim er aber 
fpvang ; nad) manchen Abenteuern kam er endlich durch bie Empfehlung 
voyiſchen Landpredigers zu Frau v. Warens in Annecy, die ihn in Wi 
und In der Muſik unterrichten ließ und ihm wie ihren eignen Sohn liebte, 
te. — Im 20. Jahre ging N. nach Frankreich, mit der ‚Doffitung, D 
Rmntniffe in der Muſik fich Unterhalt zu verfchaffen. In Befangen fi 
wit, Beifau in einigen Concerten; man verſprach ihm Befoͤrderung * 
Stille erledigt fein wuͤrde. Inzwiſchen gab er; einige Jahre Fang zu Cham 
in dee Mufil Unterricht und ging dann f. fränklichen Körpers wegen nah 
peter. Allein bie Meeresiuft war ihm nicht) zutchglichz er Eeheteguf. B 
thaͤterin zuruͤck und blieb bei ihe bis 1742, wo er die Stelle eines Serretäld 
bem franz. Befandten In Venidig erhielt. Noch anderthalb Jahren treunte 


























| n , wo» 
Rouſſeau (Jean Jacques) 448 
ſelden, ging nach Paris, gewann ſ. Unterhalt durch Notenſchreiben und 
in mehtigen Stunden auf Naturlehre und Chemie. Um biefe Zeit bekam 
Anfatt von Steinfhmerzen,. welche Krankheit ihn nie wieder verließ. — 
wann er die Preisfrage ber Akademie zu Dijon (ob die Wiederherftellung 
be und Wiflenfhaften zur Werbeflerung der Sitten beigetragen habe?). 
mabere Behauptung, daß bie Miffenfchaften und Künfte verberblich ges 
eu‘, ward Hfrig widerlegt; in Spanien miiſchten fich fogae der Hof und 
Hütten in diefe Sache. In ber Vorrebe zu f. Narciß“, einem Luftfpiele, 
e er fich gegen viele Mißverftändniffe. Hierauf brachte er f. „Devin du 
auf das Thrater, eine Beine Oper, wozu er bie Mufik felbft compontrt 
Died Sthe fand allgemeinen Beifall und ber Vf. warb von ber franz. 
uf® angebetet. — Als er aber 1753 f. berühmten „Brief über die franz. . 
)erausgab, wotin er die Unvollkommenheit berfelben zeigte, ‚gerieth Alles 
He. Saͤnger, Sängerinnen und Virtuofen, welche die Feber nicht fuͤh⸗ 
tes, Testen fich aufs Schimpfen und verbreiteten gegen ihn Pasquille, 
und ehrertrührige Kupferſtiche. Man hing f. Brief im Theater auf, und 
n ſogar Leute beftelft, welche den Bf. ermorben follten. R. entfioh nach 
Derch f. Beligionsveränderung hatte er ſ. Bürgerrecht verloren. Jetzt 
‚öffenetic, die reformirte Meligion wieder an und ward in alle Rechte eine® 
irgers von Genf eingefegt. Won da reifte er nach Savoyen und ſchrleb 
bern ſ. Abhandlung. uͤber den Urfprung ber Ungleichheit unter ben Men⸗ 
kur I’iatgalise parmi les hommen!'). Diefe Schrift erregte noch mehr 
Fr al6 die Beantwortung ber Preisfenge. Er hielt den wilden und gefits - 
aufcheri neben einander; das Mein-und Dein, Eigenthum und Reich 
ke daraus entſtehende Obermacht und üppigkeit erklaͤrte er für Quellen’ 
hen Elends und voll Ekels vor dem gleißenben Weſen ber großen Welt, 
IB Roturgefähl zum Spotte geworben, rief er f. Brüdern zu: „Kommt 
Miber und werdet Menſchen!“ &ie Tollen fich ſelbſt überlaffen gleich den 
tebens; das fei bee Stand der Unfchulb und bie anerfchaffene Einfalt. 
pass und Verttaͤge“, behauptet er, „haben die Menſchen ungluͤcklich ges 
Etfen und’ Korn haben bie Einzelnen zwar geblidtt, das menfchliche Ges 
ber zur Grunde gerichtet”. (Bol. Voltaire.) — Unterdeß hatte fih in 
le Haß gegen ihn gelegt. Auf dringende Einladung Lehrte er zuruͤck, bes 
aber nadı Montmorency (f.d.). Hier.fchrieb er den „‚Sefellfchaftes 
, die „Neue Heloife” (ein zuweilen ſchwaches Nachbild der „Stariffa‘) 
Emil: Werke, durch bie er auf fein Zeitalter mädjtig gewirkt hat. — 
Ioitifchen Schriften, vorzüglich die beiden. Abhandlımgen Aber den buͤr⸗ 
‚Bertrag und Über die Ungleichheit unter den Menſchen, follen Schuld fein 
\ Berirrungen ber franz. Revolution. Die Schrift: „Du von- 
Sal", wurde für die Metaphyſiker gewiſſermaßen ber Katechismus der 
len; ' fie hieß nur „le Pharus de la legislation‘; und body war unter 
wffeau’fchen Schriften biefe am feltenften vorher gelefen und noch feltener 
ma worden. Auf einmal glaubte man In ihr die Grundlagen zu einem 
Waren Staatsgebaͤude entdedt zu haben. R.'s Andenken warb daher 
uögliche Art geehrt. 1791 veranftaltete man zu Montmorency deßwegen 
We Fe. Am 11. Det. 1794 wurden f. Gebeine feierlich im Pantheon > 
beigeſetzt. — Während die Weltleute und die Gelehrten für und gehen 
md von f. Behauptungen Aber die franz. Muſik ſprachen, 
— AIJulie (die Neue Heloiſe), vor welcher er ganz unſchuldige Maͤbchen 
; wärutich: ſolche, die nie einen Roman geleſen hätten und in deren Phun⸗ 
u Zune von Leidenſchaft gefallen wäre, die nur Ahnungen ber Liebe teiger 
n lauten, für beſcheͤntte haͤuoliche Freuden fid, aufberoahrerden Brown. 


444 Rouffeay (Jean Jacques) 
5 JZulie und ihr Liebhaber machten In Frankreich, wo bie Liebe leichtfinn 
fd) flatterte, und. in den Laͤndern, wo die Jungfraͤulichkeit noch e 
mar, einen fehe verfchiedenen, aber glei) ſtarken Eindrud. — € 
„ 1762, zunaͤchſt für eine. Mutter niedergefhrieben, das berühmtefte E 
we: „Emile, ou de leducation”, heraus. .. In einem Briefe an 
ſchallin v. Luxemburg, vom 12. Juni 1767, gibt R. folgende Urſache da 
gabe f. „Emil” an. Er hätte mit einer Haushälterin, weiche er fpdı 
zur Frau nahm, 5 Kinder gezeugt, alle aber in ein Findelhaus geſchi— 
‚geringer Vorficht zu einer Wiedererkennung, daß er nicht einmal bie ! 
Geburt ſich aufgejeichnet hatte. Seit mehren Jahren empfand- er def 
Eränkendften Gewiffenebiffe, doch „fein und der Mutter Gram deßhalb 
108, und der Wunſch, feinen Fehler wenigftens einigermaßen zu vergüti 
» ber Haupturſachen f. über Erziehung gefchriebenen Werks", (Bol. „Le 
de Neuchatean‘‘, 1800.) Ex hatte, namentlich. im „Emit‘‘, die fi 
Wahrheiten der Religion ‚von denen’ abgefondert, beren. Einfluß auf u 
Niemand leugnen wird. Kaum war der „Emil“ mit R.'s Glaubene 
erfchienen, fo ließ das Parlament das Buch wegen der gewagten Urthei 
Vofitive der Religion 1762 verbrennen und verurtheilte den Vf. zum 4 
Der Erzbifchof von Paris verfolgte ihn mit einem Hirtenbriefe und ı 
einen,Gottlofen, einen Verführer. R. antwortete: „Nicht er fei der 
die Gottlofen fein Diejenigen, die ſich Gottes: Gerichte anmafen‘. — 
nach Genf fliehen, aber f. Vaterſtadt nahm ihn nicht nur nicht auf, | 
drohete ihn ebenfalls mit dem Gefängniffe, und ließ das einzige Ere 
„Emil, das ſich dort vorfand, durch den Denker verbrennen. Er flü 
Yverdun amd von da nad) Moitierd » Travers, einem Beinen Dorfe in 
ſchaft Neufchatel. Da ex feit den Kinderjahten nie unter Proteftante 
batte, fo war die Vereinigung mit dev bafigen Gemeinde ihm befto au 
Ihm gefiel ihr einfacher Gottesdienft; ‚er befuchte fleifig die Kirche ded 
baute fi u. A. gewann die Freundfchaft des Prebigers und bie Liebe 
Gemeinde. Er bat um Zufaffung zum h. Abendmahl unb-biefe wa 
währt. Als die Geiftlichen in Genf f. Namen von der Kanzel herab z 
zu machen fuchten, ſchrieb er gegen biefe Verleumdungen und gegen do 
mäßige Verfahten des genfer Senats in feiner Sache, auf Antathen 
bie berüchtigten „Briefe dom Berge“. — Unterbeffen blieb R. mit ga 
f. Gemeinde zugethan, "bekannte ſich feierlich zur proteftantifhen Kire 
gehrte zum zweiten Mal das h. Abendmahl, über deffen Verflattung 
Schwierigkeiten machte. Seine „Briefe vom Berge“, der „Brief a 
biſchof von Paris“ und f. „Dictionnaire physique portatif” wurde 
: 1765 öffentlidy verbrannt. Die genfer Geiſilichen ſuͤchten ben Predig 
tiers gegen ihn einzunehmen und die Gemeinde von ihm zu entfernen 
texer mußte er mehre Mißhandlungen erbulden. Er verlebte hierauf 
naten auf ber Petersinfel im Bielerſee, wie ex felbft fagt, Jahrhunder 
Botanifiren dafelbft verdankt man f. „Botaniste sans maitre” und den 
banten, bie Jugend früh in die Botanik einzuführen. Ex warb aber 
acht länger gebuldet.. Die Obern eines deutfchen Cantons geboten if 
täuheften Jahreszeit, ihr Land binnen kurzer Frift zu räumen. Er bi 
um eine Beine Verlängerung, umfonft um ein Gefängnif, wo es ohn 
zeug, ohne irgend eine Befellfchaft, nur ungequält dem Tode entgegenha 
Man trieb ihn fort und überließ ihn ber Gefahr, unterwegs umnzuko 
Seine Freunde bewirkten ihm einen freien Geleitsbrief nach Paris, wo 
fophen, bie es verdroß, fo viel Herz und fo vielen Glauben in ihm zu fin 
feiner fpotteten als die Geiftiyen ihn nerfslat hatten, Bil 





Br 


Rouffillonweine Rontiniers | 445 


Bume, der ihn mit nach England nahm. R. betrat mit Jubel den Boden 
rät, fiel· ſ. Retter um- den Hals und begleitete ihn nach London, two mag 
Bou dor Schwärmerel, deren jene Ration fähig ift, empfing. Die Enge 
Angie fi, ihn zu ſehen; bie Damen trugen fein Bild an ihren Arms 
war ein guter, aber Außerft kalter Mann, welcher R.’6 Begeb⸗ 

begriff und deſſen Wärme nicht‘ertwidern konnte. R. wurbe durch 
gkeit feines einzigen Freundes mißtrauiſch, einige von leichtfertigen 

ri ausgeſtreute launige Blätter gegen den vertriebenen Weltweiſen ber 
deſen Mißmuth, und fo verzweifelnd an Mechtfchaffenheit und Freund: 
g ee weg aus dem Lande, das er als f. legten Zufluchtsort angefehen hatte. 
se’6 ‚‚Private correspondarice”, London 1820.) — Cr Eehrte unter 
ſchweigenden Verguͤnſtigung 1767 nad) Paris zuruͤck, ward anfaͤnglich 
ſtecigen Aberall umtingt, nachher nicht mehr bemerkt; fonberte ſich im⸗ 


von der Sefelifhaft ab, ernährte ſich zum Theil: mit Notenfchreiben amd 


Keuter. Sein 1818 erſt bekannt gerworbener „Briefan Einne” ent⸗ 
khrende Bekenntniß f. Gluͤcks im ftillen Umgange mit der Pflanzenwelt 
jer f. „Muſikal. Lexikon“ drucken und bald darauf erſchien ſ Pygma⸗ 
Meledrama, von ihm erfunden und vortrefflich ausgeführt. Fuͤr mehre 
nn ib Rieder ſetzte ex einfache und ruͤhrende Melodien. — Je älter W 
Ro mehr wuchſen feine Menſchenſcheu und fein grämtiches Wefen. Schw 
Winſchte er in irgend einem Winkel eine Stätte zu finden, wo er ruhtg 


umte. Sein Wunſch ward ihm gewaͤhrt. Der Marquis Girardin beriäun 


einem Landhaufe Etmenondille unweit Paris zn wohnen, wohin R. im 
B 309, aber fchon den 2: Juli 6: J., als er eben von einem Spaziergange 
Rn PLögHich an einem Schlägfkuffe find; er war 66 J. alt getvorben. Das 
ais Yabe er ſich entleibt, bat Graf Stanislas v. Girardin (Paris 1824) 
H «Bein Körper ward einbalſamirt, in einen bleiernen Sarg verfchloffen 
Be Parts von; Ermenonville auf der Pappelinfel beerdigt. Über ihm 
6 Buß hohes Grabmal Wrichtet: — Schwärmmerifcher Eifer für 
VFoVwelheit· Paradorienfucht, ſelbſtiſcher Stareſinn, warmer Eifer für Diens 
mit diſterer Hopochondrie verbunden, waren Hauptzuͤge f. Charaktere. 
WMerke erfchienen Paris 1764, 10 Bde., 12, umd nachmais öfter. Let 
berd Aber den Vf. iſt das vollſtaͤndigſte uhb daehrendſt· Merk folgent 
b.die'ia 'vie'et des ouvrages :d6 J. J. Rounssan” (par Musset- 
MWarid 1891). — Seit 1785 war Therefe Levaſſeur f. unzertrennliche 
hrtin. Sie wußte ich in ſ. Launen zu ſchicken; andre Vorzüge befaß 
«ins ſie fuͤr ihre Treue zu belohnen, heiratchete er fie 1768. Als man 
— das Andenken M.’6 To hoch felerte, konnte es nicht fehlen, 
sand |. hiutterlaſſenen Witwe gedachte; fie erhielt auf Barrere's Aritrag 
—2 der Rationalorrfanmtung vinen jährlichen Gnadengehalt von 1200 
W. L, 





affikis: nweine, "tm Algemeinen, die Weine aus der Provinz d. N. 
we Bewächfe sum Verfahren find die von Bair, Tormilla, Salces, Rive⸗ 
pira, Collioure, Bagnols, Parcous, St=-Anbre. Die rothen Sorten 
‚gebedt, von ſchoͤner Barbe: und vornehmlich zum Verſchneiden und Bew 
nbrer Weine brauchbar. Ein befonderer Wein iſt der Grenache, der am 


nißetsoth iſt und dem Alicantwein gleicht, mit dem Alter aber die Farbe 


md-in-8-— 7 Jahren dem berlihmten Capweine gleich wird. Unter ben 
en ift dee Maccabeo ber Eoftbarfte. 

antiniers nennt man diejenigen Ärzte, welche bei der Auslibung ihrer 

nf einige eingelernte Regeln in Anwendung bringen, ohne ſich um die 

saehmbung berfelben weiter zu bekuͤmmern. Solche Regeln find halt au® 


— 


446 = Roveredo 


der roheſten Empirie, bald von irgend einem mediciniſchen Syſteme entiehet, 
doch in dem einen ſowie in dem andern Falle wird man finden, daß der Kauf 
entweder von fehr befchränkten Geiſteskraͤften ift, ober daß feine fruͤher⸗ 
ſchaftliche Bildung in hohem Grade vernachläffigt morden mar, ober big 
beide Umftänbe vorhanden find. In der Stufenfolge der Heilkuͤnſtler werig 
ber jederzeit die Routiniers den niebrigften Rang haben koͤnnen, mit dem 
ften freilich gewöhnlich nicht zufrieden find. Im Gegentheil iſt bex Uber 
Routinier zum Charlatan fehr gewöhnlich, und beide Charaktere find daher 
einigt. Alsdann aber bildet ſich eine niedrige und in der Chat fehr [Hab 
dividualitaͤt aus; ber Routinier, der ſich bafür erkennt und weiter Miches fü 
ann im Mangel wirklich ausgebildeter Ärzte, an benen nirgends liberfluß 
nügliche Role als Landarzt (mie z. B. in Baiern) fpielen. Er wirb in den 
wo feine Regel nicht ausreicht, einen andem Arzt zu Rathe ziehen, was be 
der Charlatan im frechen Übermuthe unterläßt. Ä 
Roveredo, Rovereith, 45° 55° 36" Br., 28° 40720” $., € 
gebaute Kreisſtadt der gefürft. Grafſchaft Tirol, liegt im Etſchthale, da 
der. Eleine Geno in bie Etſch ausmündet, an ber Heerſtraße von Trient 
ſchiera. Ein fefles Schloß beherrfcht die Umgegend und den Ort, dei 
fähr 1100 Häuf. 12,000 Einw. zähle, die fi größtentheils von Geibenf 
Geidenfärberei und Seidenhandlung (vorzuͤglich Nähfeide) ernähren. : 
mehren Kirchen, 3 Moͤnchskloͤſtern und verſchiedenen Verwaltungscolieg 
finden ſich zu Roveredo ein Gymnaſium, eine E. k. Akademie ber Sk 
(degli agiati, vom Gaval. Vanetti 1750 geftiftet) und ein englifches 1 
ſtiſt. Der Ort ift militairiſch wichtig, wie mehre Gefechte beweiſen, die 
Nähe vorfieien, namentlich das am 3. und 4. Sept, 1796 zwifchen Mafl 
einem Theil bed MWurmferfhen Heeres. Wurmfer's Anſtrengungen 
der Lage der Dinge in Italien eine andre Wendung zu geben und Mantun 
ten , hatten keinen weitsen Erfolg, als daß die Einfchliefung vn M 
kurze Zeit von Bonaparte aufgehoben wurbe, wodurch diefer Feſtung am 2. 
einige Unterftügung zugeführt werben konnte: ein Vortheil, welchen bie D 
zu theuer erkauften, denn fie wurden bei Leonato, wo Bonaharte auı-3.% 
General Quotdanowitſch, bei Gaftiglione, wo er am 5. Aug. den General 
Ser ſelbſt ſchlug, n. a. a. D: befiegt und nach Tirol zurüdgebrängt. L 
urmfer ſuͤdlich von Roveredo zu beiden Selten der Etſch eine fehle 
noch immer bedrohend, indem er mit einem Theile feiner Streitke 
der gegen bie Brenta bis Baffano vorrudte. Napoleon verkaunte die WM 
biefer Stellung keineswegs und fAumte nicht, durch mohlberedmete und 
fhend kuͤhne Gegenwirkungen die Plane des Feindes zu vernichten. 3 
Augenmerk auf das öftreich.Corps unter Davidowich bei Roveredo vichtuf 
wegte er raſch die Divifion Maffena auf dem rechten Ufer der Etſch Aber 
Serravalle, die Divifion Vaubois auf dem linken Ufer diefes Fluſſes ei 
öftreich. Stellung bei Sans Marco, und ließ durch Augerean ben Angriff 
Rügen. Nach hartnädigem Widerftand übermältigte Vaubols dem rechten 
des Öftreich. verfchanzten Lagers bei Mori und Maffena brachte bie 
GansMarco zum Weichen. Im zweitägigen Kampfe gänzlich gefchlag 
fich die oͤſtreich. Truppen tapfer fechtend durch Roveredo, hielten fich eine Ai 
jenſeits des Orts in dem felten Schloffe Galliano, wurden jedoch auch Ders 
trieben und zogen ſich 3 Meiten hinter Trient zurüd, Man ſchaͤrt ihemm | 
auf 5000 M. und 25 Kanonen. Dadurch warb den Franzoſen unter Mi 
die Einnahme von Trient möglich; ber öftreich. Feldherr Wurmſer aber, 1 
während des Kampfes bis Verona vorgebrungen war, wurbe von Benape 
7. und 8, Sept. an ber Brenta und bei Baflıno eingeholt, am 9. von f. 



























Co 





Rovigo Rowe (Nicolas) 447 


eQuosdanowicſch abgeſchnitten und nach mehren blutigen Gefechten, vor⸗ 
me 41. bei Cerea und am 15. Sept. bei San-Giorgio, genoͤthigt, fi malt 
unsern f. Heeres (etwa 10,000 M.) in Mantua einzufchließen, deſſen Be⸗ 
die Feamzoſen fofort aufs neue unternahmen. 
vigo, Siadt an einem Arme der Etſch im öftreich. lombard. — 
uigreide, Bauptort in der canalreichen Provinz il Polefine di Rovigo. 
‚ein Bonmafium, eine wiſſenſchaftliche Gefellfchaft (de’ 
)e TOO Ban. ‚Handel und iſt befefligt. Der franz. General Savary 
lelt Baden ben Titel: Herzog v. Rovigo. " 
we ( Euſabeth), eine Dichterin, T. eines biffentirenden Geiftlichen, 
Singer, zu Ftrome in Sommerfstfhire, war 1674 geb. Won Kindheit 
fie viel Bang zur Lecture und Dichtkunſt, fehrieb im 12. Jahre Gedichte 
ſich in Mufit und Dealerei. In ihrem 22. J. gab fie einen Band verm. 
veraus. Legen ihrer Eörperlichen und geiſtigen Meise gehörte der Dichter 
ter bie Zahl ihrer Verehrer. Aber fie weihete einen großen, Theil ihrer 
it der Pflege ihres Vaters und verheicathete fi erſt 1710 mit Thomas 
it welchem fie, obgleich ee 12— 13 3. jünger war, fehr glädlich lebte. Ihr 
n talentvoller Mann, von dem auch mehre dichterifche Arbeiten in Ihren 
‚works‘ witgetheilt worden find, der aber leichtfinnig Sefundheit ulib 
a zu Grunde richtete, ſtarb 1715 und hinterließ fie in einer fehr druͤcken⸗ 
‚ Gie lebte zu Frome in ftiler Zurüdgezogenheit und flarb 1737. — 
E gedachten Sammlung von Gedichten gab fie noch die „Geſchichte Jo⸗ 
a. verm. Gedichte heraus, die ſich durch einen melodifchen Versbau, eine 
„ bilderreiche Sprache und- durch zärtliche und erhabene Empfindungen 
wm. Unter ihren proſaiſchen Schriften find die befannteften „Friendahip 
„ In twenty letters from the dead to the Jiring”. Sie find das Werk 
* Einblldungskraft und eines tief empfindenden, mit frommen Be⸗ 
ppm vertrauten Herzens und ſind in vielen Aufl., auch von andern religiäs 
ſetelichen Schriften der Vfin. begleitet, erfchienen. Noch gab fie = 
rmeral and entertaining in verse and prose” (3 Xhle.) heraus. ie 
I Leichtigkeit, aber ohne große Sorge für die Gorreetheit; deſſenungeach⸗ 
ka ihre Schriften eine günflige Idee für bie We. Auch Kiopfiod hat 
D mehre Male in f. Gedichten, befonders u. d. M.: „ber frommen Sin⸗ 


ſanßt 
we (Micolas), geb. 1673 in Bebfordfhire, ein vorzuͤglicher Dichter m 
ww Sarsitie in Devonfhire. Nachdem er ſich In einem Privatinftitut und 
kiheıie in Weſtninſter vortreffliche Kenntniſſe geſammelt hatte, ward er in f. 
Bes f. Mater, einem Rechtegelehrten, zum Studium ber Rechtswiſſenſchaft 
kehrte aber nach deſſen Tode au ſ. ——— der Dichtkunſt, zu⸗ 
nf. 25. J. Ueferte er ſ. erſtes Trauerſpiel: „Die ehrgeizige Stiefmutter 
mbitious stepmotber”‘). Der Beifall, mit dem dies Stuͤck, ungeachtet ſ. 
sefgerronumen wurde; verleitete.den Vf., ſich in ber Folge wenig um bie 
oe dramatiſchen Kunſt zu kuͤmmern. Diefem erften Verſuche folgte ſ. 
us” (aufgeführt 1702), in welchem er durch den Tyrannen Bajazeth bei 
beeig KIV. al6 den größten Feind ber bürgerlichen und kirchlichen Frei⸗ 
Buch Zamerlan, bee von dem Dichter in den vortrefflichften Fürften us 
k war, Wilhelm III. andeuten wollte. In ben. Darftellungen beiber 
ziel Übertreibung, aber der Iwed bes Stuͤcks und bie vielen erhabenen 
8 Befiuuungen erwarben ihm lange außerorbentlihen Beifall. 1703 
„„&cöne Büßende” (The fair penitent‘'), eins ſ. vortrefflichſten Gtüide, 
h die Babel von Maffinger (f. * entlehnt iſt. Dieſen Stuͤcken folg⸗ 
w, unten. denen ſ. Jane Ehece” eine ber ruͤhrendſten wogiiäen Di 


448 Roxane Royaliſten 
tungen der Engländer if. Überdies gab ee Shakſpeares — ſ. 
Werke nebſt deffen Leben heraus. Unter dem Staatefeeretariat 
dv. Queensbury bekleidete ex mit Ruhm die Wärbe eines Unterflaatsfe 
ter Annas Regierung ward er nicht wieder angeftellt. Georg I. erth 
f. Thronbefteigung mehre einträgliche Ämter. R. ftarb 1718, 45 ° 
in der Weftminfterabtei beerdigt und f. Witwe (er war 2 Mal verheii 
tete ihm ein Eoftbares Denkmal. MR. war ein Dann von liebenswi 
rofter, ausgerüftet mit allen gefelligen Tugenden. Unter Einglani 
gehört er zu denen des zweiten Ranges. Die „Poetical works of Ro 
London 1719, 12.) enthalten auch f. Leben. Außerdem hat er Über 
von den „Boldenen Sprüchen” des Pythagoras, bes 1. Buchs von Qu 
paͤdie (e. Geb. über die Erziehung) und von Lucan’6 „Pharfalia‘‘ geli 
Roxane, f. Mexander. 
Roxburghe (John, Herzog v.), einer der leidenſchaftlichſt 
cherſammler neuerer Zeit. Seine Bibliothek, bei ſ. Ableben 9353 
empfahl ſich nicht ſowol durch planmaͤßige Vollſtaͤndigkeit, als dur: 
nenswuͤrdige Menge ihrer Seltenheiten. Vorzuͤglich war das Fı 
Mitterromane und ber aͤltern engl: Poeſie reich beſetzt. Ste wurde 181 
verſteigert. Der von den Buchhaͤndlern Georg und Will. Nicol ve 
talog derſelben iſt ſchon ziemlich felten, aber nicht mit genuͤgender bib 
Ausführlichkeit und Genauigkeit gearbeitet. Die Preife, welche von 
dern felbft als das Höchfte bibliomanifcher Ausſchweifung betrachtet 
ſeitdem wieder beträchtlich gefallen find, machen biefe Verſtelgerung 
würbigften, welche je gehalten worden ift. Die erfte Ausg. des Bocca 
1471, ol.) wurde vom Marquis v. Blandford (jegt Derzog v. 1 
fuͤr 2260 Pf. &t. erflanden; das. erſto von dem engl. Buchdruder 
Angabe des Jahrs gedruckte und zugleich das. erfte in engl. Sprad 
Bud: „Recuyell of the Historyes of Troye” (1471, Fol. ) für 10 
die erfte Ausg. des Shakſpeare (London 1623, Fol.) für 100 Gun 
Zum Andenken an dieſes merkwuͤrdige bibliographifche Ereigniß wu 
burghe⸗Clubb geftiftet, weicher auf 31 Mitgl. befchräntt iſt und jaͤl 
am 17. Juni (dem Jahrestage der Verfteigerung bes Boccaccio), zufaı 
.FJuaͤhrlich muß ein Mitglied ums andre auf f. Koſten einen Abdrud 
alten Schrift, vorzüglich poetifchen Inhalte, veranftalten, wovon nur 
plare abgezogen werden, als ber Clubb Mitglieder zaͤhlt. Ein froh 
bibliographifchen Toaſts, gewürzt mit bibliographifcher Unterhaltumg, 
Vefung und Vertheilung der neuen Abdrüde unter die Mitglieder, ma 
aus, welches 1813 zum erften Mai gefeiert ward. Praͤſident bes Cı 
| Spencer, Vicepräfident der berühmte Bibliograph Dibbin; von ben 
gliebern nennen wir bloß den Herzog v. Devonfhire und Marquis ı 
Auf einer Reife, welche Dibdin im Sommer 1818 durch Frankreich ı 
er diefen Tag in Paris in Gefellfchaft der erften Bibliographen biefe 
gab dadurch Veranlaffung zur Stiftung eines ähnlichen Clubbs in Pı 
Rorolane, f. Solimanli. | 
Royaliſten. Wenn in einem monachifhen Staate Bew 
fliehen, deren Tendenz entweder Umſturz ber monarchifchen Werfaffu 
bloße Veränderung ber Dynaftie ift, fo ift es die Pflicht eines jeden re 
nes, feft und treu an alten Verhältniffen zu halten und fidy weder bu 
noch Eigennug bavon abwendig machen zu laffen. Denn abgefehen | 
perfönlichen Pflicht der Treue, welche jeder Staatsbeamte, ja jeder | 
angelobt hat, kann das Heil der Staaten niemals durch gewaltfame 
gen, fondern nur durch gewiſſenhafte Sefthaltung und Kortbilbung ber 


Royaliftien . 449 


Degsuben Grundſaͤtze der Gerechtigkeit gefoͤrbert werben, unb je mehe 
in einer gegebenen Verfaſſung unbeſtritten und allgemein anerkannt finb, 
wird es, fie als Grundlagen zur weiten Ausbildung bes 

= gu benupen. Allein zwiſchen wahren und ſcheinbaren Royaliſten iſt ein 
— — and —* (Ultra⸗) Royaliften find in der Regel ben letz⸗ 
Jene haben den wahren Vortheit ber Monarchie und des Mon⸗ 

ner Äugen, welcher in nichts Anderm beftehen kann als in moͤglichſt voll 
aller höhern Zwecke bes Regierens, in Hinleitung ber Monav - 

irenger und für Alle gleicher Gerechtigkeit, zur Wahrhaftigkeit, in 3** 


sed Weile. Dieſem wahren Vortheile ber Monarchie ſteht m ent» 
was auf bloße Befriedigung individueller Gefühle, des Ehrgeizes, ber Luſt 
ae Herrſchergewalt, der Sinnlichkeit hinauslaͤuft, und je mehr durch 
ittosmelle Einrichtungen von der Perfon des Fuͤrſten die Veranlaffungen zu 
Hdhermr. Gebrauche der Macht entfernt werben, befko reiner zeigt ſich ber 
— Monarchie, deſto wohlthaͤtiger ihre Wirkung, deſto ah ihr Gebaͤude. 
amen Veränderungen, Entthrowimgen, Ermorbungen ehrfächtige 
** domus, Bei), herefähflichtige Weiber, Se: und Olten, Ä 
| , Leibwachen umb Generale, ſelbſt die durch erobernde Züge eines 
Res wie Xleranber, Dſchengiskhan, Tamerlan, werben in dem Grabe fels ' 
fehenieciger, in weichem bie Monarchie ſelbſt mehr geregelt und bie Hexer 
| — Einrichtungen gemaͤßigt wird. Det Royal 
‚ wodurch dieſes letzte Ziel erreicht werben kann, nicht 
Die Dant diem, fonbern ihnen auch alles Das zum Opfer bringen, was 
n Umfländen dieſelbe Tendenz hatte, in Laufe der Zeiten aber ein Vor⸗ 
| Dun welchen ein Theil der Bürger nur auf Koften ber übrigen ges 
ſcheinbare Royalift nimmt aber. die Monarchie nur. zum Vor⸗ 
TR erh tie im Befige folcher Vortheile zu erhalten, 
| der Andern gar nicht genofien werben Biumen. Von ber 
—— erwattet er Penſtonen; won ber unbeſchraͤnkten 
pet it iR Wegfall der Verantwortlichkeit und Controle im Staatsdienſt 
je Folge, und derch fie wird es leicht, fich In Stantsämtern zu behanps . 
a man Beiner muͤhſamen Vorbereitung bebarf. Diefer falſche RNoya⸗ 
— in Ftankreich viel mehr zum Ausbruche der Revolution beb .- 
fait rd ——— demokratiſches Beſtreben. Dieſem falſchen 
find and Beſchraͤnkungen der monacchifchen echte nicht fremd, 
erlangt fie nur —— bevorrechteter Staͤnde und. Corporationen, 
allgemeiner Rechtoſicherheit und einer vernuͤnftigen Freiheit. 
iberalismns und echter Bopalismus find in monarchiſchen Staa⸗ 
5 Witraliberaliöuund und Ultraroyalismus find auch in ihren Weſen Dafs 
fe beide auf Egeiönms gegründet find (die Faͤlle eines redlichen Fana⸗ 
ind In der Welt fehr felten), und nur das Mittel, der Vorwand iſt ver» 
- BBenn man inſenderheit den Stand der Parteien in Frankreich betrach⸗ 
* die etwa vorhandenen Ultraliberalen dergeſtalt von dem öffentlichen 
verbringt, daß von ihnen als Partel gar nicht mehr bie Rede fein 
o gableeidher — iſt die Contreoppoſition geworden, und wenn maß 
diſchen Abſichten fruͤher noch in Ungewißheit fein Eonmte, fo bat bie 
ein Diefe Sinfiht ei alle Zweifel gehoben. Die Entſchaͤdigung für bie vers 
güter kann man Baum anders als gerecht finden, aber bie Art 
fe der Verhandlung, bie unverhohlenen Andeutungen barauf, daß man 
FI000 Miniomen mır für eine Abfchlagsjahlung annehme, für den Ans 
æ viel größern Reaction bis zur Zeit Ludwigs XV., haben zur Gerchot ge 
zu. Giebente Kufl. 8b. IX, 29 

































450 Rohyer-Collard (Pierre Paul — Antoine Athanafe) 


zeigt, was fich, wenn das Erfte gelungen iſt, noch daran knuͤpfen wird. 
auch der verkauften Güter, Annullirung der Abfindungen zwiſchen den alten 
neuen Beſitzern, MWieberherftellung ber Majorate im Allgemeinen, der Ze 
und andrer gutöherrlichen Rechte, felbft Zuruͤckgabe der Kirchengüter u. [.w.: | 
find die Dinge, welche unter dem Namen bes Royalismus zur Sprache gehe 
werben. | 

Royer-Collard (Pierre Paul), einer der gruͤndlichſten Redner ie 
ten Centrum der franz. Deputirtentammer, geb. 1763 zu Sompuis bei 
François, war 1789 Parlamentsabvocat zu Paris. Als einen Freund gefe 
ßiger Freiheit ernannte man ihn zum Mitgliede des Gemeinderaths von? 
Mit dem 10. Aug. hörte er auf dies zu fein; er entging den Bluturtheilen 
Spftems von 1793 und 1794; im Mai 1797 ward er vom Depart. der M 
zum Mitglied des Raths ber Künfhundert ernannt, allein 3 Monate fpäter, 
er fich gegen dem Prieſtereid erklärte, am 18. Fructidor ausgefchloffen. & 
gehörte er nebft bem Marquis v. Clermont-Gallerande, dem Abbe Monteig 
und Hm. Becquey zu den Näthen des Königs in Frankreich, bis Ludwig X 
fich nach England flüchtete, worauf diefer Verein fich auflöfte. R.C. 
den Wiffenfchaften und erhielt 1811 daB Decanat der philofophifchen Far 
nebft der Profeffur der Gefchichte der neuern Philofophie. Hier entfaltete 
Fahre lang die Talente eines Pascal: fo tief drang er in die Xheorie ein, fol 
war feine Logik, fo ſcharf f. Bemweisführung, fo lebendig und geiſtvoll f. Vor 
Denker und Redner zugleich, ergriff er Herz und Verftand; vor Allen begs 
er die guten Köpfe und zog treffliche Schüler, unter welchen ſich aud) Victor 
fin befand. R.:C. bekannte fi, wie man aus f. im Dec. 1813 gebrudten 
trage („Discours‘‘) fieht, zu der auf Thatſachen der Erfahrung geſtuͤtzten 
fophie der ſchottiſchen Schule. Das feltene Talent ber philofophifcdyen & 
ſamkeit beroährte er auch als politifcher Redner in der Kammer, wo fein ruhlg 
Charakter feiner freifinnigen Denkart etwas Großartiges gibt. 1814 er 
ihn Ludwig XVIIL zum Genetaldirector der Druderei und des Buck 
dam zum Staatsrath und Ritter der Ehrenlegion.. Als Napoleon 1815 
kam, legte er fämmtliche Stellen nieber und blieb bloß Profeffor. Nach de 
ten Reftauration ward er in den Staatsrath zuruͤckberufen und zum Präfl 
der Unterrichtscommilfion ernannt. Hier wirkte er viel Outes, beſonders 
leider jest aufgehobenen, Normalfchule; auch fchüste er wen er Eonnte ge 
Reibungen des Parteihaffes. Inder Sigung der Kammern von 1815 fi 
er mit der Minorität für die Charte und für die verfaffungsmägige Wal 
In den folgenden Sigungen behauptete er ein von allem Parteieneinfluffe 
haͤngiges Stimmrecht; auch warb er öfter zur Präfidentenftelle vorgefchlagen, 
der. Sitzung von 1817 galt er für das Haupt der wenigen Deputirten, die 
Doctrinnairs nannte, meil fie aus allgemeinen Grundſaͤtzen und Schiuffelgen 
tale Meinungen ableiteten. Sein cenflitutionnelles Koͤnigthum gründet fd 
vernunftgemäße und gefchichtliche Überzeugung. Seit 1819 fteht R.⸗C 
mehr an der Spite des Öffentlichen Unterrichts; mwahrfcheinlich in Kolge feines 
fihten, die mit dem Syſtem des Minifteriums nicht mehr übereinftimmten. & 
er befämpfte mit der ganzen Stärke feiner politifchen Vernunft die Ausnahm 
die neue Wahlform, die Bewilligung der 100 Millionen für den fpanifchen 
und aͤhnliche Mafiregeln bis zur Auflöfung der Kammer 1823. Nom De 
der Marne aufö neue für die Sisung von 1824 ermählt, flimmte er gest 
Septennalität und 1825 gegen das Sarrilegiengefeg. In den bei beiden 
genheiten gehaltenen Reden gab er neue Beweife f. Talents, die erften Grün 
nes Satzes zu entwickeln und aus dem Wefen der Sache daß helifte Licht übe! 
Begenftand zu verbreiten. Er findet daher ſtets aufmerkfame Zuhörer. 1 




























Rozier Rubens 451 


ı Zaplace’8 Stelle Mitglied der franz. Akad. — Sein Bruder, An: 
anafe, Leibarzt des Könige und Prof. bei der mebicinifchen Facultaͤt 
f.w., geb. 1768, ftubirte feit 1797 die Heiltunde, worin er ſich fehr 
Das Ausland kennt ihn als Herausgeber ber „Bibliotheque me- 
1803. Bon ihm hauptfädhlich rührt bie beffere Einrichtung des Sir: 
u Charenton ber. Chemals hielt er Vorlefungen über Seelenkrank⸗ 
er trug er gerichtliche Arzneitunde vor. Seine Abhandl. über ben 
‚Dietionn. des sciences medicalea‘) ift ins Deutfche überfegt. Er 
16 am Ende 1825. | 
er (Pilatee de), f. Aeroflat. 
ato tempo, verruͤcktes Zeitmag, in der Muſik, von dem ital. ru- 
1%, bedeufet eine eigne Art bes affectvollen Vortrags, vorzliglich lang⸗ 
'e, bei welchen man in der Hauptflimme bee Geltung mancher Noten 
ht und ſich alfo nicht ſtreng an den Takt bindet, im Ganzen aber und 
a Stimmen bie Ordnung des Zeitmaßes genau beobachtet. Nad) dem 
to werden mandye Gänge befchleunigt, manche verzögert, und ber Takt 
Finzelnen etwas verrüdt, ohne daß im Ganzen die Einheit barımter 
8 Tempo rubato ſchoͤn und richtig vorzutragen, erfobert viel Übung und 
Le, und es darf nicht zu Häufig angemenbet werden. 
el, eine ruffifche Sitbermünze, die 10 Griwen ober 100 Kopeken ent⸗ 
unſerm Gelde beträgt der Sitberrubel (zum Unterfchied von bem Pa⸗ 
Affignation) ungefähr 1 The. 3—4 Gr. 1654 wurben die 
in Moskau gefchlagen. Nach X. aber erſt anhaltend feit 1704. Vor⸗ 
e man durchſchnittene hamburger Thaler mit dem ruſſiſchen Wappen. 
ndetman wenig, und biefe faft nur mit dem Gepräge von Katharina II. 
e find Zweirubelſtuͤcke von Gold. Goldene Halbrubel findet man auch 


h. 
end (Peter Paul), einer ber größten Maler, geb. 1577 zu Koͤln, wo 
‚ ein adeliger Schöppe zu Antwerpen, wegen ber Unruhen in Brabant 
tt niedergelaffen hatte. Mach dem Tode f. Vaters, ber ihm eine ge: 
ung hatte geben laffen, ward R. in Antwerpen. Page bei einer Gräfin 
Er verließ fie aber wegen ihrer ausſchweifenden Sitten, um fidy ganz 
ngsfunft zu widmen. Otto Vernius liebte den ebeln, hochherzigen 
venfo fehr wegen f. Tugenden als wegen f. Fleißes und Talents und 
ı die Geheimniffe der Kunft ein. Bald ward N. größer als f. Meifter 
auf bes Letztern Rath, mit Empfehlungen bes Erzherzogs Albrecht an 
Vincenz Gonzaga verfehen, Stalien, um dort feine Stubien fortzus 
e Herzog nahm ihn als Edelknaben in feine Dienfte, worin er 7 Jahre 
n Mantua aus Rom, Venedig und Genua beſuchte. Beſonders zo⸗ 
an und Paul Veronefe'6 Werke nad) Venedig, wo er fich nach biefen 
bete. Wohin er kam, vererigte er ſich durch ſ. fchöpferifche Meiſter⸗ 
Spanien, wohin ihn der Herzog Vincenz ald Gefanbten mit einem 
Beſchenk an den König Philipp IV. gefanbt hatte, malte er diefen 
und mehre feiner Großen, ftudirte bie dortigen Kunftfchäge und Lehrte, 
md koͤnigl. Geſchenken überhäuft, nad Mantua zuruͤck. Benachrich⸗ 
Krankheit ſ. Mutter, eilte er ſchleunig nach Antwerpen. Sie war 
18 er ankam. Vor Betruͤbniß darüber ſchloß er ſich in die Abtei St.- 
Bonate lang ein, mo er durch roiffenfchaftliche und kuͤnſtleriſche Thaͤtig⸗ 
erz zu zerftreuen fuchte. Von der Ruͤckkehr nad) Mantua hielten ihn 
m Verſprechungen ber Erzherzoge und die Liebe zu Iſabella Brant, die 
ttin warb, zurüd. Cr baute ſich zu Antwerpen ein prächtige® Haus, 
elbſt von Außen in Fresco malte. Die herrlidye Rotunda, die er ton 
29 * 





nigin YKarta von Wxebtet, welche dieſe Jurſtin Durch Ihn fur eine 
Palaſt Luremburg malen ließ, verfertigte R. nur 2; die übrigen, ſ 
heit gemäß, mit fremder Beihuͤlfe. R. war ein Maler vom erften ! 
ſchoͤpferiſcher Geift zeigte ſich im größten Umfange —— 
gleicher Geſchicklichkeit malte er Landſchaften, Bildniſſe, Thiere, B 
und Geſchichten. Innig vertraut mit den groͤßten Geſchichtſchreibern 
faſt aller Nationen und Zeiten, vereinte er die ſorgfaͤltigſte Beobach 
tur, der alten und neuen Kunſt mit der ſcharfſichtigſten und richtig 
ung. Vielleicht hat kein Maler ihn in ber Fertigkeit, die menſchlich 
ten darzuftellen, erreicht. Genau und mit ber hoͤchſten Feinheit u: 
bezeichnete ex Alter, Geſchlecht und Stand f. Figuren und wußte j 
es mochten Bätter ober Menfchen, Helden ober Schäfer fein, ihrer 
chen Charakter zu geben. Weniger als in den Gemälden Rafael's h 
feinigen das Sanfte und Lieblicye, aber die Flamme der Begeifterun 
Darftellungen fich fo kuͤhn, Eraftvoll und Iebendig ausfpricht, und 
Styl ſ. Beftalten fegt den Beſchauenden in Erftaunen und Bewun 
ihn Einige den flanderiſchen Rafael genannt haben. Allein dies Feu 
feinen Compoſitionen begeifterte, verbunden mit bes Schnelligkeit 
zung feines Werke, riß ihn manchmal fo bin, daß er mehr auf Sch 
Schönheit der Formen fah und zuweilen die Nichtigkeit der Zeichn 
berkraft feines Colorits aufopferte. Doch wird Rubens einer ber 
Maler bleiben, von Wenigen erreicht, von noch weit Wenigern, u 
nur in einzelnen Theilen, uͤbertroffen. Deßhalb gab man ihm mit | 
sennamen bes Fuͤrſten der nieberländifchen Schule, in welcher ex den 
bem aͤltern Geſchmack in den neuen zu bilden ſcheint. — Daß ein fol 
Fächern des menfchlichen Wiſſens vertrauter, mit einem ſchoͤnen Auf 
teißenden Beredtſamkeit, einem Alles umfaſſenden Genie, den lieb 
gefelligen Talenten und Zugenden ımb mit einem tiefbringenben 
durch Natur und eigne Ausbildung reichlich ausgeftatteter Dann a 
Schen Schauplake eine bedeutende Malls ſniolen ımb nuüklich ein kaͤm 


Kübezahl Rüdenmart 4853 


libende, um ihnen wohlzuthun. Die Übrige Zeit theilte er zwiſchen dem 
ums und der Ausübung f. Kunft und den Wiſſenſchaften. Seine zweite 
R, Helene Formann, mußte ihm oft zum Modell für Frauenkoͤpfe dienen; 
ur dann, wenn bas Bild feine Helena felbft darſtellen follte, malte er es fo 
unb reigend wie fie war. Mehre Jahre vor f. Tode konnte er wegen ber 
und des Zitterns feiner Hand keine Werke von Wichtigkeit malen und be 
Me ſich deßhalb auf bloße Staffeleigemälde. Er ftarb den 30. Mai’ 1640 
werpen, too er mit großer Pracht begraben wurde. — Man hat vor einigen 
rein Seldftportrait, von ihm gemalt in f. 46. Jahre (1623) in Forebribges 
el Stafford gefunden. Unter den beutfchen Galerien befigen die zu Wien, 
ven, Dresden, Kaffe! die herrlichſten Bilder von ihm. 
tübe ahl, der Volksname eines Berggeiſtes, welcher ber Sage nad 
fengebirge gehaufet und, je nachdem ihn bie Laune anwanbelte, 
; —— Freund, bald als neckender Spuk ſich den Bewohnern jener. 
> gezeigt haben ſoll. Mufkus in feinen „Bollsmäcchen der Deutfchen‘ Hat 
heit die Sagen und Erzählumgen von Ruͤbezahl, fowie den Urfprung bes 
aren Namens diefes Berggeiftes, mit Anmuth und heiterer Laune dem les 
Yublicum vorgeführt. Neuerdings haben mehre Opern die Sage von ihm 


halte. 

kubicon, in den Römerzeiten der Grenzfluß zwiſchen Gallien und Ita⸗ 

Iabem Caͤſar (vgl. d.) ihn mit feinem Heer Überfcheitt und fo die Gren⸗ 
ihm angeroiefenen proconfularifchen Provinz (Gallien) verließ, kuͤndigte er 

den Feind bes Senats und ber Republik an und gab Anlaß zum 


Rubin. Mit diefem Namen bezeichnet man mehre CEdelſteine, die ver 
ben Mineralgattungen angehören. 1) Der ortentalifche Rubin iſt ein 
E von cochenill= und carmoiſinrother Farbe, ber oft fehr theuer bezahle wird; 
ibin⸗Balais, ein blaßrother, u. 3) Rubinſpinell, ein hochrother 
, von denen lepterer nicht felten einen ziemlich hohen Werth hat. 
ucellai (Giovanni), ein ital. Diäten we welcher fich bie Nachahmung der 
Ziele feste, geb. zu Florenz; 1475. Sein Vater, in deſſen berühmten 
ſich die gebitberften Florentiner zu verfammeln pflegten, s ihm eine wiſ⸗ 
Erziehung, welche der Sohn mit Eifer benutzte. Er widmete ſich 
Stande und übernahm mehre politiſche Sendungen. Die Hoffnung 
bX., der f. Vetter war, und nachher von Clemens VIL, der ihn zum Gou⸗ 
B der Engelöburg ermannte, ben Cardinalshut zu empfarigen, blieb uner⸗ 
I. Rard, von einem Fieber weggerafft, 1526. Sein Gedicht über die 
„Le api“, in reimlofen Werfen (versi sciolti), bie zu bem erflen 
Biteratur gehören, ift alb Lehrgedicht ausgezeichnet durch Zartheit, womit 
, feinen Segenfland behandelt, wie auch durch Wohlklang und Leichtigkeit 
fe. Geine früheren Trauerfpiele, „Rosmunda” u. „Oreste”, beide dem 
bes nachgeahmt, werben zwar von ben Italienern gefchägt, indeß beſteht ihr 
derdienſt nur in der Sprache und Verfification. 
kückenmark, die hirnaͤhnliche Maffe, die ſich in dem Canale der Rüden» 
& 6 hängt auf der untern Fläche des Schädels mit dem Ge⸗ 
nad einigen — der neuern Zeit eine hoͤhere Entfaltung und 
Ertwickelung bes Ruͤckenmarks felbft ift, zufammen, und erſtreckt ſich, in 
te Hüllen eingefchloffen, durch das große Hinterhauptloch binbuchgehen, 
Me Begenb des zweiten Lendenwirbels, wo es ſich mit einem ſtumpf abges 
wm Muötchen, an welchem noch ein fpigigeres hängt, endigt. Neuere Uns 
ungen haben gelehrt, daß es, wie das Gehirn, aus einer Mark: und Rio⸗ 
Ranz beſtehe, und daß ein Heiner Canal fich in demſelben definde. S. Wer: 


7 


PT Käückert 


x 


tebralfpftem.) — Die Verlegungen bes Ruͤckenmarks find deſto gefährliche 
je näher dem Kopfe fie find. Am Halfe hat auch der geringfte Druck ben ſqne 
ften Zob zur Folge, und man fagt dann, das Genick fei gebrochen worden. B.P 
Rüdert (Friedrich), zuerft bekannt geworden unter dem Dichten 
„Freimund Raimar”, wurbe 1789 in der ehemal. freien Reichsſtadt Schweinfg 
am Main geb. Das Gymnaſium feiner Vaterſtadt gab ihm die erfke geiflige 
dung, und Jena zählte ihn einige Sahre lang zu feinen aladbemifchen Bi 
Hier mwibmete er fich feiner eigentlichen Facultaͤtswiſſenſchaft, ſondern ſchwe i 
dem weiten Gebiete philolog. und belletrift. Studien umher, und trat 18fi 
Privatdocent, aber nur auf kurze Zt auf, nachdem er eine Habilitationtdiſſe 
tion über die Sprache gefchrieben.. 1815 — 17 hielt er fi zu Stuttgart q 
nahm Theil an der Redaction des Morgenblatts und begab fid) von da nach Ftal 
Er brachte den größten Theil 1818 in Rom und Aricia zu, unter manchen an 
Studien und Riebhabereien auch dem ital. Volksgeſange nachfpürend, von be 
ſchoͤne Bläthen in ſ. Tagebüchern mit nach f. Heimath gebracht hat. Imfe 
ben J. ließ er fi) In Koburg nieder, wohin feine Samilie ſich ſchon früher we 
hatte. Hier privatifirte er feitbem, den Muſen in dem Schoße einer gluͤck 
Häuslichkeit opfernd, und „auf feiner Ottomane reinen Oſten koſtend“. € 
bef&äftigt mit den Sprachen des Orients, fcheint er dem Weſten fich immer 
zu entfremden, was die Steunde feiner Muſe, die diefem Einfluffe nicht entı 
kann, mit Bebauern bemerken. Zulegt iſt er als Prof. der orientalifchen © 
hen, unter welchen er das Arabifche und Perfifche mit großem Erfolg betr 
hat, 1826 auf die Univerfität Erlangen berufen worden. R. gehört ald Incl 
Dichter zu ben ausgezeichnetflen Erſcheinungen in der deutfchen Literatur de 
genwärtigen Periode. Seine fchriftftellerifche Laufbahn eröffneten: „De 
Gebichte von Freimund Raimar” (u. X. die „Geharniſchten Sonette“ enchalt 
welche 1814 gedruckt wurden. Als 2. Th. ſchließt ſich dieſer Sammlung an, 
„Kranz ber Zeit" (unter dem Namen Friedrich R.'s; Stuttgart 1817). 
Fahre Früher war ebendaf. erfhienen: „Napoleon, eine polit. Komöbie f 
Stuͤcken. 1. Stud: Napoleon und der Drache” (von Fr. Raimar). eg 
„Sftlichen Roſen“ (Leipzig 1822) haben wir 3 Lefen erhalten. Außerde 
fern viele Taſchenbuͤcher Gedichte beffelben; namentlich bie „Urania’‘, ba; 
ſchenbuch zum gefellfigen Vergnügen” (bei Gleditſch), die „Aglaja” um 
Frauentaſchenbuch“, defien Redacteur er einige Fahre lang gemwefen ifl. 
hat er die Makamen bes Hariri frei bearbeitet, und u.d. T.: „Die Verwa 
gen des Abu Seid” (fo heißt ber Held des von R. bearbeiteten Werks, et 
präfentant arabifcher Bildung, Poet, Schoͤnredner, Prediger, Lanbfed 
Bettlee und Gauner), geiftreih ins Deutfche übertragen. Die lyriſche 
Fr. RS iſt vielleicht bie vielfeitigfle, aber freilich auch bie unftetefle und bus 
welche je zu beutfchen Verfen begeiftert hat. Überfchauen wie, was fie is 
faͤhr 103. gegeben hat, mit einem Blicke, fo möchten toir meinen, eine Dix 
karte von allen lyriſchen Dichtungsarten darin zu erbliden, welche feit Jahrg 
derten auf dem deutſchen Parnaß geuͤbt worden find. Die politifchen Volkel 
in den beiden erften Gedichtſammlungen, die zarten und üppigen Ghafelen 
DOrients, die kunſtreich geketteten Terzinen, die Sonette in Harnifchen ımb in 
niſcher Galla, möchten etwa bie Grenzlinien des Gebiets bilden, auf weiche 
Muſe ſich bewegt. Dazwifchen ſchwaͤrmen aber nod) Eleine Ritornelle, &% 
nen, Vierzeilen, Diftihen umher, und das Lied der Nibelungen laͤßt ſich inf 
Gewirre mit einigen berben Nachklaͤngen auch vernehmen. Es iſt ſchwer, 
dieſe verſchiedenartigen Producte zu einem Mittelpunkte zuruͤckzufuͤhren, in 
ihren Urſprung nehmen und ihre Verwandtſchaft wiederfinden. Uns f 
R.’6 Doefie der Geiſt über das Herz ent[chiedener zu berrfchen, als wir es in! 




























Rüdfall Ruͤckgrathsverkruͤmmungen 435 


Poeſte fobern und erwarten. Phantaſie und Witz glänzen am vortheil⸗ 
in allen ſeinen Gedichten, und nur wenige derſelben ſprechen uns mit der 
und Innigkeit bed Gemuͤths an. die uns z. B. in ben Goͤthe ſchen Liedern 
aber beruhigend feſthaͤt. Phantaſie und Witz haben aber, ihrer Natur 
keine natuͤrlichen, in der Individualitaͤt des Dichters begruͤndeten Grenzen, 
jeö mit dem Herzen ber Fall iſt. Daher kann R. dichten, was und wie er 
„aber es fehlt ihm in biefer oft bis zum Fabriciren überfpannten Vistuoßs 
‘ver imnere Takt, welcher dem bichtenden Herzen Stoff und Form gibt, 
und: ninnnt. Woher ſonſt bie mancherlei verkuͤnſtelten und verkruͤppelten 
„in welche der tuͤchtige Mann den kraͤftigen Stamm feiner Poeſie zer⸗ 
? Wenige Dichter koͤnnen ſich in eigentlicher Schoͤpfungskraft und Reich⸗ 
m der Anfchanung mit R. mefien. Der Stoff ſchwille unter feinen 
Ard will vergeubet fein. Aber der Dichter macht ſich a ornenigee 0f6 
Baleihfam einen Spaß daraus, einen und benfelben Stoff. bis ins Ermüdenbe - 
, Korm aus Form drehenb, bis Alles verdreht und verzwickt wird, 
ang feiner Reier geht von ben eräftigften Tönen eines Kriegsmarſches bis 
aufm Gekoſe einer Kolsharfe, und wenn man ein geharniſchtes Gonett 
eine Eleine Öftliche Roſe ſtellt, fo perfonificie fich feine Doef ie ir einem ‚Ders 
auf deffen Schultern Amoretten ſpielen. R.'s Virtuofität in der Sprache 
Versbau ift überaus bewundernswuͤrdig; aber freilich wollten wir uns 
einen etwas geringern Grad derſelben gefallen laſſen, wenn er badurch De bewo⸗ 
ede, fie weniger zu uͤberſpannen und zu mißbrauchen. 
Rückfall —2 nennen die Ärzte die Rückkehr derſelben —* 
entweder bereits gehoben war, ober wenigſtens fid in dem Stadium der 
cenz befand. Zwar tragen manche Umſtaͤnde (z. B. fehlerhafte ober 
lommtene Curen, unvollſtaͤndige ober geſtoͤrte Kriſen, die Fortdauer ber Ur⸗ 
es erſten Erkrankens, Fehler in der Diaͤt, zu reichliche und unangemeſſene 
fen und Getraͤnke, zu lebhafte Bewegung, Gemuͤthobewegungen, Erkaͤltun⸗ 
Ra. Umſtaͤnde) viel zu Ruͤckfaͤllen bei und fie vermögen fonft in jeber Reconra⸗ 
„wo bie Gefundheit noch nicht gehörig befeftige iſt, — wieder in 
it zu ſtuͤrzen. Die Moͤglichkeit zu Ruͤckfaͤllen iſt daher, in ben mehrſten 
ten vorhanden. Einige aber find g any vorzüglich dazu geneigt. Dahin 
Feen ohne Zu und endemiſche Sieber, vorzüglic, die Wechfelfieber, alle Ente _ 
3 ohne Ausnahme, viele Geſchwire und chroniſche Hautkrankheiten, viele 
el; bie Geiftet- und Gemuͤthskrankheiten, Krämpfe, Blutungen, die Ruhr 
| akrankheiten, Katarrhe etc. Oft ift der Ruͤckfall hartnaͤckiger, gefährs 
(eis bie urfprüngliche Krankheit, durch welche die Gonftitution ſchon angegriffen 
— Bor ben Rüdfällen kann man fi) nur dadurch fchügen, daß man. bie 
derſelben vermeibet, unb baß die erſte Krankheit vollkommen geheilt wird. 
Büdgratpeverfrümmungen beißen die wibernathrlichen Bieguns 
hdgrathe, weiche dem Stamme bes Körpers und felbft auch den Glle⸗ 
ine mehr ober weniger verbilbete (verwachſene) Geſtalt geben, daher ſchlefen 
hohe Fauiten, Budel, verfchobene Bruft, ungleiche Hüften, Lahmbeit, 
| eb Ähnliche U bei hervorbringen. Je häufiger jegt übel biefer Art umter 
Ständen, namentlidy unter dem weiblichen Befchlechte, vorkommen, 
| * man die meiſten derſelben einer Nachlaͤſſigkeit der Aitern u. Erzieher, 
zihnung von Seiten ber damit behafteten und oft einer verkehrten Bes 
3 won Geiten ber ſich mit Heilung derſelben beſchaͤftigenden Perſonen zu⸗ 
muß, deſto mehr iſt es Pflicht, hier dieſelben hinſichtlich ihrer Entſtehung 
mfichtlid, der Verhütung und Heilung derſelben genauer zu betrachten. Die 
Bildung bed ganzen Körpers hängt vorzüglich von der naturgemäßen Bes 
izuheit des knoͤchernen Ruͤckgraths (der aus 24 Wirheln beikcehenben Mirkels 




















456 RKuͤckgrathsverkruͤmmungen 


ſaͤule) ab, welche, vom Becken aufſtelgend, auf ihrer Spitze den ** " 
Beufigegend die Rippen trägt. Diefe Wirbelfäte darf feitusärt6 weher redet | 
links bleibend von der graden Linie abweichen, wol aber macht fie nach we 
hinten einige naturgemäße fanfte Krummungen: tm ber 
nach vorn, in der Bruſtgegend etwas nach hinten, am Halſe wieder etwah 
vorm gebegen. Diefe vegelmdßige Bildung bes Rackgraths toirb durch Dies 9* 
Beſchaffenheit der knoͤchernen Wirbel ſelbſt, ber fie verbindenden Knorpel wall 
dee. um der fie haltenden und bewegenden Ruͤckenmuskeln Dervorgebeadit. 
die Wirbel ſelbſt an einer Knochenkrankheit (mie 3.8. bei der fog 
Krankheit), fo ift das Ruͤckgrath nicht Im Gtande, bie Bafl des Kopfeb u 
unb den Körper aufrecht zu erhalten: es biegt fich nach irgend einer Seite M 
biefe widernatuͤrliche Biegung nimmt, wenn nicht geholfen wird, täglich zu,A 
wächft wol endlich ganz und bann iſt die VBerkruͤmmung umbeilbar. . 
. Knorpel und Bänder an widernatuͤrlicher Schlaffheit (wie 3. B. bei fehlaffem,! 
iofem Koͤrperbau etc.), fo kaun fi —— nicht nach jeder gemachen 
wegung wieder in feine natuͤrliche Lage zuruͤckbringen und es geſchleht le 
einzelne Wirbel aus. ihrer natürlichen Verbindung treten, ſich unvollke 
renken, und hiermit iſt auch die Anlage zu einer Verkrlmmung gegeben, 
über dem audgetretenen Wirbel liegende Theil der Wirbelſaͤule nunmehr der 
Grunblage entbehrt umb deßwegen fich nach einer Seite krankhaft verble 
Die Rädmmusteln endlich, weiche zu beiben Geiten des Rüdgraths in 
Form und Anzahl vorhanden, nicht nur die mannigfaltigen Bewegungen 
pers.ausführen, ſondern auch durch das Gleichgewicht ihres Kraft die * 
tung ber Wirbelſaͤule erhalten, Binnen ſehr häufig Urſachen ber tra 
krimmungen werben, dadurch, baß fie entweber der gehörigen Reaft er 
in welchem Falle das — ſeiner doppelſeitigen Anfpammung en rtbeie 
fig gefammenfinten u. feitwärts ober auch nach vom oder hinten ar 
‚ober daß fie einfeitige Beroegungen zu oft ober zu lange — , too. X 
endlich in einer ſolchen oft gehabten Richtung verharrt und 2 | 
feine gerabe Richtumg zuruͤckkehren kann. Aus biefer lberficht ergeben fi 
bie mannigfaltigen Urfachen der Verkruͤmmungen und die Mittel, fie zu 
unb zu beiln. Die Urfachen können wir uf Krankheiten und ouf | 
nungen —— 7 Die Krankheiten der Kinder, welche zu 1 
kruͤmmungen Anlaß geben koͤnnen, ſind vorzuͤglich die "Skrofelfankheit, I 
mit biefer in —— ſtehende enouſch ⸗ Krankheit, und die krankhafte € 
ber Rinder. Diefen Krankheiten bauen wir am beften vor durch gefunde le 
at Nahrung, reine Luft, hartes, nicht zu warmes Lager, fieifige 10 
ung, hohe Meinlichkeit, öfteres — Waſchen und Reiben ber Past ® 
liche Erfoderniſſe einer guten Kinderzucht. Die krankhafte Schwaͤche de 
muskeln hat haͤufig darin ihren Grund, daß man Kinder, beſonders fi 
zu früh zum Aufcechtfigen zwingt, wobei das Ruͤckgrath nothwendig zu 
ten und fid) verbiegen muß; ober barin, daß man Kindern zu wenig fe 
gung und Übung ihrer Muskeln verfkattet und fie zu anhaltend zum Gtitfigee 
zums Lernen zwingt (bie ficherfte Art, geiftige und ——— Rräppel zu , 
* tragen auch bie zu früh angelegten Schnuͤrleibchen oder Schul 
Schwaͤchung der Ruͤckenmuskeln und in Folge deffen zur 5 
—— bei. Werden nämlich fortwährend durch eine 
Schultern kuͤnſtlich unterſtaͤtzt und der Leib eingezwaͤngt, fo gewoͤhnt ſich bar M 
per ſehr bald baran, bie Stuͤtze des Ruͤckgraths ganz allein in dieſern Gcuhchl 
chen zu finden, die Rädenmusteln, denen es naturgemäß zufäme, das Rüde 
aufrecht zu erhalten, bleiben müßig und verueren deßhalb ganz ihre Krafe; eb ka 
der Körper nunmehr gar nicht ohne Schnüxteischen ich aufcecht halten und fi 































Ruͤckgrathsverkruͤmmungen 467 


sen, ſorsle dieſes entfernt wird. Kommt nun hierzu noch fortwaͤhrend die, 
‚ut Drohungen gefchärfte, Ermahnung : fich gerade zu halten, die von dem 
re — — geſchwaͤchten Kinde das Unmoͤgliche verlangt, fo 
Wie ſruchtloſen Anſtrengungen nichts Andres bewirken als eine Verbiegeng 
die denn auch bei Maͤdchen aus dem hoͤhern Ständen ebenbeß⸗ 
dagegen bei Knaben aus denfelben Ständen, die weder mit Schnuͤr⸗ 
Loving! noch > u fo fireng zum Sigen angehalten werben, weit feltener 
Nicht weniger häufig iſt aber bie zweite Urfache der Verkruͤmmum⸗ 
2 bie Verwoͤhnung, und es verdient dieſe ganz bie Beachtung bes auf⸗ 
wu Exzichers, weil hier gerade Du durch ihn fo wohithaͤtig gewirkt werben kann. 
a ui gehört becker hierher, daß viele Wärterinnen bie Kinder immer auf einem und 
tragen, —* das Kind ſich gewoͤhnt, immer nach Einer Seite 
und in Einer Richtung zu ſchlafen, woraus nothwendig ſpaͤter 
ſich entwickeln muß. Sodann gehört hierher bie 
beitumg. des Körpers bei manchen Spielen und Befhäftigungen, fo beim 
Diel der Maͤbchen, beim Schreiben, Lefen, Zeichnen, Nähen, Sticken, 
* der Floͤte, Geige, Harfe und Guitarre; die Gewohnheit, bie Süße 
tehen fiber einander zu ſchlagen, oder auf Einem Fuße zu flehen, das Hins 
B anhaltende krumme Liegen im Bette u. dgl.; ja, es kann bei Maͤdchen 
i Sangbauernde Zopfflechten am eignen Kopfe das Entſtehen einer Ders 
ung begäufligen. Alle einfeitige oft wiederholte ober lang fortgefegte Bes 
(de eine Anläge zur Verkruͤmmung des Ruͤckgraths werben, und iſt ein» 
**8* dazı gegeben, fo vermehrt ſich das übel mit jedem Tage. Die 
mung- find außer der Verunſtaltung des Körpers, 
Dekan zu manchem Berufe völlig untauglich macht, bei Maͤdchen aber 
jGiũck des ganzen Lebens verhindern kann, auch noch Engbruͤſtigkeit, Reis 
Bungenentzömbung, Böeufkwaffeefacht, Lungenſchwindſucht und Schlag⸗ 
ie Überhaupt eine Störung des koͤrperlichen Wohlſeins und ein frühzeit> 
Bei Welbern bringt eine Verkruͤmmung des Körpers, auch wenn fie 
bedentend iſt, oft ſchwere Entbindung, oft völlige Unmöglichkeit der Ent: 
auf watürlihen Wege und Nothwendigkeit bes Kaiferfchmitts mit ſich. 
epätungsmittel der Verkrkmmungen bienen benn bie oben anges 
fd: Nahrung, Luft, Lager, Bewegung und Reinlichkeit der Kin⸗ 
Uufficht über Waͤrierinnen und Uber die Kinder ſelbſt, um jeder üben Ans 
meßglichfl vorzubeugen, und endlich bie wichtige Regel: die gerade Hal⸗ 
weder durch das Anlegen von Schnuͤrleibchen noch durch das 
Anhalten zu einem fleifen Tragen des Körpers erzwingen zu wollen, 
das Gegentheil bezwecken und Ruͤckgrathsverkruͤmmung zur 
würde. Wichtig iſt ed aber, ſich von der früheften Entftehung einer 
g in Kenntniß zu fegen. Demzufolge ift es Pflicht für 
uud Erzieherinnen, die Körper ber Kinder oft in dieſer Hinficht zu unters 
FEs muß dies fo gefchehen, daB man das Rind entkleidet, fo vor fich fe 
legen) läßt, daß man den Rüden vollkommen überfehen fann; der 
muß gerabe, das Geſicht vollkommen geradeaus gerichtet werben, bie Arme 
—2*— herabhaͤngen —F die ganze Stellung muß dabei ſo ungezwun⸗ 
—22 genommen werden. Man unterſucht nun, ob das Ruͤckgrath ſeit⸗ 
yon der geraben Linie abweiche, indem man mit den Fingern der rechten 
* den leicht fuͤhlbaren Wirbeln herabfaͤhrt, wobei man auf etwanige Er⸗ 
g einer Stelle oder etwanige ſchmerzhafte Empfindung des Kindes bei ber 
einer. Ötelle wohl achtet. Dan vergleicht fobann die zu beiden Seiten 
llegenden Ruͤckenhaͤlften, bie volltommen gleich fein müffen, bes: 


t die Form * Halſes, die Höhe ber Schultern und Hüften ; heil Ungkei« 



























458 . Ruͤcklaͤufig Ruͤckungen (rhythmiſche) 


heit der letztern muͤſſen auch die Huͤftgelenke und Fuͤße unterſucht werden. 
vordern Seite des Koͤrpers beachte man, ob der Bruſtknochen genau in! 
ber Bruft liege und ob er. eine gerade Linie bilde, ob die Schläffellnod, 
mäßig geformt find, ob Eeine Rippen ungleich hervortreten. Bei ern 
Mädchen beachte man die Gleichheit oder Ungleichheit der Bräfte; oft g 
das frühefte Kennzeichen einer Ruͤckgrathsverkruͤmmung. Alle diefe Unt 
gen müffen wenigftens 1 oder 2 Mal wöcentlid vorgenommen und b 
zeifere Alter, befonders bei Mädchen, fortgefest werben, weil gerade 
. Zahren für das weibliche Geſchlecht am häufigften die Gelegenheit zu Rt 
verktuͤmmungen fidy findet, und weil nur in diefen Jahren noch, bis 
20. bin, die Heilung möglich if. Man verfchiebe die Aufmerkſamkei 
noch nicht unterfuchtes Ruͤckgrath ja nicht bis dahin, wo eine hohe Sch 
Hüfte u. dgl. fich zeigt; dieſe find Exfcheinumgen der bereite ſchon lange ' 
nen Verbildbung. Hat man aber etwas von Nüdgrathöverbildung bei 
huͤte man fi) vor den bier oft angerathenen Mitteln des Aufhängens a 
men (ein fehr fchädliches Verfahren), des Auflegens von Pflaftern, di 
nichts führen kann, u, ebenfo hüte man fich vor dem Wahne, als könne 
meifter einem folchen libel begegnen, das unter f. Leitung gewiß fich verf« 
wird! Schaͤdlich ift ferner das Tragen ber hierzu oft empfohlenen Zu 
hen und das Abaͤndern der Kleiderfchnitte oder das Ausfüttern der Klı 
das Übel zu verbergen. Die einzige Hülfe Bann ein mit diefen Verbildu 
trauter Arzt gewähren, der aber nur durch die genauefle Unterfuchun 
flandes des Kranken fi, in deu Stand fegen kann, zu helfen, und.der db 
auch nur unter der Bedingung gewähren kann, daß man, fie nicht zu f 
langt und mit Geduld feine Anordnungen ausführt. Er muß babei rel 
chaniſch zu Werke gehen und zu viel auf Mafchinen halten, noch auch z 
wirkfamen Mitteln vertrauen, bie das libel vermehren, indem fie die Hi 
zögern; er muß, wenigftens in den hier betreffenden Theilen, Arzt un 
zugleich fein. (K. Wenzel, „Über die Krankheiten am Rüdgrathe”, n 
Bamberg 1824, Fol.). 

Rüdläufig, in der Afttonomie, wird die fcheinbar ruͤckgaͤngi 
gung (von Morgen gegen Abend) der Planeten und Kometen genannt. 
obern Planeten nehmen wir fie zur Zeit ihrer Oppofition mit der Sonn: 
untern zur Zeit ihrer untern Conjunction mit derfelben wahr. Der Gi 
Erſcheinung liegt in der Stellung diefer Geftirne gegen die Sonne und ( 
der Sonne, als dem Mittelpundt ihrer Bewegung, aus gefehen, iſt bi 
mer rechtläufig. Nur von einigen Kometen weiß man, daß fie ſich 
fcheinbar, ſondern wirklich rüdläufig bewegen. Auch den Planeten fi 
man während feines Rüdlaufs ruͤklaͤufig, und fagt in diefem Sin 
Mars fei jährl. 75 Tage ruͤcklaͤufig. Dies zur Erklärung eines häufig vo 
den Calenderausdruckes. | 
| Ruͤckungen (rhythmiſche) oder ruͤkende Noten in der D 

Das, was man aud) fonkopirte Noten nennt, wenn auf den guten Takt 
Noten fallen und der natürliche Accent dadurch gleihfam verfhoben wir 
Müdungen werden angewendet, um ein wiberfirebendes Gefühl aut 
Duch Rüdungen (fagt K. P. €. Bach) wird die gewöhnliche Harmoni 
vorausgenommen oder aufgehalten. Es gibt gefhmwinde und langfar 
ganze und durch halbe Töne, z. B. 


— . 

Bee 

— 
un \ 


sd 7 


ungen (enharmonifhe) .Rubolf I. (deutſcher Kaifer) 459 
Weber unterfcheidet die Rädungen von den Synkopen und befchräntt bie 


nf diejenigen Fälle, in welchen eine Note, die auf eine leichte Zeit faͤlt, 


we Die Dauer diefer Zeit hinaus und zwar bis auf die folgende ebenfo leichte 

sr wird, folglich auch bie Rüdungen im ungeraden Takte, 3. 8. 
f | 

Iadunge n (enbharmonifche) beißen diejenigen plöglihen und ımvers 

Wllbergänge aus einer Tonatt in eine ganz unertwartete und fremde, welche 

pm fogen. enharmoniſchen Tonwechſel geichehen, wobei Zöne in doppelter 


Ing und Bedeutung vorfommen. Indem 3. B. ber Zonb (wie er als um 


üben Ton erniedrigtes h heißt) nachher als nis (als um einen halben Ton 
Ra) erſcheint, ruͤckt bie Modulation durch diefe veränderte Beziehung ſchnell 
mabre Tonart fort, z. B. J 


Ms. 
ıbbed (Dlaus), ein berühmter Polyhiſtor, geb. zu Arofen in Weſter⸗ 
b 1630. Außer der Arzneiwiſſenſchaft ftudirte es Mufit, Mechanik, Mas 
} Aiterthümer -und erlangte ſchon als Z1jähriger Juͤngling durch die Ent⸗ 
der lymphatiſchen Gefäße, durch welche die ganze Phyſiologie viel Aufklaͤ⸗ 
ann, einen großen Ruhm. Seine über jenen Gegenſtand 1653 heraus⸗ 
Säyeift iſt auch enthalten im 2. Th. von Manget’8 „Bibliotheca anato- 
Gleich nad f. obigen Entdeckung gelangte der befannte Thomas Bars 
richtigen Einſicht in das Geſchaͤft der lymphatiſchen Gefäße, und es ers 
geoifchen ben beiden Anatomen ein higiger Streit über die Ehre der erſten 
ng, welche jedoch R. verblieb. Nachdem er von einer gelehrten Reife 
and zuruͤckgekehrt war, lehrte er zu Upfala die Botanif, legte einen bo⸗ 
Garten an und ward hernach Prof. der Anatomie und zulegt Curator der 
#. Er ftarb 1702. Sein befannteftes Werk ift: „Atland eller Man- 
lantica sive Manheim, vera Japheti posterorum sedes ac patria‘ 
1675—78, 3 Bbe., Fol). (S. Atlantica) — Sein Sohn (gleich⸗ 
aus), geb. zu Upfala, war der Nachfolger f. Vaters und ftarb 1740. 
) ein Werk über Lappland (‚„‚Lapponia illustrata”, Upf. 1701), eine 
Blegie („Ichthyologia biblica”, ebend. 1705— 22) u. a. m. — Ein Dich⸗ 
bed (C. J. oder gleichfalls DIaus), ber 1756 zu Stodholm geboren 
md 177777 daſelbſt ſtarb, machte ſich durch 2 fchön verfificirte Hiftorifche Eos 
jelbengedichte: „Die Borafiade”, in + Gef. (Stodh., 2. Ausg. 1783), 
at (ebenb. 17784) bekannt. 
Gbesheimer, f. Rheinweine. 




















6. ben 1. Mai 1218, war ber aͤlteſte Sohn Albrecht IV., Grafen von 
eg und Landgrafen von Elſaß. Bei dem Heere Kaifer Friedrichs II. zeich⸗ 
4 durch Muth und Gefhidtichkeit aus. Nach f. Water Tode (1240) 


ger Sitte, durch) Eriegerifche Unternehmungen zu vergrößern, unterhielt 
Jeines Heer, zufammengefegt aus Abenteurern verfchiebener Völker. Das 
ar er ſich gegen feine unruhigen Nachbarn und dehnte auf ihre Koſten 
taus. 1245 erlangte er durch f. Vermählung mit Gertrud, Tochter 
ards, Grafen von Homburg oder Homberg (in der Schweiz), das Weilers 
ud das Schloß Ortenberg im Elſaß. Bon f. Mutter erbte er die Srofikg, 


die habsburgiſchen und aargauifchen Güter deffelben. Um fein Gebiet, 


ıdolfI., ber Stammwater vieler deutfchen Kaifer und des Haufes öſt- 


460 Rudolf J. (deutfcher Kaifer) 


Kyburg und Lenzburg. Außerdem befaß er die Sraffch. Habsburg, ı 
bes Zuͤrchgaues, die obete Landgrafſch. Elſaß, das Burggrafthum Kheh 
zerſtreute Güter in Schwaben. Der tapfere Rudolf half dem König £ 
Böhmen in f. Kriege gegen die heibnifchen Preußen. Durch Klugh 
Gerechtigkeitsliebe und durch den Schug ber frieblihen Bürger gegen 
gier der Edeln erwarb er ſich fhon damals die Achtung der Hohen un 
12373, als ex gerade den Bifchof von Baſel belagerte, erhielt ex bie v 
Rachticht, daß er einflimmig In Frankfurtktm deutſchen Kalfer « 
Weber erflaunt noch verwundert, nahm er die Krone an umb verorbm 
daß keine Verleihung von Reichtlehen ohne Einwilligung der Kurfürfen 
Darauf foderte er, diefer Verordnung gemäß, von Ottokar, König vo 
der ſich f. Wahl widerfegt und fich felbft um die Kaiſerkrone beworben 
Öftreich. Lande als Reichſslehen zurid. Ottokar, damals einer der 
kriegeriſchen Fürften Europas, weigerte fi. Aber R. eilte ſchnell 
Kriegsheere nach Niederbaiern, zwang den borfigen Herzog Heinrich, ! 
gewonnen hatte, f. Partei zu ändern, drang in Öſtreich bis an die Ma 
vor und überrafchte f. Feind, indem er eine Schiffbruͤcke über bie Do 
Ottokar hatte zu wenig Macht, ſtreichs Hauptftabt zu ſchuützen, u 
Frieden. Diefer warb ihm bewilligt unter ber Ifachen Bedingung 
Steiermark, Kaͤrnthen, Krain ıc. zu entfagen, Rudolf als Kaiſer anzuer 
ihm wegen Böhmen und Mähren zu huldigen. Ottokar bat hierauf 
4276) in dem Lager vor Wien den König fußfaͤllig und in Gegenwart 
fim um Vergeihung, teiftete Verzicht und wurde mit Böhmen und 9 
lehnt. Er konnte aber ben Verkauft nicht verfchmerzen und brach 1277 d 
Die Reichsfuͤrſten betrachteten jegt den Streit als eine Privatfache R 
terſtuͤtzten diefen weit weniger al& vorher ; Ottokar hingegen hatte ſich di 
niffe mit mächtigen Fürften verftärtt. Am 26. Aug. 1278 trafen beib 
Stillfried am Meidenbache auf einander, wo R. verwundet wurbe, | 
aber das Leben verlor. (Val. Marchfeld und Dttofar) Nach di 
Thloß der Kaſer mit dem Markgrafen Dtto von Brandenburg, dem 
des jungen Koͤnigs Wenzel von Böhmen, einen Vertrag, buch welch 
Steiermark, Kärnthen, Krain und die windifhe Mark ihm auf iImmeı 
wurden. Mit Öftteich und Steiermark beiehnte er 1283 den 1. Su 
Albrecht, welcher der Stammvater bes mächtigen oͤſtreich Haufes wur! 
den Päpften, deren Einfluffe R. vorzüglich f. Wahl zum Kaifer dankte 
fortwährendem Frieden; doch fuchte er das kaiſerl. Anfehen, welches 


ſowie in Deutfchland, während des Interregnums fehr gefunten war, 


n 


heben, auch ertheilte ee den Staaten von Florenz und Lucca nur gege 
großer Gelbfammen einige Vorrechte, ohne ihre Verbindung mit be 


Reiche dadurch aufzuheben. Durd die Vermählung f. Töchter mit « 
‚hen und auswärtigen Fürften hatte er f. Macht noch mehr befeftige. 


beſchloß R., der Gefeglofigkeit in Deutfchland, wo durch bie fortwaͤhrer 
dungen raubfüchtiger Edelleute und Großen Handel, Gewerbfleiß um 
ſchreiten der fittlichen und geiftigen Bilbung gehemmt wurden, Einhe 
aber zur geſetzlichen Abftellung der Fehden konnte ex auf dem Reichstage 
nichts weiter bewirken al& die Verordnung, daß jeder Befehdung eine | 
kuͤndigung vorausgehen folle. Er felbft veifte im Neiche umber, ſchlich 
lich die Streitfachen Hoher und Nieberer und ftellte den Landfrieden 
ſodaß man ihn auch daß lebendige Geſez nannte. Den Kurfürften fid 
Rechte, unternahm nichte Wichtiges ohne ihre Zuſtimmung, die er ſich 
Willebriefe, welche nachher von f. Nachfolgern beibehalten wurben, eı 
unb verorbnete, daß die Einwilligung der Kurfächten auch ba erfoderlit 


‚Subolf IL. (deutfcher Kai) 461 


e ber andern Stände nicht nöthig fei. Gegen die Erbauung von Ges 
e dem unzuhigen Adel zu Maubfchlöffern dienten, gab er ernfle Verord⸗ 
» gerfiäcte in einem Jahre (1290) mehr als 70 folder Schloͤſſer. 1283 
er einen Krieg gegen den Grafen von Savopen, ber mehre beutfche 
ı im ber eh ſich zugeeignet hatte, und zwang ihn zur Ruͤckgabe und 
ng. Gleich glüdlich war er gegen ben mächtigen Grafen von Burs 
ich dem beutfchen Meiche hatte entziehen wollen. Durch bie Unruhen 

, u der Markgraf Dtto fi) der Herrfchaft ganz bemächtigen wollte 

Wenzeslaus gefangen hielt, veranlaßt, eilte R. mit einem Krieges 

—— den Koͤnig und vermaͤhlte eine ſ. Toͤchter mit ihm. Noch in 
wheizathete er fich felbft mit einer 14jaͤhrigen Prinzeffin von Burgund. 
h aber, f. Sohn Albrecht zu f. Nachfolger erwählt zu fehen, warb ihm 
ct, und er flarb zu Germereh⸗im auf einer Reife nad) Speier, am 15. 
im 76. Sabre. — Wenige Fürften haben Kalfer Rudolf an Kraft bes 
und an baͤrgerlichen und kriegeriſchen Tugenden erreicht. Ex war im 
abe tapfer, unermuͤdet thäti ehetigr einfach in Sitten und Lebensweife, her 
ıd gefprächig, gütig, großmüthig und durchaus gerecht. Im Anfange 
ſcheint ex freilich nicht allzu gewiſſenhaft in ber Wahl feiner Mittel ges 
n. Aber ald Kaifer war er ein Mufter der Maͤßigung und Billigkeit. 
cch die Wiederherſtellung eines frieblichern Zuftandes der Schöpfer des 
n und geiftigern Lebens und Wirkens in Deutſchland, wie er benn auch 
Abſicht hatte, den Gebrauch der deutfchen Sprache in Ausfertigung ber 
anführen, wovon die Bandfriedenefagung von 1281 als er Peobe 


R.° 
olf IL, deutfcher Kalfer, Sohn Kaiſer Marimilians L., * 182, 
itheils von den Jeſuiten in Spanien erzogen, erhielt durch feinen Bas 
e ungarifche und 1575 bie böhmifche Krone, nebſt dem Titel eines roͤ⸗ 
ige. Nach Maximilians Tode (12. Oet. 1576) beflieg er den Kaiſer⸗ 
man hielt ihn für einen talentvollen, kenntnißreichen und gutmütbigen 
— ſtatt zu vgl befchäftigte ex fich mit mechanifchen Erfindun⸗ 
ke und Pferden. Auch war er furchtſam und unentfchlofien, und fein 
de tathol. Religion verbarb wieder, was die gemäßigten Brunbfäge feis 
gut gemacht hatten. Er allein hatte die zahlreichen Länder bes oͤſtreich. 
— nd ‚feine Behder waren durch Apanagen abgefunden. Als er 
de proteſtant. Religion in feinen —** ſich ſehr ausbreitete, nahm 
fsiten geleitet, druͤckkende Maßregeln, um der kathol. Siehe wieber das 
t gas verfchaffen, und veranlaßte dadurch manche Empörung. Auch im 
eiche trat er bei allen Streitigkeiten ber Proteflanten und Katholiken 
te der letztern; durch feine Einwirkung warb ber Erzbifchof und Kurs 
wb von Köin, der zum Proteftantismus übergetreten war und geheira⸗ 
1584 abgeſetzt. Darauf veranlaften die räuberifchen Einfälle der vom 
Yalmatien Ustofen (Überläufer) einen Krieg mit dem Sul⸗ 
tb UL 1592, der in Ungarn bis zu dem 1606 mit dem Sultan Ach⸗ 
u en mit wechfelnden Gluͤcke geführt wurde. R., ber zus 
an diefen Ereigniſſen wenig Theil und überließ ſich feinen 
— Seine ungarifchen Untertanen erfuchten daher feinen 
uw Örgherzog ‚ die Regierung zu übernehmen, und erwählten 
7 ya ihrem Könige. Matthias nahm von diefem Meiche Beſitz, ging 
heere nach Öftzeich und —— ſeinen Bruder, ihm dieſes Land und 
xlich abzutreten. Bald nachher entſtanden bie Erbfolgeſtreitigkeiten 
8 anerlanntes Gremplar biefes Landfriedens det fidh, von bem be. 
—— — dahin — in Kr, —ã zu Wolfenbüttel. 


462 Ä RKuffo (Babrizio) 
wegen Juͤlich und Kleve, die den Ausbruch der Uneintgkeit zwiſchen den Pra 
ten und Katholiken herbeiführten. Es wurden Bünbniffe gefchloffen mb 4 
heere geruͤſtet. Vergebens berief R. Reichstage, um die Ruhe zu erhalten 
die Utraquiſten und Proteftanten in Böhmen, denen er durch den Maifl 
(11. Juli 1609) freie Religionsübung , ein Conſiſtorium umb die Untei 
Prag, ſowie dad Recht, neue Kirchen unb Schulen anzulegen, zugeftank 
twurben durch die Verlegung ihres Freſheitsbriefes beleidigt, und riefen 
Erzherzog Leopold mit einem Deere nach Böhmen kam, um fie zum &% 
beingen, ben König Matthias zu Hülfe, welcher den Kaifer nöthigte, M 
auch Böhmen zu Überlaffen. R., dem eine jährl. Summe von 300 
Gib. audgefegt und der Genuß von 4 Herefchaften geblieben war, Rah 
San. 1612 im 60. J. feines Alters und im 36. feiner Regierung. Die 
zeihungen des berühmten, jeboch abergläubifchen Sternkundigen Tyche W 
ben er nebſt feinem Schuͤler Kepler glänzend aufnahm, machten den Kaiſth 
trauiſch gegen alfe feine Umgebungen, daß er weder zum Vergnügen , 
ſchaͤfte halber feinen Palaſt verlief. Er war nie verheirathet und hatten 
natuͤrliche Kinder. = 
Ruffo (Fabrizio), Cardinal⸗Diakonus, geb. den 16. Sept. 1744 
pel, ward als der jüngfte Sohn einer Familie, beren Kitefter ben Tltel 
Baranello führt, dem geiftl. Stande beftimmt. In Rom gewann er 
trauen Pius VI., der ihn zum Oberfchagmeifter nannte. Sein beftiget 
tee und feine fiscalifche Strenge machten ihm Feinde; allein Unbefangel 
ſ. Finanzkenntniß Gerechtigkeit wieberfahten. Er wurde 1791 Carbinel, 
Neapel und nahm vom König die Stelle eines Intenbamten des Schloffe 
an. ° Dies mißfiel dem röm. Stuhle; allein R. glaubte ſich Dadurch vork 
Uniwälzungen Staliend ficher zu ſtellen. Vergebens wiberrieth er den 
Frankreich. Dann floh er mit dem Hofe nach Sicilien. Hier wollte JF 
talentvollen R. aus der Nähe des Königs entfernen; er ſchickte ihn daher 
labrien, um das Volt zum Aufitande zu reizen. Man gab dem Carb 
macht, 3000 Ducati und 5 Mann Soldaten. Saum mar er im Maͤ 
Bagnara, einem Lehngute feiner Samilie, ans Land getreten, fo brach 
zlimmende Feuer des Aufftanbes in vollen Flammen aus. Das Volk te 
weife unter die Fahne des Kreuzes; ed nahm Monteleone mit Sturm 
hier, wie in Catanzaro, Gofenza; Roffano, und vorzuͤglich in Atem 
wtideften Ausfchweifungen. Der Cardinal mußte dem Fanatismus ber! 
fen nachgeben; doc) war er großmüthig gegen die Anhänger der Nepubllli 
fi ihm unterwarfen. Indeß machte er nur geringe Kortfchritte, weil ve W 
mit zuchtlofen Haufen ganz regellos führte; als aber Macdonald ſich W 
Heere aus Neapel zuruͤckgezogen hatte und ein Corps Ruffen gelanbet war, 
er raſcher gegem die Hauptftadt vor. Zuvor empfahl er dem Hofe m 
Maͤßigung und Milde; allein er warb nicht gehört. Aus Eiferfuc 
Ruhm des Carbinals, verbot ihm Acton, Neapel früher zu befegen, 
Mitwirkung des Admirald Nelfon und der Zinienregimenter , bie Gene 
- ber Bruder des Minifters, anführte. Doch um fo fchneller eilte num Bi 
Hauptſtadt, wo er aber ohne die Ankunft der Ruffen und ohne bie fe x 
Anordnungen des Anführer der Patrioten, Schipani, in die größte € 
ratben fein würde. Neapel öffnete die Thore, und alle Surien ber Bar 
des Fanatismus feierten dieſen blutigen Einzug; es gelang jedoch denst 
den in den Korte eingefchloffenen Republifanern einen capitulationsmäflg 
zuzuſichern. Nur Nelfon und deffen Rathgeber wagten e8, dieſes auf Tel 
Glauben gegebene Ehrenwort zu brechen. Der Carbinal felbft war ie t 
auf Acton's Beſchuldigung, daß er die Jokobiner begünflige, verhaftet zu ! 



























Ruffo Rügen 463 


m ihn zu dem Conclave nad) Venedig berief. Er folgte hierauf dem neuen 
nach Rom, wo er 1801 eine Verwaltungsftelle erhielt, kehrte dann nach 
Izuräd umb trat wieder in den Staatsrath. Hier erklaͤrte er ſich 1805 vers 
‚gegen ben Krieg mit Frankreich. Aufgefodert, das Volk wieder zu bemaff: 
ab er zur Antwort: „Das feien Unbefonnenheiten, die er einmal in feinem 
Yegangen und nicht wieder”. Darauf follte er Neapel mit Napoleon aus⸗ 
15 er kam aber nur nad) Rom, wo er bis 1809 zurückgezogen lebte. In 
Ber Zerſtreuung des Cardinalcollegiums, ging er nady Paris und näherte ſich 
ee. Er mar bei deſſen Bermählung und erhielt von ihm das Großkreuz 
ion. Nach ber MWiederherftellung des Papftes Pius VII, begab er 
demſelben, fand aber bei den Übrigen Cardinaͤlen, die ihn für einen Bong» 
bielten , Eeine freundliche Aufnahme. Auch in Neapel, wohin er fpäter 
Be warb er mit Kälte behandelt, bis ihn Ferdinand I. nad) feiner legten 
llung, 1821, in den Staatsrath berief, wo er ſich durch Mäßigung in 
Borfcrlägen bemerkbar machte. 1823 nahm Cardinal R. in Rom an ber 
so AI. Theil. Er ftarb zu Neapel d. 13. Dec. 1827. 20. 
sffo = Scilla (Lodovico), Cardinal und Erzbifhof von Neapel, geb. 
Snofrio in Galabrien, den 15. Aug. 1750, ernannt zum Gardinal 1801 
eenter Verwandter bes Vorigen), gehört zu dem Gefchlecht der Kürften v. 
ad Grafen v. Sinopoli. Er war Garbinal und Erzbiſchof, ald Joſeph 
u beſtieg. Am Tage des Einzugs dieſes Prinzen folgte ihm der Gardinal 
of zu Fuße von der Kirche bis ins Schloß. Hier wurde er von dem Minis 
Toltus aufgefodert, in die Hände des Königs den Eid abzulegen. Der 
‚ weicher bis bahin der neuen Ordnung der Dinge fich willig gefuͤgt hatte, 
* nur dann ſich bereit, jenen Eid zu leiſten, wenn der Koͤnig als Vaſall 
tuhls verſpraͤche, alle Jahre den Tribut und den Zelter nach Nom zu 
Joſeph befahl hierauf dem Prälaten, das Königreich zu verlaffen. R. 
Rom, mo er alle Schidfale des rom. Stuhls theilte. Nach der Ruͤck⸗ 
Kinige Ferdinand, 1815, trat er in f. Würde wieder ein und verfams 
gleich eine Didcefanfonode, um der Kirchengewalt die Nechte und Privile⸗ 
fie in den legten Fahren verloren hatte, wieber zu verfhaffen. Er 
8 Dirtendrief, den die Regierung mißbilligte und fogar von den Kirchthuͤ⸗ 
sen ließ. Seitdem gab der Gardinal nad) und bewies bloß im Innern 
g feines Sprengels viel Unduldfamkeit. Bei der legten Revolution 
æ fi) zum Eritaunen Aller für die fpanifche Gonftitution, welche er in feis 
reiben vom 3. Aug. 1820 an die Seiftlichkeit und das Volt mit dem Ges 
ch, das Moſes nach dem Willen des Herrn zum Heile Iſraels gegeben. 
Schreiben beförberte fehr die Annahme der neuen Verfaffung; um fo mehr 
u erregte eine Schrift des Cardinal⸗Erzbiſchofs an das Parlament, vom 
:Dec. 1820 (am Tage ber Abreife des Königs nach Laibach), worin er die 
Ratholiten ertheilte Erlaubniß des Privatgottesbienftes für conſtitutions⸗ 
cklaͤrte. Ein zweites Schreiben an das Parlammt, vom 2. San. 1821, 
er die Preßfreiheit verwarf und die geiftliche Gerichtsbarkeit vertheidigte, 
richt werden; allein das Parlament genehmigte diefen Antrag nicht. 
— Rückteht des Königs von Laibach wurde der Garbinal an die Spige ber 
At und des Öffentlichen Unterrichts geftellt; er gab jedoch biefen wichtigen 
bald auf, den darauf Mfgr. Rofini erhielt. — Noch bemerken wir, daß 
Glied diefes vornehmen Haufe, der Fuͤrſt Alvaro Ruffo, feit 
an der Spitze bes Staatsminifteriums des Königs von Sicilien ftand und 
r. Botfchafter am wiener Hofe am Ende Juli 1825 flarb. — Ein Mars 
| ier. Ruffo ift jegt Staatsfecretair des koͤnigl. Hauſes zu Neapel. 
Mügen, bie größte unter den zu Deutfchland gehörigen Infeln, im ter 






















464 Rugendas (Familie) 


Oſtſee, von dem Lande, womit fie in alten Zeiten vermuchlich 
gehangen hat, etiwas übe: eine Wiertelmeile entfernt; bat auf 17 TIER 
251, 67 D.; mie 28,000 Einw. Sie gehört zum bergenſchen Ka 
Bezirke ber Regkrimadi zu Stralſeind (Provinz Pommern‘ De 
Menge BufenzWBobdn oder Binnenwaſſer genannt , unð macht U 
Inſein und Halbinſeln. Deeſe an geoteßten: und remantifchen Bags 
Inſel erhebt ſich in Ihrede Iumern und an ihren nörblicheie Kaͤſten / wel 
ſchroffe, ſteile Kreidewaͤnde bilden. Eine der bedentendſten Anhähen i 
der Infel, bei der Hauptſtadt Bergen, iſt der Rugard, auf welcher bie | 
alten Fuͤrſten Ruͤgens ſtand. Die Stubbenfammer, ein Vorgebirge a 
öftlichen Spihe der Halbinfel Jasmund, wo das anſehuliche Kreibeg 
der See zu ſenkrecht abgeſchnitten, eine der ſchoͤnſten Felſenpartien! 
543 Fuß Hoch biso zu dem König Friedrich⸗Mihelmsſtuhl; eingehau 
führen’ zu dem -Steande hinab. Auf derſelben Halbinſel iſt die Sti 
‚ onfehnlicher Buchenwald mit dem Borgfee, einem ovalen, mit einem | 
umfchlöffenen Plage; :wahrfcheinlich der Ort, wo nach Tacitus's E 
alten Rugier die Göttin Hertha verehrten. Auf der Halbinfel Wi 
Vorgehirge Atkona, die noͤrdlichſte Spige von Deutfchland, wo man nı 
von dem Wale fieht, der ehemals die ſlawiſche Feſtung Arkona umg 
des Hauptgoͤtzen der heibnifchen Ruͤgier (bes Aköpfigen Swantewit). 
terumg iſt veränderlich, die Luft oft fehr neblicht. Den Fruͤhling macht 
Oſtwind angenehm: "Der fhönfte Theil des Jahres iſt der Herbfl. 
Rügen nicht, kaum einen beträchtlichen Bach. Der Boden Ift, einige 
und Torfmoorẽ abgerechnet, fehr ergiebig und liefert viel Getreide, fel 
fuhr. Die Fifperel- und die Viehzucht find gleichfalls wichtig. Holz 
reichend’vorhänden. Die Einm. find fehr fleißig, gute Schiffer und 
fehr gaftfrei. Der Abel ift zahlreich, und die Inſel mit adeligen Höfe 
Ruͤgen warb 1478, nach dem Tode f. legten eingeborenen Zürften, fe 
vereinigt, Fam 1648 an Schweden, 1715 an Dänemark und von ke 
wieder an Schweden. Da 1815 das ſchwediſche Pommern, wovon 
einen Beftandtheil ausmachte, an Preußen abgetreten wurbe, fo wurde 
preußifh. Die Hauptft. Bergen hat 2200 Einw. Der BRartıfl. 
einer Sefundbrummen; das ber fürftt. Familie von Putbus gehörig 
Schloß Putbus hat Seebäder. Vgl. 3.3. Gruͤmbke's „Beogr.: ft 
Darftellung der Inſel und des Fuͤrſtenth. Rügen” (Berl. 1819, 2 Th 
Nugendas (Georg Philipp), einer der beruͤhmteſten Sci 
geb. zu Augsburg 1666, ftudirte Priegerifche Darftellungen nach 
Tempeſta u. A. Nach Gjaͤhrigem Studium und angefitengten Arbeit 
Hand durch eine Fiſtelkrankheit völlig unbrauchbar geworben, er ba 
nebenher mit der linfen diefelbe Sertigkeit erworben und reiſte nım 
Rom und Venebig, wo er fich lange aufhielt. R. malte und rabi 
Seine Zeichnung ift richtig, ſ. Compofition und Färbung ſchoͤn, und ? 
machte, voll Geiſt und Leichtigkeit. In den Stellungen der Pferde v 
ſchoͤpflich. Auch hat man von ihm Blätter in ſchwarzer Kunft mit ı 
riſſen, fie find meiften® braun abgedrudt. Seine Gemälde find über 
unter f. rabirten Blättern aber, die mit bewundernswuͤrdigem Fleiße ge 
zeichnet fi) eine Folge von 6 großen Bl., bie Belagerung von Auge 
Iend, ber er felbft mit beimohnte, vorzüglich aus. Er flarb in f. Vate 
— Seine Söhne (Georg Philipp, ft. 1774, und Chrifttar 
find ebenfalls al8 Kupferftecher betannt. — Joh. Lorenz R., Pro, 
ſchule und Director der fonntägl. Zeichnenfchule in Augsburg, geb. 17 
taillenftüde, u. A. Scenen aus Spaniens neuefter Geſchichte, auf BL. t 


- Ruglevit Ruhnkenius 466 


uber dargeſtellt 1820. Er ſtarb zu Augsburg den 19. Dec. 1826. — Von 
Pain BR. ift eine „Materifche Reife in Brafilien” (Paris 1827) erfhlenen. 
"Rugievit, Rugewit, eine von den alten Rorddeutſchen verehrte Erie: 
Gottheit, die unter feltfamen und fcheußlichen Geſtalten von ihnen barges 
. Die Berehrung des Rugewit fol unter den Obotriten (heutigen 
ern) und auf der Infel Rügen beſonders gebräuchlich geweſen fein, 
legten Begend Rugeroit dann tool mit bem auf Arkona einſt hochgefeler- 
Swantewit in Eins zufanmmenfält. 
uhnkenius (David), eigentlih Ruhnken, Prof. der Geſchichte und 
auf der Univerfität Leyden, einer der berühnsteften Humaniſten ſei⸗ 
befonder® ausgezeichnet durch f. einfach ſchoͤnen claffifhen latein. Styl, 
3 gu Stolpe in Hinterpommern geb. Seine wohlhabenden Altern, welde 
den Anlagen des Knaben bemerkten, beſtimmten ipn den Studien sd 
ihn sunddyft auf das Friedrichscollegium nach Königeberg, wo er nicht AK 
æ claſſiſchen Schriftftellern des Alterthums bekannt wurde, ſondern audy 
und andre fchöne Kuͤnſte übte. Inf. 18. J. bezog er die Univerfität. Nach 
Men f. Ältern follte er in Göttingen Theologie ſtudiren; ihm aber Tagen bie 
Mifchen Studien weit mehr am Herzen. Auff. Reife nach Göttingen kam 
Wittenberg, wo der berühmte Riterator Berger und der gelehrte Heraudg. 
:odex Theodorianus“, Ritter, den Süngling bergeftalt feffelten, daß er ih⸗ 
ht benuste und mit Eifer die Wolf'ſche Philofophie fludirte. Nach 2 
zog ihn der Ruf des großen Tiberius Hemſterhuys nad) Leyden, um bort 
gerricht dieſes tiefen und feinen Kenner der griech. Sprache zu benutzen. 
jedoch Wittenberg verließ, fchrieb ee 1733 feine gruͤndliche Magiftertiepus 
„De Galla Plaeidia”, deren mündliche Vertheidigung ihm mißlang, da ihm 
at, gewandt und fließend su fprechen, flr immer abging, weßhalb er feine 
tzäge meiltens aus dem Hefte ablas. Hemfterhuys, der bald Ruhnken's 
und Gelehrſamkeit bewunderte, bewies ihm die wohlwollendſte Theilnahme 
hard bald fein Freund. 6 Fahre wantte Ruhnken an, um unter feines großen 
Leitung den gangen Kreis der humaniſtiſchen Studien noch einmal zu durch» 
Die erſten Früchte eines fo weiſe und zweckmaͤtig geordneten Studiums 
in zwei Epistolis eriticis (1749 u. 1751), von welchen die eine bie 
Ichen Hymnen, den Heſiod und die grisch. Anthologie, bie zweite ben 
hus, Apollonius und Orpheus zum Gegenſtande hatte. Sein Wunſch 
est, ein philoſophiſches Lehramt auf einer hollaͤnd. Univerfität zu erhalten; 
aber fehlte die Ausficht, weßhalb R. auf Hemfterhuys’s HLath das bereits in 
berg ſtudirte roͤmiſche Recht woieder vornahm. Ohne ſich jed och dadurch von 
Blech. Literatur abziehen zu laſſen, übernahm er eine Bearbeitung bes Plato. 
m Zweck verfchaffte er fich aus der Sangermann’fchen Bibliot het zu Paris 
Mdsrift des einzigen noch vorhandenen Coder von Timaͤus's Wör.terbuch über 
to, und gab baffelbe nebft einem Gommentac heraus (enden „1756 und 
. Nicht leicht findet man fo viele Eritifche und grammatifche Gele hrſamkeit 
am fo engen Raume zufammengedrängt. Diefes Werk reichte hin, R. eine 
= den erſten Philologen feiner Zeit zu verfchaffen. Da er die zwangloſe 
im 
































e in Holland liebgewonnen hatte, fo lehnte er ehrenvolle Anträge zu Lehr: 
Auslande ab, und benugte feine Muße zu einer literar. Reife, auf wm, !Iher er 
berziglichften Bibliotheken Europas benugen wollte. So arbeiteteerin Pa ris ein 
lang in den Schägen der koͤnigl. Bibliothek, wo er mit raſtloſem Fleiße H nd- 
Men abfchrieb, auszog und verglich. Hemſterhuys hatte inzwiſchen Gele, ch⸗ 
tgefunden, da Alter und Kraͤnklichkeit ihn beugten, ſich R. als Kector der grie. ®- 
rache beifegen zu laſſen, welcher auch, als Dubdenborp farb, zum wirkt, Pro, ‘, 
Geſchichte und Beredtfamkeit ernannt wurde. Unter vielen fehr gefhägten Ar- 
Iomn.ter. Siebente Aufl. Bo. IX. 50 


466 Ruͤhrend Rum 
beiten, wohin feine Denkſchrift auf Hemſterhuys, ‚eine Ausgabe des 
u. f. w. gehören, zeichnet ſich hauptſaͤchlich fein Vellejus Paterculu 
1779) aus, ein wahres Muſter von Bearbeitung lat. Claſſiker, fomt 
Kritik des Textes ald bie grammat. Erklärung betrifft. 1780 gab ex eine 
(dem Hymnus auf die Geres heraus, welchen Mathaͤl in Moskau aufgel 
ihm abfcheiftlich mitgetheilt hatte. Zu ſeiner beabfichtigten Ausgabe des 
er nur die Scholien beendigt, als ber Tod 1798 felner Thaͤtigkeit ein 
" Sein Leben hat fein Schhler Daniel Wyttenbach mufterhaft eben 
bemann'$ „Vitae duumvirorum, Tib. Hemsterhusii (von Ruhnken 
Ruhukenüi‘ (v. Wpttenbady) nebft dem „Elogium Jo. Meermanni” | 
Reipz. 1822). 2 

Ruͤhrend in algemeinfter Bedeutung ift Das, was unſer Gef 
gen bewegt, wozu alfo auch das Pathetifche gehören würde ; in engerer | 
was das Gemüth zu ben fanftern Empfindungen bes Mitgefühls, di 
Zärtlichkeit, Hoffnung anregt. In der Kunft befchräntt man das Ri 
vorzugsweiſe auf Dasjenige, was unfer Gemüth in eine gemifchte Emp 
fanfteren Art verfegt, oder was das Gemüth auf einige Zeit im Schn 
ſchen Luft und Unluſt erhält, aber zulegt in ein angenehmes Gefühl v 
der Kunft darf das Rühren nicht Zweck an ſich fein, und die Beabfid 
Nehrung ſchlaͤgt leicht ind Komifche um, mol aber nimmt das Sd 
die Geftalt des Mührenden an,'wo es gilt den Wechſel menfchlicher : 
ſchildern. | . 

Rulhieres (Claude Garloman de), Mitglied der Acadeni. 
und Ritter des heil. Ludwig, bekannt durch geſchichtliche Schriften, war 
des franz. Geſandten Breteuil am peteräburger Hofe Zeuge der St: 
zung , die Peter III. das Leben Eoftete und Katharina auf den Thron v 
bob. Diefe Begebenpeit hat R. zwar kurz, aber trefflich befchrieben, 
Katharinens Charakter in diefer Schilderung nicht ganz der Wahrheit ger 
net fein, indem das Gefühl beleidigter Eitelkeit bin und wieder aus dem* 
Nachdem R. darauf in Geſellſchaft des Baron Breteuil mehre europäif 
ſucht hatte, folgte er dem Marſchall Richelieu in fein Gouvernemient | 
jegt feine literarifche Laufbahn mit feiner von Voltaire fo geruͤhmten, 
- les disputes”. 1787. ernannte ihn die Akademie zu ihrem Mitgliet 
ihm bei diefer Gelegenheit gehaltene Rede zeigte, daß er diefer Auszeic 
dig war; noch mehr bewies er dies durch f. „„Eolaircissemens hist. a 
sen de la revocation de l’edit de Nantes etc.’ (2 Bde., 1788), (3 
bie Lage ber Proteflanten in Frankreich feit Ludwig XIV.), und durch 
V’anarchie de Pologne et du demembrement de.cette rep.; suivie 
dotes aur la revolut. de Russie en 1762” (4 Thle., Paris 1807). | 
feinem Tode erfchienene Werk gibt über die Raͤnke, die Polen den Unten 
ten, viel Licht. Das von ihm in 3 Gefängen verfaßte Gedicht „Les jeu: 
das gleichfalls nach feinem Tode erfchien, zeigt ebenfalls von dem Geifl 
aber auch, daß die Höhere Dichterweihe ihm abging. R. ftarb 1791. 
vres’' erfchienen 1800. Die Charakterzeichnung, die Chamfort von it 
ſtellt Beide, den Zeichner fowol, der R's Freund war, ald den Gezeid 
in das befte moralifche Licht, indem fie den Todten eines ziemlichen Üb 
om Eitelkeit, Verſtellungskunſt und Irrthuͤmern befchuldigt, dadurch 
anzeigt, baß ihr Verf, ber doch fo lange Zeit ſich deffen vertrauten Fre 
felbft nicht frei war von Bleinlichen Leidenſchaften. 

Rum, eine Art Branntwein, der aus dem Saft bes Zuderroh 
übriggebliebenen Unreinigkeiten des Zuckers verfertigt wird. Der befte 
der Infel Jamaika. Die Engländer treiken mit dielem Artikel einen 


Rumelien Rumjänzoff. 467 
* da bet Rum zwat mider ſtark uils der Rack iſt, doch noch haͤufiger ge: 


Kumelien, Rum⸗Itli, f. Romelien. v 
Rumforb (Benjamin Thompſon, Graf v.), geb. 1752 zu Rumford im 
Deogilelch ſehr ducftig, benzte be doch dem Unterricht eines Geiſt 
ber ihn aufgenonmen Hatte. Im 19. Jahte heirathete er elite reiche Witwe. 
—— des de zwiſchen Englinib und Ametlka tet er in britiſche 
‚ warb Major und achte ſich deſonders durch ſeine Ortekenneiſſe ſehr 
. Ab er ji Ende des Krikgs nach London kam, etnannte der König Ihn 
3 auch mar er elite Zeltlang Unterſtaatsſecretair deB Kriegennniſterlums. 
bes Krieges führte dt den Huftcag, die engl. Reikkrei in beffern Zuſtand 
‚mit Eifer ans. Mal bein Frieden erhlelt Thompfon einen Ruf nach 
‚ 280 er ſich durch Aufhebung der Bettelei, Anlegumg von Manufaeturen 
gung der Armen, Einführuhg der Erbäpfel ind dor Sparheizungen, 
aders ber oͤkonomiſchen, nach Ihm benannten Sttppen große Verbierifte er⸗ 
Kurfärft echob ihn zum Grafen von Rumford, maͤchte für zum Ge⸗ 
kant und verlieh ihm mehre Diden. Auch In England Ve — et feine 
Erfindungen; ex fchenkte ald Vicehräfident ber Böntst. Gefetichaft der 
haften derfelben große Summen gu Preisverthellungen fuͤt die wichtigſten 
gen , legte 1800 u. d. R. koͤnigl. Inſtitut (Royal Institution) zu London 
chranſtalt für Honomen, Künftier und Handwerker an, befuchte 1802 Frank 
genb ward ehrenvoll von Bonaparte aufgenommen. Et hielt ſich darauf laͤngere 
Parts auf, md er mit feiner zweiten Gattin, Witwe bes bekuͤhmten Lavol⸗ 
faen Scheldungsproceh führte, und ſtarb auf ſeinem Landhaus zu Autenll 
Er hat von feinen Arbeiten and Erfindungen feloft In feiner Elchten Schrif⸗ 
Bela 1800 — 5, 4 Bbe.) Rechenſchaft gegeben. 
Ramjänzoff (Nicolai Petrowitſch, Graf), rufſiſcher Reichskauzler, war 
1 bes Feldmarſchalls Peter R. der bie Megierung Katharinenß durch feine 
her die Tuͤrken verherrlichte. Ex begann ſeine Laufbahn um 1785 Alb ruſſ. 
pe in Frankfurt a. M. Unter Paul I. lebte er zu Moskau. In der Folge 
te er als Minifter des Handels durch gute Maßregeln bie Ideen Aleranders 
terung des m⸗ umd auslaͤndiſchen Verkehrs, namentlich in Bezlehung auf 
Übrigens galt er für einen Anhänger Napoleons. #807 wuibe er ini 
Angel. und bald daranf auch Reichskanzler (Präfdent Im Reiche: 
Bam). Er begleitete ben Katfer 1808 nad) Erfurt und ſchloß 1809 beit Fries 
t Schweden. Waͤhrend ber See von 1813 — 14 blleb ex in Petersburg 
Spitze bes Depart. der auswaͤtt. Angel., die jeboch Im Feldlager des Kaifers 
a ſelbſt geleitet wurden. Nach der Ruͤckkehr deſſelben gab er das Porter 
an ven Grafen Neffelcobe ab. Seitdem lebte Graf R., der bas Gehör bei: 
hmfich verloren hatte, von den Öffentlichen Angeiegenheiten entfernt, und 
te feine großen Reichthuͤmer patriotifchen und wiffenfchdftlidhen Unterneh⸗ 
3. Namentlich hatte er großen Theil an ber Einführung des Bell:Rancafter’» 
Interrichts; auf ſeine Koflen wurbe die Reife um die Welt durch Doris von 
we ausgeführt und die Beſchreibung gedruckt. Canoda berfertigte für Ihn 
] sine Koloſſalſtatue des Friedens, in der einen Sand einen Olzweig haltend 
£ der andern ſich auf eine Saͤule ftügend, welche die Inſchrift hut: „Frieden 
1783; Frieden zu Kudfchuck⸗Kainardji 1774; Frieben zu Ftiedrichsham 
und an den feltenen Umſtand erinnert, daß 3 der wichtigſten Friedensſchluͤſſe 
8 von Großdater, Vater und Sohn gefchlöffen wutden. Als er die Gtele 
anzlers 1814 nieberlegte, ſandte er alle Geſchenke an Bold und Dias 
In , weiche er während f. Minifteriums von fremden Höfen erhalten hatte, 
atrlotiſche Babe an bie Invalidenanſtalt. Ihm verbantt die Geſhchte ven 
30 * 


























= 


460 Rudolf I. (deutfcher Kaifer) 


Kyburg und Lenzburg. Außerdem befaß er die Grafſch. Habsburg, ı 
bes Zuͤrchgaues, die obere Landgrafſch. Eifaß, das Burggrafthum Rhein 
zerftreute Güter in Schwaben. Der tapfere Rudolf half dem König £ 
Böhmen in f. Kriege gegen die heidniſchen Preußen. Klug 

Gerechtigkeitsliebe und durch den Schuß der friedlichen Bürger gegen 
gier ber Edeln erwarb er ſich ſchon damals bie Achtung der Hohen um 
1273, als er gerade den Biſchof von Baſel belagerte, erhielt er bie u 
Rachricht, daß er einſtimmig in Frankfurt ‘zum deutſchen Kaiſer « 
Meder erflaunt noch vertounbert, nahm er die’ Krone an und verorbne 
daß keine Verleihung von Reichelehen ohne Einwilligung der Kurfürfte 
Darauf foberte er, diefer Verordnung gemäß, von Ottokar, König vor 
der ſich f. Wahl mwiderfegt und ſich felbft um die Kaifertrone beworben 
Öftreih. Lande als Reichslehen zurüd. Ottokar, damals einer der 
Priegerifchen Fürften Europas, weigerte fih. Aber R. eilte ſchnell 
Kriegsheere nach Niederbaiern, zwang ben dortigen Herzog Heinrich,! 

gewonnen hatte, f. Partei zu ändern, drang in Öftrei bis an die Ma 
vor und überrafchte f. Feind, indem er eine Schiffbrüde über die Do: 
Ottokar hatte zu wenig Macht, Öftreiche Hauptfladt zu fügen, u 
Frieden. Diefer warb ihm bewilligt ımter der Ifachen Bedingung 
Steiermark, Kärnthen, Krain ıc. zu entfagen, Rubolf als Kaifer anzuer 
ihm wegen Böhmen und Mähren zu huldigen. Ottokar bat hierauf 
41276) in dem Lager vor Wien den König fußfälig und in Gegenwart 
ſten um Vergeihung, leiftete Verzicht und wurde mit Böhmen und 9 
lehnt. Er Eonnte aber den Verluſt nicht verfchmerzen und brady 1277 d 
Die Reichsfuͤrſten betrachteten jegt den Streit als eine Privatfache R 
terſtuͤtzten dieſen weit weniger als vorher ; Ottokar hingegen hatte ſich di 
niſſe mit maͤchtigen Fürften verſtaͤrkt. Am 26. Aug. 1278 trafen beib 
Stiufried am Weidenbache auf einander, wo R. verrmundet wurde, | 
aber das Leben verlor. (Bol. Marchfeld und Ottokar.) Nach di 
ſchloß der Kaifer mit dem Markgrafen Dtto von Brandenburg, dem 
des jungen Königs Wenzel von Böhmen, einen Vertrag, durch welch 
Steiermark, Kärnthen, Krain und die windifhe Mark ihm auf Immer 
rourben. Mit Öftreih und Steiermark belehnte er 1283 den 1. Ju 
Albrecht, welcher der Stammoater des mächtigen Sftreich. Haufes wur! 
den Päpften, deren Einfluffe R. vorzüglich f. Wahl zum Kaifer dankte 
fortwaͤhrendem Frieden; doch ſuchte er das kaiſerl. Anſehen, welches 

ſowie in Deutſchland, waͤhrend des Interregnums ſehr geſunken war 
heben, auch ertheilte er den Staaten von Florenz und Lucca nur gege 
großer Geldſummen einige Vorrechte, ohne ihre Verbindung mit bei 
Reiche dadurch aufzuheben. Durch die Wermählung f. Töchter mit ı 


ſchen und auswärtigen Fürften hatte er f. Macht noch mehr befeftigt. 


beſchloß R., der Gefeglofigkeit in Deutfchland, wo durch die fortwähren 
dungen raubfüchtiger Edelleute und Großen Handel, Gemwerbfleiß un 
ſchreiten der fittlichen und geiftigen Bildung gehemmt wurden, Einha 
aber zur geſetzlichen Abflellung der Fehden fonnte er auf dem Reichstage 
nichts weiter bewirken als die Verordnung, daß jeder Befehdung eine | 
kuͤndigung vorausgeben folle. Ex felbft reifte im Reiche umber, ſchlich 
lich die Streitfachen Hoher und Niederer und ftellte den Landfrieden 
ſodaß man ihn auch) das lebendige Gefeg nannte. Den Kurfürften fich 
Rechte, unternahm nichts Wichtiges ohne ihre Zuftimmung, die er fich 
MWiltebriefe, welche nachher von f. Nachfolgern beibehalten wurden, er 
und verordnete, daß bie Einwilligung der Kurfürften auch ba erfobertid 


Rudolf II. (deutfcher Raifer) 461 


zismige ber andern Stände nicht nöthig fel. Gegen die Erbauung von es 
wm, bie dem unruhigen Adel zu Raubfchlöffern dienten, gab er ernfte Verord⸗ 
mund zerſtoͤrte in einem Jahre (1290) mehr als 70 folder Schlöffer. 1283 
ex einen Krieg gegen den Grafen von Savoyen, der mehre beutfche 
in der Schweiz fich zugeeignet hatte, und zwang ihn zur Ruͤckgabe und 
. Gleich glüdtich war er gegen den mädjtigen Grafen von Bur⸗ 
fi) dem beutfchen Reiche hatte entziehen wollen. Durch die Unruhen 
wo ber Markgraf Dtto ſich ber Herefchaft ganz bemädhtigen wollte 
MWenzeblaus gefangen hielt, veranlaßt, eilte R. mit einem Kriege» 
befreite ben König und vermählte eine f. Töchter mit ihm. Noch in 
verheirathete ex ſich felbft mit einer 14jaͤhrigen Prinzeffin von Burgund, 
ſch aber, f. Sohn Albrecht zu f. Nachfolger erwählt zu fehen, ward ihm 
st, umd er flarb zu Germersheim, auf einer Reife nach Speier, am 15. 
E291 im 76. Jahre. — Wenige Fuͤrſten haben Kaifer Rudolf an Kraft des 
umb an bürgerlichen und Ertegerifchen Tugenden erreicht. Er war im 
Grade tapfer, unermübet thätig, einfach in Sitten und Lebensweife, her» 
P und geſpraͤchig, gütig, großmüthig und durchaus gerecht. Im Anfange 
aber ſcheint er freilich nicht allzu gewiſſenhaft in der Wahl feiner Mittel ges 

R fein. Aber ald Kaifer war er ein Mufter der Maͤßigung und Billigkeit. 
durch bie Wiederherflellumg eines friedlichern Zuftandes der Schöpfer des 
hern und geiftigern Lebens und Wirkens in Deutfchland, wie er benn auch 
se Abficht hatte, den Gebrauch der deutfchen Sprache in Ausfertigung der 

m einzuführen, wovon die Landfriedensfagung von 1281 als erfte Probe 

® P.N 


wdolf IL, deutfcher Kaiſer, Sohn Kaifer Maximilians II., geb. 1552, 
Bhtentheils von den Jeſuiten in Spanien erzogen, erhielt durch feinen Bas 
m die ungarifche und 1575 die böhmifche Krone, nebft dem Titel eines roͤ⸗ 

Könige. Nach Marinıilians Tode (12. Oct. 1576) beflieg er den Kaifers 

mb man hielt ihn für einen talentvollen, Eenntnißreichen und gutmüthigen 

Allein flatt zu regieren, befchäftigte er fich mit mechanifchen Erfindun⸗ 

nie und Pferden. Auch war er furchtfam und unentſchloſſen, und fein 
die kathol. Religion verbarb wieder, mas die gemäßigten Srundfäge fels 

B gut gemacht hatten. Ex allein hatte die zahlreichen Länder des öftreich. 
geerbt, und feine Brüder waren durch Apanagen abgefunden. Als er 
def die proteftant. Religion in feinen Erbländern ſich fehr außbreitete, nahm 
Jeſuiten geleitet, druͤkende Maßregeln, um ber Bathol. Kirche wieder das 
gewicht zur verfchaffen, und veranlaßte baburch manche Empörung. Auch im 
m Beiche trat er bei allen Streitigkeiten der Proteftanten und Katholiken 
Seite der legten; durch feine Einwirtung warb der Ersbifchof und Kurs 
hard von Köln, ber zum Proteſtantismus Übergetreten war und geheiras 
te, 158% abgefegt. Darauf veranlaßten die räuberifchen Einfälle der vom 
in Dalmatien gebuldeten Uskoken (Überläufer) einen Krieg mit bem Suls 
wrath HI. 1592, der in Ungarn bis zu dem 1606 mit dem Sultan Ach⸗ 
fchloftenen Frieden mit wechſelndem Gluͤcke geführt wurde. R., der zu 
site, nahm an diefen Ereigniffen wenig Theil umb überließ fich feinen 
na ungen. Geine ungatifchen Unterthanen erfuchten daher feinen 

R, den Erzherzog Matthias, die Regierung zu übernehmen, und erwählten 

1607 zu ihrem Könige. Matthias nahm von diefem Reiche Beſitz, ging 
ausm Heere nach Öſtreich und zwang feinen Bruder, ihm diefes Land und 
ww feierlich abzutreten. Bald nachher entflanden die Erbfolgeſtreitigkeiten 
Gin als echt anerkanntes Exemplar biefes Landfriedens befindet fi, von bem be. 
ken Sonring (1660) dahin gefchenkt, in der fürftl. Bibliothek zu Wolfenbüttel. 

























462 | Ruffo (Fabrizio) 


wegen Juͤlich und Kleve, die den Ausbruch der Uneinigkeit zwiſchen ben Pre 
ten und Katholiken herbeiführten. Es wurden Bünbniffe gefchloffen und 
heere geruͤſtet. Vergebens berief R. Reichötage, um die Ruhe zu erhalten, 
die Utraquiften und Proteftanten in Böhmen, denen er durch den Majeh 
(11. Juli 1609) freie Religionsübung , ein Confiftorium und die Univ 
Prag, forvie das Necht, neue Kirchen und Schulen anzulegen, zugeflanäu 
wurden durch die Verlegung ihres Freiheitsbriefes beleidigt, und riefen 
Erzherzog Leopold mit einem Deere nach Böhmen fam, um fie zum &% 
bringen, den König Matthias zu Hülfe, welcher den Kaifer nöthigte, he 
auch Böhmen zu Überlaffen. R., dem eine jährl. Summe von 300,00 
Gld. ausgefegt und der Genuß von 4 Herrfchaften geblieben war, flach 
Stan. 1612 im 60. J. feines Alters und im 36. feiner Regierung. Die] 
geihungen des berühmten, jeboch abergläubifchen Sterntundigen Tyco "ef 
den er nebft feinem Schuͤler Kepler glänzend aufnahm, machten ben Kaifee 
trauifch gegen alle feine Umgebungen, baf er weber zum Vergnügen m 
ſchaͤfte halber feinen Palaſt verließ. Er war nie verheirathet und hatte « 
natlırliche Kinder. 

Ruffo (Kabrizio), Carbinal:Diatonus, geb. den 16. Sept. 1744 
pel, ward al6 der jüngfte Sohn einer Familie, deren Älteſter ben Titel HE 
Baranello führt, dem geiftl. Stande beftimmt. In Rom gewann er ii 
trauen Pius VI., der ihn zum Oberfchagmeifter ernannte. Sein heftiger 
ter und feine fiscalifche Strenge machten ihm Feinde; allein Unbefangesg 
ſ. Finanzkenntniß Gerechtigkeit wiederfahren. Er wurbe 1791 Carbinal, d 
Neapel und nahm vom König die Stelle eines Intendanten des Schloſſes 
an. Dies mißfiel dem röm. Stuhle; allein R. glaubte fid) dadurch vor be 
Umwaͤlzungen Staliens fiher zu ſtellen. Vergebens widerrieth er den K 
Frankreich. Dann floh er mit dem Hofe nad) Sicilien. Hier wollte I 
talentvollen R. aus der Nähe des Königs entfernen; er fhidte ihn daher 
labrien, um das Volk zum Aufftande zu reizm. Man gab dem Carbir 
macht, 3000 Ducati und 5 Mann Soldaten. Kaum war er im Mäy fi 
Bagnara, einem Lehngute feiner Familie, and Land getreten, fo brach 
glimmende Zeuer des Aufftandes in vollen Slammen aus. Das Volk me 
weife umter die Sahne des Kreuzes; es nahm Monteleone mit Sturm ui 
bier, mie in Gatanzaro, Cofenza, Roffano, und vorzüglich in Altar 
roildeften Ausfchmweifungen. Der Cardinal mußte dem Fanatiemus der & 
fen nachgeben; doc) war er großmüthig gegen die Anhänger der Mepubiil, 
ſich ihm unterwarfen. Indeß machte er nur geringe Fortfchritte, weil er den 
mit zuchtlofen Haufen ganz regellos führte; als aber Macdonald fid 
Heere aus Neapel zuruͤckgezogen hatte und ein Corps Ruſſen gelandet war, } 
er rafcher gegen die Hauptftadt vor. Zuvor empfahl er dem Hofe zu Mi 
Maͤßigung und Milde; allein er ward nicht gehört. Aus Eiferſucht a 
Ruhm des Carbinale, verbot ihm Acton, Neapel früher zu befegen, & 
Mitwirkung des Admirals Nelfon und der Linienregimenter, die General 3 
der Bruder des Minifters, anführte. Doch um fo fchneller eilte nun R. : 
Hauptftadt, wo er aber ohne die Ankunft der Ruſſen und ohne die fehler 
Anordnungen des Anführere der Patrioten, Schipani, in die größte Gef 
rathen fein würde. Neapel öffnete die Thore, und alle Furien ber Ba 
bes Fanatismus feierten diefen blutigen Einzug; es gelang jedody dem Ga 
den in den Forts eingefchloffenen Republifanern einen capitulationsmägigen ? 
zuzuſichern. Nur Nelfon und deffen Rathgeber magten es, diefe® auf Treu 
Glauben gegebene Ehrenwort zu brechen. Der Cardinal felbft war in G 
auf Acton’s Beſchuldigung, daß er die Jakobiner begunftige, verhaftet zu w 


























) 


Ruffo Rügen 463 


zu dem Gonclave nad Venedig berief. Er folgte hierauf dem neuen 
Rom, mo er 1801 eine Vermwaltungsftelle erhielt, kehrte Dann nach 
Fund feat wieder in den Staatsrath. Hier erklaͤrte er fich 1805 ver: 
den Krieg mit Frankreich. Aufgefodert, das Volk wieder zu bewaff⸗ 
zur Antwort: „Das feien Unbefonnenheiten, die er einmal in feinem 
zen und nicht wieder”. Darauf follte er Neapel mit Napoleon aus⸗ 
am aber nur nach Rom, mo er bis 1809 zurückgezogen lebte. In 
flreuung des Gardinalcollegiums, ging er nad) Paris und näherte ſich 
Er war bei deffen VBermählung und erhielt von ihm das Großkreuz 
on. Mach der MWiederherftellung bes Papftes Pius VII., begab er 
elben, fand aber bei ben übrigen Cardinaͤlen, die ihn für einen Bona⸗ 
ten, keine freundliche Aufnahme. Auch in Neapel, wohin er fpäter 
warb er mit Kälte behandelt, bis ihn Ferdinand I. nach feiner legten 
fung, 1821, in den Staatsrath berief, wo er ſich durch Maͤßigung in 
hiägen bemerkbar machte. 1823 nahm Cardinal R. in Rom an ber 
II. Theil. Er ftarb zu Neapel d. 13. Dec. 1827. 20. 
o = Scilla (Lodovico), Cardinal und Erzbifchof von Neapel, geb. 
io in Galabrien, den 15. Aug. 1750, ernannt zum Gardinal 1801 
er Verwandter des Worigen), gehört zu dem Gefchlecht ber Fürften v. 
Srafen v. Sinopoli. Er war Gardinal und Erzbifchof, als Joſeph 
flieg. Am Zage des Einzugs diefe® Prinzen folgte ihm der Carbinal 
Fuße von der Kirche bis ind Schloß. Hier wurde er von dem Minis 
us aufgefodert, in bie Hände des Königs den Eid abzulegen. Der 
eicher bis dahin der neuen Ordnung ber Dinge ſich willig gefügt hatte, 
nur dann ſich bereit, jenen Eid zu leiften, wenn der König als Vaſall 
tuhls verfpräche, alle Fahre den Tribut und den Zelter nach Rom zu 
ofeph befahl Hierauf dem Prälaten, das Königreich zu verlaffen. N. 
om, mo er alle Schidfale des roͤm. Stuhls theilte. Nach der Rüds 
aigs Ferdinand, 1815, trat er in f. Würde wieder ein und verfams 
h eine Dioͤceſanſynode, um der Kirchengewalt bie Rechte und Privile⸗ 
e fie in den legten Jahren verloren hatte, wieder zu verfchaffen. Er 
Hirtenbrief, ben die Regierung mißbilligte und fogar von den Kirchthuͤ⸗ 
m ließ. Seitdem gab ber Carbinal nad) und bewies bloß im Innern 
ung feines Sprengels viel Unduldſamkeit. Bei ber legten Revolution 
H zum Erſtaunen Alter für die fpanifche Conftitution, welche er in feis 
ven vom 3. Aug. 1820 an die Geiftlicykeit und das Volt mit dem Ges 
‚ das Mofes nad dem Willen des Herrn zum Deile Iſraels gegeben. 
reiben beförderte fehr bie Annahme der neuen Verfaffung ; um fo mehr 
regte eine Schrift des Carbinal:Erzbifhofs an das Parlammt, vom 
c. 1820 (am Tage der Abreife des Königs nad) Laibach), worin er bie 
tholiten ertheilte Erlaubniß des Privatgottesdienftes für conſtitutions⸗ 
ste. Ein zmeites Schreiben an das Parlammt, vom 2. San. 1821, 
je Preffreiheit verwarf und die geiftliche Gerichtsbarkeit vertheibigte, 
ruͤckt werden; allein das Parlament genehmigte diefen Antrag nicht. 
lckkehr des Königs von Laibach wurde ber Cardinal an die Spige ber 
und des Öffentlichen Unterrichts geftellt; er gab jedoch diefen wichtigen 
auf, den darauf Mfgr. Rofini erhielt. — Noch bemerken wir, daß 
Glied diefes vornehmen Hauſes, der Fuͤrſt Alvaro Ruffo, feit 
er Spitze bed Etaatöminifteriums des Königs von Sictlien ftand und 
Botfchafter am wiener Hofe am Ende Juli 1825 farb. — Fin Mars 
Ruffo iſt jegt Staatsſecretair des koͤnigl. Hauſes zu Neapel. 
en, bie größte unter ben zu Deutſchland gehörigen Infeln, in ter 


— 


fe ee 

wegen Jillch und Rteve, bie ben Autbruh der Uneior,'* Tesmutlh 
tem und Katholiken herbeiführten. 1.054 dat eruTe 
heere geriftet. Veigebens berief IE. Ri pi Kin 
ee A 

. Zul cie * 

Prag, ſowie das Recht, neue 
wurden durch bie Verlegung 


— O6 pe der beetähften Anhkhen 
en — atthiad Abm Einpal auf melcper bi 
auch Böhmen’ su Über ) Stuben , ei Borgebieg 
Std. ausgefegt und der @ „7 mund, tod das anfehnliche Kreid 


f r eine der fchönften Felſenpartien 
San. 1612 im 60, ii — 
















zeihungen des as Auf 
3 ıf derſelben Halbinfel ift bie € 
Pr, — em Borgfee, einem ovalen, mit einer 
f&äfte halber fer d%, qeinlich der Ort, mo nad) Taditus’6 
natlirliche Kin? —— Bet verehrten. Auf der Halbinſel 9 
Ruff GR yiönbehtichfte Spige von Deutfcyland, wo man 
pel, ward der ehemals bie ſlawiſche Feftung Arkona um 
Baranil' beidniſchen Ruͤgier (des 4köpfigen Swantewi 


fich, die Luft oft fehr neblicht. Den Fruͤhling ma 
in Der [chönfte Theil des Jahres ift der Herb 
au einen beträchtlichen Bach. Der Boben ift, eini 
rhäbgerechnet, fehr ergiebig und liefert viel Getreide, 
En girhereh und die Viehzucht find gleichfalls wichtig. Ho 
Anrhänden- Die Ein. find fehr fleifig, gute Schiffer u 
* Der Abel iſt zahlteich, und bie Inſel mit adeligen Hi 
— 1478, nach dem Tode f. legten eingeborenen Fuͤrſten, 
‚tam 1648 an Schweden, 1715 an Dänemark und von 
heben. Da 1815 das fchwedifche Pommern, wovc 
Beftändtheil ausmachte, an Preußen abgetreten wurbe, fo wur 
Pr Die Hauptfi. Bergen dat 2200 Einw. Der Markt| 
Seſundbrumen; das ber fürftt. Famille von Putbus gehoͤ 

5 Putbus hat Seebäder. Bol. I. I. Gruͤmbke's „Beogr.: 
irfteltung der Inſel und des Färftenth. Rügen” (Bert. 1819, 25 
Rugendas (Georg Philipp), einer der berühmteften & 

. zu Augsburg 1666, ſtudirte kriegeriſche Darftellungen nach 
eſta un A. Nach Gjaͤhrigem Studium und angeſtrengten Ark 


VDand durch eine Fiſtelkrankheit voͤllig unbrauchbar geworben, er 


nebenher mit ber linken dieſelbe Fertigkeit etworben und reiſte m 
Rom und Venedig, wo er ſich lange aufhielt. R. malte md x 
Seine Zeichnung ift richtig, f. Compofition umd Färbung ſchoͤn, un 
machte, voll Geift und Leichtigkeit. In den Stellungen ber Pferd 
ſchoͤpflich. Auch bat man von ihm Blätter in ſchwatzer Kunft m 
tiffen, fie find meiften braun abgebrudt. Seine Gemälde find uͤl 
unter ſ. taditten Blättern aber, die mit bewundernswuͤrdigem Fleiße 
zeichnet fich eine Folge von 6 großen Bl., bie Belagerung von Au 
Iend, der ex felbft mit beiwohnte, vorzüglich aus. Er ftarb inf. Bi 
— Seine Söhne (Georg Philipp, ft. 1774, und Chrifti 
find ebenfalls als Kupferftecher bekannt. — Joh. Lorenz R., F 
ſchule und Director der fonntägl. Zeichnenſchule in Augsburg, geb. ! 
taillenftüde, u. A. Scenen aus Spaniens neuefter Geſchichte, auf BI 


Rugievit RKuhnkenius 466 


1820. Er ſtarb zu Augsburg den 19. Dec. 1826. — Von 
. Maleriſche Reife in Brafillen“ (Parls 1827) erſchienen. 
Be ugemwit, eine von den alten Norddeutſchen verehrte Eries 
st feltfamen und ſcheußllchen Geſtalten von ihnen barges 
5 q des Rugewit fol unter ben Obotriten (heutigen 
SE Inſel Rügen befonders gebräuchlich geweſen fein, 
77 agewit dann wol mit dem auf Arkona einſt hochgefeier⸗ 
in . Eins zufammenfältt. 
"7,8 (David), eigentlich Ruhnken, Prof. ber Geſchichte und 
.‚ der Univerfität Leyden, einer der berühnsteften Humaniſten fels 
aders außgezeichnet durch f. einfach [hönen, claffifchen latein. Styh, 
zu Stolpe in Hinterpommern geb. Seine wohlhabenden Ältern, welde 
hen Anlagen des Knaben bemerkten, beftimmten ihn den Studien und 
n zumaͤchſt auf das Friedrichscollegium nach Königsberg, wo er nicht aa 
aſſiſchen Schriftftellern des Alterthums bekannt wurde, fondern audj 
‚andre ſchoͤne Künfte übte. Inf. 18. J. bezog er die Univerſitaͤt. Nach 
n f. Xiteen ſollte er in Göttingen Theologie fludiren; ihm aber lagen die 
hen Studien weit mehr am Herzen. Auf f. Reife nach Göttingen kam 
ittenberg, wo der beruͤhmte Literator Berger und der gelehrte Herausg. 
x Theodosianus‘, Nitter, den Süngling bergeftalt feffelten, baß er ih: 
cht benugte und mit Eifer die Wolffche Phitofophie flubirte. Nach 2 
z ihn der Ruf des großen Tiberius Hemſterhuys nad) Leyden, um bort 
cht dieſes tiefen und feinen Kenners der griech. Sprache zu benugen. 
ch Wittenberg verließ, ſchrieb er 1743 feine gründliche Magiftertispu: 
ı Galla Plaeidia”, deren mündliche Vertheidigung ihm mißlang, ba ihm 
„ geroanbt und fließend zu ſprechen, für immer abging, weßhalb er feine 
ge meiſtens aus dem Hefte ablas. Demfterhuns, der bald Ruhnken's 
Gelehrſamkeit bewunderte, bewies ihm bie wohlwollendſte Theilnahme 
zald fein Freund. 6 Jahre wantte Ruhnken an, um unter feines großen 
tung den ganzen Kreis der humaniftifchen Studien noch einmal zu durch⸗ 
Ye erſten Früchte eines fo weiſe und zweckmaͤtig georbneten Studiums 
zwei Epistolis eritieis (1739 u. 1751), von welchen die eine die 
m Hynmen, ben Defiod und die griech. Anthologie, die zweite ben 
8, Apollonius ımb Orpheus zum Begenftanbe Hatte. Sein Wunſch 
tin philoſophiſches Lehramt auf einer holländ. Univerfität zu erhalten; 
fehlte die Ausficht, weghalb R. auf Hemſterhuys's Rath das bereits in 
3 ſtudirte roͤmiſche Recht wieder vomahm. Ohne fich jey.och dadurch von 
Biteratuc abziehen zu laffen, übernahm er eine Bearbeitung des Plato. 
Zweck verfchaffte er fich aus der Sangermann’fchen Bibliot hek zu Paris 
ift des einzigen noch vorhandenen oder von Timaͤus's Woͤr terbuch über 
und gab daffelbe nebfl einem Gommentar heraus (Leyden „1756 und 
Licht leicht findet man fo viele kritiſche und grammatifche Gefe hrſamkeit 
‚engen Raume zufammengedrängt. Diefes Werk reichte hin, R. eine 
re den erſten Philologen feiner Zeit zu verfchaffen. Da er die „uvanglofe 
e in Holland liebgewonnen hatte, fo lehnte er ehremvolle Anträge zu Lehr: 
(uslanbe ab, und benuste feine Muße zu einer literar. Reife, auf vo, *Iher er 
ichften Bibliothefen Europas benugen wollte. So arbeiteteerin Pa ris ein 
in den Schaͤtzen ber koͤnigl. Bibliothek, wo er mit raſtloſem Fleiße H and? 
iſchrieb, auszog und verglich. Hemſterhuys hatte Inzwifchen Gele, 'M- 
en, da Alter und Kraͤnklichkeit ihn beugten, ſich R. als Lector der grie. ®- 
Hfegen zu laffen, welcher auch, als Dubendorp farb, zum wirkl. Pro, ‘, 
bte und Beredtſamkeit ernannt wurbe. Unter vielen ſehr geſchaͤtzten Ac- 
x. Siebente Aufl. 8b. IX, 50 


466 j Rührend Rum 


beiten, wohin feine Denkfchrift auf Hemſterhuys, feine Ausgabe des 
u. f. w. gehören, zeichnet ſich hauptſaͤchlich fein Vellejus Paterculu 
1779) aus, ein wahres Mufter von Bearbeitung lat. Claſſiker, forst 
Kritik de6 Textes als die grammat. Erklärung betrifft. 1780 gab er eine 
ſchen Hymnus auf die Ceres heraus, welchen Mathät in Moskau aufae 
ihm abfchriftlich mitgetheilt hatte. Zu feiner beabfichtigten Ausgabe bed! 
er nur bie Scholien beenbigt, als der Tod 1798 feiner Tätigkeit ein 
“ Sein Leben hat fein Schliler Daniel Wyttenbach mufterhaft befäprieben. 
bemann’8 „Vitae duumvirorum, Tib. Hemsterhusii (von Ruhnken 
Ruhrkenüi‘ (v. Wyttenbach) nebſt dem „Elogiun Jo. Meermanni" | 
(Reip;. 1822). | | u 

Ruͤhrend in allgemeinſter Bedeutung ift Das, was unfer Gef 
gen bervegt, mozu alfo auch das Pathetifche gehören wuͤrde; in engerer | 
was das Gemüth zu den fanftern Empfindungen bes Mitgefühls, dı 
Zärtlichkeit, Hoffnung anregt. Im ber Kunft befchränft man das Kü 
vorzugsweiſe auf Dasjenige, was unfer Gemuͤth in eine gemifchte Emp 
fanfteren Art verfegt, oder was das Gemüth auf einige Zeit im Schn 
ſchen Luft und Unluſt erhält, aber zulegt In ein angenehmes Gefühl v 
der Kunft darf das Rühren nicht Zweck an ſich fein, und die Beabfid 
Nührung ſchlaͤgt leicht ins Komifhe um, mol aber nimmt bag Sd 
die Geſtalt des Ruͤhrenden an,’mwo es gilt ben Wechſel menſchlicher: 
ſchildern. | | | 
Rulhieres (Glaube Carlonian de), Mitglied der Academic 
und Ritter des heil. Ludwig, befannt durch gefchichtliche Schriften, war 
des franz. Befandten Breteuil am peteröburger Hofe Zeuge der St 
zung, bie Peter III. das Leben koſtete und Katharina auf den Zhron vı 
hob. Diefe Begebenheit hat R. zwar kurz, aber trefflich befchrieben, 
Katharinens Charakter in diefer Schilderung nicht ganz der Wahrheit gei 
net fein, indem das Gefühl beleidigter Eitelkeit hin und wieder aus dem} 
Nachdem R. darauf in Gefellfchaft des Baron Breteuil mehre europäif 
ſucht Hatte, folgte er dem Marſchall Richelieu in fein Gouvernement : 
jegt feine literarifche Laufbahn mit feiner von Voltaire fo gerlihmten , 
- les disputes“. 1787 ernannte ihn die Akademie zu ihrem Mitglied 
ihm bei diefer Gelegenheit gehaltene Rede zeigte, daß er diefer Augzeid 
dig war; noch mehr bewies er dies durch f. „Eolaircissemens hist. s 
ses de la revocation de l’edit de Nantes etc.” (2 Bde., 1788), (3 
die Rage der Proteftanten in Frankreich feit Ludwig XIV.), und durch | 
Vanarchie de Pologne et du demembrement de. cette rep.; suivie 
dotes sur la revolut. de Russie en 1762” (4 Thle., Paris 1807). : 
feinem Zode erfchienene Werk gibt über die Raͤnke, die Polen den Unter 
ten, viel Licht. Das von ihm in 3 Gefängen verfaßte Gedicht „Les jeu: 
das gleichfalle nach) feinem Tode erfchien, zeigt ebenfalld von dem Geifl 
aber auch, daß die höhere Dichterweihe ihm abging. R. ftarb 1791. 
vres’ erfchienen 1800. Die Charakterzeichnung , die Chamfort von it 
ftellt Beide, den Zeichner fowol, der R.’8 Freund war, ald den Gezeich 
in das befte moralifche Licht, indem fie den Todten eines ziemlichen Üb 
om Eitelkeit, Verftellungstunft und Jerthuͤmern befhulbigt, dadurch 
anzeigt, daß ihr Verf., ber doc) fo Lange Zeit ſich deffen vertrauten Fre 
ſelbſt nicht frei war von Bleinlichen Leidenſchaften. 

Rum, eine Art Branntwein, ber aus dem Saft des Zuckerroh 
übriggebliebenen Unreinigkeiten des Zuckers verfertigt wird. Der befte 
der Infel Jamaika. Die Engländer treiten mit dieem Artikel einen 


Kumelien Rumjaͤnzoff 467 
ber Rum zwar mider ſtark als der Rack iſt, doch noch haͤufiger ges 


imelien, Rum⸗Ili, f. Romelien. 
ımforb (Berijamin Thompfon, Graf v.), geb. 1752 zu Rumford m 
ifo. Obgleich ſehr durfeig beittikte be doch den Unterricht eines Geifi 
ihn aufgenommien hatte. Im 19. te heirathete er eine reiche Witte. 
Kur@bruiche ed Fiegh zroifchen Erigihrib unid Ametika ti er in beitifche 
ward Major und — fi beſonders durch feine Ortskemtniſſe ſeht 
. Ab er in Ende des Kriegs nach London kam, ernannte der Koͤnig Ihn 
er; auch war er elste Zeltlang Unterſtaatsſecretair beb Kilegewtiniftertume. 
des Krieges fuͤhrte de den Auftrag, die engl. Refterei In beffern Zuſtand 
mit Eifer aus. Nah dem Frieden erhlelt Thompfon einen Ruf nach 
‚ wo er ſich buch Aufhebung ber Bettelei, Antegung von Maftufarturen 
gung der Armm, infühnuing der Erbäpfel imb dr Sparheizungen, 
nbder# ber oͤkonomiſchen, nach Ihm beharinten Sttppen große Verbierfte er» 
er Rurfärft echob ihn zum Strafen von Rumford, maͤchte Mn zum Ges 
mant und verlieh ihm mehre Diden. Auch in England verbenitete ex feine 
Erfindungen; er ſchenkte ald Vicehräfident der koͤnigl. Gefetichaft der 
aften betfelben große Summen gu Preisverthellungen fuͤr die riichtigften 
ven, legte 1800 u.'d. N. koͤnigl. Inſtitut (Royal Institution) ju London 
nftaft für Ökonomen, Kuͤnſtler und Handwerker an, beſuchte 1902 Frarrt: 
ward ehtenvoll von Bonaparte aufgenornmen. Er hielt Tidy darauf längere 
ts auf, wo er mit feiner zweiten Gattin, Witwe bed beiähmitin Laͤvel⸗ 
Scheidungsproceß führte, und ſtarb auf feinem Landhaus zu Autenlt 
e hat von feinen Arbeiten und Erfinbungen felbſt In ſeinen Eichten Schrif⸗ 
har 1800— 5, 4 Bde.) Rechenfchaft gegeben. 
midnzoff (Nicolai Petrowitſch, Graf), safiföge Reichskaunzler, war 
bes Feldmarſchalls Peter R. der bie Regierung Katharinenb durch feine 
z die Türken verherrlichte. Ex begann feirle Laufbahn üm 1785 Alb ruſſ. 
in Frankfurt a. M. Unter Paul J. tebte er zu Moskau. In der Folge 
ex ale Minifter des Handel durch gute Maßregeln die Ideen Alexanders 
terung des In: und auständifchen Verkehrs, namentlich, in Bezlehung auf 
Übrigens galt er fie einen Anhänger Napoleons. 4807 wutbe er Fini- 
Sioärt. Angel. und bald darauf auch Reichskanzler (Präftbent im Reiche: 
J. Er begleitete dem Kaifer 1808 nad) Erfurt und ſchloß 1809 den Frie⸗ 
Khweden. Während der Feldzuge von 1813 — 14 biieb er fh Petersburg 
ige des Depart. der auswaͤrt. Angel., die jeboch Im Feldlager des Kaiſers 
s felbft geleitet wurden. Nach der Ruͤckkeht beffelden gab er das Porte⸗ 
ber Grafen Neſſelrode ab. Seitdem lebte Graf R., der dad Gehör bei- 
dich verloren hatte, von den Öffentlichen Angelegenheiten entfernt, und 
tine großen Relchthuͤmer patriotifchen und wiffenfchdftliäjen Unterneh⸗ 
Namentlich hatte er großen Theil an der Einführung dis Bell⸗Lancaſter⸗ 
rrichts; atıf fehre Koſten wurde die Netfe um die Welt durch Morltz von 
nögeführt und die Beſchreibung gebrudt. Canova verfertigte für Ihn 
: Koloffalftatue bes Friedens, in der einen Hand einen Olzweig haltend 
er anbern ſich auf eine Saͤule ftügend, welche die Inſchrift heit: „Frieben 
43; Frieden zu Kudfchuck⸗Kainardji 1774; Frieben zu Friedrichsham 
ab an den ſeltenen Umſtand erinnert, daß 3 der wichtigſten Friedensſchlüſſe 
von Großdater, Vater und Sohn geſchlofſen witden. Als er die Stelle 
hetanzlers 1814 niederlegte, ſandte er alle Geſchenke am Gold und Dia⸗ 
welche er während ſ. Miniſteriums von freiden Höfen erhalten hatte, 
iſche Babe an die Inbalidenanſtalt. Ihm verdankt die Selkjiägte ten 
30 * 


468 Rumoffski 


auf feine Koſten feit 1813 in Moskau gedruckten ruſſ. „Codex diple 
Dem Prof. Hafe in Paris gab er die bedeutenden Koften zur Herausgal 
Diaconus, und der kaiſ. Akad. d. Miffenfch. eine Summe von 25, 
B.Aſſ., um fie zu dem Drucke alter ruff. Urkunden und Chroniken zu ı 
Er felbft bereifte 1817 fg. daB innere Rußland, um Urkunden, Origin 
feltene Manuſcripte u. dgl. für die Nationalgefchichte aufjufuchen und a 
Dam ließ er ein fr die Runftgefchichte des Mittelalters merkwuͤrdiges 
die Korfunfchen Thuͤren in der Kathedrale zu Nowgorod (mit 46 bibl. ı 
Vorſtellungen) durch ben Stagtörath Ad elung (f. d.) befchreiben und t 
auf feine Koſten druden. 1820 gründete er auf feinen Gütern (1. S 
30,000 Seelen) eine Volks⸗ und Gewerbſchule zu Homel (im Gouve 
bilew) unter der Leitung des brit. Weltbuͤrgers Heard. Er vereinigte 
umberfchweifende Bettellinder leibeigner Bauern in einem Fluͤgel feines 
wo fie gebleibet, verpflegt, nach ber gegenfeitigen Lehrart unterrichtet und 
arbeit angehalten wurden. Heard's Nachfolger fest das edle Werk in 
Grafen dazu erbauten, zweckmaͤßig eingerichteten Haufe fort. So war 
ſchaft Homel durch die mufterhafte Befoͤrderung der Landwirthfchaft, ! 
bes und des Volksunterrichts ein Vorbild für andre Gutsbeſitzer. Au 
man ihre die erſte Ausg. in tatar. Sprache von Abulgaſi's „Geſchichte t 
len vind Tataren“ (Kafan 1825 fg.). Graf NIE. N. ftarb im Jan. 18 
Petersburg im 73. 3. feines Alter ohne Kinder. Er hinterließ u. A. e 
orientalifche Münsfammlung. Sein älterer Bruder, Paul Petrow 
ſpaͤt in Kriegsdienſte, lebte zuruͤckgezogen und ftarb ohne Kinder. Der jü 
der, Sergei Petrowitſch, war Gefandter am preuß. Hofe zur Zei! 
von Friedrich IL, nachher Sefandter in Schweden, zog ſich aber zurdc 
noch und hat eine natürliche Tochter. Die 3 Brüder waren nie verheiro 
Rumoffsti (Stephan v.), Rußlands erfter Mathematiker und 
geb. den 29. Det. 1734 in einem Dorfe des ruff. Gouvernements Wiot 
1748 auf Koften der Regierung unter die Zöglinge der peteräburger Ake 
aufgenommen und hier vorzüglich von ber Mathematik angezogen. 17° 
ihn die Regierung zum Adjuncten gerade in dem Jahre, wo fein ein; 
Richmann ein Opfer feiner elektrifchen Verfuche ward. 1754 fdidte | 
Berlin, um fi) unter Euler weiter auszubilden, berief ihn 1756 zurüd 
trug ihm das mathematifche Lehramt. Er fchrieb 1760 das erfte ruf. L 
Mathematik, fo trefflich und Mar, daß er dadurch und ducch feine münt 
träge Rußlands Wolf ward, und fich das Verdienſt erwarb, zuerft a 
Liebe zur Mathematik geweckt und ihr Studium verbreitet zu haben. J 
ward er Abjunct des kaiſ. Aſtronomen Griſchoff, und nach deffen Tode 
ihn feine Stelle 1761 zur Reife nad Nertfchinst in Sibirien, um dor 
übergang ber Venus vor der Sonnenfcheibe zu beobadıten. Zur Belohı 
hierbei der Wiffenfchaft und der Akademie geleifteten Dienſte ernannı 
1763 zum kaiſ. Afttonomen. Bald darauf berief Katharina II. au 2 
Akademiker, und R. trat mit feinem großen Lehrer in eine noch engere X 
da bei der angeorbneten NReorganifation der Akademie Beiden ausſch 
geographifche Departement anvertraut ward. Auf R. allein fiel die Be 
vaterländifcher Charten. Diefe erfchienen nun zum erften Male in ein 
Grade der VBolltommenheit, und man kann fagen, daß R., unterflügt 
ler's Rathfchläge, deſſen herrliches Gedaͤchtniß den Gefichtöverluft erfeh 
Geographie einen wahren Auffhwung gegeben. 1769 ereignete ſich 
noch merkroürbigere Durchgang ber Venus, zu deffen Beobachtung ihn 
mie nad) Kola am Eismeere ſchickte. Die Refultatemachte er in einer lat 2 
und im 14. Bde. der peteröburger Gommentarien betannt. Bald darauf 


Rundgefang Runen 469 


tina bie Direction bed Studienweſens einer für junge Griechen neu ers 
—— anvertraut; es hatte naͤmlich die ſiegreiche rufſ. Flotte 
rchipel uͤber 200 derſelben nad) Petersburg gebracht. 30 J. lang beforgte 
Galenber; auch überfegte er Euler’8 ‚Briefe an eine deutfche Pringeffin‘‘ 
be. Vom J. 1774 an hatte er 3 Jahre lang bie Akademie bei der Kais 
die Anklagen ihres Directors in einer Menge Auffäge aller Art zu vers 
ches verbrießliche Gefchäft gänzlich feine Zeit in Anfpruch nahm. Spaͤ⸗ 
die Direction der griech. Anftalt nieder und machte ſich auch vom geos 
Departement los, um ſich ganz den mathematifhen Wiffenfchaften 
Admen. Mit welchem Erfolge, beweifen bie neuen Commientarien ber 
Dei der neu errichteten Akademie, welche binnen 5 Jahren das „Woͤr⸗ 
ruſſ. Sprache” in 6 Bhn. herausgab, war er ebenfalls fehr thätig. 
in arbeitete er gemeinfchaftlich an der ruffifchen überſetzung Buffon's. 
ıb biieb er ein fleißgiger Beobachter bes Himmels und noch im hohen 
3 und 1799) ertheilte er den Dfficieren, welche Kaifer Paul für das weiße 
a6 Eismeer beflimmte, um bier nautifche und geographifche Beobach⸗ 
Sicherung der Schifffahrt umd zur Befoͤrderung der Erdkunde anzu⸗ 
onomifchen Unterricht, im Gebrauch ber Spiegelkreife, kuͤnſtlicher Ho⸗ 
mw. Alexander ernannte ihn zum Curator der neugeflifteten Univerfität 
ſolcher war R. zugleich, Mitgl. d. Oberfchuldirection in Rußland. 1. 
dgefang, ein zum gefelligen Geſang beflimmtes Gebicht, in welchen 
nach jeder Strophe, entweder unverändert oder mit einer Heinen Verän- 
e einem Zufage vom ganzen Chor wiederholt werden. Entweber machen 
den Schluß jeder Strophe, ober auch den Anfang berfelben aus, oder 
adere Verſe, welche immer wiederkehren. Bon diefer Art ift der Rund⸗ 
Voß: „Freund, ich achte nicht des Mahles u. ſ. w.“ Dies Gedicht gleicht 
in der Muſik, wo da6 Thema nad) kleinem Zwifchenfpiel immer wies 
r im Zutti wiederholt wirb. Ms. 
en. on einigen Gelehrten wird das Alter dieſes den nordiſch 
jermanen und Skandinaviern) eignen Alphabets weit vor die chrifttiche 
g hinausgeruͤckt, von andern ift deffen Entftehung erſt nad) Chr. Geb. 
ven. Die Ähnlichkeit, die einige Runenbuchftaben mit ihnen verwand⸗ 
en haben, kann ihre Abflammung von dem römifchen Alphabet nicht 
‚a fie nur bei einigen flattfindet, bei andern aber durchaus nicht nachs 
tz; auch hat das Alphabet der Runen nur 16 Buchſtaben, eine Mans 
t, die ſich ſchwerlich finden dürfte, wenn die Skandinavier dieſe dem 
ifhen ABC nachgebildet hätten. Da indeß den fo lange in Unwiſſen⸗ 
n nordifhen Völkern eine eigne Erfindung von Buchſtabenſchrift nicht 
men ift, fo Eönnte man der von Sr. Schlegel in f. „Worlefungen über 
eue Literatur’ aufgeftellten Öppothefe folgen, nach welcher die Buchs 
durch die bekanntlich im hoͤchſten Alterthum fchon die Meere und auch 
efahrenden Phönizier den Anwohnern jener Küfte befannt wurde, wor⸗ 
r-ihnen eignen Runen bildeten, deren Gebrauch von ber ziemlich ges 
Priefterkafte bewahrt und zu mancherlei magifchen ober vorgeblich zaus 
Imften verwendet wurde. Die Ahnlichkeit mit manchen Schriftzügen 
Bann gegen diefe Annahme Nichts bemeifen, da diefe ja audy ihre Schrift 
m öftlichen Quelle erhielten, daher nothwendig eine Stammverwandts 
Ngen muß. Daß auch in Spanien u. a. fübmeftl. europäifchen Landen 
Re von Runen und Runenfteinen (mit Runenſchrift bezeichnete 
zu Grabmonumenten, Markbezeichnungen u. dgl. dienten) finden, ift 
ammverwandtfchaft der neuern Bewohner jener Gegenden feit den Zei⸗ 
kerwanderung mit den Einw. des alten Germaniens und Stankinanien® 


410 Kunſtaͤbe Rugſcſuk 


erklaͤrlich. W. C. Grimm in ſ. Schrift: „Über deutſche Runen’ (Bit 
hat zu erweiſen geſucht, Daß die Deutfchen wahrſcheinlich ſchon in vorgefd 
Zeit eine Buchftabenfchrift von mehr als zufälliger Ähnlichkeit mit dem g 
andern Alphabeten erhalten haben, und daß die im engern Sinne fogm. 
Runen (bie ber noxbelbiichen Sachfen und auch wol andrer Möller Dew 
ber Mitte ſtehen zwiſchen den alten norbifchen (ſtandinaviſchen) und b 
kfchen Runen, ſodaß fie, von erflern ausgegangen, letztere erzeugt 
feinen. Das Wort Rune erklärt er wie Mone, von runen, d. I, rigen 
leiten es her von raunen, flüftern, daher Geheimfchrift. Mach Dahın 
‚Kopp find bie norbifchen Runen jünger als man gewöhnlich glaubt. Die 
dices der nordiſchen Literatur find erweitlich jünger, als bie in ger 
chrift abgefaßten. Auch Langebeck fand 1753 in Bothland, daß keir 
len dafigen Runenfchriften über d. J. 1200 hinausging; die jüngfen ı 
1449, (Ba. Brunjuif’s Schrift über Rınenu.d.I.Nyerup.) 

Runſtaͤbe, Runenftäbe, Signalftäbe, wurden bei b 
(hen Völkern im Norden gewiffe aus Weidenholz verfertigte Stäbe ger 
benen mancherlei, vorgeblich Zauberkraft ig fich tragende Charaktere ein 
waren, mit welchen bann die Priefter und andre von den Göttern beguͤn 
fonen Wunder: und Zauberwerke verrichten zu Binnen vorgaben. (Mol. 
Auch wurden dergl. Schriftftäbe von den Altern Bewohnern Schwedens 
wegens zur Bezeichnung der Zeitfolge gebraucht. Noch heutige® Tages 
dort unter ben Landleuten dev Gebrauch, ſich bezeichneter Stäbe flatt de 
zu bedienen. 

Runkelrübenzucker, f. Zuder. 

Runzeln, Hautfalten, welche dann entfliehen, wenn die Haut 
als die heile, welche fie umgibt. Wenn daher die Haut urfprünglid; 
und nach erfchlafft, wenn’ die unterhalb derſelben befindlichen Theile, 
Sett!is., gänzlich ſchwindet und die Haut fich nicht verhaͤltnißmaͤßig zufan 
oder wenn die Haut fehr häufig bewegt wird, fo müffen Runzeln entitet 
beobachtet man fie vorzüglich bei alten, fehr leibenfchaftlichen Leuten, | 
valefcenten unb Kranken, welche an Außzehrung leiden. Sie erfchein: 
lich im Gefichte, bei Frauen um die Brüfte und am Unterleibe (in 
Schwangerſchaften). Warme Bäder vermehren die Dispofition zu 
weil fie die Haut erſchlaffen. 

.  Rupte, eine oftindifche Münze, deren flaches Bepräge gewöhnt 
files Sprache den Namen und Titel des Nabobs, unter dem, fowie 
und die Provinz anzeigt, wann und wo fie gefchlagen worden. Die 6 
betragen ungefähr 9 Thlr. an Werth, die filbernen gewöhnlich 18 Sr. ; 
fich fein beftimmter Preis annehmen, da die Münzen verftorbener Kürfl 
indien Immer gegen die der lebenden Etwas verlieren. — 100,000 Si 
machen 1 Lad, 100 Lad 1 Garon. 

Ruscſuk, auch Ruſtſchuck, in Bulgarien, Sandfchaf Nik: 
auf dem rechten, böhern Ufer der Donau, wo diefe den komm aufniı 
Giurgewo ziemlich gegenüber. Die Stadt, ehedem eine bedeutende Zei 
weitläufige Werke und ein feſtes Schloß. Seit dem legten Wiederaufb: 
zählt fie 6O0O H., die Worftäbte mitgerechnet, iſt der Sit eines griech. € 
eines Hauptzollamts, und ihre 30,000 E., theild Türken, thells Griecht 
nier, Bigeuner und Juden, treiben einen lebhaften Verkehr und unterhalt 
Woll:, Baummolls, Leder⸗, Taback⸗ und ähnliche Fabriken. R. iſt⸗ 
punkt militairiſcher Operationen. Dies war ber Fall in den Feldzuͤgen! 
gegen die Kürten 1809 und 1810. Er wurde endlich, fowie Giurgemı 
einer für die Türken ſehr günftigen Übereinkunft den Ruflen eingeräumt, 


Ruffiich -beutfcher Krieg (1818 — 15) | 471 


hrend einer ungefchicten und mehrmals vergeblichen Belagerung und 
j über 12,000 M. gekoſtet. Bei ber Wiebereröffnung bes Feldzugs, 
tn die Türken ihre ganze Aufmerkſamkeit auf Ruscſuk; die Ruffen 
nur vertheibigungstweife verhalten, da der Kampf mit Frankreich ihre 
te in Anſpruch nahm. Kutufoff, der an des Fuͤrſten Proforomsti Stelle 
ehl an der Donau übernommen hatte, fühlte fih zu ſchwach, um hier 
utendes zu unternehmen, und waß er that, läßt mit Grund vermuthen, 
Krieg weit geſchickter politifch führte. Er ließ zwar R. fo viel als 
Bertheidigungsftand fegen, fand aber bald, dag er es nicht halten koͤnne. 
zu dedien, wählte ex das befle Mittel, rüdte am 1. und 2. Juli ber 
md ging, obwol nur 14,000 M. ftark, dem Großvezier Achmed, dem 
:heidiger yon Brailow, der mit 60,000 M. und 78 Sthd Geſchuͤtz 
ge von Rasyrab her z0g, entgegen. Achmed fand die Ruſſen 4 Delle 
und griff fie am 4 Zuli mit ungemeiner Überlegung an. Indem er 
Fluͤgel, unter Effen, befhäftigte, fuchte er den linken, unter Langeron, 
em feiner Reiterei und von der rtlichkeit begünfkigt, zu. überwältigen. 
:te8 Corps Türken follte während der Schladht die Muffen umgehen 
m Rüden R. mit Sturm nehmen, was bei der ſchwachen Beſatzung 
n wäre. Die ruffifche Neiterei wurde auch wirklich beim erften Ans 
fen in Unordnung und zum Weichen gebracht. Allein unerfchätters 
3 Fußvolk Stand; das 7. Jaͤgerregiment Insbefondere gewann durch 
and pünktlich ausgeführte Manoeuvre eine Anhöhe, von welcher aus 
ıgen der Türken Einhalt gethan werden Eonnte. Dies pflegt denn 
der Wendepunft in den Gefechten mit ben Türken zu fein. So auch 
uffen fammelten ihre Reiterei, gingen mit vereinter Kraft zum Angriff 
iebem Die vom panifhen Schrecken ergriffenen Türken bis in ihr vers 
zer zuruͤckk Gie geftehen felbft zu, daß fie mit ihnen leicht dort ein- 
» deren Niederlage vollenden konnten, vom Oberbefehlshaber jedoch 
l hierzu erhielten. Nach einer Weile gegenfeitigen ruhigen Anfchauens 
in ihre vorige Stellung. Kutufoff ging fogar ungeachtet feines merk⸗ 
ieges, der ihm etwa 800 M., den Türen 1500 M. Eoftete, am Abend 
k und über die Donau zurüd. Er ließ die Stadt abbrennen, aber bie 
en zu fprengen verfäumt. Befonders hatten fich in ber Schlacht Bes 
on, MWoinoff und Oberft Benkendorf ausgezeichnet. — R. bileb nun 
dee ſtreitige Punkt, und die folgenden Ereigniffe würben ein fonders 
uf Kutufoffs Maͤßigung werfen und des Großveziers Feldherrntalent 
atten flellen, wenn nicht aus dem Ganzen hervorginge, daß Beide den 
en unter Gefechten im Geheim vorbereiteten, die Erfolge der Waffen 
weit beachteten, als fie den Hauptzweck geriffermaßen maskirten. 5. 
ifh:deutfcher Krieg von 1812 bis mit 1815. Zwi—⸗ 
eich und Rußland hatte fich, fo fehr aud) die Zufammenkunft der Herr⸗ 
iden Ländern zu Erfurt, 1808, einen dauerhaften Frieden (zumal bei 
ifchen Lage ihrer Staaten) zu verbürgen ſchien, ſchon feit 1809 gegen: 
zeugt. Der geringe Antheil, den das Außerft langfam heranruͤckende 
er Ruffen an dem Kriege gegen Oſtreich nahm, zeigte deutlich, daß 
hlshaber von Petersburg aus politifche Umficht empfohlen war. Zus 
jeder ruffifche Hafen den Engländern, wenn fie amerikanifche Flagge 
weöffnet, während bie franz. Waaren ſtreng verboten wurden. Dadurch 
apoleon veranlaßt, gleihfam mur um feinen Handelsverboten gegen 
wicht zu geben, fich der deutfchen Nordfeeküfte zu bemächtigen und ben 
Dibenburg, einen nahen Verwandten Aleranders, zu vertreiben. Ruß⸗ 
ste nachdruͤcklich hiergegm, und 5 ruff. Divifionen nahmen dreco 


472 Kuſſiſch⸗ deutſcher Krieg (1812— 15) 


(1811) eine Stellung gegm Warfchau hin ein; dagegen ließ Napoleon bie | 
fels und Oberfeflungen in Belagerungsftand erklaͤren, ſchickte große X 


dahin und befegte Schwediſchpommern, weil Karl XII. von Schweden ein 
Buͤndniß mit Frankreich ablehnte. Der urfprüngliche DOperationdplan 













war offenfiv, und man hatte befchloffen, die Annäherung der Sranzofen 
Oder als eine Kriegserklärung anzufehen, die ruſſ. Heere in Preußen 
Inffen, ſich der Sefinnungen dieſes Staats zu verfihern und bie Sein 
‚anzufangen. Allein politifhe Erwägungen, beſonders auch die Lage 
riethen zur Aufgebung dieſes Plans. Sranzöfifcher Seits deuteten die 
vieler Fürften und Könige, feibft des oͤſtreich. Kaiſers, nach Dresden, 
ein ungeheures Beginnen, obſchon Napoleons Abreife von Paris, bem „ 
zufolge, nichts als eine Muſterung der großen Weichſelarmee beabfichtigm 
Vielleicht hoffte er feibft noch den Rieſenkampf nady feinen Anfichten a 
tönnen; wenigſtens war deßhalb der alte, gewandte, aber redliche Graf v. 

in das Lager Aleranders nady Wilna abgegangen. Denn wol mochte ihm 
mer hartnädiger toerdende, Menſchen und Geld verzehrende Kampf auf 
nätfchen Halbinfel ale Hinderniß erfcheinen; aber eines Theils berechnete 
fein faft auf 1 Mitt. fleigendes Heer, das er durch eine neuerrichtete, 80, 
ſtarke Nationalgarde gänzlidy mobil machte, dem Kampfe hier und dort g 
fein Eönne, andern Theile verließ er fich auf eine große Maſſe von Huͤlfskt 
ihm befonders der Rheinbund (100,000 DM.) gewährte, und endlich auf 
freiwillige, Halb abgedrungene Buͤndniß mit Preußen und Öftreich, welches 
beiden Flanken dedtte, den Ruͤckzug ficherte und zufammen 60,000 M. dergal 
So feste fich denn, als Napoleons Gefandter unverrichteter Sache nad Du 
zuruͤckkehrte, I Mit. Krieger (Deutfche, Italiener, Sranzofen, Polen, Schw 
in der Kriegegefangenfchaft gezmwungene Spanier und Portugiefen) mit 
1200 Kanonen am Ende bes Juni in Bewegung, um jenfeits des Niement 
Weichſel die Ruffen aufzuſuchen. Diefe nahmen in 3 Armeecorps eine 
Kiew, Smolenst, nad) Riga ein. Die erfte Weftarmee (127,000 MR.) in 
und Kurland, fland unter Barclai de Tolly, dem bisherigen Kriegsminifi 
Wittgenftein unter fidy hatte; die andre Weftarmee (48,000 DR.) befe 
Fuͤrſt Bagration, zwiſchen Smolensk und Kiew. Ein Berbinbungscorpd 
zwifchen beiden al& dritte Corps ber General Doktoroff. Übrigens 
Waaren, Archive ſchon laͤngſt ins Innere gebracht, Riga, Smolenst ıc. 
und an ber Düna ein verfchanztes Lager angelegt. Napoleon, ſchon in 
der uff. Grenze, machte noch einen diplomatiſchen Verſuch, und ſandte den & 
Lauriſton, der fruͤher Geſandter in Petersburg gewefen war, zum Kaifer Alter 
aber die Gemuͤther waren zu entzweit, die Spannung zu groß, und Napolecn 
in feiner gewoͤhnlichen Sprache: „Die Überwundenen nehmen den Ton dee 
ger an. Das Verhängniß reißt fie hin. Ihr Schickſal möge erfüllt werben 
Den 24. Juni paffitte die Hauptmacht feiner Truppen den Niemen, 
übrigen tiefer unten über die Weichfel gingen. Die Ruffen wurden, ba der 
gang *) dicht beim Einfluß der Wilna gefchah und auch diefe uͤberſchritten w 


..*) Länge des Niemen ftand bis Grodno bie erfte ruffifche Weftarmee, 6 3a 
ries und 2 Gavaleriecorps ; die zweite Weftarmee ftand in der Gegend von 
Infanteries und ein Gavaleriecorpe. Die Verbindung zwifchen beiden machte He 
Platoff mit 10,000 Kofaden bei Bialyflod. Die Armee von Volhynien unter 
maffoff bei Lug zählte in 2 Infanterie und einer Gavaleriebivifion etwa 20,00 
In Kurland dedite Riga der General Effen mit etwa 10,000 M. ine Referue 
vom General Miloradowitfch in Nomgorod, eine andre vom General Ürtel in | 
lensk gebildet. Außerdem ftanden 16,000 M. unter Steinheil in Finnland, weich 
terbin nebft ber aus Petersburg nachkommenden 25. Infanteriebivifion das Wi 
ſtein ſche Corps verftärkten. Exit im Sept, vereinigte I a8 feat noch mit den 












Kuſſiſch⸗deutſcher Krieg (1812 — 15) 478 


ihrer Linken Flanke floß, bie nach der Dima hin umgangen, von ber zwels 
ırmee völlig getrennt, und entweder zu einer Hauptſchlacht mit getheilter 
er zu einem ſchleunigen Nüdzug gezwungen. Sie wählten den legtern 
ten ihre großen Magazine auf, bie ihrem rechten Flügel hatten Unterhalt 
ollen. — Wilna, vorher Aleranders Hauptquartier, warb nun das von 
, ber hier (ein bedeutender Nebenzweck diefes Krieges) Polens Wieder: 
g organifirte, und theil® darum, theils aus bem Grunde hier weilte, weil 
n Nachrichten von den Operationen des rechten Fluͤgels unter Ponia⸗ 
Schwarzenberg und Regnier fehlte, welche unter dem Oberbefehl des Koͤ⸗ 
Beftfalen ftanden. Er hatte den Auftrag, die zweite Weſtarmee ber 
on der erften durch den Marſch nach Wilna getrennt, in diefer Zrennung 
n und jede Vereinigung weiter ruͤckwaͤrts zu erſchweren, was auch ber 
Davouft, der ſich links in der Flanke des Könige von Weſtfalen anfchloß, 
Usog, dag das Corps des Generals Doktoroff von der Bagration'ſchen 
ie von der Barclai be Zoliy’fchen Weftarmee getrennt und faft [yon um: 
rx, als ein 36ftündiger Regen die Straßen unwegſam machte, und durd) 
ye Kälte nad) ber entfeglidyen Hitze die durch Mangel aller Art entkraͤfte⸗ 
: der Franzoſen zu Zaufenden tödtete, ſodaß Doftoroff mit mäßigem Vers 
n. Die Vorficht, Kühnheit und Tapferkeit des Sürften Bagration, bei 
Mangel an militairifchen Scharfblid von Seiten des weftfätifchen Koͤ⸗ 
itelten ebenfalls die Plane gegen ihn; es glüdte ihm fogat, auf f. Rüd: 
fen in Romanoff zu überfallm und ein Corps von 6000 M. zufanımen- 
n Volhynien aber ben General Zormaffoff ftehen zu laffen, der dem franz. 


igte 85,000 M. ftarke Heer Kutufoff's mit Tormaffoff. Überdies wurden 
dem Einbruche des Feindes Miligen in Moskau, Petersburg u. a. D. zur 
bes Heeres gebildet; ſolche Milizen fochten bei Borodino und in ber ſpaͤ⸗ 
n mit, und mehre Divifionen berfelben befanden fidy 1313 bei dem Deere 
and. Der ruff. Feldzugsplan war dahin berechnet, dem entfcheidenten Schlage 
ug fo lange auszumeichen, bie der Feind von feinen Huͤlfsquellen entfernt 
die Maͤrſche in verbeerten Landftrichen gefchrrächt, Las eigne Heer aber durch 
ieben aller indeß ausgebildeten Streitmittel fo bedeutend verftärkt fein wuͤrde, 
n in der Schlacht entfcheidendes Übergewicht nicht fehlen könnte. Die auf 
zeln detachirten Corps follten den vorruͤckenden Feind hindern, durch entfen: 
en mehr Breite zu gewinnen, bem gefchlagenen aber zum Verderben gerei- 
4 war dabei auf tas nach Abfchluß des Friedens mit ber Pforte mögliche - 
der Moltauarmee gerechnet. Indeß veranlaftten Örtliche oder perfönliche 
e manchen Mißariff in der Ausführung. Napoleons Kriegeplan war bage: 
einer ganzen Macht die Ruſſen zur Schlacht zu zwingen, fie nad) ber Nic: 
zureiben und, raſch nad) der Hauptſtadt vordringend, den Frieden vorzu: 
Schwaͤchere Seitencorps fellten indeß feine Verbindungslinie mit Deutfch: 
, des Beindes Dülfsquellen ſchwaͤchen und denfelben zu falſchen Schritten ver- 
ein ber durch das Gluͤck verwoͤhnte Feldherr beging ben Fehler, den Krieg 
wie in ber Lombardei ohne Magazine fuhren zu wollen; er überfab, daß 
yonnene Land immer nur in verbältnißmäßig neringer Breite beherrfchte, und 
Feind in dem Befige feiner Huͤlfsquellen laffen müffes er verrechnete ſich 
3 in ber Perföntichkeit feines Gcanere. Dody benugte er den Hauptfehler 
; — bie auseinandergedehnte Aufitellung der beiden Weftarmeen — vor: 
ıdem er bei Kowno über den Niemen und rafdı auf Wilna vorging. Hier: 
te Murat die abgefchnittene erfte Weftarmee, bie ſich in bas verfchanzte Ra: 
iffa zuruͤctzog. Macdonald drängte den General Effen gegen Mictau, Dubi: 
Bittgerftein über Willomirz zurüd. Zwei Diviftonen unter Kamensky wur: 
x reiten Weftarmee getrennt und zogen fich zu dem Corps in Volhynien. 
I Eeyur fchreibt irrig dem General Barclai ten Plan bes Rüdzuges 1312 
das Merk des früher in preuß. Dienften aeftandenen Generals von Phull, 
wegen dieſes Projects von den Ruffen achaßt, die Armee verlaffen mußte 
ch England begab. Barclai war in Phull's Idee eingenangen, weil (ir 
ıftänden angemeffenfte war, Bagration aber nicht. 


474 Kuſſiſch-deutſcher Krieg (1812 — 16) 


Außerflen rechten Flügel nicht allein fortwährend die Spige bot, fonbern 
einen fühnen Zug in feine Flanke eine ganze Brigade der Sachſen in K 
27. Juli) gefangen nahm. Endlich gelang es ihm bei Mohilew, fid 
ganzen Macht auf ben Marſchall Davouft zu werfen, der zwar einfichtt 
berftand Leiftete, aber dennoch nicht ohne ben größten Verluſt entke 
würde, wenn nicht Bagration jeden Augenblid die Corps des Königs 
falen in f. Flanke hätte fürchten muͤſſen. — Als die Kunde von dem Aue 
eingegangen war, eilte Napoleon feinen Truppen nach, die bereits an 
ſtanden, wo fie die Ruffen in ihrem großen, verfchanzten Rager beoba 
bedeutenden Verluſt durch ihre Ausfälle erlitten hatten. Eine Schi 
währte ben Ruffen den Vorteil, nach Willkür auf dem einen ober | 
Ufer der Duͤna ihre Hauptmaffen aufjuftellen. Das Lager war dufer 
die Kunft, wie durch die Natur, da die Anhöhen bes rechten Ufer das I 
Then. Napoleon ließ es jedody auf der Straße von Polocze umgehen, 
frühern Folgen feines trefflic, berechneten Durchſchneidens der ruff. Lin 
gut gemacht, d. h. die beiden ruſſ. Weſtarmeen noch nicht vereint war 
abermals den Ruffen nichts übrig, als mit der halben Kraft aufgerieben 
oder das Lager zu räumen und nad) dem Dnepr hinzueilen, wo fi Ba 
zufchließen hoffte. Nur der Kürft Wittgenflein blieb ſtehen, um bie ( 
Petersburg zu decken und die Einſchließung Rigas zu hemmen. Das fr 
beer, mit Ausnahme dreier Corps unter dem Herzog von Reggio, Ma 
St.⸗Cyr, die Riga blofirten und die Straße nad) Petersburg wegzunı 
ten (maß eine Menge biutiger, Nichts entfcheidender Kämpfe verurſo 
num theils über die Düna, theil6 laͤngs derfelben nach den wolgonskiſc 
das ruff. Heer verfolgend, deſſen Nachtrab oft bedeutende Gefechte aı 
namentlid vom 25. bie 27. Juli bei und hinter Oſtrowno jeden Zuß b 
flreitig machte. Nur der immer in die Mitte hereindringende Marſcha 
der Bagration’d und Barclai de Tolly's Heer keilfoͤrmig auseinander h 
fie endlich doch, wiederum das Feld zu raͤumen und nach Smolensk zu 
Dige und Mangel aller Art wirkten indeß im franz. Deere fo nachthei 
eine 1Otägige Raſt in diefem ziemlich fruchtbaren Landſtriche machen m 
rend welcher fich endlich die beiden getrennten ruff. Deere unter den 9 
Smolensk vereinten. Diefe gingen nun fogleich zum Angriff über. *) 

fielen mit 12,000 M. Reiterei ben General Sebaftiani am 8. Aug. und 
4 Stunde mit Verluſt zuräd. Am 17. fegte fid) die Hauptmaffe fe 
megung, dem franz. Deer die Spige zu bieten, das bereit am 10. a 
war, wo möglich eine Hauptſchlacht zu liefern. Als Napoleon feine ® 
ruſſ. rechten Flügel zu umgehen, vereitelt fab, ließ er f. rechten Fluͤgel 
unter Poniatowski in Geſchwindmaͤrſchen heraneilen, um die Ruffen v 
abzufdneiden. Dagegen eilte Bagration, biefe Straße feftzubalten, ı 
de Tolly fuchte den Keind fo lange ab: und aufzuhalten al6 möglich. 

ehemals fehr feſte Smolensk und die ganze Stellung am Dnepr, b 
dies in fomeit, daß die Franzoſen erft um Mitternacht, nadj einem Verl 
len Zaufenden, dieſes Bollwerk am 17. einnahmen, nachdem es größte 
Ruine geworden war. Das franz. Deer mar nun im Beſitz der Straße 
kau und bildete ein Dreieck, mit der linken Spige vor Riga, mit der 
Bug, und mit der vorberfien am Dnepr, in Smolenst; links und im’! 
es leidlich, aber aͤußerſt fchlecht auf der rechten Stande bafirt, wo die R 


*) Nach ruffifhen Berichten war bei Smolensk nur bie erfte Armee 
da die zweite fich gleich nach der Vereinigung in Eilmaͤrſchen nah Dogor 
gen und hinter fi den Weg nah Moskau gebedt hatte Rach dem Lrefi 
ten fi beide trog ber Anftrengungen tes Feindes zum zweiten Maf, 


. uffißch= deutfcher Krieg (1812 — 15) 475 


joifßen immer Nedereien verübte. — Schon den 19. Aug. rüdte Napoleon 
den Ruffen nach, deren Nachhut bei Volontina dem franz. Vortrab 
all Ney die Stim bot. Schon war ihr der Herzog von Abrantes, 
surh@geichidten Hieronymus von Weftfalen Stelte einnahm, !n den Rüden 
1, als der Kern der ruſſ. Hauptmacht zu ihrer Unterflügung heraneilte; 
39 es ihre, den 10 Stunden langen Engpaß, wiewol mit großem Ders 
ulegen. Raſtlos ging das ruff. Heer zuruͤck und brannte alle Städte, 
es zog, nieder. Ebenſo raſtlos folgten die immer mehr durch Mangel und 
den Truppen Napoleond. Indeß mußte Barclat de Zolly den Obers 
greifen Kutufoff abtreten, der im eben geendigten Tuͤrkenkriege neue 
geerntet hatte. Durch Landmwehrtruppen und Reſerven verftärkt, beſchloß 
von Moskau, in einer feften Steuung, die fo gut, al& die Zeit es zu> 
hanzt war, ben Feind zu erwarten. Am 5. Sept. lagerten fich die Fran⸗ 
gmüber und nod am Abend wurbe bereit eins der Außenwerke vom ruff. 
mach dem furchtbarften Gemegel genommen, und am 7. mit Aufgang der 
Seganın die blutigfie Schlacht in biefem Kriege, wo die Einen fämpften, 
Wbehrungen und Leiden durch einen Hauptſchlag endlid) ein Ziel zu ſetzen, 
em, das Vaterland zu vertheidigen und die Hauptfladt zu retten. (S. 
wa, die Schlacht a. d.) — Die Ruffen verloren auf 25,000 M., 10,000. 
a die Stanzofen ein; die Zahl der Verwundeten läßt ſich nicht beflimmen. 
die Muffen im Mittel durch die unerfchütterliche Beharrlichkeit von Ney 
Micekönig durchbrochen waren, fo blieben fie doch rechts und links Meifter 
Schlachtfeldes, und Eonnten,sohne bedeutenden Verluſt an Gefchüg, noch we⸗ 
Gefangenen zu erleiden, ſich nad Motlau zurüdziehen, da Napoleons 
nad) 2 Wagen Erholung in 2 großen Abtheilungen nachfolgen Eonnge, 
Die eine die Rufen in die Flanke zu nehmen beftimmt war. Kutufoff wagte 
noch eine Schlacht vor Moskaus Thoren zu liefern. Er zog fich hindurch 
De den Flammen und den Sranzofen preis, die den 14. Sept. in das öde 
au (f. d.) einrüdten. Die Stadt ward der Zerſtoͤrung geweiht, und alle 
4, die man auf ihren Beſitz gegruͤndet hatte, war vereitelt. Kutuſoff ſtellte 
iu einen Flankenmarſch füdlid) davon bei Kaluga auf, und drohte, bie Ver 
der Sranzofen mit ihrer Bafis an der Weichfel jeden Augenblick zu unter: 
Seine Kofaden ftreiften nach Smolenst hin. Wereja, füdlid, von Moss 
a, gleichfam ein [hügender Poften für bie Sranzofen, ward von ihm durch 
anı 29. Sept. erobert. Nichts Eonnte das franz. Heer retten, als fchleunis 
macſch oder Friede. Zum legtern machte ſich Napoleon um fo mehr Hoff: 
ha er zum erſtern zu ſtolz war. Mit jedem Tage flieg das Elend f. Heeres, 
| da die geretteten Vorräthe mehr verſchwendet als benutzt wurden und das 
ten mitten unter den ruſſ. zufammenlaufenden Bauern und Kofaden ims 
blicher ward. Als Kutuſoff endlich von allen Seiten durch Landmilizen, 
Mufgebot Alerander im Sommer felbft geleitet hatte, und Koſacken in eben 
fe verflärkt war, ala das franz. Heer verlor (man berechnet den Abgang in 
we durch Hunger, Meuchelmord, Überfälle der Marodeurs ıc. auf 40,000 
„legte er die Maske der Friedensunterhandlungen fo ſchnell ab, daß er am 
jet. unter dem General Bennisfen ein ſtarkes Corps bei Tarutino Über die 
Rt verrauthenden Stanzofen, von Murat und Sebaftiani befehligt, herfallen 
) fie mit großem Verluſt an Todten, Gefangenen und Geſchuͤtz zuruͤcktrieb. 
Mat Napoleon aus Noth, was er 4 Wochen früher freiwillig hätte thun 
: räumte Moskau ben 19. Dct. 
Darch die anfaͤngliche Richtung gegen Kaluga gewann er zwar einen Marfch 
Mtufoff; allein nach dem Treffen bei Malo:Saroslameg (24. Dct.), 
Beicyens fich die Ruſſen zuruͤckzogen und Napoleon uͤber diefen Umftantı ent» 


















er gahlselcher angriffen. 
—S Allein umſonſt hatten alle Heere 
, Rahrüng, Kieider zu finden, Der Friede mie der 
Be fa Fo aubt, «ger 
5 Te In atmen m eg 
and fen ” i 
bie Berefina 108, Fe ber 


ie um fo Rapoleon ging absufhneiben. FR 
d. 13, Smolenek verlaffen und mie dem Verluſte zweier 
—S bei einer Kälte von 12— 18 Grab, ohne 
AG die zu Kaufenden nieberftlrzenden Pferde getwährten, eifen, dem 
$ufemmenelenben Feind zuvorgufommen. 
mm; Ben. elte nad vom be Rranei 


der kohnten die beiden — der — em 
bei — Truppen hatte 
das finnl erftärt worden war, ben: 
da fie über die Din gurückgehen mußten, Doc gelang, 
bei Gpasnidi mit dem 9. Corps au vereinigen und 
Be * i zuptichzunveifen. : Mr — wondte fü 
m Gegner immer nachzubri 
Baer ® der Berefina feinem a 
fa ıvar die Armee: von Volhynien den 12. Aug. i 
enter * bei Poddobna geſchlagen und bis 
on ‚worben. Allein durch die Donauarmee um bas 
ae Corps bald zum Ruͤckzuge, worauf ihr ‚Deerf 
den Genre @adın mit 25,000 M. bei Vrzesc ji x 
der Richtung nad) Minsk ü in den Rüden ded fras — 
Sorpt wollten ibn aufhalten, wurden aber — ve 
und als fie dieſen den 16, Nov; bei Wolkorvisk gefchl 
— etrieben hatten, gelang es Tſqitſchakotf, ig 
Dberften Ggernitfcheff von feinem Marfche n 
* Minetk einzutreffen; bier raſtete er 3 
* Fe und breitete — N Fe 
außz zuf auptarmee war an biefem — 
hätte Wittgenftein ſich an Iſchitſcheloff anfchtiehen ſoen 
'. die Divifion Partonmeaur vom 9. Corps, nahm 
en berwerfftellig te Ropoleon, obwol mit großem Werkuf 
1a, —— rate aloff nur erfchierett, nicht 


HE 
N 


X 
I 


vıg 
— 


vF 
Hr 






# 
Ei 





h 


BRuffich-deutfcher Krieg (1812 — 15) 477 


den Mangel mit jedem Tage fleigende Kälte brachte bie Unordnung, bas 
d die Verzweißung aufs hoͤchſte. Am 3. Dec. erließ Napoleon fein 29. 
aus Molodetſchno und am 4. übergab er dem König von Neapel in Smor⸗ 
tDeszbefehl, er ſelbſt eilte im ſtrengſten Incognito über Warfchau und 
nach Paris. Marfchälie, Dfficiere hohen und niedern Standes folgten 
pisle des Kaiſers. Keine Compagnie hielt mehr zufammen. Alles fuchte 
Beben, und wo möglich fremde Beute, oder bie den Kameraden abgenoms 
‚gu zeiten. Noch in Wilna wurden die lepten Reſte überfallen und nach 
nen zu getrieben, hinter dem fie fidy dann nach allen Richtungen zerftreus 
te Peſt, wohn fie kamen, mit fidy brachten. Dom ganzen Deere, das den 
za Juni überfchritt, kam faft nur das preuß. Corps zuruͤck, das ſich aber 
ı Gapitulation (bei Zauroggen, 30. Dec.) rettete und unter York in Preu⸗ 
a blieb. Auch die Öftreicher und Sachſen zogen fi, bis auf Warfchau 
rängt, nad) ihren Grenzen. 
? Sapitulation des preuß. Generald York war das Zeichen zum (Fr: 
es preußiſchen Volks, das feit 5 Jahren von Napoleon gedemüthigt und 
beit worden war. Der König ging den 22. San. von Potsdam nad 
ab und rief fhon am 3. Febr. 1813 alle Wehr: und Waffenfählge zum 
ke das Vaterland auf. Noch gab er den Zwed nicht an, allein fein Volt 
ihn, und mit nie gefehener Begeifterung kamen aus allen Gegenden Zaus 
h den Sammelplägen; Zaufende, zu alt zum Kampf, gaben den legten 
anig. Vergebens hatten ſich die Franzoſen durch ihre legten Reſerven, 
Gil zuſammengeraffte Zruppen an dem Pregel, an der Weichfel, an ber 
halten gefucht. Die Ruffen drangen zwar langfam, aber mit Übermacht 
ı Duntten vor, und der Vicekoͤnig von Stalien, welchem Napoleon den 
bi übergeben hatte, konnte nicht thun, als mit möglichft geringem Ver: 
e die Elbe zurückgehen. Es war den 8. Märs, ald er nach dem legten 
über diefelbe fi nad) Magdeburg zog. — Nun erklärte Preußen an 
h den Krieg und ſchloß mit Rußland ein Buͤndniß. Darauf fprady Kutus 
fruf zu Kalifch die Aufldfung des Rheinbundes aus (25. März). Unters 
Napoleon in Frankreich ein neues Heer gebildet, da8 am Ende des März 
Mhein ging. Allein Öftreich war neutral, ber Rheinbund ohne Kräfte und 
Iien, im nördlichen Deutfchland faft allgemeiner Volksaufftand ; längs der 
bis an bie Weſer bedurfte eg nur einiger Zelt, um das Volk zu beiwaffnen, 
wuͤthender als in vielen andern deutichen Ländern war, weil es unmittelbar 
er von ber franz. Hersfchaft gedrückt worden mar. Napoleon verfannte die 
uicht, und eilte, die nöthigften Streitkräfte nach den bedrohteften Punkten 
ven. Zum Btüd für ihn waren die Preußen und Ruſſen nicht im Stande, 
geringen Widerftande, ben fie fanden, den vollen Vortheil zu ziehen. Die 
er Ruffen waren ziemlich erfchöpft, die der Preußen mußten erft gebildet 
die Einſchließung der Feſtungen an der Oder und Weichfel hatte viel Ins 
meggenommen, Kutufoff zeigte wenig Ernſt für Deutfchlands Befreiung, 
Ite fie nicht von Sachſen aus, fonbern an ber Unterelbe verfucht wiſſen; 
or bie Zeit durch Unterhandlungen mit Sachſens König, während Kutufoff 
zb und (28. Apr.) in Bunzlau farb. — &o Eonnte der Vicekoͤnig die liber: 
es Heeres unter den Willen Magbeburgs vereinigen und felbft gegen Ber: 
ingen, was zu bem an fi, Nichts entfcheidenden Treffen bei Leitzkau oder 
(5. Apr.) Anlaß gab, während Vandamme und Davouft zroifchen der 
ıd Unterelbe bie Volksgaͤhrung mit eiferner Hand unterdrüdten und bie 
amburg bedrohten, die ihre Joch am muthigften abgefchlittelt hatte, als 
Bühnen Zettenborn daB ganze rechte Elbufer von ben Sranzofen gereinigt 
ar. Das verbündete Heer, Baum 70,000 M. ſtark, ſah jeßt ein fat dod⸗ 


478 Kuſſiſch-deutſcher Krieg (1812 — 1) 
pelt fo ſtarkes von Franzoſen geaen ſich. Napoleons Heerhaufen fchloffen f 


bes Vicekoͤnigs an, der üblich laͤngs der Saale zog und diefe bei Wettin 
während Napoleon fie bei Nena paffirte. Schon am erften Tage bes Mik 
er auf die Elbe hin. Die Preußen und Ruſſen fahen ſich in Gefahr, vd 
burg aus über Leipzig von Ihr abgefchnitten zu werden, und entſchloſſen fd 
Schlacht, die (2. Mai) bei Großgoͤrſchen (vgl. Lagen, Schlacht bri) 
Lügen, gegen Mittag ihren Anfang nahm und keinen andern Zweck hatte; 
poleon, ber nad) Reipzig vordrang, mit dem linken Fluͤgel zu umgehen, I 
Saale abzufchneiben und mit bem rechten in feine Flanke zu fallen. Altch 
diefe durch vorgefchobene Abtheilungen in den Dörfern Großgörfchen, Kajı 
gedeckt. So unvermuthet der Angriff war, fo widerftanden ihm bie Kram 
tapfer. Napoleons Hauptmaſſen, in große Vietecke vertheilt, toleſen heil 
griffe ab, theils wurden fie Bald wieder Herren der entriffenen Vortheile. 1 
ſich im fchredlichen Gemegel der Kampf in den Dörfern bis zum dunkelnd 
wo das Corps von Zaurifton, Napoleons Vortrab nad) Lripzig bubend, ai 
den Verbündeten in die rechte Flanke zu fallen. Dies nöthigte fie zum Ri 
ihre alte Stellung, bie fie am 3. Mat, von Napoleon nicht verfolgt, ohr 
an Geſchuͤtz, aber mit großem Verluſt an Todten und Verwundeten (gegen 
der jedoch dem franzäfifchen faſt nachſtand, nach ber Oberelbe fich zuruͤ 
verließen. — Napoleon folgte den Verbünbeten auf dem Fuße nad, 
beim Mangel an Gavalerie, die noch zuruͤck war, ihnen viel Abbruch thı 
nen. Am 8. Mai bereits mar er Herr von Sachſen und der Efbe, da Di 
täumt, Torgau vom General Thielemann geöffnet und Wittenberge B 
aufgehoben werden mußte, Sachſens König mußte von Prag zuruͤckkom 
Napoleon ging nun in die Laufig, wo die Verbündeten, durch ein Corps vo 
Mann unter Barclai de Tolly verftärkt, bei Baugen Hinter der Spree In el 
Stellung ihn erwarteten. Aber auch Napoleon hatte von ben Rheinbur 
und aus Frankreich neue Kräfte anfidhgezogen, und fo begann am 19. 
Einleitung zu einer zweiten Hauptfchlacht, bie ben 20. und 21. bei u 
Baugen gellefert und durch das Umgehen des rechten Fluͤgels der De 
zu ihrem Nachtheil entfchieben wurde, fobaß ſich das preußifch-ruffifche . 
Schlefien gegen Schweidnitz zuruͤckzog, und die Sranzofen, obſchon mit 
Verluſt, befonders bei Gärlig, mo Duroc und 2 andre Gmerate btieber 
Haynau, bis Breslau vordrang. — Ein Waffenſtillſtand, der an 
durch oͤſtreich. Vermittelung Im Dorfe Piäsmwis (im ſtrigauer Krı 
ſchloſſen wurde, erlaubte den Sranzofen, Herren der Dder bis zum Eintrit: 
fifche Gebiet und der ganzen Elbe bis zu ihrem Ausfluffe zu bleiben; ber 
beten aber, ihre Verftärkungen anfichzuziehen, die Ankunft des Kronpı 
Schweden, der thätigen Antheil gegen Napoleon nahm, zu erwarten, fl 
zu verfchaffen, entweder feine Rüftungen zu vollenden und Partei gegen 
zu nehmen, oder einen Frieden zu vermitteln, der auf einem In Prag zu 
den Kongreffe verhandelt werden follte. — Napoleon that hier ben drg 
griff. Er Hatte vom Waffenſtillſtand keinen andern Nugen als den, daß el 
kuͤhner Parteigänger, die in f. Rüden umherfchwärmten, bi zum 12. 
die Elbe zurückkehren mußten (eine Bedingung, deren VBernadjläffigun: 
nehmfte Corps derfelben, die Lügom'fhe Freiſchar [f.d.], durch 
fall bei Kigen büßte), und daß er Hamburg behaupten konnte, das von 
Freunden, Dänen, Schweden, Preußen, Ruffen, Engländern umterftät, 
von Allen verlaffen, bereits am 2. Junl von den Sranzofen unter daͤnlſche 
telung befegt worden war. — Der Congreß in Prag nahm fpde f.%ı 
führte zu Nichts. Preußen und Rußland machten Bedingungen, wie Na 
und Unabhängigkeit fie foderten; Oſtxeichs Weruakttetung um biäferige 


Kuſſiſch-deutſcher Krleg (1812— 13) 479 


wyoleon ald Untreue an dem vorjährigen Buͤndniß an. — Der Krieg bes 
ben 17. Aug. fücchterlicher alß vorher. Oſtreichs Theilnahme am Kriege 
leon ſchon nach der Lübner Schlacht geahnt und deßhalb den Vicekoͤnig 
Dffeleren und Unterofficieren nad) Stallen gefanbt, um dort ein Heer zu 
us bemisiben Grund: mußte Batern feine Streitkräfte am Inn aufftellen. 
Hlog ſich ein Korpa Eliten, vorzuͤglich Cavalerie, die aus Spanien gekom⸗ 
. Die Hauptmaffen aber fanden von Geiten Napoleons an ber Ober: 
teleibe und bei Hamburg, von Seiten der Verbündeten in Böhmen und 
en, ohne bie großen Corps, welche Berlin dediten und bie Unteroder gegen 
Reperfen. "Di Rersänderen waren vorzüglich feit der Zufammenkunft 
ab ex, (9, 10., 11. Juli) übereingefommen, Napoleons beide Flan⸗ 
amderb. feine rechte, von Böhmen aus zu umgehen und ihm f. Grundlinie 
ben. Deßwegen z0g fid) Blücher unmittelbar zuruͤck, ald Napoleon gegen 
ng, während bad Hauptheer unter der Anführung des Fuͤrſten Schwar⸗ 
Sachſen einbrach, und eben Dresden, bas in der Waffenſtillſtandzeit be- 
den wär, zu nehmen Hoffnung hatte, als Napoleons Heermaffen aus der 
ıch den angefttengteften Märfchen, anlangten und nicht allein den Sturm 
den (f. d.) abfchlugen, fondern auch den Verbündeten eine Niederlage 
) beibrachten, welche, da ihnen die Hauptſtraßen nach Böhmen abyes 
»orden und alle Nebenwege verdorben wären, die Vernichtung des ganzen 
‚beigeführt haben würde, wenn von dem Augenblicke an nicht Napoleons 
n fuͤr immer hätte verbleichen follen. — Den Sieger bei Dresden am 26. 
ag. (no DMoreau [f.d.] tödtlich verwundet ward) hielten in f. Fort⸗ 
uf, die Niederlage Vandamme's bei Kulm (30. Aug.), die gleichzeitige 
unter Dlacdonald in Schleſien, die harten Schläge bei Großbeeren 
), bei Belzig (27. Aug.) und die Niederlage bei Dennemik 
), die Ney erlitt. Dazu kam der Mangel aller Art in dem erfhöpften 
nd der Sammer in den Hofpitälern, wo Zaufende an Ruhr und Fiebern 
Indlich vereinigte ſich durch einige ſchnelle, gut verdeckte Maͤrſche Bluͤcher 
zonprinzen von Schweden an der Elbe, indem er ein franzoͤſiſches, den 
bei Wartenburg beobachtenbes Corps unter dem Grafen Bertrand 
d fich zwiſchen ber Mulde und Elbe aufftelte. Napoleon brach gleich, 
hörte, von Dresden (7. Oct.) dahin auf, und hoffte, Weide einzeln zu 
Sie waren aber ſchon über bie Mulde nad) der Saale vorgegangen. 
große böhmifche Armee war bereits in f. rechten Flanke vorgedrungen. 
Bluͤcher's Streifparteien trafen ſchon einander in f. Rüden, und ber 
Ihielemann, der Sachſens Kriegsdienfte mit ruffifchen vertaufcht hatte, 
sfangene, nahm ganze Scharen franz. Ausreißer und lieferte mehre Be: 
hen der Eifter und Saale, die faft alte für die Franzoſen nachtheilig ab: 
Xit ihm wetteiferte, von der entgegengefegten Seite, der kuͤhne Czerui⸗ 
e mit f. Kofaden fo raſch nad) Kaffel vorbrang, daß er das Königreich 
(1. Dct.) für aufgeloͤſt erflären konnte. — Napoleon ging, nach einigen 
ven auf dem rechten Efbufer, die Berlin zu bedrohen fchienen, mit feinem 
nach Leipzigs Ebene, wo er mit ben Garden am 14. Oct. eintraf, als 
bivarzenberg eine Recognoscirung gegen den König von Neapel, der den 
gel Napoleons von Dresden herunter gebildet hatte, begann, bie ſich in 
8 Reitergefecht bei Liebertwolkwitz aufloͤſte. Unterdeß hatte Augereau 
des Reſervecorps herbeigefuͤhrt; auch hatten gegen 14,000 in Erfurt 
Arte Ausreißer fein Heer verftärkt, und da er wahrſcheinlich in der Mei⸗ 
), durch ſeine jenſeits Wittenberg gemachten Bewegungen den Kronprin⸗ 
lächer irregeleĩtet und Zeit gewonnen zu haben, ber großen boͤhmiſchen 
An eine Dauptfchlacht zu liefen, fo fäumte er nicht, diefer in der woriten 
, 


480 Ruffifch = deutſcher Krieg (1812 — 15) 


Ebene bei Leipzig, zwifchen der Pleiße, Eifter und Parthe, entgegenm 
Es war den 16. Oct. früh um 9 Uhr, ale der Kampf im Süden von ke 
brannte. Napoleon hatte f. rechten Flügel unter Poniatomäli an die 
lehnt, alle Dörfer, von Konnewig hinauf an diefer gelegen, ſtark befet 
Mittel ſtand bei Wachau. Der linke Flügel lehnte fi) an die Höhen d 
Fuͤrſt Schwarzenberg ſuchte den rechten Ziügel zu umgehen; allein all 
gungen dazu waren umfonft, weil Napoleon im Mittel ſolche Fortſchtit 
dag alle Reſerven, die die erftere Beftimmung hatten, für die Verſtaͤrk 
verwendet werden mußten. Die Schlacht wurde nach mörberifchen An, 
beiden Seiten fo entfchieden, daß Napoleon im Mittel und Unken Fluͤ 
Terrain erobert hatte. Noch entfchiedener hatte der Graf Bertrand ein 
ber böhmifchen Armee zuruͤckgewieſen, ſich des Engpaffes von Lindenau 
der ganzen Ruͤckzugslinie Napoleons, vielleicht der Stadt Leipzig felbft, | 
tigen. Defto unglüdlicher war aber der Herzog v. Raguſa bei Mäder 
wo er im Morden von Leipzig eine weite Linie befegte und, wol wider 
vom General Bücher mit dem größten Ungeftüm angegriffen, nad) ba 
Widerſtand auf f. linken Flügel gänzlic, gefchlagen und in Unordnung n 
zurüdgetrieben ward. — Napoleon unterhandelte am 17. durch den g 
nommenen Grafen Meerveldt um freien Abzug und Waffenſtillſtand. 8 
um fo weniger Gehör, weil die Verbuͤndeten num über ihre Schritte geme 
einverftanden fein Eonnten, indem ber Kronprinz von Schweden mü 
60,000 M. an Bluͤcher's Seite eintraf und der General Bennigfen mi 
fo viel jeden Augenblid von Grimma erwartet wurde. So ward den 1 
furchtbarſte Hauptfchlacht bei Leipzig geliefert; die Sranzofen fochten, ob 
für die Ehre und den Ruͤckzug, ber fchon mit Tagesanbruch eingeleite: 
Verzroeifelte. Ihr Mittel, ihr vechter Flügel ftand von Probfihenda n 
witz unerfchütterlih. Der linke, in Schönfeld an die Parthe gelehnt, 

durch den Übertritt der Sachſen und Würtemberger als duch Manı 
pferkeit verloren, und nur bie unerklärliche Sorglofigkeit Napoleons aı 
verwandelte den georbneten Ruͤckzug am Ende in eine Flucht und allge 
derlage der Nachhut. (S. Leipzig, Schlacht bei.) — Diefe € 
freiete Deutfchland. Schon am 8. Det. hatte Balern dem Rheinbund ı 
ſich mit Oſtreich vereinigt. Alle deutfche Fürften folgten dieſem Beiſpiel 
nahme des durch feine Gefangennehmung in Leipzig daran verhinberten. 
Sachſen, des fliehenden Hieronymus von Weftfalen und des gleichfall 
Venden Kürften Primas. Nach Verluft vieler Tauſende an Gefangenen ı 
unfähigen mußte Napoleon, Überall angegriffen oder genedt, um den A 
winnen, den ſchon bei Hanau (f. b.) ftehenden Baiern und ſtreicher 
ges Treffen liefern (31. Oct.). — Die Verbimdeten machten am Rhein 
die Kräfte, die jegt das freie Deutfchland aufbot, mit denen, welche E 
das fich felbft befreiende Holland hergaben, unb weiche ihnen bereite fel 
bote ftanden, zu vereinigen. (Alle 1814 gegen Napoleon aufgebotene V 
ten 1,208,000 M.) Das Einzige, was noch an Napoleons Macht ertı 
ten die Feſtungen an der MWeichfel, Oder, Elbe ıc., in denen jeboch f. bı 
pen, von aller Hülfe abgefchnitten, endlic) dem Mangel und Elend unter 
fi) ergeben mußten. Selbſt die Dänen, burch harte Bedingungen, bie | 
land und Schmeben im Frühjahr 1813 vorlegten, zu dem engften Bun 
poleon genöthigt, mußten bem Kronprinzen von Schweden im Friede 
(14. San. 1814) Altes bewilligen, was fie früher nicht freiwillig thım & 
Als nun ber Rhein vom 1. San. 1814 an bei Caub, Manheim, Rafta 
breitftein, Duͤſſeldorf überfchritten war, da ließ fich bei ſolcher Übermadht 
ausfehen, daß Napoleon um fo weniger in der Länge wuͤrde widerſteh 


"" geufffd)ebeutfcher Krieg (1812— 15) 481 


Frankreich nur als Guͤnftling bes Gluͤcks geliebt, als Despot verbaft verhaßt, vom 
u Maik une gefürchtet war. Zwar hatte er gleich nach ſ. Ruͤckkunft alle 
mn Bervegung.gefett, und die Gefahr, bie Frankreich brohete, faſt noch 
> fie was vorgeftelit, um die unerhoͤrten Anſtrengungen, bie [yon 1811 
worden waren, noch einmal zu wiederholen. Allein das Schlims 
er. Seche war, daß auch die fpanifchen Angelegenheiten die ungünftigfte 
B Betoruinen baten, dag Marſchall Jourdan bei Vittoria (21. Zuni 
mBeflingten völlig geſchlagen und mit Verluft des ganzen Geſchuͤtzes bis 
yeelinderi getrieben war, daß ſeitdem Somit und Suchet nur mit Mühe 
u vom fsana Boden feibft abhielten, daß alfo auch dahin neue Streit 
Imbet werden mußten. — Zum erflen Dal wagte es daher ſelbſt der Se⸗ 
chtern wenigſtens, Frankreichs Elend vorzuftellen, als ein Decret Napo⸗ 
h dem anbern Beinahe 4 Mitt. neuer Confcribirten von 1807 — 1814 außs 
Cohorten von Nationalgarden zu errichten und 4 Reſerveheere zu bilben 
Noch Lebhafter fpracyen die Abgeordneten Laine und Raynouarb im ges 
vers Körper; und je unmwilliger Alles Über den ungeheuern Menfchenver- 
fen war, deſto ſchwerer hielt es nım, da es ber Selbſtvertheidigung galt, 
berttamfende, die dazu nötbig waren, aufzubringen und mit Geſchuͤtz, 
und andern Bedürfniffen zu verfehen. — Die Verbündeten fanden daher 
aits des Rhektts, vonder Schweiz an bis nad) Holland hinunter, das meift 
von den Franzoſen geräumt war, geringen Widerſtand. Faſt ohne allen 
uft konnten fie ſich des Juragebirgs bemächtigen, ihren linken Flügel mit 
sehifchsitalienifchen Deere, das, vom General Hiller befehligt, ben Vice⸗ 
ı Zirol aus abzufchneiden gebroht und bis an bie Etſch uhdzugehen ge: 
hatte, in —— ſetzen, ſich aller Paͤſſe nach Italien, der Stadt 
er Übergaͤnge Aber den Simplon und Bernhard bemaͤchtigen, und bereitß 
m. eime neue Linie, von der Seine links, von ber Maas rechts gebedit, in 
dothringen, Zweibrüden ıc., mit Ausnahme der blofirten $eflungen, be 
— Napoleon hatte umfonfl eine Art Landſturm (Aufftand in Maffe) aufs 

Dieſe Maßregel, die in der Revolution Wunber that, wirkte diesmal 
ig, da das Elend und der Haf-gegen ihn das Gefühl der Nationalehre bes 

Mur in wenigen Gegenden, und erſt ſpaͤter, als bie Ausfchweifungen 
immer gebändigten, von Nationalhaß erbitterten Feindes dazu Veran⸗ 
yaben, zeigten fi) bavon die Spuren, die dem Ganzen keine neue Wen⸗ 
geben vermochten. Dan nahm beim weitern Vorruͤcken die Saar, die 
Vie Ardennenpäffe faft ohne Schwertſtreich. Nirgends hatte ein franz. 
Kräfte genug, bie wichtigften Punkte gegen bie Übermacht zu halten, und 
te in ber Mitte des Febr. ficher in Paris einzuruden, als Napoleon, ber e6 
Jan. verließ und zu dem mit aller Mühe an der Aube gefammelten Deere 
un 27. San. an bis zum 3. Febr. eine Reihe Gefechte lieferte, die mit der 
bei Brienne am 1. Febr. ein Ganzes ausmachten. Napoleon verlor 
hlacht, nachdem fein 70,000 M. ſtarkes Heer den verzweiflungsvolften 
mb geleiftet hatte, den er, keine Gefahr achtend, aller Orten felbft leitete, 
73 Kanonen und 12,000 Gefangene zuruͤck, um ſich, wie es ſchien, über 
puruͤckzuziehen. — Indeß veranlaßte die Eile, mit der man von biefem 
Iege auf Frankreiche Grund und Boden Früchte ziehen wollte, eine Tren⸗ 
Streitkraͤfte, welche Napoleon Elug und kühn benuste. Er hatte auf Was 
Zruppen von der fpanifchen Armee bekommen und ſich raſch von der Seine 
Untermame gezogen, läng6 welcher dad Blücher’fche Heer in langer Aus⸗ 
forglo® nach Paris hinzog. Er durchbrach es in ber Mitte und vernichs 
Ehampeaubert (10. Febr.) die Colonne bes Generals Difufieff. Ein Bei 

chick hätte am folg. Tage, ohne die Unterſtuͤtzung des Generals Hark, ver 

* GSiebente Aufl. 8b. IX, 51 















482 Kuffifche deutſcher Krieg(1812 15) 


General Saden bei Montmirall gehabt (11. Febr.), und ebenfo ſchlug R 
die Solonnen, welche der Feldmarſchall ſelbſt herbeifuͤhrte, bei Wauchamıp uuh 
(14. Febr.) mit bebeutendem Verluft zuruͤckk. Nur mit großer Anſtreny 
lang eine Bereinigung mit Bluͤcher's Reſerven. Schwarzenberg und Wer 
den damals mit den würtembergifchen Truppen ıc. jenfeit6 der Seine; zu 
naͤmlich Napoleon für geſchwaͤcht genug gehalten, theils länge derſelben 
längs der Marne in 2 großen Heerfäulen nach Paris rüden zu koͤmen 
Theil hatte biefe Idee auch der Mangel ber ohnedies unfruchtbaren Ch: 
empfohlen. Das große Dreieck zroifchen ber Seine und Marke trennte | 
denn in ihm ftand Napoleons Heer. Um eine Seitenbewegung zu machen 
man erft über die Seine kommen, wo man nur 2 Übergangspunkte, bei 
ſtark befeſtigt, und bei Bray, ohne Brüde, aber im Angeficht eine® ſchwach 
Beobachtungscorps fand. — Napoleon hoffte jegt gegen das Schwarzen 
Heer ebenfo große Vortheile zu erfämpfen. Wrede, mit MWittgenftein 
vereint, mußte wieber über die Seine zuruͤck (17. Febr.); Napoleon griff 
die MWürtemberger bei Montereau am Zufammenfluffe der Yonne und S 
dennoch zogen fie fich, obwol mit Verluft, auf das linke Ufer ber eine. 
zenberg eilte nım fchnell zurück und ging durch Tropes über bie Seine, m 
nit Blücher,in Verbindung zu fommen. Immer gedrängt, mußte ma 
tweiter zuruͤck, und die Lage der Dinge war fo mißlich, daß im Hauptqu 
Monarchen felbft verfchiebene Anfichten entftanden, die auf ben Friedensc 
Chatillon (f.d.) Einfluß hatten. Aber eben in biefer Krifis, die Na 
nmuthig machte, daß er feine Foderungen in Chatillon höher fpannte als; 
ber Leipziger Schlacht, trat aufs neue ein Wendepunkt ein. Die Ber 
floffen den Zractat von Chaumont (f.d.). Nach bem unentfchiebene 
bei Bar fur Aube (27. Febr.) 309 Napoleon gegen Bluͤcher, welcher fidy d 
armee näherte, deren Vorhut bereits Soiffone genommen, aber wieder 
hatte. Doc) im rechten Augenblicke capitulirte Soiſſons den 2. März unt 
vereinigte ſich mit ber Nordarmee, die unter Buͤlow bisher in den Niederla 
in der Picardie mehre fefte Piäge, namentlidy la Sere (26. Febr.) mit eine 
von Vorräthen, burch den General Thuͤmen genommen hatte, und burdy 
zog von Weimar, ber mit 30,000 Sachſen u. a. Truppen anlangte, die 
oberten läge einfchließen lafien konnte. Auch auf dem aͤußerſten link 
der verbündeten Heere, von Genf aus, waren die entfchiedenften Vortheile 
worden. Der Graf von Bubna hatte hier bis gegen den 25. Febr. eben 
Widerwärtigkeiten aller Art zu Lämpfen gehabt. Marfchall Augerean, ı 
gen Verftärkungen von Spanien aus ermuthigt, hatte den gemeffenften B 
Napoleon, auf diefer Seite vorzubringen und die linke Flanke der Werbün 
ruͤckzuwerfen. Schon gingen alle Öftreich. Verwundete nach Bern, und Ge 
halb für verloren geachtet; als aber der Fürft von Homburg und Graf Bi 
beutende Verſtaͤrkungen beranführten, verlor Augereau bie bisherigen | 
ebenfo geſchwind wieder, als er fie errungen hatte. — Napoleon ſelbſt fat 
bedroht, auf beiden Flanken umfaßt und zwifchen ber Seine und Dame er 
werben. Er griff daher Bluͤcher's Heer am 9. März bei Craone an un 
ihm am 10. eine Schlacht bei Laon, die er verlor. Darauf ginge 
Aisne und Marne zuruͤck, nahm Rheims, und warf fich mit Ungeſtuͤm auf' 
zenberg bei Arcis fur Aube. Allein am 20. und 21. mit Beruf 
gefchlagen, faßte er den früher ſchon entworfenen Plan von neuem auf, in 
der Verbündeten dem Rheine ſich zu nähern und, geftüst auf feine Mofelfi 
das Volk zum Aufftande aufzurufen, fidy mit Augereau zu verbinden und' 
bünbeten den Rüdzug abzufchneiden. Allein diefe ließen ihn bloß beobad 
yogen raſch auf Paris (f.d. X. Einnahme 1814). Denn ſchon war ! 


* Suffifch=deutfcher Krieg (1812— 15) | ‚488 


gerean bis nach Lyon zuruͤckgetrieben und dies am 21. März durch Capi⸗ 
worden; dann hatten fid) auch die Engländer nad) bem Siege 
eb Mer Soult (27. Febr.) am 14. März der Stadt Borbeaur bemächtigt 
rſchall Soult bis Toulouſe zuruͤckgetrieben; endlich waren von Paris ſelbſt 
ten Im Hauptquartier eingetroffen, welche das Daſein einer antinapoleoni⸗ 
tel and die Eroberung diefer ber Nationalgarde allein anvertrauten Stadt 
t fehiderten. Die Schlacht am 30. März öffnete ihnen die Hauptftabt 
be. Mapoleons Familie hatte fich von hier ſchon geflüchtet; jegt erklärte 
x, er werde nie mit ihm und dieſer unterhandeln. Den 1. April warb 
lleyrand eine vorläufige Regierung eingerichtet, Napoleon von diefer für 
erklaͤrt und darauf die Krone den Bourbons Übertragen. — Napoleon 
dt zur Rettung von Paris herbei; er kam nur bis Sontainebleau. Hier 
ng fich die Truͤmmer der aus Paris capitulationsmäßig abgezogenen Trup⸗ 
b verließ ihn Marmont mit ſ. Corps ſchon am 4. April. Nach manchen 
diungen verzichtete Napoleon auf den Thron, und bebung ſich nur ben 
4, die Inſel Elba mit völliger Souverainetät, 2 Mit. Franken ıc., was 
I bewilligt wurde. — Unter ſolchen Umftänden hatte der Krieg felbft ein 
Schon am 9. Apr. ward ein Waffenftiuftand mit allen franz. Befehls: 
eſchloſſen. Die meiften außer den Grenzen bes alten Frankreichs geles 
kungen öffneten ihre Thore, die andern innerhalb gelegenen erfannten 
CVIII. gern ober ungern an. Am meiften zögerte Davouft in Hamburg, 
mm 29. Mai abzog. — Zugleich entfchieb die Einnahme von Paris über 
ickſal von Italien. Bier hatte ber Krieg theils durch des Vicekoͤnigs 
Vorkehrungen, theils durch das zweideutige Benehmen Murat's von Nea⸗ 
dapoleons Partei verlaſſen, und bie der Verbuͤndeten, von ſtreich beguͤn⸗ 
riffen hatte, ohne etwas Ernſtliches fuͤr ſie zu thun, am wenigſten einen 
nden Gang genommen. Seit dem Treffen, das der Vicekoͤnig am Mincio 
Ich. Felbherrn geliefert hatte, behauptete er f. Stellung an diefem Fluſſe 
Deere von hoͤchſtens 30,000 M. gegen ebenfo viel Neapolitaner und 
Hſtreicher. Die Nachrichten aus Paris gaben dem Gange der Dinge 
eine neue Wendung. Am 16. April ward ein Waffenſtillſtand geſchloſ⸗ 
ben franz. Truppen den Abzug nach Frankreich geftattete und bie italient; 
bleiben nöthigte. . Ein Aufftand in Mailand aber änderte die Bedingung 
. in Paris das Schidfal Italiens entfcheiben zu laffen, dahin ab, daß ber 
ıgen ſ. Befehl über die Truppen an den Öftreich. General Bellegarde (der 
Bteſle eingenommen hatte) abgab und über Verona nach München reifte. 
tbeß war der Graf Artois als Stellvertreter Ludwigs XVIII. in Paris 
im. Diefer fchloß den 23. Apr. einen allgemeinen Waffenftilftand mit 
knbeten Monarchen und einen vorläufigen Vertrag Über die künftigen 
bedingungen. Ludwig XVIII. felbft zog In Paris am 3. Mai ein. Am 5. 
noarzenberg den Oberbefehl nieder und bie Heere zogen nun rafch nad) 
in zuruͤck, obgleich der Friede erſt am 30. Mai unterzeichnet ward. (&. 
eich, feit 1814.) — Im Ganzen war wegen der großen Erwartungen 
meinen Haſſes gegen Frankreich die Freude über diefen Frieden fehr gering, 
er über 100 fefte Pläge und 25 Miu. Menfchen von Frankreich losge⸗ 
He . 


e Ruhe Europas wurbe bald wieder geftört. In Frankreich gelang es 
KVIIL nicht, fich die Liebe diefes ihm fo unbekannt gewordenen Volkes 
en. Napoleon entfloh daher von Elba und beftieg den franz. Thron wies 
0. Maͤtz 1815. (S. Bonaparte, Napoleon.) - Seine Bemühuns 
Bihdhlehr aus einem guͤnſtigen Geſichtspunkte zu zeigen, die verfprochene 
ang f. Regierungẽgrundſaͤtze, Alles fcheiterte jedoch = ber Senne. 


484 Kuſſiſch⸗deutſcher Krieg 1813 — 16) 


Hinterliſt und Verachtung aller Menfchen » und Voͤlkerrechte, und fo er 
Ruf: zum Kriege wieder durch ganz Europa, diesmal nicht ſowol gegen Fri 
als vielmehr gegen den einzigen Mann, der ſich Allen furdytbar gezeigt hatı 
gen 770,000 Streiter zogen aus Deutfchland, Rußland, Belgien (bob 
Königreiche mit Holland vereint war), England, Dänemark heran, Ihn ı 
ohne Schwertſtreich beftiegenen Throne herabzuftärzen. — Napoleon w 
Seits auch nicht muͤßig gemefen. Aus ganz Frankreich hatte er in Paris 
großen Maifelde im Anfang bes Funi 4000 Abgeordnete zufammenkonm 
die einer neuen VBerfaffung und ihm Treue ſchworen. Vom 20. März ı 
er, Carnot, Davouft u. A. Alles gethan, das Heer in einen adhtbaren Zi 
bringen. Die Begeifterung der alten, aus der Befangenfchaft inzroifd 
gekehrten Krieger hatte fie dabei fehr unterftüst. Dies Altes flößte den ı 
verbimdenen Fürften um fo mehr Behutfamteit ein, als fie einedtheils 
erften Erklärung (13. März) in Napoleons Erſcheinen Nichts als eine € 
verſchwoͤrung vermuthet hatten, anderntheild ein Sturm In Stalien ber 
Kaiſer bedrohte, welcher mit dem in Frankreich zufammenzuhängen ſchie 
König Murat von Neapel hatte nämlich; mit den bourbonfchen Höfen 
Gongreffe in Wim einen um fo härtern Kampf zu beftehen gehabt, da Er 
gen den vormaligen König von Neapel Verpflichtungen eingegangen war 
dies Murat's zweideutiges, das Jahr zuvor beobachtetes Betragen zu g 
ſchaute, um nicht In den gemeffenften Ausdruͤcken zu erklären, bag er ni 
bleiben inne. Nur Öftreich, feinen Verpflichtungen mit ihm um fo ge 
weniger es fein Vortheil war, im Süden Italiens einen Bourbon zum 
zu haben, ſprach für ihn; allein entweder gab es doch nach, oder Mur 
wenigſtens von Ihm verlaffen zu werben, oder hoffte, durch bie Lande 
leons den Zeitpunkt gefunden zu haben, wo er, bei der obwaltenden Gäh: 
liens, ſich zum Herrfcher diefer ganzen Halbinfel machen koͤnne; genug, 
ohne Kriegserklärimg, am &. Apr. mit ungefähr 50—60,000 M. nad} ! 
gegen die öftreich. Truppenfinie auf. Die Öftteicher, kaum 12,000 
General Biandji, zogen fich fechtend hinter den Po, mo fie ſich fo lange 
ten, bis die auf Wagen eiligft dahin gefandten Truppen anlangten, wora 
tal Srimont, der fie befehligte, fo raſch und fo gefchickt wieder vorfchritt, di 
ſchon nad) 20 Tagen in ber verzweifeltften Lage war, da f. Truppen, voı 
und Mirthlofigkeit ergriffen, ſich nach und nad) auflöften und keinem Anı 
flanden. Immer umgangen und von den beften Landſtraßen abgefhr 
er fih zum fleten Rüdzuge auf Nebenmwegen gesmungen, wo Gefhäg ın 
verloren gingen. Ein Verſuch, burdy einen Waffenftilftand ſich zu vett 
terte an der Feſtigkeit des Öftreich. Feldherrn; ein andrer, bei Tolentino 
Mai), mit den Waffen in der Hand feine Lage zu verbeffern, an der? 
f. Gegner, und in Folge diefer legten mit Verzweiflung und perfönficher i 
gemachten vergeblicdyen Angriffe zerftreute fich fein Heer gänzlich, fobaf 
nach Frankreich floh. Seine Gemahlin ward nach ſtreich geführt; d 
mer des Heeres ftxedten hinter dem Volturnofluͤßchen (20. Mai), 5000: 
das Gewehr. — Das halbe oͤſtreich. Heer hatte fich ſchon früher, bei d 
wartet geringen Hinderniffe, nach Oberitalien hinaufgeſchwenkt, um ve 
über bie Alpen in Frankreich einruͤcken zu können; doch verſchob man in | 
Angriff gegen Frankreich, da die am meiteften entfernten Ruffen erft in bie 
Mhein einruͤcken ſollten. Es war daher bereits der Juni ziemlich zur H 
gerückt, als der Angriff von Seiten Napoleons ebenfo ungeflüm als um 
erfolgte. Gleich nad) dem Maifelde war er von Paris zu dem an ber ı 
Grenze fiehenden Heere von 150,000 M. ausgefuichter Truppen abgegan 
bie bei Laon verfammelten Garden on ſih gerogen und brach damit ge 


Kuſſiſch⸗ deutſcher Krieg (1812 — 16) 486 


kan 200,000 Engländer und Preußen, die unter Bluͤcher's und Wellington's 
Melefehl Ling der Dyle und Sambre gegenüberlagen, am 15. Juni mit Tages- 
Mach 106. Ohne ihnen Zeit zur Vereinigung zu laffen, druͤckte ex die Preußen 
kinter Fleurus zuruͤck und ſchlug fie am 16. Juni bei Ligny, mährenb er 
ein Corpo, unter Ney, die auf der Straße von Brüffel einzeln herbeieilenden ° 
bei Quatrebras aufzuhalten und deren Vereinigung mit Blücher zu 
verfuchte. In dem bier ftattfindenden Gefecht, wobei der tapfere Herzog 
Draunſchweig blieb, konnte Ney Napoleons Abſicht nicht volllommen errei⸗ 
Ws aber auch Wellington konnte den Preußen nicht zu Hülfe kommen, ſodaß 
Nichts übrig blieb, als ein Ruͤckzug, den die Dunkelheit der Nacht beguͤn⸗ 
— Den Tag darauf ließ Napoleon die nach Wavre ziehenden Preußen durch 
Armeecorps verfolgen, mit dem übrigen Heere ging er auf der Straße 
Bruͤſſel vor, um bie Engländer ebenfo aufzureiben, wie er es in Bezug auf 
Merußen gethan zu haben glaubte. Wellington hatte ſich inzwifchen vor bem 
u Walde von Solgny auf einer Hochebene aufgeftellt, die durch mehre längs 
Vorwerke, Bertiefungen ıc. eine natürliche Seftung bildete. (Vogl. Water: 
s Schlacht bei.) Den 18. ließ Napoleon diefe Stellung in ber Uberzeugung 
, daß die Engländer nicht lange Widerſtand leiften wuͤrden. Allein alle 


















griffe ſcheiterten, und je mehr er f. Kräfte vergebens aufrieb, deſto ſchrecklicher 
Vie Nieberlage werden, als gegen Abend das am 16. gefchlagene, aber beflo 
gterigere Heer der Preußen von Wavre her in 2 Abtheilungen auf dem 
Fluͤgel und im Rüden des franz. Heeres durch den Engpaß von &t.: Lams 
yorbrach. In einer Stunde war das ganze franz. Heer, ba jegt Wellington 
gemeine Bewegung vorwärts machte, zerftreut und Napoleon felbft von ben 
Igen mit fortgeriffen. Bluͤcher ließ Altes auffigen, in ber mondhellen Nacht 
chlagenen zu verfolgen. Alles Geſchuͤtz und Gepäd ging verloren, ein 
gtpunkt war angegeben; fie, die geglaubt hassen, morgen in Brüffel zu fein, 
ia traurigſten Zuftande an der Sambre umher. — Da nirgends ein Armees 
dem Sieger Dinderuiffe entgegenfegte, fo rourden die im Wege liegenben fes 
ter genommen oder umzingelt. Abgeorbnete aus Paris, bie um Waffenſtill⸗ 
baten und Napoleons Abdankung Eundthaten, wurden nicht gehört; man 
immer vorwärts, die erſte Betäubung benugend. Am 27. Sumi war man 
Herr der nad) Paris führenden Hauptfttaßen, und man Eonnte hoffen, ohne 
reich Here der Hauptftadt zu werden. Aber die beiden franz. Generale, 
danme und Grouchy, weiche nad) der Schlacht am 16. die Preußen verfolgt 
ie dem Augenblid den General Thielemann aus Wavre vertrieben hatten, wo 
Meons Deer zerftäubt warb, machten einen fo ſchnellen und befonnenen Ruͤck⸗ 
daß fie, welche von Feind und Freund für verloren geachtet waren, nach maͤßi⸗ 
| mit Blücher und Wellington zugleich) unter den Mauern von Paris 
Wen. Da Paris beffer als 1814 befeftige war, fo kam es allerdings darauf 
% e6 fo gefhwind genommen werden würde. Zum Unglüd für die Franzoſen 
un die Befeftigungen umgangen, und Paris kam in Gefahr, auf feiner ſchwaͤch⸗ 
Bieite geſtuͤrmt zu werden. Grouchy und Vandamme konnten um fo weniger 
bieten, als täglich frifche Streitkräfte bei den Preußen und Engländern 
. So tam «6 zu einem Waffenftilftande und zur Räumung von Paris. 
Maris, Einnahme von, 1.3.1815.) Alte Truppen zogen hinter bie 
Kmit ihrem Sepäd, Geſchuͤtz ic, und den 6. wurde die Stadt übergeben. — 
der Krieg durch die Schlacht von Waterloo in ber Hauptfache entfchleben. 
fte, welche die franz. Nation auf den übrigen Punkten aufgeftellt 
waren zu unbedeutend, als daß fie, da auf allen Seiten die Ruffen, Balern, 
er, Öftveicher vordrangen, ungeachtet des tapfern Widerſtandes eines 

p unter Strasburgs Waͤllen, eines Suchet vorwärts Lyon, ungeachtet Art 





pie Det einſiweiugen egierung gerreten war, ihte Dale Imnepen ! 
wig als König auftrat, fo ftark ſich aud) noch in diefen Augenbliden 
des Volks in f. Kammern und im Deere dagegen ausſprach. Diefe? 
auf die Beendigung des Kampfes auch mannigfachen Einfluß. Di 
ten Ludwig als ihren Verbündeten aufgenommen. Sie hatten in is 
gen nur gegen Napoleon, nicht gegen daß franz. Volk gefprochen. Je 
theil dies aber offenbar an ihm genommen hatte, je lebhafter e& fich 

Drten laut gegen die Bourbon erklärte, deſto weniger konnte jme: 
ſprechen gehalten werben, deſto fhonender mußte man zugleich ba 
Bourbons (gegen bie frühere Meinung des Prinz⸗Regenten) wiber t 
franz. Volks auf dem Throne zu erhalten, zu befefligen. Auf der eine 
daher Frankreich von Truppen immerfort uͤberſchwemmt, auf ber ar 
. man mit Ludwigs Miniftern an Ausgleichung der politifchen Verhaͤltr 
man aber bis zum 29. Sept. fo wenig ins Reine kam, daß fie alle 
nahmen. Erſt mit den einige Tage darauf von Ludwig XVIII. neu 
niftern wurden am 2. Dct. die vorläufigen, in dem eigentlichen Abfd 
Nov. beftätigten Friedenspunkte unterzeichnet, welche 1) Frankreid 
flimmten, wie fie 1790 geweſen war, jedoch davon 2) die Feftu 
Saarlouis, Philippeville, Marienburg, Verfoir, mit einem gewiſſer 
zeichnenden Umkreiſe, abriffen; 3) Hüningen zu fchleifen geboten ; 
ſchaͤdigung von 700,000,000 Franken für die Ariegskoften, in 5 3 
feftfegten; 5) eine Linie, von Sonde über Bouchain nach Bitfch, mit 
(auf Frankreichs Koften) ebenfo lange den Verbündeten zu befege 
und 6) die Foderung aller Privatperfonen an Frankreich (mit Auen. 
burger von Davouft 1813 geleerten Bank) ficherten. — Erft Damit 
felbft eigentlich beendigt, denn immer waren bie dahin, wenigſtens 

Ben, Frankteichs nördliche Feſtungen belagert und größtentheils er 
Durch eine befondere Übereinkunft ward, halb gezwungen, halb frei 
ruͤckknahme aller feit 1792 in Paris angehäuften Kunftwerke Stall 
lands ıc. bewilligt. — über Napoleon kamen die Verbündeten dab; 


Acſſiſche Sagbmufit Nuffiiche Sprache und Literatur 487 


a 1812”, Paris 1824, 2 Bde., m. Planen) Angaben hat Chambray in ber 
» Ang. f. Werkes binust. — Kunftfreunden nennen wir die „Malerifche u. 
5. Reife von Wittenberg bis Moskau i. 3.1812”, auf Stein gez. von Albr. 
(m. fcanz. Test, 120 Bl., Münd). 1827). 
Qnffifhe Jagdmuſik oder Hörnermufil. Sie befleht aus 
zu, deren jebes nur einen Ton gibt. 20, 30, 40 Blaͤſer haben jeber ein 
Dem. Diefe Hörner find wie Orgelpfeifen geftimmt. Der eine gibt nun 
a, bee andre alle dic. an, welche in einem Tonſtuͤcke vorkommen. Die Blaͤſer 
äſt Leibeigne und fo eingeübt, daß Feder mit der größten Genauigkeit, wenn 
z aiſt, mit feinem Tone einfällt; und die von den verfchiedenen Bläfern ans 
m Töne Elingen, als ob fie von einem Inſtrumente ausgingen. Wan hat 
dieſer Muſik bis zur Ausführung Plevel’fcher, Haydn'ſcher und Mozart'⸗ 
Etuͤcke getrieben und den Vortrag im feinften piano und crescendo auf da® 
Pos gebracht. Man hört biefe Muſik fehr weit. In mweitefter Ferne glaubt man 
zmonica zu hören. Diefe Muſik ift von Narifchkin erfunden worden. 1763 
fe man felbige mit großem Erfolg bei einem großen Fefte in Moskau an 
Bet fie feitbem vervollkommnet. 
Ruffifhes Bad, f. Bäder. 
-Ruffifhes Glas (Sliate), Frauenglas, f. Gyps. 
Auffifde Sprache und Literatur. Man muß zwei Sprachen 
Meiden. 1) Die ruffifche Sprache, urfprünglich die Mundart berjenis 
m, welche dad Reich gründeten. Sie erlitt, wie das Reich felbft, vielfache 
mgen. &o hat fie nad) und nad) viel Skandinavifches, Mongolifches, 
Hches (1225— 1477) und Deutfches (auch Polnifches und Franzöfifches) in 
genommen. Noch ift die Ausbildung dieſer Eräftig und wohlklingenden 
he nicht gefchloffen, fonbern fortwährend im Kortfchreiten begriffen, als bie 
de Frucht der Nationalliteratur. — 2) Die flawonifche Sprache, ober die 
miſchen Bibel. Sie wurde durch die Überfegung der h. Schrift beftimmt, 
B befeftigt, daß fie feitdem nur wenig Veränderungen erfahren hat. Gie iſt 
ache ber Bibel, der alten Jahrbücher, z. B. Neſtor's um 1100, der Kir: 
ge, einiger Paftoralvorfchriften, der Gebete in der Liturgie. — Aus bei: 
rachen ift eine gemifchte entflanden, bie in den Kanzelreden, in der Profa 
dners überhaupt und in der höheren DichtEunft gebraucht wird. Ihr Haupts 
@ die ſlawiſche Sprache (f. d.); allein fie hat folche Worte und Wendun⸗ 
6 ber ſlawoniſchen Sprache entlehnt, welche, für den Ausdruck biblifcher 
pa und Bilder ausgeprägt, dadurch mehr Kraft und Würde erhalten haben. 
Be Kanzelreden herrfcht jedoch mehr das Slawoniſche vor, in der Profa des 
26 und in der höhern Dichtkunſt mehr das Ruffifche. Se mehr nun diefe ent: 
Jen Ausdrücke fich zugleich für die Umgangsfprache eignen, defto gluͤcklicher 
fie zur Verſchoͤnerung berfelben bei. Hieruͤber entfcheidet allein ber Ges 
k. — Geſchichte der ruffifhen Sprache. Diel. Periode, die längfte 
die aͤrmſte an literarifchen Erzeugniffen, umfaßt die Zeit von der Gründung 
Weiche bis auf Lomonofoff, der zuerft eine bleibende Hauptveränderung in 
afl. Sprache hervorgebracht hat. Wichtig für die fchriftliche Feſtſtellung der 
je ward bie Einführung einer ruff. Currentfchrift, wodurch die ſchwerfaͤlli⸗ 
Diriftzeichen außer Gebrauch gefegt wurden, welche Kyrill eingeführt hatte. 
Bf. Cyrillus) hatte für die Bezeichnung der Töne, welche ben flawifchen 
ken eigenthümlid, find, und wo er mit den griech. Lettern nicht ausreichte, 
tzüge aus den aftatifchen Alphabeten entlehnt, deren Bildung bei einem ohne⸗ 
lalhe fchreibeluftigen Volke der fchriftlichen Überlieferung ein Dinderniß murbe. 
u das Ende des 17. Jahrh. verbefferte fie Elias Kopiewitfch zu ben jetzt ge: 
Hichen Lettern, für deren Berzierlichung in den legten Jahrzehnden ſe viel ge+ 






























je: 
y . 
⁊ 
.. 
J 4. 
⸗ 
_® 
ae 
02 j 
Find‘ 
1 B 
" —* 
— 
R 
‘ 
“ . 
r 
[2 
Dan 54 
f r 
v 


F 
t 
+4 

2 


* 


ie See" A 
“rn... 


” * 
ze. . vw... 
- A Men... 


. * v 
de r 768 
—— P} - => 
ii rer nr 
1 - en 





Stavtrecht, AULY. IE bedeutenoſten Bentmaier ader TINV: MIRD TU 
aus ber Zeit des Jaroslaff (ftarb 1054); der Heerzug des Igor, ⸗ 
Dicht aus dem 12. Jahrh.; Volkslieder und die Gedichte des Fürfl 
aus der Zeit der Kaifern Anna. Diefer nächfte Vorgänger Lomon 
wahres Talent, hatte eine europäifche Erziehung erhalten unb Eannte 
Seine Gedichte beftehen in Satyren und Epifteln, worin er, obwol al 
des Horaz und Boileau, die Sitten und Verirrungen feiner Zeit treu fi 
Beift in feinen Gedichten ift modern, die Form antik, doch das Vers 
Auch hat er Fontenelle'sGeſpraͤche über die Mehrheit der Welten” 

überfegt; allein die Sprache war noch zu wenig ausgebildet, um bie € 
Originals wiedergeben zu können. Überhaupt zeigt diefe Periode nur e 
de Denkmaͤler einer erft im Werden begriffenen Schriftfprache. Pr 
hatte ihr, ohne es zu glauben, eine ruͤckgaͤngige Richtung gegeben, als er 
Ausbrüde einführte, um eine große Zahl ſchon vorhandener Kunſtwoͤrt 
welche bucch diefe Neuerung außer Gebrauch kamen, ſodaß die Sprach 
und entflellt wurde. — Die 2. Periode geht von Lomonofoff bie a: 
Zömonofoff(f.d.), ein Mann von Genie, erfhuf die Sprache der 
indem er theils die Sprache mit dichterifchen Ausdruͤcken bereicherte 
Formen einführte, die er vorzüglich aus der deutſchen Literature entle 
f. Nachfolgern als Mufter dienten. Auch zeigte fein Beifpiel, wie mc 
und Wendungen ber flawonifhen Sprache zur Bereiherung und V 
ruſſ. Sprache anwenden kann. Ex entwickelte zuerft ihren grammati 
bau und bildete durch f. Schriften auch bie Profa. Seine Oben bat 
benheiten des Tages zum Gegenſtande; man findet in ihnen wenig Po 
tebnerifche Fülle, die Sprache ward durch fie mächtig gefördert. In 

herrſcht der Iprifche Zon vor, man darf nichts Dramatifches darin f 
Epos ift f. „Peter der Große” ein erfter Verſuch; einzelne Stellen ſir 
Schönheit, aber das Gedicht felbft ift ohne Intereſſe. Seine Nacha 
Pſalmen find reich an poetifchen Ausdruͤcken. Seine „Epiftel über be 
Verſe“ ift ein wahres Kunſtſtuͤck. durch das der Vf. bewies, mie fehr er 


Kuſſiſche Sprache und Literatur 489 


it f. Zeit gluͤcklich eingewebt hat, haben fich auf ber Bühne erhalten. Ex 
Gumarokoff bei weitem, und einige Scenen von ihm merben noch jegt 
Bastefen, obgleich bie Sprache feitbem weit fortgefchritten ift. — Koſtroff ver 
g, well ex die erften Befänge der „Illade“ in Alerandrinen, und den 
in Profa uͤberſetzt hat. Seine Sprache iſt nicht ohne Kraft. — Bobroff, 
Genie, hat eine Menge ſchwuͤlſtiger Oden und ein befchreib. Gedicht: 
“, hinterlaſſen, ein Chaos, aber hier und da mit glänzenden Dichter 
— Bogdanowitfch (f.d.), Df. des Gedichte „Pſyche“, nach Lafon⸗ 
naid, viel Grazie und Originalität, aber Breite und Mangel an Geſchmack. 
gehört der Zeit nach, in welcher ſ. Bedichte erfchienen, der folgenden, 

x Sprache nach diefer Periode an. Die Form f. Trauerſpiele iſt franzoͤ⸗ 
Sprache weder rein noch fchön, aber der Ausdruck ift oft Eräftig, die 
Bung der Leidenfchaften wahr; einige Scenen find in der That tragifch, eis 
| jere gut gezeichnet und ficher durchgeführt. — Petroff, ein wahrer 
„ aber f. Sprache iſt rauh; er hat viel Ideen und ſtarke Bilder. P. befang 

en die Siege der großen Katharina. Seine Helden waren Potemkin 
mjänzoff. Seine Überfegumg der „AÄneide“ in Alerandrinern iſt der Sprache 

hr rauh, aber voll Kraft. — Die Reihe der Profaiften in diefer Periode ers 
cbenfalls Lomenoſoff. Seine Lobreden auf Peter den Großen und Eliſa⸗ 
ben wenig Ideen, aber viel redneriſchen Schmud. Beide Schriften unters 
Ba fich gaͤnzlich von denen feiner Vorgänger. Sie haben die Sprache ſehr weit 
geführt, ihr aber keine bleibende Form gegeben. Daffelbe gilt von f. 
Ahaftlichen Abhandlungen über die Elektricität und die Metallurgie, von 
ſuche einer ruſſ. Srammatif”, und von f. „Rhetorik“, die viele au® ben 
AÄberſetzte Bruchſtuͤcke enthält. — Bon Weiſen (Mifin) fchrieb 2 Luftfpiele . 
q, voll echter Komik, die einige Lächerlichleiten der Zeit treu barftellen; 
ben ſich auf dem Repertoir erhalten und werben es auch kuͤnftig. Noch hat 
ihm 2 fehr originelle Satyren und Überfegungen von Montaigne und 
— Muravieff, der Erzieher des Kaiſers Alexander, fchrieb für feinen 
ging mehre Abhandlungen über die ruff. Gefchichte, Xodtengefpräche 
mente in der Art des englifchen Zufchauers u. d. T.: „Der Vorftädter”. 
adruck iſt nicht ganz rein, er hat die Sprache nicht in f. Gewalt; man 
5 er ſich nach franz. Muſtern gebilbet hat; aber er ift voll Ideen und vors 
5 büberreich. Wenn man ihn lieft, fo fühlt man, daß fein Geift mit Allem, 
alte und neue Literatur Schönes bat, vertraut geworben ifi. Aus Allem, 
x geſchrieben, leuchtet ein ſchoͤnes Gemuͤth hervor, ein reiner Sinn und bie 
m Buten. An heller Einficht ſchritt er f. Zeit voran. Aber auf f. Zeit 
hat er wenig eingewirkt, denn ex ließ faft nichts drudeen. Seine Werte 

m lange nach f. Tode. — Im Allgemeinen hat alfo in diefer Perlode Lomo⸗ 
Genie die Liebe feiner Nation zur Literatur gemedt. Man las Alles, was 

XE erfchien, mit Begierde, vorzüglich die Erzeugniffe der Dichtkunſt, und 
Me gut. In Sumarokoff fah man einen großen Tragiker, und in dem Ge: 
Keraskoff bei allen f. Schwächen eine „„Stiade”. Man fühlte das Schöne, 

es aber nicht von dem Schlechten zu unterfcheiden. Der Geſchmack mar 

8 Kind in der Wiege und die Kritik faft unbelannt. Man Eönnte diefe Pe- 

3 Erwachen des Genies und der Poefie nennen. In der legten Hälfte ders 

at ein genialer Mann auf, ber keiner Schule angehört, original und eigen⸗ 
ohne Bildung, aber einzig in feiner Art, der wahre Mepräfentant ber ruff. 
fl: Derſchawin (ſ. d.). Er befang den Ruhm ber ruff. Waffen unter 
Megterung, wie Lomonofoff und Petroff; wenn aber diefe nur Lob⸗ 

Iheer Souveraine und Helden waren, fo befang fie Derſchawin als Dichter, 
sig von f. Gegenflande, In Allem herrſcht fein freier Dicgteranit var, 



























Drbnung gefolgt. Für das Studium der ruff. Sprache und fire 
hat es großen Nuten gehabt. Überhaupt wies bie ruff. Akademii 
: Det. 1783) das ſchreibende Publicum auf die reinen Elemente i 
außerdem vereinigten ſich noch mehre Sefellfchaften zur Ausbildung | 
Endlich trug ganz vorzüglic) zur, Verbreitung des Sinnes für Lite 
bei, der felbft wenig Kenntniffe, aber viel natürlichen Verſtand und 
zu den Wiffenfchaften und Sinn für Aufklaͤrung überhaupt befaß. 

volle Dann war Novitoff; er gründete eine typographiſche Ge 
ſelbſt eine fatyrifche Zeitfchrift u. d. X.: „Der Maler‘, heraus, w 
gelefen wurde und darum befonders merkwürdig ift, weil fie fi 
fchriftftellerifche Laufbahn eröffnete. — In der 3. Periode 

(f. d.) der Repräfentant für die Profa, und Dmitrieff für die P 
fchrift, welche Karamfin nach ber Ruͤckkehr von ſ. Reife herausg 
ducchgreifende Veränderung in der ruff. Sprache hervor. Er entt 
genoflen das Geheimniß bes treffenden Ausdrucks, der Klarheit, de 
der Beftimmtheit. Diefelbe Vollendung, bie er der Profa verliel 
der Poefie gegeben. Beide haben gewiſſermaßen die Bildung 
ſchloſſen. Die kommenden Schriftfteller koͤnnen fie durch ihre i 
lente bereichern, allein Hauptveränderungen kann fie nicht weiter « 
Karamfin’s fchriftitellerifcher Laufbahn laffen ſich 3 Epochen unt 
erſte begann mit der Herausgabe des „Sournals von Moskau“. 

Bruchſtuͤcke f. „Briefe eines reifenden Ruſſen“ und ſ. nachher befc 
Erzählungen. Diefe Erzeugniffe tragen ganz das Gepräge des ed 
den fie zuerft verbreiteten, haben aber noch den Charakter ber Ju 
jener Zeitfchrift vorlommenden Bemerkungen und Nachrichten uͤl 
des Auslandes haben die Theilnahme an der fremden Literatur in 
gewedt und zugleich den Keim ber wahren Kritik entwidelt. D 
ginnt mit ber Herausgabe des „Europäifhen Eilboten“. Hier « 
ihren Hoͤhenpunkt. Diefe Zeitfchrift zog bie Aufmerkfamteit ai 


- na. ah. uni Last «1. LE ..8.._ 4 


Ruſſiſche Sprache und Literatur 491 


a bloß dem Reiz und bie italienifche Harmonie f. Verfe zu geben gewußt. 
Kitskii war, nach Karamfin, Herausgeber des „Europ. Eilboten” und gab 
einige profaifche Auffäge. — Diefe u. a. Schriftfteller haben Jeder fein ei» 
Verdienſt, allein ihrem Meifter find fie nicht gleichgelommen. Übris 
was fie gefchrieben haben, unbedeutend, und Eonnte daher die weitere Aus⸗ 
ber Sprache nicht fehr fördern. Überhaupt fehlt es ber ruff. Literatur 
Driginatwerten tiber Philofophie. — Wir müffen bier zweier Parteien ers 
‚ welche fich in der ruſſ. Literatur anfeinden: die ruffifche und die [las 
Diefe Art von Schiema entftand, feit der Admiral von Schifchkoff, ges 
Minifter des öffentlichen Unterrichts, als Karamfin’s Antagonift auf: 
feines Anficht foll in der ruff. Literatur der ſlawoniſche Dialekt ber rufſ. 
| ung vorhersfchen. Diefe Anficht halten Viele für offenbar irrig, weil 
Eyrache gewiſſermaßen als eine tobte anzufehen fei, die nur in ber Überfegung 
Schriften unb in einigen Kicchenfchriften fich erhalten habe, und daher bloß 
icherung ober zur Ausſchmuͤckung der lebenden ober Volöfprache ange: 
werden könne. Diefe lettere allein folle und könne man nod) vervolls 
Schiſchkoff machte Karamfin den Vorwurf, er habe die Sprache ent⸗ 
die Einführung fremder Formen, vorzuͤglich von Gallicismen. Die 
ber ruſſ. Sprache fagen dagegen, Karamfin habe bie ruff. Sprache gerels 
r habe er fidy nad) dem Muſter der großen Schriftftelter bes Auslandes 
‚ allein zugleich habe er gewußt, das Fremde in fein Eigenthum zu vers 
Sein Gegner im Gegentheil wende veraltete Ausdruͤcke an, ober übers 
ıfremben, welche der Gebrauch ſchon eingebürgert habe, unpaffend, indem 
bie Ballicismen mit Ausdruͤcken kaͤmpfe, die felbft voll von Gallicismen feien. 
ber Geſchichte der Sprache der Poefie machen Dmitrieff's Nachahmun⸗ 
me's und feiner Erzählungen Epoche. Vor ihm hatte Lomonoffoff und 
Derſchawin Mufter dichterifcher Schönheit gegeben und der Kuͤhnheit 
geöffnet. Ohne den Flug des Genles zu hemmen, wußte ihn Dmitrieff 
Kritik des Geſchmacks zu mäßigen. Seine Gebichte zeigen, wie Idee und 
dichteriſch und zugleich correct fein koͤnnen. Man hat von ihm an 100 
nad) Zafontaine u. X. treffliche Erzählungen, viele Lieber, die Volks⸗ 
eworden find, und Oden, die als claffifch gelten, ohne ben Schimmer 
zfcyamwin’s Originalität und Kühnhelt zu haben. Durch Dmitrieff hat 
‚ Dichterfpradhe ihre bleibende Korm erhalten. Weniger rein und correct 
I Neledinsky⸗Meletzky; allein viele ſ. Lieder leben im Munde des Volkes. 
ahre und darum ſtets jugendliche Teuer ber Leidenfchaft belebt feine Ge⸗ 
mb fichert ihnen eine lange Dauer. Chemnitzer wird ale Fabeldichter ges 
. fein Ausdruck ift naiv, indeß fehr profaifh. Kriloff, ein Dichter im 
Binne des Wortes, ift in f. Sattung, wie Derfchawin, der Repräfentant 
tionalpoeſie, denn f. Fabeln find faft alle original. Wie Sener in f. 
Vie glänzende Seite bes Zeitalters barftelte, fo hat Kriloff in f. Sabeln 
erliche Seite und die profaifche Denkart f. Zeit gefchildert. Im Ausdrud 
r cein und vollendet als f. Vorgänger Dmitrieff, übertrifft er ihn als Dar» 
Kriloff iſt ein guter Beobachter; feine Fabeln, die mit den beften in jeder 
se von biefer Seite die Vergleichung aushalten, find reich an Ideen und Er: 
8; daher gelten jet viele Verſe von ihm als Sprichwoͤrter. — Shu⸗ 
18i (f. d.) hat die poetifhe Sprache der Ruffen bereichert, indem er Ideen 
Wähle darſtellte, die ber ruſſ. Literatur noch neu waren. Seine Gedichte 
i treues Bild f. Individualität in der Zeit, als er fie nieberfchrieb. Eben das 
giehen fie ungemein die Lefer an. S.'s Vorliebe für die deutfche Dicht: 
weiche vor ihm f. Landsleuten weniger befannt war, bewog ihn, fie inf. 
harungen mit ber ruffifchen zu verfchmelzen; baher haben |. Geridhte ein 
















492 | Ruffiihe Sprache und Literatur 


eigenthuͤmliches Gepräge, das Ihrem tiefen melandholifchen Gefkihie ı 
tone bei ihrer Erſcheinung einen befonbern Heiz verlieh. — Batjuſé 
durch den Zauber ſ. Sprache. Mit einer glänzenden Einbildungsktaft 
das feinfte Gefühl des Schicklichen, daher ift f. Sprache in ber Wal 
monie bed Ausdtucks unnachahmlich. Dan hat von ihm erotifche El 
reiche Epifteln und lyriſche Verfuche; alle tragen ben Stempel einer S 
die Nichts zu wünfchen übrig läßt. Indeß ift fein Gefang a 
Zeit, wo feine Kraft fi ganz entfalten konnte. — Fuͤrſt W 

in feiner Eräftigen, inhaltreichen Sprache mit wenigen Worten * 
bisweilen ſ. Ausdruͤcken etwas Gezwungenes und Hartes. WBorzüg! 
ihm die Satyre und das Epigramm. Setine koͤrnige Proſa leidet nı 
ſ. Verfe an jener überreichen Kürze. — Woftokoff hat wahres D 
Reichthum an Ideen, Einbitbungstraft, Wärme des Ausdrucks, abe 
iſt noch wenig ausgebildet. — Gneditſch hat ſich durch f. Überfegung ! 
in Herametern um bie ruff. Sprache ein großes Verdienft erworben. J 
nen iſt der Charakter diefer Periode eine, der ruff. Literatur vorher fren 
und GCorrectheit. Die Sprache hat eine feftere Geftalt angenommen 
tennt man nidyt ben ganzen Umfang ihrer Bildungsfähtgkeit. Sin der‘ 
Rußland gegenwärtig nur einen genialen Schriftfteller. Noch fehlt ii 
beitung von mehren denkenden Köpfen, daß fie ſich weiter ausbildend, 
anfügen lerne. Nur die Dichterfprache der Ruffen kann man bis jegt r 
— Die jüngfte Zelt der ruſſ. Literatur fteht gleichfam noch in der Bluͤ 
nennt fie einen vielverfprechenden Dichter: Alter. Puſchkin (f.d.). 
findungskraft und Driginalltät; fein Styl iſt hoͤchſt gebildet. Kar: 
ſchichtswerk zeigt jetzt der Nationalpoeſie eine neue Bahn. Bieher n 
Geſchichte für den Dichter ein Land, auf dem die Nebel der Chroniken: 
gen lagen. Karamfin zerfireute die Nebel und brachte Licht in bie dum! 
An feiner Fackel möge die Dichtkunſt die ihrige anzimden! Der Die 
vermag, ift Puſchkin. Man erwartet von ihm Nationaltrauerfpiele, d 
ftände er aus den Jahrbuͤchern Rußlands gewählt hat und bei denen er 
die engen Formen des franz. Zrauerfpiel binden wird. Unter den o 
lebenden Dichtern nennen wir Kos loff (f.d.); Gribojeboff, der. V 
anziehenden Luſtſpiels; Glinka, einen Inrifchen Dichter, voll Feuer; 
Delwig (den Herausg. des ruſſ. Muſenalmanachs: „Nordiſche Blun 
und 1826); den jungen Schazykoff, Baratinskij u. A. Unter den 
den Prof. Mersiäkoff in Moskau, der Taſſo's, Befreites Jeruſalen 
bat. — Die ruff. Profa zähle jegt wenig Driginalprodbucte. Es gibt 
nale, aber man kann in ihnen nicht das Ergebniß ber Nationatbildu 
da fie meiftene Auszüge aus fremden Zeitfchriften enthalten. Der ki 
derfelben kann nicht bebeutend fein, da die Nationalliteratur arm iſt. X 
ſich vor fo vielen mittelmäßigen Profaitern Gretſch aus, deſſen Stni r 
keit hat, obwol er nicht frei iſt von Fehlern gegen den guten Geſchn 
15 Jahren gibt er das befte ruffifche Journal heraus, und fchon bies 
bienft. Auch beſchaͤftigt er fich mit der Abfaffung einer uff. Sprachleh 
fer Hinſicht verdienen außer den aͤltern ruſſ. Sprachlehren von Ludolph 
sica et manuductio ad linguam slavonieam’, Orford 1696, 4.) 
ning (Stodholm 1750), Lomonoffoff, Rodde, Heym (n. X. von Ve 
1821), der Sprachlehre der ruff. Akademie (St.:Petersb. 1802), vı 
von Vater (Epz. 1808), und wegen der glüdlic gewählten Beiſpi 
praktifchen Anweifungen die von Kappe (St. Petersb. und Kiga 181 
1820) den Dentfchen empfohlen zu werden, forwie Puchmayer’s „Lehr 
ruſſ. Sprache (1820), dem der gelehrtefte Kenner ber finwifchen 9 


Ruſſiſche Sprache und Literatur 498 


Yobremsäky, eine Vorrede binzugab. Ste alte umfaffen, wenigſtens die 
r das Umgangsruffifhe. Fuͤr die ſlawoniſche ober Kirchenſprache fehl 
me me ger ſehr die grammatiſchen Huͤlfsmittel. Die in altſlawiſcher 
erfaßten Lehrbücher von Zizania (1596), Smotriski (1619), das 
- 53.1755 und ähnliche, waren nicht geeignet, das Werftändnig ber 
leichten. Als Sorfchritt mußte daher ſchon die In ruff. Sprache ge: 
Brammmatil des Kirchenfiawifchen gerähmt roerden, welche Pet. Winos 
11 gab, wenn auch jest anerkannt ift, daS fie durch Dobrowsky's „In- 
linguse Siawicae dialeeti vet.’ (Wien 1822) völlig außer Werth 
»e. Wie ernſt aber die Negierung felbft den grammat. Unterricht bes 
kann das Verbot von Lewizkij’s „Kleiner ruff. Srammatil” (St.⸗Pet. 
eifen, bie 181%, „wegen mehrer Fehler und falfchee Definitionen‘, 
rdicte des Minifters der Aufklärung unterlag. — über die Wörter 
ruſſ. Sprache von Rodde, Heym, ein „Deutfchsruff. franz. Taſchen⸗ 
* (ige 1805) u. a. m., f. m. die Überficht von Schloͤzer in den „Goͤtt. 
a’, 1810, Nr. 47. Seitdem gab A. Oldekop ein „„Ruff.s deutfches 
‚= ruſſiſches Wörterb.” in 5 Bon. heraus. Der jegige Präfident der 
mie, Admiral und Miniſter Aler. Schiſchkoff, hat eine 2. Aufl. des 
ber zuff. Akademie’ (6 Bde., 4., 1826) befördert. 
diefer Charakteriſtik der Dichter und Profaiften, die auf bie Bildung ber 
Sprache Einfluß gehabt haben, bemerken wir über einzelne Gegen= 
vuffifchen Literatur Folgendes: 1) Die früher vernachläffigten alten 
der und Sagen der Ruſſen haben erft in ben neuern Tagen wegen ber 
mit den Romanzen der Spanier, Engländer und Skandinavier bie Auf⸗ 
t der Ruſſen erregt, welche durch das Weifpiel des Auslandes angeregt 
Bie jene Romanzen, ſcheinen fie auf eine zufammenhängende Volksſage 
I, die es vielleicht noch aufzufinden gelingt. Noch hatte ſich in der Des 
‚iefe alten Lieder angehören (1015 — 1224), die Nationaipoefle nicht 
lawiſchen Fabellehre losgeriffen, und bie ruff. Märchen und Volksſagen 
ech einen eignen Reiz phantaftifcher Geftaltung gewonnen, ber In der 
Fifipat und Maxim und ihrer Zapferkeit, von der Hochzeit Devgiele⸗ 
er Entführung Stratigovnas, in der Sage von Shinagrip, Zar der 
h auf eine eigenthümliche Weife bemerklich macht. Fuͤrſt Wladimir I. 
Kittern war ber Mittelpunkt diefe® Sagenkreiſes, der fich mit den Aben⸗ 
Karl umd feinen Pairs und vom König Arthur mit den Mittern feiner 
vergleichen läßt. Die Helden Dobrenja Nikitiefch und Tſchurilo Plen⸗ 
3. find hier an die Stelle der allverbreiteten und mohlklingenden Namen 
1, Rinaldo und Amadis getreten. Seit 3. Müller „Igor's Zug gegen 
er“ (aus dem Altruff., Prag 1811 u. 1812) herausgegeben hat, ift dies 
im ruſſ. Original mehrmals erfchienen. „Kürft Wladimir und beffen 
⸗CEeipz. 1819), ift eime deutfche Nachbildung und aus einer Sammlung 
yer entftanden, die Rumjänzoff hat bruden laffen. Auch des Fuͤrſten 
Seiſt der ruſſ. Poefie oder Sammlung alter ruff. Dichtungen, die theil6 
: Snbalt, theils durch ihre Auslegung Aufmerkſamkeit erregen” (Peters⸗ 
‚2 Bbe.), hat im Heimathlande die Blicke nach diefem Kerne ber Sprache 
Borjuͤglich waren es Beiftliche, die in jener Periode eine höhere Geis 
it bewiefen; body blieben auch weltliche Große ihre nicht fremd. Neftor 
we miehre Große, die an diefen geiftigen Befchäftigungen Theil nahmen. 
en diefe Anfänge von keinen dauernden Kolgen fein, weil höhere Lehran⸗ 
ten; dann auch darum, weil bie griech. Vorfteher ber öffentlichen Schu⸗ 
bir, Smolensk und Halitfch, wunderbar genug, die Liebe zum griech. 
e nicht begründeten, welche eine fortwährende Schutz wehr gegen Werts 


darf der Leſeluſtigen ausreichten. Dadurch, daß bie Schreibende 
ſprache verfymähten, welche durch Ihre tatarifchen Zufäge ein frer 
felöft mißfaͤuiges Anfehen betommen hatte, unb nur der alten ſiaw 
ſich bedienten, mußte nothwendig die Luft an folder Unterhattı 
Mißverhältniffe ungerechnet, auf immer Wenigere beſchraͤnkt wı 
Ruſſen nicht reiften und keine fremde Sprache lernten, fehlte ein g 
Verknüpfung mit dem übrigen Europa. Schulen gab es in Großi 
und als man endlich zu MosEau durch Errichtung der flamifchegrie: 
bemie des faitonoffpafkifchen Kloſters (1682) auf eine Lehranftalt 
der kiewſchen geifllichen Schule (ſeit 1588) bedadıt war, hinderte 
des Lehrplans und ber Unterricht in unverftändlichen Sprachen dı 
folg. Wenigen Einfluß übte die Druckerel, indem fie ausſchließlich 
und bie Vergnägungen waren zu cob, um edlere Anregungen zu 
dramatifchen Darftelungen geiftticher Geſchichten, die von ben kl 
ten während der Ferien in den Städten aufgeführt wurden, fandeı 
Ataferna dem König den Kopf abſchlug, wo Artazerres den Ham 
fahl, und dann die drei Männer im Feuercofen vorzüglihen Bi 
Fortſchritt ſah man bie ſlawoniſch⸗ruſſiſchen Dramen des Priefter 
von PolotsE an (1628 — 80), welche zu Fedors III. Zeit erſt im. 
‚Hofe gegeben wurden. Liebhaber finden f. „Nebutadnegar” un 
Sohn” im 8. Bde. der „Altruff. Biblioth." gedruckt und die meiſ 
ſchriftl in ber Synodalbiblioth. zu Moskau. Das erfte fremde Luftf 
Ruf. Üiberfegte, war Moliere'$ „Arzt wider Willen”, das von 
Alexiewna mit ihren Hoffräulein aufgeführt ward. überall dient 
Mufter, felbft in den Gedichten, unter denen des ebengenannten ( 
lotsE Überfegung der Pfalmm Davids (Moskau 1680) Erw 
Doc) aud) in ihnen verkennt man biefen fremden Einfluß nicht. 
die von Karamfin aufgefundenen Maͤrchen von einem Kaufmar 
geeignet, unfere Meinung zu ändern, aber noch erwarten fie die 4 


Kuſſiſche Sprache und Literatur 495 


ui warb 1711 gefliftet, aus der 1744 die erſten petersburgifchen Zeitungen 
Bingen. Überſetzungen ausländifcher, meiſtens deutfcher Werke follten bie 
n Eefen anregen, und durch junge Ruſſen, die er auf Reifen fchickte, hoffte 
Borzägen ber Bildung bei feinem Volke Glauben zu verfchaffen. Bei feinem 
nterlieh er 51 Wolksſchulen, 56 Garnifonfchulen und 26 andre Anftalten 
ber ber Geiſtlichen, die der fo langſam gedeihenben Givilifation nur unmerk⸗ 
zbeiteten. Doch war es weniger das Hangen am Herkoͤmmlichen, was fich 
ten bes für große Eindrücke fo empfänglichen Volkes dem Fortgange feines 
ntgegenftellte, als das Ränkefpiel der Staatsbeamten, denen Bildung oft 
gften am Derzen lag. (S. Akademien.) Die Akademie ber Wiffen- 
beförberte feit 1725 die wiffenfchaftliche Richtung, welche die Geiſtesthaͤ⸗ 
orzugsweiſe genommen hatte, weil das Beduͤrfniß einer eigentlichen 
noch nicht fühlbar getworden war. Taͤglich mehrten fich jedoch durch kaiſ. 
&t Die Lehr: und Bildungsanftalten,, und namentlich war es Katharina Il., 
ı Begänftigung der Künfte und Wiffenfchaften, zundchft von ihrem Um: 
ife aus auf Achtung des Schönen und Nüglichen hinwirkend, mit beharr⸗ 
ifer in der Ausführung der oft unterbrochenen Pläne vorwaͤrtsſchritt. Alf» 
: wurde das Beflreben, dem Auslande nachzueifern, und der für geiftigen 
mpfängliche Theil des Adels und des Beamtenftandes gab ſich demfelben 
er Regſamkeit hin, daß Paul J. Beforgniffe faßte und eine Landesfperre 
Ilexander I. verfolgte in den erften Fahren feiner Regierung die Bahn feiner 
eter mit Enthuſiasmus. Er fliftete Lehranſtalten und Volksſchulen, forgte 
ehnblichere Bildung der Geiſtlichkeit, unterftügte mit Eaiferlicher Freige⸗ 
36 Talent, ließ aber den Volksgeiſt in feinem wiffenfchaftlihen Streben 
yenger Ängftlichkeit beauffichtigen, daß vielleicht darum eben die neueften 
jeffelben der europäifchen Beachtung weniger werth gefchienen haben. Gleich» 
ch diefer wiflenfchaftliche Geiſt mit der den Ruſſen eignen Betriebfamteit 
B geregt, dag von Sopiloff in f. „Essai de bibliographie russe”’ (Petersb. 
r23, 6 Bde.) 13,249 in ſlawon. und in ruff. Sprache feit Einführung dee 
in Rußland (1553) bis 1823 in Rupland herausgeg. Originalwerke um) 
alphabetifch verzeichnen konnte. Seit dem fruchtbaren Jahre 1820, 
allein 3400 Werke erfchienen, darunter aber beinahe die Hälfte Über: 

a (über 800 a. d. Franz., 483 a. d. Deutfchen), hat diefe Zahı fehr abges 
I, ſodaß im J. 1824 in Allem nur 264 Werke, meiftens Überfegungen, 
4 biftor.sgeoge. Werke, Gedichte, Romane erfchienen. — 4) Poefie. 
e Nachbildung der vom Ausland en.Iehnten dichterifchen Sormen erhielt fich 
er Dichtkunſt noch das nationale Kied in Ehren, das bald Liebe, bald Krieg 
nid Spiele, Kirchenfeſte, Tiſchfreuden, bald Mationalluftbarkeiten feiert. 
es älteru waren die des Koſacken Semen Klimoffskij (gef. 1725) fehr beliebt; 
Inmumenftellung berer, die jegt noch in Anfehen flehen, gibt Oftolopoff’6 
chuch der alten und neuen Dichtkunft” (St.sPetereb. 1821), wo auch die 
Dmitrieff, Neledinſtij⸗Melezkij, Karamfin und Shukoffskij (ber geniale 
bes „Sängers im ruff. Lager’’) vor allen fid) bemerklich machen. Seit durch 
suftant. Demetr. Kantemir (f. d., geft. 1744) die Profodie genauer bes 
ward, verſuchte man ſich in allen Dicytungsarten, von der Dithyrambe bis 
abrigal. Die ruff. Volkslieder, welche in dem Munde des Volks gelebt 
ab aus ber Negierungszeit Peters d. Gr. und der Kaiferin Elifabeth, welche 
. Das Lyrifche ift vorzüglich gelungen. Auch muß ber philofopb. 

ſteln des Kürften Ivan Michailowitſch Dolgorudi (fi. 1823) u. d. 

Be meines Herzens“ Erwähnung gefchehen. Die poetifhen Erzähluns 
kdemen bie alte Sage fo vielen Stoff gäbe, find bearbeitet worden von Bus 
F, Kriloff, Batjuſchkoff, Dmitrieff, Shukoffskij, über deflen Becdiroſt 


EITEEHER, uage WIE LE DET WUTETLIGTEIE, INT DET man AUED ZTER 
Aulaß, das Eigenthümtiche zu umterbrüden. Die Oper mußte 
Hebenben Hofe, wie der ruſſiſche, lebhafte Theilnahme finden. D 
marokoff warb 17764 zu Petersburg aufgeführt, und fie hat ſeitt 
Bearbeiter gehabt. Im Lehrgedichte galten fonft Keraskoff’6 „Ei 
fhaften“ ; jet haben ſich bie Fabein von Dmitrijeff, Chemuiger, 
Iberfegungen Freunde gewonnen. (Kriloff's Kuſſiſche Fabeln 
wovon ein Theil ruſſiſch mit feanz. Überf. der Graf Drloff, Paris 
‚geben hatte.) Kleinere Dicytumgsarten finden In den 21 ruſſtſchen 
ſriften (die 1824 in der Pauptftadt im Umlauf waren) ein toiltig 
und Beifall bei dem immer noch kleinen Publicum. Deutſche i 
für die hier gegebenen Anführungen in R. v. Gretſch's „Handbuc 
tur, ober Beifpielfammt. aus Dichtern und Prof.” (Gt. Petereb 
und in von ber Borg’s „Poet. Erzeugniffen der Muffen“ (Miga 1! 
ben, mit denen man J. Bowring’s „Speeimens of the russian 
Kond. 1821), und Dupre de St.Maures „Anthologie russe 
verbinden kann, ſowie denn auch allen Freunden ber Literatur A. 
peteröburgifche Zeitfchrift””, wegen ber bort gegebenen Bufanmen‘ 
empfehlen ift. Unter den Zeitſchriften find diejenigen, welche und 
des Reiche vertrauter machen, wie Bulgarin's „Norbifches Arch 
ſche Verkünbiger” von Sſpaßkij, „Der Sohn des Waterlandes“ v 
Veförderer der Aufklärung", einer Auszeichnung werth. 5) Pr 
bar fteht bie ruf. Profa ihrer Dichterſprache an Ausbildung umd € 
In geiftlichen Reden, durch bie fie zuerſt ihre Ausbildung erhielt, 
baftifche Rhetorik erhalten, die oft den mindern Gehalt verberi 
Homilien von Feofan Prokopowitſch (farb 1736), von Gebeen, 
fü, Georgij, dem Protoierni Lewanda, dem Metropoliten DRiı 
reichend erweiſen. Dan vgl. Katſchenoffskij's Blick auf die Fortſch 
Beredtſamkelt in der erfien Hälfte d. 18. Jahrh., in deſſ. Wer 
Berkünbiaer". Kahra. 1813. Neuerbinas aina ein mehr froͤmme 


Rußland (ältere Geſch.) 497 


san beklagen, daß eine Dienge ber anßgezeichnetfien Gelehrten und 
u KNußlande für ihre Werke auslaͤndiſche Sprachen vorziehen und ih⸗ 
de dedurh einen Ruhm entziehen, ber vieleicht ben einer politiſchen 
aArfwiegt. Die Denkſchriften von Schachoffekoi (1821, 2 Bde.), 
18), machen non diefer nicht zu billigenden Weiſe eine beachtungswerthe 
Noch fehlt Rußland ein Roman, der Originalität mit den Vorzuͤgen 
ng verbände, die ihn der lübertragumg in fremde Sprachen werth ges 
Für Novellen find Karamfin, Shuloffetij und Benlizkij bie beſten 
Bbefonbere verbienen die Reifebefchreibungen ber Waffen bie Aufmerk⸗ 
ustanbes. Jaͤhrlich haben feit ber erften Reife der Ruflen um bie 
r Schiffen Nadeſchda und Newa unter dem Befehl-des Gapit. Kruſen⸗ 
erikaniſche Sompagnie oder Einzelne, Schiffe nach der Nordweſtkuͤſte 
efandt ; unb Oolownin's Reife (1807 — 14), die bed Lieut. v. Kotze⸗ 
n des Br. Rumjaͤnzoff, die des Lieut. Laſareff, die von Bellingthau⸗ 
Tttjeff, die des Lieut. Mrangel, Murawieff s Lanbreifen, Broneffs⸗ 
ungen von Murien u. X. m., find von ben erheblichſten wiſſenſchaft⸗ 
ſſen geweſen. In vielen bernerkt man die Spuren ber ſich fortbliden⸗ 
in. Stellen, die durch ihre Darſtellung zu den anziehendften aller Bis 
Iren. Endlich muß hier auch der Verdienfte gebadıt werden, bie fich 
emlker and Gelehrete (Fraͤhn, Krug, Schmidt u. A.) um bie.orienta- 
e erwerben. Fraͤhn beſorgte auf des Grafen Rumjaͤnzoff Koflen die 
es Hm. v. Hammer’s Schrift: „Sur les origines russes, axtralts 
s orientaux”, ſowie den Druck von Abulghafl:8 ‚Hist. Mongolorum 
a (Kaſan 1825). Wolkoff arbeitet an einem Wörterb. der tata⸗ 
ze. Genboffoti gibt Text und:Überf. bes „‚Desbent:Nameh‘ heraus, 
⸗arabiſche Wörterbuch von Berggren. Bon ihm erfchien auch in 
rache eine Bammlung alter Nachrichten bei türkifchen Hiſtoeikern in 
Geſchicht⸗ Polms“ (Warfdyau 1824 fs.). Prof. Boldfreff u Mot: 
kehrbuch der arabifchen Sprache” 1824 und eine „‚Berfifche Eheeflo: 
bie.) 1826 herausgegeben. — Zum Gchluffe beenerken wir noch bie 
be Theilnahme an Zeitfchriften und Almanachen, welche bie zuff. Bis 
322 bereikbert. 1825 erfchienen in St. Petersburg 18, in Moskau 
nwie-6 Almamadıe. Bon Bdftucheff’s und Rylejeff's ‚Polarftern”, 
sch für 1824, und „Die nordifche Blume”, für die folgenden Jahre, 
1. 1826 aber erfchienen zu St —— But 6 Zeitungen unb 15 
Zur Beförberung der Kenntnig ber waterländifchen Literatur in zuff. 
Hofrath Peter v. Köppen 1825 und 1826 zu St⸗Petersbarg ein 
iſches Blatt‘’ Heraus. Auch hat bie in St. Peteräburg ſeit 1816 be: 
Ufch. der Freunde der ruff. Literatur, beren Vorfteher N. Glinka und 
h find, eine Sammlung der vorzüglichern Schriften und Überfegungen 
16 jeßt 46 Bde.). Vgl. die Überficht der neueften ruft. Literatur im 7. 
ner „Sahrbücher der Literatur”. 
and I. Äitere Geſchichte. Mit dem gemeinſchaftlichen No: 
Sarmaten, umfaßte man eine Menge nomabifcher Stämme, welche 
nifchen Grenzen reichten, und ſchon vor Cyrus die damals gebifbete 
ich -Worberafien beunruhigten. Sie bewohnten die von Herodot be 
zegenden zusifchen dem Don und Dnepr. Strabo und Tacitus nennen 
kanen ein farmatifches Volt. Die riechen legten bafelbft Handels: 
Am 2. Jahrh. n. Chr. zogen von der Öftfee her in Die Gegenden vom 
de Donau die Gothen. Seitdem 5. Jahrh. drängten ſich hier Hor⸗ 
llanen, Hunnen, Avaren und Bulgaren. Die Slawen, ein farmas 
zogen hierauf mehr nad) Welten und Norden; bie Ehaeren wor den 
Siebente Aufl. Bb. IX. 


498 Rußland (ältere Geſch.) 


Avaren gedrängt, kamen im 6. Jahrh. in bie Laͤnder zwiſchen ber Wei 
Don, rüdten nad) und nach bis an die Donau, eroberten bie Krim ı 
dadurch mit den Byzantinern in genauer Verbindung (die Kaiferin Ite 
chazariſche Prinzeffin). Die Petſchenegen, Stammverwandte der Cha 
am kaspiſchen Meere, gingen weſtlich, drängten die Ungarn nach Pan 
rend fie Die Gegenden zwifchen bem Don und der Aluta behaupteten. 

Rußland wohnten die Tſchuden (Finnen und Eſthen), finnifche Voͤlker 
Stämme führten ein nomadifches Hirten⸗ oder Jaͤgerleben; nur fpätı 
einige derſelben dadurch, daß fie in ehemalige römifche Provinzen rüdt 
den Byzantinern in Verbindung Samen und mit dem Chriftentbum b 
den, zu einiger Bildung. Diefe zeigte ſich am früheften unter ben flaı 
kern, welche von der nördlichen Donau her im 5. und 6. Jahrh. die 
und den Dnepr. hinanfzogen. Es entſtanden durch fie im heutigen : 
beiden Städte Nowgorod (neue Umzaͤunung, novus hortus) *) und J 
durch ihren Handel beſonders fpäter zu einer bebeutenden Macht bi 
Beide Städte mußten anfangs gefährliche Kämpfe mit ben Chazarn b 
noch außerdem wurde Nowgorod von den Warägern **) (fühne Ser 
che die Oftfeekäften beunruhigten) hart bebrängt. Daher ſandte Rı 
fandte an die Varjager, um ihren Schug zu erlangen, inbem fie ihn: 
Schaft uͤbertrug. Alfo kamen im $. 862 (nach Neftor jenfeits bes Di: 
Brüder Rurik, Sineus und Truwor, die Heerführer der Varjager 
Landsleuten nad) Nowgorod und ftifteten in der Nähe 3 Fuͤrſtenthi 
dem Tode feiner Brüder herrfchte Rurik allein, und feine Landelen: 
ſich mit den befiegten Stawen zu einem Volle, den Ruffen. Diefer 
in welchem bie Varjager wahrfcheinlich die Gutsherren und Krieger r 
eine militairifche Verfaſſung, er ft u. d. N. Holmgard, Gardarike ur 
befannt.und umfafte das nörblihe Rußland. Nach Ruriks Tode (€ 
fein Sohn Ighor unter feinem Vormunde Dieg (Diaf). Diefer erobe 
machte fie zur Hauptſtadt. Ighors Witwe und Nadıfolgerin, Dig 
Konftantinopel 955 das Chriftenthum an und brachte dadurch den gri 
ihr Vaterland. Ighors Sohn, Swaͤtoslaw, ein Eroberer, blieb 97 
gegen die Petfchenegen, an ben Waflerfälien de& Dneprs. Unter 1 
Soͤhnen vereinigte Wladimir I. aus Nowgorod, ber Heilige ober ber 

Ganze 980. Er machte bedeutende Eroberungen, heirathete die 

Prinzeffin Anna, ließ fich zu Cherfon taufen 987, ftrebte feinem Volt 
Bildung zu geben und flarb 1015. Wladimir hatte das Reich unter feiı 
getheilt; zwar follten nach ſlawiſcher Sitte die einzelnen Fürftenthüme 
Großfuͤrſtenthum zu Kiew vereinigt bleiben; allein da die Thronfolg 


*) Die ruſſiſche Sprache braucht bekanntlich g ftatt h (Hospodar, 

**) Die alten Bewohner Skandinaviens erhielten in ben Ländern, we! 
ten, verfchiedene Namen: in England Dänen, in Frankreich Rormänner, 
Waraͤger oder Varjager (fahrende Jäger, Abenteurer), bie von den Ifud 
[hen Ruotfi, Rutzi, d. i. Reiſende, Frembe, Abenteurer, genannt wurben; 
jest NRuffen. Diefe Benennung fommt fon vor Rurif bei den 
gleich erft feit dem Anfange des 9. Jahrh. Nach Neftor ift bie Bener 
erft, nachdem durch Rurik die Varjager fi) unter den Slawen zur berrf 
erhoben hatten, allgemein gangbar geworben. Neftor nennt ben Rurik uı 
der Niemsen, d. i. Deutſche; Thunmann unb Schlözer halten fie für 
(Rormannen) ; Ewers fagt ohne Grund, daß fie Chazaren gewefen feien 
lich Fam Rurik mit feinem Gefolge aus Wagrien. aus dem damals befaı 
fen Aldeigaborg (jest Albenburg oder Oldenburg). Sie waren vielleicht 
Züten. Der erfte Pla, ben Rurik unweit Nowgorod anlegte und befeft 
von ihm ben Namen Albeigaborg, wovon noch gegenwärtig der Ladoga⸗ 
doga⸗) Gee den Namen bat. 


Rusland (mittlere Geſch.) 499 


wit war, entflanben blutige Familienkriege um ben Beſitz der großfürfklichen 
we. Dec erhielt das Chriltenthum durch die Verbindung des Metropoliten 
ew mit Konftantinopel wenigftens ben Srieden mit den Öyzantinern. Bald 
Badimirs Tode wurde Chazarien erobert und mit ben Griechen getheilt, wäh» 
Jaroslars feinen Bruder Smwätopol£ J., der 3 feiner Brüder hatte tödten 
‚ vom Throne flürzte. Erſter wurde Großfürft (1016 — 45), gab den Bes 
m Nowgorods ihr Stadtrecht, eine Sammlung von Gefegen, wodurch fie 
mbe Freiheiten erhielten, legte mehre Städte an und that viel für das Chris 
me. In der Kolge wählten die Kiewer 1114 von einer entferntern Linie Wla⸗ 
1., genannt Monomach, zum Großfuͤrſten. Diefer wurde vom byzantinis 
mifer Alexius Komnenus ald Zar anerkannt, ließ fich zuerft Erönen *) und 
‚ Die Juden aus Rußland. Sein Sohn Jurje erbaute 1147 Moskau. Waͤh⸗ 
fer Kamilienkriege war unter allen ruffifchen Städten Nowgorod am glüds 
‚ obgleich auch hier blutige Thronveränderungen flattfanden. Die Schwäs 
es Reichs wurde noch mehr durch die Nachbarvoͤlker befördert, welche bie 
Zwietracht zu feindlichen Einfällen benugten. Am gefährlichften wurden feit 
ie Mongolen. Diefe Eroberer hatten die Polowzer **) befiegt; zu fpät lei⸗ 
ie Ruſſen den Übermundenen Beiftand. Beide verbündete Völker wurden 
n der Kalka gefchlagen. Doch befegten bie Mongolen erft nad) einem 15jähr. 
rungskriege, als der Großfuͤrſt Jurje IL. in der Schlacht bei Sita 1238 ges 
ı Khan Batu geblieben war, ganz Rußland. Nur Nomwgorod erhielt durch 
ge feine Unabhängigkeit. In Hinſicht auf Bildung hatten die Ruffen gegen 
Boͤlker nur geringe Kortfchritte gemacht, woran die Verfchiedenheit der Na⸗ 
und die militaitifche Verfaſſung vorzuͤglich Schuld waren. Der Handel war 
8 in den Hänben deutſcher Kaufleute, welche mit den Diffionarien feit 1200 
e Düna ber nad) Rußland kamen. Die Hauptfige diefed Handels, ber nach 
Beften durch Deutfche und nach dem Süden durdy Griechen betrieben wurde, 
Morogorod und Kiew. Bon einer gelehrten Bildung wußte man nichts; bie 
enheiten wurben in Moͤnchschroniken, aber in ber Landesſprache aufgezeich⸗ 
vevon feit Neflor (fl. um 1113) eine lange Reihe vorhanden iſt. Außer dem 
e, welchen die Ruflen durch bie Mongolen erlitten, mußten fie noch mit den 
bern, deutſchen Nittern und Schweden kämpfen, weiche bie Abhängigkeit 
wifen benugten, um Eroberungen zu machen. Die ruſſiſchen Großfürften 
a nicht® unternehmen, was den Mongolen gefährlich fehien, und mußten 
4 Tribut an die goldene Horde bezahlen. Dennoch führten fie auch in biefer 
sgigkeit mehre glüdliche Kriege. Jaroslaw eroberte Finnland, ftarb aber in 
tariſchen Horde an Gift; fein Sohn Alerander ſchlug die Schweben 1241 
e Mewa und erhielt deshalb ben Beinamen Newéky. (©. Alerander 
Ey.) Daniel, Aleranders jüngfter Sohn, kam 14 J. nad) des Vaters 
(4277) zur Regierung ; ex wohnte bereit in Moskau und nahm daher 1296 
den Titel eine® Sroßfürften zu Moskau an. Er erbaute 1300 den Kremi. 
Sohn Jurje führte glüdliche Kriege gegen die Schweben und erbaute Orſchek 
Kffelburg). Unter Demetrius Donsky, weldyer den Kreml von Stein baute, 
a zwar 1360 die Tataren mehre Mal von ben Ruſſen geſchlagen; allein end» 
wften diefe bennoch unter die Zinspflichtigkeit zurückkehren. 

GB. Mittlere Geſchichte. Glädlicher waren die Ruffen unter Ivan I. 
jewitſch dem Großen (vegierte von 1462 — 1505), welchem es in dem Kam: 
u 1477 — 81 gelang, Rußland von der Herrfchaft der Zataren zu befreien. 


Gewiſſe Nachrichten über die Krönung des ruſſ. Zars haben wir erft vom I. 
mter Wfevoloh II. 
Die Polowzer waren vom Stamme der Ujen, und diefe theilten fich im Feld⸗ 
Poissozer) und in Gebirgsbewohner (Kumanen). 

3% + 


500 Rußland (mittlere Geſch.) 


Die Khane von Kaptſchak waren naͤmllch theils durch Theilungen, Che ! 
murs Eroberungen ſehr geſchwaͤcht worden; früher abet hatten bie ſitchici 
ſchwediſchen Kriege Rußiandes Macht zu ſehr getheilt. In dieſem Zeit 
ruſſiſchen Geſchichte entſtanden die Koſacken. Die Polen und Eitehauer har 
lich alles ruſſiſche Gebiet im Weſten bis Kiew erobert und brikditen die 
ſowol durch ihre Herrſchaft ats auch durch Ihren Religiondeifer. Eben 
die Ruffen von Oſten ber durch die krimiſchen Tataren gedraͤngt. Di 
gnuͤgten zogen fich daher In die menſchenleeren aber fruchtbaren Gegenden 
ne, und lebten hier in einer militatrifchen Verfaffung unter Atamanen ( 
denen die Älteſten der verſchiedenen Stämme (Gtarfchine) zugeordr 
Ivans I. Bemahlin Zoe *) bewirkte viel Gutes in Rußland. Ivan fell 
Einheit und Untheilbarkeit des Reichs zum Meichögefeg ; er hielt die C 
Reichs in Unterrohirfigkeit, ſtellte die Grenzen bes Reichs wieder ber ı 
Kaſan von Rußland abhängig. Auch führte er den Gebrauch der Feuerg 
War gleich die Bildung nur unbebeutend fortgefcyritten, fo konnte doch 
tenkraft, welche hier einen freieen Spielraum als In Irgend einem andern 
Staate hatte, viel ausrichten. Unter Ivans Sohne Waftlei verloren 
noch mehr von ihrem Anfehen. Im Kriege mit den Polen eroberte er | 
allein die Erimifchen Tataren plünderten das Land, und die Bundesge 
felben, die Polen, ſchlugen mehre Mat die ruffifchen Deere. Kaifer 9 
fuchte dieſe Streitigkeiten beizulegen, um einen heiligen Bund aller chrif 
ſten gegen die Türken zu Stande zu bringen, und ſchickte deshalb dei 
von Herberftein (f.d.) als Gefandten an den Zar. Auch ber Papſt CI 
[uses ben euffifchen Großfuͤrſten für die kathol. Kirche zu gewinnen, ım 
m koͤniglichen Titel an; allein Polen ging auf ben Hauptplan nicht ein 
ficht der Beförderung der Civiliſation des halb wilden Volkes uͤbertraf 
ſitjewitſch II. ale feine Vorgänger. Deutfche Handwerker, Känftler un 
gingen Aber Luͤbeck nach Rußland, Buchbrudereien wurden angelegt, 
geben und der Handel durch einen Vertrag 1553 mit Eiifabeth von S— 
dem die Engländer den Seeweg nach Archangel gefunden hatten , zuerſt 
Ivan errichtete ein ſtehendes Beer, die Strjelzi oder Streligen (Schuͤtze 
1552 Kaſan, bemächtigte fidy 1554 des Koͤnigreichs Aftrachan und de 
am Kaufafus und faßte den Entſchluß, die Ritter aus Liefland zu verbr. 
ber griff er fie 1558 an und erklärte 1569, da es ihm nicht gelingen | 
Prinzen Magnus von Dänemark unter feiner Schughohelt zum KRönke 
land. Seine Hoffnung wurde aber nicht erfuͤllt, vielmehr vereinigten 
Schweden und Dänen gegen ihn. In diefee Noth, wozu noch eine Be 
im Innern bes Reichs kam, wendete fi) Ivan an den Kaiſer Rudolf 
den Papft Gregor XHI.. Lesterer ſchickte einen Nuntius, Poffevin, 
land, welcher zwiſchen Ivan H. und Stephan Bathorp, dem Koͤnige 
1582 den Frieden zu Zapolia vermittelte. Rußland trat darin fein Bei 
land an Polen ab. Am Ende von Ivans Megierumg (fi. 1584) wur 
(um 1578) von dem Koſacken Jermak entdeckt; die Eroberung diefe® | 
erſt 1587 unter feinem Nachfolger Feodor vollendet. Dieſer trat dageg 
den 1595 Eſthland an Schweden ab. Nach Feodors, bes Resten ı 
Stamme, Tode (1598) warb Rußland 15 Jahre durch Innere Zerr 
äußere Kriege erſchuͤttert, wodurch viele ſchoͤne Fruͤchte, welche die vorige 
gen hatte, verloren gingen. Es war der Krieg der polnifchen Partei mi 


*) Zoẽ (Sophia Paldologa) war eine griechiſche Prinzeffn umb dure 
teuerlichen Schickjale bekannt. Sie wurde bie Beranlaffung, daß Rußland 
ten Adler ins Wappen nahnı. 


"Rußland (neuere Gefch.) 501 


Uden Demetclus *), welcher erſt 1613 durch die Thronbefleigung Michaels 
witſch, und hierauf durch die Sriedensfchläffe zu Stolbowa mit Schweben 
uud zu Divelina mit Polen 1618 beenbigt wurde. 
MM. Neuere Befchichte. Die Ruffen wählten Michael, einen Sohn 
etzopoliten von Roſtoff und nachmaligen Patriarchen Philsret, deffen Fa⸗ 
samıe Feodor Nikitowitſch ( Sohn von Nikita) Romanoff war, 1643 
ar mit unumfchränkter, erblicher Gewalt. Ex hatte viele Parteien, und auch 
bweben, weiche unter ihrem Anführer de Ia Barbie einen Einfall in Ruß: 
than hatten, gegen fich; aber er fiegte über alle Schwierigkeiten, ftelfte zum 
Ye alten Verhaͤltniſſe Rußlands wieder her und regierte ziemlich ruhig bis 
Unter feinem Sohne Alexej wurbe ber lebte falfche Demetrius 1653 ent: 
In dieſe Zeit fällt auch der Anfang der Tuͤrkenktiege. Seit 1472, alfo 
xe Zeit der mongolifchen Derefchaft, waren die osmaniſchen Türken Nach⸗ 
5 Ruſſen geworden, und 200 Jahre nachher entfland 1671 der Krieg mit 
en ber Ukraine und wurde bi6 1681 auch unter Feodor Alerjewitfch fort- 
iz (ft. 1676) und f. Sohn Feodor III. (ft. 1682) erwarben fich Ver⸗ 
mw die innere Ausbildung bed Reihe. Jener errichtete einige Seiden⸗ 
zenmanufacturen und die erften Poſten. Unter ihm hörte bie Einfuhr frem⸗ 
6 unb Branntweins auf. Er ließ Eifen> und Kupferbergwerke anlegen, 
hiffbau verbeſſern und die Nordkuͤſte Aſiens befchiffen. Ex fammelte bie 
ıkje, bie noch jest gefegliches Anfehen hat, und bemüthigte den Stolz bes 
chen. Feodor aber vernichtete bie Anfprüche bes Adels auf den erblichen 
er hoͤhern Stellen, indem er die Gefchlechtöregifter deffelben verbrennen lleß, 
annmte ſ. unmündigen Dalbbruder Peter, mit Vorbeigehung des fchwachen 
wu Thronfolger. Zwar brachte [. Schwefter Sophia es durch bie Strjelzi 
daß Beibde zu Zaren ausgerufen wurden und fie ſelbſt die Regentſchaft er⸗ 
Mein 1689 ward ſie in ein Kloſter geſteckt, und Peter J. regierte, weil Ivan 
Berwaltung überließ, allein. — Rußland erſtreckte fi) von Archangel bis 
war aber noch getrennt von ber Oſtſee. Die Bewohner dieſes weiten Land: 
wachten jedech Eine Nation aus, und fanden darin eine mächtige Stuͤtze ges 
a feindlichen Nachbarn; Sprache und Religion vollendeten die Einheit. 
mızde für Rußland, was Philipp für Macebonien gemefen war; bie Maces 
sucden Dellenen, die Ruffen Europäer. über die Gefchichte ſ. Schöpfung: 
epäifches Heerweſen; (Eroberung Aſows und ber Oſtſeeprovinzen; Er⸗ 
von Peteröburg und Kronflabt; Umgeftaltung des Innern ıc. — f.d. A. 
'L den Erwerb ber Oftfeeküfte trat Rußland in die Reihe der euros 
ı Deächte, und hielt, indem es fi) an die Spike der nordiſchen Staaten 
fpäterhin dem weftlichen und füdlichen Staatenfpfleme das Gleichgewicht. 
ag bei Poltawa (8. Juli 1709) entfchled über den Norden; Schwedens 
sche war zerflört. Unter harten Bedingungen ſchloß das vom Mjaͤhr. Kam: 
böpfte Schweden ben Srieben zu Nyſtadt (10. Sept. 1721). So ging Ruß⸗ 
u f. Heere und in f. neuen Hauptſtadt dem übrigen Europa gleichgeftellt, 
u Kanıpfe als Kaiſerthum hervor und befchiffte mit f. eignen Flotte fiegreich 
. — Peters Entwürfe gegen bie Pforte, Perfin und Polen wurden erſt 
ganz ausgeführt. Geine Gemahlin und Nachfolgerin, Katharina L., 
(8725 — 27), unter Menſchikoff's Leitung nur auf das Innere bedacht, 
uf die auswärtigen Verhaͤltniſſe Kückficht zu nehmen. Unter ihrem Nach⸗ 
Peter II. (ſ. d.), welcher ſchon am 29. San. 1730 ſtarb, hatten bie Dol⸗ 


Der äähte Demetrius, Ivans I. jüngerer Sohn und Feodors Bruder, fol vom 
aber Boris Ghodunoff ermordet worden fein: eine -burch neutre Forſchungen 
geriß Cage, die jebdoch Karamſin als erwieſen annimmt. Der ermor⸗ 
inetrius iſt in Rußland ein Kirchenheiliger. 1J 


502 Rußland (neucre Geſch.) 


gorucky, welche den Fuͤrſten Menſchikoff flürzten, mit ihrer Gegenpartei 
thun, daß fie fich nicht um das Ausland bekuͤmmerten. — Als Ann 
Ivans Alexjewitſch Tochter, Peters d. Gr. Nichte und feit 1711 Witwe de 
Friedrich von Kurland, den ruf]. Kaiferthron beftieg, verfuchten es zwar 
fen, die höchfte Gewalt zu befchränken; body dieſer Verſuch enbigte ı 
Sturze und mit der Bildung eines ruff. Cabinetd von Fremden. Muͤ 
Dftermann, in Peters Schule gebildet, griffen nun von neuem in die a 
Politik ein; felbft Annens Guͤnſtling, der mächtige Biron, glaubte badın 
Macht zu vermehren. Kurlands Stände fahm es daher, damit nid 
nach dem Ausfterben des Kettler'ſchen Herzogsftammes als polniſches 
Dolen vereinigt werbe, nicht ungern, daß Herzog Ernft von Biron unter 
fiuffe 1737 das Land erhielt. (S. Biron.) Als darauf nad) Augu 
Dolen Tode 1733 der ſchon früher gewaͤhlte Stanislaus Lefczinsti, 
vater Ludwigs XV., auf den polnifchen Thron erhoben ward, erflärt 
Ruſſen für Auguft IH. von Sachſen, weil er, ungeachtet f. Anfprüche aı 
durch die fländifche Wahl des Grafen Morig von Sachſen, Kurland, als 
Lehen, dem Herzog Biron zuficherte. Ein ruff. Heer eroberte Danzig; 

laus (f.d.) entfloh und Auguft II. beftieg den polnifchen Thron. © 
Rußland feinen Einfluß auf dieſes Reich gefichert. — Darauf begann d 
krieg unter Muͤnnich, dem nordifchen Eugen. Afow und Oczakow wurde: 
erobert; der Sieg bei Stamutfchana, 1739, gab Choczim und die Mott 
Gewalt. Aber diefe Vortheile gingen durch die unglücklichen Feldzüge der 
und den belgrader Frieden, 1739, verloren. Doc war Rußlands Üt 
entfchieben, fein Heerwefen mehr vervolllommmet und das Anfehen f. ( 
Europa bedeutend erhöht. — Nach Annas Tode, 1740, gelangte der fa 
nat alte Ivan III., ein Enkel ihrer Schwefter, unter Biron's Vormun 
den Thron; aber Biron warb verbannt, und Ivan den 6. Dec. 1741 
Prinzeſſin Eliſabeth, jüngfte Tochter Peters d. Gr., vom Throne her: 
fängniß geſtoßen. Eliſabeth (f.d.) ſchien anfangs den alten ruff. 
Vorzug geben zu wollen. Der Großkanzler Oftermann und ber Fe 
Muͤnnich wurden nebft mehren ausgezeichneten Männern nad Sibir 
fen; doch blieben viele der erften Stellen mit Deutfchen unb andern ? 
befegt. Bisher hatte die deutſche Sprache bei Hofe und in den vorzüglü 
len geherrſcht, jegt gewann allmältg die franzöfifche den Vorzug. Unter 
gierung zeigte fich zuerft Rußlands bedeutender Einfluß auf die übrigen eı 
Staaten. Frankreich hatte im öftreich. Erbfolgekriege, um ber Tochter 
der hochherzigen Maria Xherefia, ihren einzigen Verbündeten, Rußla 
ziehen, Schweden zu einem Krlege gegen Rußland gereist. Allein de 
Wilmanſtrand (3. Sept. 1741) und die Eroberung Finnlands führten t 
von Abo (17. Aug. 1743, f.d.) herbei. Durch die Grenze des Knı 
wurbe Petersburg gefichert, und durch die Nacyfolgeacte bed Prinzen Ado 
von Holftein : Gottorp Rußlands Einfluß auf Schweden befeftigt. 3ı 
deffelden entfagte fein Vetter Karl Peter Ulrich von Holftein-Gottorp | 
fprüchen auf den ſchwed. Thron, und wurde von f. Tante, der Kaiferin 
1743 zum Thronfolger im ruff. Reiche erlärt. — Als hierauf ber ( 
Leſtocq aus dem Reiche entfernt war und Beſtucheff allein die auswaͤr 
leitete, änderte ſich auch die uff. Politik, und Öftreich® Partei gewann 
Übergewicht, daß Eliſabeth 1747 mit Maria Therefia und mit England ' 
niß erneuerte, ein Heer nach Deutfchland gegen Frankreich fandte und d 
aachner Frieden gewiffermaßen entfhied. 1754 verband fi Rußland 
mit Öftreich gegen Preußen, und nahm daher an dem fiebenjäht. Krie 
Im Laufe deffeiben fah Europa zuerft die Wirkung dee neuen ruſſ 


Rußland (neuere Geſch.) 508 


fation. Die Siege bei Großjaͤgerndorf und Kunerödorf, felbft die verlorene 
be von Zorndorf, zeigten, daß Rußlands Heere nicht nur den Heeren bes 
en Europa, fonbern fogar Friedrichs Taktik widerſtehen konnten. Doch als 
heff (f.d.) 1758 geftürst und Elifabeth (d. 5. San. 1762) geftorben war, 
yE Machfolger Peter III. (f. d.), Friedrich IL. Freund und Verehrer und 
 erbitterter Feind Dänemarks, fogleich Frieden und Bündnig mit Preußen. 
beftätigte Katharina II., als fie durch eine Revolution (9. Juli 1762), wel: 
ern Thron und Leben raubte, zur Kalferin erhoben ward, nur ben Frieden. 
t Katharina II. Regierung beginnt eine neue Geſtaltung des Nordens, 
b erlangte dadurch einen entfcheidenden Einfluß auf das politiſche Schickſal 
pa. Sobald Katharina die Laft eines erſchoͤpfenden Krieges *) von ihrem 
ibgemwälzt hatte, widmete fie ihre Sorgfalt der Gefepgebung, und zog def- 
vorzäglichften Männer des Auslandes zu Rathe. Schon der von ber Kai: 
bft entworfene Plan zeugte von jeltenem Scharfblide, denn er umfaßte 
ige der Staatöverwaltung. Aber die Bevölkerung lag ihr zunaͤchſt am 
Deßhalb rief fie Eoloniften, befonders aus Deutfchland, nad) Rußland. 
Dörfer und Kommagazine wurden angelegt, und: überall für das Auf⸗ 
des Aderbaues, fowie für die Vermehrung und Geſundheit ber Anbauer 
eforgt. Nicht minder zweckmaͤßig wußte fie den Gewerbfleiß und Hanbel 
d zu erheben, fowie durch Schulen, Penfionsanftalten und Akademien bie 
der niedern und höhern Stände zu befördern. Inbeſondere fiel, nad) 
'„Semälde bes ruff. Reichs“), die glänzendfte Epoche des ruff. Bergbaues 
‚egierung Katharinend. „Die Anftelung gefchidter und ehrlicher Männer 
Abſchaffung vieler Mißbraͤuche und Unterfchleife bewirkten allmälig eine 
te, die das Erſtaunen ber Welt erregte. Der Werth der Mineralprobucte, 
ilz mit eingefchloffen, erhob fi bie auf 13 Mitt. Rubel, und Rußland 
ſeit 1763 — 97 weit über 300 Mitt. an Werth”. — Go konnten 
h die Finanzen von 30 bis 60 Mill. Rubel fleigen. Dabei überfah Ka⸗ 
weder die Landmacht, weiche bis auf 450,000 M. wuchs, noch die Eee: 
welche, früher in Verfall gerathen, jet bis an 45 Linienfchiffe flieg. — Im 
be wendete Katharina zuerft ihren Blick auf Polen, wo Rußland bie innere 
ung sum Vorwande nahm, um die Ruhe wiederherzuftellen.. Durch Kay: 
B ſchlaue Vorbereitung fiegte Repnin’s Eräftige Entfchloffenheit, und unter 
use der ruſſ. Waffen ward 1764 Stanislaus Poniatowski zum Könige 
olen erwählt. Preußen mußte, felbft geſchwaͤcht und ſtreich fuͤrchtend, 
sen, und ſchloß ein Buͤndniß mit Rußland. Hierauf nahm ſich Katharina 
niſchen Diffidenten an, und die Generalconföberation unter Radzivil, 1757, 
ste Katharinens Plane. Die Annahme der neuen Geſetze ward erzwungen; 
bplich erzeugte die Kraft der Verzmeiflung bie Generalconföberation zu Bar 
Mit der Pforte, welche an Rußland den Krieg erklärte, weil fie kein ruſſ. 

n Polen dulden wollte, verbunden, widerfland Polen 6 Jahre ben Planen 
inens. Preußen und Öftreich fahen ruhig zu; erfteres bezahlte fogar Huͤlfs⸗ 
Die Landfiege am Pruth und Kagul (1770) und die Seefiege bei Scio 
ſchesme würden Rußland die Ausführung feiner Entwuͤrfe völlig gefichert 
wenn nicht eine verwüftende Peſt, die fich bis nach Moskau erſtreckte, der 
ab eines gemeinen Kofaden, Pugatfcheff, ver fich fuͤr Peter III. ausgab, 
r Mevolutionen in Schweden und Polen Katharinens Heeredmacht auf ver 


Da Rußland fi in Hinfiht auf Menſchenzahl zu Holland wie 1 zu 10, zu 
d wie 1 zu 7, zu Preußen und Oftreich wie 1 zu 5 verhielt, und auf 82,000 
ar SO Mil. Menfchen zählte, fo mußte ein Krieg für Rußland empfindlicher 
irgend einen andern europaͤiſchen Staat fein, und fortdauernde Kriege konn» 
egt dieſes ungeheure Reich bie Beute eine® kuͤhnen Eroberers werben laffen. 


504. Rußland (neucre Geſch.) 


fhlebenen Punkten befchäftigt und geſchwaͤcht hätten. Dagegen hatte: 
dem ſchwediſchen Reichſtage von 1762 die engliſch⸗ruſſiſche Partei (bie 
über die franz. Partei (die Güte) geflegt; allein bes Koͤnigs Adolf Fried 
folger, Guſtav MI:, fchuf 1771 eine neue Conftitution, welche bie 3 
Keone wieberherflellte. — Unterdeß dauerten die Unruhen in Polen fi 
barer Gonföderation machte große Fortfchritte. Da gefiel es den maͤchei— 
: baren, jene Verwirrung benutzend, Länbertheile, die ihnen bequem lagen, | 
abzureifen. „ES war”, fagt ein geachteter Hiftoriker, „die Frucht be 
rungspolltit hervorgehend aus der zerſtuͤckelten Lage ber preufifchen A 
Und mir Binnen hinzufligen, daß, wenn ſtreich und Preußen nicht gen 
lich die Hand boten, Rußland wol allein gehandelt haben und feinen Na 
durch noch weit gefährlicher als das zerruͤttete Polen geworben fein w 
ward alfo am 5. Aug. 1772 ber erſte Theilungsvertrag abgefchloffen, 
deffen Rußland denjenigen Theil Polens erhielt, welcher zwifchen der £ 
Dep und Drutfch liegt. (S. Polen.) Zugleich blieb Rußlands € 
Polen durch die Errichtung des immerwährenden Rathes, durch die © 
Wahlreichs und durch das liberum veto für bie Zukunft gefichert. — 
Beendigung dieſes Befchäfte feste Katharina den Tuͤrkenkrieg mit erh 
ſtrengung fort, und auch hierin wurde fie vom Gluͤck beguͤnſtigt. De 
entſchloſſenen Deuftapha IH. war 1774 fein ſchwacher Bruder, Abdul J 
folgt. Rumjaͤnzoff ging Über die Donau und ſchloß den Großveſier 
en der Bulgarei ein. Da jedoch Katharina fich ihrer Anſpruͤ 
Molbau und Walachei begab, fo erleichterte fie ben Frieden, welcher a 
1774 zu Kutſchuk Kainardſchi zu Stande kam. Kinburn, Aſow, ei 
Krimm und die Kabardei blieben in ruſſ. Gewalt, alle andre Eroberung 
wieder herausgegeben. — Dierauf verbefferte Katharina bie innere ( 
ihres Reichs durch die nette Eintheilung deffelben in Gouvernements (1 
durch zugleich Me Souverainetät der Kaiferin felbft nicht wenig befefligt 
Während des beitifcysamerifanifchen Krieges, der Ruflands Handel fel 
baft war, bewirkte fie 1780, auf Panin’s Rath, eine Verbindung ber 
Maͤchte, des beutfchen Kaiſers Preußens und Portugals, zu ber fogen. k 
NReutralitaͤt. Allein Panin's weile Maͤßigung wurde bald nicht mehr bı 
vorzüglich feit 1778, ein neuer Sünftfing, Potemkin der Tauri 
durch Katharina und die Zeitumftände einen mächtigen Einfluß auf de 
des Nordens gewann; er leitete die politifchen Schritte Rußlands bie 
er ſtarb. Mit ihm entwarf Katharina den Plan, auf den Zrummern d 
[hen Reiche ein griechifches Katferthum zu errichten, und einem Groff 
Ihrem Danfe das wiedererweckte Reich ber Byzantiner zu ertbeilen. Abe 
Ruͤckſichten verboten die Ausführung biefer Idee, weiche erſt LO Jahre 
. neuem ergriffen, jedoch nur theitweife ausgeführt wurbe. — In ber A 
den Ebenen des Kuban dauerten noch feit 1441 die Trhmmer von Did 
ehenraligem Weltreiche fort; fie ſtanden unter eignen Khanen und waı 
linge ber Pforte, welche fie feit 1474 als treue unb mächtige Bundesg 
gebrauchte und Fehr außzeichnete. 300 Jahre fpäter hatte der Fried 
nardſchi fle dieſem Schutze entzogen, und 1783 erfolgte die foͤrmliche Wi 
Hebren Tatarri. Num befaß Rußland den Schläffel zum oomaniſchen 8 
wen uff. Handelsſchiffe ſchon vorher Frei die türkifchen Gewaͤffer hattı 
dürfen, fo ging diefe Handelsfreiheit jegt in eine Seeherrſchaft über. Pı 
durch die erſte polniſche Theilung gewonnen, ſtreich durch das batrif 
project, und fogar durch ejne Verbindung gegen die Tuͤrken an Ruflen 
alfo Fonnte Kathätinend Idee, die Türken aus Europa zu vertreiben und 
Kaiſerreich in Byzanz zu fliften, ihrer Ausführung nahe gebracht we 


Rußland (neuere Gefch.) | 505 


Potemkin's biplomatifchen Foderungen gereist, begannen ben Krieg; 
‚ waren 1787 ihre Verſuche zur See, die Krim wieber zu erobern. 
lage ihrer Flotte 1788, an den Muͤndungen des Dneprs, folgte bie 
mung Oczakows. Dagegen waren bie Öftreicher unglcklich, und 
tlor bei Lugofch (20. Sept. 1788) feinen Waffenruhm und die Ge 
sch eroberte Prinz Koburg, in Bereinigung mit ben Ruſſen, Choczim, 
m folg. Jahre Belgrad. Nach ben ruſſ. Siegen bei Fokſchani und 
surden Gallaz, Akierman, Bender, Kilianova und Jsmael erftärmt. 
veih 1790 nach der reichenbacher Convention vom Kriegsſchauplatze 
d Guſtav III. von Schweden in das ruff. Finnland eingefallen war, 
tharina zum Frieden. Die Türken liefen die fix fie gluͤcküchen Zeit- 
jenägt vorüberflreihen. Den ſchwed. Krieg embigte, nach mehren 
6 Seemacht ruhmvollen Gefechten, 1790 ber Friede von Werelä, 
Vermittelung. Dierauf ſchloß Öftreich mit der Pforte den Frieden 
1791. Nur Rußland zögerte noch, weil es Beine fremde Vermitte⸗ 
en wollte; doch endlich kam am 9. Jan. 1792 der Friede zu Yaffy zu 
in bloß Oczakow nebft feinem Gebiet der Pforte entrifſen und der 
zrenze Rußlands gegen bie Moldau und Beffarabien wurde. — In 
hatte Rußland Polen zum Beiftand gegen die Türken aufgefobert ; 
batte Polen erkiärt, daß es die Erfüllung ber ruff. Soderungen als 
laͤrung anfehen werde. So entftand in Polen eine preußiſche Par- 
naz Potodi an der Spige, am 3. Mai 1791 unter Preußens Schus 
zten Vaterlande eine neue Verfaffung gab. Dagegen bildete Felir 
unter ruff. Schutze die targowitzer Conföderation zur Sicherung ber 
mg. Rum drang ein ruſſ. Heer in Polem ein, der König von Polen 
ür bie targowitzer Gonföderieten, und die neue Verfaffung warb ge- 
Ben, mit Frankreich in einen zroeifelhaften Krieg verwickelt, mußte bei 
manzen einen zweiten Krieg mit Rußland fürdhten; es nahm daher 
blik gegebenes Wort zuruͤck und ruͤckte gleichfalls mit einem Heere in 
Endlich kam (f. Polen) zu Grodno (17. Aug. 1793) bie zweite 
end zu Stande, in welcher Rußland 4253 IM. (dem größten Theil 
: mit Wilne, von Volbynien und das noch Abrige Pobolien) anſich⸗ 
ublik blieb kaum der Schatten von Unabhängigkeit, indem der inions- 
kußland fie ganz feffelte. Dies vermochten die Polen nicht zu ertras 
entftand 1794 unter Kosciuszko und Madalinskl eine Revolution, 
m ruhmvoll für Polens Nationalfinn, doch in demſ. Jahre noch mit 
ı Auflöfung biefes Reichs endigte. Zu biefer dritten und legten Thel⸗ 
wurde jegt auch Öftreich gezogen. Der Abfchluß des Grenjvertrags 
Hand und Preußen erfolgte den 24. Oct. 1795, der Definitionertrag 
26. Jan. 1797, welchem auch Oſtreich beitrat. Das Herzogthum 
de als polnifches Zehn eingezogen; der kurlaͤndiſche Landung batte 
. März 1795 ſeine unbebingte Unterwerfungsacte freiwillig außges 
itten unter noch groͤßern Entwürfen übereilte (17. Nov. 1796) der 
ige Katferin. Sie hatte das Reich um 10,000 IM. fruchtbaren Landes 
In bie franz. Revolution raſch einzugreifen, war fie burch ihre eignen 
d durch kluge Berechnumgen abgehalten worden. Sie konnte anfangs 
für die unglädlichen Bourbons thun, als reiche Geldunterflägung 
auswärtige Frankreich geben. Als aber mit ben Türken der Friebe 
» die polnifche Angelegenheit beendigt war, ſchloß Katharina ein Ders 
kabniß mit England, und bald darauf die Tripelalllanz mıt England 

Deffenungeachtet blieb es nur beim Buͤndniß; eine thätige Mitwir⸗ 
vorfichtige Katharina nicht rathſam. Allein ihr einziger Gohn und 


506 Rußland (neuere Geſch.) 


Nachfolger, Paul I. (f.d.), verband ſich, als Bonaparte ben Zug na 
unternommen hatte, mit Neapel und mit der Pforte, und ernenerte ſ. V 
England und Oſtreich. Hierauf erſchien Sumaroff als Oberfeldherr der 
Ruſſen und Öftreicher in Italien; er fiegte am 27. April 1799 bei € 
17. Zuli an der Trebia und am 15. Aug. bet Novi. Italien warb vor 
zofen geräumt, aber die Politik zerftörte Sumaroff’8 Siege; Suwe 
fi, da in der Schweiz, nad) dem kurz vorher uͤber Korſakoff erfocht 
Maffena fid) behauptete, über unwegfame Alpen fechtend bis nach Oben 
zuruͤckziehen. Sowie bie Verhättniffe zwifchen Rußland und Oſtreich 
waren, ſo wurden ſie auch zwiſchen Rußland und England aufgeloͤſt; d 
beſchleunigte beſonders die mißlungene Landung in Nordholland (1799) 
das die hollaͤnd. Flotte im Texel für ſich genommen hatte, behielt fpı 
Malta, auf das Paul als Drdensgroßmeifter Anſpruͤche machte; daher 
Erbitterung gegen England! Doc dauerte der Seekrieg fort, und 
meer war mit britifchen, türfifchen und ruffifchen Schiffen bebedit. 1 
von der ruffifcdy stürkifchen Slotte erobert, und unter ruff. und tuͤrkiſch 
1800 die Republik der fieben Inſeln geftiftet, weiche bis 1807 von ru 
befegt blieb, wodurd, Rußlands Einfluß auf das Mittelmeer fehr bebeu 
— Sowie Paul I. feinen Einfluß im Süden und Welten (ſelbſt mitt 
ten Portugal wurden Verträge gefchloffen) geltend machte, fo verband 
auch enger mit den nordifchen Staaten und erneuerte den Plan einer 

Meutralität. Daraus entfland ein neuer Seekrieg im Norden, in defl 
Schlacht von Kopenhagen (2. Aprit 1801) vorfiel; doch Paul hatte fe 
vorher das Leben verloren, und Alerander, fein Nachfolger, erktärte fi 
land und den Frieden. Unter feiner Vermittelung kam, in Folge di 
Friedens, der beutfche Entfchädigungeplan zu Stande, und er hoffte nu: 
fuͤr das innere GIäd f. ausgedehnten Meiches forgen zu Eönnen. Er ber 
fekcommiffion unter dem Fürften Lapuchin; er gab dem dirigirenden 
Wuͤrde einer moralifhen Deittelperfon zwiſchen dem Regenten und I 
er milderte allmälig die Leibeigenfchaft, vorzüglich auf den Kronguͤtern 
deutfchen Provinzen ꝛc. Die Polizeianftalten wurden verbeffert, befont 
fundheitspolizei, wozu ber Staat gegen 2000 Arzte und Chirurgen bef 
führte man die Kuhpoden ein. In mehren Gouvernements wurden en 
fterötonomien und Aderfchulen, befonders auf Antrieb des Grafen ! 
errichtet, und viele nomadifche Stämme, ſowie die nogaifchen Tataren, 
Aderbau Über. Biel gefhah für die MWiffenfhaften! Das Heine 
wurde in einem Jahrhundert zur mweltumfegelnden Newa unter Krufer 
Charkow und Kafan fah man neue Univerfitäten entftehen, und übe 
Schulen und Akademien auf. — Doch nur zu bald warb Alerander i 
mit Frankreich hineingezogen. Zuerſt für Oſtreich 1805, bis zu ber u 
Schlacht bei Aufterlig. Ihr folgte im nächften Sahre der preußifch : 
Krieg. Auch hier waren die Verbündeten unglädlich, und Frankreit 
das Geſetz im Frieden zu Tilfit. Rußland erhielt ein Stuͤck von Polen 

und trat dagegen Jever ab; es räumte Cattaro und Corfu, hob alle! 
mit England auf, und erffärte dem noch allein für England kaͤmpfenden 
den Krieg. In demfelben murde 1809, durch den Frieden zu Fried 
Finnland und Oftbothnien bis mit Zornen und den Alandsinſeln eine 
vinz. — An dem Kriege ziwifhen Frankreich und Oſtreich, 1809, nah 
nur geringen Antheil, defto Eräftiger feßte e8 den Krieg gegen bie Tuͤrk 
fer fort. Durch den wiener Frieden erhielt Rußland ein Stud von 

das aber durch den Vertrag auf dem wiener Gongreffe vom 21. Apsil 1 
gegeben wurde. — Als endlich Rußland gegen Frankreichs Ausdehn 


Rußland (nenefte Zeit feit 1818) 507 


gen Oldenburg, Widerſpruch erhob und in f. Handelsſyſteme Napo: 
yeleibigte, entftand der ruffifchsfranzöfifche Krieg von 1812, 
e Mächte Europas verwidelt wurben (f.d.). Rußland hatte zwar in 
Ramıpfe durch die ungeheuern Anftrengungen, durch bie Verwuͤſtung f. 
die blutigen Schlachten und durch zerftörende Krankheiten einen bes 
riuft erlitten; es hatte aber auch f. Kräfte kennen gelernt; es war 
S. Europas furchtbar geworden, und hatte ſich nicht nur In der 
olen®, weiches Land 1815 als Königreich feinem unermeßlichen Laͤn⸗ 
oerleibt wurde, gegen W. zu verſtaͤrkt und befeftigt, fondern auch 
‚re Stimme im Reicherathe Europas erworben. Diefe Stimme hat 
auf bem mwiener Gongrefje und auf dem warfchauer Reichstage, nach 
idfaͤtzen, dann für Frankreich bei der Vollziehung des Vertrags vom 
5, und 1818 auf dem Gongreffe zu Aachen durch die feierliche An- 
Voͤlkerrechts in den Grundſaͤtzen der Staatskunſt, insbefonbere aber 
ftung der heiligen Allianz (f. d.) geltend zu machen gewußt. 
nderl) Während jenes Kampfes mit Napoleon endigte Rußland 
er Dforte und mit Perfien: jenen durch den Frieden von Buchareſt, 
2, in welchem e6 die Moldau bis an den Pruth, Beffarabien und 
dungen der Denau erhielt: diefen durch den Frieden von Tiflis 
m, nachdem [chon 1801 Grufinien mit Rußland vereinigt worden 
er weſtlich vom kaepiſchen Meere zwiſchen dem Kur und Aras, an der 
bis an den Bolf von Balkan, nebſt der ausſchließenden Schifffahrt 
Fchen Meere gab. 
ueſte Zeit fett 1818. Rußland, die erfte Macht des euro: 
ındes, fand feit tem Gongreffe zu Aachen, in dem Friedensſyſtem 
'unft, die Mittel, nicht allein feine einflußreiche Stellung In dem euro: 
tenbunde zu befefligen, fondern auch zugleich die Grundlagen feiner 
ıft — Staatshaushalt und Heerweſen — fo zu ordnen und auszu⸗ 
ſtets zum Kriege gerüftet, denfelben einft mit Nachdruck, ohne fremde 
ne Erſchoͤpfung, führen kann. Die Gefchichte Rußlands in dem leg: 
1 bezieht fich daher theild auf die Wiederaufnahme des durch den Krieg 
Jerbefferungspland der innern Verwaltung, theild auf die Anwen: 
tere Ertwidelung des durch die heilige Allianz 1815 und die Erklaͤ⸗ 
achner Congreſſes 1818 gegründeten Spftem& der auswärtigen Po: 
die weitfchichtige, aus fo verſchiedenen Beftandtheilen zufammange: 
und Völkermaffe ded größten MWeltreiche, das die Gefchichte Eennt, 
e Einheit zu beleben und die ungeheuern Kräfte derfelben gefpannt zu: 
ten und ebenfo fidyer als leicht zu beivegen, wurden die Verwaltungs: 
nfach, wie die altrömifchen — in immer enger werdenden Kreifen mit 
inkte der Regierung verbunden. Seit 1810 wird nämlich alle Thaͤ⸗ 
nde®behörden, unter der unmittelbaren Leitung des Kaiſers, von dem 
dem Miniftercomite und dem dirigirenden Senate gelenkt und be: 
'er dirigirende heil. Synod verwaltet die Angelegenheiten ber griech. 
Diffidenten oder Altgläubigen (Roskolniken) find jedoch in Glau- 
ht dem Synod, fondern dem Minifterium des Innern untergeordnet. 
ninifterium ward 1819 das Polizeiminifterium aufgehoben und die 
tung mit bem Minifterium des Innern, ſowie das Depatt. der Mas 
nd des innem Handel mit dem Finanzminifterium verbunden. Die 
eReichskanzlei befteht aus dem Reichsſecretair, 4 Staats ſecretairs, 
retair⸗Gehuͤlfen, 5 Erpeditoren und den Officianten. Unter den 
yielt Sibirien 1822 eine weſtliche und eine öftlidhe Hauptverwaltung, 
biefe mit 2 Gouvernements und 3 Provinzen. Das ſchwoch drodo 


508 Rußland. (neuefle Zeit feit 1818) 


kerte Kaufafien wurde in eine Provinz verwandelt und, ftatt Beorgiewäl 
pol zum Sih ber Regierung (1824) erhoben, — Der Kaifer Alepanber y 
auf ſ. Reifen bis in bie entfernteflen Gegenden bes Reihe, z. B. bis 
land hinauf (1819), in die Militaircolonien und zu ben an ben fübwel 
zufammengezogenen ‚Heereötheilen (1823), bit Orenburg In die K 
* 1824). mod nach Warſchau 1818, 1820, 1823, 1825, die wich rn 
fände ber Provinzialverwaltung. Vorzüglich war Petersburg ein 
unmittelbaren Sürforge bei dem Unglüd, das die Sturmftus (f. 
Nov. 1824 verurſachte. In einer Autokratie wirkt überhaupt ber perfd 
rakter des Monarchen auf Staat und Wolf vielfach ein. Daher ver 
auch von Alerander aus in die hoͤhern Kreife der Hauptſtadt unb ber B 
seligiöfer Geiſt, der von bem glänzenden, uͤppigen Weltſinn früherer 3, 
weit ſich entfernt als von der myſtiſchen Schwärmerei, weiche ſchon vo 
der Fran v. Krüdener (13. Dec. 1824, in der Krim) in Peter&burg 
gang finden konnte. Mit diefem Geifte frommer Demuth, ber jebod 
dern in Froͤmmelei ausartete, war eine firenge, faft ängftliche Aufſich 
verbunden, was ber beftehbenden Ordnung im Staat und In der Kirche 
werden konnte. Auch beburfte es ſtrenger Maßregeln, um das Heer vo 
an Ordnung und Fleiß zu gewöhnen, fowie ber Verwaltung felbft ben @ 
rechtigkeit und Unbeſtechlichkeit zu geben. In dieſer Hinſicht iſt der Uk 
Jan. 1822 merkwürdig, der eine große Menge von Beamten (678), t 
rin, unter dem Generalgouverneur Peftel, pflichtwidrige Handlunger 
zu Schulden kommen laffen, wegen Wucher und Unterfchleif abfepte 
theilte, darunter den Generalgouverneur und 2 Gouverneurs. In An 
legten Regierumgsjahre des Kaiſers Alerander verweilen wir auf ! 
auf den Schluß ber geoge.s ftatift. Überficht des ruſſ. Reiches. Nah 
Tode (1. Dec. 1825) beftieg f. zweiter Bruder, Nicolaus I., ben‘ 
bem ber Säfarewitfch Konftantin (f. d.) auf die Thronfolge verzichtet 
diefem Anlaß brach die Verſchwoͤrung, deren wir fchon im Art. Aler 
dacht haben, am 26. Dec. 1825 aus, als bie Garderegimenter ben Eib 
leiſten ſollten. Acht Regimenter hatten bereits gefhworen, nur 26 
vom Regim. Moskau weigerten fi), verließen die Caferne, riefen de 
fin Konftantin zum Kalfer aus, ermordeten 2 ihrer Befehlshaber, und 
vor dem Senatspalafte auf, wo mehre Verſchworene und Poͤbel ſich ö 
fellten. Der Kaifer begab fich fofort, ohne Gefolge, unter das Volt, d 
begrüßte; doch gegen die Aufruͤhrer, welche auf feine —— — | 
ben Militairgouverneur von Petersburg, Grafen Miloradowitſch, durd 
ſtolenſchuß töbtlid, vermundeten, mußte ein Bataillon des Regim. Preol 
marſchiren. Unterdeß verftärkten ſich die Rebellen durch einige Soldate 
grenadiere und der Marinegarde. Nach wiederholt vergeblicher Auffol 
zu unterwerfen, entſchloß ſich der Kaiſer erſt gegen Anbruch der Nacht, 
brauchen. Einige Kanonenſchuͤſſe und das Einhauen der Reiterel mad 
nig Augenbliden dem Aufruhr ein Ende. Über 500 Aufrührer wurde 
Streifwachen ergriffen; die Werführten bemwiefen Reue und wurden 
Diefer Aufftand, bei welchem der Kaifer ebenfo fehr Muth, Begenwart | 
und Sefligkeit als Milde und Grognmth bewies, hatte die gänziiche ( 
der feit mehren Jahren in der Stile verbreiteten Staats verſchwoͤrung 
(Schon Alexander war, wie man ſagt, davon unterrichtet geweſen, wm 
von ihm befhalb vorläufige Unterfschungen angeordnet worden fein.) ' 
von der Megierung zur Öffentlichen Kunde gebrachten Bericht ber Unte 
commiffioen vom 30. Mai (14. Juni) 1826 (franzdf. 138 Selten, | 
„Pot. Journal“, Jull u. fg. Monate, 1826 und 1827), fol der Pie 


Rußland (geograph.-ftatifl.) 509 


nen seroefen Tein, den Senat mit Gewalt zur Unterfchrift einer Conſtitu⸗ 
e ges möchigen; Huch war von der Ermordung ber kaiſerl. Famille, von der 
5 des Feichs, von einer republikanifchen Regierung und andern finnlofen 
fen die Rebe geweſen. Ein dreifacher Bund wirkte gemeinſchaftlich. Die 
Grung des Nordens umfaßte GL, die bes Sübene 37 und bie Conſpiration 
— Siawrn 23 Perſonen. Unter den Anſtiftern befanden fi) ber Oberſt 
ber Oberſtilent. Muramieffs Apoftol, ber Fuͤrſt Trubegkon u. A. m. Die 
waren wmeiſtens jfingere Officiere aus vornehmen Familien und eraltirte 
bafte in der Gegend von Kiew, als er verhaftet erben follte, 
nupageien des Regim. Tſchernigoff aufgewlegelt; alfein auch bier waren 
tem Truppen tren geblieben und hatten ben Aufruhr buld unterbrädt. — 
Her witderte ſaͤmmtliche Strafurcheile, ſchenkte dem Fuͤrſten Trubetzkoy 
und erfieh 31 Verurtheilten bie Todesſtrafe, welche, nach ber Entſchel⸗ 
Fr erichtshofes, nur an 5 zum Rabe verurtheilten Dauptveibrechern : 
briſtlieut. Sergius, Mimrawieff · Apoſtol, Unterlieut. Rylejeff, Uns 
—— Rumin und Einst. Kachowseki am 25. Juli 1826 zu Petert⸗ 
ch dem Strang vollzogen wurbe. Die übrigen 84 kamen auf längere mb 
leit nach Siblcien, zur Zwangbarbeit daſelbſt (In ben Bergwerken zu Ner⸗ 
a. a. a. O.) veretheilt; doch iſt miehren derſelben ſeltdem Ein Theil ihrer 
kerlafſen, auch find andre Milderungen vom Kalſer anbefohlen worden. 
tee In Warſchau verhafteten Kuͤchelbecker, der am 26. Dec. auf den Groß 
ichael das Gewehr angelegt hatte, wurde auf deſſen Verwendung bie 
afe erlaffen und in mehrjährige Zwangsarbeit in Sibkrien verwanbelt. Der 
Meß een Ukas, daß bie Schufb ber Verbrecher ihren Familien auf keine 
s bürgerihen Nachtheil ober Vorwurf gereithen folle. Den verführten 
en warb erlaubt, nach ber kaukaſiſchen Linie zu marſchiren, um im 
gegen bie rebelliſchen Bergvälker durch tapfere Thaten Ihre Schuld zu fü: 
Bie haben daſelbſt gegen bie Perſer gefochten und u. a. die Feſtung Ernban 
) — Nachdem auf diefe Art der große Staatscriminalproceß gembigt 
* am 3. Sept. 1826 die Krönung des Kalſers und ber Kalſerin Alexan⸗ 





au. Auch erließ der Kaifer an dieſem Tage ein Manifeft, nad welchem 
Ablebens und bis zur gefeglichen Volljaͤhrigkeit des Thronfolgers, Groß: 
der Ricolajewitſch (geb. 29. April 1818), der Gropfürft Michael 
hie zum Megierungschef des Kalſerreichs, ſowie des Königreichs Polen 
Geohfärftenthums Fimland, beſtimmt wurde. Wenn aber kein Sohn 
I m vorhanden wäre, fo follten bie Mechte eines Erbkalſers an den 
en ah übergehen. In allen Faͤllen aber folle die Kal⸗ 
ſaͤmmtliche Kinder bis zu Ihrer Volljaͤhrigkeit (mie e6 (den 

an * 11797 beflinmt) die Vormundſchaft führen. — Im As 
kkofaus dem Syſteme feines Bruders Alerander treu gebfler 
4 te ache ber Entfcheibumg näher gebracht, auch 
gegen den Schach von Iran, deffen Heer 1826 In die ruff. Grenzprovin⸗ 
tar, fiegreich geführt, wovon am Schluffe b. X. bei den auswaͤrt. 

das Rähere angeführt werben ſoll. 

—— —Vxx des ruſſiſchen Keichs. 
vrffreckt fich Aber Europa und ganz Norbafien, nebſt bedeutenden 
pen ken oͤſtl und n 8* Ocean, und umfaßt beinahe den 9. Thell der be⸗ 
Wide. Es grenzt im N. an die Oftfee, an Norwegen und an daB Eis: 
D. an den Dcem, im S. an China, am bie frele Tatarei, an das kat⸗ 
jene, au Perfien und tuͤrkiſch Georglen, an das ſchwarze Meer und an bie 
im EB. an Ballıten, Krakau, Pofen, Preußen, die Oflfee, Schweden 
-&8 rede fi von 35 — 227° E., und von 4A0— I Wr. 







510 Rußland (geograph.itatift.) 


und enthält, ohne die Infeln, die amerifanifchen Befigungen und die am Ay 
fus neuerworbenen Länder, 343,828 IM. Davon kommen ungeführ 80 
EM. aufden europäifchen, und das übrige auf den afiatifchen Theil, Die m 
Beftimmung der nordamerifan. Grenze enthält der Vertrag zwiſchen Gtoßbeh 
nien u. Rußland, abgefchl. zu Petersb. 28. Febr, 1825. — Boden. N 
iſt großentheils eben; doch mwechfeln fübl. Berg und Thal. Zwiſchen dem 
zen und kaspiſchen Meere liegt der Kaukaſus (ſ. d.), füdmefti. nad 
liegen die Karpathen, und im Nordweſten die Hochebenen bes Wolch 
des. Sm D. dehnt fid) der Ural (f. d.) zwiſchen Europa und Afien bis 
meer aus. Won ihm ziehen ſich mehre Kettengebirge durch das afiatifche 
unter denen die Salzberge Schooget, das Sokgebirge, das fibirifcye Gren 
ber Kleine Altai, das Bailalgebirge, das Apfel: und Stanwowoigebirge, 
ches, die hinefifche Grenze bildend, bis zum tſchuktſchiſchen Vorgebirge fra] 
vorzüglichften find. Das füdmweftliche Rußland befteht aus Steppen, melde 
unbewohnt- find, theils Nomaden zur Viehzucht dienen. Das Klima 
ſchieden. Im S. herrſchen kurze und gelinde Winter, ein zeitiger Srüblig 
heißer und langer Sommer mit feltenem Negen, und ein ſpaͤter Derbft; immd 
Rußland rauhere und längere Winter, befonders im öftlicyen Theile beffelbeg 
kürzere Sommer; nörblid) friert das Queckſilber, daß man es in warmm (| 
noch haͤmmern kann, und die Gemäffer find vom Oct. bis Ende Mai mit 
beit. Wenn im mittlern Rußland Getreideernten dem Fleiße der Einw. 
lingen, fo find fie im nördlichen felten und unfiher. In dem arktiſche 
Rußlands fehen wir lange Sommertage, welchen das Eis ſich doch nicht 
und lange. Winternächte, welche das Nordlicht heller beglänzt, aber eine 
Kälte erfriſcht das wenige Leben, das bier nicht erflaret. — Gemäffer. 
Eismeer im N. umfloffen, welches hier das weiße Meer, die Bufen des 
nifei und ber Lena bilbet; im D. vom oͤſtlichen Ocean, mit der Beringe: od 
frage, mit den anadyrſchen, Eamtfchatkifchen oder ochotzkiſchen Meeren 
im S. an das ſchwarze Meer und im Nordweſten und W. an die Oſtſee 
finnifchen, bothnifchen und rigaifchen Meerbufen ſtoßend, hat Rußland 2 
abdachungen nach Nordoft und Norbweit, und nah Süden. Dorthin 
die Dwina mit dem Jug und der Suchowa, die Petſchora, der Ob, det 
die. Lena; im Nordweſten der Niemen, die Düna und die Newa; im 
der Don, der Dnepr, der Kuban, die Wolga und der Ural. Rufland 
Ber vielen Salz: u. a. Eleinen Seen, noch 14 größere, barunter das Easpif 
den Ladogas und Önegafee, das tfchudifche Meer, den Sackſee in der Krim, 
Baikal⸗ und Altinfee. Die Eünftliche Wafferverbindung wird immer meht 
fig erweitert. Wichtig find ber Canal von Wiſchnei-Wolotſchok, der 
mit Aſtrachan verbindet; dafjelbe gefchieht auch durch den neuen Canal 
gorod; der Ganal der Bereſina, welcher die Oſtſee mit dem ſchwarzen 
einigt, und ber Ladogacanal, welcher die. Schifffahrt auf dem ſtuͤrmiſchen 
fee vermeiden läßt. Die große fibirifhe Waſſerverbindung erftredit fid 
chineſiſchen Mauer bis Petersburg, Archangel und Riga; daher kann maa 
lywan, Tomsk und Irkutzk alle europäifche Waaren um billige Preife 
Erzeugniffe. Rußland baut ungleich mehr Getreide als es verbraudt. 
Wein, felbft Suͤdfruͤchte und die zuderreichen Arbufen werden in Menge 
Auch die Waldungen gewähren, außer bem ftarfen Vorbrauch, reichliche Il 
und es würde hieraus ein noch bedeutenderer Nugen hervorgehen, menn eb 
tüchtigen Forſtmaͤnnern fehlte; erft feit 1804 wird diefer Gegenftand wi 
lich behandelt. Maulbeerbaͤume werden jaͤhrl. angepflanzt, 1802 agrmi 
Mill. Faſt alle Arten Gartenfruͤchte find dem Lande nicht mehr fremd. a 
reich find die Mindvieh- und Pferdezucht, die Schaf- und Bienenzucht (600 






















Rußland (geograph.zitatift.) | 511 


Wachs und Honig können jährl. ausgeführt werben), Seidenbau (16,000 
side jaͤhrl. Gewinn), Kameele, Büffel und alle Arten von wilden Thieren, 
Bernfen und Steinböde. Den Ertrag der Fiſcherei rechnet man jährl, auf 
U. Rubel. Bold erzeugen die berefowifchen Bergwerke, Silber die koly⸗ 
en und nertſchinskiſchen Gruben, Kupfer, Eifen, Zink, Quedfilber, Alaun 
33 (jährl. gegen 500 Miu. Pf.); auch an andern Mineralien ift Rußland 
Man vechnet den jährl. Ertrag aller rohen Naturerzeugniffe über 40 Mill. 
— Einwohner Man zählt mit Polen u. Finnland an 54 Mill., ohn⸗ 
sige. Polen (3,703,000) und ohne Finnland (1,379,000 E.) an 49 Mid. 
weiche nad) den Sprachen ſich in 10 Voͤlkerfamilien theilen: 1) Slawen 

16 38 Miu), wozu die Ruffen, Kofaden (ungefähr 600,000 waffenfähige 
e) umb Polen gehören; 2) Finnen, welche fich von der Tornea und vom 
ı bis an den Obi hin ausdehnen; 3) Zataren, vom Dniefter bie zum Kau⸗ 
meiſt unter eigner Stammverfaffung, ohne. Aderbau und Feuergewehr; 
sgter und Tſcherkaſſen; 5) Samojeden; 6) Mandfhuren; 7) Mongolen, 
e Kalmuͤcken gehören ; 8) oͤſtliche Völker, wozu die Tſchuktſchen, Kurilen 
sıten gehören; ©) Juden, vorzüglich in ben polnifchenProvingen, wo fie 
orrechte haben; 10) Ausländer, faft aus allen Ländern Europas umb Afien®, 
bier und Zigeuner. Man zählt von der niedrigften Stufe ber Robheit-biB 
ıpäaifchen Bilhung 80 in Sprachen, Sitten und Religion verfchiedene Vaͤl 
dach ber Reviſionsliſte v. 3.1811 waren bavon-in 51 ruſſiſchen Gouverto⸗ 
kiegepflichtig 643,135 Kruͤmer, 6,389,279. Srenbauern, 10,113,177 
ausm, .1,077,636 Apanagebauern, 112,453 freie Leute, zuſammen 
‚730 Donn. — Manufacturen und Fabriken von Leder, Juften, 
Richtern, Seife, Filz, grober Leinwand, Metallen und Matten aus Lin⸗ 
ſowie Särbereien gab es ſchon vor Peter d. Gr. ; aber feit.diefer Zeit haben 
a nicht nur einen fehr erhöhten Grad der Vollkommenheit erlangt, ſondern 
such unzählige andte hinzugelommen. 1815 zählte man 3253 Fabrikan⸗ 
Die 23 verpflichteten Tuchfabriken liefern ber Regierung jaͤhrl. fuͤr 700,000 
Tuch, und außerdem gibt es noch 181 Privatfabrilen. In 45 Officinen 
‚Apothelerwaaren bereitet; Branntwein, wovon jährl. 6 Mill. Eimer.im 
webraucht werden. Schiffbau mwird in ben größern Dörfern an ber Wolga 
den Seeſtaͤdten getrieben. Die wolgaifchen Zimmerleute machen Barken 
ſes Eiſenwerk, welche hernach in Petersburg, Aſtrachan und andern Staͤd⸗ 
Deennhol; verkauft werben. Unter ben Metallarbeiten find die Gewehr⸗ 
‚sie wichtigſten; in Tula allein werben von beinahe 6000 Arbeitern jaͤhrl. 

1000 Slinten, 6500 Paar Piftolen und 16,000 Seitengewehre perfertigt. 
ufacturcollegium in Moskau und Peter&burg betreibt alle Fabrikgeſchaͤfte 

uads im Aligemeinen, und hat die Oberaufficht daruͤber. — Dec Hanbel 
kb in Land» und Seehandel. Der inländifche findet weder In Zwiſchenzoͤllen, 
Stapeiplägen Hinderniſſe, fondern wird durch Meere, ſchiffbare Fluͤfſe, Gas 
darch die lang bauernden Schlittenbahnen, und burch die großen Meſſen, 
ich zu Rowgorod, ehemals Makariew, fehr befördert. Die Ausfuhr wird 
im Häfen und Grenzorten erlaubt, aber für bie Einfuhr der erlaubten Waa⸗ 
b ur Peteröburg, Riga und Odeſſa beflimmt. Der auswärtige ‚Handel 
ı Afien nach China, Perfien, nad) der Bucharei und den kaukaſiſchen Lin: 
und in Europa nach der Türkei, nach Galizien, Preußen, Schleſien und 
m. &o wie am auswärtigen Landhandel vorzüglich Armenier, Bucharen 
den Antheil haben, fo haben im Seehandel die Engländer entſchiedenes über⸗ 
k Man fcyägte feit 1815 bie jähel. Einfuhr zur See auf 28 Mill., unb 
Hubs auf 45 Mid. Rubel, alfo im Seehandel eine fehr vorteilhafte Bilanz 
FRE. Rubel. Die Actien der ameritan. Handelögefellfhaft, und der des 


518 Rußland (geograph.sftatift.) 


weißen Meeres ftehen aber hoch im Werthe. Das Goramerzcollegium 
burg iſt die hoͤchſte Snftang in allen Danbelsangelegenheiten. 1770 wu 
Bank angelegt, deren Zettel wie baares Pa im Werthe che 
Erleichterung bed Innern Handels viel beitragen. 

Die Hegterungsform iſt unumſchraͤnkt monarchiſch; bei 

——— (. d.) CAutotrator) aller Reußen; der Staat iſt um 
der Regent darf nicht zugleich Herrſcher in einem andern Seaate fein (ſel 
iſt er zugleich Zar von Polen) und muß ſich zur * Religie 
Seit 1797 iſt die Erbfolge nach dem Rechte der Erſtgeburt in maͤnnlich 
deren Erloͤſchung in weiblicher nie feſtgeſezt. Akte Prinzen vom G 
Sroffärften. Nach dem Manifeft Alexanders I. vom 20. Maͤrz 1820 
De Rinder aus einer von dem Kaiſer anerkannten ſtandesmaͤßigen Ehe fü 
erklaͤrt. Die hoͤchſte Leitung aller Gefchäfte hat Ber Kaiſer. Die t 
gierungscoliegien finb: 4) der am 1. Ian. 1810 errichtete Reichsrath 
Vorfige des Kaiſers, mit 4 Depart.: der Befebgebung , der hoͤchſten 
geiftt. und weltl. Juſtizfachen; ber Kriegsmacht; ber bürgerlichen un 
gelegenheiten; der Staatswirthſchaft. 2) Der dirigirende Senat fü 
‚Angelegenheiten, eine berathende und auffehenbe Behörde, die aus 8 
ſteht, wovon 3 ihren Ste In — haben. 3) Der hellgſt dirigit 
4) Das Staatöminiflerium. Die Minifter haben im Rechdrath uni 
Sitz und Suimme. Das Mtxtfterkum theilt fich in 3 &eckiomen: a) b 
Ungel., des Kriegs, des Serweſens des Innern, der Sachen 
aufttärumg und des Finanzweſond; b) die des Reichsſcharamtes; &) bie 
rechnungswefens, der Beneraldirection der Land» und Waſſerſtraßen um 
miniferiumb. ‚Der ganze Staat iſt in 51 Gouvernements und ımehe 
—— davon 40 in Europa, ohne das Land der doniſchen Koſacken, 
am ſchwatzen Meere, und das Koͤnigreich Polen (f.d.). Die Sta 
betragen jährlich mit Polen 130 Mill. Gid.; die Staateſchuld mit Pole 
BP. Die kaiſerl. Bankzettel ſchaͤgte man 1822 auf 641 DRIN. Rubel 
werben feit 1818 nad und nach getilgt. Die Landmacht gählte im ! 
über 1 Mill. darunter 613,000 M. Infanterie, 118,000 M. Gavale 
M. Krtierle, irregulaire Gav. 105,000 M., Garnifon TT000 M., 
2I7ROOM., dae polniſche Heer 50,000 IR. Über ein Drittel iſt ben 
ſchon Nufland viele Krepoſt (Biodhäufer) bat, fo fehle es doch m Fe 
bedeutendſte Feſtung iſt die Beſchaffenheit des Landes felbft und der F 
feiner Bewohner gegen den ins Innere vorbringenben Zeind. Die € 
Iren Hauptfig an der Oſtſee, and beſteht aus 32 Linſenſchiffen, 11 
6 Kuttern, 7 Brigantinen, 54 Fleinern Fahrzeugen, 25 ſchwinmnende 
121 Kanonenboten ıc. , zuſammen mit 4348 Kanonen und 32,000 
Die Hauptftation iſt Kronſtadt, in dem ſchwarzen Meere Sebaftepst 
pifche NReer wird von einigen Sregatten und kleinen beha 
nem Staate in Europa koſtet die Unterhaltung feiner Land» und Seem⸗ 
als dem ruſſiſchen. 

Die herrſchende Kirche iſt die griechifche, aber alle andre Chrij 
gleiche Mechte, und alle andre Mellgionen werden geduldet. Die obı 
aller Angelegenheiten der griech. Kirche hat der heiligft dirigirembe Son 
burg; unter Ihm fliehen 20 Archijereis mit ebenfo viel Conſiſtorien, 4 
und 8O Nonnenktöfter (alle nach der ftrengen Regel des heit. Baſin 
Kirchen und 7,900 Beiftliche. Diejenigen Ruffen, welche ſich genau 
der alten griech, Kirche halten, nennt man Roskolniken (ſ. d.). 

46,200,000 Griechen, 6,600,000 Katholiken, 2,560,008 Lurheran 
Beformirte, 9500 Hermbuter, 2500 Phitipponm ‚ 6000 Prmmenkt 


Rußland (geograph.ftatifl.) . 518 


30,000 Suben, 3,300,000 Moslemim (die 2 Muftis haben), 
aiten, 700,000 Schamanen. — Für alle Zweige des Unterrichts und 
at Rußland zahlreiche und meift treffliche Anftalten; als 7 Univerfi: 
m, Petersburg, Kiew, Wilna, Dorpat, Charkow und Kafan, in 
gegen 500 Lehranftalten mit 1500 Lehrern und faft 34,000 Schuͤ⸗ 
terhaltung, aufer den beträchtlichen Privatbeiträgen, ber Krone allein 
L Eoftet. Außerdem gibt es noch mehre Erziehungs: und Unterrichts: 
he die Regierung gleichfalls mit beinahe 2 Mill. unterftügt. Die vom 
ber kaiſerlich unterftügte peteröburger Bibelgefellfhaft hatte 1818 
fellfchaften. Vor 150 Jahren gab es nur 2 Buchdrudereien, jest 
ußland. — Zur Ermunterung der Tätigkeit und der Ehrliebe find 
cſchiedene Ring » und Dienftftufen beflimmt. Der reichgewordene 
', wenn fein Derr einwilligt ; die Freiheit kaufen. Die Bürger thei- 
laffen : Stabtbürger, die 3 Gilden (Capitaliften nach der Vermögens: 
ünfte, die Fremden, die namhaften Bürger.(Gelehrte, Künfkter, 
bie Beifaffen. Der Adel hat zwar Vorrechte; da aber alle Stände 
© Ranges in 14 Claſſen getheilt find, fo erhält, wer ſich in einer ber 
det, den Adel für fich und feine Familie. Diefe Claffen find nach 
ven Rangſtufen georonet. — Rußland hat 6 Ritterorden; von allen 
Stoßmeifter. Die in andern Ländern übliche Benennung von Groß: 
ommandeurs findet hier nicht flatt; dagegen find die 3 ruff. Orden, 
ifigften außgegeben werben, in 4 Claſſen eingetheilt, die ſich durch 
coration unterfheiden. 1) Der St. Andreasorden, der aͤlteſte und vor: 
ißſland, geftiftet von Peter I. am 30.Nov. 1698, als militairifcher 
ı für die Benerale, die ſich im Tuͤrkenkriege ausgezeichnet hatten. 
uch an Sivilperfonen und an Auslaͤnder vertheilt. Er hat nur eine 
er Damenorden ber heil. Katharina, geftiftet von Peter I. ben 24. 
einer Gemahlin Katharina, die ihn aus feiner mißlichen Lage am 
batte, zu Ehren. Er hat 2 Glaffen, Großkreuze und Kleinkreuze, 
mgs au an Männer, nachher bloß an regierende Fürftinnen gege: 
Iten Ihn audy andre Damen von hohem Range. 3) Der Alerander: 
‚ ein Verdienſtorden, von Peter I. 1722 geftiftet, aber erſt von Ka: 
30. Aug. 1725 völlig eingerichtet. Er beſteht aus einer Claſſe, und 
er müffen alle wenigftens Seneralmajorerang haben. 4) Der mili- 
Beorgenorden, gefliftet von Katharina II. den 26. Nov. 1769 für 
fficiere, die ſich (beſonders im damaligen Tuͤrkenkriege) Durch Tapfer: 
5 Benehmen ausgezeichnet. Kaiſer Alerander I. hat ihn 1801 erneuert. 
5 Clafſen; die 5. Claſſe wurde 1807 nad) der Schlacht von Eilau 
iere und Gemeine geftiftet. 5) Der &t.:Wiabimirorden, ein Ver: 
weiteften Sinne bes Worts für Militair⸗ und Civilperfonen, Ge: 
er und überhaupt für Alle, welche fich durch Talente oder irgend ein 
eichnen,, gefliftet von Katharina II. am 22. Sept. 1782, vom Kai- 
I. erneuert und erweitert 1801. Ex befteht aus 4 Claffen und wird 
m zu Theil. 6) Der St.:Unnenorden, ein-Verdienfiorden für alle 
für Ausländer; geftiftet am 3. Febt. 1736 vom Herzog Karl Fried⸗ 
ins@ottorp, und durch deffen Sohn, ben nachmaligen Kaifer Pe: 
Rußland gebracht. Er befteht ebenfalls aus 4 Glaffen. — Ferner 
e Ehrendegen oder Säbel, mit oder ohne Diamanten und mit ber 
w Zapferkeit, ertheilt. Auf einigen ift die nähere Veranlaffung zur 
gegeben. Man rechnet, daß gegen 600 Officiere dergleichen Ehren: 
nige mebr als einen erhalten haben. — Medaillen find, und zwar 
anbe des Georgenordens, bloß für Officiere, filberne für die Suhl: 
Webente Xufl. 8b. IX. 88 


514 Rußland (geograph.-flatift.) 


ternen, und filberne, dem Georgenorden ähnliche Kreuze für Unteroffi 
daten und Matrofen beftimmt. Cine befondere Medaille tragen alle S— 
‚den Feldzug von 1812 mitgemacht haben. Am 3. Sept. 1827 ſtiftete 
colaus eine Decoration der Tabellofigkeit für eine ohne Tadel zuruͤckgeleg 
Dienflzeit. Der St.⸗Johanniterorden, den Kaifer Paul I. am 15. Je 
Rußland gründete, hat ein ruffifch = griechifches Priorat mit 218,000 
kuͤnften, und ein euffifch-Tatholifhes mit 84,000 Rubel Eink. ohne bi 
commenben. 

NMach dieſer flatiftifchen Skizze werfen wir noch einen Blick auf 
die Regierung in ben legten 10 Jahren für die wichtigften Gegenftände 
verwaltung gethan bat. Die Lanbescultur machte in den legten 
große Fortfchritte. Der Bauer überhaupt erhielt gefeglichen Schug ge 
und Drud. Das große Werk der Aufhebung der Leibeigenfchaft gelang 
feeprovinzen. Kurlande Adel hob die Leibeigenfchaft 1818 auf, wı 
Große beftimmten 1819 deren Aufhebung fo, daß nad) und nad bir 
lieflaͤndiſche Bauern frei geworden, alle nad, Bekanntmachung ber Frei 
nung von 1819 Geborene aber von felbft frei find. 1823 befahl der 
Reichsrathe vorzubereiten, daß nirgends Keibeigne ohne das Land, zu d 
ren, verfauft würden. In ben Militaircolonien gibt es keine Leibeigne 
Ionifationefyflem in Anfehung fremder Einwanderer, z. B. der Würt 
Gruſinien feit 1817, hat fih in Beffarabien *), in den flbruffifcher 
und am Kaukaſus glüdlich bewährt. Das Berforgungscomite für Gı 
füblichen Rußland zu Cherfon war dabei befonders thätig. Die Aus 
Iuft aus Deutſchland und der Schweiz nady Rußland nahm aber fo zu 
1819 die Ertheilung der Paͤſſe für die Einwanderer beſchraͤnkt wer 
Außerdem verleiht die Regierung wüfte Kronländereien in ben Suͤdgor 
zur Urbarmachung an verdiente Militaire, Auf Sibiriens Anbau mir 
gefehen ; daher erlaubte ein Ukas vom Juni 1822 allen Kronbauern der 
baren Gouvernements, fich in dem fruchtbaren Theile des füdlihen € 
derzulaffen. Seitdem fangen auch bie nomadifchen Völkerfchaften (Bu: 
jänen, Wotjäten, Tſchuwaſchen, Mordwinen, felbft die Zungufen u 
an, fich mit dem Aderbau zu befchäftigen und erhalten bazu von der R 
Unterftügung ; dies befördert ihren libergang vom fchnmanififen Gögr 
Chriftenthume. Bekannt ift, mas in Rußland für die Bemöhnung di 
an Aderbau und Handwerke gefchieht. Ein foldhes, ganz von Iſraeli 
Gelder fleißig und gut anbauen, auch alle Arten geſchickter Handwerk 
haben, bewohnte® Dorf, befindet ſich bei Nikolajew im Gouvernem 
Auch die 1819 zu Moskau gefliftete Landbaugefelfchaft iſt für die 9 
der Landwirthſchaft thätig, wie die von ihr trefflich eingerichtete Landl 
weift, worin jährlich 400 Bauernföhne in der Landwirthſchaft theoretij 
tifch genügenben Unterricht erhalten. Zwar ift der Getreidebau wegen 
Abfag nicht mehr fo einträglich für die Gutsbeſitzer als ehemals, allen 
tiger ift Die Verbefferung der Schafzucht. Schon 1820 fchägte man di 
Schafe im ruffifchen Reiche auf mehr ald 60 Mitt. und die über Odeſſa 
Wolle ward der beften fpanifchen gleichgeachtet. Jetzt (1825) werben in 
vinzialftäbten (3. B. Orell, Woroneſch, Kiew, Charkow, Poltawa) 
maͤrkte gehalten, und alle Kronanflalten, fowie die Armee, verbraut 
ländifche Tücher und Wollenzeuche. Neue Vortheile verfprach ber An 
der Ukraine 1824 entdeckten Pflanze (Polygorum minus), welche Wi 


*) Die bier angelegten Dörfer haben ben Namen nach den Siegen bi 
halten, und heißen z. B. Kulm, La Gere Champenoife, Brienne, Leipzig, 
u. ſ. w. Die Zahl der Eoloniften dafelbft beträgt fchon uͤber 8800 


Rußland (geograph.sftatlf.) 515 


lorierenmb, von der Korm der Cochenille) ernährt, bie bie (chönfte Carmoifin⸗ 
jezvorbeingen. Noch wichtiger war die Entdeckung det Goldbergwerke (durch 
jere) und der Platina in den uralfchen Gebirgen (f. Ura I) 1821 und 1823, 
überhaupt für die Bereicherung der Mineralogie ein ſobald nicht zu durch⸗ 
nde® Held zeigt. Es ward saher im Aprit 1825 bei dem Bergcorps, zur 
erung bed Bergbaues und des Salzwefens in Rußland, ein befonderer ge- 
Berein errichtet, ber ein Jonrnal der Bergkunde herausgeben wird, und 
d mit den in jedem Bergwerksbezirk und jeder Oberfalzdirection zu fliftenden 
eſeſchaften in Briefwechſel tritt und von benfelben monatliche Berichte erhäft. 
stfer unterftügt biefen Verein mit 5000 Rubel jährlih. Schon find in den 
Hohen Bonvernements miehre ergiebige Salzquellen entdeckt worden. Endlich 
m ſeit Eurzem auch ben Weinbau nady Sibirien verpflanzt und 1824 haben 
kuernement Orenburg bie erſten gluͤcklichen Verſuche damit am Fuße des Ural 
em. Dies Altes wirkt auf bie Vermehrung des Wohlftandes der untern 
Laffen ſichtbar zuruͤck. Unter den Bauern handhaben jest weit über 2 Mill. 
borsji die Guͤterfreiheit, ſodaß fie fich vom Adel nur durch bie Dienflfreiheit 
beiden. Über 6 Min. Bürger aber, die in 1800 Gtädten wohnen, bilden 
Uen nad abgelaufener Dienftzeit aus dem ‚Deere entlaffenen Soldaten ben 
n eines dritten Standes. N | 
An zweiter Begenftand bes großen Staatshaushalts ift die Volkscultur, 
he die Regierung, theild abwehrend und ausſcheidend das gefährliche Aus- 
ve, theils erweiternd und befruchtenb ben Innern Kreis von Lehrmitteln, raſt⸗ 
ft. An ber Spipe dieſes Zweiges der Verwaltung ſtand früher der Minifter 
itus, Fuͤrſt Alter. Gallizin, feit 1824 dee Admiral Alter. Schifchkoff, der f. 
en von Unterricht und Aufklärung in einer Rede ausſprach, welche die „Allg. 
(1825, Nr. 30) mitgetheilt hat. Überhaupt Hat das Minifterium der Volko⸗ 
ung, welches felt 1817 mit dem Miniſterium ber geiftlichen Angelegenheiten 
Blaubensbefenntniffe im ruff. Reiche vereinigt war, unter Alerandere Re⸗ 
bis 1820, 5 Univerfitäten, 50 Gymnafien und 100 Kreisſchulen, außer 
Benge Unterrichtsanftalten zu beſondern Zrdecken, gegründet. Vorzüglich 
ı fett 1818 viele neue Landfchulen angelegt; jedoch iſt ber Plan, junge 
nach England zu ſchicken, um bie Rancafter’fche Lehrart zu lernen, weßhalb 
8 vom ruff. Hoftath, Joſ. Hamel, in Paris auf kaiferl. Koſten deutſch ge- 
Berk über diefe Methode ine Ruſſiſche überfegt wurde, in den legten Jah: 
e ausgeführt, wol aber find feit 1818 Lancafter’fche Schulen angelegt wor: 
Jagegen hat ber Kaifer 1824 die &rrichtumg von Landfchullehrerfeminarien 
Dftfeeprovingen genehmigt, und es find bereitö 2 zu Dorpat und Pernau an- 
Dieſelbe Aufmerkfamkeit war auf die hoͤhern Bildungsanſtalten gerichtet. 
Rand ein Symnaftum in Odeſſa für junge Griehen. Am 13. Nov. 1819 
Petersburg die nen organifirte Univerfität eröffnet. Ebenfo blühte daſelbſt 
lekniſch⸗chirurgiſche Akademie auf, deren talentvollere Zöglinge auf kaiſerl. 
ind Aubland reiften. Überhaupt befaß 1823 der ruff. Raiferftaat, außer 
niverfitäten, nody 18 reich fundirte Höhere Anftalten für Wiffenfchaft und 
Darunter iſt das 1823 errichtete Inſtitut für das Studium oriemtalifcher 
un zus bemerken. Es ſteht unter dem Collegium der auswärt. Angeleg. und 
ſange Leute zu Dollmetſchern für die Diplomat. Mifftonen im Orient bilden. 
sendete Alerander zu Petersburg, in Verbindung mit bee Akademie ber 
haften, ein afiatifche® Mufeum, das eine Sammlung orient. Denkmäler, 
e, perfifche und tuͤrkiſche Handfchriften u. a. Hälfsmittel zum Studium des 
I enthält. Kür die Erweiterung der vorhandenen wiffenfchaftlihen Ans 
Hat die Regierung fehr viel, z. B. für Dorpat. (Vogl. Refractor.) Eine 
fig eingerichtete Sternwarte ward 1824 in Nkolajef am \hvanıyen frere, 
83 * 


516 Rußland (geograph.zftatifl.) 


wo Prof. Knorre und Admiral Greigh Beobachtungen anftellen, pradıtu 
eine anbre in Moskau. — Berbienftvolle Gelehrte wurden bei wifienf 
Reifen, ſowie Künftler auf ihren Kunftreifen, reichlich unterflügt. Was 
dere die Regierung und patriotifche Große, unter welchen vor Allen ber 
Reichskanzler, Graf Rumjaͤnzoff (ſ. d.) genannt werden muß, fi 
ſchaftliche Zwecke gethan haben, beweifen die feit mehren Fahren von Rı 
geführten Entdeckungsreiſen, die, wenngleich fie zunächft auf Handel u 
fahrt fich bezogen, dennoch für Erd⸗ und Völkerkunde reiche Ausbeute 
1825 wurde au, um die Samojeben zum chriſtlichen Glauben zu be 
Archangel, nad) dem Vorſchlage des dafigen Bifhofs Neophytus, ein 
Gommiffion eingefegt, die ihre Miffionsreifen bereits angetreten hat. — 
Unterrichtöwefen, fo ward auch das gefammte nicht griechifche Kirchen! 
die oberfte Aufficht nad) einer auf den Grundfag der Einheit neu georb: 
waltungeform geſtellt. Das höchfte geiftliche Gericht der kath. Kirche i 
ift das römifchstatholifche geiftliche Collegium zu Petersburg, welches ir 
tements eingetheilt iſt, das 1. für die roͤmiſch⸗katholiſche, das 2. für die 
unirte Kirche. In jenem führt den Vorfig der roͤmiſch⸗katholiſche, in 
griechifche unirte Metropolit. Unter ihnen ftehen die roͤmiſch⸗-katholiſd 
griechifchen unieten Eparchien. Außerdem haben 3 armenifche Bifchöfe 
Sprengel. Die pröteftant. oder evangelifche Kirche genießt, nach dem Be 
22. Dec. 1823, diefelben Dorrechte, welche fie ehemals gmoffen und 
Kirchenordnung vom 247 Dec. 1801 der Eath. beroilligt hatte. Schon : 
de in Petersburg ein Bifchof für alle Proteftanten im peteräburger Goı 
eingefegt. Außerdem wurde ein evangelifches Confiftorium für ſaͤmmtli 
‚Bemeinden in den Gouvernements Saratow, Aftrachan u. a. m. errid 
1820 aus Borgo in Finnland berufene Biſchof Zygneus erhield als 
Mitglied des Conſiſtoriums die geiftliche Leitung der proteftant. Kirch 
vernement Petersburg. Er hat den D. Feßler zum Superintendenten 
Kirchen in mehren Öftlihen Souvernements, wo man über 60,000 prı 
niften zählt, geweiht, und 1822 die Oftfeeprovinzen bereift, wo er mit 
lichen über die Angelegenheiten der dafigen Kirche berathfchlagte, weil 
Kirchenordnung und Liturgie entworfen werben follte. Nach ber Rede, 
weltliche Präfident, ‚Graf Lieven, 1821 im peteröburger Gonfiftorium 
daffelbe insbefondere über die reine Lehre nach den Bekenntnißſchriften 
liſch⸗ lutheriſchen Kirche wachen. In diefem Sinne traf D. Feßler in f 
einige auf ſtrenge Kirchenzucht abzweckende Verfügungen. *) Noch ı 
evangel. Brüder in Sarepta eine für fid) beftehende Gemeinde unter e 
dern Synode aus. Dagegen halten ſich die Brüder in Kur:, Liefe un 
Öffentlich zur evangelifchstutherifhen Kirche, ftehen aber mit der Gemen 
tepta in Verbindung. — Außer der ſtrengen Auffiht auf Lehre und K 
ben muß noch ein Befärderungsmittel der Volkscultur, die Verbreitung 
bier erwähnt werden, welche durch die von der Regierung unterftüste 5 
ſchaft ins Tatarifche, Türkifche, Armenifche, Buriatzmogulifche, ſowi 
Altſlawoniſchen in die gewöhnliche ruſſiſche Volksſprache, Überfegt ı 
Allein feit dem Juli 1822 Hat diefe Geſellſchaft Beine Jahresverſamml 
ten; das von ihr herausg. Sournal hörte im San. 1825, auf Verfügun 
tropoliten Seraphim, auf, und die Geſellſchaft felbft beſteht gegenwaͤrtig 

Was die Höhere Staatsverwaltung in Hinficht auf Sicherheit, S 


*) Gegen die von dem abgefegten Paftor Limmer zu Saratow in fein 
„Meine Berfolgung in Rußland”, gegen Feßler und den Staatsrath Peſaro! 
tersburg aufgeftellte Anklage jefuitifcher Umtriebe (vgl. Nr. 45, 48, 51, 
‚et. ConvsBlatt für 1823) haben fi, beide in eignen Schriften verthei 


Rußland (geograph.-ftatift.) 517 


erweſen betrifft, fo hat die Regierung in den legten Jahren mehre durch⸗ 
daßregeln ergriffen, die der Wohlfahrt des Reichs neue Grundlagen 
baften geben follen. Fürdie innere Sicherheit wurde mit ebenfo 
ht als ſtrenger Wachſamkeit geforgt, wozu die Vorgänge in dem ſuͤdl. 
kuropa vielfache Beroeggründe darboten. Auch ereignete ſich im innern 
Mandherlei, was ſtrenge Mafregeln, namentlich gegen die Jeſuiten, 
tte. Dieſe wurden vorzüglich wegen geſetzwidriger Profelgtenmacherei, 
ericht des Minifterd des Öffentfichen Unterrichts, durch den Befehl vom 
1820, aus dem Reiche entfernt. Die Sefuitenatademie zu Polozk 
n dazu gehörigen Schulen aufgehoben, und die liegenden Gründe ber 
nen unter die Kammern der Finanzen; doch fellte deren Ertrag zum | 
römifch = Eathol. Kirche verwendet werden. Spaͤterhin verbot der Kai⸗ 
yanıen, was vorzüglich in den polnifchen Provinzen bis 1823 gefchehen 
finder in die Fefuitenfchulen der öftreich. Monarchie zu fenden, und es 
‚ welche ſich bereits auf folhen Schulen befanden, zuruͤckgenommen, 
‚ wenn Kinder zur Erziehung ins Ausland geſchickt werden follen, bie 
ten, wohin fie gehen, ausdruͤcklich namhaft gemacht werden. — Noch 
e dem neum polizeilichen Einrichtungen des Staats die durch den Ukas 
rit 1822 in allen Gouvernements angeordneten Verforgungscommifs 
nt werden, wozu die in den weißruffifchen Gouvernements wegen Miß⸗ 
nıdene Hungerenoth die Veranlaffung gegeben hatte. Jene Commif: 
nämlich, um ihre Gouvernemente. ununterbrochen mit Brot verfor: 
m, Kormmagazine anlegen und Fonds zur Unterftügung Huͤlfsbeduͤrf⸗ 
nenbringen; diejenigen Gutsbeſitzer aber, welche von diefen Maßregeln 
auch machten und ihre Bauern dennoch bem Mangel preißgäben, folls 
Grundſtuͤcken unter gerichtliche Vormundſchaft gefegt werden. Nicht 
g war bie Sorgfalt der Regierung bei dem Ausbruche der Cholera mor- 
ı Aftrachan, wo peter&burger Arzte die Seuche genau beobachteten und 
toffenen Anftalten bald daͤmpften. Minder glüdlich warb dem bemas 
weſen vorgebeugt ducch den Ukas vom 12. Aug. 1822, der alle ges 
lſchaften ımterfagte und die fämmtlichen Freimaurerlogen im ganzen 
5, auch alle Betconventikel verbot. Aus demfelben Grunde und we: 
chen Briefwechſels, hob der Generalgouverneur in den ruffifch = deut: 
zen die Miffionggefellfchaften auf. Zugleich wurde jede Xheilnahme 
aaurer⸗ und andern Verbindungen im Auslande ſtreng verboten. Noch 
rdbe bie Polizei feit 1823 gegen Alles, was unfittlidy, irreligioͤs und res 
:war. Der Ukas vom 29. Novbr. 1824 ertheilte dem Minifter des 
erichtd und Generaldirector der geiftt. Angeleg., Admiral Schiſchkoff, 
fchriften in Anfehung der Aufficht auf religisfe Schriften. Außerdem 
der Kaifer den Oberbefehlshaber der Oftfeeprovinzen, Mary. Paulucei, 
egsgouverneur von Fitthauen, General Korfakoff, alle in diefen Gou⸗ 
umlaufende in» und ausländifche Zeitungen und periodifche Schriften 
e zu unterwerfen. Über die Lehranftalten wurde befonders gewacht. 
1 hatte man auf der peteröburger Univerfität 4 Profefforen megen 
ngen über den inhalt ihrer Lehrvorträge in Unterfuchung gezogen; 
hab auf andern Hochſchulen. Hierauf erfchien der neue Studien» und 
lan, der mandye Beftimmung und Vorfchrift enthielt, die den Geift 
e Ordnung und Strenge in die Schulen einführen follten. Spätere 
823) bei der wilnaer Univerfität und auf einer kaiſerl. Lehranſtalt bei 
seranlaßten Maßregeln, die der Geheimerath Nomofilzoff dafelbft eins 
olge dieſer Unruhen wurde bie Stelle eines Curators bes wilnaſchen Lehr: 
wirklichen Geheimenrathe Nomoftlzoff übertragen. Zwei von ten Sillern 


518 Rußland (geograph.ftatifl.) 


führte, und welche ber Kaiſer durch ben Miniſter der Volksauftlaͤrung, 

Schiſchkoff (im Aug. 1824), allen Schulkreiſen vorfchreiben ließ. R 
neuen Univerfitätss und Schulpolizei darf u. 3. die Auswahl ber hy 
Schülern zur Ausarbeitung gegeben werben, nicht den Lehrern überlaf 
fondern der Univerfitätsfenat muß fie beflinnmen unb zu dieſem Zwecke 
befondere Sammlung veranftalten; die polizeiliche Aufficht auf das Bet 
Studbirmden und Schüler in ben Borlefungen, In ben Kirchen, in ihren 
gen und überhaupt in ber Stadt, durch Infpectoren, Pebelle u. f. w., 
eine noch eingreifendere Weife angeordnet. *) Liber Naturrecht wird auf 
ſiſchen Univerfität mehr gelefen, außer auf der zu Dorpat. Seitdem cıh 
alle Civilgouverneurs der Grenzprovinzen die Anweifung, Bücher vom 

’ felbft die aus Polen kommenden, deren Eigenthuͤmern nicht anders 
daruͤber zuvor eingebolter Entfcheidung vom Minifterium des Innen 
folgen. Diefem müffen baber doppelte Verzeichniſſe folcher eingeführt: 
mit ausführlicher Bemerkung ihrer Abfchnitte, GapiteLund ber Zahl der 
zugeftelit werden. Buchhändler und Beſitzer von Bibliotheken dürfen 
ſolche Bücher haben, die in den vom Minifterium des Innern durch die! 
des Cenſurſtempels und der gehörigen Unterfchriften beftätigten Katalı 
führt find. Die Zollämter müffen deßhalb monatlich an das Minifteriu 
nern berichten, wie viel Bücherballen, wann, woher unb wohin bei it 
geführt worden find. Jene gefeglihen Kataloge alfo gelten gegenwaͤrt 
einzige Mapftab legitimer Büchereinfuhr. Kaifer Nicolaus vereinigte 
ber vom Auslande eingehenden fremden Werke mit feiner Privatkanzl 
d. 26. Aug. 1826 ein neues Senfurreglement. Eine andre Maßregel 
Privatunterricht. Um unfähige Lehrer und Abenteurer vom Privat⸗ und 
unterrichte zu entfernen, warb in ber ruſſiſch⸗ akademiſchen Zeitung zu $ 
(283. San. 1825) befanntgemacht, daß, wer das für foldye Perfonen 
Ukas von 1757 vorgefchriebene Faͤhigkeitszeugniß nicht aufweifen koͤnne 
entlaffen fei, außerdem verfalle der Familienvater in eine Strafe von 10 
Überhaupt fuchte Rußland allen unreinen Gaͤhrungsſtoff auszufcheib 
wurden 1825 15 junge Männer ohne Rang, Deutfhe, Franzofen 
liener, zum Theil Künftler, aus dem Reiche vertiefen, weil fie einen c 
fittlichen Verein geftiftet hatten, ben ausländifche Blätter mit Unrecht 
demagogifchen dargeftellt Haben. 

Das große Werk der Gefeggebung warb fortgefeht.. Auf Eaifı 
gab die Gefegcommiffion die Inftitutionen und Pandecten bes ruffifd 
beraus, welche für die Oſtſeeprovinzen deutſch bearbeitet worden find. 
1819— 23, 22 Bde.) Der erſte Paragraph d. 1. Bdos. lautet fo: 
gent, als Selbſtherrſcher, iſt die Quelle aller politifchen und buͤrgerliche 
De oberfte Brundfag, welcher dem zuffifhen Monarchen bei Ausuͤl 
Gewalt zur Richtſchnur dient, ift in ber Acte des heiligen Bundes ausg 
Eine volfländige Sammlung bee rufjifchen Gefege und rechtlichen Entf 
gab, mit höchfter Genehmigung, ber Collegienrath Schtſcherbakoff fe 


jener Eaif. Anftalt wurden nach Sibirien in die Bergwerke geſchickt; alle üf 
70, nach gänzlicher Auflöfung des Inftituts, von allen Lehranftalten bes | 
geſchloſſen. 

**) So duͤrfen die Studenten in Petersburg, nad) der Anordnung des I 
fenats vom 13. Sept. 1824, Feine andre Kleidung tragen al& bie vorgeſch 
form; fie dürfen das Theater, Maskeraden und bntice Vergnügungsorte 
chen, ohne fchriftliche Erlaubniß des Rectors; ohne biefe au nicht außer 
Spazieren gehen, botanifiven u. ſ. w.; fie dürfen Feine Bücher lefen und be 
als ſolche, die fich auf die Vorleſangen hriiehen. 


Rußland (geograph.-flatif.) 519 


ketäfcher Ordnung heraus. Eine andre Samml. die der ruf]. Eriminalgefege 
753 — 1826) gaben P. und X. Chawsky in 16 Th. heraus, und von ber 
ni. der Befege über Staatscontrole, Revifion des Volkes und Abgaben, ers 
pı Sistenöb. 1827 der 21. Bd., 4. Unter den einzelnen Gefegen ift der Ukas 
22 zus bemerken, wodurch das fonft nad) der Knute gewöhnliche Brandmars> 
Werbrecher für immer aufgehoben wurde, damit „ber gebefferte Verbrecher 
an Die bürgerliche Gefellſchaft treten koͤnne, ohne durch das Brandmahl ihm 
werb bürgerlicher Achtung zu erſchweren““. Ein andrer Senatsukas vom 25. 
1823 geftattete den Befisern von Erbleuten bie Verſendung berfelben nach 
w, „wegen Trunkenheit und anderer fchlechten Handlungen, die ihnen Uns 
nenrfachen‘‘, ohne vorhergehende gerichtliche Unterfuchung , fobaß der Erb: 
b mit feinem Geſuche gleich an bie Gouvernementöregierung wenbet, welche 
ſofort zu erfüllen bat. 
er größten Thätigkeit beburfteder durch den langen Krieg zerrüttete Staa ts. 
dalt. Dem Gewerbfleiße im Großen war ſchon durch den Ukas von 1818 
ise® Feld eröffnet worden, der auch den Bauern das bisher nur dem Adel 
ı Kaufleuten 1. u. 2. Claſſe zuftehende Recht ertheilte, Fabriken und Mas 
wer anzulegen. $ür die Bereitung ber feinen Tücher insbefondere ward 
u Moskau eine Lehranftalt zur amentgeltlihen Bildung von 450 Werkmei⸗ 
ıf 6 Jahre angelegt. Am meiften hatte ſich 1824 die Baummollmmanı- 
zehoben. Man glaubte die inlaͤndiſche Induſtrie durch ein ſtrengeres Zoll⸗ 
zu begünfligen, und nachdem Polen vom 1. Ian. 1820 an in einen Zoll⸗ 
b mit Rußland gezogen worden war, erfchlen den 12. März 1822 ein ſeit⸗ 
her beftimmter Zolltarif; das damit in Verbindung ftehende Zollreglement 
den Einfuhrsoll auf mehre Artikel faft um das Doppelte, bei einigen Waa⸗ 
yar ums das Dreifache; beflemmgeachtet bedurfte der Manufacturftand 1822 
kteritüisung aus ber Leihcaſſe von 104 Mill. Rubel in Affignaten, und noch 
beklagten ſich die Fabrikvorſteher uber Mangel an Abfag und folglich an Ars 
ſodaß mehre berfelben die Hälfte ihrer Arbeiter entließen. Dieſes polniſch⸗ 
je Zoll⸗ und Sperrſyſtem hielt viele kaiſerl. Unterthanen ab, ausländifche 
B, namentlich die Leipziger, zu befuchen, vwoozu noch die Strenge kam, mit 
E angefebene Dandelshäufer in Mitau, Warfchau u. a. a. D. wegen Zoll: 
en beftraft wurden. Allein es läßt ſich nicht leugnen, daß bei dem geringen 
der Landproducte im Auslande für Rußland kein andrer Ausweg blieb, als 
Ku Manufacturftaat zu werden und ſich dadurch in den Beſitz des ganzen 
8 nach dem Innern von Afien zu fesen. Zugleich folite ſich dadurch für den 
samn ein größerer Abfag im Reiche ſelbſt eröffnen. 1823 zählte das Reich be- 
724% Kabriten und Manufacturen, von denen 540 im Gouvernement Dos: 
ab 170 im Gouvernem. Petersburg beftanden. Blänzend waren, nach 
ichen Berichten, die Fortfchritte des Handels vorzüglich feit 1821. (1820 
Wmlich die Einfuhr 190,388,897 Rubel, die Ausf. aber nur 105,085,920 
betragen.) Diefer wird gegenwärtig durch 29 Häfen und 41 Zolipläge der 
Igrenze geführt. Odeſſa und der 1823 eröffnete Seehafen Kertfch (f. d.) 
rauf, obwol in den legten “Jahren der Handel auf dem ſchwarzen Deere in 
es griechifchen Aufſtandes nachtheilige Hemmumgen erfuhr. Aſtrachan nahm 
uw legten Frieden mit Perſien an Wohlſtand zu, und in Sibirien erhob ſich 
} zu einem mit allen europüifchen Bebürfniffen reichlich verfehenen Handels⸗ 
deßplatze des Orients, dem auch bie nähere Verbindung mit China zu flat- 
mmt. ine große Handelsſtraße erleichterte den Karawanenzug duch Si: 
bis Petersburg und Kamtfchatla. Neue Handelsverbindungen wurden mit 
ucharei angeknuͤpft, wohin 1820 von Orenburg eine große Handelskarawane 
73 Ramerlen zog, bei der fich des ruffifche Staatsrat und Oriental "Ar. 


520 Rußland (geograpy.sitatift.) 


Negris befand, um als Geſandter an ben Khan ber usbeckiſchen Tatı 
Handel in jene Gegend größere Sicherheit zu verfchaffen. In derſelb 
fhidte der Gemeralgouverneur der Prov. Kaukaſien (Georgien), Bener 
loff, den Hrn. v. Murawieff 1819 als Sefandtntin den Khan in Khij 
Turkmanen.) St einmal der Handel gegen die räuberifchen Nom 
an der Grenze der Bucharel gefchügt und regelmäßig im Gange, fo m 
Makariew nad) Nifchnei Nowgorod verlegte Meffe noch bluͤhender wer 
der Spaͤtjahrsmeſſe 1823 befanden ſich daſelbſt für 94 Din. Rubel Wi 
unter chinefifcher Thee für 12 Miu, fibirifches Pelzwerk für 5 Mit 
Metallwaaren für mehr als 10 Mill. Dagegen hatte man auf ber le 
1821 für 106 Mit. Rubel Waaren umgefegt. Im Allgemeinen ift de 
bau ein Hauptgegenftand des ruff. Handels. Denn nach einem Sjaͤhri 
ſchnitt erntet Rußland jährl. 181 Mill. Tfchetwert Getreide, oder beina 
hamburger Laften Kornfrucht aller Art; das meifte davon wird im Go 
Denfa erzeugt. Allein diefer in Odeſſa und in den Oftfeehäfen früher 

Getreidehandel hatte, bei dem allgemeinen Falle der Kornpreife, in den 
ven fehr abgenommen, was auf die Grundbeſitzer nachtheilig zuruͤckwi 
der Burländifche Landtag (der alle 3 Fahre gehalten wird) deshalb eine 

Greditanftalt fir die Öutöbefiger, errichtete. Ob umd wienun das v 
feit 1825 angenommene liberalere Handelsſyſtem auf den Kornhand« 
zuruͤckwirken wird, Läßt ſich erft nach erfolgter Abänderung oder Au 
britifchen Kornbill beurtheilen. Cine merkwürdige Erfcheinung in der 
ſchichte des ruſſiſchen Handels ift die Nieberlaffung der Ruffen auf de 
Lüfte von Amerika. (Vgl. Nordamerika) Die 1797 geftift. umd 

privileg. ruffifch » amerifanifche Handelögefellfichaft, welche von dem 
Baranoff geleitet wurde, konnte fhon 1821 ale bedeutend angefehen n 
befaß nämlich große Comptoire zu Moskau, Irkuzk, Jakuzk, Och 
Tomsk und Kamtſchatka; fie hatte Nieberlaffungen auf den Barano 
im Rumjänzofffhen Meerbufen; fie legte auf der Sinfel Sitka den See 
archangelsk(ſ. d.) an unb breitete fid) fo weit aus, daß daruͤber Irrur 
Verein. Staaten entflanden, welche enblidy durch ben peteröburger 9 
17. April 1824 fo ausgeglichen wurden, baß der 54° 50° Nordbr. die | 
der ruſſ. Befisungen auf jener Kuͤſte beftimmt. (Vgl. Nordamerit 
Ber den neu angelegten Kunftftraßen wurden für den innern Verkehr fe 
den ausländ. Handel feit Eurzem die Canaͤle immer wichtiger, weld) 
Meer und die Oftfee mit dem Baspifchen verbinden, zumal durch die 

des kurlaͤndiſchen Jakobscanals, und feit Einführung der Dampffchiff] 
eine Gefellfchaft von Actionnairs 1823 auf 19 Jahre das Privilegium 
Wolga, Kama und das Easpifhe Meer mit Dampfböten zu befchiffi 
bem bildete ſich 1824, unter der Aufficht des Fürften Gagarin, nod 
Geſellſchaft von Actionnairs u. d. N.: Ruſſiſche Suͤdweſt⸗ Sompagr 
Schifffahrt auf den innern Fluͤſſen nach dem ſchwarzen Meere und in! 
immer mehr zu erweitern. Folgende Angaben laſſen auf den gegenw 
fang des ruff. Handels fchließen. 1823 betrug Rußlands Einfuhr 11 
Rubel und die Ausfuhr 103,524,000 Rubel, die Zollgebühren aber : 
Rubel; folglich hatte das Prohibitivfpftem noch nicht die Bilanz für 9 
ſchieden. 1824 betrug die Einfuhr von Peteröburg, das 116 Grof 
120, die Ausf. 97 Miu. Rubel. Zu Odeſſa betrug 1824 die Einf. 10,9 
die Ausf. 14,099,220R. Allein 1825 belief fih die gefammte Einf 
auf 182,706,835 R. und die Ausf. auf 234,731,448 R., was für 9 
Bilanz von 52 Mill. R. gab. Das von der Kaufmannſchaft angegeben 
Betriebscapital belief ſich auf 319,660,000 Rubel. Davon verfteu 


* 


Rußland (geograph.zftatifl.) 581 
9 26, Twer 17 und Liefland IL Miu. Mit 1825 erfchien in Petersb. 
jeitung deutfch und ruffifch,, welche das auswärtige Handelsdeparte⸗ 
übt. Der am 27. Febr. (11. März) 1825 zwifhen Rußland und 
Berlin auf 9 Fahre abgefchloffene Handels⸗ und Schifffahrtövertrag 
ß die Unterthanen gegenfeitig in Hanbelöverhältniffen in ber Fluß⸗ u. 
yet wie die eignen behandelt werden follten; das Zollſyſtem wurde 
ang des Betreides verändert; einige unbedeutende Artiel wurben von 
z befreit, ſowie überhaupt der Durchgang durch Polen; in Anfehung 
198 nach Odeſſa blieb es bei dem Ukas von 1818. Es ſcheint alfo der 
itohandel durch Rußland nad, China eine Erleichterung erhalten zu 


m erwarteten Aufblühen’des ruſſ. Naturs und Gewerbproducten⸗ 
t bie MWiederherftellung der Finanzen und die Befefligung des 
dits ab. Schon 1818 hatte der Finanzminifter, Graf v. Gurieff, 
swaltung diefes Zweigs eingeleitet. Die ausländifche (hollaͤndiſche) 
diſche Staatsſchuld ward in dad Reichsſchuldenbuch verjeichnet und 
n Abzahlung berfelben ein Tilgungsfonds angemiefen, ben bie am 
7 eröffnete Amortiffementscommiffion verwaltete. Zugleich zog man, - 
Zahl ber umlaufenden Bankzettel allmälig zu vermindern, durch Ans 
Blande baares Geld ins Reich, und verbot das Ausführen des Silber 
ides, fobaß nad) der Verfügung vom 21. März 1825 kein Reifender 
ersubel und 10 Rubel Kupfer mit fid) Über die Grenze nehmen follte. 
ie erfte jener Anleihen, 1818 eine zweite und 1822 durch Rothſchild 
ne dritte (von 43 Dill. filb. Buansorub.) abgefchloffen. Damit ſtand 
burg mit einem Gapitale von 30 Mill. Rubel geftiftete Hanbelsbant 
er Beziehung; fie hob ſich nicht nur felbft, fonbern hatte auch auf die - 
z Handels und bee Induftrie folhen Einfluß, daß mehre Städte um 
anſuchten; eine foldhe erhielt Diokkau 1818, als der Mittelpunkt des 
Handelsverkehts. In dem Abgabe» und Steuerſyſtem felbft änderte 
ver Kaifer hat jedoch von 1820 an die 1812 als Kriegttare angeord⸗ 
nensſteuer völlig erlaffen und die Eigenthämer von der Pflicht ent⸗ 
Bermögen und Einkommen der Regierung fernerhin aufzudeden. So⸗ 
r Ukas vom 14. Juni 1823 die Abzugäfteuer in Anfehung derjenigen 
Staaten auf, die diefelbe gegen Rußland nicht erhoben, 3. B. mit 
1. April 1824, mit Preußen durch die berliner Gonvention vom 31. 
und im Dec. 1824 warb aud) der Preis des Salzes, fowie der Eins 
Iben in den Öftfeeprovinzen, fo herabgefegt, daß die jährl. Ein. ſich 
Rubel verminderten. Cin neuer Beift der Ordnung, Thaͤtigkeit und 
Isiehung beliebte das ruff. Finanzſyſtem feit dem Mai 1823, als ber 
m Generallieut. und früher Generalintendanten der Armee, Derm 
einem geb. Heffen, das Finanzminifterium überteug, indem Graf 
die Verwaltung der Krondomainen und einiger dahin gehörigen Zweige 
der Armee traten fofort große Erſparniſſe ein. Das Zoll: und Speres 
ward mit vieler Strenge gehandhabt, und wenn diefes Spftem fruͤ⸗ 
ıgen bes Hrn. v. Gancrin in einem nicht u. f. N. erfchienenen Buche: 
um, Nationalreihthum, Staatswirthſchaft“ (Mündy. 1821) wider: 
hffen in Rußland befondere, oben ſchon angebeutete Staatsruͤckſichten, 
x Nationalinbuftrie, vorwalten, gegen welche die Nachtheile des Pros 
8 nicht in Anfchlag kommen. Aus dem Bericht tiber das erfle Vers 
c, den diefer Minifter in dem Auffichtsconfell der Grebitinftitute am 
k vorlegte, erfah man, daß die größte Pünktlichkeit in Erfüllung der 
a Verbindlichkeiten ben Staatseredit unterſtuͤtzt, daß malt ver Beoðrero⸗ 


Be Rußland (geograph.flatif) 


mmg der Affignationen einftiweilen Inne gehalten tourbe, ums bie hiernu 
Summen zur Yilgung dee Staatöfchuld zu verwenden, daß bis Leihba 
pitalien zur Unterflügung der Induftrie, der Grundbefiger und bes „m 
druͤckten“ Handels vorſchußweiſe beflimmen follte, mad zugleich ben 
Provinzen ftodenden Umlauf bes banren Belbes beleben mürde. Die S 
beftand ine San. 1825 in folgenden Summen: 1) hollind. Schuld 4 
Rubel; 2) einheim. rüdzahlbare Schuld: in Silber 2,688,000, in 
27,536,000 (6 Proc.); Staatenſchuld: in Gold 20,620, in Silber € 
Bantaflign. 226,096,411; 3) Rentenſchuld: 77,470,590 Rubel. 
Maffe der in Umlauf gefesten Bankaſſignat. betrug 595,776,310 R 
Der Betrag ber Staatseinkünfte laͤßt fich nicht beftimmt nachweiſen, 
man, daß die Kopf» und Getränfefteuer allein jährlich an 170 Miu. R 
gen, wovon auf Moskau 10, auf Petersburg 65 Mill. fallen. Hrn. v 
Berdienfte um das Finanzwefen wurden u. A. vom Monarchen auch da 
kannt, daß er ihm 1825 auf 50 Fahre den Befig der Krondomaine ! 
Kurland (mit 8360 Gilberrubel EinE.) verlieh. 

Kein Zweig der ruſſ. Staatsverwaltung ift wol mehr ausgebilt 
Deermwefen. Die widtigfte Einrichtimg in bemfelben find die feiı 
gründeten Militaircolonien (f.d.). Rußland braucht viel Solda 
‚weitläufigen Grenzländer gegen Afien zu befegen und fie gefegmäßig zu 
weil Soldaten bafelbfi die Stelle ber Polizei= und obrigkeitlihen Dien 
Je mehr das Heer die Stüge des ganzen politifchen Syſtems ift, um fo 
ger wird auf die Erhaltung der Mannszucht in demſelben ftreng geſeh 
mußte der Tumult des erften Bataillons des Semenoffsky'ſchen Gari 
am 29. Dit. 1820, welchen ber Obrift Schwarz durch Mißhandlung 
tergebenen veranlaßt hatte, mit großer Schärfe geahnet werden. Al 
rungen mit ber Pforte entflanden und Revolutionen das füdliche Eur: 
terten, warb das Heer in 2 Daupttheile unb einige Nebencorps zuſamn 
Ungeachtet dieſe beiden Deere ſchlagfertig ſtehen blieben und in Beorgier 
han ein drittes Heer flet unter den Waffen ift, fo waren dennoch im . 
bei der ganzen Armee, mit Ausnahme des Gardecorps, bes litthauifch 
kafiſchen Corps und der Militaircolonier, ſolche Einſchraͤnkungen anger 
den, daß fi die Summe der Staatsausgaben dadurch um 18 Mi. Rı 
verminderte. Für die afiatifchen Regimenter fliftete Alerander 1825 ir 
eine Militairſchule, welche zugleich den Unterricht der arabifchen, tata 
perfifchen Spradye umfaßt. Der nach dem Plane des verft. Staateratl 
neuerbaute Kriegshafen zu Meval warb im Sept. 1824 eingetveiht. 
Fan. 1824 ift der ſchon 2 Jahre vorher mit der Leitung des Kriegsm 
beauftragte General der Infanterie, Dr. v. Tatitfcheff, zum wirkt. Kri 
ernannt worden. General Araktfcheieff aber leitet feit Ende 1825 di 
colonlen nicht mehr. 

Mit diefer Thaͤtigkeit der Regierung in der Derwaltung bes In 
eifert dee Semeingeift vieler Großen und Reihen. Durch die Sı 
Erweiterung von Schulen und wiſſenſchaftlichen Anftalten hat fich der | 
Demidoff,, und vor Allen der ehemal. Reichskanzler Rumjänzoff au 
Befonders wirkfam ift die zu Petersburg geftift. menfchenliebende Geſe 
ter dem Vorſitze des Sürften Alex. Gallizin; auch muß die 1819 eroͤff 
fchaft zur Verbefferung der Gefängniffe und der Gefangenen genannt mwı 
ſonders regt ſich unter den Höhern und Reichern ein edler Eifer für $ 


| *) Bei den Zollgefällen ift jeht der Werth des @ilberrubels auf 3 Mu 
peten Papier beſtimmt. 


Rußland (auswaͤrt. Verhältniffe von 1821—27) 528 


Kunft, Chemie und Naturgefchichte, und ſtaatswirthſchaftliche Gegenftände 
wm, auch ohne Beruf, aus Neigung betrieben. So biäht feit 1817 in Pes 
arg eine meineralogifche Gefelifchaft, deren Präfident gegenwärtig ber kaiſerl. 
ladjutant, Graf Aler. v. Stroganoff, ift (Sohn des Geh.⸗Raths und ehemal. 
been in Konftantinopel). Überall trat der Kaifer mit f. Beifpiel voran; mir 
en bier nur an f. Unterflügung gemeinnüugiger Anftalten, 3.8. der Bäder 
zdaukaſus, zu beren Einrichtung bie Regierung i. 3. 1823 600,000 Rubel 
mte, und über welche Prof. Neljubin und D. Conradi phyf.e mebic. Befchreis 
z befanntmadhten, an die Beförderung wiffenfchaftlicher Werke, 3.3. Kas 
a's Geſchichte, an die Ermunterung verdienftooller Künftler, 5. B. Karl 
selgen, an den Ankauf von Bibliotheken (die Adelung'ſche in Dresden für 
und bie Haubold'ſche in Leipzig für Abo; legtere Univerſitaͤt wurde nach 
ʒrande zu Abo, 1827, nach Helſingfors verlegt). So erfhien auf Eaiferl. 
1 (St. Petersb. 1825) der vom Commodore Krufenftern entroorfene ‚Atlas 
Icean pacifique‘ nebft einem ‚„‚Recueilde memoires hydregraphiques” zur 
terung des Atlas. In Petersburg erheben ſich prächtige Bauwerke, mobei 
ufeifen, wie in England, vielfache und Eunftvolle Anwendung findet. Über 
naͤle werden Kettenbrüden von Eifen gebaut; die erfte diefer Art ift die bei 
nıen Palais des Sroßfürften Michael, unter welcher Schiffe hinfegen und 
cher 2 Wagen neben einander fahren Eönnen. Der koloffale Triumphbogen 
m Luftfchloffe Zarskoje⸗Selo, mit der Inſchrift: „Meinen theuern Waffen⸗ 
nn gehbeiligt”, in antifer Form von Eifen, ift ein wuͤrdiges Denkmal des 
. Runftfinne. — Am widtigften find in wiffenfchaftlicyer Dinficht die von 
uffen unter Aleranders Regierung unternommenen Entbedlungsteifen. Die 
I nördliche Polarmeer gemachten Seereifen der Ruffen find bereits in d. Art. 
bunlerpebitionen erwähnt. Außerdem veranftaltete die Megierung eine 
Aungsreife um bie Welt und in das antarktifche Meer, die Cap. Bellings 
san 3. Juli 1819 von Petersburg aus mit ben Sloops Woftod und Mirnoi 
 Lafareff) unternahm. Diefe fehr glüdliche Neife dauerte 2%. 21 T., ins 
ie Schiffe am 24. Juli 1821 in Kronftadt wieber anlamen. Man entbedite 
Ibisher unbekannte Inſeln, darunter den Archipel Alexanders I. (in der Nähe 
Fährlichen Infeln), und am 11. San. 1821 unter 694° die Inſel Peters 1. 
ke Küfte Aleranders 1., die füblichften bis jegt bekannten Länder auf der Erbe. 
aghauſen Drang an einer Stelle fogar bis zum 70° in das fübliche Eismeer 
weiter, als je ein Seefahrer vor ihm. Auch hat er zuerft den ſuͤdlichen Polar⸗ 
randum befchifft und zum erſten Mal über 14 Tage innerhalb deſſelben ver- 

Die vorläufige Befchreibung diefer Reife von Simonoff, dem Schiffs⸗ 
somen (jest Director der kaiferl. Sternwarte zu Kafan), erſchien a. d. Ruſſ. 
‚zu Wien 1824. Unter den Landreiſen der Ruffen ift die von Murawieff 
Khiwa (vgl. Turkomanien) und die von Timkoffskij ( Collegienaffeffor 
Bat. Depart. bes Dinifteriums der ausmwärt. Angeleg.) nach China (Petersb. 
z, in ruff. Spr.) zu erwähnen. Timkoffskij ward 1820 nad) Peling ges 
L um bie neuen Glieder der ruſſ. geiftlichen Miffion dahin zu führen und bie 
pm ins Vaterland zurädzubringen. Bon Eversmann erſchien e. „Reife von _ 
Wburg nach Buchara’’ (m. e. Plan von Buchara, Berl. 1823). Ein andrer 
&, der 1820 — 22 einige Gegenden des Driente und Afrika bereifte, Sfens 
Mi, gab die Beſchreibung f. Reife, die u. A. gute Nachrichten von Nubien 
Me, in uff. Sprache heraus, 

Nußlands auswärtige Verhältniffe umfpannen Afien, Nordweſtamerika 
Europa. Die mit China find diefelben geblieben, ſowie fie der vom Grafen 
dißlawitſch 1727 an ber Grenze, zwifchen der mongolifchen Stabt Urga und 
ea, abgefchloffene Hauptvertrag ewiger Freundſchaft zwiſchen Ruklantı wat 


m Wein (ui Bauifevtknrah) ] 


beſtimt Bat. Durch denfelben ward ber freie Ai 
Eeſandeſchaft von jung, een bie dort die Spracerker 
,mittelſt welcher die Ruffen kine —— Ber! 
unterhalten. Ruflands engere Berbint 
"den fogen. etvigen $rieden von Guliftan den 12. Dct. 1: 
15. Sept. 1814) degruͤndet, durch welchen Rußland G hanate Carl 
‚com, ‚bie außfchließende Kriegsflagae auf dem Easpifchen Merre und 
in allen perfifchen Ländern gegen einen Wättengell © 
3 dagegen folite es Demijenigen von den Söhnen bes Schäd 
Wefer zum Exben des perfifchen Reiche ernennen wird, Glufe leiften 7 
nicht geftatten, daß irgend eine fremde Macht fich im Pexfiens Angi 
Während Rußland jest f. Einfluß in Perfien zu befefligen ho 
Gen. Jermotoff (ſ. d) die väuberifchen Bergbölker des Harikafus 
bekämpfen. Die meiften hatten ſich jedoch 1823 untermotfen. Krb 
——8* ſich auch 7 Khans kirgiſiſcher und kalmuckiſcher Horden Freiwillig 
wter weffifäge Oberhoheit. Um biefe Zeit hatte der peefifche Chad 
feinen Sohn Abbas Mir ja zu ſ. Nachfolger ernannt, als Über die 
nit Rußland Streitigkeiten entftanden, die bei des Malen 
Rode noch nicht gefcjlichtet waren. Der Kaifer Nicolaus ſchickte daher 
zalmajer Fürften Menicikoff an den Hof zu Zeherap; um einen 
feitigen Grenyprovinz vorzufdhlagen. Allein der Eriegähuftige U 
Naubie, ber Zeitpunft fei guͤnſtig, um Rufland mit Erfolg,angeelfenzufß 
‚Abe ging fefort (Aug. 1826) Über die Grenze, befeste bie-tuff: Provinj 
mohammedaniſchen Unterthanen der Ruſſen zu den Waffen, Endet 
jonekrieg an und drang bis Elifabethpol vor.. Während @ 8 
„Vie gieffteuete tuſſ. Armacc um Tiflis zufammenzog, ſchlugen Fürft M 
or Krabbe den 14. Sept. das perfiiche Heer, und am 25. S 
Paskewitſch ben Kronprinzen Abbas: Mirza bei Elifabethpot und 
das rüff. Gebiet. Am 28. Sept. erfolgte die ruff. Kriegserkiärung g gen 
‚fand ſich der Kaifer bewogen (9.-Apr. 1827), den in Grufinien e 
General Iermoloff abzurufen und beffen Poften dem General) 
Yes u geben. Jetzt gingen die Muffen uͤber den Arares, nahmen den © 
dab; imte armeniſche Kiofter Etſchwiaſin (im perfifchen Armenien), 
u .) die Fatung Sardar⸗ Abad und.am 19. Det. die Feftund Exit 
WBoligert gegen. Rußland), wo der berühmte Anführer dev 
Hufen. Kuli Khan, der Günftling Ferh-Ali’s, dem er auf den Khrond 
gefangen wurbe. Hierauf drangen fie in das alte Medien ein und 
3. Sct. ohne Widerftand in der Provinz Aderbidfchan die Haupeft. R 
Mefidenz bes Abbas-Mirza, was den Schach nöthigte, um * zu bitin 
8. Rev. 1827 wurden die Friedenepraͤliminarien in einem Dorfe-bei 
ter zichnet, nach welchen Perſien das ganze Khanat Eriwan, diesſeits an 
bes Areres, und das Khanat Nakhiſchewan an Rußland aberiit, die 
erſett und den durch ben Einfall verurſachten Schaden vergütet. — Mit 
"waren feit der legten Grenzbeftinmmung, die in AnfehringBeffa 
Donaumundung am 2. Sept. 1817 fo erfolgte, wie fie antun gefobet 
nene Jerungen 1819 entftanden, indem fich Kaifer Ateranden.jauf X: 
Flgt, fher den gefluͤchteten Hospodar Karadja verwandte und € 
f. Blagge im Hafen von Konftantinopel fugefügte Beleidigung v 
kam noch 1820 ein Angriff der Jamaks (Soldaten von der Befa 


. Agt bi ten Ufer des u. d. Mi 
Fa I Die vn abend Da 
die Hanptmöndung der Donam dehet. 





























tere 


HIN 


ußland (auswaäͤrt. Werhältniffe von 182127) 525 


e des ſchwarzen Meeres) auf den Palaft des ruſſ. Sefandten, Baron 
Stroganoff, weßhalb zwar endlich die gefoderte Genugthuung gegeben 
in die Ausgleihung wegen Erfüllung des bucharefter Vertrags kam 
ande, indem bie Pforte auf der Räumung der afiatifchen Grenzpläge 
uppen befland. Biel ernfthafter wurde diefe Spannung, als ber Ein- 
is's in die Moldau und der Aufftand der Griechen (f. Sriehenaufs 
'1 ben Sultan aufs höchfte reiste. Vergebens erklärte Aleranber, von 
Vpfilantis's Schritt für ftrafbtır und Rußland in der griech. Sache für’ 
er Divan glaubte in dem rein biplomatifchen Zwiſte Rußlands mit ber 
| orgenen Zufammenhang mit der griedy. Revolution zu erfennen; 
ebrätht, verlegte er Die Verträge mit Rußland wegen ber Moldau und 
r legte auf die aus dem ſchwarzen Meere Eommenden ruff. Schiffe 
: achtete nicht auf die Vorftellungen des ruff. Gefandten *), der ſich 
yen bes Fanatismus gegen bie griedy. Kirche und gegen ſchuldloſe Opfer 
n Argwohns mit Nachdruck entgegenftellte, und brachte endlich durch 
uff. Gefandten, deffen Sicherheit fogar von ber Wuth des Pöbels bes 
‚u dem Entſchluſſe, f. Päffe zu fodern. Herr v. Stroganoff fegelte 
ab den 9. Aug. 1821. Seitdem führten die dDiplomatifche Verhand⸗ 
d6 mit der Pforte in Konflantinopel als Vermittler der britifche Ges 
Strangforb, und der oͤſtreich Intermmtius. Nach der an das ruff. 

unmittelbar gefandten Note bed Meiseffendi vom 26. Juli 1821 
uch unvermeiblicy; allein die friedliche, von allen Eroberungsentwuͤr⸗ 
ernte Politik der heiligen Allianz, beunruhigt durch die Milltairrevolus 
panien, Portugal, Neapel und Piemont, ſowie durch den Geiſt des 
ms Überhaupt, und geleitet von den -Befchlüffen in Laibach, trug im 
te ben Sieg über bie Freunde der griech. Sache davon; bazu kam die 
‚ daß ein ruff. Krieg mit der Pforte leicht ganz Europa in Flammen 
aß der damit verbundene Volks⸗ und Religionskampf eine gefährliche 
hwaͤrmerei in Rußland felbft entzuͤnden könnte. Die Cabinette von 
on und Paris traten vermittelnd ein, um bie friedfertige Gefinnung 
aber alle Berechnungen bes Ehrgeizes zu erheben. Bei diefer Mich: 
Brodrtigen politifhen Syſtems zog fi) der Staatsfecretair, Graf Gar 
n Mai 1822 von den Staatsgefchäften zurid und nahm Urlaub zu 
n6 Ausland. **) Daffelbe that der geweſene Gefandte in Konſtanti⸗ 
ı (feit 1826 Graf) v. Stroganoff. So warm die frühen Hoffnun⸗ 
taͤria (f.d.) auf Rußlands Beiftand gänzlich vernichtet. Die Er: 
eltode's im der Note: Laibach den 10. Mai 1821, „daß weder Liebe 
noch der ehrgeizige Gedanke, einen ausfchließlichen Einfluß auf bie 
andrer Monarchen, oder auf die Schidfale der ihnen von der Bor: 
trauten Völker auszuüben, die politifchen Anfichten des Kalſers leite“, 
mn Gang ber ruff. Politik zu bezeichnen. Diefe nahm nad) der Ruͤck⸗ 
ers von Verona über Warfchau im San. 1823 (vgl. Laibach, Ve: 
Songreffe) einen beflimmtern Charafter an. Daher entitand in 
von dem koͤnigl. würtemb. Staatsminifter, Grafen v. Winzingerobe, 


wm Frieden von Kutfchul:Kainarbyi (177%) und nach der Übereinkunft zu 
Et vom 21. März 1779 hatten die ruff. Gefandten bei der Pforte das 
ınften jener Fürftenthümer, der Griechen und der griechifchen Kirche fo 
n, als es bie Umftände erheiſchten. 

e griech. Regierung 1826 ben Grafen Capodiſtrias zu ihrem Präfidenten 
ab er fi) von Gent, mo er bisher gelebt hatte, nach Petersburg, bat bier 
affung (12. Zuli 1827), und begab fi hierauf über London und Paris 
von ba nach Morea zu geben. 


5286 Rußland (answaͤrt. Verhaͤltniſſe vom 1821 — 27) 


an die würtemb. Gefanbtichafter im Auslande gerichteten Runbiäeiiiut 
2. San. 1823 (im franz. „Conftitutionnel” vom 17. Febr.), umb.elsiger 34 
mungen bes würtemb. Geſandten am Bundestage, des Baron v. Waxııl 
(am 20. und 24. Febr. 1823), eine Spannung mit dem wärtemb. Sof. 
teih, Preußen und Rußland riefen ihre Befandten von Stuttgartab; der wir 
Geſandte in Petersburg, Graf v. Beroldingen, trat am die Stelle des verchl 
tem Staatsminiſters, Grafen v. Winzingerode. Indeß warb eim neue Fu 
band zwifchen Rußland und Wuͤrtemberg geknüpft durch die Vermähtet 
Großfuͤrſten Michael mit der Prinzeffin Charlotte von Wuͤrtemberg, X. dei 
zen Paul (u.d. N. Helena vermählt d. 20. Febr. 1824); allein die dipl 
Verbindung ward erft 1825 völlig wieberhergeftellt, indem der Fuͤrſt v. Hoi 
Kirchberg als wärtemb. Sefandter zu Petersburg im Ian. 1825 anlam, ı 
der Geh. Rath v. Anftett, ruſſ. Gefandter beim deutfchen Bunbestage, au 
Gefandtfchaftöpoften am Hofe zu Stuttgart erhielt. Mit derſelben Mb 
mung unb gemäß den zu Verona gefaßten Wefchlüffen, handelten ber wi 
Öftveichifche und preußifche Hof in Madrid. (S. Spanien.) Als Ye 
Herzog v. Angoulame an der Spige eine6 franz. Heeres in Spanien ch 
wurden die ruff. Kaufleute angewiefen, alle Handelsverbindungen mit € 
und Portugal aufzuheben, und ber kaiſerl. Adjutant, Graf Butturlin, be 
im Namen f. Monarchen in das Hauptquartier de Herzogs, um dem fi 
beizuwohnen. Nach der Wiederherftekung der alten Orbnung in beiden ? 
ertheilte der Kaiſer den Prinzen, Staatömännern und Kriegsbefehlshabe 
* Dazu beigetragen, mehre Orbenszeichen, und wirkte durch f. Gefanbten ia 
den Grafen Pozzo di Borgo, ſowie durch den Heren v. Oubril im me 
ben Bang ber wiebderhergeftellten €. fpan. Regierung ein. Die enge 
mit Öftreich ward fpäter noch durch die perfänliche Zuſammenkunft dei | 
Alexander mit dem Kaifer Franz zu Gzernowis, 6— 11. Oct. 1823 (vgl 
‚felwode), beftätigt, wo, als die Pforte den Beſchwerden über die Sl 
abgeholfen, in den Berathımgen des Grafen Neffelrode und bes Fürfln 1 
nich zu Lemberg (bi6 zum 21. Det.) ber Beſchluß gefaßt wurde, einem 
ſchaͤftstraͤger nad) Konftantinopel zu fehiden. Hier betrafen Strang 
haudlungen mit ber Pforte hauptfächlich die Räumung der beiden 
von tärkifchen Truppen und die Herſtellung ber freien Schifffahrt auf dem 
jew Meere. Die Pforte hatte bagegen in ihrer Note vom 2. Dec. 18214 
lleferung der auf ruff. Gebiet geflüchteten griech. Rebellen und des Kürftel 
verlangt. Diefe mußten daher Rußland und Polen verlaffen und ginge 
Deutſchland nach einem mittelländ. Hafen. Bet dem rohen Trodte der h 
Verhandlungen nichtd weniger als ungeſchickten Barbaren, galt es für 
ben politifcdyen Ehrenpunkt zu retten. Es foberte daher in f. Ultimatum u 
bie Räumung ber Fürftenthimer und bie Einfegung von Hospodaten; 
warb aber am 28. Febr. 1822 vom Divan verweigert. Erfi amt 13.9 
ſchloß fich die Pforte, neue Hospodare zu ernenmen und ließ bie Räumung 
weigerte fich jedoch, einen Friedensunterhaͤndler nach Kaminitz⸗ Podolsky zu f 
denn Rußland habe den Zwiſt angefangen ; dieſes möge daher einen Ge 
nach Konftantinopel ſchicken, nur nicht auf einem Kriegefchiffe; übrigens 
fie fortwährend auf Räumung der afiatifchen Grenzpläge. Auf die ihr be 
Lord Strangford im Febr. 1823 vorgelegten Beſchluͤſſe des Congreſſes zu‘ 
antwortete fie fo, daß fie alle Einmifchung fremder Mächte in bie griech. S 
lehnte; indeß Fünbigte der Neiseffendi in f. Note vom 26. Febr. 1823, d 
Strangford dem ruff. Staatsminifter, Grafen Neſſelrode, uͤberſchickte, die 
nung der Hospodare für die Moldau und Walachei an, ſowie die mehe BA 
biefer Provinzen, verlangte aber nodmasis tie Aurtdigabe ber gegem den 


Rußland (auswärt. Verhältmiffe von 1821 — 27) 527 


riebens von Buchareft in Afien von den Ruffen befegten Feſtungen und bie 
dung eines ruff. Gefandten nad) Konftantinopel. Graf Neffelrode erwiderte 
ıf am 19. Mai, daß die Ernennung der Hotpobare ohne die Zuſtimmung des 
6 von Rußland nicht legal fei, ba Rußland in dem Benehmen der türkifchen 
nandanten in den Fuͤrſtenthuͤmern die baldige Räumung nicht mahrnehme, 
28 ber legte Ferman den Handel in der Kevante noch mehr ftöre als bisher ge= 
u fei, daß endlic, Rußland, als Grundbedingung jeber Ausföhmung, in Ans 
z der griech. Kirche eine befriedigende Antwort auf feine erfte Vorftellung noch 
ie. Unterbeß hatte die Pforte bereitö mehre griech. Kirchen wiederherſtellen 
und den griech. Patriarchen, nebft der übrigen GeiftlichEeit, in ihren Würben 
m. Auf die deingenbften Noten des Lords Strangford gab zwar die Pforte 
chiffe mit ruſſ. Flagge, welche fie, als den Sinfurgenten gehörig, in Beſchlag 
ımen batte, wieder frei und bob die Handelsſperre im ſchwarzen Deere auf; 
fie wid) allen übrigen Punkten der ruff. Note gefchictt aus. So drehte ſich 
auptverhanbiung noch immer in demfelben reife, ald der ruſſ. Geſchaͤfts⸗ 
‚, Staatsrath v. Minzlaky, den 22. Ian. 1824 zu Konftantinopel eintraf. 
nete daher f. Kanzlei erft im Maͤrz und bloß ale rufſ. Kanzleihef. Nun erſt 
u die Pforte ihre Truppen aus ben Fuͤrſtenthuͤmern zu ziehen, und Aleranber 
kte den Seh.» Rath v. Ribenupierre am 27. Aug. 1824 zu f. Gefandten bei 
forte. Endlich erfolgte die Räumung ber Fuͤrftenthuͤmer in den legten Mo: 
des Jahres, worauf Derr v. Minziaky fogleih am 11. Dec. 1824 fein Be⸗ 
gungefcheeiben als Gefchäftsträger überreichte. Dadurch ward bie biplomas 
Berbinbung zreifchen Rußland und der Pforte wiederhergeſtellt. Allein bie 
ıft bes rufl. Sefandten, Ribeaupierre, in Konftantinopel verzog fich, weil 
mb in Anfehung der griech. Sache gemeinfchaftliche Befchlüffe mit den Daupt- 
‚bes Sefllandes fafjen wolite, weßhalb es auch die Minifterverfanmlung zu 
mb im Semi 1825 befdjidte. Unterdeß fchien ber ruff. Einfluß in Morea 
aufgehört zu haben. Den Kaifer Alerander befchäftigte hauptfächlich die 
amerikaniſche Frage. Er konnte hier aber weniger einwirken, weil das bri- 
inet ſich von dem politiſchen Syſtem der heil. Allianz entfernt und die 
⸗ameritaniſchen Freiſtaaten anerkannt, ſich auch, ſowie ber Congreß ber 
Staaten, gegen jede Intervention der europ. Continentalmaͤchte (Spanlen 

) in Amerika beſtimmt erklaͤrt hatte. Die Sendung bes brit. Ge: 
Seratford⸗Canning, im April 1825 nach Petersburg, betraf daher bloß 
luß eines Vertrags zwiſchen Rußland und England in Betreff geteiffer 
thefitzungen an der Küfte von Nordweſtamerika, wo die Serungen zwiſchen 
md und den Merein. Staaten, in Folge bed Ukaſes vom 4. Sept. 1821, aus: 
on wurden. Nach dieſem Wertrage gehört bie Prinz⸗von⸗Walesinſel zu 


ie ruſſiſch⸗ tuͤrkiſche Frage hingegen ward erſt vom Kaifer Nicolaus zur 
g gebracht. Da alle Befchwerden des Hrn. v. Minziaky über die Er: 

Bogen ber Thrken in ber Moldau und Malachei ohne Erfolg blieben, fo über: 
r ( April 1826) eine kategoriſche Erklärung feines Monarchen wegen Der: 
I de6 vertragemäßigen Zuftandes der beiden Fuͤrſtenthuͤmer und wegen Ab⸗ 
tierkiſcher Sommiffarien zur Beilegung ber Streitfragen, in eine ruff. 
Made. Die Pforte follte binnen 6 Wochen Ya oder Nein fagen. Nun gab fie 
4. Mai), und e6 traten ruffifche und türkifche Gommiffarien in Ackerman 
men, wo Rußland abermals ber Pforte einen peremtorifchen Termin bie zum 
&. febte und 82 Propofitionen vorlegte, weiche ſich auf die Fuͤrſtenthuͤmer, 
Bifcgen Berhältniffe und den Befig der afiatifchen Feftungen am Phaſis be⸗ 
‚, Ate dieſe Foderungen bewllligte die Pforte am 6. Oct., und Rußland be: 
B Aften alle tuͤrkiſche Plaͤtze, die es bisher befegt gehalten hatte, au Ihn Er 


ses Rüuͤſtung Kuthe 


genthum. Zu gleicher Zeit hatten England und Rußland uͤber bie griech 
fche Frage gemeinſchaftlich zu handeln befchloffen. Canning weilte nä 
Vernichtungskriege in Griechenland ein Ende machen, die aͤgyptiſche? 
Europa entfernen, den Griechen Schug gewähren und einen Landkri⸗ 
Rußland und der Pforte verhindern. Schon hatte der Herzog v. Wi 
Petersburg barüber am 4. April 1826 eine vorläufige Übereinkunft ab 
wie die Pforte nöthigen Falles zum Nachgeben in der griech. Sache zu ;ı 
als nun auch Frankreich dieſem Plane feine Zuftimmung gab, fo ſchloſſen 
zu London ben 6. Juli 1827 den Pacificationsvertrag Griechenlands a 
ten ber Pforte einen Termin zur Annahme der Wermittelung. Drei 
eine btitifche, eine franzöfifche und eine rufjifche (unter dem Contreabmiı 
v. Heyden) unterftügten diefen Vorſchlag und blokirten bie türkifchrägup! 
im Hafen zu Navarın. Als aber Ibrahim Pafcha den proviſoriſch 
MWarffenftiliftand verlegte und Morea zu vermüften fortfuhr, drangen bi 
in den Hafen ein, wo fie, da bie tuͤrkiſchen Schiffe zuerſt ſchoſſen, die tı 
ptifche Flotte am 20. Det. vernichteten. Dadurch wurde die Entfd 
griechiſch· europaͤiſchen Frage beſchleunigt und die Pforte zum Nachgebei 
— Über Polens Gefchichte und Zuftand ſ. d. A. 

Unter den neueften über Rußland erfchienenen Schriften nennen n 
Dupin, „Observations sur la puissance de l’Angleterre et sur cel 
sie’ (2. A., Paris 1824); Dupin prüft gründlich und lehrreich 
geiftvolle, aber etwas einfeitige „„Paralleles de In puissance anglaüı 
relativement à l’Europe ete.“ (1822); Robert Lyall's ultrafreimuͤth 
„Ihe charakter of the Russians and a detailed history of Moscoı 
Kpfn. und Beil., Lond. 1823) ; des brit. Seecapitains auf balbem & 
Dundas Cochrane (Meffen des Admiral), „Narrative of a pedestri: 
through Russia and Siberian Tartary’ (von 1820 — 23, Lond. 1! 
zu Weimar), welches einzelne gute geograph. Nadyrichten über das 2 
Sitten der Bewohner, befonders über die von Kamtſchatka, enthält. D 
mann’s „Beitr. zur Kenntniß des Innern von Rußland‘ (mit Charten 
Zeichnungen, 2 Bde., ps. 1822 fg.) find wichtig zur Kenntniß der W 
Die Reife einer Engländerin, Miß Maria Holderneß, von Riga Über 
der Krim (Lond. 1823) enthält über Neurußland intereffante Machrid 
die kaukaufiſch⸗ perfifch = türkifhen Grenzlaͤnder leſe m. Gamba's „Re 
1526). — Des B. v. Wichmann „Ehronolog. Überſ. dee ruff. Geſch. 
d. Gr. Geburt an’ (1. Bd. 1672 — 1727, 2. Bd. bis 1762) hat 
Tode der Prof. Eiſenbach in Tübingen fortgef. (1. 3b. 90.1762 —18 
von 1801 — 25, 2p3. 1821 fg.). Verdienſtlich ift des Prof. in 
Strahl „Beitr. zur ruff. Kirchengeſchichte“ (1.Bd., Halle 1827). 
„Geſch. bes ruſſ. Reich" (2 A., ruſſiſch 1818 fg., deutfch von Örtel) w 
Ds. Tode (1826) H. v. Bludoff, Miniftergehälfe bei dem Minil 
Öffentl. Unterrichts, fortfegen. Er gibt den von Karamfin nicht beemdigt 
(der die Geſchichte bie auf die Thaten des Minir und Pofcharsky, 1613 
mit einem Regifter üb. das ganze Werk heraus. Arſenieff's „Statiſt 
Reichs“ (2 Bde.), in ruff. Sprache, ift von der Regierung unterbräi 
Man hat daher nur Heym's ruff. gefchriebene „Statiſtik von Ruflanı 
Großbritannien, Frankreich, und Preußen‘ (Most. 1820). — 1825 e 
allgemeine Charte des ruf. Afiens von Pozniakoff. 

KRüftung, f. Armbruft. 

Ruthe, ein Längenmaß (vgl. Mat), welches in Fuße abget 
Geometer und Felbmeffer bedienen ſich, der Erleichterung in ber Berechn 
Des zehntheiligen ober Decimaleintheilung und geben der Ruthe 10 Zuf 


Rutſchberge 629 


weßhalb fie Decimal⸗ oder geometriſche Ruthe genannt wird. Im 
ven iſt eine Duodecimal⸗ oder zwoͤlftheilige Eintheilung der Ruthe ge: 
sach welcher alſo dieſelbe Laͤnge einer Ruthe 12 Fuß, jeden zu 12 Zoll 
it. Die Quadratruthe iſt Flaͤchenmaß und enthält entweder 100 
* — die Kubikruthe, Koͤrpermaß, 1000 oder 1728 Kubik⸗ 
Fuß.) 

chberge (Parifer), in neuerer Zeit eine oͤffentliche Vergnuͤgung 
bie auch an andern Orten nachgeahmt worden if. Die Ruſſen, die 
ergnügen ihrer Eisberge im Sommer durch hölzerne Rutſchbahnen 
legen, veranlaßten waͤhrend der Anmefenheit ber ruffifchen Truppen 
fl die Einführung diefer Beluftigungsmweife, die hier mit aller parifer 
jeflattet wurde. Bald gab es 4 Battungen von Rutfchbergen: rufs 
zeriſche, englifhe und franzöfifhe. Die fogen. Montagnes ruases 
ırten außerhalb der Barriere du Roule waren von allen die erften. 
lvedere eines vieredigen, etwa 3 Stod hohen Thurms, zu dem auf 
ite eine bequeme Treppe hinaufführt, fährt man auf der andern in 
ıf einem Beinen dreicäderigen Seftelle ruhenden Lehnſeſſeln ein in ge: 
‚laufendes planum inclinatum pfeilfchnell hinab. Damit biefe Wa: 
Seite audgleiten Eönnen, ift die Vorrichtung getroffen, daß nicht nur 

nterräber, fondern auch daß fich in ber Mitte befindende Worberrad 

? Achfen in hölzernen Geleifen laufen, und diefe Sicherheit bat Mehre, 

ttluſtige Engländer, verleitet, aufrechtftehend hinabzufahren. Auch 

Damen, u. A. eine junge Actrice vom Theätre Francais, haben dies 

ſucht. Bei kegterer lief es aber fo tragifch ab, daß bie Polizei diefe 

unterfagte. Die bald nachher in dem Faubourg St.⸗Germain er 

ıtagnes suisses (to bie Seitenwände der Anhöhe thenterartig mit 
tionen verziert find) erhielten noch den Vorzug, daß man hier auch auf 
reden, die auf Rädern ruhen, völlig frei figend hinabrollen kann. Alte 

er an Größe, Eleganz und Kunft des Mechaniemus die im Aug. 1817 

ontagnes frangaises ober fogen. Promenades aöriennes, bie, als 

zanſtalt betrachtet, ein ebenfo ſinnreich erdachtes als koloſſal audges 

n ihrer Art ganz eignes Werk find. Sie find In dem Garten Beaujon 

6 Elifeed erbaut und haben außer biefer ungleich angenehmern Lage 

ı 3fahen Vorzug, dag man hier 1) weit länger und höher, 2) in vers 

‚tungen, nämlich in einem Halbcirkel hinab, und 3) in der Mitte des 

:aber Linie auch wieder hinauffährt, und alfo diefe Luflbarkeit, ohne 

mbern nach jeder Herabfahrt) ein einziged Mal ausfteigen zu dürfen, 

8 Einem beliebt fortfegen Eann. Zu biefem Ende ift ein 4 &tod oder 

hoher Thurm erbaut, auf dem ſich ein offener Pavillon befindet, von 

: die ſchoͤnſte Ausſicht auf Paris und beffen Umgebungen hat. Non 

eiten biefe® Pavillons laufen 2 Bahnen in wellenförmig geſchwunge⸗ 

ede für 2 neben einander in hölzernen Geleifen fahrende Wagen und 

m von Barrieren eingefchloffenen Trottoit für Fußgaͤnger verfehen, in 

Cirkel nach unten in der Mitte zufammen und vereinigen ſich hier In 

alen Bahn, die alle 4 Wagen neben einander zu dem Pavillon wieber 

ohne daß dadurch der mindefte Aufenthalt für die Fahrenden entfteht. 

urch eine ſtarke ftählerne Feder mit einem Haken bewirkt, welche fi) 

Spige des Heinen Fuhrwerks befindet, und womit es, durch den heftis 

beim Hinabrollen felbft einige Schritte wieder auf bie berganlaufende 

getrieben, hier ſich in eine der vielen Schnallen einhängt, die von Eile 

m breiten, ftarfen Gurt befeftigt find, welcher, in einem hohlen Ge⸗ 

ben Wagen auf biefe Art wieder hinaufzieht. Im TZatt ter Halten 
Bichente Aufl, 36. IX. 34 


5350 Kutſcherrecht 


aber die Schnalle nicht gleich treffen ſollte, ſind zur Vorſicht hinten aı 
2 eiferne Streben angebracht, die ihn vor dem Zuruͤckrollen ſchuͤtzen und 
indeß nur einen Augenblick dauern kann, fo lange fefthalten, bis bie Fed 
gehangen hat, ba er dann, indem ber Gurt in ſteter Bewegung iſt, ungehi 
auffährt. Dieſer Gurt geht in Form einer Winde unter dem Geleis hin 
bemfelben wieder herauf und wird durch eine Walze, welche roieber im uni 
bes Thurmes zu ebener Erde von einem gewaltigen, 25 Fuß im Diame 
den Rade umgedreht wird, in Bewegung gefegt. Da Menſchen web 
noch Ausdauer haben würden, eine fo ſchwere Laft, wie biefe für 2 Per 
gerichteten Wagen, Stundenlang eine fo jähe Anhöhe hinaufzuwinden, | 
feb Rab von 8 daran gefpannten und beftändig im flarfen Schritt im 
henden, flünblich gewechfelten Pferden gedreht, und indem es wieder in 
res (von 5 Fuß im Diameter) eingreift, welches die Winde noh 9 Mı 
bewegt, fo wird dadurch die Geſchwindigkeit bes Hinaufrutſchens ber ei 
Trotts gleichgebracht. Die Spazierfahrt eines Curſes dauert 13—20 
in welchen man die ganze Bahn von beinahe 800 Fuß Länge hinab und? 
durchlaufen hat. Man kann alfo auf diefe Art in einer Minute über 
und in einer Stunde 7 Meilen zuchdiegen. Der ganze Flaͤchenraum, 
Circus einnimmt, beträgt an 3000 Zoifen. Die hoben, von ſtarkem 
Fachwerk errichteten Gebäude, auf denen biefe Bahnen ruhen, und d 
übereinanberfichende Reihen von Schwibbogen faft das Anfehen eines 
Aquaͤducts haben, find zu verfchiedenen Durchgängen, Zimmern und Säl 
in dem mittelften befindet fich in Erdgefchoß eins der glänzenbflen Gaffer 
‚ganz Paris. Innerhalb des Thurms führt eine Treppe erſt zu dem B 
man die Charten zum Fahren mit 10 Sols die Perfon für einen Cour: 
dann zum Pavillon, wo man einfleigt, hinauf. Für die Nichtfahrent 
Fuß, um ſich an der Außficht zu meiden, diefe künftliche Höhe befteigen 
ein befonderes Bureau unten am Eingange errichtet, wo bie Perfon | 
mit 5 Sols bezahlt. Der innere Raum des Circus iſt zu einem kleine 
ſchmackvoll angelegten Garten benust, mit welchem das Ganze fich in de 
Garten befindet, der einen Ausgang nady den Champs Elifees und ein 
am ber entgegengefegten Seite hat. In diefem Garten, der ſich durch | 
fen Anlagen auszeichnet, iſt auch fonft noch für Vergnügungen gefor: 
einen zur Seite des Circus in fehr gefälligem Style erbauten 2ſtockige 
befindet fi ein Reſtaurateur, der mit den erften der Hauptſtadt wetteifen 
iſt der ganze Garten und ber Circus erleuchtet, und von einem über dem 
Pavillons der Berge fehr paflend angebrachten Eeuchtthurme ſtrahlt dan 
Ganze noch ein Eünftliches Sonnenfeuer herab. Das Schauſpiel der i 
Breifenden Bewegung hinab und binauffahrenden Herren und Damen 
bei diefer Beleuchtung fafl feenartig aus, und ebenfo phantaftifch iſt der: 
Zaufende von Zufchauern, für welche die vor dem Circus befindliche 
Gartens mit vielfachen Reihen von Stühlen befest ift. Diefe Luftfpa 
brachten anfangs täglich im Durchſchnitt 3000 Kranken ein. Dagegen I 
auch die ganze Unternehmung, den Ankauf des Gartens mit inbegriffer 
Mil. Fr. Zum Preife diefer Vergnuͤgungen trat fogar ein praftifche 
Cotterel, mit einer Schrift hervor, betitelt: „Promenades agriennes 
tagnes frangaises, considcrees sous le rapport de ’agrement et de 
worin er biefe Anftalt im lächerlichften Pofaunentone dem Publan 
Später haben diefe Anflalten wegen mancher Unglüdsfälle Befchräntung 
NRutfcherrecht wurde ehebem ein in einigen Gegenden übliche 
Grundherrn ober Darleihers genannt, welches barin beſtand, baf, we 
beſtimmten Tage, ja felbft zur Stunde, der an ihn gu zahlende Zins nich 


Ruyſch (Friedrich) Ruyter 681 


bie Gamme diefes Zinfes mit jedem Tage ober jeber Stunde um ein gewiſſes 
um flieg, gleichfam fortrutfchte (daher der Name), bis fie abgetragen wurde. 
Rupfch (Friedrich), geb. am 23. März 1638 im Haag, ſtudirte Medicin 
warb fich durch wichtige Entbeddungen im Gebiete ber Zerglieberungstunft, 
ſers aber durch bie Vervollkommnung ber Erfindung, durch Ausfprigen ber 
je die Körper Verſtorbener vor der Verweſung zu fihern, den Ruf des größten 
men f. Zeit. Als Peter I. von Rußland nad) Holland kam, befuchte er auch 
mb das Gabinet anatomifcher Präparate dieſes Belehrten erregte feine hoͤchſte 
nderung; auch kaufte er es in der Folge. R. flarb am 22. Febr. 1731, als 
led ber londner und parifer Akademie. Seine meift anatomifchen Schriften 
gest feinen Ruf. | 
Rupyfch (Rachel), eine ber berühmteften Frucht⸗ und Blumenmalerinnen, - 
1664, geft. 1750. Im ihren Bildern vereinigen ſich Wahrheit 
arbenglanz mit dem bewundernswuͤrdigſten Fleiße der Ausführung. 
Rupsdael oder Ruysdaal (Jakob), einer der größten Landſchafts⸗ 
Er war in Harlem 1635 geb. und fcheint f. Bruder Salomon R. zum 
gehabt zu haben. Er ftarb in f. Vaterftabt 1681. Sein Ziel fcheint bie 
aber poetifdye Auffaffung einer melandyolifchen, oft wilden Natur geweſen 
Er ſtellte Landſchaften von Bäumen, gefchloffen mit Bächen und Gen, 
ben die Begenftände fpiegeln, mit herbftlichen, duͤſterm Wolkenfluge, 
) er, und Wafferfälle, die zwifchen Felſen und Gebuͤſch herniederſtroͤ⸗ 
mit unmachahmlicher Kraft und Empfindung bar. Geine' Figuren ließ er 
nbern zeichnen. Herrliche Bilder von ihre befigen die dresdner, muͤnchner 
Ader ſche Sammlung. ©. über ihn ımb feine Gemälde auch Goͤthe im 
latt"' (1816, ©t. 107). 
unter (Michael Habrian), ein berühmter Seeheld, geb. 1607 zu Vlleſ⸗ 
Seeland, ward von f. Aitern zum Seilerhandwerk angehalten. Er ents 
nahm Dienfte auf einem Schiffe, wo er balb Belegenheit fand, fein aus⸗ 
Talent zum Seebienfte zu entwideln, durch weiches er ber Stolz; und 
Molds wurde. Vom Matrofen bis zum Admiral alle Dienſtgrade durch⸗ 
verdankte R. nur feinem Talent ımd f. Eifer bie Erhebung aus niebrigems 
umb fein Leben iſt ein fchöner Beweis, wie große Fähigkeiten fich durch 
fle Bahn zu brechen vermögen. Auf allen f. Seezügen erwarb er fich 
eines tapfer, umfichtigen, unerfchrodenen und ben Seekrieg völlig 
Heiden; f. Privatleben zeigt ihn un® als einen befcheidenen und ges 
Mann. Als 1641 Holland Portugal gegen Spaniens furdhtbare 
uuterflügte, befehligte R. bereits als Gontreadmiral bie abgefenbete Huͤlfe⸗ 
erwarb fich den Dank bes Liffaboner Hofes. Nicht minder ruhnwoll 
feine nachher unternommenen Züge gegen die afrikaniſchen Raubſtaaten. 
ber Krieg zwiſchen Holland und England ausbrach, befehligte er unter 
(f. d.) und fhlug mehrmals den engl. Anführer Askyn und beffen weit 
Macht. Rad) dem Friedensſchluſſe von 1665 kreuzte er aufs neue 
im Mittelmeer, nahm den Tuͤrken mehre Schiffe, nahm den 
Armand de Dias gefangen und ließ ihn hängen. Der neue Krleg 
zief ihn zu größern Unternehmumgen. Vorher ſchon war DR. von dem 
, dem er mit glüdlichem Erfolge gegen bie Schweden beiges 
hatte, nebſt [. Familie in den Adelſtand erhoben worden, jest übertrug ihm 
ſchwebendes Vaterland den Oberbefehl ber hollänbifchen Flotte, bie 
Britannien fich entgegenfegen ſollte. R. Löfte auf bie ehrenvolifte 
groſe Bertrauen, das man in f. Muth und in f. Talent ſetzte. Nachdem 
Geemacht in ben außereuropaͤiſchen Gewaͤſſern manchen Wertuft 
‚ flug es fie 1666 In 3 großen Seeſchlachten Fre und, die 




















532 Ryſſel Ryswil 


gleich bald darauf durch einen Untergebenen in Berlegenheit unb großen' 
bracht, ermannte er fich doch ſchnell wieder, lief in die Themſe ein m 
England zu einem Frieden, gleich ehrenvoll für f. Vaterland umb ihn (1! 
Bald entfland ein dritter Krieg mit England und zugleich mit Frankr 
diesmal errang R.'s Genie und Tapferkeit den Sieg, und während ; 
Waffen der Republik Höchft ungluͤcklich kaͤmpften, triumphirte die holl 
in einem entſcheidenden Siege (1673) über die verbundene engliſch⸗ 
Dankbar ehrte Holland feines Seehelden Verdienft. Als die beruͤhm 
des Hauſes Dranien, die Brüder de Witt, geflürzt und ermorbet w 
ſchonte ber Parteihaß den Helden, der Sceund und engverbunben mit d 
war. Die Republif fandte ihn mit einer Flotte zur Unterfiügung ber 
Sicilien; bier kaͤmpfte er tapfer wie immer gegen eine fehr überlegen 
Feinde (der Franzoſen), bis er 1676 in einem Treffen bei Meffina dur 
nonenfhuß den Fuß verlor und bald darauf in Syrakus an biefer W 
Sein Leihnam warb nady Amfterdam gebracht, wo ihm der Staat e 
Denkmal in ber Neuenkirche errichtete. 
Ryffel, f. Lilte.. 

Rys wik, Darf und Schloß in dem niederländ. Gouvernem 
land, 1 Stunde vom Haag, wo den 20. Sept. und den 30. Oct. 1697 
zu Rys wit gefchloffen wurde. Ludwig XIV. hatte 1688 das de 
angegriffen, um der Ligue von Augsburg, die feinen Vergrößerungen e 
wollte, zuvorzufommen und zugleih Wilhelms III., des Erbſtatthalte 
land, Plan, fich auf den britifchen Thron zu ſchwingen, zu vereiteln. 
wand dienten ihm die Anfprüche feiner Schwägerin, der Herzogin v 

“ auf die pfätzifch » fimmernfche Erbfolge, und die Wahl des Eczbiſchoft 
As Wilhelm dennoch in England landete (8.Nov. 1688), fo erlı 
auch) an Holland ben Krieg. Schon hatte er die Mheinprovinzen erot 
Kaifer Leopold und die Generalſtaaten gegen Frankreich ein Buͤndi 

. (Wien, 12. Mai 1689), dem Großbritannien, Spanien und Savonı 

Der Krieg wurde von Frankreich zu Lande mit großem Erfolg gefuͤhrt. 

ſchall von Luremburg eroberte bie fpanifchen Niederlande; Catinat fiegt 

Allein die Landung ber Sranzofen in Irland zu Bunften de® vertrich 

Jakob II. Stuart verungluͤckte, und die franz. Klotte unter dem Marfch 

warb von den Engländern und Holländern, unter dem Abm. Ruffel, b 

den 29. Mai 1692 gänzlich gefchlagen. Won biefer Zeit an erhob ſich 

Seemacht Über die franzöfifche. Indeß eroberte der Herzog v. Vendi 

nien und den 7. Aug. 1697 Barcelona. Dies und ber Wunſch Ludwi 

Ben europaͤiſchen Bund aufzuldfen, ehe ber fpanifche Thron erledigt 

ſchleunigte den Abfchluß des Friedens. Schon hatte Savoyen eine 

Frieden mit Frankreich zu Turin, 29. Aug. 1696, geſchloſſen und fid 

reidy verbunden; barauf vermittelte Schweben den allgemeinen Fried 

Congreffe zu Ryswik, feit dem 9. Mai 1697 biß zum 20. &ep 

land, Spanien und Holland den Frieden mit Frankreich unterzeichn 
wig XIV. gab alle Eroberungen in Catalonien und in den fpan. Niede 

Ausnahme von 82 reunirten Orten, zurüd und erfannte Wilhelm IH 

von Großbritannien und Irland an. Kalfer und Reid unterzeichneten 
mit Frankreich erſt am 30. Oct. Ludwig gab alle reunirte Orte an: 
juräd, ausgenommen was im Elſaß lag, deffen Souverainetät ihm 
wurde. Er behielt auch die 1681 in Befig genommene freie Meicht| 
burg. Biel Widerfpruch von Seiten ber Proteftanten veranlaßte die fe 
wiker Claufel des 4. Art., nad) welcher bie von Frankreich in be 
Jet zuruͤkgegebenen Orten (1922) eingeführte katholiſche Religion in 


S Saarlouis 5858 


m Beſfitzſtande bleiben folte. Kür die Allodialerbſchaft dee Herzogin von 
m6 bezahlte Kurpfalz, nad) dem fchiebsrichterlichen Ausfpruche des Papftes 
2), 300,000 Thlr. Frankreich gab alle Eroberungen, u. %. Philippsburg, 
arg, Altbreifach, und das von ihm erbaute Sort Kehl zurüd. Die Rhein» 
ahrt wurde für frei erklaͤt. S. „Actes et mem. des negociations de la 
le Ryswik (5 Bde.). Ä 


©. 


ber 19. Buchflabe des beutfchen Abe, welcher mit einem Anftoßen ber Zunge 
a die Zähne und mit einem zifchenden Laut ausgeſprochen wird. 
Saadi, f. Sadi. 
Saale, 1) Fluß in Franken (die fraͤnkiſche S.), deſſen Lauf ſich bloß durch 
stermainkreis des Koͤnigreichs Baiern erſtreckt. Sie entſpringt in dieſem 
aus dem Saalbrunnen oberhalb der Stadt Koͤnigshofen im Grabfelde und 
ſich bei Gemuͤnd in den Main; 2) ein Fluß in Thüringen (die thuͤringiſche 
mtfpringt im Obermainkreiſe bes Koͤnigreichs Baiern auf dem Fichtelgebirge 
m Saalbrımnen. Die Hauptquelle riefelt mit einem Maren, zu jeber Jah⸗ 
gleichen Waſſer unter einer Buche hervor, flürzt fi in den verfallenen 
jt eines Bergwerkes, und fließt aus befien Stollen wieder hervor, um ſich 
m Maffer des untern Saalbrunnens, einer Beinen Quelle, zu vereinigen. 
viele Gewaͤſſer verftärkt, bildet die Saale eine Zeitlang die Grenze zwiſchen 
Ibermainkreife und den reußiſchen Landen, verläßt nad) einem Laufe von 8 
n das baierfche Gebiet, bucchfließt hierauf die reußiſchen Lande, Saalfeld, 
Leſtenth. Schrwarzburg = Rudolftadt, Altenburg, das Fürftenth. Weimar, . 
mfeburger Regierungsbezirk ber Provinz Sachſen, das Anhaltifche, und vers 
‚fi im magbeburger Regierungsbezirk der Provinz Sachſen, füblicy von 
ybei Saalhorn, mit der Elbe. Erſt von Halle an ift fie fchiffbar vermittelft 
FSchleufen. Jetzt foll fie noch weiter hinauf bis Naumburg fchiffbar ges 
werden, um fo die Schifffahrt auf der von Artern bis zu ihrem Einfluffe in’ 
aale ſchiffbaren Unſtrut nugbarer zu machen, befonder® aber das Salz von 
mberg und Köfen zur Eibe führen zu fönnen. Die vornehmſten Nebenfläffe ' 
Bale find: die Schwarza, Orla, Ilm, Unftrut, weiße Eifter, Wipper und 
‚ Die wicdhtigften Städte an derſelben find: Hof, Rudolſtadt, Jena, 
rg, Weißenfels, Merfeburg, Halle, Bernburg und Kalbe. 
Saalfeld, ein Fuͤrſtenthum, auch Pflege genannt, über 8 DM. mit 
DO Einw., gehört feit der Theilung ber Länder der gothaiſchen Speciallinie zu . 
singen(f.d.). Die Hauptft. Saalfeld, ander Saale, hat 3500 Einw., 
maftätte, Lpceum, Fabriken und Bergbau; in der Nähe das Denkmal bes 
ns Louis von Preußen, der hier am 10. Oct. 1806 gegen die Franzoſen 
md fiel. — ©. Chrift. Wagner's „Darftell. des Fuͤrſtenthums Saalfeld in 
‚„ topograph. u. hiftor. Hinficht” (Hitdburgh. 1827). 
Baarlouis, in der Revolution Sarrelibre, die Außerfte nach Frankreich 
gende Grenzfeſtung Preußens, in dem Regierungsbezirk Trier. Die Stadt 
DO Häufer und, mit Einſchluß bes Militairs, 7000 Einw., barunter viele 
tzleher und Gewehrſchmiede. In der Nähe gibt ed Blei⸗ und Eifengruben. 
1815 gehörte Saarlouis zu dem Mofeldepart. von Sranfreih. Ludwig XIV. 
ke Stadt 1680 zur Dedung Lothringens durch Vauban befeftigen. Sie llegt 
we Ebene auf dem linken Saarufer; auf dem rechten befindet fich ale Bruͤcken⸗ 
ine Art von Hornwerk. Die eigentliche Feſtung bildet ein regeimägige® 


684 Saavedra Sabaͤismus 


Sechseck und beſteht aus Bollwerken und Courtinen, vor welchen ſich Grebe 
ven und Ravelins befinden. Der trockene Theil der Feftungsgräben, ducch 
die Saar nicht ummittelbar fließt, kann, ſowie ein großer Theil des vor 
Terrains auf der ſuͤdoͤſtl. Seite, unter Waffer gefegt werben unb.ift zu Wa 
noͤuvres eingerichtet. Die Gräben umgibt ein geräumigen doppelter bebedtı 
Auf den meiften Fronten befinden ſich vorgeſchobene bombenfefte Redui 
ſchanzen), die jede Annäherung an den bedediten Weg erfchweren. Auf 
lichen Sronten liegt noch uͤberdies ein abgefondertes Werk, ebenfalls mit! 
feften Reduits verſehen, welches zugleich die Caferne für bie Befagung ab 
das vor = und beſonders rechte feitwärtE gelegene Terrain der Hauptwerke 

der Nähe beftreichen fol. Der ganze Play ift durch die preuß. Reglerum 
guten Vertheibigungsftand gefegt und ducch die erwähnten bombenfeften 
u. f. w. beträchtlich, verftärkt worden. Den Hauptwall zieren Allen, 

Glacis, welches rund herum mit Strauchwert bepflanzt iſt, gleicht einen ı 
Dark, der von ben Feflungsmerken felbft fehr wenig von Außen fehen 
‚ Sta ryswicker Frieden, 1697, behielt Frankreich Saarlouis, dad vorher zu 
gen gehört hatte. Im fpanifchen Exbfolgekriege belagerten bie Verbuͤndet 
louis 1705, allein dee Marſchall Villars dedite biefen Platz und Thionvill 
Stellung bei Sierques. 1814 ward Saarlouis von den Verbündeten ei 
fen. Im parifer Vertrag vom 20. Nov. 1815 trat Frankreich Saarl 
Saarbruͤck, nebft beiden Ufern der Saar bis oberhalb der leßtgemannten € 
die verbündeten Mächte ab, nachdem biefe bereits in bem Protocolie, Pa 
Nov., jene Bezirke Preußen zugetheilt hatten, worauf oͤſtreich. und prei 
miſſaire durch den Vertrag zu Worms (1. Zul. 1816) die Grenzen des pi 
biet3 an der Saar näher beftimmten. 

Sanvedra Farardo, f. Sarardo. 

Sabäer hießen bei den Alten die Bewohner des heutigen SJema 
bien. Ihre Hauptftabt hieß Saba. 

Sabäismus (a. d. Hebr. Zaba, Heer, wovon, weil Gottes: 
Geſtirne oder Mächte des Himmels genannt werben, Gott Zebaoth, 
Himmelsheere heißt), diejenige Religion, welche bie Himmelskoͤrper, in 
Sonne und Mond, ald Götter verehrt. Die Wahrnehmung bes maͤcht 
fluſſes der Geſtirne auf die jährlichen Veränderungen in ber Natur unt 
damit zufammenhängende Wohlfein der Menfchen erzeugte die Worftelli 
Goͤttlichkeit, und bie Beziehung zu den Geſtirnen, in der gewiffe X 
Dflanzen, wie die in ihnen wirkenden Naturkräfte überhaupt, entweder 
flimmte Abhängigkeit ftehen, ober durch finnbilbliche Deutumg gebrad 
Binnen, führte auch biefe in den Kreis der Erfcheinungen ein, in denen 
bälsmus goͤttliches Leben und Gegenftände der Verehrung erkennt. Di 
Anſchauung des Geſchlechtsverhaͤltniſſes bee lebendigen Geſchoͤpfe hervars 
und in den indiſchen Mythen vormwaltende Grundidee bes Zeugens, Em 
unmb Gebaͤrens, welche in der finnlichen Vorſtellungsweiſe der Urwelt die € 
Begriffs von Urfach und Wirkung vertrat, ward auf hiftorifchenn Wegı 
rellgloͤſen Anficht des Sabaͤismus verfehmolzen, wodurch diefer die Rich 
Ausbildung erhielt, In der er in den Göttergefchichten der vorderaſiatiſch 
erfheint. Denm Ägypten, Arabien, und befonders bie Länder, melde d 
Euphrat und Tigris, weftlich das Mittelmeer und nördlich das fehmwarze 
grenzt, waren, nad) den uns bekannten mpthologifchen Überlieferungen, 
biet, auf dem der Sabaͤismus in der vorchriftlichen Zeit herrfchte, und | 
zur Verehrung des einigen Gottes angeleiteten Hebraͤer zeigten oft ſtake 
zu bem üppigen Natucdienfte, in den ber Sabdismus außartete. Herobetl 
uns benfelben als ein Spiel mit den ſchaffenden und erhaltenden Kräften 


Sabbath Sabellius 636 


za Natur, das bie Einbildungskraft anziehen und alle Sinne und finntidye 
we lebhaft befchäftigen mußte. Wer die Religionsgefchichte ber Chaldaͤer, Aſſy⸗ 
‚ Speer umb ber Völker Kleinafiene aus Wagner's „Ideen zu e. allgem. My⸗ 
kngie der alten Welt”, aus Börres’s „Mythengefchichte”, aus Creuzer's, Sym⸗ 
P* und aus Baur’s „ Symbolik” Eennt, wird e8 nicht zu hart finden, bag die 
wheten des alten Teſtaments die Sottesdienfte diefer Heiden eine Hurerel nen: 
„ weiche die wuͤſte, ſich felbft zerftöremde finnliche Begierde mit der Natur 
. (Bol. Mythologie, Natur, Polytheismus,.) . 
Sabbath, 1) beiden Hebräern und bei den jegigen Juden der Sonnabend, 
"Re ihn, nad) der Dlofaifchen Gefeßgebung,, der Ruhe von Arbeiten ımb bet 
—— widmen, wie bie Chriſten den Sonntag, mit dem Unterſchlede 
« daß der Sabbath bei ihnen fchon am Freitage, kurz vor Sonnenuntergange, 
Igt und mit großer Strenge gefeiert wird. Ihnen folgt in der Feier des Sonn» 
DS eine Secte der Wiedertäufer, Sabbathianer genannt. Auch mochten 
bie Juden am Sabbath nicht weit von ihrem Aufenthalt entfernen (ungefähr 
halbe Stunde), daher ein Sabbatherweg. — 2) Verfteht ein aus bem 
tchum zu uns gekommener Volksglaube unter Sabbath eine mitternädhtliche 
wfamımlung von Zauberern und Heren, unter dem Vorfige Ihres Herrn und 
ers, des Teufeld. Tag und Drt der Zuſammenkunft find in den verfchles 
a Ländern verfchieden. In Deutfchland z. B., wenigſtens in bem nördlichen, 
B die Nacht vom 30. April auf den 1. Mat, und der Broden oder Blocks⸗ 
„ die hoͤchſte Spige bes Harzgebirged.” Mit dem Schlage ber fogen. Geifters 
ve weckt Satan feine Sünger durch ein nur ihnen hörbares und verftändliches 
ea aus dem erftien Schafe. Ziegenböde, Efel, Befenftiele, Ofengabeln 
w. führen fie, mit Hülfe einiger Zauberworte, windſchnell durch die Lüfte, 
KH die dickſten Mauern, die ftärkften Keffeln ihnen Bein Hinberniß find. Wenn 
ellſchaft verfammelt ift, erfcheint der Teufel, gewöhnlich unter ber Geftalt 
großen Bode mit mächtigen Hoͤrnern und mit einem ſchwarzen menfchlichen 
unter dem langen Schwanze, welches vorzugsweife beftimmt iſt, die Ehren» 
gen der Verfammlung zu empfangen. Ex fcheint alfo ein Abkoͤmmling des 
Gottes Janus, mit dem Doppelgefichte, zu fein, obgleich fein zweites 
nicht gerade diefelbe Stelle einnimmt, wie bei diefem. — Nach ben Be: 
gsgruͤßen befteigt Satanas f. Thron, muftert das verfammelte Heer, 
bie Neuangeworbenen vorftellen, bezeichnet fie an irgend einer geheimen 
ihres Körper mit dem Zeichen ber Aufnahme In den ſchoͤnen Bund und 
ihnen ihren künftigen Wirkungskreis an. Unter den ältern Ordensgliedern 
es Beförderungen und, den Umftänden nach, auch wol Entwürbungen, Bes 
ungen und Strafen. Diefer Feierlichkeit folgt das Mahl, wo Brot von 
weger Hirſe, und als vorzügliche Leckerei, Kroͤtenfleiſch und Fleiſch von hinge⸗ 
Übelchätern und gemordeten ungetauften Kindern aufgetragen wird, und 
Beendigung Satan die Hulbigungen feiner Säfte empfängt. Sie kuͤſ⸗ 
das eine und das andere Geficht, überreichen ihm mannigfaltige Opferga⸗ 
unter taufend wiberlichen und unziemlichen Stellungen und Verſchraͤnkungen, 


= ekelhafte Libationen dar, machen das Zeichen des Kreuzes, aber in ums 











Richtung und mit der linken Dand u.f.w. Den Beſchluß des ſcheuß⸗ 
Gelags machen endlich Gefang und Tanz; ſchmuzige Lieder und Lieblofuns 

a fppige Sprünge und ſchandbare Genuͤſſe aller Art durchkreuzen fich in wilber 
| 9, bi6 das Krähen des Hahn, der den anbrechenden Morgen verkündet, 

Verfammlung auseinanderfprengt. 

Sabellius, ein chriftlicher Lehrer zu Ptolemais, ein Afrikaner, lebte um 
ud iſt als Stifter einer Partei in ber chriftlichen Kirche merkwuͤrdig, welche 
Wakehee von der Dreieinigkeit dadurch von dem nachher geſetzlich gewarhenen 


886. Sabier 


Klrchenglauben abmwich, daß fie ben Sohn und ben heil. Geift nur als ver 
Dffenbarungen ober Kraftäußerungen bes einigen Gottes, aber nicht als | 
Derfonen In ber Gottheit gelten laffen wollte. Die Dreifaltigkeit erfchien 
ver Vorftellungsweife nur als eine dreifache Wirkungsart, als ein breifa: 
haͤltniß Gottes zur Well. Was ber Evangelift Zohannes das Wert (Lo 
die toriftliche Kirche ben Sohn Gottes nennt, verglid S. mit einem Str 
bie Sonne ausfendet, um zu erleuchten und zu wärmen, und meinte ix 
biefer Logos ober Strahl ber göttlichen Urkraft nur in und durch ben Men 
ſus thätig gewefen fei, um das Werk der Erlöfung zu volbringen; aber ! 
ges ein.von bem Leben bes einigen Gotses gefonbertes und verſchieden 

Die Sabellianer wurben im 4. Jahrh. von der orthoboren J 
terdruͤckt, die Anficht des Sabellianismus aber hat immerwährend Freur 
den, und noch jetzt leuchtet fie aus ben Deutungen hervor, welche neuere & 
bei dem DBeftreben, die Eicchliche Lehre von ber Dreieinigkeit aufrecht 
ten und fie Doch auch der Vernunft faßlid und annehmlich zu machen, 


en. 

Sabier, Zabier, auch Johannischriſten, die Anhänger einer 
Sekte, melde ſich aus benjenigen Schülern des Täufer Johannes, bie 
Chriſtenthume uͤbertreten wollten, gebildet hat. Sie ging kurz vor der E 
der: chriftl. Gemeinde aus dem Judenthume hervor, von dem fie fich trer 
wendete ſich von den Ufern des Jordans, der jhr heilig war, nach Kh 
Perfien, wo fie von chriftiichen Reifenden im 17. umd 18. Jahrh. unweit 
(dem alten Sufa) gefunden worden ift. Das ehedem aufder Geſchich 
und Verfaffung der Sabier ruhende Dunkel wurde gegen das Ende des 1. 
durch die Unterfuchungen unferer Orientaliften über einige Bruchſtuͤcke bei 
Religionsſchriften noch wenig aufgeklärt. Nur fo viel wird jegt angenon 
fie den Täufer Johannes als Ihren Stifter und vorzuglichften Propheten 
an einen einigen Bott und an die Sendung eines Gottmenſchen glaube 
Manda bi Chaie, d. h. Wort (Logos) des Lebens, und nach ihm fich fel 
dder nennen. Diefer Gottmenſch foll von Johannes getauft worden ı 
Zeit auf Erden fihtbar, aber mit dem Stifter bes Chriſtenthums feines 
let Perſon gewefen fein. Sefum erklärten die Sabier für einen bloßen 
und falfchen Meſſias, obgleich das, was fie von ben Thaten und Schi 
Gottmenſchen angeben, den evangelifchen Nachrichten von Chrifto fel 
fieht und davon entlehnt zu fein fcheint. In ihren Anfichten von dem 
‚ niffe Gottes zur Welt und der Geifterlehre find die Spuren von Einm 
aus Zoroafters Kehren, und llbereinftimmungen mit der gnoftifchen A 
nicht zu verkennen, wodurch es wahrfcheinlich wird, daß ſich ihre Lehrb 
während ihres Aufenthaltes in Perfien entwidelt hat. Ihr Glaube an 
und Unfterblichkeit ſchließt fich näher an den chriftlichen an, und das Wer 
man von ihren religioͤſen Gebräuchen und Ihrer kirchlichen Verfaffung ı 
vermuthen, daß fie von den Neftorianifchen Chriften, mit denen fie unte: 
triarchen berfelben zu Babylon bis 1480 in kirchlicher Vereinigung lebter 
ihnen noch jeßt beftehende Ordnung des Priefterftandes unter Bifchäfen, t 
tagsfeier und die Verehrung bed Kreuzes angenommen haben. Ihr vo 
Gebrauch iſt die Kaufe oder heilige Abwaſchung im Namen des Worts de 
die fie nach Altern Nachrichten täglich wiederholen. Aus ihren Glauben 
fieht man zwar, daß fie nicht ganz ohne Kiteratur find, doch gibt der finfl 
glaube, ber ihren Prieftern als Mittel ber Herrfchaft dient, den niedrige 
ihrer Bildung zu erkennen. Die Verfuche, fie dem Papfte zu unterwerfn 
ohne bleibenden Erfolg. Sie wollen Eeine Chriften fein, aber noch mel 
fheuen fie bie Türken und ben Selamismus überhaupt, daher fie bie Bias 


Sabiner Sacchini 587 


tuͤrkiſchen Weiber zu ihren Beinkleidern zu wählen pflegen, weber an ihs 
then ımb Haͤuſern noch an ihren Kleidungen dulden, und die blauen 
ander und Altarbedien ter Katholiken viel unerträglicher fanden als ihre 
Bon den Mohammebanern, unter benen fie leben, ohne fi) mit ihnen 
vn, u unterfcheiden fie fich durch milbere, der chriftlichen Lebenswelſe ver⸗ 


biner, eine alte Voͤlkerſchaft Italiens, wahrſcheinlich Abtömnhage 
ker und Verwandte der Aborigener. Dieſes zahlreiche Volk, das viele 
angelegt hatte, lebte in den Apenninen, vornehmlich als Hirten von der 
Horaz rühme ihre Redlichkeit, Mäfigkeit und Einfachheit der Sit 
e Land wurde gegen Abend burch die Fiber von Etrurien, gegen Mittag 
Anio⸗Fluß (Teverone) von Latium, gegen Mitternacht durch den Nars 
Umbrien gefchieden; gegen Morgen wohnten die fabinifchen Eolonien ber 
mb Marruciner, welche e8 vom Meere trennten; e9 begriff daher größtens 
‚ggegenden bes Apenninus. Der Boden war fruchtbar und reich an treff⸗ 
iden. Er trug DI, Obſt und Wein. Aud) gab er gute Eichelmaft. 
binerinnenraub, f. Romulus. 

cdhini (Antonio Maria Safparo). Diefer Componift, geb. zu Neapel 
atte mehre Fahre unter dem berühmten Durante zugleich mit Piccini, 
nd Guglielmi ftubirt. Die Gewandtheit, welche er ſich auf ber Violine 
var in der Folge in f. Compofitionen mahrzunchmen. Bald nahdem er 
Ihe Mufitfchufe verlaffen hatte, machte er ſich durch f. Werke befahnt. 
yafften ihm 1762 eine Anftelung bei dem Theuter zu Rom, wo er 7 ober 
lieb ; er befuchte von hier aus einige andre Städte Staliend. Die Kens 
ten, dag wenn Piccint ihn im Komifchen, er dieſen im Tragiſchen über: 
769 warb er als Galuppi's Nachfolger nach Venedig berufen. Abge⸗ 
den Kicchencompofitionen, welche er hier herausgab, bildete er auch treffe 
gerinnen: die Babrieli, Conti, Pasquali u. A. London wuͤnſchte ihn 
escomponiften zu befisen. Er ging daher über Stuttgart und München, 
t großem Beifall gehört wurde, und 1771 über Holland nad) London. 
yonirte er für das ital. Theater treffliche Inrifche Tragoͤdien, als: „Montes 
Derfeus”, den „Cid“ u. A., deren uns befannt gewordene Bruchſtuͤcke von 
en Schoͤnheit ſind. Seine Lidenſchaft fuͤr die Frauen ſtuͤrzte ihn in große 
witen. Gegen 1782 lieg ihm die Verwaltung der Oper zu Paris den 
chen, für das Theater zu arbeiten. Man vereinigte fich Über bie Bedin⸗ 
und 1783 erfhien „Renaud“, worauf „Chimene“ und „Dardanus” 
Da S. zu einer Zeit auftrat, wo durch Gluck und Piccini die Franzofen 
: fremde Mufit waren gewöhnt morben, fo erregte er anfangs feine befon- 
nahme, bis f. „Ocdipe à Colone” erſchien, der in jeder Dinficht großen 
ntete und noch bis jest eher darin geftiegen als gefunten if. Bevor er 
uf die Bühne bringen Eonnte, hatte er mit fo unglaublichen Schwierig» 
tämpfen, daß er befchloß nach England zuruͤckzukehren, wohin f. Gönner 
nde, nad) übernommener Tilgung f. Schulden, ihn einluden. Aber er 
Paris 1786 an den Folgen eines jurüdigetretenen Gichtanfalls.. Die Oper 
„welche er unvollendet hinterließ, beenbigte Mey zur Zufriedenheit der 
unde. — Man zählt gegen 50 Opern von ihm. Seine Büfte aus Mars 
: in der Gapelle des Pantheons in Rom neben Rafael's Denkmal. Die 
enſchaften diefes großen Componiften find Keichtigkeit, Anmuth und ein- 
beit. Seine Sefänge find fo natuͤrlich und fo gluͤcklich, daß fie fic in der 
» Sängers von felbft zu bilden und daraus hervorzugehen [cheinen. 

bie ſchwere Kunſt, Geſang und Declamation, dieſe beiden fo wichtigen und 
sgengefestn Eigenfchaften, mit einander zu vereinigen. Seine Harmonie 


588 Saqghalien Sachs 


iſt rein und voll; auch glänzt er in dem religloͤs⸗ idealen Styl; ſ. Pr 
der „Olympiade find die ſchoͤnſten Muſter in ihrer Art. Gen „Dbt 
jegt zumeilen auf der Bönigl, Bühne zu Berlin gegeben; auch gibt es e 
auszug davon. Einförmigkeit iſt wol der einzige Fehler, den die Ar 
werfen kann. 

Sachalien, Sadalin, Sagalien, oder Ula= Hata, d. I. grof 
Halbinfel im ochozlifchen Meere, der Mündung bes Amur gegenüb 
Lande der Mandſchu nördlich durch eine flache Erdzunge verbund: 
Straße Jedſo bilden. Das von gutmüthigen Schthyophagen, ben An 
Land ift gebirgig, aber nicht unfruchtbar. An der Bai Nadeshda iſt ein 
von Tataren. Die ruffifch » ameritanifche Geſellſchaft nahm die Halb! 
Beſitz als bequeme Station der zum Hanbel mit Nordamerika beitimm 

Sachenrecht (jus rerum) fleht in der wiffenfchaftlichen At 
Mechtsobjecte dem Perfonenrechte entgegen und iſt der Inbegriff all 
Beſtimmungen, welche ſich nicht auf perfönliche Eigenfchaften und 
(status personalis, wie Samilienrechte, Paternität, Standesrechte ı 
dern auf Äußere Gegenftänbe beziehen. Dies ift aber wieder von di 
Urt, indem entweder eine Sache mit einer Perfon in einer ſolchen reı 
knuͤpfung fteht, daß daraus für alle andre die Schuldigkeit entfleht, fi 
wirkung auf diefelbe zu enthalten, und für den Deren der Sache dad 
Sache von jedem zuruͤckzufodern, in deffen Gewahrfam er fie find 
dingliche Rechte), oder indem nur eine beftimmte Perfon zu Gewährun 
(einem Geben ober Hervorbringung derfelben) verpflichtet iſt (jus ad ı 
sonam , Foderung, Obligation). Das dingliche Rechtsverhaͤltniße 
gemeines, einem Berechtigten flehen alle andre als zu einem Unterlafl 
tetegegenüber, und er hat, wenn er beeinträchtigt ift, eine Klage ge: 
den, welcher ihn in feinem Rechte flört, eine dingliche Klage; das ! 
verhaͤltniß ift ein fpecielles, wo dem Berechtigten ein beſonders Verpfli 
überfteht. Die Klage ift daher auch nur gegen diefen beſonders Verp 
Die, welche feine Handlungen zu vertreten haben, möglich (aetio 
Die dinglichen Rechte find auf 4 Hauptformen zuruͤckzufuͤhren: 1) Eig 
ches durch Vindicationsklagen geltend gemacht wird; 2) Exrbfhaftsr: 
Klagen hereditatis petitio genannt werden; 3) Gebrauchsrechte an 
Sache, Servituten,, die Klagen find actio confessoria, wenn Jema 
Rechte an einer fremden Sache verlangt, und actio negatoria , wer 
thümer die Freiheit feiner Sache gegen einen Andern geltendmacht; 4) 
aus welchen eine Pfandklage gegen jeden dritten Befiger entfpringt. 
Nuancen koͤnnen bier nicht angegeben werden. Im deutſchen Rechte 
einige andere ſaͤchliche Rechtöverhältniffe vor, 3. ®. Bannrechte, Retra 

Sacherklaͤrung, f. Definition. - 

Sachs (Han), der vorzuͤglichſte Meifterfänger Deutſchlands in 
wurde 1494 zu Nürnberg geb., lernte in f. Jugend das Schufterban 
derte ald Gefelle, verband nachher in f. Vaterſtadt f. Handwerk mit t 
Meiftergefanges, In dem er die Höchften Ehren und Würden erlangte 
lebhaften Theil an den Ereigniffen f. Zeit, namentlidy an der Lutherif 
verbefferung , zu welcher er felbft überging, und ftarb 1576 d. 19. Jo 
geehrt. Er gehört nicht nur unter die beften Dichter feines Jahrh 
auch für unfere Zeit der Anerfennung würdig. Er befaß ein fehr fruch 
eifched Genie und ungeachtet der rauben Sprache zeichnen fidh f. € 
Maivetät, Gemuͤthlichkeit, witzige Darſtellung, finnreiche Erfindu 
fende, oft beißende Sittenſchilderung aus feinem Zeitalter aus. S 
Werke kamen heraus zu Nümberg 1570 fg. in 5 Bon. Fol., nad 


Sachſen. J. Altere Geſchichte 689 


3 Bbe. Fol., und zu Kempten 1612 — 16 in 5 Bon. 4. Hands 
n Hans Sachs's Gedichten befinden fich in der Schulbibliothek zu Zwi⸗ 
e Bibliothek des Alumneums zu Altdorf u. a. D. 5. I. Bertuch's 
3 Hans Sachs's Werten” (Weimar 1778) wurben nicht mit der Liebe 
en, daß eine vollftändige Ausg. folgen konnte. Um fo erfienlicher iſt e6 
‚nde alter vaterländifcher Dichtkunſt, bag Buͤſching unternommen hat, 
Auswahl zu erneuem (Rümberg 1828, in 6 Bon., m. Kpfn.). Die 
ruckten portifchen Werke dieſes merkwürdigen Schriftfteller® beſtehen in 
yen, 116 allegorifchen Erzählungen und 197 Schwaͤnken. Auch hat 
nfache, herzerhebende Kirchenlieder gebichtet, u. a. das: „Warum bes 
ich, mein Ders u. ſ. w.“ Ferner das berühmte Gebicht auf Luther: 
aberger Nachtigal”. Goͤthe hat fich dad Verbienft erworben, inf. Er⸗ 
6 alten Holsfchnitts den alten Meifterfänger den Zeitgenoffen durch 
3 näher zu bringen. | 
fen. I. Ältere Geſchichte. Wenngleich der Name der Sachſen 
jeichniß ber germanifchen Wölkerfchaften beim Tacitus fehlt, und weder 
Mela noch Plinius der Sachſen gedenken, fo bürften fie doch urſpruͤng⸗ 
orddeutſchen Stämmen gehören, die u. b. N. der Cimbern und Teuto⸗ 
m Zügen nach bem Süden das römifche Reich mächtig bebrohten und 
m Heldenmuth des Marius bezwungen merben konnten. Erſt Ptole⸗ 
dieſen Volksſtamm bei der cimbrifchen Halbinfel, im heutigen Holftels 
deffen Umgebungen, auf. Die verfuchten Herleitungen des fächfifchen 
n6 (von Saffen, Eingefeffenen, von Sar, einem kleinen Dolche) ers 
8 srammatifchen Beweiſes und der biftorifchen Begründung. Seit aber 
im 3. chriſtl. Jahrh. als eine befondere germaniſche Voͤlkerſchaft im 
Deutfchlanb erfcheinen, wird ihrer als eines zahlreichen, Eriegerifchen 
erifchen Volks gebacht, welches die belgifchen, armorifchen und britans 
ten fo oft bedrohte, daß die roͤmiſchen Imperatoren zur Deckung diefer 
a eignen Slottenführer (comitem littoris Saxoniei) ernannten. Schon 
Ende d. 3. Jahrh. beunruhigten die Sachſen auch die römifchen Brenz 
ı den Rheins und Scheldegegenden, und mahrfcheinlich befegten fie feit 
ver Völkerwanderung bie zwiſchen dem Mheine, der Wefer und der Eibe 
tziehenden Stämmen erledigten Wohnpläge. Zwei bedeutende Horben 
ngen um 449, unter Hengift und Horfa, nach Britannien (f. Groß» 
en) und flifteten bafelbft 7 angelfächfifche Königreiche. Die Herzfchaft 
ı beftand in Britannien bis 1066. Die in Deutfchland zuruͤckgebliebe⸗ 
a erſchienen in ihren weit ausgebreiteten Befigungen u. d. N. der Oftfas 
'alen und Engern. Sie grenztenimM. an die Frleſen und an die Daͤ⸗ 
. an bie ben Deutfchen feit der Völkerwanderung bis an die Elbe nach⸗ 
wifchen Voͤlkerſchaften. In Verbindung mit den Franken, melde uns 
ig im J. 486 in Gallien den legten Überreſt der roͤmiſchen Macht vers 
m, zerflörten fie 528 das damals im mitten Deutſchland bebeutende 
Thüringen, von welchem bie nördlichen, am Darze gelegenen Theile des 
ndes an bie Sacıfen kamen. Doch zerfielen die Sachfen unb bie Frans 
ter fich über diefe neue Erwerbung,, und als Kari db. Er. die Macht des 
Reichs im Innern und nach Außen befeftigt hatte, begann er ben 30jäh- 
f mit den Sachſen, die er zur Anerkennung f. Hoheit und zur Annahme 
ithums bringen wollte. Der Eräftige Widerftand der Sachſen, befon> 
ihrem Deldenanführer Wittekind, zeigte , wie theuer dieſes freie Volk 
Selbſtaͤndigkeit und Unabhängigkeit verlaufen würde. Dem felbft 
ittekind, nach f. Zaufe zu Attignp, nicht mehr an der Spige ber ſaͤchſi⸗ 
eſchaften fland, ward ber blutige Kampf derfelben gegen Karl fartarfekt, 


540 Saachſen. I. Ältere Geſchichte 


bis endlich 803 der Vertrag zu Selz die Sachſen bahin brachte, daß fie 
ſtenthum annahmen, der Geiftlichkeit den Zehnten entrichteten und mit de 
zu Einem Volle vereinigt wurden. Doch ſollten fie alle ihre biäherigen 3 
Geſetze behalten ımb zu Eeinen befondern Abgaben an ben neuen Ober 
pflichtet fein. — Wenngleich Karl für die Entroilderumg und Bildung di 
durch viele Im Umfange ihres Gebletes angelegte Bisthuͤmer und Schule 
nabruͤck, Minden, Bremen, Verben, Paderborn, Muͤnſter, Hildes! 
w.) ſorgte, fo verfielen doch überhaupt feine für Wiſſenſchaften und für 
begründeten Anftalten unter ben innern und Außen Unruhen während 
rung ber unmittelbaren Nachfolger aus f. Haufe. Als aber unter dem 
feiner Enkel, unter Ludwig bem Deutfchen, im verduner Vertrage (843 
land ein eigne® Reich und von Frankreich auf immer getrennt warb, da 
Sachſen einen der mädhtigften Stämme in der Reihe ber 6 zu Deutfchlar 
den Bölkerfchaften: der Oftfranken, der Sachſen, der Sriefen, ber Thuͤ 
Schwaben und Baiern. Schon unter Ludwigs Regierung wird (81 
welcher große Exrbgüter in Oftfalen befaß, als Herzog von Sachſen genaı 
ältefter Sohn Bruno folgte dem Vater in diefer Würde (859), erba 
Braunfchweig und fiel (880) im Kampfe gegen die Normänner, wien 
zogl. Würde auf deffen jüngern Bruder, Dtto den Erlauchten, übergin 
der entweder nur beträchtliche Samilienländer in Thüringen, oder das H 
Thuͤringen felbft, ſowie Sachſen als deutſches Reichslehn befaß, lehnte, 
Erloͤſchen des Carolingiſchen Geſchlechts in Deutſchland mit Ludwig 
(911), die ihm angebotene deutſche Krone ab und leitete die Wahl ber S 
den oftfränkifchen Grafen Konrad. Allein diefer Konrad ſchlug felbft 
den Sohn Dttos des Erlauchten, den Eräftigen Herzog Heinrich von S 
, Nachfolger vor, und fo trugen Heintich und nad) ihm, in unmittelb 
‚Sohn, Enkel und Urenkel, Otto L, IL, III., die deutfche Krone. V 
4 Sürften aus dem fächfifchen Haufe war entfchieden Heinrich I. (f.t 
tigfte und ausgezeichnetfte. Er hatte das Herzogthum Sachſen beibehal 
f. Sohn Otto J. (reg. von 936 — 973) ertheilte es einem feiner Verwaı 
tapfern eingeborenen Sachſen, Hermann Billung. — Diefes Billung 
der Herzoge von Sachſen erloſch 1106 mit dem Herzoge Magnus, wo 
Heinrich V. den Grafen Lothar von Supplinburg und Querfurt mit € 
lehnte. Nachdem aber diefer ( 1125) den deutfchen Thron befllegen bi 
trug er Sachſen feinem Schwiegerfohne, dem Herzoge Heintih dem € 
Baiern, der im Mannsſtamm von dem Buelfifhen Haufe abflammıt 
Mutter aber ber Enkel des legten fächfifchen Herzogs Mognus war. — 
zwei Guelfen, Heinrich der Stolze, und f. Eräftiger Sohn, Heinrich 
beherrfchten, unter abwechſelnden Schidfalen, zugleich bie beiden maͤcht 
zogthümer Deutſchlands in der damaligen Zeit; denn die Ländergier der 
Löwen, beſonders unter den geiftlichen norddeutſchen Kürften, und ! 
Schwächung ber größten Reichsvaſallen berechnete Politik Kaifer Friedt 
fen zufammen in dem beabfichtigten Sturze jenes Fürften. Die über ihn 
gefprochene Reichsacht war der Wendepunft feiner politifchen Macht. Ka 
feinem Haufe das braunfchweigifche Erbland gerettet werden; das H 
Baiern kam an das Wittelsbachiſche Haus; das Herzogthum Sachſen abe 
hard von Askanien, ben Enkel des Herzogs Magnus von f. zweiten T 
mit dem Askanier Albrecht dem Bär vermählt gewefen war. Es began 
1180 der Askanifche Mannsſtamm der Herzoge von Sachſen. Allein 
befaß zu wenig Macht durch feine Samilienbefigungen, um bie vom Kaiſe 
tigte Zerfplitterung des großen Derzogthums Sachfen hindern zu Binnen. 
herige Hauptſtadt deffelben, Luͤbeck, ward eine freie Stadt; ber Erzb 


Sachen. I. Ältere Gefchichte 54 


ı fegte ſich in den Beſiz des Herzogthums Weftfaten; mehre geiftliche und weltl. 
Bew, weiche bis jegt unter der Hoheit bes Herzogs von Sachſen geftanden hatten, 
geen zur Meichsunmittelbarkeit, wohin befonder# die Fuͤrſten von Medienburg 
Hommern gehörten. Wenn alfo auch der Name eines Herzogs von Sachſen 
bes damit verbundene Reichserzmarſchallam auf Bernhard von Askanien übers 
‚, fo ward doch feit diefer Zeit jener Name auf andre Gegenden Deutſchlands 
etragen als die, welche bis 1180 Sacyfen geheißen hatten. — Das neue, 
BB, Herzogthum Sachſen erhielt feit diefer Zeit f. Mittelpunkt an ber Mit⸗ 
B in Wittenberg, in Gegenden, welche Bernhards Vater, Albrecht der Bär, 
Mrjährigen Kämpfen ben ſlawiſchen Voͤlkerſchaften entriffen und durch mehre 
u Niederlanden dahin verfeste Coloniften neu bevölkert hatte. Gegen diefe bes 
u Slawen hatte Albrecht die Burgmarten Wittenberg, Zahna, Elſtermuͤnde 
Iesige Dorf Eifter), Wiefenburg (ein Rittergut ber Wagdorfifchen Kamille), 
m (ein Dorf, anderthalb Stunden von Wittenberg) und Coffewis (das jetzige 
Rs bernburgifche Städtchen Koswig an der Elbe) angelegt. Won den aus den 
rianden angekommenen neuen Goloniften (vgl. Helmoldi Chron. Siavorum, 
e. 88) wurden in diefen Gegenden mehre Flecken und Staͤdte begründet, deren 
m fogar auf ben nieberländifchen Urfprung hinführen, als Kemberg (Cam⸗ 
1 Bräd (Brügge), Niemegk (Nimmegen), Graͤfenhaynichen (Grafenhaag) 
— In diefen von Albrecht eroberten und mit ſ. anhaltifhen Samilienbefiguns 
wrbundenen Ländern war Bernhard feinem Water 1170 gefolgt, und von bier 
te er, nach f. Gelangung zur herzogt. fächfifchen Würde, die Rechte derſel⸗ 
d, indem er menigftens über die mindermädhtigen fächfifchen Vaſallen, 3. 
Grafen von Schwerin, von Danneberg u. a., bie bißherige ſaͤchſiſche Ober⸗ 
behauptete umd durch Erobsrungen an der Nieberelbe im Lande ber Polaben 
em erweiterte, wo er zue Sicherung dieſer Eroberung gegen bie befiegten 
die Lauenburg (Polabenburg) anlegte. Nach f. Tode folgte ihm (1211) 
Herzogthum Sachſen f. Sohn Albrecht I. und in den anhaltifcyen Familien⸗ 
f. Sohn Heinrich, der Stammmvater des noch jet in den drei Linien 
anbaltifchen Haufes. Da Albrecht mehre Urkunden in Wittenberg außs 
fo ſcheint wenigftens feit f. Zeit biefe Stadt die Reſidenz der Askaniſchen 
t von Sachſen geweſen zu fein. So Elein auch f. Land war , fo war es doch 
(1260) zwifchen f. Söhnen getheilt, von welchen der ältere, Johann, bie 
ſchen, und der jüngere, Albrecht IE. , die wittenbergiſchen Gegenden ers 
— Geit diefer Zeit find beide Länder nicht wieder vereinigt worden. Die fach» 
gifche Linie erlofch 1689, worauf die Befigungen berfelben, nad) eis 
jährigen Streite mit den beiden fächfifchen Häufern der Albertinifchen und 
[den Linie, an Braunfchweigs Celle kamen; die fachfen : wittenbergifche 
gegen erlofch bereitö 1422 mit dem Herzoge Albrecht III. In diefen Laͤn⸗ 
der herzogl. Würde folgte demſelben, nad) ber Belehnung bes Kaiſers 
d, dee Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, Friedrich 
Bereitbare, wodurch alfo das in Meißen feit 1127 erblich regierende Wettinfche 
t zus ſaͤchfiſchen Kurwuͤrde und zum Reichserzmarſchallamt gelangte, obs 
ſachſen⸗ laumburgifche Haus einen lange fortgeführten Widerſpruch def: 
„ mb felbft der neue Kurfürft von Brandenburg, Friedrich von Hohen 

‚ das Land für f. Sohn Johann, der mit der Tochter bes vorlegten Askani⸗ 
Rucfhrfien Rudolf III. vermählt war, in Anfpruch und wirklihen Beſitz 
Doc gab Friedrich von Brandenburg an Friedrich den Streitbaren das 
heraus, nachdem er von dem legtern 10,000 Schock boͤhmiſcher Grofchen 
I. 28,000 GSulben) erhalten, und der Kaifer erflärt hatte, er werde den 
von Meißen gegen jeden Anſpruch, und namentlich gegen ben Kurfürs 
Brandenburg vertheidigen. — Diefe Übertragung der [ahfifhen Kurwiute 

















Bulnber ( des Herzoothums iu 
ah nes acytifchen Pfalz Altftabt in 2 
Wa Meiden führt von felbft auf die frühere Geſchichte des mei 
Stammiandes ber noch jet regierenden beiden [ 
Craoßiaifäien und Abertinifchen. / se 
>: Sa biefem Bande, wo im 10. Sahıh. bie Mark Meißen vom beutfchen; 
. Yalmeich 1. errichtet ward, erfcheint, nach den Zeugniffen römifäper 
un Uufouge der chriſtl. Zeitrechnung ber germanifche Volksſtamm 
15 088 eine Nomabenhorbe. Er durchzog bis gegen das Ende b. 
und Gegenden zwifchen der Eibe, Mulde, Pieife, der meißen 
Vor Minnie. Seit diefer Zeit, dem Zeitalter der Wöl 
der Rame ber Hermumburer aus ber Gefchichtes 


‚ fo:tvie die Heemmmburer , ale ein deutſe 
3 fo wird durch dies alleß bie (vom Abelung in f. „Direstorkun 
on Heincich * Bearbeitungf. fächfifchen Grraiäre 


daß Hermundurer 
nur ein und daſſelbe Wolf ſind, und daß, 
N. e bekannt war, ber 


sur 
u 
4 


f 


thfringifden Königreidt 
Aber mehre Zeile des mittletm. 
ausbreitete, weil 


Bi 
a 
a 


5 3: 


h 


me 


ı 
3 


H 





Sadıfen. I. Ritere Geſchichte 548 


bis an bie bamalige böhmifche Grenze in ber Gegend von Pirna reichte; ber 
Glomaci (oder Daleminze), von ber Voͤlkerſchaft ber Dalemintier bewohnt, 
wm Hauptorte Glomaci (Lommatſch) und ber in der Nähe liegenden Befe 
15 ber Gau Plisni mit dem Hauptorte Plisni (dem heutigen Altenburg) ; der 
Neletici mit Halle und dem Biebichenftein; ber Sau Scubici, mit Steudig 
sipsig; der Sau Milin mit Zwickau; der Sau Chutici, mit Chemnig, Roch⸗ 
pe u.f.w. Eine Menge von Örtern, aus welchen in der Folge blähenbe 
ertouchfen, wurden von den Sorben angelegt, befonder& Lipzk (Reipzig), 
X Zeig, Altenburg, Zwickau, Chemnitz, Kolditz, Belgern, Gtrehla u.a. 
dieſen Sorben begannen aber die Kämpfe ber Deutſchen unter abwech⸗ 
B Erfolgen , feitdem das fränkifche Reich, zu deffen oͤſtlichem Theile (Aus. 
m) Thüringen gehörte, durch die Majores Domus aus dem Carolingifchen 
b wieder mehr gehoben ward, und Karld. Gr. machte bereits in f. Zeit bie 
m bi an die Elbe, und die Mitgener und Obotriten zinsbar. Doch dauerte 
Wen unter f. Nachfolgern eingetretenen innern und aͤußern Kämpfen, bis zu 
WM des deutſchen Königs Heinrich I., bevor die Elbe als Grenze des felt dem 
Vertrage (843) felbftändigen deutfchen Reichs behauptet, und das Bank 
8 der Saale und Elbe den Slawen völlig entriffen werden konnte. Denn wenn» 
vor Heintid) I. das Land zwifchen der Saale und Mulde als eine deut⸗ 
u. d. N. des Ofterlandes (limes Sorabieus, Marchia orientalis, ſub- 
giſche Mark) erfcheint, und, wahrſcheinlich von dieſer verſchieden, auch bereits 
eine zweite norbthäringifche Mark beftand, welche ihren Sig zu Belgen 
s zus Eilenburg hatte, fo gelang doch die völlige Bezroingung ber Gorben 
m Gegenden erſt dem deutfchen Könige Heinrich I., nachdem er bie Feſte 
Hört und (928) die Markt Meißen begründet hatte, wo durch den an⸗ 
Wartgrafen die in die Oberlaufig zurädgebrängten Slawen und bie bort 
r Dilyener im Zaume gehalten umd zur Entrichtung bes Tribute an ben 
tſchlands gendthigt wurben. Gleichzeitig hatte Heinrich auch das Land 
an ber Havel zu Deutfchland gebracht, nachbem er ihre Feſte Brenni⸗ 
abenburg) 931 erobert und die Markgraffhaft Norbfachfen auf bem ihnen 
a oben gefliftet hatte. Don f. Sohne Otto I. wurben in dieſem Lande 
situng und Schaltung bes Chriſtenthums bie drei Biſthuͤmer Meifen 
purg und Zeitz (968) geftiftet, der Sitz des legtern aber (1029) nach 
g verlegt. Weil jedoch in diefem Zeitalter, und nach dem urfpränglichen 
bes Lehnſyſtems, die Würde der beutſchen Herzoge, Lands, Pfalz, 
amd Burggrafen als Reichslehen nur anfehnliche Staatsämter ohne erb⸗ 
derſelben in gewiſſen Familien waren, fo wechſelte auch, entweder bei 
ihrer Inhaber ober wegen Lehnsuntreue (Felonie) der Befig dieſer Wuͤr⸗ 
** ſowie die mit ihnen als Beſoldung der großen Reichsvaſallen 
rundſtuͤcke, in den Zeiten der letzten ſaliſchen Kaiſer und nach 
ze des ſaliſchen Hauſes, unter dem Kaiſer Lothar II. bei denjenigen Fa⸗ 
Ih wurben, welche fie eben damals beſaßen. Mach einem 200jährigen 
' Eder —— Wuͤrde in Meißen gelangte daher auch das Haus Wettin 
Marfkgrafen Konrad, einem nahen Verwandten ber Gemahlin bed Kai⸗ 
æ U., zum erblichen Befige der Markgrafichaft Meißen 1127. — Ob 
Dieb Dat, beffen beglaubigte Abſtammumg nicht weiter als bis auf Theo⸗ 
uk (der in Ottos I. Zeiten lebte) zuruͤckgefuͤhrt werden kann, ſlawiſcher 
ifcher Abkunft war, ift freilich nicht bis zur Gewißheit auszumitteln. 
t ihn ein Chroniſt: Vir egregiae libertatis,, welches im Mittelalter be 
— deutſchen Freigutes bezeichnete, der keinem Höhern durch 
ceniſſe verpflichtet war. Daß — Familie erblich eine anſehnliche Befigung 
”R vn Dale gehörte, wo fie die Burg Wettin erbaute und ſich voch ers 









. Dre 


si.  Sodfen. — 


——— EEE oh Bit ie wen Adelung Im 
— — Ref 














1815) engenommen⸗ des tribus Buziei nieder, 
—— len 
von Derfe! 
8 A m Mönche db von dem Hate 
auf dem Peteräberge ———— ward), nie bis zut 
— don 
won Meißen, erbte nach dem Tode [. Vetterd, des Grafen 


Marchi 

f. 5. Söhnen getheilt wereden, fe fm Da ie me 
Fi ee —— die meifinee 
auf: ‚a mit Wettin, welche ber — ——— (1290), au 
öffnetes Reichsicehen, dem | von Sag ſen ſchentte ne 
mit dem fen zutucktam, MWettin aber 


Bruhn In Chen nme weh une a erft nad, ln Dinge VE Tode 
‚Meifen als ein erlediztes — ae wollte, zum ruhigen ® 
Markgroffcaft gelangte, Bundy bie Bermählung diese Disteich m 
— —S ee inrid 
mi haft Thͤri bei weitem Nicht 
I 
EL — in Gen 


| — 
‚Dee Sohn beffelben, Ludwig, erhielt 1130 bie vom Kaifer Hei 
eingen begekmbete Tanhgeäfihe Wölrhe, die urfprina er 


Sachſen. I. Ältere Gefchichte 545 


zlichen Rechten bezeichnete. Diefe Würbe blieb bei feiner Familie, bis 
2+7 mit dem Ranbgrafen Heinrich Rafpe erloſch, und Kaifer Friedrich II. 
gte Land und bie erledigte Würde auf den Markgrafen Heinrich den Er: 
von Meißen übertrug, der von demfelben Kaifer bereits 1242 das pleiß- 
unterpfänblich erhalten hatte. Obgleich nun Heinrich der Erlauchte über 
‚von Thüringen mit feiner nahen Anverwandtin, der Herzogin Sophia 
ant, einer Tochter des fruͤhern Landgrafen, Ludwigso bes Heiligen, von 
ı, in einen vieljährigen Krieg verwidelt ward, fo behauptete er boch im 
n 1263 die Landgraffchaft Thuͤringen, wogegen bie heſſiſchen Sreigüter 
ibantiſche Haus fielen, und ber Sohn der Sophia, Heinrich, ber Stamm 
gefammten beffifhen Haufes ward. — Verſtaͤrkt durch ben Erwerb von 
1, war im 13. Jahrh. das Wettinſche Haus in Meißen eine der mächtig: 
hen Megentenfamilien; nur daß die von Heinrich dem Erlauchten bes 
Theilung feiner Länder, und die Schben feines älteftm Sohnes, Al: 
6 Unartigen, bem er Thüringen überlaffen hatte, mit feinen beiden Soͤh⸗ 
drich dem Gebiffenen und Diezmann, die Innern Kräfte des Landes er⸗ 
t, bis endlich nad) 2 ſturmvollen Jahrzehnden unb nach dem Abfterben 
a Fürften bes Haufes, Friedrich der Gebiffene zum ruhigen Befige von 
ud Thüringen gelangte. Bei feinem Tode (1324) folgte ihm fein Sohn 
ver Ernfthafte (1324— 49). In Verbindung mit Heffen und Mainz be⸗ 
ie rauffüchtigen Herren von Treffurt in Thüringen, deren Befigungen 
aebſt der Vogtei Dorla) in eine Ganerbſchaft (gemeinfchaftliche Befigung) 
ee (1337) verwandelt ward. Mit Friedrichs des Emfthaften Söhnen bes 
eber die für das Land fo nachtheiligen Xhellumgen ; es war aber im Mittel⸗ 
gehends in den deutfchen Lehen die Anficht vorherrfchend, daß, wenngleich 
m Sohne ein größerer und befferer Theil gehöre, bie übrigen Söhne doch 
wären, in ziemlich gleiche Theile der Erbſchaft zu gehen. So erhielt 
ber Strenge (reg. 1349— 81) in der durchs Loos beftimmten Theilung 
land; fein mittleree Bruder, Balthaſar, Thüringen, und der jüngfte, 
l., Meißen. Durch Heirath brachte Balthafar Hildburghaufen, und 
bie Pflege Koburg an das Haus. Zum Gluͤck für das Land farb Wil⸗ 
1407) ohne Erben, und bie thüringifche Linie erloſch gleichfalls (1440) 
Balthafars Sohne, Friedrich dem Kriedfertigen. Dagegen regierten die 
ciedrichs des Strengen, Friedrich ber &treitbare (1381— 1428) und 
II. (ft. 1425) im Ofterlande gemeinſchaftlich, bis fie nach dem Erloͤ⸗ 
neißner Linie (1407) eine neue Theilung ftifteten. Sie gründeten 1409 
fität Leipzig, und beide Brüder, ſowie ihr Wetter Friedrich von Xhüs 
nterflügten den Kaiſer Sigismund in bem Huffitenkriege. So viele ver: 
folgen dieſer Krieg für die meißnifchen Länder hatte, fo warb er doch auch 
laffung , daß gismumb die ritterliche Tapferkeit und Priegerifchen Ver⸗ 
edrichs bed Streitbaren 1424, nach dem Erlöfchen bed Askaniſchen Hau⸗ 
fächf. Kur, mit diefer Kur und den dazu gehörenden Rändern belohnte. 
m von der einen Seite bie Macht des Wettinfchen Haufes durch die Bes 
ur ſaͤchſ. Kurwuͤrde mit einem neuen Glanze umgeben und durch ben Er: 
Herzogthums Sachfen weſentlich verftärkt warb, fo erhielt zugleich von 
2 Seite die faͤchſ. Kur, die unter ben Askaniern fo wenig gegolten hatte, 
en Staatenſyſteme ein neues höheres Gewicht, weil mm, durch bie Ver⸗ 
von Sachſen, Meißen und Thüringen in Einem Regentenhauſe, der po⸗ 
mfluß beffelben auf die Angelegenheiten Deutfchlands felbft beträchtlich 
warb. In ber That tar feit diefer Zeit der Kurfürft von Sachſen, wie 
fe Guelfiſchen Herzoge von Sachfen, der mächtigfte und wichtigfte Fuͤrſt 
uds naͤchſt dem regierenden luxemburgiſchen Kaiferhaufe; denn felbit das 
x. Siebente Aufl. Bd. IX, 85 


x 


546 Sachſen. I. Ältere Gefhichte 


öftreich. ftanb hinter dem Wettinfchen an politiſchem Einfluffe zuruͤck 
zur Kaiferwärde, und in fchneller Kolge der Begebenheiten, durch Exl 
Befige ber burgunbifchen Staaten (1477), bes Koͤnigreichs Unga 


* Länder des böhmifchen Lehnsnexus (1527) gelangte. — In der ſach 


den dazu gehörenden untheilbaren Rändern folgte auf Friedrich den Stre 
ältefter Sohn Friedrich der Sanftmüthige (1428— 64) ; in den übrig 
figungen regierte er aber gemeinfchaftlich mit feinem Bruder Wilhe 
1482), nachdem ber auf das Erlöfchen der thuͤringiſchen Seiteniini« 
folgende Bruderkrieg durch die Dazwiſchenkunft des Kaiſers und mel 
fuͤrſten ausgeglichen worden war. Doch war ber fächfifche Prinzenz: 
41455) eine Folge dieſes Bruderkriegs. (S. Kunz von Kaufu 
Obgleich num nad) ded Kurfürften Tode, Ernſt im Kurkreife allein 
übrigen Erblaͤndern gemeinfchaftlid, mit feinem Bruder Albrecht regier 
ten fie doch nad) dem unbeerbten Tode ihres Oheims, Wilhelms III. 
ringen (1482), im J. 1485 bie gefammten Samilienländer zu Leip; 
her Theilung Ernft Thüringen, und Albrecht Meißen erhielt, das Df 
umd die Vaſallen zwifchen ihnen getheilt wurden. 

. Seit diefer Theilung find die gefammten Wettinfchen Fam 
gen nie wieder vereinigt worden, wenngleich der Befisftand felbft durd 
bergifche Eapitulation zum Nachtheile bes Erneftinifchen Hauſes bebei 
dert warb. — Im ber Emeftinifchen Linie, melde den Kurkreis um 
beſaß, folgten auf Ernſt feine Söhne: der Kurfürft Friedrich der 2 
— 1525) unb der Herzog Johann der VBeftändige, auf welchen nad 
unbeerbtem Tode auch bie Kurwuͤrde überging (1525— 32). Nicht 
warb Friedrichs Weisheit in feinem Zeitalter gefeiert, denn er hatte n 
die Angelegenheiten Deutſchlands einen bedeutenden Einfluß und mar 
Stellvertreter bei deſſen Abwefenheit aus Deutfchland s er ftiftete au 


- 4502) die Untverfität Wittenberg und leitete bie von dieſer Univerfität 


gegangene Kirchenverbefferung mit religiöfem Sinne und mit politil 
der Verhältniffe. Ohne fein perſoͤnliches Gewicht bei den Kaiſern, 
und Karl V., und ohne feine Gewandtheit und Klugheit würde wahr 
kuͤhne Luther das Schickſal Huß's erfahren haben. Allein bei Sriedrid 
die neue Lehre bereits fo feft gegründet und hatte auf Fürften und Voͤ 
tig eingewirkt, baß kein Bannflud) vom Vaticane und keine Reichsacht 
ber ſchmalkald. und dreißigjähr. Krieg, das wieder vernichten konnten, r 
mündig gewordenen Geiſte des Volks felbft hervorgegangen war. 
auch nad) der mühlberger Schlacht (24. April 1547) der ſaͤchſ. Kurhut 
tenberger Gapitulation (19. Mai 1547) von dem Haupte de 
Johann Friedrich des Großmuͤthigen fallen, fo ward doch die proteftc 
heit durch feinen Vetter und Nachfolger in der Kur, durch Doris, ge 
dem er gezeigt hatte, was ein Eräftiger deutfcher Fuͤrſt gegen ben maͤcht 
ligen Regenten In Europa vermochte, fobald er die bergerfiche und fi 
heit Deutſchlands gegen bie Angriffe feiner Zeit vertheidigte! — D 
ger Sapitulation, in welcher Morig außer ber Kurwuͤrde auch ben be 
Theil der Befigungen des fächf.-Erneftinifchen Haufes auf die Alber 
brachte, beſchraͤnkte freilich das neue, meiftens aus thücingifchen Amt 
Fürftenthum fire die Soͤhne des gefangenen Kurfuͤrſten nur auf ein jäi 
mm von 50,000 Gulden; allein auch ber Kurſtaat ſelbſt verlor‘ dx 
Morig dem Könige von Böhmen das fchlef. Herzogth. Sagan, bie vol 
Befigungen, als erledigte böhmifche Lehen, und die bisherige fäcfifi 
beit über bie reußifchen Länder überlaffen, fowie bie Fortdauer der $ 
Domcapitel in den 3 meifinifchen Hochfliftern zugeftchen mußte. & 





Sachſen. II. Neuere Gefchichte 847 


MR Johann Friedrich Lehrte nach einer 5jähr. Gefangenſchaft in die feinen 
mn angeroiefenen thüringifchen Amter zuruͤck, ftarb aber bereitd 1554, nach⸗ 
der neue Kurfürft von Sachſen, Auguft, der Erneftinifchen Linie unter Mits 
weg ber Krone Dänemark, zur Ausgleihung der bisherigen Streitigkeiten, das 

Altenburg abgetreten und 100,000 Gulden ausgezahlt hatte. — 
den im Erneſtiniſchen Haufe fortbauernden Ländertheilungen warb ber Beſitz⸗ 
1, befonders bei dem baldigen Erloͤſchen mehrer neugebildeten Seitenlinien, 
u verändert ; doch erhielt das Erneftinifche Haus 1583 fieben Zwoͤlftel (215 
ı) der Dennebergifchen Herrſchaft. In unfern Zeiten blühen noch im Erne⸗ 
Yen Hauſe 2 Linien: die weimariſche und das gothaifche Geſammthaus in 
Speciallinien: &. Meiningen-Hildburgh.; S. Altenburg und S. Koburg⸗ 


a. 
DB. Neuere Geſchichte. Das Albertiniſche Haus, durch bie Thei⸗ 
1485 vom Herzöge Albrecht geftiftet, und im Beſitze von Meißen und einzelnen 
m des Oſterlandes, blieb nad) Albrechts Tode (1500) unter feinen Söhnen, 
z dem Bärtigen (1500-39) und Heintih dem Frommen (1539 — 41) in 
a Länberumfange, bis Heintich® Sohn, der ſtaatskluge und als Held aus⸗ 
parte M orig, duch fein Buͤndniß mit dem Kaiſer Kart V. in der witten⸗ 
Eapitulation zum Befige der fächf. Kurtwürde, des Herzogthums Sachſen 
mbrer Länder des Exneftinifchen Hauſes gelangte. Doch bald darauf bemährte 
dem nad) einem kurzen Feldzuge dem Kaiſer Karl V. (1552) abgebrumger 
age zu Paffau, daß ihm bürgerliche und religiöfe Sreiheit mehr galt als 
sanft bes Staifers, farb aber (11. Jul. 1553) an den Wunden, die er (9. Sul.) 
Schlacht bei Sievershaufen gegen ben Markgrafen Albrecht von Kulmbach 
u hatte. Ihm folgte in ber Kur und in ben erworbenen Ländern fein Bru⸗ 
zuſt (1553— 86). Wenngleich nicht Moritzs militairifche Talente auf 
egegangen waren, und fein Antheil an ben Eryptocalviniftifchen Streitigkei⸗ 
a Schatten auf feine Regierumg wirft, fo barf boch nicht vergeffen werben, 
der erfte Staatswirth feines Zeitalter® war, daß er bie trefflichften Anftals 
die Inmere Verwaltung feines Staats begründete, und daß er durch Vers 
durch Ankauf und Laiferl. Belehnung ben Umfang diefes Staats beträchts 
texte, obgleich er 1554 dem Erneſtiniſchen Haufe das Fürftenthum Alten» 
berfieß. Unter ihm gefchah es, daß die Verwaltung der zum Proteftantis- 
tretenen 3 meißnifchen Stifter, Meißen, Derfeburg und NaumburgsZeig, 
Bertrag mit den Domcapiteln, deren Rechte beibehalten wurden, auf den 
en überging; daß er durch Kauf von bem Burggrafen von Meißen und 
von Plauen bie fchon früher feinem Haufe gehörenden voigtlänbifchen Bes 
a (den nachmaligen voigtlaͤndiſchen Kreis) wieder erwarb (1566); daß er, 
2 vom Kaiſer ihm aufgetragenen Achtsvollziehung gegen ben Herzog Johann 
H den Mittleren von Gotha, für die aufgermandten Kriegskoften die Erne⸗ 
u Ämter Sachfenburg, Arnsſhaugk, Weida ımd Ziegenräd (1567) unter» 
h erhielt; daß ihm der Kaiſer aus der hennebergifchen Erbſchaft (1583) 
Pimmte (reiche in der Theilung des hennebergifchen Landes, 1660, in ben 
a Schleufingen, Suhla und Kühnsdorf mit Benshaufen beftanden) ; und 
R, durch die nöthlg gewordene Beſchlagnahme ber mansfelbifchen Länder 
J, den ſpaͤtern Anfall (1780) des unter fächf. Lehnshoheit ſtehenden Theiles 
der an das Kurhaus, nach voͤlligem Erloͤſchen des graͤflich mansfeldiſchen 
£8, vorbereitete. Fuͤr die innere zweckmaͤßige Einrichtung feines Staatts 
Inguft durch die Stiftung des Appellationsgerichts, des geheimen Confls 
des Oberfteuercollegiums, des Kammercollegiums, bed Oberconfifloriums, 
db Gammlung eines neuen Geſetzbuches, beſonders aber Durch die Drbs 
ie den Finanzen, durch die erhöhte Bevölkerung und Anh derwo von CA 
8 







550 Sachſen. IL Neuere Geſchichte 


Begründung des Staatscredits treten. Dies leitete ber wuͤrdige Kurfuͤrſ 
Chriftian in feiner zweimonatlichen Negierung ein (6. Oct. bis 17. D 
und warb von dem Abminiftrator Xaver während der Minderjaͤhrigkeit 
Augufts III. (bis 1768) mit Beharrlichkeit fortgefegt. Die Landesſch 
deren Zinfen wurden auf die Steuercreditcaſſe angewiefen, welche jaͤhrli 
Thlr. dafür bezahlte, ſodaß 1807 die Landesfchuld bereits bis auf 15 8 
zahle war. Ebenfo ward für die Bezahlung der I Mill. Kammerfhülben 
mercreditcaffe geftiftet, welche jaͤhrl. 300,000 Thlr. abtrug. Schon u 
rich Chrifkian ward die in Dresden (feit 1703 beftehende) Malerakaden 
Akademie der zeichnenden Künfte unter Dageborn’s Leitung erhoben undn 
The. jaͤhrl. Einkünfte ausgeflattet.- Der Adminiſtrator fegte damit | 
leipziger Zeichnungs⸗, Malerei: und Architekturakademie in Verbindum 
erweiterte ev (1764) den Geſchaͤftskreis der (1735 errichteten) Lanbesi 
Manufacturer s und Commerziendeputation und ftiftete (4. Dec. 1765) t 
Bergakademie zu Freiberg. Auch errichtete er zu Dresden (1766) ein: 
ſchule. Für die innere Verwaltung wurden (1764) in den einzelnen 7. 
. Landes Kreis: und Amtöhauptleute angeftellt; aud, warb zu Dresben ( 
Sanitätscollegium errichtet. 

Unter bem legtverft. Regenten, deffen Gerechtigkeit und Weisheit ! 
alter allgemein anerkannt ward, erhielt das neugeftift. Kinanzcollegir 
eine zweckmaͤßige Einrichtung; Erwerbfleiß und Hanbel wurden unterfli 
boben ; ber Aderbau war im Emporblühen; der Wohlftand der mittle 
dem Volksclaſſen flieg immer höher; die öffentlichen Verbindlichkeit 
puͤnktlich erfüllt; die Zortue (1770) abgefchafft; neue Zucht: und Ar 
wurden (1772 und 1776) zu Torgau und Zwidau, ein Arbeitöhaus | 
und Landſtreicher (1803) zu Kolditz angelegt; die früher in Torgau beft 
renanſtalt (1811) auf den Sonnenftein verfegt und in eine Heilanftalt f 
kranke verwandelt; das Zaubftummeninftitut zu Leipzig anfehnlid) 
eine zweckmaͤßige Brandaffecuranzordnung (1817), und (1809) die & 
eingeführt, die Saale (feit 1790) ſchiffbar gemacht, für die Bearbe 
nenen Geſetzbuchs (1791) eine befondere Gefegcommiffion niebergefegt ; 
weſen durch 2 Landfchullehrerfeminarien zu Dresden und Weißenfels, 
ders in Hinficht der 3 Landfchulen (Dforta, Meißen und Grimma) 6 
richtet, und zur Verbeſſerung diefer und der heiden Univerfitäten wurbe 
genten (1811) die ihm zugefallenen 5 Commenden des beutfchen Orden 
fen. Fuͤr die Bildung der Officiere des Heers erhielt die Ritteralademie 
eine zeitgemäße Erweiterung und neue Einrichtung; bad annaburger & 
beninftitut forgte vaͤterlich für die Waifen der Soldaten, und das Heer { 
(1810) eine neue Eintichtung, den Beduͤrfniſſen ber Zeit angemeffen. 
descredit war fo gefichert, daß die 1792 ausgegebenen anderthalb M 
billets, felbft nach ihrer ſpaͤtern Erhöhung auf 5 Mill., im Eurfe al pı 
bis erſt die Vorgänge 1813 nachtheilig auf fie einwirkten und fie auf 
unter ben Nennwerth herabfesten. Für die Künfte und Wiffenfchaften 
die Überlaffung des japanifchen Palais an die Bibliothek und die Anti 
durch den Ankauf der Mengs'ſchen Snpsabgüffe (1792), durch bie X 
der Semäldegalerie, durch die Vervollkommnung der Capelle, unb bu 
Ergänzung fehlender Anftalten auf beiden Univerfitäten (in Leipzig .burı 
tung des Hebammeninſtituts, des Klinikums, der Sternwarte, des dies 
boratoriums, des philologifchen Seminariums u. f. w., in Wittenberg 
Hebammeninſtitut u. ſ. w.) väterlid, geforgt. — In Hinficht der aus 
hältniffe machte Friedrich Auguft TIL f. Rechte auf die bairiſche Allodi 
in den bairiſchen Exbfolgetriege (1778) geltend, in welchem er mit Prem 


Sachſen. II. Neuere Geſchichte 651 


nbünbet war. Diefes Bündnig warb noch fefter geknüpft, als er (1785) 
Friedrich II. geftift. deutſchen Fuͤrſtenbunde beitrat, durch welchen der von 
abfichtigte Eintauſch Baierns gegen den größten Theil der oͤſtr. Nieder 
tele warb. 1791 ſchlug er die, nach der neuen Verfaſſung Polens 
Rai d. J. ihm und f. Tochter beſtimmte polnifche Krone aus, meil bei 
ng Rußlands gegen Polen nicht zu errvarten war, daß Katharina II. die 
olen und ihrem Könige Stanislaus Auguflus angenommene neue Vers 
erkennen würde. Auch die Einladung , an dem (7. Febr. 1792) zwifchen 
id Preußen gegen bie franz. Revolution gefchloffenen Buͤndniſſe Theil zu 
ehnte er ab und flellte im Kriege gegen Frankreich bloß (feit 1793) f. 
t al deutſcher Reichöfürft, nachdem zu Regensburg der Reichskrieg gez 
reich war erklärt worden. Selbft ald Preußen ſich im bafeler Frieden 
3 Oftreich und dem deutfchen Reiche getrennt hatte, und eine ſchuͤtzende 
onslinie das nördliche Deutſchland und felbft die deutfchen Staaten des 
ı England umfchloß, blieb das kurſaͤchſ. Eontingent im Felde und nahm 
1796) Antheil an dem Siege bed Erzherzogs Karl bei Weglar. Nur 
m Vorbringen Jourdan's und Moreau's im mittlern und füblicyen 
d der ganze oberfächfifche Kreis (13. Aug. 1796) zu Erlangen einm 
ftande = und Neutralitätsvertrag ſchloß, rief auch der Kurfürft f. Con⸗ 
"die Grenze dieſes Kreifes zur Deckung deffelben zurüd, und ſ. Geſandten 
egeblich zu Raſtadt (feit 1797) beim Kriedenscongreffe, und (1802 fg.) 
yurg beim Reichsdeputationshauptſchluſſe die Rechte bes deutſchen Reiche 
reiche Anmaßungen, und die Rechte der kleinern Meichöftände gegen 
der größern geltend. — Wenn nun auch die individuelle Denkungsart 
ften die bereits damals fchon (feit der Theilung Polens) herrſchend ges 
reondirungspolitit nicht hindern konnte, fo blieb er doch entfernt davon, 
ig f. Länder durch fremdes Gut zu erweitern. Selbſt ältere Rechte bes 
Haufes auf Erfurt, Reuß u. f. w. wurden nicht erneuert, weil fpätere 
nd Verhältniffe anders darüber entfchieden hatten. So behielt ber Kur: 
‚Würde ſelbſt dann noch bei, als durch die Stiftung bes Rheinbundes 
1806) und durch die Verzichtleiftung Kaffer Franz II. (6. Aug. 1806) 
e Reich aufgelöft war. Und als es darauf ankam, ben Norben Deutſch⸗ 
ı Frankreich zu vertheidigen, obgleich Preußen in diefem Norden unter f. 
te einen ähnlichen Bund, wie Napoleon im &. und W., bilden wollte, 
22,000 Sachſen (Det. 1806) in Thüringen unter Hohenlohe's Anfuͤh⸗ 
; Napoleon, bis bie Doppelſchlacht bei Auerftäbt und Jena über das 
es nördlichen Deutfchlands entfchieb. In unerklaͤrbarer Schnelle eroͤff⸗ 
xuß. Seflungen den Sranzofen ihre Thore; fchon hatten Hohenlohe und 
i Prenzlau und Ratkau capitulist; ſchon begann an ber Weichfel ber 
bes großen Kampfes: als der Kurfürft (11. Dec. 1806), im Frieden zus 
Frankreich, die Selbftänbigkeit und ben Vollbeſtand f. Staats rettete, 
Wuͤrde bei dem Beitritte zum Rheinbunde annahm und fich verpflichs 
ſem Bunde ein Contingent von 20,000 M., für den preußifchruffifchen 
bloß von 6000 M. zu fielen. — Indem Frieden von Tilſit (7. und 9. 
) erfannten Rußland und Preußen ben Rheinbund mit allen gegenwaͤrti⸗ 
mftigen Einridytungen Napoleons in bemfelben, und ben König von 
4 Regenten bes in biefem Frieden new geftift. Herzogthums Warfchau 
Berfaffung (22. Jul. 1807) von Napoleon zu Dresden bei f. Ruͤckkehr 
imterzeichnet wurde, bei welcher Gelegenheit die erſte feierliche Verlei⸗ 
Yebend der Rautenkrone, am 20. Sul. 1807, flattfand. Zugleich war 
ſeleden von Preußen bie Abtretung von Kottbus an Sachſen, ſowie bie 
g auf alte fächfifche und anhaltifche Befigungen auf dem redgten Eifer 





— 
Weitperefihaft ioſte die Sachſen/ die bei Kobrpn, bei Slonim 
Gebr. 1813 bei Kalifdy bedeutend verloren hatten, in iht Waterl 
und ſich auf des Könige Befehl von den Franzoſen trennten; Pre 
zum Kampfe gegen Frankreich, nachdem alle preuß. Provinzen ı 
geräumt waren, ſich anſchloß, und der Vicekoͤnig von Italien 

franz. Heeres Sachfen bis zum 20. Mär; 1813 behauptete: d 
König von Sachſen feine Hauptftabt, wo Davouft am 19. M 
fprengte, und ging zuerft nach Plauen, von da nach Regensbui 
Prag, weil er fich für die Sortfegung dieſes Kriegs den Maße, 
ſchließen wollte. Deßhalb war zwifhen dem ſaͤchſiſchen Geſan 
dem öfte. Minifterium eine Übereinkunft unterzeichnet worden, i 
nig die Verbindlichkeit übernahm, „mit ‚allen ihm zu Gebote ftel 
dem von dem oͤſtr. Hofe zur Herftellung des Friedens zu ergreif 
mitzutoielen”, und in biefem Falle ſich felbft zu der Abtretung 

Warſchau Im voraus anheifchig machte. („Actens und thatmä| 
einiger ber gröbften Untwahrheiten z.”, Deutſchland 1815; aud 
plomat. Archiv”, Th. 3, Abth. 2, und des verft. Conferenzmin. 
„Apologie de Frederie Auguste”, 1814.) Gleichzeitig warı 
land und Preußen Unterhandlungen mit bem Könige eröffnet w 
gebniffe aber von dem Ausgange f. Unterhandlungen zu Wien ı 
Der Befehl des Königs an ben General Thielemann lautete jedod 
Feſtung Torgau keinerlei fremden Truppen, ohne Unterfchieb und 
ausbrüdlihen Befehl des Königs geöffnet werben follte". ( Ebe 
Als nun die Schlacht von Lügen (2. Mai 1813) von Napoleon g 
deten getvonnen, und Leipzig und allmdlig alles Land bis an bie E 
‚ofen befegt worden war; als ber König ein Schreiben des Her; 
erhielt, in welchem biefer, auf ausbrüdliches Verlangen Napole 
bie Erklärung des Kalfers in Beziehung auf Sachſen meldete (, 
Roi se declare, je saurai alors ce que j’aurai ä faire; ma 


Sachſen. IL. Neuere Gefchichte 658 


Ben. Das feanzöfifche,' bei Großbeeren (23. Aug.) geſchlagene Heer erlitt 
Wennersis (6. Sept.) eine neue Niederlage; die fchlefifche Armee ging bei Wars 
Berg (3. Det.) über die Eibe, und die Voͤlkerſchlacht bei Leipzig (16. und 18. 
V entſchied das Schickſal Sachſens. Der König, welcher Napoleons Antrag, 
ps folgen, ablehnte, warb (49. Det.) Gefangener der Verbündeten und 20 
e von f. Lande getrennt, das bis zum 10. Nov. 1814 unter ruffifcher und 
Da an unter preuß. Verwaltung fand. Einbedeutendes fächfifche®, vom Lande 
attetes Heer folgte den Verbündeten über den Rhein, bis die Einnahme 
Paris den franz. Kaifer zur Verzichtleiftung brachte (11. April 1844). — 
Gachſens Schickſal ſollte erft auf dem wiener Congreß beftimmt und anfang 
eure Königreic, mit Preußen vereinigt werben, mogegen dem Könige, ber 
Nov. 1814 jede Veräußerung f. Erbſtaaten verweigerte, eine Entſchaͤdigung 
0,000 Menſchen in Weflfalen angetragen ward. Nach Smonatlichen Uns 
Hamgen beim wiener Congreffe (vgl. „Überficht der diplom. Verhandlungen 
Congrefſes“ von 3. Ludw. Klüber, 1. Abth., Frankfurt 1816), auf 
die ſtarken Erklaͤrungen des beitifchen Parlaments (vgl. „Europaͤiſche Anna⸗ 
1816, ©. 2) nicht ohne Einfluß blieben, warb endlich im Febr. 1815 bie 
mg Sachſens befchloffen und dem Könige von Sachſen, der von Berlin nad 
sg gekommen war, am 12. März 1815 erklärt: „daß ohne Verzug diejeni⸗ 
mdestheile Sachfens, welche unter preuß. Hoheit kommen, von benjenigen 
st werden follten, welche bem Könige bleiben; daß Preußen für immer Ber 
werde von demjenigen Theile Sachſens, welcher ihm überlaffen wor⸗ 
und daß basjenige, mas dem Könige von Sachfen bleibe, unterdeflen ber pros 
hen Regierung des Königs von Preußen unterworfen bleiben folle‘ (Kids 
8.38). — Unterdeffen war Napoleon von neuem in Frankreich erfchienen; 
ahandiungen des Congreſſes mußten ſich ihrem Ende nähern; der König un⸗ 
alfo am 18. Mai 1815 zu Wien den Frieden mit Preußen, in wel⸗ 
dieſem Reiche die größere Hälfte f. Staates In Hinficht auf ben Umfang, 
e in Hinficht der Bevölkerung überließ. Er trat zugleich ber deutſchen 
e (8. Sun.) bei, flellte |. Contingent gegen Frankreich und Lehrte am 
B. 1815 nad) Dresden zurüd.. In jenem Vertrage kamen die ganze Nies 
Bir, ein Theil der Oberlaufig,, der wittenberger Kreis (mit Barby und Gom⸗ 
Theile des meifner und leipziger Kreifes, der größte Theil der Stifter 
burg und Naumburg > Zeit, daB fächfifche Mansfeld, der ganze thuͤringiſche 
), das Fuͤrſtenthum Querfurt, der neuftädter Kreis, die voigtländifchen En⸗ 
und der koͤnigl. fächfifche Antheil von Denneberg mit 3854 TIM. und 
78 Einw. an Preußen. Da aber in diefen Zahlen auch der an Preußen zu⸗ 
e kottbuſſer Kreis mit eingerechnet iſt, für welchen 1808 Mansfeld, 
u. ſ. w. an Weſtfalen abgetreten ward, fo betrug der ſaͤchſiſche Verluft im 
3 Vertrage (nad Abrechnung von Barby, Gommern ımd Mansfeld) eigent 
u 3734 IM. (genauer wol nur 359) und 845,218 Einw. — Die in 
m in Wirkſamkeit getretene Ausgleihungscommiffion von preuß. und ſaͤchſ. 
dneten, unter Mitwirkung eines oͤſtr. Commiffarius, feste durch die Con⸗ 
m vom 20. Febr. 1816 und 18. Aug. 1819, wegen der Grenzberichtigung, 
wegen der geſammten Landesfchulden, ein gegenfeltiges Abkommen feſt. Der 
I fetbft aber wandte gleich nach ſ. Zuruͤckkunft f. Blick auf mehre Verbefferuns 
An Innern. In kurzem war der Credit wieberhergeftellt. Die 3 Departes 
des Finanzcollegiums wurden (Sept. 1815) auf 2 befchränkt ; die unter ber 
Verwaltung neugebildete Siriegsverwaltungstammer warb (20. Nov. 
5) beftätigt ; das Collegium medico - chirurgieum zu Dresden nad) einem 
Iserten Plane in eine chirurgiſch⸗ mebicinifche Akademie vertvandelt; die Inge⸗ 
ts umd Artillerieſchule versinigt und 1816 zu einer Militairatatermie erhoben, 


554 | Sachen, TIL Statiftifche Überficht 


welche 44 befolbete Zöglinge zu Officieren für alle Waffen bildet; bie Ri 
mie zugleich ald Vorfchule für jeden akademiſchen Unterricht (nach Art! 
hobenen Pageninftituts) im April 18320 beftätigt, jedoch nad) ber mem 
1822 eingetretenen Einrichtung wieder mehr auf ihre frühere rein mailitel 
flimmung zurüdgeführt. Es ward ein neuer Civilverdienftorben (7.3 
gefliftet; zu Tharand (Febr. 1816) eine Forſtakademie errichtet, und der 
kreis und die Zahl der Kreis und der Amtshauptieute in ben * alten K 
Sun. 1816) vermehrt u. ſ. w. Die beiden legten wichtigen Geſetze, 

Friedrich Auguft gab, waren das Mandat, die Ausuͤbung der kath. geiſt 
barkeit vom 19. Febr. 1827, nad) welchem ber jebesmal. apoftol. Vu 
tertbanen = und Dienfteid leiften muß, und das Mandat vom 20. 5 
ben Übertritt von einer kirchlichen Sonfeffion zur andern betreffend. Z 
tende muß muͤndig und mit einen Zeugniffe über bie Entlafjung vom bem 
feiner bisherigen Gonfeffion verfehen fein. Verleitung zum Übertritte un 
libertritt werden beſtraft. (Vgl. die ftatift. Überf.).— Das Königre 
lich durch die Theilung die beiten Korn⸗ und Holzgegenden und alle Sal; 
‚ber König die reichften Domainen oder Kammergüter verloren; allein bi 
Gewerbfleiß bevölkertften Theile des erzgebirgifchen und laufigifchen 4 
die wichtige Handelsſtadt Leipzig [nd ihm geblieben; auch find die lı 
Dflege und der leipziger Kreis ergiebige Korngegenden. Die freibeı 
“werke find, fowie der Weinbau im Meißnifchen, geblieben; allein die th 
Bergwerke und die Weinpflanzungen im thiringifchen und wittenbergi 
find an Preußen gekommen. Der Handel im Inlande iſt durch bi 
und durch die neuen Grenz» und Zoleinrichtungen. allerdings beſchraͤn 
was namentlich auf Leipzig nachtheilig zuruͤckgewirkt hat. Doch fchei 
wenigſtens darf man dies von den abzuſchließenden Zollvereinen erwarte 
gere Grundſaͤtze der Staatswirthſchaft darauf hinzufuͤhren, dem gegenſei 
delsverkehr uͤberhaupt auf dem deutſchen Boden die groͤßte Freiheit zu ge 
beſchraͤnkenden Formen, als nachtheilig fuͤr alle Staaten, zu beſeitiger 
hätte die verheerenden Stürme der legten 10 Kriegsjahre nicht beftet 
wenn nicht ber Wohlſtand diefes Landes feit dem hubertsburger Friedı 
alle Stände verhältnißmäßig verbreitet und befonders den Landmanı 
bracht hätte; denn nur bei der fächfifchen Sparſamkeit und Genügfan 
möglich, die großen Leiflungen aufzubringen, die von allen Eriegführer 
ten in diefer Zeit, außer den gewöhnlichen öffentlichen Abgaben, ben $ 
Sachſens zugemuthet worden. Nur ein langdauernder Friede kann d 
heilen, welche die Stürme der legten Kriege dem Lande gefchlagen habı 
Bevölkerung emporbringen, bie in Vergleichung mit den Jahren vor 
ebenfalls vermindert hat. Indeß iſt es noch zu früh, alle bie Folgen zı 
welche die Zukunft aus der gefchehenen Theilung Sachſens entwideln u 
welche nicht bloß Sachfens Stellung zu Deutfchland und Europa, fonbei 
innere Verhaͤltniß ber voichtigften deutſchen Bundesſtaaten gegen einandı 
fentlich verändert worden iſt. 

IH. Statiftifche Überfiht. 1) Land und Bewohne 
bie Theilung ift das Königreich zu einem Staate bes vierten Ranges heri 
es hat 3 des Flächenraumes eines rechtlich erworbenen, mit dem übrigen 
ſchmolzenen Gebietes, die Eleinere Hälfte feiner durch gleiche Liebe an 
land gefeffelten Bewohner und ungefähr 4 feiner Eink. verloren. G 
bilbet das Königreich ein nach allen Seiten offenes, wiewol in fich fa 
ſchloſſenes Land, das unter den felbftändigen europaͤiſchen Staaten an Fl 
das 20., an Volksmenge das 18., unter ben deutfchen Bundesflanten h 
ber erſten Hinſicht das 6. , in der andern das 5. if. Es bebnt fich bus 


Sachſen. II Statiftifche Überficht 665 


m mb burch 31 Gr. d. 2, aus, ba es von 50° 48' 30" bis 519 29 noördl. 
wu von 29° 34° bie 32° 40 oͤſtl. Länge liegt. Geine Grenzen find oͤſtüch 
‚in einer Länge von 47 Meilm Böhmen, oͤſtlich, nordoͤſtlich und 
in einer Ausdehnung von 37 Meilen, das preuß. Herzogthum Sachſen, 
‚ in einer Länge von 10 Meilen, das Fürftenthum Altenburg, ſuͤdweſtlich, 
der Ausdehnung von 14 M., das weimarifche Gebiet, in fübweftl., noͤrdl 
NRichtung, auf 12 Meilen Länge, die reußifchen Lande, und ſuͤdweſtl., 
e von 23 Meilen, der bairiſche Mainkreis. Natürliche Grenzen hat 
nur gegen Böhmen, in einem Bergzuge, ber ſich vom Woigtlande über. . 
ge, das Eibfandfleingebirge, ben Hochwald, die Gebirge an ber obern 
das zittauer Gebirge und das friebländer Gebirge zieht, wiewol an den we⸗ 
Stellen die eigentlichen Gebirgsruͤcken und Hochebenen die Grenzfcheibe 
‚ die oft nur Bäche beftimmen. Der Flächenraum beträgt, mit Einfluß 
m Lande (1826) noch immer nicht völlig einverleibten Orte Schirgiswalbde, 
dorf und halb Weigsdorf, nach v. Schlieben’6 Culturcharte (1825) 
DM.; nad) der von dem Ingenieurcorps feit 1781 bis 1812, dann 
1 fortgefeßten topagraphifchen Landesaufnahme von Sachſen aber nur 
geogr. IM. (mit Einfluß ſaͤmmtl. Schoͤnburg. Befigungen, auf 
1,’5! geogr. IM. kommen, nämlich auf die 5 Recegherrfchaften 6,7 ! * 
die Lehnsherrſch. Penig, Wechſelburg, Rochsburg und Remiffa 4,°?7.) 
bes Flaͤchenraums folgen bie Landestheile in diefer Ordnung: ber erz⸗ 
(deffen Groͤße ohne die ſchoͤnburg. Derefch. nur 764 IM. beträgt), 
‚ leipziger Kreis, die Oberlaufig, der voigtlänbdifche Kreis. Der erzge⸗ 
Kreis begreift allein +, ber meißnifche £, der voigtländifche hingegen nur 
Ganzen. or der Theilung hatte Sachfen nicht, wie Canzler annahm, 
nur wicht volle 630 IIM. Sachſen iſt größtentheils Gebirgsland; 
beſteht aus Ebenen, — aus huͤgeligem Lande, 3 aus Gebirgen. Ein von 
nach Nordoſt ſtreichendes, gegen Böhmen fleiler als gegen Sachſen abs 
Kettengebirge, das Erzgebirge, bildet bes Landes höchften Rüden sind ers 
der ſaͤchſiſchen Seite in der vordern Kuppe bes Fichtelberges (nach dem 
barometrifchen Dleifungen 3758 par. Fuß über dem Meere) den höchften 
GSuͤdweſtlich hängt diefer Gebiraskamm mit dem Eifter s und Egergebirge 
‚ mit dem Riefengebirge hingegen buch das Eibfandfleingebirge und das 
ſche Gebirge. Zu dem gebirgigen Theile des Landes gehören ber ſuͤdoͤſt⸗ 
weitem größere Theil des Exzgebirges, das ſuͤdoͤſtliche Wiertel des meißni⸗ 
‚ ber ſuͤdoͤſtliche Theil der Laufig und das ſuͤdoͤſtliche Drittel des voigt⸗ 
Kreiſes. Das Hügelland bilden der überreſt des erzgebirgifchen und das 
Viertel des leipziger Kreifes, die Gegenden von Stolpen, Dresden und 
ein Theil der Gegenden von Oſchatz und Radeberg , und endlich der Übers 
Dberlaufig, bie auf einen von Baugen nach Koͤnigsbruͤck laufenden Streis 
ebene Land begreift, außer biefem Streifen, den Reft des meißnifchen 
leipziger Kreiſes. Die niedrigften Punkte des Landes find an der preuß. 
‚we bie Elbe und die zu ihrem Gebiete gehörenden Fluͤſſe das Land verlafs 
as Hauptthal des ganzen Landes ift das Thal ber Elbe, nach welchem bie 
ſich abbadyen, die oberlaufigifchen ausgenommen, bie fidy nad) der Oder 
Der Boden ift im Ganzen mittelmäßig , der befle von Meißen abwärt® 
i Niederung, bei Chemnitz, Zwickau und Bautzen, der fhlechtefte im obern 
und in den Waldgegenden bes Voigtlandes. Alle Gewaͤſſer Sachſens, 
der lauſitziſchen Neiß, gehören zum Stromgebiete ber ſchiffbaren 
mit welcher fie mehr ober weniger mittelbar zur Nordſee gehen. Landſeen 
nicht, und außer mehren Gandien zu Floͤßen und zur Erleichterung des Berg» 
anch keine Ganalverbindungen. Mineralquellen find {ehr yahireih , m 






























556 Sachſen. III. Statiftifche Überficht 


wichtigften Rabeberg, Schmedwig bei Kamenz, Gieghübel, Schandau 
flein und Wiefenbad bei Annaberg. Das Klima iſt gemäßigt und gefm 
nach der Verfchiebenheit von Berg und Thal, Wald und angebautem' 
matiſche Abänderungen in einzelnen Gegenden entſtehen. Das rm 
Dbererzgebirge, befonder® im üblichen Theile des Amts Schwarzenbe 
angrenzenden Boigtlande — einem Landftriche, den man das ſaͤchſiſd 
nennt, wo der Schnee Immer erft gegen Anfang des Sommers verſch 
im ®ept. der Winter wicderkehrt, ja in einigen Gegenden der Schnee 
beißeften Sommern gänzlich ſchmilzt — und in der füblichiten nach B 
laufenden Spise des meißnifchen Kreifes; das mildefte in dee ebenen | 
erzgebirgifchen, voigtländifchen und meißnifchen Kreifes, in ber Oberlav 
leipziger Kreife. ' 

Mit Naturerzeugniffen iſt das Land nicht überreichlich, dod 
karg begabt; der Umftand, daß fie dem Boden oft mühfam abgewom 
müffen, läßt die Thaͤtigkeit der Bewohner nicht erfchlaffen, und die Erze 
ergiebig genug, die aufgewandte Mühe zu belohnen. Sachſen enthält z 
Hälfte aller Soffilienarten, und Beine Gegend Deutfchlanbe von fo ger 
fange hat einen gleichen Reichtum an Mineralien. Gold ift jest ſelbſ 
felten. Silber (im Erzgebirge unb weit weniger in einigen Theilen des 
Kreifes), Eifen (vorzüglich im Erzgebirge), Kobalt (nirgend fo gut umt 
als im Erzgebirge), Blei (faft überall, wo Silber gefimden wird) find 
ſten Metallgefchlechter. Auch Kupfer (im Erzgebirge), Zinn im Erzgeb 
Zinnwald im meißnifchen Kreife), Quedfilber (in mehren Gegenden di 
ges, doc) nicht Häufig), Zink, Spießglas, Arſenik (im Erzgebirge) find 
Unter den übrigen Mineralien find, hinfichtlich theil6 der Seltenheit 
Nutzung, auszeichnen: der Topasfels (dev geognoftifch merkwürdige 
ftein bei Auerbach im Voigtlande), natürlicher Zinober, gebiegen Wien 
ſerblei (bei Altenberg), Wolfram, wahrer Schmirgel (bei Eibenſtock) 
(beſonders bei Meißen), Porzellanerde (bei Aue, und In einem noch unb: 
ger bei Nieder- Zmönig im Ersgebirge), Achat, Marmor, Serpenti 
Speditein, Steinkohlen (im Weiſſeritzthal bei Dresden und bei Zwick 
ftein (an der Elbe und bei Zittau) und mehre Arten von Ebelfteinen, 3 
(felten), Sapphir, Granat. Der Hauptfig des unter trefflicher Vermalı 
den Bergbaues iſt das Erzgebirge in f. mittlen Höhe (zroifchen 1000 
Fuß Uber dem Meere) und das niedere Gebirge. Der Geſammtertra 
ober bloß durch Bergbau gewonnenen , nicht durch bie Hütten verebeite 
producte wird jährlich auf 1,500,000 Thlr. gerechnet. Man gewinnt 
Silber in 59 gangbaren Zehen des Erzgebirged 48 — 50,000 Mark 
Münzwerthe 640,000 — 670,000 Thle.; an Kupfer (nicht hineeiche 
Landesbedarf) durchſchnittlich etwas über 300 Etnr., an Werth gegen 10) 
Eifen (über den Landesbedarf) 80,000 Etnr., zu dem Werth von 200, 
Blei ungefähr 10,000 Ctnr., nach Mittelmerth 70,000 Thle.; Zinn 
Ctne., zum Werth von mehr als 100,000 Thlen.; Kobalt gegen 300 
bem Werth (des rohen Products) von mehr als 100,000 Thin. ; Arfe 
6000 Stnr.; Porzellanerde 3000 Ctnr., zu den Werth von 8000 Thli 
kohlen über 600,000 Scheffel, wovon der plauenfche Grund allen +-Tiefi 
MWerthbetrag von 250,000 Thlen. Durch die Hütten erhalten die roh 
einen erhöhten Werth von 1,500,000 Thlen., wozu die Blaufarbenm 
teiner Gewinn jährl. auf 80,000 Thlr. angefchlagen wird) und die Pory 
factur allein die Hälfte beitragen, Rechnet man dazu verfchiebene, di 
producte bearbeitende Gewerbanſtalten, fo läßt fi) der Geſammtwerth 
ralproduction auf beinahe & Miu. Thle. anfchlagen. Die Gewinnung de 


Sachſen. III. Statiftifche Überficht 557 


gen 10,000, und bie Fabrication berfelben gegen 50,000 Menfchen.— 
rzeugniffen des Pflanzenreichs ift vor alem das Holz wichtig. Unge⸗ 
em Zlähenraum ift mit Wald bedeckt; im voigtlaͤnd. Kreife 3, im erz⸗ 
n leipziger mehr als 4, im meißnifchen &; etwa ſaͤmmtl. Walbun- 
zatseigenthum. Fichten, Kiefern und Tannen find bie verbreitetften 
unter ben Laubhoͤlzern find die Buchen bie häufigften, und nächft ihnen 
Birken. Die Wälder bed Hochgebirges verforgen fowol die Bewohner 
: dem anfehnlichen Bedarf des Brennholzes, als auch eine Menge von 
d Hammerwerken, und mit Beihülfe benachbarter böhmifcher Wälber 
Floͤßen (befonders auf der Kirnitſch, Weifferig, weißen Elſter, Floͤhe 
die Bewohner holzgarmer Gegenden. Die Wälder liefern überdies noch 
Beeren, felbft für auswärtigen Abfag, und in einigen Gegenden (bei 
vahres islaͤndiſches Moos. Wenn man von dem Gefammtbetrag.ber 
‚ die man zu 3 Mill. Morgen angefchlagen hat, abzieht, was für Wal 
00 Morgen), Wiefen, Gewaͤſſer, Ortſchaften, Straßen, viele, aber 
Büftungen in Rechnung zu bringen ift, fo wie nie unter dem Pflug ges 
d die wegen der erzgebirgifchen Koppelwirthſchaft jährlich brach Liegen» 
00,000 Morgen) , fo bleiben 4,100,000 Morgen zu gleicher Zeit mit 
'elfter Äder übrig. Die fruchtbarften Landftriche find die Gegend uns 
Ben um Lommatſch — „des Landes Meißen große Kornterme‘ fchon im 
jenannt — in einem Umfang von 10 IM. und das Amt Pegau. Das 
Jerhaͤltniß ſ. Bodenfläche und der Einwohnerzahl fruchtreich und braucht 
etreidebedarfs (die Kartoffeln mit in Rechnung gebracht) vom Auslande 
rer Ackerbau, das aligemeinfte und einträglichfte Gewerbe bes Landes, 
szüglicher Einſicht getrieben. Das wenigfte und geringfte Kom wird 
jebirge (kaum 4 des Bedarfs) und im Woigtlande, das fchönfte und 
en Gegenden von Lommatſch, einig, Zwidau, Chenmig gewonnen. 
ten Seldfrüchte find: Roggen, Weisen, Gerfte, Hafer (den beften 
rzgebirge mn 5— 600,000 Scheffeln), Exbfen, Heibelom, Kartoffeln, 
) im Erzgebirge am vorzäglichften find. Der Gefammtertrag einer Ernte 
runden Durchſchnittsſummen von brei Jahren: 1,500,000 Scheffel 
0,000 Scheffel Weizen, 750,000 Scheffel Berfte, 1,580,000 Schef⸗ 
oraus ſich ein Befammtertrag von mehr ale 4 Mill. Scheffeln ergeben 
ı fich jedoch diefe Berechnungen auf die unter der Wahrheit bleibenden 
zliften gründen, fo Fann man, wenn man bie übrigen Fruchtarten, Erb⸗ 
Heldekorn und bem wichtigen Ertrag der Kartoffeln, einen Hauptgegen⸗ 
Perbaues in Sachſen, ohne welchen das Erzgebirge und Voigtland nicht 
ıten (jährlich über 3 MIN. Scheffel) hinzurechnet, wenigſtens 8 DIN. 
Geſammtertrag einer Mittelernte annehmen. Das Gefe verbietet bie 
r, fo lange die Preife bes Weizens, Roggens, ber Gerfte und des Hafers 
und 1 Thlr. ſtehen, doch kann der inlaͤndiſche Ackerbauer im Auslanbe 
ve aus ſ. Getreide loͤſen als im Vaterlande. Der Leinbau iſt am wichtig⸗ 
ern Erzgebirge bei Frauenſtein, Saida, Annaberg. Raps wird um 
zau, Dresden über den Landesbedarf, Mohn nur bei Pegau angebaut. 
gt die Gegend von Dahlen; die wichtigſten Tabackspflanzungen, bie 
ar gegen 2000 Gtnr. liefern, gibt es Sjtlich von Leipzig. Der Kleebau 
tur und Anpflanzungen vorzüglicher Arten [ehr veredelt worden. Küs 
liefern (zum Theil fuͤrs Ausland) die Gegenden von Leipzig (befonder® 
a), Pegau, Oſchatz, Großenhain, Dresden, Zittau. Der zu hoher 
heit gebrachte Obſtbau, zuerft durch den Kurfürften Auguft begründet 
n Zeiten (feit 1788) durch Prämien gehoben, blüht befonders in den 
den, Meißen, Leißnig und Kolbig; vorzüglich erzeugt die Gegrod 


| 


gen, Penig getrieben, liefert aber bei weitem nicht bie Hälfte des u 
Den ben Erzeugniſſen des Thierre ichs gehören zur Urprot 
Schwarz: und Rothwild, mehre Heine Raubthiere (u. a., tele mm 
wilde Kagen oberhalb Schandau), Hafen überall in großer Men, 
dögel; der Auerhahn (Im Erzgebirge, in der fächf. Schweiz un! 
das Birkhuhn, ber Faſan (fehr felten), der Trappe (nur felten bei: 
gen), Rebhühner faſt fberall häufig, Lerchen (ein Handelsartikel fi 
dögel (die im Erzgebirge, befonders in Beermsgruͤn, abgerichte 
Ausland, oft bis Rußland, gehen), Fiſche bis zum Lachs (befi 
bach bei Hohnſtein, in ben beiden Mulden und in der Zſchopau), 
ſonders aber Karpfen (In einigen Teichen oft bis zu 28 Pfund ! 
ten (vorzüglich im Erzgebirge und in den Bächen ber ſaͤchfiſchen 
ter war felten, doch faft überall), Biber (nur an ber Mulde u 
Eve), Schildkrdten felten in ber Pieife, Parde und Mulde. In 
das Wildpret gegen frühere Zeiten fehr abgenommen; das Schw 
en Zeiten auf einige Gegenden an großen niederländifchen Heibı 
den; unter ber Regierung des Königs Anton ifk den fogen. Wildſi 
föehen. Hinficptlidh der Rinboiehzucht gilt der voigtländ. Wiehftar 
in Sachſen, aber auch im umtern Erzgebirge findet man einen tı 
und auf großen Landgütern gibt es überall verebeltes Vieh aus ſch 
fifchemn und holfteinifchem Stamm. Die Rindviehzucht ift nicht a 
Landesbebarf en Schlachtvieh, wozu viel aus Polen kommt. Die 
star einen guten, burch bie Hengſte des Landgeſtuͤts feit 1787 v 
aber nicht hinreichend für das Bebüirfniß. Die & hafzucht (vg 
quelle des Nationalreichthums in Sachfen. Seit 1765 wurde 
ſpaniſche Merinoſchafe und durch die Anlage von Stammfchäfen 
eigne Behörde vorfleht, der einheimifche Stamm dergeſtait verel 
einheimifdye deutſche Schaf faft nisgend6 mehr in Gadyfen finder 
in einigen geblegifchen Gegenden durch ben ungariſchen Stamm ı 


Sachſen. IH. Statiflifhe Überfiht 5 


Glmsbern,, und bie Scyäfereibefiger felten verſtehen follen, eine vichtige 
Ihrer Stammböde zu treffen. Die Schweinezucht iſt für den Inlänbifchen 
he unzureichend. Bienenzucht wird beſonders im noͤrdlichen helle des 
ber im Ganzen ſchwaͤcher als früher und nicht ausreichend fuͤr den Bedarf 


beim Bundestage gemachte Angabe ber Geſammtzahl der Bewohner 
weich zu 1,200,000 fcheint nicht auf Zählungen, ber einzig fichern 
e, noch auf Berechnungen nad) Anleitung der Verzeichniſſe dev Beb. und 
dern hauptfächlich auf den nichts weniger al6 genauen Gonfumentenvers 
zu beruhen. Haffel fchägt fie auf 1,386,900, und nebfl ben Unterthanen 
esherrſch. (39,500) auf: 1,486,400, in 145 Städe., 57 Mfl., 3,198D; 
en auf LIM. 5484 Menſchen. Sachſen gehört daher zu ben bevoͤlkereſten 
smopas. Am bichteften iſt bie Bevölkerung in ben Gegenden von Schwar⸗ 
000 Menſchen auf der IM. nach Abzug der Stadt), um Zittau (8000 
M.), bei Chenmig und in den ſchoͤnburg. Befinmgen. Der Bevdllerunges 
eniger nach den 5 Landestheilen als nad) einzelnen Bezirken verſchieden; 
den imerzgebirg. Kreife 5440, Im leipziger 5500, im meißniſchen 4440, 
ıd. beinahe 000, in der Oberlaufig 5000 Seelen auf die DM. gerechnet. 
ſchnitt zähle man auf bee IM. 14 — 15 Ortſchaften. Das Verhaͤltniß der 
lzum Fl m iſt in Sachſen guͤnſtiger als in Deutſchland uͤberhaupt, 
af 5 DM. nur eine Stadt rechnet, während in Sachſen auf eine Stabt 
2 IM. kommen. Der füdreftliche Theil des Erzgebirges kann für ben 
ken Theil Deutſchlands gelten. Über ein Drittheil der geſammten Volks⸗ 
ven 4 Kreiſen wohnt in Städten, in ber Oberlaufig aber haben bie Stäbte 
naͤßig weniger Bewohner als das platte Land. In den 4. Rang der 
m Städte (mit mehr als 50,000 Einw.) gehört Dresden, in den 5. (mit 
00 €.) Leipzig ; in den 7. (mit 14,000 €.) Chemnig; 3 Städte (Zit⸗ 
erg, Bautzen) Haben 7—10,000, 2 Städte (Plauen und Meißen) 5— 
Städte 45000, 20 Stäbte 34000, ebenfo viele 2—3000, 56 
— 2000 und 34 unter 1000 E. Bon Dörfern mit mehr ald 2000 €. 
meißnifchen Kreife 1, im erzgebirgifchen 9, in ber Oberlaufig 9, wor⸗ 
fabrikdoͤrfer Eybau und Großſchoͤnau (jedes mit 4000) und Eberäbady 
b. und 5000 E.), Sachſens größtes Dorf, gehören. Die Dörfer find 
ı wohl gebaut, die anfehnlichften im Erzgebirge, beſonders in der Bes 
Hemnitz. Der Abftammung nach beftehen bie Bewohner bed Landes aus 
— die Hauptmaffe der Volksmenge, wozu befonders ber Einmohners 
Erzgebirges und Voigtlandes gehört — und Wenden, die in ber Ober⸗ 
einem won Deutfchen umgebenen Bezirke, beſonders um Baugen und 
Inen, durch Sprache weniger , aber jegt durch Sitten und Tracht, bie 
Weibern noch ganz eigenthuͤmlich iſt, ihren reinem ſlawiſchen Urfprung 
durch Eörperliche Kraft und ſtarken Hang zur Sinnlichkeit von den Deut⸗ 
wterfcheiden,, aber auch durch Fleiß, Bildſamkeit amd Gaftfreiheit fich 
Die Bewohner des Hochlandes zeidmen ſich von dem Niederländer 
fee hervorttetende Volksthuͤmllchkeit aus; der Voigtländer iſt rauher und 
h genuͤgſam, treu und thaͤtig, ber Erzgebirger kraftvoll, kuͤhn, gewerb⸗ 
4 und gutmüthig, der Bewohner des meißniſchen und leipziger Kreiſes 
yabend und mit ſtaͤdtiſcher lippigkeit nicht unbekannt. Im Ganzen ſteht 
auf dem hoͤchſten Standpunkte deutfcher Eultur , iſt unternehmend und 
t Kunft und Wiffenfchaft vertraut, durch Rechtlichkeit unb Vaterlands⸗ 
Neuerungen im Allgemeinen abholb, bebachtfam und beſonnen 

gkeit. Die Sprache der deutſchen Einw. kommt ber feit d. 16. Jabeh. 
em Schriſtſprache ziemlich nahe, zwiſchen Ober: und Rieherkuntich va 





VER ⁊ ATEINEN DIE UDFTIDIEGENDE ZUGEHTZAHL DUDEN, LITEIE NDLAHDEN 
treu find umd überhaupt duch fromme Befinnung ſich aus zeichn 
Glauben, dem feit 1697 der Fuͤrſtenſtamm fich wieder zugewe 
über 46,000, wovon in Dresden über 8000, bie meiften aber 
wohnen. Beformirte, Über 600, meift Nachkonnnen franz. G 
haben feit 1686 in Dresden ımd feit 1701 in Leipzig Vethäufer. 
der Brüdergemeinde haben, außer bem Hauptfige Hermhut, 

lauſitz nod) eine Golonie zu Kleinwelka bei Baugen, und befont 
destheile mehr zerfixeute Freunde. Die Nachkommen der aus Bi 
Proteftanten, bie Böhmifhen Brüder (f.d.), haben in Z 
eigne Kirchen und Prediger. In der Oberlaufig findet man noch 
Schwenkfeldianer (f. db.) und Anhänger Jakob Boͤhme's 
am zahlseihften in Dresden (1000), in weit geringerer Zahl 
ſaͤchſiſche Adel, dee noch von den Beiten des Lehnweſens h 
genießt, theitt ſich in den hohen umb niedern. Zu dem erfien g 
die ehemals Sitz und Stimme auf Reichs⸗ und Kreistagen hat 
umer des Könige Oberhoheit eine mehr oder weniger untergeor 
Aber ihre Unterthanen ausüben; ber niedere Adel aber begreift di 
ſammten Ritterfchaft, worumter auch bie nicht zu den Standesher 
fen und Freiherren gerechnet werben. Die Rechte des Adels fir 
Vorrechte, theils dingliche, von dem Befige eines abeligen Lehre 
und zu biefen gehören: Lanbtagsfähigkeit (unter Vorausſetzun 
Ahnenzahl), Freiheit von Geleite und Landzoͤllen, von verfchieden 
ern hinfichtlich der Exzeugniffe feiner Güter, und von ben bie 
fleuer vertretenden Abgaben (f. unten), Pateimonlalgerichte und 
Reichthum des ſaͤchſ. Adels, unter welchem e ſehr alte Gefcyle 
fich immer mehr in einigen reichen Familien oder geht auf ben 
Der ſaͤchſ. Adel gehört zu dem gebildetften un fleigigften, aber 
theilsfreiſten Deutſchlands. — Zum Bürgerfland rechnet man ı 
ſchem Recht ala Kreinehnrene hetrachtet merhen. fherhammt alle n 


Sachſen. IH. Statiftifche Überficht 561 


B Getnicht nach freiem Willen verlaffen. Der ſaͤchſ. Bauer darf keine bürgerlichen 
Mmunhe treiben, und obgleich mit einer. Menge von Steuern belaftet, wird er doch 
Pie Landtage nicht vertreten. — Unter ben perfönlichen Ständen genießt ber 
VNete in Gachſen noch die verdiente Achtung, ſowie Sachfen ihm auch einen Theil 
Achtung beim Auslande verdankt. Die alabemifchen Lehrer, die Prediger 
Sqchullehrer haben ihren eignen Gerichtsſtand, befondere Wortechte und Bes 
gen. Ebenſo die übrigen perfönlichen Stände, Hofbediente und Krieger. 
Dinfichtlich der wiffenfhaftlihen Eultur nimmt Sachſen feit ber 
mation und durch diefelbe — was feine Licht liebenden und verbreitenden 
ner nie vergeffen werden — nicht nur unter ben beutfchen, fondern über 
unter Europas Staaten einen ausgezeichneten Rang ein, und e6 hat ſchon 
Sehrhunderten ein allmäliges Sortfchreiten feiner hoͤhern und mittlern Wolkes 
vor den Suͤddeutſchen voraus. Faſt in jedem Fache der Wiffenfchaften ha⸗ 
h Sachſen ausgezeichnet und mandye Faͤcher zuerft ausbilden helfen. Dan 
% Zi der gefammten Schriftſtellerzahl Deutſchlands auf Sachfen. An der 
aller Anftalten für höhere Bildung flieht die Univerfität zu Leipzig 
Dauptvorbereitungsanftalten für gelehrte Bildung find die beiden Landes» 
zu Meißen und Grimma (f. Fuͤrſten ſchulen), deren Stiftung aus ein- 
men Kloſterguͤtern zu ben wohlthätigften Vermaͤchtniſſen der Reformation 
Außerdem gibt ed Selehrtenfchulen in Dresden, Leipzig, Baugen, Frei⸗ 
Zittau, Zwidau, Plauen, Chenmis, Annaberg und Schneeberg. Vorzuͤgliche, 
ht gelehrte Bildung beftimmte Schulen befigen Dresden, Leipzig, Baugen, 
Kein Kicchfpiel im Lande ift ohne Schule, und in mehren großen Dörs 
gibt es mehr als eine. Zur Werbefferung der Unterrichtöweife hat befonbers 
788 gefliftete Randfchullehrerfeminarium zu Dresden mwohlthätig gewirkt. 
Bbiefem gibt es ähnliche Anſtalten für einzelne Bezirke, wie Freiberg, Baus 
Bittan, Glauchau. In den bedeutendften Städten gibt es Freifchulen für 
und in Dresden, Leipzig und Freiberg Sonntagsſchulen für Handwerks⸗ 
"weiche in den beiden erſten Städten von den Freimaurerlogen geftiftet 
Als Lehranftalten für befondere Zwecke find ausgezeichnet: 1) bie Berg⸗ 
zu Freiberg zur wiſſenſchaftlichen Bildung ber dem Bergbau fich widmen⸗ 
mglinge, welche fett ihrer Stiftung, 1766, Zöglinge aus allen Ländern Eu⸗ 
und ſelbſt aus andern MWelttheilen gehabt hat; 2) die urſpruͤnglich 1748 
Bte, 1815 nach einem beffern Plan eingerichtete chirurgiſch⸗mediciniſche Aka⸗ 
s Dreöden, zunaͤchſt zur Bilbung tuͤchtiger Feldwundaͤrzte, mit welcher eine 
menſchule und ein Entbindungshaus verbunden unb eine Thierarzneifchule 
st if; 3) die 1816 zur oͤffentlichen Anftale erhobene Forſtakademie zu 
zant (f. d.), wo Alte, die beim Forſtweſen Anftellung fuchen, ſich bifben 
in, und die häufig. von Ausländern befucht wird; 4) die 1815 und 1816 
der ehemaligen Ingenieurakademie und Artillerieſchule nad) einem erweiterten 
Bere gefchaffene Militairakademie zu Dresden, die Offictere für alle Waffen⸗ 
Ingen bilbet; 5) das Cadettenhaus zu Dresden, zur wiffenfchaftlichen Bil⸗ 
‚adellger Juͤnglinge, hauptfächlich ede den Kriegsdienſt; 6) eine technifche 
We entftand 1828 in Dresden. Zu den literarifchen Wereinen gehören: bie 
acht als 50 J. nuͤtzlich wirkende oͤkonomiſche Societät, die ihren Hauptflamm 
wesden und eine Nebengeſellſchaft zu Leipzig hat; die Jablonowski'ſche, bie 
ke, die Linneifche, die naturforfch. Gefellfchaft und der Alterthumsverein, 
wettch zur Leipzig, die mineralog. Gefelifchaft, die Geſellſch. für Natur: und 
Iude und die Flora (für Botanik) zu Dresden. Unter den öffentl. Bücher: 
iungen flieht oben an bie k. Bibliothek zu Dresden *) mit 220,000 Bbn. und 


BB. „Geſchichte u. Beſchreib. ber k. oͤffentl. Bibliothek zu Dresden” von F. A. Ebert 
wan,öz. Giebente Xu, 8b. IX. 36 
























‚562 Sachſen. III. Statiſtiſche Überficht 


2700 Handfchr.; Leipzig befigt die Raths⸗ und die Univerfitätsbähietke, 
diefen Sammlungen gibt es eine öffentl. Bibliothek in Zittau und aufehuf 
cherſammlungen bei den Schulen zu Meißen, Freiberg, Zwickan, Leid 
wichtige Beförderungsmittel und zugleich Barometer der literariſchen 6 
ber Buchhandel, deffen Mittelpunkt Leipzig ift, wo in den Oſtermeſſen ef 
ayswärt. Buchhandlungen zufammentommen. Sachſens Buchhankie 
gefähr 80) bringen über 4 der jährlich erfcheinenden neuen Werke (etwa 3 
und darunter die leipziger Buchhandlungen $ auf den Büchermarlt. Bi 
reien find fehr zahlreich; faft jebe Mittelſtadt Hat deren 1, zuweilen 2—. 
Friedrich Auguft I. bob ſich auch die artiftifhe Cultur in Sachſen durch! 
derung, die er und nad) ihm f. Sohn den Künften angebeihen ließen, dan 
Künftter aufmunterte und befhäftigte, theild Kunſtſammlungen anlegt 
weiterte. (S. Dresdens Kunftlfammilungen.) Unter ben einge 
fen möchten Bildhauerfunft und Baukunſt in Sachen noch am weitefl 
fein, während e8 in der Malerei und Kupferftchertunft fehr achtbare N 
zumelfen hat. Die fchon zu Anfange des 18. Jahrh. geftiftete Malerfd 
von dem Kurf. Chriftian 1763 nach Hageborn’6 Plan in eine Akad. der 
Künfte umgefchaffen, die zu Dresden ihren Sig hat, und mit welcher eh 
Anftalt zw Leipzig und eine Zeichnungsfchule zu Meißen in Verbindu 
Eine Baufchule wurde 1819 damit verbunden. Die jährl. Ausſtellunge 
demie zu Dresden geben den Maßſtab zur Beurtheilung ber Leiftungen a 
Friedrich Auguft I. und IL. hob fich auch die Tonkunſt, welche befonders 
treffliche Capelle in Dresden gefördert wurde, und fortbauernb wird tk 
Anftalt, ſowie durch ftehende Goncerte in der Hauptftadt und in Leipzig, 
tung und Ausbildung bes muſikaliſchen Geſchmacks gewirkt. 

Sachſen gehörte von je her zu den gemerbfamften Ländern; ein: 
Aufſchwung aber erhielt die Betriebſamſamkeit nach der Mitte des 16 
wo viele Flüchtlinge aus den fpanifchen Niederlanden, beſonders Woln 
wanderten, wozu in ber Kolgezeit auch gemwerbfame, durch blinden Gla 
vertriebene Flüchtlinge aus Öftreich und Frankreich kamen. Sachſen if 
ſichtlich des Gewerbfleißes und Handels eins der außgezeichnetften Länder 
und mehr als die Hälfte (+) feiner Bewohner gehören zu denjenigen, 1 
mifche oder ausländifche rohe Stoffe veredeln und damit Verkehr treibı 
Land erzeugt und veredelt für den eignen Bedarf, und fo viel barliber, t 
Fehlende vom Auslande nehmen und doc) im Wohlftande fleigen kann. 
gierung greift nie hindernd und hemmend, wol aber durch Belohnung 
und a. Beguͤnſtigungen fördernd ein, und eine eigne Behörde, bie Lande 
mies Manufactur= und Commerzien= Deputation, hat in biefem Sinne 
wohlthätig gewirkt. Einer der aͤlteſten und wichtigften Gewerbzweige if 
weberei, die vorzüglich auf der rechten Seite ber Eibe, in ber ſuͤdoͤſtl La: 
_ Immer ber Hauptfiß diefed Gewerbes) und einem Theile des meißnifd 
getrieben wird. In der Laufig hat fich diefer Gewerbzweig feit der Mitt 
Jahrh. aus den Städten faft ganz auf das Land gezogen und baburdh zu b 
handel Anlaß gegeben, der fir das Gedeihen der Fabrik eher foͤrderllch 
theilig gewefen ift und daher auch von der Regierung gegen die Anfprüch 
tifhen Monopoliſten befchügt wurde. Der Abfag hat ziwar, gegen die g 
Zeit des Verkehrs im legten SSahrzehend des 18. Jahrh., bebeutend abge 
doch mögen ſich noch immer gegen 70,000 Menſchen mit diefem Bewerb 
(häftigen, der auch in dem Damaft von Großſchoͤnau ein Erzeugniß lie 
nirgends in gleicher Vortrefflichkeit verfertigt wird. Allein bie Bleichan 
ber Oberlaufig reichen nicht hin, und es geht jährlich eine bedeutende Gun 
nigftens 50,000 Thlr.) für Bleicherlohn nad Böhmen und Schlefier 


| ‚Sachfen. III. Statiftifche Überficht 568 


jaͤhrl. Betrag dieſes Gewerbes auf 3 MIN. The. Die Wachstuch⸗ 
Leipzig lieferten fonft ganze Schiffslabumgen nach Amerika. Gutes 
serfertigt Dresden auch fuͤr auswärtigen Abfag. Die Leinenbandmanu⸗ 
Radeberg, Pulsnig und Annaberg find bedeutend. Zwirnſpitzen von 
Schönheit liefert da6 Ober-Erzgebirge, wo Annaberg und Schneeberg 
se dieſer Dianufactur find, die gegen 30,000 Menfchen befchäftigt und 
1 Mid. Thlr. Waare umfegt, wozu nur der feinfte Zwirn aus den Nie: 
zogen wird, da das Erzgebirge felbft Zwirn bis zu 70 Thlr. das Pfund 
Papiermuͤhlen iſt Sachſen nad) Verhältniß das reichte Land; es gibt 
O, und im ſuͤdweſtl. Erzgebirge Eommt eine auf 2 IM.; dennoch lie 
t hinlaͤnglich für den Bedarf des Landes. Bedeutender als bie Lein- 
ie Sabrication der rohen und theils in England, theils im Lande gefpons 
nmolle. Das Erzgebirge und das Volgtland find die Hauptfige diefes 
und während dort, befonder& um Chemnig, wo es auch die wichtigften 
ereien und darunter die größte in Deutfchland gibt, die Baummollens 
Strumpfwirkerei blühen, ift hier, vorzüglich in Plauen, der Sig der 
und Schleierweberei. Nirgends in Deutfchland wird die Baumwolle 
ebt als in Sachfen, und feit ber Abnahme der Leinweberei hat fich bie 
etriebfamkeit des ſaͤchſ. Fabricanten häufig mit Leichtigkeit und Erfolg 
Gewerbe zugewandt. Für Baummollenwebereien gibt ed eine Menge 
e größten um Mitweida. Die engl. Spinnmafchinen, deren man be: 
» zählt, und die ſich noch immer vermehren, haben die Handfpinnerei ' 
ert, und man hat e& bereits fo weit gebracht, daß man aus 16 Loth 
einen Haben von mehr al8 45,000 Fuß Länge fpinnt. Spinnmühlen 
20 um Chenmis, die fchönfte in Geier. In und um Chemnig allein 
0,000 Menſchen mit Baummollenarbeiten, und um Plauen im Voigt 
15,000 mit Mouffelinweberei amd gegen 10,000 Menfchen mit Des 
yefchäftigt. Der Betrag der fächf. Baummollenfabrication möchte 
jefammten Baummollenmwaarenerzeugung in Deutfchland ausmachen. 
e Manufacturen von Holzwaaren und hölzernen Spielfachen (im Ober- 
von muſikaliſchen Snfteumenten (zu Adorf, Neukirchen und Leipzig), 
Bgeflelln (um Tharand, in Dibernhau, Leipzig, Derrnhut), bie zuſam⸗ 
th von mehr als 200,000 Thim. betragen, wovon das Ausland über 
ie Strohhutflechterei um Dresden, bie man zu einem gleichen Werth> 
laͤgt, und die Tabacksfabriken (befonders in Leipzig) zu erwähnen. — 
veigen der Gewerbſamkeit, die Erzeugniſſe des Thierreich verarbeiten, 
hmanufactur oben an, und wenn fie gegen frlihere Zeiten, mo fie für 
6,000 Thlr. inländifche und für ungefähr 48,000 Thlr. auslaͤndiſche 
hte, an Abſatz verloren haben follte, fo möchte fie doch an Güte ihrer 
befonders feit ber Gontinentalfperre, gewonnen haben. Oderan, 
»ßenhain, Krimmitfchau, Roßwein, Baugen, Zittau, Bernftabt, Ka⸗ 
die meiften und beften Tücher, und das Land überhaupt jährl. 60,000 
fflicher Mitteltuͤcher, ſelbſt feine dis zu einem hohen Grade von Voll: 
In manchen Zweigen der Wollenmanufactur, bie der fächf. Induftrie 

y, hat fie in kurzer Zeit große Kortfchritte gemacht, wie in der Cafimirs 
vorzüglich aber.in der Manufactur des Merino, der engl. Fabricate weit 
Ran ſchaͤtzt die Sefammtzahl der Woltenfabricanten auf 25,000 Men: 
pinner mit gerechnet. Diefe haben e& zu folcher Vollkommenheit ge 
fie aus 1 Pfund Wolle über 10,000 Ellen Garn fpinnen. Es gibt 
nige Spinnmühlen. — In der metalliſchen Sabrication find die Eifen- 
Erzgebirge, mo es die meiften Eifenhämmer gibt, jegt minder bedeu⸗ 
ſt. Fuͤr das Silberausfchmelzen gibt es nur eine lc wu 


564 Sachſen. TIL Statiftifche überſicht 


Freiberg, wohin das Silber aus allen Bergwerksbezirken gebracht werd 
Dabei ift das Amalgamirwerk, das größte von allen für Talte Amalgamatis 
dem Silber wird jährl. gegen 1 Mid. Thle. an Gelde gemünzt. Von der 
Wichtigkeit find 4 Blaufarbenwerke, die aus dem fächf. Kobalt (feit d. 17. 
eine blaue Farbe bereiten. Außerdem find zu erwähnen: die Kupferfaigel 
Erzgebirge, die auch viel böhmifches Kupfer verarbeitet, nebſt großen Ku 
merwerken, die auch das fächf. Kupfergelb prägen; das große Meſſing 
Voigtlande, deffen Hauptfig zu Rodewiſch ift, das mwichtigfte in Deutſchl 
Zinnfchmelzhütten und der für anfehnlichen Abfag ins Ausland arbeiten 
folienpammer zu Olbernhau; 2 Arſenikwerke im Erzgebirge; anſehnlich 
fel⸗ und Vitriolwerke, befonders zu Beierfeld und bei Geier im Erzgebirg 
den Gewerbanftalten, welche Diineralerzeugniffe bearbeiten, find befont 
zuzeichnen: die Bilechiöffelfabrid in ber Gegend von Schwarzenberg im € 
deren Ertrag über 100,000 Thlr. fteigt; die Bereitung von ſchwarzen 
zinnten Blechwaaren in berfelben Gegend; die Nagelfchmiederei; eifer 
teriewaaren zu Hainichen, deren Abſatz befonbers in die Levante geht; d 
Ianfabri, die hinfichtlich der Weiße und Haltbarkeit der Maffe ihrer Fat 
erfte von allen ift; die Serpentindrechfelei (zu Zöblig), bie einzige, die 
‚pentin im Großen verarbeitet. 

Die wichtigfte Befoͤrderung des fähfifhen Handels war die € 
der Silberbergmerke (1167) und die Stiftung (1176) der Meffen zu Lei 
fhon in ber legten Hälfte des 14. Jahrh. über Augsbarg und Nürnberg 
levantifchen Handel nahm. Sachſen treibt noch jetzt, troß aller Befch 
von Außen, nad) Verhältniß feiner Größe den wichtigften Handel umter ı 
fhen Staaten, die Hanfeflädte ausgenommen. Der Mittelpunkt des 
Spebitions=, Commiſſions⸗, Wechſel⸗ und Buchhandels ift Leipzig. Di 
wollenhanbel theilt e8 mit Chemnig, Plauen und Zittau, den Colonialw 
bei, befonders feit ber freien Eibfchifffahrt, mit Dresden. Der Tran] 
fie Sachſen von der größten Wichtigkeit, Ift durch die Theilung bes Lo 
die den freien Waarengang hemmenden Zollgefege des von 3 Seiten ang 
Nachbarlandes zum Theil vermindert und zum Theil auf andre Wege ge 
den. Schon feit ber Einführung des neuen preuß. Zollſyſtems ift der 
handel in Dreöden bedeutend geworben und hat fidy noch mehr, fowie : 
ber Speditionshanbel, durch die freie Elbfchifffahrt gehoben, die für all 
Elbſtaͤdte und den ſaͤchſ. Handel im Allgemeinen günftige Ergebniffe erw 
wie benn bereits die Stiftung einer elb:weftindifchen Handelsgeſellſchaft 
al& eine Folge derfelben genannt werden muß. Wichtigen Zwiſchenhand 
außer Leipzig und Dresden, aud Zittau, Chemnig und Herrnhut. 
durchaus die bedeutendſten Fabriken fegen ihre Waaren häufig von Hau 
das Ausland ab oder verkaufen fie auf den Meſſen zu Frankfurt und Braı 
Der Betrag bes ſaͤchſ. Handels wird ſich immer, ſchon teil der Begriff 
dels unbeſtimmt ift, nur höchft unficher angeben laffen, und die daruͤber 
menen Angaben innen bloß für annähernd gelten. So ſchaͤtzt man ber 
hen Handel auf 10 Mill., wovon gegen 8 Mil. durch die Hände der 
Kaufleute gehen; den gefammten leipziger Waarenhandel in den Mefle 
Mill., den Buchhandel auf 2 Miu., und Sachſens reinen Gewim voı 
ſamenten Handel auf 2 Mill. und von dem Buchhandel auf 200,000 Xp 

2) Verfaſſung und Verwaltung. Das Land ift polltiſch 
mer, wie in frühern Zeiten, in vereinigte und nicht vereinigte Lande ed 
Die erfteen haben eine im Ganzen gemeinfchaftliche Verfaffung und Be 
und zerfallen a) in unmittelbare, wozu bie 4 Kreiſe gehören, bie m ä 
£heilt find und auch die alten Erblande heißen; b) in mittelbare, wozu Di 


N 


Sachen. II. Statiſtiſche Überſicht 565 


en und Wurzen und die Standesherren, bie Grafen von Solms als Beſitzer 
xerrſchaft Wildenfels und die 5 Receßherrſchaften der Fuͤrſten, Grafen und 
azu Schoͤnburg (f. d.) gerechnet werben. Zuden nicht vereinigten Landen 
: jegt nur noch der lberreft des Markgrafthums Oberlaufis, der aus den Vier: 
3 (ehe Goͤrlitz und Lauban abgeriffen waren, hießen fie Sechsſtaͤdte) Baugen, 
, Kamenz, Löbau und dem Landkreis, nebft den Befigungen des Stiftes 
mgen, der Nonnenklöfter Marienftern und Marienthal, und den Standes: 
aften Koͤnigsbruͤck und Meiberkdorf befteht. Diefe Provinz hat ihre signe 
lefaffung und Verwaltung. — Gadıfen ift eine durch die Verhältniffe des 
Iheren zum beutfchen Bunde und zu der auf Verträge und Landtagsabſchiede 
‚beten Landfchaftlihen Verfaffung befchränkte Monarchie. Die Thronfolge 
Mannsſtamm ber Aibertinifchen Linie nach dem feit 1499 eingeführten Erft- 
Brecht erblich umd der Thronerbe nach vollendetem 18. Jahre münbig. Die 
indſchaft über den Unmünbigen und die Negentfchaft fteht dem naͤchſten Sei⸗ 
vanbten zu. Im Erloͤſchungsfall der regierenden Linie wuͤrden die Erblande 
ältere oder Erneſtiniſche Linie fallen, hinſichtlich ber Lauſitz aber nad) 
flimmungen bes prager Sriedens (1635) andre Verhältniffe eintreten. Das 
n befteht aus 5 ſchwarzen Balken im goldenen Felde mit der in Rautenform 
en, fchräg darüber gebogenen Derzogskrone. Der König hat ungetheilt die 
ende Gewalt, das Ernennungsrecht zu allen Stellen, das Recht der Be- 
ang, alle Militairgemalt und bie Oberhoheit in den Standeöherrfchaften. 
tände nehmen an der Staatsregierung Antheil theild durch Bewilligumg der 
n, theild durch eine berathende Stimme bei wichtigen allgemeinen Landes⸗ 
errbeiten, befonber& bei der Geſetzgebung, bei dem Religions » und Schul 
bei Polizeis, Gewerbs⸗ und Handelsſachen. Die ftändifche Verfaffung ift 
zz die alte, auß frühern Jahrhunderten übergegangme. Das Markgrafthum 
ufis bat zwar feine eigne ftändifche Verfaffung, body nehmen die Stände 
n feit 1817 auch an den allgemeinen Landtagen Theil. 
Yie Stände der Erblande bilden: a) die Prälaten, Grafen und Herren, 
ie Abgeordneten des Stiftes Meißen, dee Herrſchaft Solms, ber ſchoͤn⸗ 
hen Herrſchaften und der Univerfität zu Leipzig gehören; b) der Ritterfchaft, 
e Befiger von Rittergütern; nur bie altzabeligen Beſitzer der-fchriftfäffigen, 
© hoͤchſten Regierungsbehörbe unmittelbar unterworfenen Güter aber, bie 
, 8 Ahnen von väterlicher und mütterlicher Seite beweiſen koͤnnen (wirkliche 
neräthe und Oberften, die im Selbe befehligt haben, find von der Ahnen: 
Mein frei), haben in eignem Namen Sig und Stimme, die bürgerlichen 
£ ſolcher Güter hingegen, ſowie die neuzadeligen Eigenthümer ber Rittergüs 
Heinen nad) der Verordnung vom 16. Oct. 1820 durch 40 gewählte Abge⸗ 
(29 aus den Erblanden und 11 aus der Oberlaufig); e) die Städte, d.h. _ 
zeorbneten ber Stadträthe derjenigen 81 erbländifchen Städte, bie Sig und 
ne auf ben Landtagen haben, wozu neuerlid, auch die 4 oberlaufigifchen 
e, Baugen, Zittau, Kamenz und Löbau gefommen find. Die Ritterfchaft 
ich in 3 befonders berathfchlagende Vereine: ben engen und weiten Ausfchuß 
e allgemeine Ritterfhaft. Im engen Ausſchuſſe hatten bei dem Landtage 
32021 auch die Standesherrfchaften Königebrüud und Meibersdorf, der 
liſche) Dechant des Stiftes zu Baugen und bie Abgeordneten des Stiftes zu 
m und außerdem 26 altzadelige Mitglieder der mit fhriftfäffigen Ritterguͤ⸗ 
mgefeffenen Ritterfchaft, überhaupt 30 Stimmführer Sig. Im meitn 
buffe waren bei jenem Landtage 45, und in der allgemeinen Ritterfchaft 
a meißniſchen Kreife 22 (morumter 4 bürgerliche Mittergutsbefiger), b) vom 
Ixgifchen 9 (darunter ein Bürgerlicher), c) vom leipziger 13 (mit 4 Buͤr⸗ 
ven), d) vom voigtlaͤndiſchen 2, e) von ber Oberlaufig 19 wir 3 Binxgerio 


566 -  Sachfen. IH. Statiſtiſche Überſicht 


hen. Aus biefen Angaben fehen wir auch, daß im leipziger Kreife v 
Gig mehr Rittergüter im Beſitze von Bürgerlichen find als In den an 
theifen. Auch die Städte bilden 3 Vereine: einen engen Ausſchuß 
das hier, ſowie unter den Städten überhaupt ben Vorfig hat — Drest 
Zwickau, Steiberg, Zittau, Chemnis, Plauen), einen weiten Aus| 
berg — mit dem Rechte des Vorfiges — Meißen, Großenhain, 
Marienberg, Kamenz, Löbau, Wurzen, Pirna, Olsnitz, Borna, 
die allgemeinen Städte, die nach ben 4 Kreifen an * Tifchen figen, uͤ 
davorraus dem meißnifchen Kreife 16, worunter Ofchag den Vorfig I 
erzgebirgifhen 32, darunter Stollberg als vorfigende Stadt, aus 
44, worunter Grimma den Vorſizz führt, aus dem volgtlänbifche 
Marktneukirchen den Rang hat. Die Zahl der Mitglieber des Zant 
2235 bis 230, tod) ann man, da die Städte und die Univerfität mı 
nete fenden, bie Zahl der nach und nach erfcheinenden Mitglieder 
fegen. Das Directorium der zweiten und dritten Claffe der Staͤnd 
fondere des engen Ausfchuffes der Ritterfchaft hat der Erbmarſchall 
Stellvertreter, der Erbmarſchallamtsverweſer. Die Erbmarfchallar 
faß ehedem mehre 100 Jahre hindurch die gräfliche Familie Löfer, fe 
felbe zu Anfange dieſes Jahrh. abgegeben hat, wird fein Stellvertrei 
tagepräfident) vom Könige ernannt. Ale Angelegenheiten, welche 
herrn an die Stände, ober an jenen von bdiefen gelangen, mwerben q 
allen 3 ritterfchaftlichen, wie in den fädtifchen Gurten, berathen, u 
führt, unabhängig von den andern, ihre begutachtende Stimme. 2 
‚ ordnung von 1728 *) ift im Ganzen noch gültig, außer daß zur Mit: 
oben erwähnt, auch gewählte neuzadelige und bürgerliche Abgeordn 
“find, da von 800 landtagsfähigen Ritterglitern ſich fchon gegen + üı 
Hinden befindet, daß ferner die lauſitziſchen Ritter und Vierftädte X 
„meinen Landtage nehmen, und einige früher nicht landtagsfaͤhige S 
tanftädt umdb Zwenkau) im leipziger Kreife 1817 Sig und Stimme ⸗ 
Der von den Ständen 1821 gemachte Antrag, die Landtagsordnung 
und ftändifche Abgeordnete neu bearbeiten zu laffen, wurde abgeſch 
die Eröffnung und ber Schluß des Landtages find feierliche Handlung 
vor dem Könige flattfinden. Bei jener wird die koͤnigl. Landtagspi 
Ständen vorgelefen. Über diefe berathen die ftändifchen Coffegien mit 
abtheilungen, worauf dann die Präliminarfchrift, die Beſchwerden 
der Stände enthaltend, von dem ftädtifchen Directorium (dem Abgı 
Stabt Leipzig) ausgearbeitet und durch eine Deputation ber Ritterfchaf 
überreicht wird. Die während der Sigungen an die Stände von S 
gierung zu machenden Eröffnungen gefchehen durch Decrete, welche 
ritterſchaftlichen Ausſchuß gelangen und von diefem den übrigen Col 
theilt werben. Finden bei der Verhandlung zwifchen ber Regierung un 
ben keine Schwierigkeiten flatt, fo erfolgt bie Hauptbewilligungsſchrift 
und Abgaben), welche der Erbmarfchan felbft mit einer Deputation a 
ber Stände überreicht. Endlich wird durch den Landtagsabſchied dei 
fhloffen, wobei der König jedesmal durch eigens ausgeſtellte Werfich: 
verfe) den Ständen fich verpflichtet, ohne deren Math und Bewill 
Steuerverfaffung Leine Veränderung zu geftatten. Manche Unterfu 
Arbeiten werben während der Sigungen einzelnen fländifchen Comm 
Deputationen aufgetragen. Die Landtagsacten wurden früher gefi 
dem Decret vom 16. Oct. 1820 aber werben fie, jedoch bloß für die 2 
Ständeverfammlung , durch Steindruck vervielfältigt; die ſchon 1818 


7) Perausgeg. von Hausmann (Reipy. L7I9) und von Blum Keigg, 


Sachſen. IT. Statiftifche Überficht 567 


hhen Gollegien in Antrag gebrachte, aber vom engen Ausfchuffe ber Ritter: 
bedenklich gefundene Veröffentlichung der wichtigſten Landtagsſchriften 
np den Druck iſt nicht genehmigt worben. Die Landtage wurden bis in die 
Beit alle 6 Fahre gehalten, und auf diefen Zeitraum von den Ständen jes 
u die Geenern bewilligt, neuerlich aber haben nur Zjaͤhr. Bewilligungen flatt 
wedurch die Verfanmmlung der Stände von 3 zu 3 Jahren nöthtg wurde. 
erhalten eine beftimmte tägliche Auslöfung aus der Steuercaffe. Der 
Ständeverfammiung iſt feit dem 17. Jahrh. Dresden. Die ehemaligen 
haben aufgehört. — Die Stände der Oberlaufig, die bis in bie 
Beiten bie Angelegenheiten ihrer Landfchaft in befondern Verſammlungen, 
w Wangen gehalten wurden, beriethen, theilen fid in den Stand vom Lande 
a den Städteftand. Zu jenem gehören die Standeöherren, die Prälaten 
HDemcapitel zu Bautzen) und bie bucch proteftantifche abelige Kloſtervoͤgte ver 
ne Nonnenkloͤſter Marienſtern und Marienthal und die Ritterfchaft, welche 
is den Erblanden in 3 Unterabtheilungen zerfällt; zu dem Städteftand die noch 
vu 4 Sechſeſtaͤdte. (Bol. Laufis) Die Kreistage, gefeglich confli- . 
durch bie Kreisordnung vom 10. Aug. 1821, bilden ſich durch die Ritters 
R ber verfchiedenen Kreife. Sie befchäftigen ſich mit der Berathung der allges 
um Angelegenheiten ihres Kreifes, in&befondere mit der Vertheilung ber auf 
Rendtagen auf die Ritterfchaft verwilligten Präftationen berfelben unter deren 
ber, fowwie mit ben Caſſen⸗ und Rechnungsangelegenheiten. 
Ba Hofſtaate gehören: 1) das Oberhofmarfchallamt, die erſte Hofbes 
R, fuͤr weiche alle eigentliche Dofangelegenheiten gehören; es fleht unter dem 
u Dofmarfchall, dem Dberküchenmeifter, dem Oberſchenken und bem Hofs 
ſemarſchall; ihm find die Kammerjunker, Dofärzte ıc. untergeben; 2) die 
befleht aus dem Oberkammerherrn, dem bie Geremonienmeifter, 
bern, die koͤnigl. (öffentliche) Bibliothek und einige andre Sammlun⸗ 
mtergeben find, und aus dem Rammerbepartement, zu welchem die koͤnigl. 
Waͤter, bie Beifttichen ber kathol. Hofkirche, die Leibaͤrzte, Hofapotheke, die 
merbedienung, koͤnigl. Schatulle ıc. gehören; 3) das Hausmarfchallamt; 
u Dberftallamt; das Oberhofjägermeifteramt. Das Hoftheater (beutfches 
uſpiel und italien. Oper) und die muflkalifche Capelle ftehen unter einer befons 
Direction. Die Königin und jedes Mitglied der koͤnigl. Familie haben einen 
a größern ober Pleinern Hofftaat. Die Hofordnumg befteht aus 5 Claſſen 
Dberhofmarſchall bis herab auf dem Titularrath und wird firenge beobach⸗ 
Die Bitterorben find: 1) ber 1736 geftiftete und 1768 erneuerte St.⸗Hein⸗ 
nden für Rriegerverdienft, mit 3 Rangclaffen; 2) der 1807 geftiftete Or⸗ 
we Rautentrone (f. d.), beffen erſter Ritter Napoleon wurde, ein Haus: 
: fer Fürften und vornehme Staatsbeamte; 3) der Civilorden für Verdienſt 
Ereute, 1815, nad) des Königs Ruͤckkehr, gefliftet, mit 3 Ritterclaffen und 
Weballimdaffe. Der König iſt Großmeiſter aller Orden. Über das fächf. 
Isifehe Wappen: 5 ſchwarze Balken im goldenen Felde, f. Anhalt und 
tmentrone - 
In der StaatLverwaltung find feit 1815 wichtigere Veränderumgen 
tseten als in der Verfafſung; fie iſt jedoch, wie diefe, noch mancher zeitges 
m Umbildung ımb Vereinfachung fähig. Im Ganzen iſt ihr Charakter recht⸗ 
ohne willfürliche Formen, vorfichtig, langſam und bebächtig vorwärtß fchreis 
‚ Die hoͤchſten Verwaltimgöbehörben find: 1) das geheime Gabinet, urs 
nglich (1697) Für die polniſchen Angelegenheiten errichtet, vertritt die Stelle 
Btaatoſecretariats andrer Länder; ihm kommt die Bearbeitung aller dem Lan⸗ 
ern zur eignen Entſcheidung vorbehaltenen Angelegenheiten zu, und es bringt 
ingersichten Wittfchtiftn zum Vortrag. Den Vortrag haben 3 Cabtnetiuig 















gehobenen Behörde flanden, mit ber obern Leitung der evangel 
gelegenheiten beauftragt, weßhalb biefe Staatsbenmten augebu 
fein und den Religionseid ablegen müffen. Der Geheimerath | 
mäßig aus wenigſtens 3 beſonders dazu verorbneten wirklichen ( 
jegt 2 Conferenzminifter — und außerdem aus ben Präftdente 
giums, der Kriegsverwaltungskammer und dem Kanzler ber Lan! 
in Fällen, die das Gteuerwefen betreffen, der Oberftenerbire 
und diefe höchfte Behörde iſt zunaͤchſt zur Berathung des Koͤni⸗ 
besverfaffung, bie Gefeggebung und allgemeine Verwaltung b 
genheiten beftimmt und hat über die gefammte öffentliche Ver 
auffiht. 3) Das geh. Finanzcollegium, das urfpruͤnglich av 
ordneten Kammer entftand und 1782 feine neuere Einrichtung e 
waltung des gefammten Sinanzwefens, ber Domainen und Re 
aus fliegenden Einkünfte, fowie auch der Bergwerke, mithin 
buchhaltung und bie Oberaufficht Aber alle landesherrliche Caffı 
4815 nur aus 2 Departements, wovon dem erften die Verfaſſu 
der Behörde, die Hauptcaffe, das Poftwefen, der Straßen: u 
Salzregie und bie indirecten Abgaben, dem zweiten aber bie D 
Floͤßen, der Bergbau, die Münze und das Bauweſen zugew 
Behörde find die Kreis» und Amtshauptieute (obgleich eigentlic 
die hoͤhern Forſtbeamten, die Bergämter, die Oberpoflämter (Rei 
die obern Xccifebeamten untergeben. Sie hat die Gerichtsbart 
Acciſe⸗, Zoll ⸗· und Geleitsregie beauftragten Perfonen, fomwie ı 
geordnete Beamten in Sachen, welche ihr Dienflverhältnig an 
die höchfte Appelationsinftanz für das Bergwefen. 4) Die 4 
Tammer trat an bie Stelle des ehrmaligen geh. Kriegsrathscollegi 
militairiſche Angelegenheiten, mit Ausnahme der Commanbofi 
Generalkriegegerichtöcolegiums untergeordneten Militairjuſtiz; 
legenheiten der kauſit aber gehören vor ben  Geheimencath. 5) 


. Sachſen. II. Statiftifche Überficht 569 


igteaſſe anzubringenden Mechtöfachen; die zur rechtlichen Ausführung ges 
en Lebnsftreitigkeiten, und endlich Klaganfprüche gegen das Domcapitel 
jen mb die Fürften, Grafen und Herren zu Schönburg. Durch das Mans 
ı 13. März 1822 iſt die Verfaſſung der Juſtizbehoͤrden einfacher geworden, 
Cognition über eingewenbete Appellationen in bürgerlichen Rechtsſtreitig⸗ 
warst nicht mehr der Landesregierung, fondern dem Appellationsgerichte 
Das Dberfteuercollegium empfängt und berechnet alle von den Ständen 
e orbentlidhe und außerordentliche Steuern, und bie Mitglieber beffelben 
ums Theil vom König, zum Theil von ben Etänden ernannt. Unter ihm 
H bie Gteuercreditcaffe, bie aus 4 Deputirten von der Nitterfchaft und 
elen Abgeorbneten der Städte Dresden, Leipzig, Zwickau und Plauen bes 
) Der Kirchenrath und das Oberconfiftorium, feit 1706 eine vereinigte 
„ bie in ber erften Eigenfchaft ale die höchfte geiftliche Landesſtelle das ges 
Kirchen⸗ und Schulwefen leitet und im Namen des Landesheren verfügt, 
iſtorium aber nur Verordnungen erläßt. Unter ihm flehen die 25 Su⸗ 
denten und geiftlichen Inſpectoren des Landes, fowie die Büchercommilffion 
g, die über die Beobachtung der hinſichtlich ber fiterarifchen Polizei und 
hhandels beſtehenden Verorbnungen zu wachen bat. Zr die röm.skathol. 
Bgenoffen in den 4 erbländ. Kreifen ift nach bem Mandat vom 19. Febr. 
36 apoftolifche Vicariat in Dresden die oberfte geiftliche Behoͤrde; es 
„ft dem ihm untergeordneten kathol. Gonfiftorium , die geiftlichen Anger 
en unb die geiftl. Gerichtöbarkeit in ber Maße zu verwalten, wie ſolches 
evangel. Kirchenrathe (untergeorbnet ben im Geh. Mathe ſitzenden evangel. 
then) und ben unter demfelben ſtehenden Gonfiftorien hinſichtlich der 
Unterthanen geſchieht. Das Kirchenregiment der kathol. Kirche in ber Lau⸗ 
: von dem Dechant bed Domftiftes St.:Petri zu Bautzen ausgeuͤbt. 
gibt es noch Deputationen und Commiffionen, die theild nur einftweilig, 
mernb find. Zu ben legtern gehören: a) die Oberrechnungsdeputation, 
gliedern verfchiedener hoͤchſten Behörden und einem Steuerbeamten ımter 
rfige eines Conferenzminiſters beftehend, für bie Unterfuchung ber Rech⸗ 
aller Staatscafien, bis auf die koͤnigl. Schatulle, und für die Aufficht 

Der Beflimmung gemäße Verwendung aller Gaffeneinnahmen; b) bie 
Dkonomies DManufactur » und Commerziendeputation, gleichfam aus 
ern verfchiebener Landesbehörden zuſammengeſetzt, führt bie Aufficht über 
eBinbuftrie überhaupt; e) die Commiffion zur Beforgung ber allgemeinen 
und Derforgungsanftalten, zu beren Mitgliedern auch ein ftänbifcher Ab⸗ 
er gehört, und unter welcher, außer den beiden Zuchthaͤuſern zu Zwickau 
Ldheim, das Randarbeitshaus zu Koldis und die Heilanftalt für Seelen- 
ufdem Sonnenftein (f. d.) fliehen; A) die Brandverficherungscommifs 
Die Verwaltung und Bertheilung ber Beiträge zu der allgemeinen Brands 
umgeanftalt; e) bie Commiffion zur Veredlung ber Schäfereien. Zu ben 
lichen Behörden diefer Art find zu rechnen: bie 1807 ernannte Landescom- 
re Beſorgung aller auf die Folgen des Kriege fich begiehenden Angelegen> 
die Kammercrebitcaffencommiffion, 1765 zur Abtragung der Kammer 
äfefchulden errichtet; die 1772 zur Ausfertigung, Auswechfelung und 
Hung des zu jener Zeit gefchaffenen Papiergeldes angeorbnete Caſſenbillets⸗ 
ton. — Die früher feit 1791 beftandene Gefegcommiffion, die fich vor⸗ 
nit einer neuen Proceforbnung befchäftigte, warb 1819 aufgehoben. Die 
einzeln befanntgemachten Landesgeſetze werben feit d. 9. Mai 1818 unter 
ang einer eignen Redaction in der Geſetzſammlung zur öffentlichen Kunde 


ie oberfien Juſtizbehoͤrden find: die Landesregierung und das 1483 uiikt. 


| 570 Sachfen. IH. Statiflifche Überficht 


Dhberhofgericht zu Leipzig, welches, aus einem Dberhofrichter und ei 
und gelehrten Bank beſtehend, jährlich 4 Hauptfigungen hält, wo Urt 
gemacht werben, von welchen aber Berufung an die Landesreg 
Die Oberamtsregierumg iſt der hoͤchſte Gerichtshof für bie Laufig. 
mehre Urtheil fprechende Behörben oder Spruchcollegien. In Ewilſ 
Appellationsgericht die oberfte Inſtanz; doch ift hier gegen Haupterke 
die Laͤuterung zulaͤſſig. In peinlichen Sachen wird wegen aller App 
die Landesregierung berichtet, die bann noͤthigenfalls durch Reſcripte 
Verfahren anordnet. Der ſchon im 13. Jahrh. beftanbene, aber «ı 
zur Landesbehoͤrde erhobene Schoͤppenſtuhl zu Leipzig ſpricht in allen 
ſtizbeamten der 4 Kreife anbängigen peinlihen Fällen das erfte Urthel 
ſungsmaͤßig ber unterfuchende Richter nicht Urtheile fällen kann. Di 
euität zu Leipzig, die, unabhängig von der Univerfität, ein Spruch 
erſter und zweiter Inſtanz bildet und aus 5 Profefforen der Rechte 
gern, mit Einfchluß eines vom König ernannten, beſteht, erhält Ci 
tſcheidung. Die Oberamtöregierung zu Bautzen iſt zugleich Spt 
fuͤr die Oberlaufig. Der 1255 geftift. und 1665 neu eingerichtete B 
hi zu Freiberg entfcheibet in allen das Bergweſen betreffenden F 
Handelsgericht in Leipzig, aus 2 Nechtögelehrten und 2 Kaufleute 
ſpricht in Handelsſachen. Die Rechtepflege in erfler Inſtanz wird 
die koͤnigl. Juſtizaͤmter, deren es in den 4 Kreifen 41 gibt, theils burd 
raͤthe, theils durch die gutsherrlichen Gerichte der Mittergüter, die g 
richtöbarkeit aber von den Confiftorien zu Dresden und Leipzig verwa 
iſt auch ein Conſiſtorium für kath. Unterthanen unter. dem Vorſitze des 
Vicars zu Dresden angeordnet worden. 

Die oberfte Leitung des Polizeimefens fteht der Landesrı 
welche Polizeigefege befannt macht, und über Polizeiſtreitigkeiten in le 
entfcheibet. In ben 4 Kreifen beforgen bie Poltzeiangelegenheiten 4 
leute, und die ihnen untergebenen Amtshauptleute, deren es uͤberhar 
Ste haben außer der Aufficht Über die Polizei, jedoch ohne eigentliche 
walt, auf bie meiften Theile der Staatsverwaltung, insbefondere auf 
der Gewerbe und der Betriebfamkeit zu fehen. Die jähel. Berichte ' 
Hörden über Nahrungsſtand, Gewerbe und Feldbau werden an fie ab 

- von ihnen an bie betreffenden Oberbehörben eingefendet. Die Gen 
ihnen, zur Fuͤhrung befonderer Aufficht, untergeben. Die Ortspoll 
die Suftisämter und Stabträthe in ihren Amtöfprengeln und "die Darfri 
Städte Dresden und Reipzig haben eigne Polizeibehörden. In der DI 
tet der Oberamtshauptmann die Polizei. Die oberfte Leitung der n 

Polizei hat das Sanitätscollegium zu Dresden in Verbindung mit den 
mebicinifchen Facultaͤt zu Leipzig. Won diefer Behörde werben die Ar 
ärzte, Hebammen und Apotheker geprüft. Jedes Amt hat f. befolbet: 
außer der Aufficht über die Befundheitspflege auch die Heilung der Xı 
geltlich übernehmen muß. — Für Krautenhäufer und Irrenanſtalten 
geforgt. Die Armenpflege wird durch Waifenhäufer, Arbeitähäufer, 
tungen (deren es beſonders in der Oberlaufig fehr reiche gibt) unterfl 
Zucht» und Arbeitshaͤuſer find zum Theil muſterhaͤft eingerichtet, di 
bloß auf die fichere Bewahrung der Sträflinge bedacht iſt, ſondern fi 
Selbſterwerb und zur Befferung anhält. Die Feuerpolizei iſt befonders 
und Leipzig vorzüglih. Zu der 1787 geftift. Immobiliar » Wranboerfii 
alle Hausbefiger in den & Kreifen verpflichtet. In Reipzig beſteht eine 
unternonmene Brandverfiherung. Die Mobiltar  Branbcaffe ift einge 
Unter ben befondern Zweigen der Ifientlihen Verwaltung find ned) | 


Sachſen. III. Statiſtiſche Überſicht 671 


Das Poſtweſen gelangte In Sachſen fruͤh zu bebeutender Ausbil⸗ 
ward ſchon 1681 ausſchließendes Megale; 1715 entſtand die jetzige 
ang, und 1722 ſetzte man nad) Zuͤrner's Vermeffungen bie erſten Poſt⸗ 
ie jedoch an ben neuen Kunfiftraßen durch andre Säulen von Viertelmelle 
Imseile erfegt werden. Die Verwaltung des Poſtweſens fleht unter Ober» 
es Finanzcollegiums. Es gibt 42 Poftänter und 35 Pofterpeditionen, 
t an 77 Örtern Poftanftalten, nach Verhältnig mehr als in irgend einem 
te denn auch Sachſen durch f. zahlreichen Poftftationen fich auszeichnet, 
nehr als an 90 Örtern gibt. Die Poftwagen find gegenwärtig bequemer 

beſonders die Eilwagen; auch für die Poftftraßen iſt unter ber Regierung 
fl. Könige mehr als je zuvor gefchehen, da von beinahe 100 Meilen’ 
$en, die es im Lande gibt, vor f. Regierung nicht eine vorhanden war. 
ig Befonders die vom geh. Finanzcollegium abhangende Straßenbaucom⸗ 
ei. — Das Forſtweſen hat in neuern Zeiten eine verbefferte Einrich⸗ 
lten. Das Land (auch hierin mit Ausnahme ber Laufls) iſt ſeit 1817 in 
eiſe und die Oberforftmeifterei im Voigtland getheitt.: Diefe 5 Abtheilums 
Ten in Bezirke und Meviere, welchen Korftmeifter und Foͤrſter vorgefegt 
Die Verwaltung dee Bergwerke iſt mufterhaft und hat viel eignes. 
jbau auf ganze und halbe Metalle iſt zwar Staatseigenthum, ſchon in 
eiten aber ließen die Landesherren auch Privatperfonen Antheil daran neh⸗ 
erklärten den Bergbau für frei, nur mit Vorbehalt gemwiffer Rechte und 

Die Rechte des Staats beftehen: in dem durch Belehnung audgeübten 
thum, In der Oberaufficht über dem Bergbau durch Öffentliche Beamte, 
richtsbarkeit über die Bergleute, im Vorkaufsrecht ber Metalle, nad 
Ues Silber aus den Privatgtuben fuͤr einen beftimmiten Preis dem Staate 

werden muß, die Abgaben aber in dem Zehnten, Wagegeld x. Nur 
Kanerde und der fchnedenfteiner Zopasfels find der ausfchließenden Bes 
es Staats vorbehalten. Der König hat, außer einzelnen Antheilm an 
zechen, nur eine einzige Erzgrube als alleiniges Eigenthum ; deſto wichti⸗ 
ind die Huͤttenwerke, die Silberhuͤtten und das Amalgamirwerk, das 
enwerk, die Saigerhuͤtte, das Alaunwerk. Die koͤnigl. Steinkohlen⸗ 
lauenſchen Grunde find beträchtlich, doc) jetzt, wegen koſtbarer Anlagen, 
reinen Gewinn. (Bol. Freiberg) Die Bergleute haben manche 
und Befreiungen und eine Uniform. Über alle Bergwerke und Hätten 
ſirks iſt ein Bergamt geſetzt, nach deſſen Gutachten und Vorſchrift alle 
rbaut werben muͤſſen. Es gibt dern 7. Die Oberaufſicht führen das 
unt und das Oberhättenamt. Unter jenem ftehen die Bergämter und die 
emie, und unter biefem alle Schmelzhütten und das Amalgamirwerk. 
-&inanzwefen zerfällt in das eigentliche Finanzweſen, wozu alle in 
Dauptcaffe fliegende Einkünfte gehören, und in das Steuerweſen, wel⸗ 
r Steuercaffe gehörenden Einkünfte betrifft. Die Einkünfte bes Staats 
As Aus den Domainen und koͤnigl. Kammerguͤtern, theils aus ben Re: 
wozu die Bergwerks⸗, Forſt⸗, Floß⸗, Muͤnz⸗, Poft:, Salz: und Lehn⸗ 
zoͤren (man rechnet die Einkuͤnfte dieſer beiden Claſſen auf 1,200,000 
elis aus den Steuern. Zu den directen Steuern gehören: als Grundſteuer 
Bfteuer, al8 urfprüngliche Gewerbſteuer die Quatemberſteuer, die jedoch 
4b auj Grundſtuͤcke ausgedehnt wurde. Dazu find weiter zu zählen: bie 
teuer, die Magazinmege, feit 1751 von den Ackergrundſtuͤcken zur Uns 
) der Magazine genommen, die neue Steuer von biefen Grundſtuͤcken zur 
ber Landftraßen, die Ritterpferbgelder, eine von Rittergütern für bie 
zu leiſtenden Kriegsdienfte erhobene Abgabe, die 40 — 50,000 
wägt; die Averfionalfummen ber Gtandeöhersfhaften Wiühenkea wer 


on Sachſen. IV. Das Gefammthaus Sachfen 


- 


Schoͤnburg, und ewblich ber Steuerbeitrag ber Oberlaufis, bie ein eignei 


ſyſtem hat, ungefähr u zu gemeinfchaftlichen außerorbentl. Geldleiſtung 
ter den indirecten Steuern find begriffen: die Landacciſe von inlaͤnd. W 
Grenz⸗ ober Landacciſe von ausländ. Waaren, die Confumtionsacdfe in 
die Generalaccife auf Dörfern, der Mahlgroſchen (von verbadtenem Gi 
den Städten, die Trankſteuer von ausländ. Weinen, Bieren, Branntıs 
außerdem bie Trankſteuer von inländ. Biere, bie Sieifchfteuer, der neuerl 
Stempelimpoſt. Man rechnet die gefammten Staatseinkünfte auf 6 
Ahle. oder gegen 10 Mid. Guld. Da Preußen nach ber Theilung di 
kraft des Vertrags vom 28. Aug. 1819, einen Theilder Staats 
nahm, fo blieben dem Königreiche etwas über 16,660,000 Thlr. Da 

en die Kammerfchulden, für deren Bezahlung die Kammer » Grebitcaf 
miffion beftimmt ift, 1,613,234 Thlr. Zur Bezahlung der Zinfen unt 
gungsfonds wird jaͤhrlich über 1,000,000 Thir. beftimmt, wozu feit 
Steuercrebitcaffe (4 ritterfchaftl. und 4 ftädtifche Deputirte, welche di 
ſchuldenweſen verwalten) jährlich) 713,333 Thlr. beiträgt. Won 1823 
alle mit 5 Procent verzinfeten Schulden nach der Wahl dev Gläubige 
bezahlt oder auf 4 Procent herabgefegt. Die Summe bes Papiergeli 
2,500,000 Thie. ; es ſteht der Münze im Verkehr gleich, und alle Zul 
Öffentliche Caſſen innen zur Hälfte darin geleiftet werden. 

Das Kriegsmefen hat feit 1815 wichtige Veraͤnderungen erfal 
Beſtand der Kriegemacht beträgt 13,307 M., alfo wenig mehr als bass ( 
von 12,000 M., welches Sachſen für die 1. Abth. des 9. Heerhaufen: 
ſchen Bundes in Friedenszeiten bereit halten muß. Die Verwaltung (1 
Kriegeverwaltimgstammer und der Generalkriegegerichte) fteht unmitt: 
des Königs Leitung, theils durch den Minifter bes Innern, theil durch de 
fecxetair bed Kriegedepart. (den Chef der geh. Kriegskanzlei der Commar 
legenheiten). Zur Unterhaltung bed Heers verwilligen die Erblande jährl. 
und zum Mebrerfordernif 207,000 Thlr. ald gewöhnt. Beitrag und bie 
26,997 Thle. und zum Mehrerfordernig 23,000, zufammen 923,663 
Die ausmwärt. Verhältniffe betreffend, fo unterhielt der Sta 
außer dem Gefanbten beim Bundestage, Gefandte zu Berlin, Dündı 
Petersburg, Wien, Gefchäftsträger zu Kaffel, Kopenhagen, Madri 
gart, Weimar, Rom, London, Hanover; Confuln in Bordeaur, Dan 
burg, Malaga, Neapel. Zu den Geſandtſchaftskoſten geben die Stänl 
The. — Sachſen bildet im deutfchen Bunde ben vierten Staat und ba 
men im Plenum. Das Contingent, das im Kriege auf 18,000 Da 
wird, bildet mit den Contingenten ber herzogl. ſaͤchſ. Häufer, der Häuf 
Kurheſſen, Zuremburg, Naffau, Reuß, Schwarzburg das neunte Co 
welches Sachſen den Oberbefehl hat. Nach dem Kriegsdienfigefege vom 
1825 tritt die Dienftpflichtigeit des Einzelnen mit dem 1. San. desje 
ein, in deffen Lauf derfelbe f. 20. Jahr zuruͤcklegt. Wenn biefe Claſſ 
derlichen Bedarf nicht dedit, folen Mannſchaften aus dem zundächfifok 
bensjahre herbeigezogen werben. Befreit find die Stubenten in Leipzig, 
Tharand, Dresden, die Sürftenfchüler, Symnafiaften, Seminariften. D 
zeit ift auf 8 Jahre feftgefegt. Die Entlaffung erfolgt dann mit ber Ben 
auf Erfodern während ber nächften 4 Fahre zur Kriegsreſerve ſich zu fiel: 

IV. Das Sefammthaus Sachſen in Meißen theilte fi 1 
Linien: A. Die jüngere, die Aibertinifche, feit 1697 kath. Relig 
Herzog Albert dem Beherzten (ft. 1500) geftiftet,, hat ihren Sig zu Dred 
der ſeit d. 5. Mai 1827 regier. König Anton, geb. b. 27. Dec. 1759, 
zum zweiten Dale mit der 1827 verſt. Erzherzogin Maria Therefis, K 


Sachſen. IV. Das Geſammthaus Sachſe 575 


T., keine Kinder bat, Eommt bie Thronfolge auf den jüngern Bruder 
m, geb. 1759, der mit f. 1804 gefl. Gemahlin Caroline von Parma 2 


riedrich Auguft, verm. 1819 mit Caroline, Erzherzogin von Oſtreich, 


nn, geb. 1801, verm. 1822 mit Amalia, T. des Könige Max. I. von 
nd 4 Töchter erzeugt hat. B. Die ältere, Erneftinifche Linie, evan- 
riſcher Religion, geftift. von dem Kurf. Ernft (ft. 1486), theilte fi 
Söhne des Enkels deffelben, des legten Erneſtiniſchen Kurfürften, Jo⸗ 
drich des Großmuͤthigen (ft. 1554), in mehre Äfte, die durch die Her⸗ 
elm umb Ernſt den Frommen (Söhne Johann, des Enkel Johanns bes 
gen) 2 Hauptzweige: Sacfens Weimar : Eifenady, (feit 1815 groß» 

und Sachſen⸗Gotha bildeten. Letzterer theilte ſich wieder durch bie 
ft des Frommen in 7 Zweige, von denen, nachbem bie Speciallinie 
a und Altenburg 1824 mit dem Herzoge Friedrich IV. ausgeftorben iſt, 
ihen: ©. Meiningen: Hilbburghaufen, ©.: Altenburg und &. Kos 
ba (f. Weimar, Gothau. ſ. w.). Der Großherzog und die 3 Her: 
Sachfen haben in der Bunbesverfammlung den 12. Plag und 1 Sefammits 
n Plenum hat jeder 1 Stimme. Saͤmmtl. Länder des Sachſen⸗Erneſti⸗ 
mſes haben einen $lächenraum von 178 LM. mit 601,944 Einw. Die 
miverfität der Länder dieſer Haufes tft Jena. — 1) Der Großherzog zu 
rar und Eiſenach, Karl Auguft (geb. 1757), Senior ber Exneftinifchen 
t 2 Söhne. Der Erbprinz, Karl Friedrich, ift mit Maris Paulorona, 
ſter des Kaifers Nicolaus vermählt. 2), Der Herzog von ©. : Meinins 
hard, geb. 1800, iſt mit der Prinzeffin Maria von Kurheffen vermaͤhlt 
Sohn. 3) Der Herzog von S. Altenburg, Friedrich, geb. 1763, hat 

4) Dee Herzog von ©.:Koburg- Gotha, Ernſt, geb. 1784, hat 2 
Sein Bruder Ferdinand, oͤſtr. Generalmajor, nennt fi H. zu S.⸗Kob.⸗ 
hary, weil er mit der Erbin der Güter des Prinzen v. Kohary in Ungarn 
I. Sein jimgfter Bruder, Leopold (f. d.), war ber Gemahl der Prin⸗ 
lotte von England. Seine Schweſter Victorie ift die Witwe des Her» 
it, Bruders des Königs Georg IV. von England. Über die Regierungs⸗ 
a dem Geſammthaufe Sadıfen vgl. m. D. Pfeiffer, „lb. die Ordnung 
ungsnachfolge in deutfchen Staaten überhaupt und in dem herz. Ges 
5_ = Gotha insbef.“ (Kaffel 1826, 2%h.); „Üb. den Roͤmhilber Receß 
ut. 1791” (Götting. 1826); „Hiſtor. Entwidel. der im herzogl. Haufe 
obachteten Grundſaͤtze der Erbfolge unter Seitenverwanbten ıc.” (Gotha 
[6. die Untheilbarkeit deutfcher Bumbesftanten” (Hanov. 1826) u. a. m. 
.E. Weiße's, Lehrb. des koͤnigl. ſaͤchſ. Staatsrechts“ (Leipz. 1827, 
die Nachtr. in der Selbſtrecenſ. in d. leipz. „Lit.⸗Zeit.“ (1827, R.250); 
zeſch. des Könige. Sachſen“ (Dresd. 1826, 2Th.); Deſſelben„Geſch. 
n des S.⸗Erneſtin.⸗Hauſes (Dresd. 1827); (Gebhardt's) „Beitr. z. 

Cultur, der Wiſſ., Kuͤnſte und Gewerbe in Sachſen, ſeit d. 6. bis z. 
17. Jahrh.“ (Dresd. 1823); D. Ferd. Wachter's „Thuͤring. und ober⸗ 
9. b. z. Anfalle Thüringens an die Markgr. v. Meißen 1247" (Leipz. 
B.); Ferber, „L’esprit et le systöme du gouvernement de la Saxe” 
801); (Des Geh. Cab.⸗R. Kohlſchuͤtter's) „Acten⸗ und thatmäßige 
ng ꝛc.“ ( Deutſchl. 1815) in Luͤder's „Diplomat. Archiv”, Th. 3, Abth.2, 
erſt. Conferenzmin. Grafen v. Hohenthal „Apologie de Frederie Au- 
14). üb. das Mandat vom 19. und 20. Febr. 1827 f. des Kirchen⸗ 
28 „Ricchenbeleuchtumgen” (2. J., Heidelb. 1827); „Üb. d. Gleichſtel⸗ 
Yeoteftanten und Katholiken in den beutfchen Bundesſtaaten, a. d. Ges 
Is des Rechts. Mit befond. Bezuge auf d. Könige. Sachſen und d. 
„19. Gebr. 1827" (Hanov. 1828); Des Mai. Oberreit „Beogr. Orte: 


574 Sachfenfriſt ¶ Sachfiſche Schwein 


beſtimm. a. d. koͤnigl. Sachſen und ben anſtoß. Landen“, (In ber leiy;. „' 
R.115 — 17, 3.1827); Schumann’s „Geogr. Lexikon v. Sachſen 
von Alb. Schiffner; Engelhardt's „Erdbeſchr. des Königreiches Sachſer 
Dresden 1823); Won Schlieben’s „Schulatlas von Europa”, bie 8. Ei 
bei Goſchen 1828, Querfol) | 

Sadfenfrift, f. Srift. 

Sachſenjahr iſt nach ſaͤchſiſchem Recht der Zeitraum vom einer 
lichen Jahte, 6 Wochen und 3 Tagen, und die ordentliche Verjährungs; 
licher Dinge und einiger andern echte, mofern nicht befonbere Geſete 
jenes Landes einen längern oder kuͤrzern Zeitraum zur Verjährung 
flimmen. 

Sachſenſpiegel ift eine Privatfommiung von Rechtsvorſch 
rechtlichen Gewohnheiten, weiche im Mittelalter in Deutfchland, befe 
in Sachſen und den Landen des fächfifchen Rechts, d. h. in Weſtfalen, 
Heſſen, Niederfahfen, Brandenburg, Pommern, der Laufig, Schief 
men und Mähren, vechtliche Kraft hatten. Diefe Sanımlung veranf 
fächfifcher Edelmann, Epko v. Repkau ober Eyke v. Repgow, als ged 
fteinifcher Berichtöfchöppe 1215 fg., und fie befteht nicht bloß aus uefprän 
fchen Rechtsvorſchriften, Urtelöfprüchen ber Schöppen und Gewohnbeite 
auch aus einigen Sägen des römifchen und Eanonifchen Rechts, welche 
mals anfing, in Deutfchland verbreitet zu werden. Der „Sachſenſpiegel 
halb für das deutſche Hecht von außerordentlichem Werth, ba durch bei 
Verdrängung ber vaterländifchen Geſetze und gerichtlichen Gebräuche ı 
und dem willkuͤrlichen Verfahren ber Schöppen, welche nad) den frensbe 
nen oft nicht verſtandenen Rechten urtheilen wollten, Einhalt geſchah. 
Nepkau theilte fein in ber alten fächfifchen Mundart gefchriebenes Wer 
ſchnitte: „Landrecht“, d. h. buͤrgerliches und peinliches Recht (In 3 Bü 
„Lehnrecht“. Spaͤterhin warb noch der Richtfteig des Lanbredyts und 
hinzugefügt, welcher eine Proceßordnung enthiel. Von Mangel einı 
ordneten Plans, einer gefunden Philofophie und Hiftorifcher Kenntniß 
freilich in biefem Werke häufige Proben, deſto zuveriäffiger iſt es im rechtl 
fiht. Daher wurde der Sachfenfpiegel, obgleich er nur eine Privatfanın 
teo& der Hinderniffe, welche ber Papft feiner Ausbreitung in den Weg | 
bald als allgemeine Regel rechtlicher Entſcheidungen, nicht allein in ale 
geführten Ländern, fondern fogar in Polen, Dänemark und a. auswärti 
ten angenommen und iſt noch jegt der Grundſtein des fächfifchen Med 
öffentliche Einführung bes römifchen und kanoniſchen Rechts bradhte es 
daß jegt nur wenige Vorfchriften bes „Sachfenfpiegels” von prakt. Guͤlt 
Wir haben ihn in der deutfch. Überf. (Bafel 1474) und mehrmals ; diei 
war bisher von Gärtner (kLpz. 1732). Seit aber Eihhom, Mittermals 
‚genberg u. A. um das deutfche Recht verdiente Männer wieber darauf h 
haben, weldyer Schas in diefer Rechtsquelle liege, und felbft zum Thei 
felben geſchoͤpft Haben, ift auch bie Eritifche Bearbeitung bes „Gachfı 
vorgenommen worden, und fo haben wir fürzlich benfelben, nach einer bi 
ſchrift von Homeyer (Berl. 1827), in einer kritiſchen Ausg. erhalten. 

- Saͤchſiſche Schweiz nennt man, wiewol unpaffend, feit eini 
zehenden, befonber& ſeitdem Göginger diefe Gegend durch ſ. Beſchrei 
Zingg durch ſ. Kupferblaͤtter bekannter gemacht hatten, dem oͤſtlichen Thell 
niſchen Kreiſes, der das ganze Amt Hohnſtein und einem Theil ber Kam 
und Stolpm umfaßt. Gin Sandfteingebirge ſonkt ſich üblich nom Ce 
Hohnſtein zur Eibe hinab, in mehren Gegenden von tiefen durch 
wo hohe und ſteile Felſen die Ufer ber Bäche einſchließen. Gegen ©. ſleig 


Saͤchſiſche Schweiz, die oͤſtliche 815 


über an, zieht fich ſuͤdweſtlich bis in die Gegend von Gießhuͤbel und erſcheint 
Dee Gottleube; wo Gneis die herrfchende Bebirgsart wird, nur in einzelnen . 
Suͤdoͤſtlich aber ftreicht der Hauptzug beffelben burch ben einfpringenben 
Zoͤhmens bis zu den bei Walter&borf, Johnsdorf und Oybin an der Grenze 
Mg fich erbebenden Gebirgen. Denjmigen Theil dieſes reizenden Gebirge- 
‚ der nördlich vom Beinen Fluſſe Wefenig, weſtlich von der Gottleube, füb> 
ıfaböfttich von Böhmen, und oͤſtlich von einer über Stolpen und Neuftabt 
bes Falkenbergs laufenden Linie begrenzt und von ber Eibe in ſchoͤnen Win⸗ 
derchſtroͤmt wird, nennt man im weiteſten Sinne die fächftfche Schweiz, 
ſſender das meißnifche Hochland. Diefer Landſtrich, der von Liebethal bis 
ſermsborf an der böhmifchen Grenze beinahe 5 Meilen lang, vom Falkenberg 
Gottleube beinahe ebenfo breit iſt, begreift einen Flächenraum von 12 — 
B. Sandſteinfelſen, die befonder bei Königftein, Rathen und Schandau 
u langen Zuge fortlaufen, mehre bis gegen 1800 Fuß anfteigenbe Berge, 
m Waldbaͤchen durchſtroͤmte Schluchten wechfeln mit fruchtbaren Landftris 
) heitern Thaͤlern. Auch bier findet man jene den Sanpfteingebirgen 
jeeall eigenen Selfenbildungen. Die Wände der Bergmaffen und Thäler ſtei⸗ 
empor und haben bei ber deutlich erfennbaren Schihtung eine um fo groͤ⸗ 
lichkeit mit künftlihem Mauerwerk. Kiüfte ſtuͤrzen tief hinab; oft woͤlbt 
ohes Thor durch die Felſen; Höhlen öffnen ſich an ſchroffen Wänden; übers 
aldigen Selfenbergen, in eng umfchloffenen Thaͤlern, erfcheinen pfeilerartige 
wie Überrefte von Bauwerken, während auf fanft fi erhebenden Bergen 
 Sandfteinfelfen emporfteigen , deren ebene Kuppen oft von beträchtlichen 
und häufig mit Rabelholz bewachfen find. Die Ufer der Elbe find in mans 
enben , wie bei Wehlen, Königftein, Schandau, nadte, ſenkrechte Fel⸗ 
?, jeboch nicht fo hoch, als jene auf Bergen hervorragenden Felfen. An 
ge des Landſtrichs wird diefe Kette von Bergreihen und Thaͤlern von hohen 
ingefchloffen, unter welchen nördlich der Falkenberg, ſuͤdoͤſtlich der große 
erg und jenfeit ber böhmifchen Grenze ber Rofenberg und der Schneeberg bie 
len find. Aufeinigen diefer Höhen uͤberſchauen wir ein Gebiet von 10— 20 
Das Bett der Elbe bildet das Hauptthal dieſes Berglandes, zu welchem alle 
leinern Thäler und Kelfenfchluchten fich hinabfenken. Der Anblid des Lan⸗ 
igt die Bermuthung, baß ber Landfee, beffen Boden einft Böhmen war, den 
um an der boͤhmiſchen Grenze zwiſchen Tetſchen und Hirniskretſchen durch⸗ 
md bie ausgewaſchenen einzeln emporragenden Felſenkegel ſtehen gelaſſen 
hrend ſich der Strom in der Richtung von Suͤdoſt nach Nordweſt ſein Beit 
Dem Zuge der Elbe folgen die kleineren Fluͤſſe und Baͤche, die Kirnitſch, 
üg, die Polenz, die Weſenitz und die Biela. Wie weſtlich die Gottleube 
Dfleingebirge vom Gneis ſcheidet, fo bildet eine von Stolpen und Hohn⸗ 
Milich bis Hinterhermsdorf laufende Linie die Grenze, auf deren noͤrdlicher 
e Brantt herrfchend wird. — Das engere Thal der Elbe betritt man zuerſt 
E Stadt Pirna, wo zu beiden Geiten die hohen Sanbfleinwände beginnen, 
ner noch im freumblichen Gewande. Liber dem Dörfchen Wogelgefang ragt 
mfpige hervor, die wegen Ihrer Korm den Namen ber Königenafe führt. 
raus beginnen ſchon allmälig zu beiden Seiten bie Sandfleinbrüche, welche 
zen Gegend einen Haupterwerbszweig abgeben. 
u ver oͤſt lich en Seite trifft man bald auf das Städtchen Wehlen, das 
sige Überbleibſel eines alten Schloſſes zeigt. Ein öfttich von hier in das Ges 
ſrender Grund, wohin ein angenehmer Weg von Lohmen führt, iſt u. d. 
Dttowalder Brundes bekannt. In biefem Grunde ift eine Stelle 
ig, wo die Selfenwände von beiden Seiten ſich fo fehr nähern, daß nut 
den Durchgang eines Menſchen Raum ift. Zwiſchen biefe Wände flürzten 


e . „ion Soma, ms pr 


j re von ber Böfe- tb Nihen das ungefähr 208 
Bun Br Di ic m Ed Ebene j 
tn Seien Otiege nad dem Dorfe Ottowalde 

— das Dorf Rathen weh 
au; O0 en'ben Drakn des Eiioffed Kakhım varlben nad dem Kanaper und 
an ee ver die man gewöhnlich vom Dit 













Jung 
. merfüftrbig fib ; euch lohnen fl Durch ihes Herrliche Ausficht. Nicht 
nm hebt fich De Befumg &öntoßein (f.d.) auf fteit aufftrebenden 
wyor. Bu ihren Süßen Hegt dat Stäbtchen Rönigftein ; iht gegenüber‘ 


tin, ber eine trägt, welche des Königs Auguft Beſuch diefet 
Ehe oc unit Stunde weiter hinauf liegt das fl 
ä erg had f EN) Beni uf Or, ber 


om Hopen Sandſteinw aͤnden eingefehtoffen, im 
55* —— vn in Beraspfei en, 


von wi 


tn weldjern fi zur Beit der ‚Huffiten ein fatp. Pfarrer verbor, 
nachdem ihn f. Huffiifchen Kirchenkinder hier gefunden , diber den 
innen fen — Krieges waren 


en a 
man fentoelt in der But 
Rchtenwald, Über quellenzeiche Waldwieſen, führt ein fchmaler Pf 
RD nn 

eſet 
Seffenland ruht in der Tiefe, nur hie und ba von Ricchen, 


Ba in ee een Die, and Base it 
gebedt; ‚großer eil von en fei 
— oͤſtlich der Lauſit und bes Di 


Saͤchfiſche Schweiz, die weftliche 577 


weſtlch der Immer höher fleigende Kamm des Erzgebirges; burch Alles hin 
olz und lautlos die fchöne Eibe, gleich einem filbernen Bande auf blauem 
. Bon Nord nach Süd überblicdt das Auge ein Land von mehr als 20 Meis 
reckung. — In einer Stunde von hier aus erreicht man das Prebiſch⸗ 
einen der ſchoͤnſten Punkte der ganzen Gegend. Von ſchwindelnder Hoͤhe 
an herab, uͤber ſich einen haushohen Felſenbogen, aufgebaut von der Hand 
ur, unter ſich nichts als thurmhohe Felſenzacken und Mauern, und dar⸗ 
aus das blaue Land von Böhmen mit dem Prebiſchkegel, dem Roſenberge 
Ifteine. Unter dem Berge des Prebifchthores leitet ein romantifcher Grund 
rniskretſchen, von wo aus der Wanderer bie Eibe entlang oder auf einem 
ich Schandau zurückkehrt. Hoch an ber Bergwand, Hirniskretſchen gegen⸗ 
ebt maleriſch eine Mühle, auf welche fi) die Ifchiepe in einem Waſſerfall 
rt. Weiter herab liegt, zum Theil unter ben Felſen gebaut , bie Hirſch⸗ 
tiefer unten das fleißige, bedeutenden Holzhandel treibende Krippen; am 
Ifer der Elbe das Dorf Schmilka. — Ein Pfad, rechts ab vom ſchandauer 
uͤhrt den Berg hinaus nach der hohen Liebe, einem waldigen Berge, von 
Ifenfpige ſich eine herrliche Ausficht Öffnet. Eine lange Reihe von Felſen⸗ 
8 ber Nähe leitet und nach dem Eoloffalen Schrammftein, ber nur mittelft 
itern zu erfteigen ift und einer weitläufigen alten Burg mit Baſteien, 
ı und Mauern gleicht. Die heilige Stiege hinunter gelangen wir zum Des 
„ und von ba durchs Reifchenthor zu.ben feltfamen Selfenwänden des Rei⸗ 
6, der im Mittelalter befeftigt gewefen zu fein fcheint. Durch bie Felſen 
ammthores hinab nähern wir uns dem mächtigen Falkenſteine, der, in 
ıng mit dem Schrammfteine, eine ber impofanteflen Felfengeftalten bildet. 
ı die Kelfen hinein ift dem Reiſenden noch der Roßſteig wichtig, ein fleils 
mıder Selfenpfad, auf welchem man durch Webers Schlüchte in ben großen 
b, einen Dauptfelfengrund der Gegend, gelangt. Der in der Nähe geles 
abſtein enthaͤlt eine hohe, geräumige Höhle; auf ber Höhe findet man nod) 
ehemaliger Bewohnung. So finden ſich auf dem Felſen des Arnſteins noch 
wen ehemaliger Befeſtigung. Von hier aus iſt man in einer halben Stunde 
oͤhle des Kleinſteins, einer ſehr ſehenswerthen Partie. — Bon Schandau 
ſchoͤner Weg, beim Lachsfange voruͤber, durch den wilden tiefen Grund 
romantiſchen Felſenkuppe des Brandes im Walde, und von hier nach 
loß und Staͤdtchen Hohnſtein. Von erſterm iſt nur ein Theil bewohnt. 
chloſſe gegenuͤber ſteht eine hohe Felſenwand, der Hockſtein, gegen 500 
. Im Innern dehnt ſich eine ſchmale Spalte aus, die faſt durch den gan⸗ 
zu geht, die ſonſt der einzige Zugang war; neuerlich bat man ben Gipfel 
se aber den Abgrund geworfene Brüde und Felfenftufen bequem erfteiglich 

Auf ber Höhe bemerkt man Spuren ehemaliger Befeftigung und eine 

Won hier führt eine ſchoͤne Straße nach Lohmen. Obſchon das Thal bei 

‚ basnady Liebethal hinabführt und den Namen bes liebethaler Grundes 
anche e fhöne Partie hat, fo zeichnet es ſich doch durch Leine hervorſtechende 


men aus 
ıf dem weſtlichen Ufer der Elbe, Schandau gegenuͤber, gelangen wir 
Zſchiepmuͤhle nach dem Dorfe Schönau, in deſſen Nähe ſich 2 Felſen er⸗ 
die ſchon in weiter Ferne auf den hoͤchſten Punkten des jenſeitigen Gebirges 
ee Ahnlichkeit mit Thurm⸗ und Burgruinen taͤuſchen. Der Cirkelftein ragt 
24 eines runden kolofſalen Wartthurmes empor; der Kahlſtein in der 
mer Burgruine, die ben Gipfel eines ſanften grünen Huͤgels kroͤnt. Wegen 
digen Form wird der legtere, vorzuͤglich in Böhmen, auch ber Kronenberg ges 
Doch den höchften Punkt diefer Gegend bilden der große und Eleine Zfchir: 
von dem erſtern genießt man eine herrliche Ausficht. Außer vielen Berarn 
Bez. Giebente Aufl. 8b. IX. 57 


57 8 Saͤchſiſcher Bergbau Sack 


ragt weiter ſuͤdlich der Schneeberg in Boͤhmen empor und ſchließt, alb d 
Berg der ganzen ſogen. ſaͤchſiſchen Schweiz, die Reihe jener merkwuͤrdigen 
bildungen. Von hier aus leitet das Thal der Biela, mit mancherlei fh 
tien geſchmuͤckt, nach Koͤnigſtein hinab. Richtet der Reiſende aber f. 1 
Langenhennersdorf und verfolgt den dafigen Dorfbach bis an die Waldu 
halb des Dorfs, fo gelangt er zu dem Wafferfallam Zmicfel, d 
ften Sachfens. Fiber eine hohe Felſenwand, mitten in dunkler Waldung 
fi) herab und eilt dann zwifchen hohen Felsbloͤcken hindurch, ben Berg t 
Gottleube zu, die hier mit blendend weißem Schaum ſich durch die Waͤ 
und von Block zu Blod fällt. Beruhigter geht fie hierauf durch ein fanft 
als die bisherigen Gegenden gegeigt, nach Rottendorf und Pirna hina 
ſchreibt fo die weftliche Grenze der fogen. Schweiz. — Ausführlicher ſch 
ganze Land Goͤtzinger („Schandau und f. Umgebungen”), Haffe („Wegw 
bie Gegend um Dresden‘‘) und Lindau's, Rundgemaͤlde der Gegend von 
(2. Aufl. 1822). 

Saͤchſiſcher Bergbau, f. Freiberg. 

Sad (Johann Auguft), €. preuß. wirt. Geheimerath und Ob: 
von Pommern, geb. zu, Kleve 176%, trat nach vollendeten Stubien zu 
und Halle 1785 als Regierungsreferendar in ben Gtaatsbienft. € 
Bergrichter zu Wetter an der Ruhr, hatte er Gelegenheit, f. Talente al 
tungsbeamter zu entwideln. Zugleich bearbeitete er mit dem Bergam 
Fchrn. von Stein, dem fpäter fo beruͤhmt gewordenen Minifter, einen 
Umgeftaltung der Accifeverfaffung ; dieſer trat in der Grafſchaft Marl 
ſamkeit und veranlafte den König, ©. zum Kriegerath nach Kleve zu 
wo er bis zum Vorbringen der Franzoſen 1794 ats Juſtitiarius und D 
Mebicinalcollegiums thätig war. 1795 wurde er Mitglied der damals e 
Armenverpflegunascommiffion. 1797 ſchloß er mit dem General Hod 
die auf dem linken Rheinufer liegenden preuß. Provinzen fehr wichtige € 
dahin ab, daß diefelben ferner nach preuß. Verfaſſung und durch preuf. 
verwaltet wurden. 1800 zum Geh.-Öberfinanzrath befördert, arbeit 
Verbefferungen in der Verwaltung. In der Ungluͤcksperiode Preußens 
in der von Feinden befegten Reſidenz an ber Spite der Verwaltung; bie 
dem Feinde ftreitig zu machen, mas nur irgend möglich, und in den mißlid 
bältniffen verließ ihn nie die Gegenwart bes Geiſtes. Die franz. Behoͤ 
ten ihn achten, wenn fie auch von f. Privatklugheit feine befondere Meinu 
weil er die nach ihrer Anficht ſchicklichen Gelegenheiten, ſich zum reich 
zu machen, nicht benugte. Nach der Ruͤckkehr des Könige ward S. Gef 
rath und hatte in den fchwierigften Zeiten mehre Minifterien zu verfehen. 
dem arbeitete er mit Stein bie Stäbteorbnung und mit Scharnhorſt und | 
die Randiwehrorbnung aus. Überhaupt half er Alles mit vorbereiten, dal 
zur rechten Zeit mit Kraft wieder auftreten Eonnte ; dadurch warb es 181. 
in einigen Tagen die wichtigfien Geſetze zu vollenden, die ganz neue ( 
aufftellten.. Der Krieg brach aus, und ©. ward Civilgouvernewe zu 
Eibe und Oder; 1814 beriefen ihn die verbuͤndeten Mächte als Generalg 
an den Niederrhein, und 1815 umfaßte fein Wirkungskreis ale Obe 
vom Nieder- und Mittelchein beinahe 2 Mil. Einw. Gegen 90 Mill 
find von ihm aus jener Verwaltung, bie ſtets denkwuͤrdig bleiben wird, : 
nen gewefen. Der König ertheilte ihm den rothen Ablerorden 2. Cl. M 
fhied Sad 1816 vom Rheine, um f. neuen Wirkungskreis in Stettin ar 
die Trauer über f. Entfernung war fo groß, als hätten Alle einen Vater 
Was er u. A. dort für das Schulmefen gethan, das er neu organifirte, ſi 
den Dan der künftigen Geſchlechter. Auch in Pommern hat er news. 


Sadlleiter Sacrament 579 


Berwaltung gebracht. Er ordnete 1824 die 700jährige Feist ber Einführung 
riſtenthums in Pommern an, oder das Apoſtel⸗Otto⸗Feſt, und wirkte 1825 
pr Stiftung einer Gefelifchaft für pommerfche Geſchichte und Alterthums⸗ 
k. Der König erhob ihn zum wirkt. Geh.⸗Rath mit dem Prädicat Ercellen;, 
Ne Univerfität Halle ertheilte ihm die Doctorwürbe. 

Sadleiter. Die Hülfgmittel zur Rettung bei Feuersgefahr müffen leicht 
fünell herbeigeſchafft werden können, wenig Raum einnehmen, nicht leicht 
Mdigungen unterwotfen fein und dem zu Rettenden einem gefahrlofen Weg 
em. Ein folches Mittel ift die in Weimar fchon Iängft eingeführte Sad: 

Der in ſolchen mechaniſchen Vorrichtungen als Erfinder und Verbefferer - 
te Hauptmann v. Neander hat fie in Vorſchlag gebracht. Sie befteht in 
Stridleiter mit hölzernen, etwa 18 Zoll breiten Sproffen und mit 2 Öfen an 
ren Enden der beiden Stricke, woran die Eproffen befeftigt find. An dieſe 
: wird an ber ganzen Länge der Leiter Zwillich etwa 2 Ellen breit angendbt, 
entſteht ein nach unten hängender Sad, welcher oberhalb burch die Sproffe 
ter auseinanbergefpannt bleibt und geräumig genug ift, daß auch der ſtaͤrkſte 
y bucchlommen, gefahrlos und bequem ber Seuersgefahr entgehen kann. 
em kann bie Leiter felbft an den Außenfeiten zum Hinauffleigen ber Retten⸗ 
sen. Die Sadleiter wird in einer Fenfteröffnung des vom Keuer bedrohten 
erks mittelft eines durch die beiden am obern Ende ber Stricke befindlichen 
fteckten Holzes befeftigt. Dies rundgehobelte Kreuzholz von 5 Zoll Stärke 
Fuß Länge wird zu beiden Seiten der Kenfteröffnung gegen bie innere Seite 
mewand gelegt. Die Befefligung bes untern Endes der Leiter hat Beine 
zigkeiten. Die Groͤße ber Leiter richtet ſich nach dee Höhe der Wohnungen. 
nge für Gebaͤude von 4 Geſchoß müßte folglich; mit Berhdfichtigung ihrer 
sung bei dem Bebrauche ungefähr 60 Fuß fein. Sie kann aledann in einem 
von kaum 3 Fuß Breite, deffen Boden eine Schleife bildet, aufbewahrt, 
ihre Laft nicht bedeutend fein kann, mit dem zur obern Befeftigung dienen⸗ 
rerholze in Ermangelung eines Pferdes burch einige Perfonen ſchnell an ben 
E Gefahr gebracht werden. Der Aufbewahrungskaften dient zur Befeſti⸗ 
es untern Endes der Sackleiter. Bei geringerer Hoͤhe des vom Feuer be⸗ 
Maums kann ein Theil ber Leiter im Kaſten bleiben. Gegen die Anzuͤn⸗ 
ichert bie Eintauchung in Alaunaufloͤſung bei der Anfertigung und ebenfalls 
Wang berfelben beim Gebrauch. — Einfacher wäre wol noch ein fchräg ge: 
Sackſchlauch, an deſſen beiden Seiten Selle, des Anhaltene wegen hier und 
Runoten geſchuͤrzt, hinablaufen, weil er zugleich die Gefahr und die Fahrt 
dert, alfo Angft und Verlegenheit erfpart. (Bol. Rettungsanftalten.) 
Sadpfeife ober Dudelfad (franz. musette), ein fehr altes muſikaliſches 
ment, das man jetzt nur noch bei Schäfern und Lanbleuten, bei Kameel⸗ 
Breuführern auf Meffen und Jahrmärkten und bei der Regimentsmuſik der 
hotten Im engl. Heere findet, wie es denn Überhaupt in Schottland, befons 
dem Dochlande, häufig im Gebrauch if. Es befteht aus einem ledernen 
der Schlauch, an deſſen einer Seite ſich eine Röhre befindet, burch welche 
Keler den Wind in den Schlauch bläft, den er vor fich hält, um ihn mit bem 
in füch zu druͤcken und dadurch den Druck der Luft zu vermehren, bamit eine 
eandern Seite in diefem Schlauche ſteckende Art von Schalmei die nöthige 
we Anfpeache erhalte, wenn bie Singer beider Haͤnde auf berfelben bie Töne 
leledie greifen. Naͤchſtdem find noch einige in einem Tone fortklingende 
u, die man Stimme nennt, mit dem Schlauche verbunden. Es waren fonft 
Heeme Gattungen dieſes Inftruments gebräuchlich. 

Bacrament (Iatein.: libernahme einer Verbindlichkeit, Bund ober Weihe 
ad, bei den Roͤmern ber Soldateneid). Dieſes Wort hat war harumm va ter 

97 * 


580 Sacrament 


hriftlichen Kirchenſprache eine religioͤſe Bedeutung erhalten, weil e& in 
gata(ſ. d.) zur Üherfegung des griech. Worts Myſterion gebraucht m 
Bei den aͤltern latein. Kirchenfchriftftellern: bebeutet Sacramentum da 
heimniß oder eine fombolifche Religionshandlung; doc, erft im 12.X 
man an, dieſes Wort zur Bezeichnung ber heiligen Handlungen zu 
bie noch jegt in ber römifchen Kirche Sacramente heißen, ohne eine 
den Grund anzugeben, warum deren gerade 7 fein follten. Die Refor 
16. Jahrh. machten die Lehre von ben Sacramenten zu einem der € 
worüber fie mit der römifchen Kirche, zerfielen, indem fie den Begriff 
ments dahin beftimmten, daß es ein von Chrifto felbft eingefester 5 
fein müffe, wobei Der, ber ihn würdig begehe, durch ſinnliche Mittel 
gewiffer goͤttlicher Gnadenwohlthaten theilhaftig werde. Diefer Begr 
nau genommen, nur auf die Zaufe und das Abendmahl, daher fowol 
. berger als die ſchweizer Neformatoren ſich weigerten, mehre religiöfe . 
in demfelben Sinne ald Sacramente gelten zu laffen. Doch rechneten 
Melanchthon anfangs auch die Buße oder Abfolution unter die Sacı 
gefellten fie fpäterhin nur ftinfchweigend als Worbereitung zum Abeı 
Der u. d. N Sacramentsftreit bekannte Zwift unter ben Reform 
ward Über die Frage, ob Chriſtus im heil. Abendmahl leiblich ober bi: 
gegen fei, zwiſchen Luther und Karlſtadt (f.d.) 1524,begonnen, unt 
fi) mit dem Legtern einftimmig gegen die leiblidhe Gegenwart erkid: 
den fchwelzerifchen und wittenberger Meformatoren bis 1936, wo $ 
wittenberger Concordia (einen Friedensvergleich der Schweizer mit 
Stande bradyte, fortgeführt. Luther fing 1544 die Seindfeligkeiten 
an, und feine Partei fuhr nach f. Beifpiele darin mit einer Härte unt 
fort, die ihr gerechten Zabel zugezogen hat. (S. Abendmahl.) T 
wurde bie Haupturſache der Trennung der Neformirten von den Luth 
ber harten Verfolgungen, welche über bie fog. Sacramentirer, d.| 
der fchmweizerifchen Meinung, erging. Im Abſchiede des Reichstags 
1529, wurben die Sacramentirer den Wiebertäufern gleichgefegt und 
ben Steafen bebroht; auch Luther und feine fleifen Anhänger brüch 
Bewirtung des Verbot ihrer Schriften und manche perfönliche Angt 
nen man felbft den edlen Melanchthon wegen des ihm angeſchuldigten 
nismus nicht verfchomte. Inzwiſchen iſt die reformirte Kirche mit ber 
darin einig geblieben, daß fie nur 2 Sacramente, Taufe und Abendmat 
men und aud) diefen nur unter ber Bedingung eines würdigen Genuſſ 
der Gnade Gottes in Chrifto theilhaftig zu machen, beigenteffen hat 
erhob die Kirchenverfammlung zu Trient 1547 die Lehre von 7 € 
Taufe, Abendmahl, Firmelung, Buße oder Abfolution, legte Ölung, 9 
und Ehe, zum Glaubendartikel der römifchen Kirche und verbammte 
welche an ber Kraft biefer Handlungen, burdy ben bloßen Gebrauch (ex 
rato) Gnade zu ertheilen, zweifelten ober fie nur für äußere Zeichen ein 
Begnabigung hielten, welche man eigentlich nur durch Glauben und X 
langen könne. Die griechifche Kirche ſtimmt in diefer Lehre mit da 
überein. Die Socinianer erklären die Sacramente für willkuͤrliche Je 
ohne befondere göttliche Segenskraft, zu deren Übung kein Chriſt not 
bunden fel. Die Quaͤker nennen dagegen bie Sacramente innere Han 
Gemuͤths und begehen fie gar nicht äußerlich. Unter ben aus dem $ 
mus hervorgegangenen Fleinern Parteien folgen bie Herrnhuter ber luth 
Methodiften und Taufgeſinnten aber ber reformirten Anſicht. 6 U 
daß die Uneinigkeit der Parteien in dieſem Punkte von ber Verſchiedenhe 
klaͤrung des Begriffs Sarrament herrütt, vod die Unbeflinsmtheit Dir 


Sacramente (fath.) Säcularifation 681 


t. Worts großen Antheil an den barüber entflandenen Händeln hat. Doc) 
fe Uneinigkeit ſchwerlich beizulegen fein, tweil fie Gebräuche betrifft, deren 
ehauptſaͤchlichſte Haltung des religiöfen Lebens der chriftlichen Voͤlker ift 
re in Form und Begriff eine Änderung viel weniger zuläßt als bie wiffen 
e Darftelung ber Dogmen. 
acramente Die Religion Chrifti ift nicht bloß eine Anflalt zum or 
a Moralprincipien, fondern fie heiligt auch auf nie ganz begreiflicdhe Weife 
.  ChHriflus hat durch fein Blut, das er am Kreuze für die Menſchheit 
ren Chriften einen großen myſtiſchen Schag hinterlaffen, bee nun durch 
fondere Candle auf die Gläubigen abfließt und in diefen wirkfam wird. 
tech welche außerordentliche höhere Gnaden mitgetheilt werben, nennt man 
te, deren Name zwar fpäter auflam, deren Sache aber gleich mit dem 
hume vorhanden war. Diefe Heiligungsmittel find es vorzüglich, bie 
iche Chriſtenthum zu einer übericdifhen Anftalt erheben. Darum hat ber 
gmus auch fireng auf diefe Sacramente gehalten und fich deren keine neh⸗ 
ns, vielmehr hat der Kirchenrath von Trient in ber 7. Sigung die Lehre 
L. 1. Rice aus Veranlaffung ber Angriffe der Proteflanten ausgefprochen 
eftellt. — Sacrament ift ein ſichtbares, von Chrifto (felbft oder durch feine 
eingefeste® Zeichen, wodurch ben Chriften eine umfichtbare Gnade mitges 
ed. Diefer Zeichen find fieben. 1) Die Taufe. Chriſtus gab kurz vor 
‚rt in den Himmel feinen Juͤngern den Befehl: „Gehet und machet zu 
m alle Völker, fie taufend auf ben Namen bes Vaters und des Sohns 
yeiligen Geiſtes“ (Matth. 28, 19). Chriftus hat hier mit Elaren Worten 
ochen, daß Alle, bie fid zu feiner Lehre bekennen würden, getauft werben 
er hat fomit das Taufen als einen eignen Ritus für feine Heilsanſtalt an⸗ 
2) Dänbeauflegung zur Vollendung und Beftätigung ber Getauften 
3)5 dgl. Apoſtelgeſch. 8, 14—21. Ähnliche Erwähnungen der Hände: 
5 kommen vor in Apoftelgefch. 19,1—4, und Hebr.6,1—5. Die Nach⸗ 
: Apoftel haben dieſen ehenürbigen Ritus ale Sarrament der Firmung 
m. 3) Abendmahl (f.d.). 4) Buße (f. d.). 5) 2egte Ölung. 
Brief des Apoftels Jakobus, 5, 14 u. 15. 6) Dänbeauflegung zur Bes 
der Kirchenvorſteher (Weihe). Vgl. Apoſtelgeſch. 6,1—7; 13, 1—4, 
20—24, forie Paulus 2. Tim. 1,6u.7. Es geht aus diefen Schrift 
vor, daß die Weihe fo alt ift ale das Chriftenthum. Durch diefe Weihe , 
ntögewalt der Apoftel von Nachfolger zu Nachfolger übergegangen, und 
e immer diefelbe geblieben. Das 7. Sacrament iſt bie Ehe, deren heilige 
sd Unauflöslichkeit Chriftus und Paulus in den Schriftftellen (Matt. 5, 
2; 19, 1—10; Marc. 10, 2—13; Luc. 16, 18; Röm. 7, 2—4; 
', 10 u. 11) ausſprechen. Als Minister Sacramenti wird hier aber nicht 
ker, fondern die Sontrahenten betrachtet. — Die Lehre von den Sacramens 
e kathol. Kirche wefentlich ; fie kann von ihr nicht laffen. V. e. Kath. 
acrilegium, ſ. Kirchenfrevel. 
acriſtei heißt das zur Aufbewahrung ber heiligen Buͤcher, Gefaͤße und 
haften, zum Aufenthalte der Geiſtlichen und zur Verrichtung kirchlicher 
igen, die nicht oͤffentlich geſchehen ſollen, beſtimmte Zimmer oder Gewoͤlbe, 
ka oder bei jeder Kirche befindlich zu fein pflegt. — Sacriftan iſt bei den 
Demfliftern derjenige ber jüngern Geiftlichen, welcher die Schlüffel zur 
hat und daſelbſt die Aufbewahrung ber zum Kirchendienſte beftimmten 
ide beſorgt. 
aculariſation oder Vermeltlihung nennt man bie Berwanblung - 
B@äter in weltliche. Die erfte Hauptfäcularifation hatte in Deutfchland » 
weRtfätifchen Srieden 1648 flott. Durch bie Reformation hatte wann 


4 


582 Saculum Sacy 


den Ausſpruch bed Heilandes erfahren: „Euer Reich iſt nicht vom biefe 
und demmach wurden die geiftl. Stifter Magdeburg, Bremen, Halbe: 
den, Kamin, Schwerin, Rageburg, bie Fohannitercommenden Newero 
in weltliche Länder und Befigungen verwanbelt. Die zweite Hauptfda 
war Folge des luneviller Friedens (9. Febr. 1801) und des bemfelben 
Reichöbeputationshauptfchluffes vom 25. Zebr. 1803, in Gemaͤßheit 
bis bahin unmittelbar gemwefene Stifter 2c. ſaͤculariſitt und weltlichen Re 
getheilt wurden. Bloß ber Kurfürft Reichserzkanzler, nadymaliger Fin 
vettete f. weltliche Herrfchaft aus diefem Schiffbruche des Prieſterregü 
1813, dur) die Noth gezwungen, ſich feibft feiner irdiſchen Gewalt zu I 
Die Säcularifation enthält, aus rechtlichen Geſichtspunkte betrachtet, 
gerechte®, da die geiftlichen Regenten nicht durch den Willen ber von ii 
ten Völker, fondern durch bloße Anmaßung zu ihrer Herrfchaft gelangt ı 
bin fein wohlerworbene® Recht (jus quaesitum) hatten. 

Säculum. Diefes Wort hat 2 fehr verfchiebene Bedeutu 
Sinne des kanoniſchen Rechts zeigt es die Welt und das bürgerliche Le 
genfage ber Kirche und ber geiftlihen Sachen an. Daher bas Wort € 
fation (vgl. d.). — Inder Sprache des gewöhnlichen Leben Heißt t 
ein Zeitraum von 100 Jahren, ein Jahrhundert. Daß ältere Voͤlk 
Sahrhunderte theils einen längern, theils einen Eürzern Zeitraum als 
derten, ift nicht glaublich, obgleich e8 behauptet worden ift; menigit 
Roͤmern und Deutfchen war es nicht der Fall. — Am Ende bes 1 
Jahrh. entftanden viele Streitigkeiten über. die Frage: ob der Schluß 
mit dem J. 99 oder mit dem folgenden zu machen ſei. Eine Partei vo 
und Chronologen ſtimmte für das 3.99 aus dem Grunde, weil nad 


: nung Chriſtus ein Fahr früher als nach unferer bißherigen Zeitrechm 


ſei, dag man alfo bereits 1799 die Jahrszahl 1800 Hätte fchreiben mü 
fchon 1799 volle 1800 Jahre nad) Chr. Geb. vergangen wiren. Die 
tei behauptete, daß erft mit Ablauf des 3. 1700 oder 1800 die Jahrh 
wären. Allein die erſtere Partei beftritt dies nicht, fondern bloß bie 
unferer Zeitrechnung, welche erſt im 6. Jahrh. nach Chr. durch einen 
Dionyſius den Kleinen (wegen f. Eleinen Statue fo. genannt), aufl 
Krank verrechnete er fih um 2 Jahre, nach Andern, denen Bredow bei! 
"5 Jahre, naͤmlich zu wenig. 

Sacy (Baron Antoine Iſaak, Silveſtre de), Drientalift, 
Akad. der Infchriften, Ritter der Ehrenlegion, geb. ben 21. Sept. 175 
Er verlor f. Vater früh. Bildung und Unterricht empfing er von P 
41781 voard er als Rath bei der Cour des monnaies angeftellt und tr. 
Associe libre in die Akad. der Inſchriften, deren ordentl. Mitglied er 
1791 ernannte ihn der König zu einem ber Generalcommiffaire ber Mı 
1793—96 lebte er auf dem Lande in ber Zuruͤckgezogenheit. Bei bei 
bes Nationalinftituts ward er zum Mitgliebe gemählt, trat aber nicht 
ben Eid des Haffe® gegen das Königehum nicht-[hwören wollte. Er 
diefen Eid auch al8 Prof. an der Specialfchule ber Lebenden morgenlaͤnd. 
dennoch ließ man ihm dieſe Stelle, die ſchwer wieber zu erfeßen w 
ununterbrochene Beſchaͤftigung mit den Miffenfchaften rettete ihn v 
Schredengzeit. Als Napoleon dem Inſtitut eine neue Einrichtung gı 
als Mitglied deffelben in die Glaffe der alten Literatur und Geſchichte 
hielt er den neu errichteten Lehrftuhl der perfifhen Sprache am Golles 
und warb vom Seinedepart. zum Mitgl- des geſetzgeb. Körpers gemil 
klaͤrte fich für die Entfegung Napoleons am 3. April 1814 und nahe j 
bafteften Antheil an dem Verhandtungen über bie verfchiedenen Geſetent 


Be abi, 585 


we ſih während dieſer Gigung befchlftigee . But he neuen Cigung, 
es Königs zroeiter Ruͤckkehr flattfand, warb er nicht berufen. Die 
ste ihm 1813 die Baronswuͤrde ertheile. Der König ernannte ihn 
nfor und 1815 zum Rector ber parifer Univerfität, und bald darauf 
er Commiſſion für den Öffentlichen Unterricht. Viele Akademien umd 
lſchaften haben ihn in ihre Mitte aufgenommen. Zu den wicdhtigften 
es Gelehrten, dem unter den jegt lebenden Drientaliften wol Beiner 
e freitig machen kann, gehören feine arabifche Grammatik unb An- 
5 Bde., 1816 und 1810), welche ae ähnliche Werke übertreffen; 
bes Abdollatif, ans welcher fich die Unbrauchbarkeit ber früher von 
tem Überf. deffelben Schriftfteller® ergibt, und welche wegen der hin⸗ 
imerk. unfchägbar tft; f. „Memoires sur diverses antiquitös de la 
3, 4.), worin alte gefchichtlihe Denkmäler mit tiefer Sachs und 
iß erläutert werben; ſ. „Memoires d’histoire et de littörature 
318, 4.); ſ. „Algemeine Grammatik", ſ. Werkchen über die Briefe - 
Shrestomathie arabe” (2. Aufl., Daris 1826, 2 Bde.) u.a. m. 
zen die „Memoires de l’Academie” und die „Notices et extraita”, 
estern Werke verfchiebene Bände gan) ober faſt ganz von ihm find, 
m f. Fleiße als f. umfaffenden Gelehrfamteit. AIs Lehrer hat ©. 
richt zur Verbreitung einer geimblichen Kenntniß bes Arabiſchen und 
kuropa gewirkt und treffliche Schuͤler gezogen. Mit ſtrenger Recht⸗ 
rbindet er den gefaͤlligſten, offenſten Charafkrs und ift ſtets bereit, bie 
Studien Andrer ſelbſt mit Aufopferung zu foͤrdern. 
; (Marquis v.), geb. in dee Grafſchaft Venaiſſin, war var ber Re⸗ 
lerieoberft. Durch das Officiercorps feines Regiments ſchimpflich 
m er nad) Paris ‚um fich fo entfeglichen Orglen zu Ehetoffen, daß 
zefehl des Hofes in die Baſtille geſchickt wurde. Später in Vincen⸗ 
„ ſchrieb er einen abſcheulichen Noman: „Justine, ou les malheurs 
dem er nach 2 Jahren ein noch graͤuelhafteres Werk „Juliette! fol⸗ 
die außfchweifendfle Phantafie jemals Ungehenres und jedes menſch⸗ 
mpörendes erfinnen kann, fand ſich in biefen beiden Werken, deren 
16 ein Hochverrath an ber Dienfchheit zu betrachten find. S. war 
Schriften und wagte es, den Mitgliebern des Directoriums Epem- 
ichen. 1804 abermals verhaftet und nach Charenton gebracht, fchrieb 
veldhe von Wahnfinnigen auf einem Theater bargeftellt wurden, das 
es Irrenhauſes, Abbe de Coulmiers, erbauen ließ. ©. durfte hier 
ymen; aber einige derfelben erregten Verdacht, und aus ben Nach⸗ 
t Polizei ging hervor, daß biefer entfegliche Menſch mitten Im Ges 
achtopfer ber hölfifchen Luſt zu erfaufen wußte, melde er in feinen 
Ibert hatte. Sogleich warb er nach Bicoͤtre geführt, wo er im 63. 
ft, Der beifpiellofe Gynismus feiner Schriften fand fi auch in fels 
‚, und mit bem ruhigen Zone ber Überzeugung verfündigte ee Grund⸗ 
rmeidlich zum Schaffot führen: 
»der Saadi (Scheith —* GSabi el Schirazi), aus Schi⸗ 
beruͤhmteſten lyriſchen und moraliſchen Dichter der Perfer, geb. zu 
f. der Flucht 571 (1175 n. Chr.), ſtarb als ein 116jaͤhr. Greis 
). Da feine Ältern arm waren, warb er am Hofe Abubekr's erzo⸗ 
überhaupt von den verfchiedenen Monarchen Perſiend großer Gunſt 
ohlthaten. Ex fing, nachdem er 30 J. feine Jugend genofien, 30 
bingebradit, erſt im 90. 3. ſeines Lebens an zu fchreiben, und wol 
:ächtlichen Folioband feiner Werke in den legten 12 3. ſ. Lebens. Die 
ihn ber Alles wegen feiner goldenen Sprüche, bie fie als einen 


— 






























584 Sadueaͤer Sage 


Schatz wahrer Lebensweisheit betrachten, und wegen feiner reinen, hohſt 
chen und dabei einfachen Schreibart. Wir befigen von ihm: 1) eine Com 
(Divan) Iyrifcher Gedichte in arabifcher und perſiſcher Sprache (Gafeln unb 8 
den), in benen ein mildes Feuer der Phantafie waltet, theil® Liebeögedichte, f 
Auffoderungen zu edeln Lebensgenüffen, vermifcht mit ernflen Betrachte 
2) ein moralifchee Werk, aus Profa und Verfen gemifht, u.d. T.: „Gi 
(Rofengarten), in 8 Büchern, mit folgenden Überfchriften: vom Greif 
ben Sitten der Könige; vom Geiſte und ben Sitten ber Derwifche ; von ber 
und dem Stüde der Zufriedenheit; vom Nugen ber Verfchiwiegenheit; von 
Liebe und Jugend; von Schwachheit und Alter; von Erziehung der Kinder 
guten Bitten; von der Kunft, mit Leuten umzugehen; 3) ein Werk in Ber 
„Boſtan“ (Baumgarten), enthaltend eine Sammlung von Geſchichten, J 
bein und moralifchen Anweifungen; endlid) 4) eine Sammlung von Gitte 
chen, ebenfalls in Berfen, u. d. T.: „Penbnahmeh oder Molamaat”'. — &% 
liche Werke des ©. find zu Calcutta in 2 Großquartbänden perſiſch im Deal 
fchienen; das fchönfte feiner Gedichte, „Guliſtan“, hat Gentius perſiſch: 
tein. herausgegeben und Dumoulin perſiſch und engliſch (Calcutta 1823). 
Bernd. Dom hat „Drei Luftgänge aus Saadi's Rofenhain” aus b. Perf. ini: 
(Hamb. 1827). Das „Pendnameh“ ift perf. und engl. in Oflindien und © 
einzeln gebruckt worden; von den Iyrifchen Gedichten findet man einzelne bet ZU 
ley u. A. Uberfegungen des „Boftan” und „Guliſtan“ gibt es in vielen Ep 
Deutſch hat fie zuerft Olearius geliefert. (Vgl. Perfifche Literatur.) 
Grabmal, 2 Meilen norböftt. von Schiras, befchreiden Franklin und Mei 
ihren Reifen. | 

Saducder, eine von ben 4 Hauptfelten der Juden, deren Stifter € 
ein jüdifcher Rabbiner, war, ber ungefähr 200 3. vor Chr. lebte. Die kehr 
nes Meifter6, des Antigonus, dag man bie Tugend um ihrer felbft wilm 
ohne Ruͤckſicht auf Belohnung ausüben müffe, führte ihn zu der Behar 
daß in einem andern Leben weder Belohnung noch Strafe flatt.fände. S 
haͤnger leugneten baher die Auferftehung und die Unfterblichkeit ber Seele, | 
ten weber Engel noch Geiſter, waren aber in ihren Sitten fehr ftreng , daher 
Chriſtus, trog des Vorwurfs, daß fie die Schrift nicht verftänden , fie wege 
Sitten nicht tadelt. Auch gelangten fie zu den hoͤchſten Würden und fehl 
Hohmpriefteramt. Noch jest befteht diefe Sekte unter ben KR araiten (f.d} 

Saffian, f. Marogquin. 

Saftfarben, f. Malerfarben. 

Sagan, Fürftenthum in Niederfchlefien (173 IM., 34,000 € 
ehemals ein Theil des Fuͤrſtenthums Glogau, von dem es durch die Erbthe 
der Söhne des Herzogs Heinrich VIII. 1395 getrennt wurbe und feinen e 
Fürften erhielt. Nachmals Fam es an die Krone Böhmen. Kaifer Ferbim 
ſchenkte e8 feinem Selbherren, Albrecht v. Wallenflein. Nach der Ermorbum 
felben ward es eingezogen und 1646 an einen Kürften von Lobkowitz verk 
Bon den Nachkommen des Lestern kam es 1786 durch Kauf an den Heros F 
von Kurland, nach defien Tode, 1800, «8 feine Altefte Erbtochter, die Prie 
Katharina Friederike Wilhelmine (verm. mit den Grafen Rud. v. d. 
erhielt, die ſich davon Herzogin von Sagan nennt. — Stabt und Schief 
gan, am ober, hat 580 Häufer, 4500 Einw. und Fabriken. 

Sage ift die unmwilfürlihe Dichtung, welche aus dem Drange eineb 
kes entfteht, irgend etwas Gefchehenes oder überhaupt Gegebenes ersählend 
foffen. Die Sage hat alfo einen hiſtor Grund. Übrigens kann fie etwas 
oder Gegenmärtiges barftellen, oder aud) nur auf Veranlaffung eines 
Wirklichen (5.8. des Anblicks merkwuͤrbiger Felfen, Höhlen und ander Hech 


| 
2 


Sagenkreiſe des Mittelalters Sailer | 685 


durch Denkmale, ja durch auffallende Namen) entftehen. In ihr ge⸗ 
leich die Vorſtellungen und Anſichten eines Volkes auf eine dem Stand» 
[ben angemeffene, anfchauliche Weife kund. Ja oft find biefe Vorftels 
Eder hiftor. Anknuͤpfungspunkt wie in der Gätterfage, die eben das 
mder Deidenfage und überhaupt von der Dienfchenfage unterfchei- 
eſe ſich mehr an gegebene Ereigniffe anfchließt. Indem fie von Mund 
laͤuft, erfährt fie bald große Veränderungen und wird mit den ſich ers 
Begriffen des Volks mobificiet; daher oft ihre feltfame Geftalt. Aus 
dlichen Überlieferung wird fie erhalten durch Volkslieder. umd Chroniken 
ale räumlicher Art. In derneuern Zeit hat man, die Vorzeit mit groͤ⸗ 
te betzachtend, Sammlımgen von Sagen veranftaltet; fo haben bie 
am (1817, 2 Thle.) „Deutfche Sagen‘ herausgegeben; P. L. Müller 
abibliothek“. (S. übrigens Mythen, Diftorie und Stanbinas 
teratur.) 

‚entreife des Mittelalters, f. Mittelalter nd Ritters 


o, das Mark, nicht wie man fonft glaubte einer beſondern Sagopalme 
ıgobaums, fondern mehrer Palmenarten (f.d.). 
unt, eine berühmte Stabt im taraconenfifchen Spanien, unfern von 
Zurius (Murviebro). Als eine Pflanzfladt ber Zacpnthier und Rutu⸗ 
e mit Rom im Bunde, und murbe daher von Hannibal 219 v. Chr. 
und nach einer hartnädigen Belagerung erobert, worauf der zweite pu⸗ 
‚ feinen Anfang nahm. Segt fteht auf derſelben Stelle die Stadt Mur: 
duri veteres),, bei welcher in dem fpanifch-franz. Kriege 25. Dct. 1811 
von Valencia unter Blake durch Suchet gefchlagen wurde, worauf das 
nt capitulirte. 
dfhüß und Sedlitz, 2 Dörfer nicht fern von der böhmifchen 
n am Abhange bes Mittelgebirges. Die Gegend um diefe Dörfer ift an 
Waffer und Bäumen arm, enthält einen bedeutenden Sumpf (dem 
zumpf), und ift von Bafalthügeln eingefchloffen. Am füdlichen und 
Fuße eines fich in den Sumpf hereinziehenden Hügel® befinden fi) etwa 
vafferbrunnen, deren Wafler bitter ſchmeckt, laxirende Eigenfchaft bes 
Mineralwaſſer weit verfendet wird. 
gern, f. Silber. 
ler (Johann Michael), Dr. der Theologie, bairiſcher geiſtl. Rath und 
Eheologie zu Landshut, jetzt Weihbifchof und Coadjutor zu Regensburg, 
alvicar, auch Dompropft (1825) an der bafigen Kathebralticche, Biſch. 
ifopolis, ift 1751 zu Arefing unweit Schrobenhaufen in Baiern geb. 
litern ohne Mittel waren, fo Eonnte er nur durch die Unterftügung , bie 
ichen fand, feine Studien anfangen und fortfegen. 1770 trat er zu 
in Oberbaiern in den Sefuitenorden und blieb in demſelben bis zu deſſen 
‚1773. Hierauf vollendete er in Ingolſtadt feine philofoph. und theolog. 
mar dann 3 Jahre lang Öffentlicher Repetitor und wurde 1780 zweiter 
rof. der dogmatiſchen Theologie, neben Benebict Stattler, feinem Leh⸗ 
eunde. Da aber 1781 die bairifchen Klofterabteien alle Lehrſtellen im 
ihrem Mittel zu befegen befamen, verlor auch &. feine Stelle gegen ein 
geld. 3 Jahre lebte er jest im Privatftande den Studien und ſchrift⸗ 
ı Arbeiten, die ihn bereits rühmlich befanntgemacht hatten. 1784 folgte 
fe zu einer Profeffur an der damals bifchöflich-augsburgifchen Univerfität 
mo er Moralphilofophie und Paftoraltheologie lehrte, auch Religions» 
a für alle Akademiker hielt und mehre vielgelefene Schriften herausgab. 
war er bier thätig gewefen, als er unertwartet feine Entlafung erhiett. 


586 | Saint⸗Aulaire Saint⸗George 


Er lebte jetzt wieder mit ſehr geringen Einkuͤnften bloß ben Wiſſenſchafu⸗ 
Freundſchaft, theils zu Muͤnchen, theils zu Ebersberg In Oberbeiern 

Regierungsveraͤnderung in Baiern 1799 ward ©. als Lehrer am ber bakrlı 
desuniverfität angeftellt und befand fich feitbem an ber 1800 von Ingel 
Landshut verlegten Ludwig: Marimiliansuniverfität als ordentl. Prof. d 
gie. Er hat ſich durch zahlreiche Schriften um die Erweckung wahrer 8 
unter den Katholiken in Baiern ungemein verdient gemacht. Sein biſch 
fchreiben (Regensb. d. 7. Dec. 1824), welches bie Feier des Jubilaͤum 
1825 ankuͤndigte, zeichnete ſich durch einen würbigen Kon ſowie durch 
Achtung andrer Confeffionen aus. (Vgl. Hesperus 1825, No. 21.). - 

Satnt=:Aulaire (Louis Beaupoil, Stafv.), geb. 1779, 

Napoleon Kammerherr und Präfect des Maasdepartements. Nach Wi 
lung der Bourbon erhielt er bie Präfectur der Obergaronne und befa 
Touloufe, als Napoleon von Elba zurückkehrte. Bei der zweiten Rüd 
wigs XVIII. zum Deputirten des Maasbepart. erwählt, ſprach er ſtets 
der conflitutionnellen Freiheit und vertheidigte die Sache ber unglüdlichen 
ten, welche im fübl. Frankreich der Verfolgung eines fanatifchen Ultrar 
preißgegeben waren. 1818 trat St.:4. als Deputirter des Depart. bu 


"zweiten Dale in die Kammer; man fand aber, daß fein polit. Glaube 


1 


niß nicht mehr’ daffelbe fei und erflärte diefe Veränderung aus dem Ei 
Miniſters Decazes, weldyer kurz zuvor fein Schwiegerfohn geworben : 
am 14. Febr. 1820 Slaufel de Couffergues den Minifter ale Mitſchuldig 
morbung des Herzogs von Berry bezeichnete und biefe Beſchuldigu 
Sitzungsprotocoll eingetragen werden follte, widerſetzte er fich lebhaft! 
leumdung. In den ftürmifchen Berhandlungen über den Entwurf des ne 
gefeges, 1820, ſprach St.⸗A. mit Feuer und Kraft; er ſtimmte für bi 
fung, weil bie neue Wahlform die Öffentliche Freiheit bedrohe, bie Ka 
wiürdige, die repräfentative Verfaffung umſtoße und alle Gewalt einer i 
Er trat aus der Kammer 1823 und befchäftigt ſich feitbem mit Literatur, 


‘mit der deutfchen. Auch gab er eine (Kpz. 1827) ins Deutfche überf. „” 


der Fronde heraus. — Skin Vetter, Graf Joſeph Beaupoilv. S 


» mit den Prinzen ausgewandert und ift jest Generallieut. und Pair von 


Saint:Eyr, f. Ey. 

Saint:George (Ritter v.), berühmt buch feine bewunder 
Gewanbtheit in allen Leibesübungen (weßhalb feiner in den franz. Men 
Romanen aus biefem Zeitraum oft gedacht wird), geb. 1743 auf ber I 
beloupe von einer Greolin, war der natürliche Sohn deß Generalpachter 
logne, der ihn gut erziehen ließ. Er trat früh in Kriegödienfte, wurde: 
am Hofe des Herzogs von Orleans angeftellt und war ein Kiebling bes 
volution hingerichteten Herzogs. Man erzählt von feiner Geſchicklichk 
brauche des Degens und ber Piftolen faft unglaubliche Dinge. So wa 
D Laubthaler nacheinander in die Luft und traf fie, einen nad) bem ande 
fie niederfielen, mit 2 verfchiedenen Piftolen. Sehr fanft, ſobald ern 
wurde, vermieb er Streitigkeiten, und fing immer damit an, feine Gi 
zu zeigen, um jeden Zwiſt abzumenden. Im Fechten war ihm Niemand ı 
war ein leidenfchaftlicher Freund ber Mufit und galt für einen ber erflen 1 
ler feiner Zeit. Beim Ausbruche der Revolution warb er einer ihrer eifrl 
bänger, und diefe Gleichheit der Meinungen Enüpfte ihn noch fefter ax bı 
v. Orleans. Er warb 1792 ein Fägerregiment, mit welchem er als DI 
Dumouriez bei der Nordarmee ſtand. Nach bem Abfall des Generals a 
G. um ſich zu retten, fein Anklaͤger; aber er fchligte ſich dadurch nich 


Gefaͤngniß, amd obgleich bald entlaſſen, wurde er doch 1793 wirder ver 


Saint⸗Germain Saint⸗Marſan 687 
nach dem 9. Thermidor ſeine Freiheit. Er ſtarb in dunkler Armuth 


int-Germain, f. Germain. 
nt-Lambert (Sean Francois), Mitglied der Akademie und des Na⸗ 
uts, zu Nancy 1717 geb., erwarb fich früh bei feinen Landsleuten ben 
es ausgezeichneten Dichterd und eines liebenswürbigen Gelehrten. Er 
den Fefuiten zu Pont a Mouffon erzogen. In feiner Jugend diente er 
hringifchen Barde und flieg bis zum Range eines Hauptmannd. Nah | 
n verließ er diefe Laufbahn, um fich an dei Hof des Könige Stanislaus 
‚ der zu Luneville die geiftvoliften Frauen und Männer um ſich verfam: 
begeben. Frau v. Chatillon glänzte hier durch ihre Kenntniffe und ihren 
und St⸗L. gewann ihre Liebe. Auch mit Voltaire befreundete er fich, 
2 ihm gar ſehr in feinen Verfen und warb dafür auch wieder von Vols 
t. Erftarb zu Paris d. 11. Febr. 1805 im 88. J. bei feiner Freundin, 
»oudetot, die ſich feiner mit der größten Sorgfamkeit annahm, obgleich 
Zuflande der Kindheit, morein er zuruͤckgeſunken war, fich oft bitter über 
jreundin hefchwerte. * Seine Gedichte: „Le matin et le soir“ (1769) - 
saisons” find unter feiner Schriften am befannteiten geworben. Sie 
ı Der Gattung der befchreibenden Gedichte, und obgleich fie Thomſon's 
iten“ nachfiehen, fo zeichnen fie ſich doch durch eine blühende, oft glänzende 
und einen leichten harmoniſchen Versbau aus. Außerdem hat er mehre 
en in Profa, orientalifhe Fabeln (Paris 1772) und viele Eleinere Ge: 
Ihe in franz. Muſenalmanachen zerftreut find, gefchrieben. Seine „Me- 
: la vie de Mylord Bolingbrocke‘' fizd unter feinen profaifchen Schrif: 
enswerthefte. 
int:Marfan (Anton Maria Philipp Aſinari, Marquis v.), Mars 
⸗Marzano; in Exropa bekannter unter jener franz. Benennung, koͤnigl. 
re Staatsminiſter der ausmwärt. Angelegenheiten, Großlreuz des ungari= 
hanbordens ꝛc., ged. zu Zurin, wo fen Vater Gouverncur war, wid⸗ 
der Diplomatie, arbeitete in dem Depart. der auswaͤrt. Angelegenheiten 
? Kriegsminifter. Als folcher unterzeichnete er ben Vertrag vom 28. Juni 
ch weichem den franz. Truppen unter Brune die Citadelle von Turin ein⸗ 
yurde. Nach der Bereinigung Piemonts mit Frankreich 1802, trat Hr. 
in franz. Dienfte. Napoleon ernannte ihn zum Staatsrath und fpäter 
Sefantten in Berlin. Als Preußen 1513 fein politifches Syſtem aͤn⸗ 
rd er abgerufen. und trat hierauf in den Erhaltungsſenat. Nach der Bes 
re Hauptfladt durch die verbündeten Truppen, begab er ſich nach Turin, 
zur Ruͤckkehr tes Königs Wictor Emanuel in feine Staaten, von den 
m Mächten angeftelit, den Vorfig im Regentfchaftsrathe führte. Jener 
ernannte ihn zu feinem KRriegsminifter und fandte ihn zu dem in Wien vers 
ı Gonyrefle, um Savoyens Zurüdyabe an Sardinien zu bewirken. Er 
nals mit den 8 Gongreßmaͤchten den Tractat vom 29. März 1815, der 
ileniſſe Sardiniens zu Genf beitimmte, hierauf mit den 5 verbünbeten 
ten den Zractat vom 20. Mai 1815 ab, der die neuen Grenzbeſtim⸗ 
md die Vereinigung bes Staatd von Genua mit der fardinifhen Monar⸗ 
ste. Nach dem Schluffe des Congreffes Lehrte Hr. v. S.:M. nach Turin 
0 er die Leitung der auswaͤrt. Angelegenheiten erhielt, am Ende 1817 
6 Kriegs: und Seeminifterinm, 1818 aber aufs neue die Verwaltung 
ärt. Angelegenheiten an der Spise des Stantsminifteriums uͤdernahm. 
entvolle und heitfehende Stautsmann hatte jedoch einen Einfluß auf das 
welches eigentlich durch bie Königin, deren Beichtvater und ben Polizeis 
segiert wurde. Als die Piemontefifhe Revolution (.d.) ans: 


588 Saint⸗Martin Saint⸗Pierre (Jacq. Bern. Hemi ix) 


brach, befand er ſich auf dem Congreſſe zu Laibach. Gen Sohn, ber ben fe 
Napoleons in Rußland mitgemacht und fpäter ben Poften eines Geſandiſq 
cretairs verfehen hatte, ward als Theilnehmer.den 6. März 1821 verhaftet, f 
aber von den Mebellen befreit. Der Minifter kam von Laibach zuruͤck, um dem 
nig Victor Emanuel die Mißbilligung des Gongreffes', die Einführung einer 
Berfaffung betreffend, mitzutheilen, worauf der König am 13. Min | 
Herr v. S.-Marzano legte fein Minifterium nieder, das der Marcheſe di By 
erhielt. Nach der Unterbrüdung bes Aufftandes ernannte der König Kau 
den Grafen Della Zorre zum Miniſter der auswärt. Angelegenheiten. 2 
minifters Sohn hatte fich nad) Frankreich geflüchtet und ward nach Eile vern 
Er follte daſelbſt verhaftet werden, als er im März 1822 einen Paß bemupt, 
nach) England zu gehen, wo er Begnadigung und Erlaubniß zur Ruͤckkeht ie 
Vaterland noch erwartet. | 
" Saint:Martin (Sean Antoine), feit 18% Mitglieb der Acad. 
seriptions et belles lettres, geb. zu Paris d.17. Fan. 1791, einer der 
zeichnetften Schüler des Drientaliften Sito. de Sacy, hat ſich durch feine ver 
Kenntniß der armenifchen Literatur und durch Forſchungen in ber alten Che 
gie eine Stelle unter den erſten jest lebenden parifer Gelehrten erworben. 
längere Zeit Mitglied der koͤnigl. Gefellfchaft der franz. Alterthumskenner unb 
feher der orientalifhen Typographie in der koͤnigl. Druderei. 1824 ernanui 
der König zu feinem Bibliothelar. S. „M&moires historiques et geogre; 
sur Arménie“ (2 Bde., 1818 fg.) haben zuerft ein helleres Licht über biefent 
Theil der Gefchichte des Drients verbreitet... &. „Histoire de Palmyre” 
Kpfen., ift ein Hauptwerk über dieſe berühmte Stabe der Zenobia (f.b. 
„Nouv. recherches sur l’cpoque de la mort d’Alexandre et sur la chre 
des Ptolemees’' (1820) find Vorläufer eines wichtigen Werts: „Chre 
de l’histoire ancienne”, das er vorbereitet. Noch erwähnen wir, daß ai 
„Notice sur le zodiaque de Denderah (1822) das Alter diefes Thierke 
die Zeit nach 900 bis 560 v. Chr. ſetzt, welchem aber Letronne und Halm⸗ 
fprochen haben, die jenes Denkmal nicht für älter als die gewoͤhnliche Zeite 
halten, Zu ber „Biogr. univers., zu dem „Journ. des savans‘ und j 
„Journ. asiatique” hat Ot.⸗M. wichtige Beiträge geliefert. Die „Hist. & 
Empire” von Lebeau hat er verb. und vermehrt feit 1824 herausgegeben (A 
nebft einem Atlas); auch ſetzt er die „Art de verifier les dates” fort. | 

Saint:Pierre (Charles Irenée Gaftel, Abbe de), geb. in ber Ne 
die 1658, geft. zu Paris 1743, ein franz. Schriftfteller,, der zu feiner Ze 
Auffehen machte und von dem berühmten Verfaffer v. „Paul u. Virginie x." 
nardin de St.:P. zu unterfcheiden ifl. Seine „Annales politiques de Louis 
werden noch immer geſchaͤtzt und follen Voltaire die erfte Idee zu feinem „f 
de Louis XIV‘ ſowol als zu feinem „Essai sur l’histoire generale” ı 
haben, vor welchen beiden Werken fie unleugbar den Vorzug ber größern 
Treue haben, ohne ihnen in Rüdficht bes Styls bedeutend nachzuftehen. € 
bie meiften europ. Sprachen überfegte® „Projet de paix perpetuelle ent 
potentats de l’Europe”), ift allerdings nicht viel mehr als ein ſchoͤner X 
aber vol trefflicher Gedanken und fehr folgerecht durchgeführt. Man kanz 
nur bedauern, daß er, wie Plato, ſich die Welt gedacht hat wie fie fer 
und nicht wie fie iſt. 

Saint:Pierre (Jacques Bernarbin Henri de), einer der geiſt⸗ 
muͤthvollſten philofoph. Schriftfteer der Srangofen, geb. zu Havre de Bence £7 
war in ſ. 12. 3. des Schulzwange® fo überdrüßig, daß er mit f. Oheim nad 
tinique fegelte. Das Heimweh trieb ihn zuruͤck. Er ftubirte in der Im 
ſchule zu Paris und ging als Officer nach Malta. Ein Zweikamff nithigu 




























Saint⸗Real Saint⸗Simon (Familie) 589. 


sBlande Dienfte zu fuchen. Katharina II. gab ihm eine Unterlieutenantsftelle 
Ingenieurcorps, die er aber nach 18 Monaten nieberlegte. Er diente in Po⸗ 
e franz. Partei, ward von ben Ruffen gefangen, freigelaffen, hielt fich in 
hau, Dresden, Berlin und Wien auf, ging wieder nach Paris, erhielt eine 
sleurofficierftelle in Isle⸗de⸗ France, nahm wegen Zwiſtigkeiten nad) 2 Jahren 
Abſchied und ging nach Frankreich zurüd. Nun begann fein literar. Leben. 
siite eine Heine Penfion mit f. Mutter und gab 1773 f. „Voyage & P’Isle de 
ve” heraus. 1784 erfchienen f. „Etudes de la nature”. Nun ernannte 
wig XVI. zum Intendanten des botan. Gartens und bes naturhiftor. Mus 
. Sein Roman „Paul et Virginie” (1788) erlebte in einem 3. 50 Aufl. 
Lachdrücke, und bis 1828 an 300. Er ift in alle Sprachen überfegt, ins 
von Delen Marie Williams, deutſch von Gleich (Leipzig 1820). Der Verf. 
Zalte eine Prachtausg. (Paris 1803, 4.). Napoleon gab ihm den Orden 
seenlegion; Joſeph Bonaparte eine Penfion von 6000 Franken. Bernarbin 
ach die „Chaumiere indienne”, die „Harmonies de la nature” u. a. Schrif⸗ 
Eur heraus. ©. „Oeuvres“ erfchienen zu Brüffel in 8 Bon. Er farb d. 21. 
2814 auf ſ. Landgute bei Paris. Aime Martin fehrieb einen „Verſuch über 
wedin’6 Leben und Schriften” (Paris 1820). 
Baint:Real (Cefar Vichard de), ein ausgezeichneter Schriftfteller, bes 
im Hiflorifchen Sache, geb. zu Chambern in Savoyen, wo f. Vater Staats: 
par, kam früh nad) Paris, wo die Lebhaftigkeit f. Geiſtes und f. Kenntniffe 
Beeumbe erwarben. Hier lebte er bei dem Gefchichtfchreiber Varillas, von. 
zu ihm wahrfcheinlich die Liebe für da6 Romantiſche in f. hiſtoriſchen Darftels 
a mitgetheilt wurde. Varillas befehuldigte ihn, daß er ihm einige f. Papiere 
mbet habe. 1675 Eehrte St.⸗R. nad) Chambery zurüd, lernte daſelbſt bie 
kein v. Mazarin kennen und begleitete fie: nady England, ging aber bald mies 
neh Paris, wo er mehre Jahre u. d. T. eines Abbe (ohne jedoch eine Pfruͤnde 
ben) fich als Gelehrter aufhielt. Seine Schriften verwidelten ihn in gelehrte 
Ugkeiten, befonders mit dem Theologen Armauld, der ihn des Socinianismus 
Digte. Seine Empfindlichkeit gegen die Kritik ging bis zur Schwäche; zus 
war er hitzig und ungeſtuͤm, wenn ihm in Schriften wiberfprochen wurde, 
Saber im gefelligen Leben einen höchft ſchaͤtzbaren Charakter. 1692 ging er 
Bhambern zurüd und farb in demf. Jahre. Unter f. Werken zeichnen fich 
> „Sept discours sur l’usage de l’histoire”, voll ſcharfſinniger Bemerkuns 
wber ohne Präcifion gefchrieben; „Histoire de la conjurasion que les Es- ‘ 
bis formerent en 1618 contre la republique de Venise“, welches Werk 
Bei Romanhaftes enthält. Übrigens hat St⸗R. hinfichtlich des Styls in dies 
Bere fein Vorbild Salluſt nicht ganz erreicht. „Don Carlos, nourvelle hi- 
‘, gleichfalls romanhaft, aber vortzefflich gefchrieben; „Discours sur la 
„ eins der vortrefflichfien Werke diefes Schriftftellers; ‚Traduction des 
is de Ciceron & Attieus‘‘, nicht fo gut gerathen u. a.m. ine voliftäns 
Husg. von St.⸗R.'s Werken beforgte der Abbe Perau 1757 zu Paris in 
m. 12 


WBaintsSimon, ein altes berühmtes franzöf. Geſchlecht. Bekannt find 
Worifchen „Memoires” des Herzogs v. Saint: Simon (Louis be Rouvroi), 
B von Frankreich, aus deu Zeiten Ludwigs XIV. und XV. — Claude 
se, Marquis, feit 1815 Herzog v. Saint» Simon, geb. zu la Faye 1740, 
uber tapferften Dfficiere des Regiments Auvergne, ging 1780 nach Spanien 
als Marechal de Camp ein Corps von 3000 M. nach Nordamerika, wo 

zur Mieberlage bes Lord Cornwallis bei Yorktown (18. Det. 1781) mit 
Nrnd den Gincinnatusorden erhielt. 1789 wählte ihn der Abel zum Abges 
Beten bei den Reichsſtaͤnden; er proteflirte gegen die Beſchluͤſſe der Mekcheit im 


590 Saint- Pincent 


"der Rationalverfammmlung, und wanderte nad) Spanien aus. Hler 
die k. Legion, welche aus Emigemmien beſtand, und wurde Gene 
BVerbienfte und Wunden ertvarben ihm bie Gnabe Karla IV. , der ih: 
talcapitain von Altcaftilien ernannte und ihm 1801 den Heerbefehl geo 
anvertraute. 1803 erhielt er den Rang eines Grande von Spanien; 
er bei der Einnahme von Madrid Eriegegefangen und vor eine Milita 
geftellt, die ihn, weil er die Waffen gegen Frankreich getragen, zum 
theilte. Allein Napoleon, durch das Sehen f. Tochter gerührt ,- I 
Frankreich abführen, wo er in der Gitadelle zu Befancon gefangen ſa 
1814 machte ihn frei. Ludwig XVIH. vernichtete jenes Urtheil. 2 
der Marquis nad) Spanien zuruͤck, wo ihn Ferdinand VII. zum Hei 
neralcapitain ber fpanifchen Armeen erhob. Seit dieſer Zeit hat er a 
Ereigniffen keinen Theil gmommen. — Geitenverwandte von ihm fü 
Simon, Henri, Graf v., bekannt durch mehre Schriften über 
Staatswirthfchaft, geb. 1760, focht an der Seite des Vorigen im nı 
ſchen Freiheitskriege und erhielt den Gincinnatusorden. In der Se 
H. de Sraffe 1782 gegen Rodney verlor, kam er durch die Eroberm 
xalfchiffes, auf welchem ex ſich befand, in engl. Befangenfchaft. £ 
volution verlor er einen großen Theil f. Vermögens; baher unternahn 
Einführung einer Eilpoft in Frankreich, die u. d. N. -Eclair bean 
Grundſaͤtzen einer vernünftigen Freiheit ſtets treu geblieben, gab er e 
lemifche Zeitfchrift heraus: „L’organisateur”, bie aber 1820, vcı 
befchräntt, aufhören mußte. Außer den „Lettres de Saint-Simon’‘ 
ſchien von ihm, gemeinfchaftlicy mit H. Thierry: „L’industrie, ou di 
morales et philosoph., dans l’interet de tous les hommıes livres à 
utiles‘ (1815, 4). ©. Wert „De la regeneration de la soeiete « 
(1814) erlebte 2 Aufl. Graf Simon flarb zu Paris im Mai 1825. - 
Simon, Henri Sean Victor, Marquis v., Marechal de G: 
1819 Pair von Frankreich, geb. 1782, diente in ber Rheinarmee ın 
focht bei Jena, dann in Catalonien mit Ausseihnung, ımb trat 1 
Seite der Bourbons. Ludwig XVIH. gab ihm den Rang und die € 
noch bekleidet. | 

Saint: Bincent (Lord, Graf John Jervis v.), Admiral 
heimerrath u. ſ. w, 2ter Sohn bes Swynfen Jervis Esq., Herrn 
Mitglieds des Admiralitaͤtsraths, geb. 1736, bildete ſich von ſ. 10. J 
Seemann, unter Anſon, Hawke u. A. Nach dem Frieden zu Aachen 
er ſich in Paris mit der franz. Sprache bekannt. Im ſiebenjaͤhr. Kri 
als Schiffslieutenant viel Muth und Geſchicklichkeit, z. B. bei der U 
auf Quebeck 1760. In dem norbamerikanifchen Kriege befehligte 
beoyant von 80 Kan. und flug fid tapfer in dem umentfchiedenen S 
ber franzöf. Slotte unter dem Grafen d'Orvilliers, auf ber Höhe v 
(27. Juli 1778). Admiral Keppel warb wegen f. Verhaltens an die 
ein Kriegsgericht geflellt, auf des Cap. Fervis Zeugniß aber freigefpr: 
demfelben Schiffe eroberte Jervis durch ein geſchickte Manoeuvre 17 
Eintenfchiff von 74 Kan. Nach dem Frieden zum Mitgkiebe bes Un: 
wählt, fchloß ſich Jervis an den Grafen Shelburne an und flimmte na 
fition. Im Laufe des franzöf. Revolutionskrieges eroberte er ale 6 
im März; 1794 Martinigue und St.:Zucie; dann kreuzte ee 1796 von 
Toulon, mußte aber, als fich bie fpanifche Flotte unter Langara mit di 
Zoulon vereinigt hatte, Corfica, Elba und Capraja räumen und das 
fche Meer verlafien. Hierauf bloquirte ee Cadix und ſchlug am 14. | 
beim Gap St.⸗Vincent, wit 15 Unientifien und 4 Fregatten (123 


Saiten GSaiteninftrumente 591 


Flotte von 27 Linienfhiffen und 10 Fregatten (2212 Kan.) unter D. Luis 
dova. Jervis trennte die feindliche Linie und nahm 4 Linienfchiffe. Die ge⸗ 
we Flotte flüchtete ſich nach Cadix, das hierauf Commodore Nelfon (unter 
’8 Dberbefehl) am 3. Juli bombardirte. Das Parlament dankte dem Sieger 
35 London verehrte ihm einen Eoftbaren Degen; der König erhob ihn zum 
von St.-Vincent, Baron Meaford, und gab ihm ein Fahrgeld von 3000 
St. Lord St.⸗V. nahm jest f. Sig im Oberhaufe, befehligte aber fortwäh: 
we Stationen vor Liffabon, Gadir und im mittelländifchen Meere, wo er 
inzelne Abtheilungen wichtige Entwürfe ausführen und auch durch Nelfon 
die franzoͤſ. nach Agypten beftimmte Flotte verfolgen lie. 1801 wurbe er 
ord Der Abmiralität unter Addington's Verwaltung , legte unter Pitt's Mi- 
sam 1805 jene Stelle nieder und übernahm 1806 den Befehl uͤder die Flotte 
sl. Damals ward er von einer Anklage, daß er bie Flotte nicht mit ben 
Vorraͤthen verfehen habe, loßgefprochen. Später trat er öfter im Ober: 
mf. Ohne zur Oppofition zu gehören, tabelte er die Unternehmung 1807 
Kopenhagen, den Feldzugsplan des Sir John Moore 1808 in Spanien 
e beharrliche Kortfegung des Kriegs mit Frankreich. Auffallend war es, daß 
7 gegen die Abfchaffung bes Negerfllauenhanbels ſtimmte. Seit 1816 309 
wegen Kraͤnkuchkeit aus dem öffentlichen Leben zuruͤck und ftarb auf f. Lands 
RNochetts bei Brandwood, ald Admiral des erften Ranges und Beneral der 
Daten, im Mär; 1823, in einem Alter von 87 5. X. 
Baiten find Faͤden von zufammengedrehten Schafdirmen oder von gezo⸗ 
Metall, deren man ſich in verfchiedener Länge und Stärke bedient, um fie 
> dünnen Dede eines bazu eingerichteten SSnftruments in Schwingungen zu 
And Dadurch verfchiedene Klänge hervorzubringen. Die Darmfaiten verfers 
san aus ben Därmen der Schafe und Lämmer, die man reinigt, in einer 
Meist, zuſammenſpinnt und ſchleift. Man winbet fie in Ringel, von denen 
nick sufammengebunden ein Stod heißen. Ihre Güte wird durd) ihre Halts 
ko Reinbeit und durch das Helle und Koͤrnige ihres Tons beflimmt. Ein 
ficheres Merkmal für diefe Eigenfchaften gibt es nicht, doch fehlen fie wer 
allen den Salten, die nicht durchſichtig und nicht elaflifch find. Bekannt: 
D die in Italien verfertigten fogen. vomanifchen bie vorzüglichften. — Die 
iten find entweder aus Meffingdraht oder aus Eifen. Solche liefert Nüms 
n bat auch Verfuche mit Saiten aus Seide gemacht, aber e8 fehlt ihnen 
bu feinen Klange. Ein gewiffer Boud zu Verſailles ſoll fie In der neueften 
weoollfommmet haben. Nach der Stärke theilt man die Saiten in Baß⸗ 
falten, ferner in Quinten, Quarten u. f. w. 
Baiteninfirumente find diejenigen, bei welchen durch Schwingung 
der Ton hervorgebracht wird. Die Art aber, wie die Saiten in Bes 
gefeut werben, ift verſchieden, und hiernach zerfallen die Saiteninftrumente 
j tn befomdere Claffen: 1) Bogeninftrumente (f. d.) oder Geigen; 
so die Saiten durch Haͤmmer, weldye an Zaften befeftigt find (Taſteninſtru⸗ 
[oder Gtaviaturinftrunmente); 3) die, in welchen die Saite mit dem Finger 
Melbar ober mittelbar, d. i. durch einen Griffel) geriffen wird. „Hierher ges 
„Guitarre, Mandoline, Laute und die ähnlichen Inſtrumente. — Die 
find weit mehr als die Bladinftrumente gefchickt, bie Menſchen⸗ 
begleitend zu tragen, weil fie im Tone mit ihr mehr contraftiren. Zweitens 
fle den Vortheil, da man durch fie die mathematifchen Verhaͤltniſſe der 
m fichtbar nachweiſen und mehre Toͤne zugleich angeben kann, weß⸗ 
anch zur Entwidelung der Harmonie und ber Darmonielehre fehr viel beis 
haben. Ferner find die Saiteninſtrumente einer leichteren Benugung fähig 
Vatinſtrumente, indem fie nur bie Arme und Hände der Syrlenken n 








598 Sakkarah Saladin 


Bewegung ſetzen, während letztere auch bie Lungen ber Spielenden und u 
gane ermüden, weßhalb fie den Saiteninftrumenten an Ausdauer nicht gl 
men. Wegen diefes Umſtandes ſowol als wegen der größern Leichtigkeit 
zuflimmen und die verfchiedenften Grabe der Stärke und Schwäche her: 
gen, bilden die Saiteninftrumente in dem Orcheſter die herrſchende Partie. 
Sakkarah, die Todtenftätte des alten Memphis, von beffen T 
es etwa eine halbe Meile entfernt liegt, am Saume ber libyfchen Wuͤſt 
barum wol als fegenbringender Port der Frommen (Oouov ayadım) b 
weil dort das Grabmal bes Dfiris an ber Geite der Iſis eine troſtreiche G 
fenfchaft und flufenweifes Annähern an die höcften Götter verfichert 
ſtehen jene Reihen von Pyramiden, die in der Richtung von D. nah W 
Viertelmeilen und von N. nach S. 34 einnehmen. Ron den früher vor 
Pyramiden find nur noch gegen 30 übrig, doch manche davon bloß in T 
ertennbar. Die größere darunter, die treppenartig auffteigt, die zuerſt Pi 
Valle 1618 unterſuchte, hat Gen. Minutoli neuerbings wieder aufgral 
und intereffante Ergebniffe gefunden. Anziehend wird Sakkarah den | 
und den Kunſtfreunden vorzüglich durch bie unzähligen unterirbifchen Gr 
ten Eingänge man in f. Ebene findet. In einer von ihnen war es, wo bie 
Mumien durd) Pietro della Valle gefunden wurden. Sarkophage mit: 
phen, oft von Branit, belohnen den Eifer der Auferſtehungsmaͤnner mi 
Einer, den Gen. Minutoli (f.d.) zu Tage förderte, ging an dem Ein 
Elbe verloren. Ein andres Intereffe hatte Sakkarah durch die Sshieket 
in denen diefe Vögel zu hunderttaufenden in den bekannten Rrügen beig 
Nach Minutoli's Meinung waren dort jeber Kafte und mehren Thier— 
abgefonderte Nekropolen von der erflaunenswertheften Ausdehnung an 
folglich möchten gerade dort die Nachgrabungen am meiften belohnen. 
Saladin, eigentlih Salahebdin Juſſuf Ebn Ayub, Sultan v 
ten und Syrien, geb. 1137 auf dem feften Scloffe Tekrit, deſſen © 
fein Vater, ein turdifcher Krieger, war. In feiner Jugend diente er unte 
und Oheim, welchen Lestern Sultan Nurebdin nach Agy zur Unt 
des Fatimitifhen Khalifen Adhed wider den Vefir Shawer ſandte. DI 
1168 auf diefem Zuge, und ©. folgte ihm im Heerbefehl. Dex biäher ! 
und Spiel ergebene Juͤngling ward plöglich einer der firengften Wefolger 
fchriften des Korand. Den Anfichten Nureddin’s gemäß haßte und unte 
die Sekte Ali's und machte 1171 dem Fatimttifchen Regentenhaufe in &, 
Ende. Um biefelde Zeit flarb Adhed. S., der feine Reichthuͤmer in Be 
faßte den Entfehluß, ſich unabhängig zu machen, und fuchte zu dem Ei 
derſt die Liebe der Agypter durch eine milde und weife Regierung zu 
Nureddin aber, wiewol Jener deffen Unternehmungen gegen die Chrifl 
ſtuͤtzte, ſchoͤpfte Verdacht und brach mit einem zahlreichen Heere nach Agı 
Ein Vergleic, beugte den Seindfeligkeiten vor. As jeboch 1174 Nuredt 
ben war, und deffen unmünbiger Sohn Al⸗Malek den Thron beftiegen ha 
S. Mafregeln, anfangs unter dem Vorwande der Beſchuͤtzung, deffen 
gen anfichzureißen. Er unterwarf Damask und andre Pläge in Gprien, 
aber Al⸗Malek felbft in Aleppo ohne Erfolg. Auch verfuchte er, Die Br 
den Seeküften von Paläftina zu vertreiben, ward jedoch bei Askalon gaͤ 
fhlagen. Al⸗Malek ftarb 1181, und 2 Jahre darauf ergab fich Aleppo 
din, der nun ganz Syrien und Ägypten unter dem von dem KAhalifen I 
flätigten Zitel eines Sultans befaß. Seine Politit war jegt baramf gest 
Chriften aus Palaͤſtina zu vertreiben und Ierufalem zu erobern. Im 
Zorn durch einen vertragswidrigen Überfall der Pilger nach Mekka nach! 
reizt. Er vergalt ihnen diefen Treubruch durch die berühmte Schlacht in di 


, Salamanca 695 


Aberias 1187, in welcher Buy von Lufignan, Koͤnig von Jerufalem, zugleich 
Chatillon, den Brofmeiftern der Tempelherren und Sohanniter und einer 
ige von Rittern zu Gefangenen gemacht wurden. Alle Gefangene wurden 
mgemadht; Chatillon, der die Begnabigung durch den libertritt zum Islam 
erkaufen wollte, fiel unter S.'s eignem Schwerte, und nur der König von 
iſalem ward verfchent und ehrenvoll behandelt. Die Solge biefed Eiegs war 
kinnahme von Akte, Seid, Barout u. ſ. w. Jeruſalem ergab fi ihm 1187 
einem hartnaͤckigen Widerftande auf die Bedingung, daß die Cinw. gegen ein 
den Kopf zu zahlendes maͤßiges Loͤſegeld frei abziehen, wer aber nicht zuhlen 
we, Sklav fein folle. ©. hielt einen triumphirenden Einzug in Serufalem und 
Bte gewiſſenhaft den Vertrag. Darauf belugerte er Tyrus, melde Unterneh: 
g ibm jedoch mißlang, da f. Flotte von den Franken gefchlagen wurde. Auf 
Radyricht von dem Verlufte Jeruſalems nahmen der Kaifer Friedrich Barba⸗ 
r, die Könige Philipp Auguft von Frankreich und Richard Loͤwenherz von Eng: 
und viele andre Kürften das Kreus. Das Gerücht davon ermuthigte bie Chri- 
An Tyrus, welche 1180 Akte den Moslemin enteiffen. S. eilte herbei, und 
ubre lang maren die Felder um Akre der Schauplaß der erbittertften Kaͤmpfe. 
Friedrich langte mit einem Heere in Afien an; body fein Tod flößte den 
in Muth ein, bis Richard Loͤwenherz und Philipp Auguft mit neuen zahl: 
wen Scharen erfchienen. Akre ergab fich ihnen 1191, worauf Philipp Auguſt 
‚ Europa zuruͤckkehrte. Richard aber blich, ſchlug S. in 2 Schlachten, nahm 
Iren und Jaffa und bedrohte Serufalem. Die ritterliche Tapferkeit dieſes Koͤ⸗ 
s verdimkelte auf einige Zeit S.'s Ruhm. Endlich warb ein Vertrag zwiſchen 
Bu Sürften geihloffen, der die Küfte von Jaffa bis Tyrus den Chriften ein- 
; Askalon ward gefihleift, und der Überreft von Palaͤſtina verblich dem 
. Diefer war kaum durch Richards Abreiſe von feinem furchtbarſten Feinde 
it, als ihn in f. 56. Lebensjahre, 1193, zu Damaskus der Tod überrafchte. 
ein Fuͤrſt von großer Einfiht und Zapferkeit; er lichte die Gerechtigkeit 
le flet8 fein Wort. Er hinterließ 17 Soͤhne und eine Tochter und war ber 
bes Hauſes der Ayoubiten. 
Salamanca, Provinz im fübl. Theile des Königreichs Leon, mit ber 
.gEN., die am Fluffe Tormes auf 3 kleinen Hügeln liegt. Die Stabt 
alter Art gebaut und hat enge, ſchmuzige Straßen, aber einen großen Frei⸗ 
die plaza mayor,, der zu ben fchönften in Spanien gehört, und mo im Jun. 
echte gehalten werden. Uber den Tormes geht außerhalb der Stabt eine von 
mern erbaute Brüde von 27 Bogen. Wie in der Umgegend der Aderbau, 
in der Stadt in ben legten Jahrh. die Betriebfamteit in tiefen Verfall gefom: 
und die Volksmenge auf 13,000 gefunten. Dagegen gibt e8 25 Pfarreien, 
geiftt. Stifter und über 30 Moͤnchs⸗ und Nonnenkloͤſter. Die zahlreichen 
mit ihren zum Theil fehenswerthen Bilhauerarbeiten und Gemälden bes 
Ponz in f. „Viage de Espana”, Bd. 12. Die Domtlirche ift ein prächti- 
iſches Gebaͤude, das 1513 angefangen und erft 1734 vollendet murde, da⸗ 
viel Ungleichheit in den Theilen und Mangıl an Ebenmaß hat. Unter andern 
bier das fogen. Schlachtenkreuz (erucilixo de las batallas) aufbewahrt, bas 
in f. Seldzügen mitgeführt haben fell. Die im 12. Jahrh. erbaute alte Kirche 
falls mehre Dentmäler, und in einer dazu gehörigen Capelle wird die Meſſe 
mozarabifchem Gebrauche gelefen, tie fonft nur noch in Toledo. Das 1614 
ante Jeſuitencollegium ift eines der prächtigften, die der Orden in Spanien be: 
Fı nad) deſſen Aufhebung e8 1778 zum Theil einem Priefterfeminarium einges 
GM wurde. Die Univerfitätögebäute beftehen aus 2 durch eine Straße getrenn: 
Abtheilungen, ben escuelas menores , und ber eigentlichen Univerſitaͤt oder 
"“scuelas mayores, wo ſich die Hörfäle der Theologie, Rechtsgelehrſamkeit, 
Onp.ter. Siebente Aufl. 8b. IX. 38 














& 


594 Salamanca 


Arzneitunde, Philoſophie, morgeniändifcher Sprachen ıc. befinden. H 
die Univerfitätscapelle, melde u. a. Bildern ein Gemälde befigt, dast 
Doctoren in Salamanca abzulegende Eidesleiftung vorſtellt, das Geh, 
‚ unbeflediten Empfängniß zu vertheidigen. Die Univerfität fliftete im: 
König Alfons IX. von Leon, um mit Alfons VIIL von Caſtilien zu we 
1209 eine Hochſchule in Palcncia angelegt hatte. Ferdinand III., der 
und Caſtiliens, vereinigte diefe 1239 mit Salamanca. Der gelehrt 
war der eifrigſte Beförderer der großen Anftalt, die er mit ausgezeichnete 
befeßte, reich begabte und 1254 mit Statuten verfah, die Davila in de 
de Salamanca '' (1606, 4.) mittheilt. Der Ruhm der Schule verdre 
ganz Europa, und bis zu Philipps II. Zeiten, und fpäter zu Ente d. 
waren bafelbft nach Pedro de Medina inf. „Grandezas de Erpana‘ (A 
7000 Studenten, ungerecdjnet viele Moͤnche, Collegialen und andre C 
Matrikeln hatten. Sie wurde nicht nur von Spaniern und Portugief 
von Zöglingen aus Oſtindien, Neufpanien, Franzofen, Flammaͤnde 
nern, Englänbern und vielen Sirländern befucht. Mit dem allgemei 
worein Wiffenfchaften und geiftihe Bildung in Spanienim 17. und in! 
des 18. Jahrh. gerathen waren, verſank auch die Schule zu Salamı 
Barbarei, die allen Glauben überfteigt, und wenn man aud) den & 
des fatyrifchen Gaimo („Lettere d’un vago italiano‘, Pittburgo, 
1764 — 67, 4 Rbe.) nicht ganz trauen will, fü beftütigt doch der Sp: 
(in ſ. „Teatro critico‘') in der Hauptfache, was ber ital. Moͤnch fo bittı 
ehemalige Wohlftanb der Stadt verfiel während deffelben Zeitraums. 
womit man unter Philipp V. und befonders unter Ferdinand VI. und. 
die Beförderung wiſſenſchaftlicher Bildung zu forgen begann , wirkte 
Univerfität zu Salamanca. Schon 1771 gefhahen von Seiten der R 
erften Schritte, diefe Anftalt aus ihrem Verfalle zu erheben, aber d 
der Lehrer war in zu roher Unmiffenheit, als daß diefe Bemühungen | 
folg gehabt hätten. Um jene Zeit rechnete man zwar noch 4000 Stud 
man aber auch alle Anfänger im Lateinifchen zählte. Durch die neuen 
gen wurde die Zahl der Erhrftühle auf 61 gebracht, und ein anatomiſ 
errichtet. Außer den gewöhnlichen Univerſitaͤtswiſſenſchaften gibt es auc 
ſtuhl für Muſik. Die Anftatt ſtand, der angefangenen Verbefferunger 
noch tiefer als die finfterften Univerfitäten in den finfterften Gegenden 3 
vor etwa 50 Jahren. Während der Kriegsjahre und feit 1814 iſt, wi 
nichts gefchehen, und bie während der Cortesherrfchaft gemachten Eı 
unausgeführt geblieben. Bei dem Mangel näherer Nachrichten üben 
wärtigen Zuftand der Univerfität kann auch nicht beftimmt werden, w 
von Ihr erhobenen MWiberfpruche gegen den neuen allgemeinen Stud 
1824 für ihren Culturzuſtand ſich ſchließen laffe. Mit der Univerſltaͤt 
das Colegio trilingue, wo Hebräifh, Griechiſch, Lateiniſch, Mbetorl 
werden. Außer der Hochſchule gibt es in Salamanca nod) + colegiı 
oder Erziehungsanftalten für junge Leute aus angefehenen Häufern. £ 
ten erhielten mit ben 3 Ähnlichen, die es noch in Spanien gibt, 1776 
- ferte Einrichtung. — Die Umgegend yon Salamanca warb am 22. Jı 
Schauplatz einer entfcheidenden Schlaht. Die Franzofen hatten di 
16. Suni bei dem erften Angriffe verlaffen,, den die unter Wellington 
Engländer und Portugiefen machten; die von ihnen noch befegt gehall 
von Salamanca wurden am 27. Juni genommen. Marmont, der die 
Portugal anflhrte, hatte unterbeffen ſich verfiärft und 309 aufs neue t 
entgegen; ba kam es nach mandherlel Bewegungen, die den Zweck! 
Engländer von Ciudad: Rodriao und Salamanca abzufchneiden, in 


Salamander Salat 595 


anme am Tormes zum blutigen Kampfe. Der franz. Feldherr hatte zwar feinen 
agriffeplan mit Einſicht gemacht, dehnte aber f. linken Flügel zu fehr aus: ein 
Bier, der dem engl. Heerführer eine Gelegenheit zum Angriffe gab, die er geſchickt 
wußte. Die Ftanzoſen verloren an Zobten, Verw. und Gif. über 70090 M. und 
ı Kan. Marmont felbft wurbe fo ſchwer verwundet, daß General Giauzel den 
Berbefehl übernahm, deffen kluge Mafregein, wie man behauptet hat, den un= 
meidlichen Untergang des Heeres verduͤteten. Die Kolge der Schlucht, in wel- 
x die Verbündeten 820 Todte und 4723 Verw. zählten, war der ſchnelle Ruͤck⸗ 
I der Branzofen nad) Burgos und die Unterbrechung der Verbindung dieſes Hee⸗ 
mit der Abtheilung, die Joſ. Bon«parte im mittlern Spanten defebligte. 26. 
Salamander, ach Molh, Feuermolch, eine Familie tes Eidechſenge⸗ 
‚ehts, die in + Gattungen zerfällt. Sie find ungefähr eine Spanne lang, einen 
sumen did, gemöhnlich ſchwarz und gelb gefledt, halten fih an dunkeln, ſchat⸗ 
en Orten auf, und find insgeſammt unſchaͤdlich und keineswegs giftig. Die 
ge, daß der Salamander in Feuer nicht verbrenne, iſt unwahr. Wenn er gi: 
Mligt wird, dringt aus f. Munde und f. warzigen Haut eine milchige Feu Htigkeit, 
ihn wol aufeinige Minuten gegen ein ſchwaches Kohlenfeuer ſchuͤtzen kann; aber 
em anhaltenden Feuer kann er keineswegs widerſtehen. Ber den Alten war er 
kanbild des Feuers, daher auch die Keuergeifter der Fabellehre, die als Genien 
> feuerfächenen Scmetterlingsflügeln vorgeftellt werden, Salamander heißen. 
ne treffl. Moncgraphie iſt D.X.%. Funk's „Traet. de salamanılrae terrestris 
m, evolutione, formatione” (Berlin 1826, Fol., m. Kpf.). 
Sala miß, jest Koluri, e. griechiſche Infelvon TM Eleuſis gegenuͤber, 
ühmt durch den glorreichen Sieg ber verhünbeten Flotte der Griechen üher die 
ich ſtaͤtkere der Perfer (480 v. Chr.,f. Themiſtokles). Sie ift durch eine 
t über e. Viertelftunde breite Meerenge von der Landfchaft Attika getrennt. Ihr 
bier Name fol Kochrea oder Kenchrea gewefen fein. Unter ihren Fuͤrſten auß den 
hern Zeiten ift vorsüglih Ajax (f. d.) bekannt. Einige Jahrhunderte nad) dem 
Banifchen Kriege bemächtigten fich die Megarenſer der Infel, wurden aber bald 
uden Athenienfern vertrieben. Unter dem Kaifer Belpajian ward fie eins roͤmĩ⸗ 
— Die Bewohner von Salamis waren ſehr geſchickte Seefahrer. Auf 
ſtſpitze ſtand das Denkmal wegen bes über dic Barbarın errungenen Sieges. 
wärtig haben ſich die Bewohner Athens bei den Einfaͤllen der Türken nicht: 
nad) Salamis gerettet. 
" Salat (Jakob), k. geiſtl. Rath und ordentl. Prof. der Moralphiloſophie auf 
sUniverf. zu Landshut feit 1807, nachdem er vorher Pfarrer zu Haberskirch 
1), Prof. der Moral und Pafleraitheologie bes Lyceums zu Münden, feit 
Pfarrer zu Arnbach in Baiern gewefen war, geb. am 24. Aus. 1766 zu 
tegmünd im Ellwangiſchen. Diefer fruchtbare philoſophiſche Schriſtſteller, 
en Anfichten eine gewiſſe Übereinflimmung mit dem Geifte der Facobi'fdıen 
loſophie kaum zu verkennen fein dürfte, machte fi), nachdem bereits mehre Beine 
en, als: „Haben wir in Deutfchland Revolutionen zu befürdıten 2°’ (1795), 
Br Berichtigung gemwiffer Urtheile, welche die franzof. Tesolution in Deutid;= 
veranlaßt hat”, und andre von Ihm erfchienen wären, dem philoſophiſchen 
—* durch mehre Aufſaͤtze in Fichte's und Niethammer's „Philoſoph. Sour: 
(1797 fg.) bekannt, von welchen auch einige, wie: „Auch die Aufklaͤrung 
Ihre Gefahr”, mit einigen Veränderungen einzeln oder in a. Zeitjihrften abge: 
erſchienen. Außer f. übrigen Schriften, welche fid; auf Befoͤrderung eines 
Mühen Studiums der Philofophie, auf Darlegung der innen Verl indung, 
die philofophifhen Wiſſenſchaften unter einander jtchen, als: „über das 
iß der Geſchichte zur Philoſophie und der Rechtswiſſnſchaften“ (1317), 
muͤthiges Entgegenarbeiten gegen einen fehlerhaften Zeitgeſſe, gen Tr: 
ZA rt 






Bi frei 


5068 Salbung 


ſcurantismus, Myſticismus und Möncherei, als: „Die Philofophie mi 
tanten und Sophiften im Kampfe“ (1803), fowie auf fchärfere Beſtimm 
ger philofophifchen Begriffe: „Vernunft und Verfland” (1. Thl. 1808) 
wichtige Gegenflände: „Die reinmenfchliche Anficht der Ehe, mit Erlaͤr 
uͤber das Höchfte ber Menfchheit' (1807), beziehen, und zum Theil and 
lemiſche Tendenz haben, wie: „Der Geift der allerneueſten Philoſophie bı 
Schelling, Hegel und Compagnie” (Münden 1803 und 1805, in Verbin 
Bened. Schneider und Kajet. v. Weillerherausgeg.), „Erläuterungen einig 
. punkte der Philofophie, mit Zugabe über ben neueſten Widerftreit zroifche 
Scheling und Fr. Schlegel‘ (1812), — bat er auch mehre Hands und L 
ber Philoſophie und-einzelner philoſophiſchen Wiffenfchaften herausgegebe 
ber gehört: „Darftellung der allgemeinen Philofophie aus dem Standp 
hoͤhern Bildung” (2. A., 1826); die „Moralphilofophie” (3. Aufl., 182. 
der neueften Aufl. biefes Werks ift das „Handbuch der Moralwiffenfchaft 
mit befonderer Rüdficht auf den Zeitgeift bearbeitet; der ‚‚Meligionspt 
dem erften und nächften Hauptzweig der Philofophie der Wiffenfchaft” (18 
als Vorarbeit voran: „Grundlinien der Religionsphilofophie‘ (1819). 
Schriften fließt fih: „Sokrates, ober über ben neueften Gegenfag zwiſ 
ftenthum und Philofophie; mit mehren Belegen vornehmlich aus dem pı 
fchen Deutfchland” (1820). Auch die Seelenkunde fand an Salat in f. , 
der höhern Seelenkunde, oder bie pfuchifhe Methropologie” einen Bea 
A., 1826). Inden „Dentwürbdigkeiten, betreffend den Gang der Wiſſ 
und Aufllärung im füblichen Deutfchland” (1823) erzählt er felbft f. Leb: 
f. Recenfenten bat er immer Fehden gehabt. Bei der Verfegung der V 
Landshut nach München ift er in Landshut geblieben. 

Salbung. Von Alters her pflegten ſich die Morgenlänber zur 
ber Glieder und zur Erhöhung der Eörperlichen Schönheit zu falben, dahe 
ter dem Ehrenbezeigumgen, bie fie geachteten Bäften bewiefen, das S 
wohlriechenden Ölen eine ber vorzüglichften war. Won diefer Sitte des 
Lebens unterfchied die mofaifche Geſetzgebung, übereinflimmend mit a. £ 
des Alterthums, die Salbung der Priefler, ihrer Kleider und der zum ©: 
beftimmten Dinge, welche nur mit einem befonder& dazu bereiteten heilig 
ſchehen durfte und die Bedeutung einer Weihe zum ausſchließlichen relic 
brauch hatte. Schon das Alterthum betrachtete in diefem Sinme die Sc 
Priefter und Könige als eine finnbildliche Handlung, die den Gefalbten d 
loͤſchlichen Charakter ihrer Amtswuͤrde mit befonbern göttlichen Geiftesg 
drückte. Daher heißen Könige und Priefter vorzugsweife Gefalbte des He 
Perſon heilig und unverletzlich, und deren amtliches Anfehen von Bott 
wird der im A. Teſt. angelündigte Exlöfer wegen f. Eönigl. Abflammung u 
Meſſias, d. h. ein Gefalbter, genannt. — Noch, jegt werben die König 
Krönung geſalbt, um ihrer Würde bie religiöfe Weihe und Heiligkeit zu. 
fie in den Augen ber Völker haben foll, und bei der Eath. Priefterweih 
orbinirende Biſchof mit dem heil. Salboͤl (f. Chrifam) die innere Fid 
Hände nebft den Daumen und Zeigefingern des Orbinanden, woburd) 
Ausdrude des Orbinationsrituals den Händen die Kraft gegeben wird, ; 
zu weihen und zu heiligen. — In einem bildlichen Sinne follen veligiöfe 
und Gebete Salbung, d. h. die Kraft haben, den, der fie hört, mit 
Befühlen , innigen Überzeugungen und heiligen Entſchließungen zu erfäß 
dies ift Die Weihe, bie von den Worten des Redners, der auf die Herz 
will, auf f. Zuhörer übergehen muß. Die Babe, mit Salbung zu ſprech 
durch Kunſt und Studien nicht erworben werben, und nur der Redner wi 
ben, der Stärke und Innigkeit der eignen Überzeugung von bem, was‘ 


Saldern Salep 897 


kt Herzlichkeit und Wärme der Empfindung verbindet. Kreilich aber wird bei Dies 
 feitenen, oft den fcharffinnigften und glänzendften Rednern abgehenden Babe vor: 
ügefegt, daß fie nur wichtigen Segenftänden, die das ganze Gemüth des Men⸗ 
wn angeben, gewidmet und nie ohne gründliche Einſicht, gebildeten Geſchmac 
d ſichern redneriſchen Takt angewendet werde. 
Saldern (riedrich Chriſtoph v.), k. preuß. Generallieut. der Gabe tu-, 
hs 2. Son. 1719 in dee Priegnis, der Sohn eines preuß. Obriſtlieutenants, trat 
35 als Faͤhndrich in den Dienft. Friedrich IL. nahm ihn wegen f. anfehnlichen 
nge in die Leibgarbe als Oberlieutenant. Im fchlefifchen Kriege focht er tapfer 
b wırrde Hauptmann. Faft in allen Schlachten des fiebgpjähr. Kriege war er 
jenwaͤrtig. Bei der Erflürmung des Dorfes Leuthen zeichtiete ex fich fo aus, daß 
kdrich ihm den Verbienftorden verlieh. Mach ber Eroberung von Breslau warb 
1758 Oberfllieutenant und deckte nady der aufgehobenen Belagerung von Oll⸗ 
ig ben Rüdzug des Könige durch Mähren und Böhmen. Bei Hochlirchen 
158) leiftete er bebeutende Dienfle. Zum Lohn ernannte ihn Sriebrich, da er auch 
bin demf. Jahre, bei dem kühnen Marfch von Sachfen nach Schlefien zum Ent: 
von Neiſſe, fich befonder& ausgezeichnet, zum Generalmajor, ohne daß ex vors 
Oberſt gewefen (1759). Auch bei Liegnig (1760) und vornehmlich bei Torgau 
50), wo er ımter Ziethen focht, bewährte er f. Muth und f. Kriegserfahrenheit. 
farb zu Magdeburg 1785. — Er hat ſich befonderes Verbienft um bie Verbeſ⸗ 
mg des Kriegsweſens erworben; auch zeigen f. Schriften von f. militairiſchen 
fit: „Taktik der Infanterie” (Dresden 1784); „Taktiſche Srundfäge” (mit 
Dresden 1786). Beide Schriften find ohne feinen Namen erfchienen. Nach 
au Herbfimanoeupre ritt Friedrich zu ihm heran und fagte: „Saldern, höre 
auf, das ift Altes und übertrifft Alles, was man mit der Taktik thun kann!“ 
ſchenkte ihm ein maffives filbernes — — Auf dem Schweizerling, einem 
ige bei Wettina im Saalkreiſe, 3 Meilen von Halle, iſt dem Helden eine 
bihhmißurne auf einem 148 Fuß hohen Porphyrfelfen mit f. Bild und Namen 
ſach geſchmuͤckt aufgeſtellt. 
Salem heißt 1) urſpruͤnglich in der heil. Schrift die Stadt, in welcher Mel⸗ 
het regierte, nachher auch Jeruſalem; ferner auch eine Stadt in dem Lanbe ber 
en, in welche Jakob nad) feiner Nüdkehr aus Mefopotamien fam. Der 
bezeichnet Friede. 2) In ber neuern Geographie ein Sechafen in dem 
k. Staat Maffachufetts, meift auf einer Landzunge gebaut. Der Hafen 
Ankergrund, doch ift das Waſſer fo feicht, daß ſchwere Schiffe, die über 
tief Waffer brauchen, ausladen muͤſſen. Die Stadt mit 13,000 €. hat 
Imiedrige, aber angenehme und gefunde Lage. Sie warb 1626 gegründet und 
hinſichtlich der Bevölkerung und des Wohlftandes die zweite Stabt in Ren: 
d. Der oftindifhe Handel ift die Hauptquelle ihres Reichthums. 1801 
Bde bier eine Sefellfchaft von Seefahrern, die das Vorgebirge der guten Hoff: 
ng umfegelt haben, gebildet, beren Zweck ift, hülfsbedürftigen Gliedern ihrer Fa⸗ 
Ren Unterftügung zu geben, die Kenntniß der Schifffahrt und des Handels nach 
Den zu befördern und das Mufeum (eine reiche, unentgeltlich zugängliche 
enlung von Merkwürdigkeiten aus allen Theilen der Welt) zu vermehren. 
en ber Brüdergemeinde in dem nordamerik. Staate Nordcarolina. 
bt aus einer beinahe 3 Stunden langen, mit Baumteihen befegten freund⸗ 
m Straße. Der Drt hat eine vorzügliche Lehranſtalt für Mädchen und verſchie⸗ 
? Manufacturen. — Es gibt in Nordamerika (Neujerfen) audy eine Graffchaft 
In mehren Staaten, ſowie in der Präfidentfchaft Madras, Örter gt. N. 
Salep oder Salap, die Wurzel des auch bei uns auf feuchten Wiefen 
fig wachſenden Knabenkrauts (Orehis Morio), welche jegt nicht mehr, roie ehes 
B, von den Apothelern nur aus China umb Perfien berogen wide. Eichel 


598 | Salcenum Salier 


von dem baraus zubereiteten Pulver, mit 6% Zeilen Waſſer gekocht, gibt « 
tiges und dabei doch Leicht verdauliches Nahrungsmittel, welches die Arzt 
Eigenſchaften wegen, ſchwachen und Eränklichen Kindern verordnen, befon) 
chen, voelche die Mutterbruft entbehren müffen. 

Salernum (jegt Salerno), Stadt im Gebiet der Picentiner, t 
italien, mer&würbig durch bie civitas Hippocratica, ober medicinifche Leh 
auch schola Salernitana genannt, die dafelbft [don im 12. Jahrh. n. Ch 
und die Pflanzfchule aller medicin. Sacultäten von Europa wurde. on 
bauptfädjlidy die praktifche Heilkunde aus, und ihre diaͤtetiſchen Vorſchrifi 
den in Verfe gebracht und Überall verbreitet. (Vgl. Medicin, Geſchichte 

Salefianerinnen heißen Die Nonnen ded Ordens von der Heir 
ber Jungfrau Maria, nad) ihrem Stifter, dem h. Franz von Sales, von 
f. Sreundin Chanta diefer Orden 1610 zu Annecy in Savoyen, uxfprün 
eine Zuflucht für Witwer und kraͤnkliche Scauenzimmer, gegründet wurde 
Folge erweiterte fich derfelbe, ward hauptſaͤchlich zu geiftigen Übungen und 
aud zur Strankenpflege beftimmt, ſchwarz gekleidet umd fo zahlreich, daß ı 
Jahrh. 160 Kiöfter und 6600 Nonnen hatte. Noch jest gibt es K 
Salefianerinnen in den Städten Staliens, befonders in Venedig, auch 
und Breslau. Sie widmen ſich nur der Krankenpflege und Erziehur 
Maͤdchen. 

Salfi (Francesco), Literator, geb. den 1. San. 1759 zu Cofen;. 
brier, teat nady dem Ungtüde ſeines Vaterlandes, weiches ein Erdbeben 1 
wuͤſtet hatte, als Schriftſteller mit Beifall auf. Sein Verſuch über antl 
ſche Srfcheinungen, ia Beziehung auf jene Ecderſchuͤtterung, machte ihı 
Ihrten in Neapel bekaunt, wo er feit 1788 ſich aufhielt. Bei dem Streit 
fe6 mit Rom Über das Lehnsverhaͤltniß ſchrieb er eine kuͤhne ſtaatsrechtlid 
in Sorm einer von einem Cardinal an den Papft gerichteten Anrede. % 
philofophiichen und ſtaatswiſſenſchaftlichen Studien verband er die Kirk 
matifhen Dichtlunft und fchrieb ein Zrauerfpiel: „Gonradin”. Mehr 3 
den f. fpätern Schaufpiele, das Trauerſpiel „Medea“, f. Oper „Saul“ 
Mitten unter den politiſchen Parteien, welche die franz. Revolution aud) 
erzeugte, wurde ©. feiner Regierung verdaͤchtig. Er floh nach Genua; 
er in Mailand Sournale heraus, wurde Secretair der Unterrichtscommiſſi 
cisalpiniſchen Republik, gig mit den Franzoſen nad) Neapel, war Gener 
ber daſigen Regierung und zog fi mit den Republikanern zurüd. 1801 
in Mailand als Auf eher des großen Thraters und als Profeffor der P 
und Gerichte bei der Brera angeftellt; 1807 erhielt er die Profeffur t 
matie und 180% die des Staatsrechts. Kr fchrieb hier u. A. über die P 
der Geſchichte, Uberfegte Chenier’8 „Kerelon” in ital. Verfe und gab 
„Iramo“ heraus. Seit 1814 lebt er in Paris, mo er „Discorsi sulla ı 
Greei etc.'' (1817), eine Kortfeg. der „Geſch. der ital. Literatur‘, 
yuene, und Galiani's „Correspondance inedite ete.“ (1818, 2 Bde. 
gegeben hat. 

Salier, Priefter de8 Mars, weiche ihren Namen von salire. 
tanzen, hatten. Numa beftinunte ihre Zahl auf12, Tullus Hoſtilius 
fie. Die Veranlaffung zu ihrer Stiftung wird fo erzählt: Als einft zu 
Zeiten sine heftige Peft in Italien wuͤthete und ſich auch nach Mom verbr 
Ken die Götter das Ancile, einen Schild von befonderer Geftalt, vom Hin 
abfallen, worauf die Pet nachließ. Die um Rath gefragten Wahrſager 
daß diefer Schild ein Zeichen der flets dauernden Derrfchaft der Roͤmer 
und riethen, noch 11 Ähnliche verfertigen zu laffen, damit der cchte nicht 
entwendet werden Konnte. Died geſchah, und ſaͤmmtliche Ancilia wurd 


Salier, falifhe Franken Salieri 599 


ifdewahrt. Aber jaͤhrlich am 1. März, wo die Saller dem Mars opferten, 
€ dieſelben in ber Stadt herum, indem fie diefelben an einander ſchlugen, 
be Taͤnze aufführten und alte Lieber (falifhe Gefänge) abfangen zum Lobe 
& u.a. Götter, auch beruͤhmter Männer, namentlicd) bes Mamurius, der 
en 11 Ancilien verfertigt hatte. Die Kleidung der Salier war eine mit 
ktickte Zunica von Purpur, die mit einem Gürtel von Erz feftgehalten wur: 
er eine mit einem Purpurfaume befegte Toga, auf dem Kopfe eine hohe 
ige Diüge, am ber Seite ein Schwert und in der Rechten ein Spieß ober 
ye, in der Linken das Ancil. Nur patricifche Sünglinge, deren Altern noch 
urden unter die Salier aufgenommen. 
ılier, falifhe Franken, eine Völkerfhaft, die zum erſtenmal 
mfel der Bataver, und als fie da vertrieben wurden, an der Maas ſuͤdlich 
Ehamarern erſchien. So lange man ben Namen Cherusfer nennt, weiß 
‚nichts von Salisın, und fobald diefe auftreten, verſchwinden die Cherus: 
nuthlich nahmen fie die Benennung Salier erſt an, als fie in Batavia, an 
je grenzten, einwanbderten, nad dem Namen des Fluſſes in ihrem alten 
de. Mar dies die fränkifche oder ſaͤchſiſche Saale? Vielleicht beide, denn 
t unwahrſcheinlich, datt die Merovinger aus Franken fid) wieder mit ihren 
übern vereinigt hatten, weil die Könige der falifchen Franken, und nachher 
iken überhaupt, fich aus dem merovingifchen, ſowie die Bandalen aus dem 
m Stamme ableiteten Vielleicht erhielt die fränlifhe Saale den Namen 
den Merovingers, zum Andenken des Fluffes im alten Daterlande, und 
e Sal:quellen, bie fir an beiden fanden. — Bon den Saliern rührt das 
Geſetzbuch her, das noch vor Chlodwig, zur Zeit, als bie Salier noch 
tige, fonbern bloße Anführer hatten, von & der angefehenften Männer, 
Bodogaſt, Salogaſt und Windagaft, gefammelt und wahrſcheinlich in lat. 
abgefaßt wurde. Es galt zum Theil bis ins 11. und 12. Jahrh. Merk: 
ſt der 62. Art., zufolge deffen bei falifchen Gütern, d. h. bei ſolchen, 
ſaliſchen Franken in Gallien und dem heutigen Frankreich erobert hatten, 
er von der Erbſchaft ausgefhloffen und nur die Söhne derfelben fähig ge: 
eben. Ungeachtet diefer Artikel nur von Privatgütern handelt, fo machte 
Inmendung davon auf die Krone ſelbſt. Gewiß ift, daß von den erſten Zei- 
ınz. Monardie an nie Prinzefiinnen zur Thronfolge gelangten, ohne daß 
andres Geſetz als das Herkommen angeführt wurde. Erſt in den Strei: 
die Philipp VI. von Frankreich mit Eduard III. von England um die 
‚ne hatte (1329 fg.), ward das ſaliſche Geſetz wider Eduard angeführt ; 
tdem unverändert gegolten. 
Nlieri (Antonio), ein berühmter, Italien und Deutſchland gemeinſchaft⸗ 
oörender Componiſt, kaiſerl. Capellmeiſter In Wien, geb. zu Legnago, einer 
tung, 1750. Sn f. 11. Jahre fing er an, Clavierunterricht Ju nehmen, 
isung für die Muſik nahm fo zu, daß er nach dem Tode f. Vaters, eines 
en Kaufmanns, ſich ganz diefer Kunft widmete. Er feste f. Studien zu 
wohin ex ſich f. Goͤnners Mozeniyo wegen begab, fort und endigte fie zu 
Descetti, Gapellmeifter von St.:Marcus zu Venedig, war fein erfter Leh⸗ 
eneralbaß; im Gefange der Zenorift Pacini. Um dieſe Zeit mar ber be: 
Bafnıann nach Vencdig gekommen, der unfen S. liebgewann, mit 
n nahm und ihn in der muſik. Compoſition gründlich unterrichtete, auch 
‚ für eine höhere Bildung weſentlichen Kenntniffen unterrichten ließ und 
ezeichneten Männern befanntmachte. Er brachte manche Compoiition f. 
jur Aufführung. 1769 componirte ©. frine erfle Oper. Als Gaßmann 
b, warb ©. zum Director der Gapelle, ber Kammermuſik und bed Thea⸗ 
Bien ernannt. 1778 reifte er, ſchrieb mehre komiſche Opern, die ex wit 


600 Saline Salis 


Beifall auf die Bühne brachte, z. B. „Il Talismanno”. 1783 lernte et 
nauer kennen, was auf f. Arbeiten einen großen Einfluß hatte. Unter f. 
ſchrieb er die „Danaiden”. Gluck gab ihm bei diefer Gelegenheit das Zeug 
er fich mit f. Styl vertraut gemacht, was bisher noch Keinem gelungen n 
Paris glaubte man, dafı S. nur am 3. Act diefer Oper Theil habe. ©. ka 
nad) Paris; f. Oper wurde wiederholt vor der koͤnigl. Familie mit zune! 
Beifall gegeben; die Königin felbft fang darin. Nachher wurde die Oper 
das Theater der Hauptſtadt gebracht. Die Kenner fanden befonders nt 
tativ und Gefang einen eigenthümlichen Styl und erkannten ein ausge 
Talent. Gluck erklärte erft nad) der 13. Vorftelung S. öffentlich für d 
gen Somponiften der Danaiden. Dieſer wurde reichlich belohnt und erhi 
Ruͤckreiſe nach Wien von der Direction der Oper den Auftrag, die „Do 
Curiatier” zu componiren. Bald darauf componirte er „La grotta di] 
und f. herrliche Oper „Tarare“ zu dem franz. Zert von Beaumarchait 
welche er 1787 felbft in Paris aufführte und nachher für die ital. Bi 
La Ponte’s Bearbeitung, u. d. N. „Arur, König von Ormus“, auf d 
brachte, wofür der Kaifer Sofeph ihn mit 200 Dufaten beſchenkte, bene 
Jahrgehalt von 300 Dukaten beifügte. — Bon f. Werken für die Kir 
Oratorium: „La passione di Gesu Cristo nostro Signore“, daß b 
obgleich es nicht gedruckt worden. Für die Bühne hat er feit 1772 eine ! 
beutfchen und ital. Opern, 39 an der Zahl, componitt, von denen mel 
Merken vom erften Range gehören. Die befannteften find, außer den g 
„la scuola dei gelosi, „La ciffra” („Das Käftchen mit der Chiffre 
mira” (1795), „Armida”, „Der Jahrmarkt von Venedig‘, „Semirs 
Außerdem hat er viele einzelne Arien, auch Vieles für die Inftrumental 
feit 179% eine Menge Eeiner, größtentheil® launiger Duette, Terzette ın 
verfertigt: eine Gattung, die ihm faft eigenthümlich angehört. Seine „N 
wurden nad) 30 3. (1817) in Paris wieder mit großem Beifall auf bie 
bracht. Er hat viele der außgrzeichnetften Sängerinnen gebildet, z. B. 
Wranizky, Ganzi ıc.; in der Sompofition find Weigl, Hummel, Mofd 
feine Scyüler. 1824 ward er wegen f. zunehmenden Krankheits zuſtar 
voll penflonirt. Er flarb am 7. Mai 1825 nad) [hmerzlichen Leiden u 
kehrenden Zuftänden der Bemußtlofigkeit, in welchen er ſich ſchwerer 
anklagte, deren f. Seele nicht fähig war. H. v. Mofel hat, mit Benup 
haͤndiger Auffäge des trefflirhen Meifters, „Über das Leben und die 9 
lieri’ 8" gefchrieben (Wien 1827). 

Saline, ſ. Srabdiren. 

Salis (Johann Gaubenz, Freib. o), geb. 1762 zu Seewis 
buͤndten, diente zu Verſailles als Hauptmann ber Schweizergarde. Ir 
der Revolution ſtand er unter dem General Montesquiou in Savoyen 
Land von den Sranzofen erobert wurde. Darauf lebte er als Privatman 
war feit 1708 Generalinfpector des Miliswefens in der Schweiz und n 
lich zu Malans in Sraubüntten. Meder die Pracht des franz. Hofes, no 
tenverderbniß dev Reſidenz, in welcher ©. feine Jugendzeit verliebte, od 
das Getuͤmmel des Krieges, konnten f. Sinn für ländliche Natur, für Fi 
und Unfchuld, melcher ſich in allen f. Gedichten fo zart und lebhaft ausſi 
wifhen. Bon f. Gedichten fügt ein geiſtvoller Beurtheiler: „Seine M 
jenige, unter deren Leitung die Denham, Thomfon, Haller und Kleiſt di 
ihten geheimften Winkeln beſchlichen, und dann in größern, malerifchen 
verriethen, was fie gefehen hatten. S., ihnen gleich an Originalität um 
dung, ſchraͤnkt ſich auf kleinere Lieder ein; eine Form der Durftellung, 
Bortheil hat, daß der Dichter jeder einmelnıen, aus ver Natur gehobenen € 


Salisbury 601 


igenblicklichen Bemütheftimmung geben, und durch biefe Individuall⸗ 
ficherer hoffen kann, ber bei befchreibenden Gedichten fo ſchwer zu ver: 
emüdung auszumeichen. Indeß geſchmackloſe Versler Altes, was ih: 
atur vorkommt, Ealt auffaffen umd natürlich auch ihre Leſer kalt laffen, 
h den Standpunkt, aus welchem er zeichnet, umd durch die allenthalben 
alifche Tendenz feinen Naturgemälden Einheit, Charakter und Inter⸗ 
Die Correctheit f. Zeichnung und bie Lebhaftigkeit f. Colorits feffeln 
ch. Kraft ift mit Grazie verbunden”. In faft allen f. Inrifchen Ge⸗ 
et eine fanfte Melancholie und ein tiefes, inniges Gefühl. — Mat: 
1793 die Gedichte von 3. G. v. Salis zu Zürich zuerft heraus, bie 
erfchien eben dafeldft 1821 in 12. 
3bury, Hauptft. der Grafſchaft Witt in England, 82 engl. Meilen 
mit 7000 E., verdankt f. Urfprung dem Rottenborough (f. d.) 
deſſen umgefunde Rage die Einw. vor mehr als 6003. auszumanbern 
ierauf 1 engl. Meile ſuͤdwaͤrts, an der Vereinigung 3 Eleiner, noch 
r gemachten Fluͤſſe, New⸗-Sarum, fpäter Salisbury genannt, erb u: 
eben zu Old⸗Sarum 3 Hütten, die der Grundherr unterhält, weil bie: 
is Recht hat, 2 Glieder des Unterhaufes zu ernennen. Bei dem Ein- 
er Burghere auf die Bewohner jener Hätten ausübt, verfügt dieſer 
n Parlamentöftellen nach Belieben. Auffallend genug hat feine Wahl 
r getroffen, bie gegen die Mißbräuche der Parlamentszufammenfegung 
ten auftraten. Salisbury ift berühmt durch feine Woll⸗, befonders 
Facturen und durch feine Stahlarbeiten. Die größte Merkwuͤrdigkeit 
e Kathedrale. Sie warb 1216 begründet, durch ital. Bauleute aufge: 
n 30. Sept. 1258, in Gegenwart K. Heinrich III., vom Biſchof 
:idport eingereiht. Ihr reiches Domcapitel hat bis auf die neueften 
e Erhaltung und Ausfhmüdung einer Kirche Sorge getragen, welche 
ten Dentmälern jener gothifchen Baukunſt gehört, wovon England fo 
teefte zeigt. Noch in den legten Jahrzehnden wurden Fenſter ange: 
ve Glasgemaͤlde, nad) Wefl’fchen Zeichnungen durch Francis Egniton 
‚am ausgeführt, darftellen. Vorzüglich bewundert man den Glocken⸗ 
Gewoͤlbe des Chorhertnſaales, welches mehr als 140 Zug im Umkreiſe 
feinem einzigen ſchlanken Pfeiler in der Mitte. Diefe Kirche muß für 
gkeit einer Steppe entfchädigen, bie noͤrdlich von Salisbury fi) aus: 
hiverlich Neifende anziehen koͤnnte, lägen nicht in Ihr, etwa 14 Meile 
cp, bie Trümmer von Did-Sarum, nur durch wenige Reſte einer un: 
n Mauer erkennbar, die der hoͤchſte Punkt der Gegend iſt. In der 
er Trafalgarpark, feit 1814 Nelſon's Familie gehörig. Auf der ſalis⸗ 
, die von dort an ſich ausdehnt, begegnen nichts ale Schafe dem Blicke. 
yavon legt Stonehenge, das NRäthfel für die Alterthümler der beit. 
rall ift es abgebilbet, Daher bedürfen diefe rohen, In Thorwegform über 
hürmten Sranitbiöde wol Feiner genauen Befchreibung. Allem Ans 
find fie die erſte Anlage eines unvollendet gebliebenen Werkes, das die 
kraft der britiſchen Antiquare über die Gebühr vergrößert hat. Da bie 
ter und weiterer Kreife um Einen Mittelpuntt, die Manche zu bemer: 
‚ von Andern geleugnet wird, fo fühlt man fich in der Entfernung vom 
;verlegen, ob man an einen Druibentempel dabei denken duͤrfe oder an 
‚heimifcher Fürften. Roͤmiſchen Urfprung wird wol Niemand gest noch 
Man nimmt fie für die Metropolitankirche der Briten, die in ber 
he Cör Gawr geheißen habe. Die Sage hält den berühmten König 
been Erbauer. In feiner Nähe fol der Meuchelmord vorgefallen fein, 
mit feinen Sachſen an ben 360 wehrloſen Walen beging. Eine Tohnt, 


602 Salifches Geſetz Salm (Haus) 


die der Barde Aneurin in dem großen Liede, Gododin“ erzählt bat. --- 3 
ähnlicher Zufammenfegung findet man bei Drforb, die Mollerichflone 
Abury in Witte, doch von minberer Ausdehnung und Größe. 18 en 
. von Salisbury liegt auch ber prächtige, vor kurzem von ber lonbun 
häufig befuchte Landſitz Fonthill⸗Abbey, den fein Befiger, Namens Be 
reicher Sonberling, 1824 für Geld fehen ließ und verkaufte, worauft 
Hausrath verfteigert wurde. 

Salifhes Gefeg, f. Salier. 

Salluflius (Eajus Erispus) wurde im J. R. 668, v. Chr. 8 
teenum, einer Dunicipalitadt ins fabinifchen Gebiete, geh. Sein lebh 
und fein feuriger, unruhiger Charakter verleiteten ihn zu manchen ji 
Ausfchweifungen; doch mag er wol nicht ganz fo verborben gewefen fei 
wöhnlidy erzählt wird. Auch muß man den herrfchenden Sittenzuſtand 
alters bei Beurtheilung f. Fehler mit in Anfchlag bringen. Aus der ge 
Eräftigen Schilderung der fittlichen Verderbtheit der Römer ſieht man fi 
ex diefelbe fehr genau Eannte. Durch Caͤſar's Gunſt ward er zum Praͤt 
und nach Numidien gefickt, wo er fich bebeutenbe Schäge ſammelte. D 
er nach ſ. Rückkehr zu Rom eine glänzende Rolle. In den fpätern Jahre 
f. Sugendfehler eingefehen und mäßiger gelebt zu haben. Er ſtarb im 
v. Chr. 35. Während feined Privatlebens machte er die vaterlaͤndiſche 
zu f. Hauptſtudium. Leider Haben wir vog der ausführlichen Geſchichte, 
Zeiten nach Sulla's Tobe bis auf die Gatilinarifche Verſchwoͤrung befi 
noch einige Bruchftüde. Zwei andre hiftorifche Schriften, die und vol 
halten find, erzählen die Kriege der Römer gegen den fchlauen Jugurt 
von Rumidien, und die Verſchwoͤrung des kuͤhnen Catilina. Diefe hiſto 
beiten empfehlen ſich nicht weniger durch die Art der Erzählung und ihı 
als durch ihre Schreibart. &. ſcheint ſich beſonders den Thucydides zı 
genommen zu haben, den er nach Quintilian's Urtheil ſogar uͤbertrifft. 
bell: „Zur Beurtheilung des Salluſt“, Bresl. 1818.) Mit vollem | 
man ihn der reifern Jugend empfehlen, da nicht nur ſein kraͤftiger, rein 
redneriſcher Styl, ſondern auch die Würde, Stärke, Wahrheit und 
Gedanken f. Schriften angenehm und nüglid) machen. Die Hauptauf 
Corte, mit einem ausführl. Commentar (Lpz. 1724), und von Haverka 
u. Utrecht 1742). Zu den beften deutfchen Überfig. ann man die vor 
v. Woltmann (Prag 1817), Strombeck (Gött. 1817) und Hoͤck ( 
a. M. 1818) zählen. 

Salm. (6 gab bis zum franz. Revolutiondkriege 2 Grafſchaf 
die gefürft. Grafſchaft Oberfalm mit dem Städten Salm im Wasgaı 
Elſaß und Lothringen, und die Grafſchaft Niederfalm mit dem Staͤdt 
in ben Ardennen, an der Grenze von Lüttidy im Ruremburgifchen. — 3 
Geſchlecht der Grafen Salm, welches diefe Grafſchaften befaß, theilten 
Söhne des Grafen Zheodorih 1040 in 2 Linien: 1) Oberſalm erhiel 
deffen Nachkommen in 2 Afte ſich ausbreiteten. Bon dem aͤltern Afte ka 
der Grafſchaft durdy Heirath ia Anfange des 17. Jahrh. an Kothringen 
Zweig dieſes Aftes, der die Grafſchaft Neuburg am Inn befeffen hatte, | 
aus. Die Hälfte von Oberfalm aber, welche der jüngere Aft befaß, war 
mons I. Zodhter, Johanna, welche fid 1475 mit ben Wild⸗ und N 
Johann V. vermählt hatte, an das wild» und rheingräfl. Geſchlecht 
wodurch ein neues fürfll. Haus Salm entfland. 2) Niederſalm ei 
Seine Nachkommen erwarben das Herzogthum Limburg ; daher fiel die 
Salm an den jüngern Zweig diefer Linie, welcher mit Heinrich IV. 14 
Sein Erbe war Johann IV., Srafv. Reiferſcheid (in der Eiffe, ein R 


Salm (Haus) 608 


6, des zungern Sohnes Heinrichs II., Herzogs von Limburg. Alfo ſtammt 
6 Niederſalm (Reiferſcheid) allein von dem alten Haufe Salm in männ» 
nie ab, und die Fürften dieſes Haufes nennen ſich deßhalb Altgrafen von 
Es theilte fi 1629 in 2 Linien. Die ältere befigt Salm und Reiferfcheib, 
ere Dyk. — A. Die ältere theilte fih wieber in 3 Iweige: a) Das fürfti. 
Salmı:Reiferfcheid: Krautheim (fonft Bedbur). Diefes verlor f. Befigungen 
ziller Frieden und erhielt dafür durch den Entſchuͤdigungsreceß 1803 Laͤn⸗ 
n Stanten, die 1804 zu einem Fuͤrſtenthum Krautheim (6TIM., 14,000 
160,000 Ft. Einf.) erhoben rourden. Durch den Rheinbund kam dieſes 
Ihum, deffen Fuͤrſt katholiſch ift und zu Gerlachsheim an der Tauber wohnt, 
ie Souverainetät von Würtemberg und Baden. b) Das Haus Sams 
deid⸗Hainsbach, welches allein noch den Srafentitel führt, hat niemals un: 
ze Befigungen gehabt. Stine Güter liegen in Böhmen, wo der Graf ein 
samt befleibet. c) Das 1790 in den Sürftenftand erhobene Haus Salm⸗ 
Heid hat ebenfo wenig jemals unmittelbare Befinungen gehabt. Es erbte die 
näberrfchaften der 1784 ausgeft. falmsneuburger Linie. Der Fuͤrſt wohnt 
a. — B. Die jüngere Linie Dyk bat ihre Befigungen im Bezirk Koͤln des 
Brofherzogih. Niedeichein und in Würtemberg (2 5'z der Herrſch. Schuffen- 
d Weiffenau). Sie ward 1816 in den koͤnigl. preuß. Fürftenftand erhoben. 
B gegenwärtige Haus Oberſalm ift urfprünglich ein Zweig der Wild : und 
Bafen. Die Güter der alten Wildgrafen (im ardenner Walde), Nachkom⸗ 
x Soͤhne Ottos v. Wittelsbach, des Moͤrders Koͤnig Philipps von Schwa⸗ 
im Anfange des 15. Jahrh. ausſtarben, kamen durch Heitath an die 
bufen, die fhon im 13. Jahrh. die Nheingraffchaft Stein an der Nabe be⸗ 
fi) nun Wild > und Ryeingrafen nannten. Won diejen fliftete Johann V., 
I der Erbin von Oberſalm, Sohanna, das neue Haus Salm. eine 
en theilten fid) in mehre Zweige, von denen der Ältere den Namen Salm, 
aber den Namen Wild » und Nihringrafen führten, bie fie diefen 1816 
Namen Sürften von Sam: Horftmar vertauſchten. Nach mehren Vers 
en find gegenwärtig nur noch 3 Afte des Haufes Oberfains vorhanden: 
ürſten von Salm-Salm, kath. Religion. Diefe verleren in Folge der 
olution die noch übrige halbe obere Graffhaft Salm im Wasgau und 
« und rbeingräfl. Länder. Sie behielten bloß die Herrſchaft Anholt an der 
n Weſtfalen und Holland. Durch den Receß von 1803 erhielten fie al® 
igung ein Fürftenthum im chemal. Bisthume Münfter von 21 IM., 
&. und 340,000 Fr. Ein. Der Zürft von Salm:Salm trat zum 
de, verlor aber f. Souverainetät durch den Senatsbeſchluß vom 10. Dec. 
Er ift feie 1815 €. preuß. Baal. Der Fürft Kenftantin von Salm:&alm, 
lt, Aahaus und Anholt, Herzog von Hoogſtraten (Reſidenz Anholt unweit 
SI. an ber Aa), überlieg 1816 den anbolter Zoll an den König der Mie- 
gegen jährl. Entſchaͤdigung von 22,150 holt. Gib. Den 17. Mai 1826 
T f. Perfon zur proteft. Kicche über, mußte deßwegen Frankreich verlaffen, 
Dresden und flarb zu Karlsruhe im Febr. 1828. Ihm folgte fein Sohn 
„Florentin, geb. 1786. Seine Kinder zweiter Ehe befigen 4 von ben 
a Schuſſenried und Weiffenau in Würtemberg. b) Das fürfktliche 
alm-Neu⸗Kyrburg wurde 1803 für den Verluft der Braffchaft Kurs 
d f. Antheil an den wild= und rheingräfl. Gütern, im Münfterfchen (mit 
., SOOO E. und 170,000 Fr. Eint ), angrenzend an Sılm:Salmı, feit 
k. preuß. Scuverainetät, ent(hädigt. Dieſer Fürft trat 1506 zum 
de, verlor uber 1810 feine Souveruinerät an Srantreih. (9. Salm⸗ 
tg. ec) Das fürftt. Haus Salm-Horſt mar, luth. Kirdje, ſtammt 
Srumbady'fchen Linie der Wild: und Rheingrafen ab, deren deide Imeine, 


















604 Salm (Niklas, Srafv.) Salm-Kyrburg (Friedr. 


Mheingrafenftein und Grumbach, 1803, für den Verluft Ihrer Erbg 
linken Rheinufer, das Amt Horftmar im Bischum Münfter (von 31 
46,000 €. und 400,000 $t. Einf.) erhielt; gegenwärtig unter k. pı 
rainetaͤt. Das Haus Rheingrafenflein erlofch, und der Wild - und Ei 
Grumbach wurde 1817 vom König von Preußen in ben Fürftenft 
Seitdem nannte er ſich Fürft zu Salm⸗Horſtmar. Er refibirt zu KH 

Salm (Niklas, Graf), der Vertheidiger Wiens, geb. 145 
falm in den Ardennen aus dem Haufe Salm⸗Reiferſcheid, focht bei 
Murten wider die Burgunder, dann wider die Ungarn, wider Venet 
die Franzoſen. Er entfchied in der Schlacht bei Pavia die Gefa 
Franz J. 71 Jahr alt flug er bie Anhänger des Joh. Zapolya in 
rettete durch bie thätigfte Anflrengung Wien vom 23. Sept. bie ! 
1529 gegen des Sultans Suleyman II. Angriff. Er flarb an ein 
Sturme der Türken erhaltenen Wunde den 4. Mai 1530. Das ihn 
und Ferdinand I. errichtete Denkmal befindet fich jest auf der Salı 
ſchaft Raig in Mähren. 

Salm-Dyk (Conftanze Marie de Theis, Fuͤrſtin v.), aus e 
Geſchlecht in der Picarbie, ift geb. zu Nantes den 7. Nov. 1767. 
war dem Studium der Wiffenfchaften und Künfte, beſonders ber ' 
met; ihr fchönes Lied „‚Bonton de Rose” wurde in Deutfchland u 
viel gefungen. 1789 heirathete fie den Chirurgus Pipelet, begab ſich 
Daris und ſchrieb hier eine lyriſche Kragsdie in 3 Acten „Sappho”, 
100 Mal aufgeführt worden iſt. Ihre „Epitre aux femmes‘, da 
netſte, was fie in diefer Gattung leiftete, ward mit Enthuſiasmus au 
die „Poesies fugitives’', welche fie in Zeitfchriften erfcheinen ließ, fint 

Als fih Mad. Pipelet 1803 mit dem 1816 in den Fürftenftand erho 
Joſeph v. Salm⸗Dyk (geb. 1773, der fi) von feiner erften Gemahli 
fin von Hatzfeld, 1801 hatte fcheiden laffen) vermählte, ließ fie unte 
Namen mehre „Eloges‘ und „Discours dcademiques” erfcheinen, 
„Eloge de Lalande”, welche auf des Gefeierten Wunſch entflande 
jeihnumg verdient. Außerdem gab fie noch eine große Auswahl von 
3.3. „Sur la condition des femmes‘' und „Sur les fleurs artifieie 
In ihrem 2 Mal aufgelegten Roman in Briefen: „Vingt-quatre' 
femme sensible”, hat fie ein glänzendes Darftelungstalent bewiefen. 
lung ihrer Gedichte, „Poenies de la princesse C. de Salm‘', von dı 
in Muſik gefegt hat, erfchien 1817. Gegenwärtig befchäftigt fie 
volftändigen Ausgabe ihrer Werke, bie fich größtentheilß durch Gedar 
und energifhen Styl empfehlen. Die Zürftin ift Mitglied verfchied 
Gefellfchaften und Akademien, auch des Atheneums der Künfte, w 
intereffante Abhandlungen vorträgt. Ihr Gemahl beſchaͤftigt fich x 
fung eines botan. Werks. Bei feinem Schloffe zu Dyk, in ber pı 
Kieve:Berg, hat er einen trefflihen botan. Garten angelegt. 

Salm:Kyrburg GEriedrich IV., Emft Otto, Fuͤrſt v.), € 
ften Friedrich und einer Prinzeſſin von Hohenzollern, iſt geb. zu Part 
1789. Als er, 5 Jahre alt, feinen Vater d. 23. Juli 1794 burd I 
unter Robespierre's Schrediendregierung verloren hatte, erzog ihn ſ. J 
ftin von Hohenzollern- Sigmaringen. Alte in Frankreich gelegene Guͤt 
Prinzen wurben eingezogen, und f. kleines Fuͤrſtenthum an den Ufer 
mit der Republik vereinigt. Im Frieden von Luneville erhielt bie F& 
benzollern für ihren Neffen eine fouveraine Herefchaft im Münfterfd 
den franz. Dienft beftimmt, ging der Prinz 1806 auf die Milltairſchul⸗ 
bleau. Die Siege Napoleons entlammaten (eine Dhantafle: er ver 


Salmafius 605 


eimlich und zwang dann feinen Gouverneur, ihn nad) Polen zu begleiten, 
das Hauptquartier der großen Armee befand. Zum Souslieutenant bes 
farenzegiments und bald darauf zum Orbonnanzofficier bes Kaiſers ernannt, 
ber Prinz dem Feldzuge von 1807 bei und feine erſten Waffenthaten vers 
ihm Ruf. In Portugal unter Junot vertrauete man ihm die ſchwierig⸗ 
pebitionen; fein Verhaͤltniß in Mabrid, während des Aufftandes 1808, 
e ihn mit Gefahren, welchen er durch ein halbes Wunder entging. Bald 
mpfing er im Schloffe Marac bei Bayonne von Napoleon den Befehl, ſich 
* Reille ae begeben und einen geh. Bericht deffelben ficher in die Hand des 
überliefem. Der Prinz erhielt die Depefche, aber nur eine Bedeckung 
Bleitern. Kaum war er 4 Meilen von Figueras, als ihn eine zahlreiche 
von Miquelets umringte. Nach lebhaften Widerſtande fiel er, von einer 
stzoffen ; aber in demfelben Augenblid® zerriß er die wichtige Depefche mit 
und verbarg bie Beinen Stuͤcke unter Kiefelfteinen. Rad) Tarragona 
et, wurde er 9 Donate in harter Gefangenfchaft gehalten und war nicht 
B Befahr, ein Opfer der Volkswuth zu werben, meil man in ihm, als 
: von Spanien 1. Glaffe, einen Hochverräther erblidte. Auf fein Ehren- 
Iich Frankreich 'entlaffen, erhielt er von Napoleon Befehl, ſich zur Armee 
land zu begeben; er befand fich in der Schlacht bei Wagram und ging 
als Commanbeur bed 14. Chaffeurregiments nad) Italien. — Napos 
dem Prinzen fehr gewogen; bekannt mit feiner Unbeftändigkeit in ber 
gte er ihn oft zu fragen: „Eh bien, prince, sommes-nous sagen ga — 
antwortete einft der Prinz: „Sinous sommes sages! eh mais, Sire, 
nds que de moi”. — Während aber der Prinz fein ganzes Leben dem 
Frankreichs widmete, nahm ihm Napoleon durch einen Sederftrich das 
kenthum Salm, um es feinem Reiche einzuverleiben. Gegenwärtig bat 
j den Dienſt verlaffen und lebt abwechfelnd bald in Deutfchland auf feinem 
pi Aahaus (in der preuß. Provinz Weftfalen), bald in Frankreich. Seit 
er mit Caͤtilie, geb. v. Bordeaux, vermählt. Durch den Vertrag vom 5. 
trat er feinen Antheil an den Ämtern Bocholt und Aahaus an das Haus 
Am ab. Er befist nun noch das Fuͤrſtenth. Hornes und die Herrfchaften 
xk und Bortel, die mit der Nente von Salm⸗Salm gegen 200,000 St. 



















lmaſius (Claudius), eigentlich Claude de Saumaife, berühmt durch 
und weitumfaflende Gelehrſamkeit, geb. zu Semur en Aurois (jest Des 
‚Göte d’or) 1588. Sein Water, der eine angefehene Magiſtratsperſon 
ich ein gelehrter Mann war, unterrichtete ihn felbft in den alten Spra⸗ 
ſchickte ihn nach Paris, um dort Philofaphie zu ſtudiren. Wie fehr feine 
# feinem Alter vorausgeeilt waren, beweift feine Ausgabe des Florus, 
509 erſchien und nach feiner Berficherung ſchon einige Sabre vorher bear⸗ 
. 1606 ging er nady Heidelberg, um unter bem großen Gothofredus die 
hrſamkeit zu ſtudiren. Die dortige reiche Univerfitätsbibliothet gab ihm 
Feit, feine Lernbegierde durch den Gebrauch berfelben zu befriedigen und 
J die Herausgabe gelehrter Arbeiten Ruhm zu erwerben. Als er 1610 

kreich zuruͤckkehrte, trat er als Anwalt in die gerichtliche Laufbahn, wid⸗ 

aber bald ganz der eigentlichen Gelehrſamkeit. Kritifche Acbeiten und ges 
Arsitigkeiten füliten fein folgendes Leben aus. Won f. Mutter, einer Cal: 
war er früh der proteftantifchen Glaubenslehre geneigt geworben; auch 
er 1623 die Tochter eines angefehenen Proteftanten. Einige Jahre ſpaͤ⸗ 
er eine Zeit lang auf dem Landhauſe f. Schwiegervater® bei Paris, mo er 
Arbeiten über den Plinius und Solinus endigte. 1629 wünfchte f. Va: 
mt auf ihn zu Übertragen; auch machte das Parlament von Dijon keine 


606 Salmit Salomo 


Schwierigkeiten, obgleich ter Sohn fich Sffentlid zum Galsiniemus 

aber der Siegelbemahrer Martllac weigerte fi, die Urkunde zu vollzie 
Einladungen der Univerfitäten Padua und Bologna lehnte er ab; bagege 
1631 einem Rufe nach Zeyden, um die Ehrenprofeffur einzunehmen, n 
Scaliger bei diefer Univerfität gehabt hatte. Nachdem er hier einige Zeit 
bielt er bei einem Befuche In Frankreich den Staatsrathötitel und den St. 
orden. Seine Freunde machten mehre Verfuche, ihn in Frankreich zu 
der Cardinal Richelieu, wie man fagt, bot ihm einen anfehnlichen Jahr 
ter der Bedingung an, die Geſchichte f. Minifteriums zu fchreiben. Er: 
das Anerbieten aus. 1644 erhielt er Dennoch einen Penfionsbrief von! 
von Frankreich, doc) bleibt es zweifelhaft, ob ihm je Darauf etwas gezab 
Der verbannte König von England, Kart II., bewog ihn, 1649 eine 1 
für f. Water zu ſchreiben. Diefe „„Defensio regia pro Carolo I.” ma: 
Auffehen, daß das Parlament durch Milton eine dußerft heftige Antn 
abfaffen ließ („Defenaio pro populo Anglicano”), die &. um fo uͤblen 
als auch f. republikan. Beſchuͤtzer In Holland den Eifer mißbilligten, we 
Königthum vertheibigte. Unter dieſen Umftinden folgte er 1650 ger 
genden Einladungen der Königin Chriftine, Schweden zu befudyen. 3 
dieſes Landes war aber ſ. Geſundheit nachthellig; er ging über Dänema 
der König fehr ehrenvoll aufnahm, 1651 nad) Holland zuruͤck, und 
1653 in die Bäder von Spaa, wo er, ſtatt Genefung, im Sept. f. 

Er warb zu Maftricht begraben. — Go fhonungelos grob er In f. lite 
tigleiten war, fo fanft und leutfelig war er inf. Haufe, wo er ganz unte 
(haft f. Srau fland. Bon f. zahleeihen Werken find die wichtigften: , 
excreitationes in Solinum’’ und die Ausgabe ber „Seriptores histor 
stac”, ferner „De mutuo”, „De modo usurarum”, „De foenor: 
tico”, „De re militari Romanorum”, „De re hellenistica”, „O 
nes in jus atticum et romanum epistolae ete.“ Alle zeugen von ſ. 
ebenfo tiefen als umfaffenden Gelehrfamkeit, weniger von f. Geſchme 
theil. Diefe Gelehrfamkeit, unterflügt durch ein wunderbares Gedaͤd 
ungeheuer; außer den claffifchen und vielen neueren Sprachen verftand « 
chaldaͤiſch, arabiſch, perfifch, kophtiſch ıc. Er arbeitete mit berounden 
Leichtigkeit und Schnelligkeit, ohne weiter die Feile zu gebrauchen. Ui 
genoflen hatte er fich durch f. Ausfälle viele Seinde gemacht; aber die ı 
Maͤnmer erkannten in ihm ihren Meifter. 

Salmiak, ein farbelofes, oder graues, gelbes, ſelbſt ſchwarj 
durchfichtiges, glasglaͤnzendes Salz, welches in Würfeln und Oktacd 
liſirt vorkommt, mufcheligen Bruch und 1, 8faches fpecififcdhes Gewicht 
iſt und aus Ammoniak, Salzſaͤure und Waſſer beſteht. Er ſchmeckt fl 
noͤs und verfluͤchtigt ſich im Feuer. Er findet ſich in kugeligen, traut 
foͤrmigen und tropfſteinartigen Geſtalten, als rindenartiger Überzug un 
artiger Beſchlag, zumal als Sublimat in der Naͤhe der Krater thaͤtig 
und brennender Steinktohlenflöge: am Veſuv, Atna, auf den liparifd 
In Auvergne, in der Zatarei, zu Nemcaftle In England, bei Luͤttich. 
im Handel vortommende Salmiak wird jedoch auf kuͤnſtlichem Wege au 
mift, Knochen u. a. thierifchen Abfällen dargeſtellt. Er dient bei dem 
und Loͤthen der Metalle, beim Schmelzen des Goldes, bei ber Bereitu 
nigswaſſers, als Beige des Schnupftabads, in der Särberei und 


off. 
Salomo, Davids Sohn von ber Bathfeba, und, auf deren Fi 
Zurüdfegung f. aͤltern Brüder, Erbe des Throne der Hebräer, genofı 
ner langen friedlichen Regierung, 1015 — 975 v. Chr., die Früchte 


Salomo 607 


Vaters. Das Gefühl f. Majeftät brachte er aus einer mit koͤnigl. Glanz 
enen Jugend, und die Weisheit, die ihm nachgerähmt wird, aus bem Uns 
te der Erfahrungen Davids und der Welfen f. Hofes mit auf den Thron, den 
»h Juͤngling, mit der Strenge und Kälte eines oriental. Monarchen eins 
Um ihn zu befefligen, ließ er f. Bruder Adonai und einige mißvergnuͤgte 
des Reichs tödten und knuͤpfte polit. Verbindungen mit auswaͤrt. Königen 
In f. treffenden richterlihen Urtheilen, wie durch die Vervollkommnung der 
iſchen Staatseinrichtungen, zeigte er eine Überlegenheit des Verſtandes, bie 
Hrfurcht bei dem Volke erwarb. Durch den Bau des Tempels, deffen 
Pracht und Schönheit Alles übertraf, was man bisher von Werken ber 
unft gefeben hatte, gab er dem Sottesdienfte der Hebräer einen Glanz, der 
ı nexem an Ihre Nationälheiligthämer feffeln follte. Der Reichthum, den 
sch klugen Gebrauch der erexbten Schäge, duty Gewinn im Handel, mobel 
Hebraͤer zuerft mit dee Schifffahrt bekanntmachte, durch genauere Benutzung 
eigl. Einkünfte, die er durch 12 Statthalter eintreiben ließ, und durch Ver⸗ 
mg der Abgaben an ſich zu ziehen mußte, machte Ihm diefen und andre Baue 
Datäften, Etxädten und Feftungen und den Aufwand einer uͤppigen Hofhals 
möglich, wodurch auf der einen Seite der Mohlftand des Volks gehoben, die 
a der Künfte befördert und die Bildung gefleigert, auf der andern Seite aber 
6 Beifpiel eines verberblichen Luxus gegeben und eine allmaͤlige Entfernung 
urfprünglihen Strenge des Moſaismus vorbereitet wısrde. — Die Bes 
rung der Weisheit und koͤnigl. Herrlichkeit S.'s, bie ihm neben dem nun 
a Zufluffe von Fremden zu f. Hauptftadt auch den Beſuch einer Königin 
Baba (Athiopien) verfchaffte, konnte einige Stimmen des Mißvergnügene 
ben; f. Gerechtigkeit erhielt ihm die Achtung ded Volks, und gegen das 
n der von ihm zu regelmäßigen Frohndienſten gensthigten heibnifchen Voͤl⸗ 
Fine David dem hebräifchen Reiche unterworfen hatte, ſtand ihm ein Kriegs: 
Gebote, das 12,000 auf ägyptifche Art gerüftete Reiter und 1400 Streits 
zaͤhlte. Auch fchien das Stück diefen großen König lange zu begünftigen, 
ifenelitifhe Volk im Benuffe feines Wohllebene faum zu bemerken, daß 
Br mehr deöpotifch regierte. Wider das mofuifche Geſetz erlaubte fih ©. 
kahme ausländ. Weiber in f. zahlreichen Harem und war aus Riche zu die⸗ 
bern im Alter ſchwach genug, ihnen freie Übung ihres Gögendienftes zu 
und felbft daran Theil zu nehmen. Dennoch Eonnten die Widerfacher, 
gegen das Ende f. Lebens nad) dem Throne firebten, wider feine befeftigte 
faicht8 ausrichten. Erſt nach f. Tode brady die Unzufriedenheit des Volks in 
mpörung aus, und fein unmürbiger Sohn, Rehabeam, vermochte bie 
des Reichs nicht zu hindern. Die 40jähr. Regierung S.'s, die er 
fee und unruͤhmlicher endete, als er fie begann, wird dennoch wegen ihres 
Bund ihrer gluͤcklichen Ruhe von den Sfraeliten noch immer als einer der 
Achtpunkte In ihrer Gefchichte gepriefen, und das ganze Morgeniand fieht 
ine goldene Zeit, deren Bilder die oriental. Poefie an den ins Unermeliche 
sten Ruf der Figenfchaften dieſes Königreiche antnüpft. In ber That ges 
BD. mehr dem geſammten Orient als f. Volke an. Seine Denktungsart war 
Bet, als einem Hebraͤer geziemte. — In dem Schriften, die die Bibel unter f. 
ehthäte, und die, wenn auch ihre Aufammenfegung einer viel fpätern Zeit zus 
Achti wird, inihrem Grundſtoffe doch unftreitig falomonifchen Urſprungs find, 
ea philoſoph. Geiſt, der ſich über die Einſeitigkeit der hebr. Nationalität zu 
gerlichen Anfichten erhoben hat. Seine „Spruͤchwoͤrter“ (Mefchalim, Gno⸗ 
Benterizen, Überfeßt von Döberlein und Ziegler) find reich an ſcharfſinnigen, 
Sprüchen, f. „Prediger (Kohelet, Verſammlung der Weifen, überf. von 
Bohn, Sriedländer, Kleuker, Schmidt, Nachtigall u. A.) erinnert ante 





















608. Salonichi Salpeter 


Philoſophie, welche ſich geiſtreiche Große und Weltleute ins Überbruf 
uͤppigen Lebensgenuſſes aus dem Schatze ihrer Erfahrungen endlich 
gen. Sie lehrte: da nichts beſtaͤndig iſt, ſo eile zu genießen, und de 
als den Quell aller Weisheit Hin. Dagegen druͤckt das Hohelied 
Haſchſchixim) die ganze Glut und Suͤßigkeit einer bräutlichen Liebe 
fei es aud) das Werk eines fpätern Dichters, doch im Geiſte S.'s d 
lich er in der Liebe war. Daher ift S.'s Weisheit und f. Gluͤck bei 
ſprichwoͤrtlich, und die Märchen der Nabbinen, die Helden» und 
der Perfer und Araber feiern ihn, wie die romantiſchen Sagen der N 
Briten den König Arthus, als einen fabelhaften König, deffen in d 
gerühmte Kenntniß der Natur, deffen Reichthum an Sinnfprüchen : 
defien Herrlichkeit und Macht in ihren Darftefungen zu Zauberei 
wird. — Der Siegelting S.'s war nad) diefen Dichtungen der T 
Weisheit und Zauberkraft, und hat, wie ber Salomonifche Tempe 
heimniffen der Freimaurerei und Mofenkreuzerei hohe ſymboliſch 
Über Das, was die Rabbinen von diefem Wunderkönige gefabelt habı 
rioſitaͤten (4. Bb.). 

Salonichi (Theſſalonich), in Macebonien, naͤchſt Konfl 
wichtigfte Handelsſtadt in der europ. Türkei, ift mit hohen Mauern ı 
werfen umgeben, liegt am Ende des bucch viele Anfchwemmungen 
worbdenen thermäifchen Meerbufens, an dem fleilen Abhange des B 
in der Geftalt eines Dreiecks, zeichnet ſich vor andern türf. Städte 
lichkeit aus und enthält 10 große und mehre Beinere Mofcheen, 
70,000 Einw., barunter 10,000 Griechen und 23,000 Suben, mw 
Häufer bewohnen und hier eine hohe Schule, Hora genannt, mit 20: 
1000 Schülern haben. Die Häufer find im tuͤrk. Style erbaut u 
befinden fich in dem untern Theile der Stadt. Die vorzuglichflen M 
ehemalige, der heil. Sophia und dem heil. Demetrius geweihete, g 
In der Iegtern zählt man 360 Säulen, melde das Dad) und 2 © 
Auch befinden ſich hier einige griech. Kirchen, ein griech. Metropolit, 
Kiöfter und eine Lathol. Kirche. Die Stadt ift der Sig eines Paſck 
fchweifen. Der fihere Hafen kann 300 Schiffe faffen. Won ben 
men verfehenen Gaftelle, welches die Stadt beherrfcht, hat man el 
Ausficht auf den ganzen Meerbuſen, die Stadt, die unabfehbare E 
niens und die fie durchſchlaͤngelnden Fluͤſſe. Nordwaͤtts von diefer @ 
eine hohe Bergkette, jegt Zerolivado genannt. Man findet in und 
Stadt viele Alterthuͤmer mit Infchriften. Seit d. 17. Jahrh. mc 
liener, Engländer, Deutſche, beſonders aber Sranzofen, bedeuten 
ſchaͤfte. Schweden, Dänemark, Holland, Rußland und Neape 
Conſuln dafelbft, aber ihr Handel iſt minder bedeutend; doch ware 
Geſchaͤfte mit Samımet, Seide und Pelzen vor kurzem wichtig. 3 
Tuͤrkiſchroth⸗Faͤrbereien, Teppich, Baummollen:, Seiden-, Tud 
u. a. Manufacturen. 

Salpeter, ein Salz, welches farblos, glasglaͤnzend, in | 
ducchfichtig iſt und in meift Ianggeftredten ftrahligen, rhombiſchen 
ſtalliſirt vorkommt. Der Bruch ift muſchlig, die Härte iſt gleich dei 
das fpecififche Gewiht — 1,9. Er befteht aus Kali und Salpeterſo 
bitter-kuͤhlend, ift beftändig an der Luft und verpufft auf glühenden 
der Natur kommt er in ziemlicher, doch nur oberflädhlicher Verbreitu 
merkwuͤrdigſten Fundorte find Pulo di Molfetta in Calabrien, bie & 
von Latera und Syrakus, die 22 Höhlen auf Ceylon, mehre Ranbfle 
nien®, Indiens, Chinas, einige Binnenwuͤſten Afrikas und bie Uı 


Salpeterfäure Saluzzo 609 


in Südamerifa. In Oberungam findet er fich in Quellwaſſern; übrigens 
ex ſich überall, wo thierifche und vegetabilifche Stoffe langſam verwefen, zu⸗ 
venn fie mit Kalkmergel vermengt find, und hierauf beruht bie kuͤnſtliche Fa⸗ 
ion des Salpeters in den Salpeterplantagen. Bevor er jedoch in den Hans 
immt, bedarf er noch einer Läuterung und Umkryſtalliſirung. Beſonders 
R der oſtindiſche Salpeter; es werben davon jährlich an 10 Mid. Pfund 
Europa gebradht. Die Hauptbenugung iſt die zu. Schiepulver,, in deſſen 
ſung er nad Maßgabe der Feinheit (Sprengpulver, Ranonenpulver, Jagb⸗ 
) zu 65, 70 und 78 Proc. eingeht. Ein zweiter wichtiger Gebrauch des Sal⸗ 
findet bei der Bereitung ber Salpeterfäure ober des Scheidewaſſers ftatt; 
Nent er als Schmelzmittel, als Reinigungsmittel der edlen Metalle, als Arz⸗ 
ttel, zum Einpödeln ıc. H. 
Salpeterfäure, diejenige Säure, welche durch ihre Verbindung m 
ven Salpeter bildet, fie wird aus dieſem gemöhnlich durch Aufguß von Schwe⸗ 
se, welche ſich dann vermittelft näherer Verwandtſchaft des Kalis bemaͤchti⸗ 
nd die Salpeterfäure freiläßt, ausgefchieben. Man hat fie von fehr verfchies 
Beichaffenheit. Die gelbe bampfende Säure heißt Spiritus nitri fumans; 
on mit Waffer verbünnte weiße wird Scheibewaffer genannt. Diefe muß, 
Rereinift, Silber und Blei klar und ohne Ruͤckſtand auflöfn. Dit ein Drittel 
Rute vermifcht, gibt fie das Goldſcheidewaſſer, Koͤnigswaſſer oder Aqua regis. 
mh Chemie und Scheidewaffer) _ 
Salt (Heinrich), engl. Beneralconful in Ägypten, Mitglied der londner 
wät und Gorrefp. des Inftituts von Frankreich, geb. zu Lichtfielb, begleitete 
ed Valentin (jegt Graf v. Mountmorris) auf feinen Reifen in Oftindien, 
und Abyffinien und leiftete ihm als Beobachter und Zeichner große 
.Ihm verdankt man die Entdeckung der berühmten Infchrift von Axum 
genaue Befchreibung der Denkmäler diefer alten Hauptfladt Athiopiene. 
S. nicht verborgen bleiben, daß eine Handeldverbindung mit ben Küs 
Abpſſiniens für England große Vortheile darbiete; er ging nach Lon⸗ 
zeugte die Regierung von der Ausführbarkeit eines folchen Unternehmens, 
von ihr mit einer Sendung an ben Beherrſcher von Abpffinien beauftragt, 
e im Mär; 1809 mit einem reichbelabenen Schiffe nach Afrika. Nicht 
wierigkeit eröffnete ex bei feiner Ankunft zu Maſſuah einige Verbindun⸗ 
gelang e8 ihm nicht, einen förmlicdhen Hanbelstractat abzuſchließen, doch 
er viele neue Beobachtungen, die für Handel und Wiſſenſchaft gleich wich⸗ 
umd zum Theil frühere, biöher in Zweifel gezogene Berichte bes beruͤhm⸗ 
enden Bruce beflätigten. In Ägppten hat er feit 1817 durch Ausgrabuns 
ve Tempel, Gräber und andre Löftliche Denkmäler des alten Theben and 
acht. ©. Hefchäftigte fich mit einem großen Werke uͤber Ägypten und ges 
ausgezeichneten Achtung des Vicekoͤnigs Mohammed : Ali, ald er ben JO. 
auf e. Dorfe zwifchen Kairo und Aterandrien flarb. — Er gab heraus: 
ten von Indien, dem rothen Deere und Abyfjinien‘‘ (1809); und 1814 
Balfe Durch das Innere von Abpffinien in den 3. 1809 und 1810”. 
Saltarello, ein, beflimmter Rhythmus, dem bie Staliener bei jes 
Menden Selegenheileine befondere Melodie und einen befondern Zert uns 


Saluzzo, eins der aͤlteſten Gefchlechter Italiens, berühmt in der Ges 
u des lalters, blüht gegenwärtig in Frankreich, Neapel und Öftreich. 
Wurf Giacomo, geb. 1786, und in zweiter Ehe 1812 mit Clotilde Murat 
Die, iſt Herzog von Corigliano und Prinz von S.:Maure. Sein Bruder 
190, geb. 1788, iſt Marſchall in k. ficitian. Dienflen. Das Haus hat feinen 
za von ber ehemal. Markgrafſchaft Saluzzo (franz. Saluces) , die bit ins 16. 
ne. Girkente Aufl, 88, IX. 39 


610 Salvandy 


Jahrh. ihre eignen Markgrafen hatte, nad) deren Abgang ber Befig! 
Dauphine und an Nizza grenzenden Provinz zwifchen dem Könige von 
und dem Haufe Savoyen lange ftreitig blieb. Endlich gelangte Sad 
durch Tauſch gegen Breſſe und Bugey, die fonft Savoyen gehörten, 5 
Befige von Saluzzo, das feitdem eine Prov. des Fürftenth. Piemont i 
36 IM. 127,000 €. zählt. Die Hauptft. Saluzzo, nicht weit vom Po, 
E., viele Fabriken und Handel mit der Lombardei. — In der Lite 
iſt der Marq. Siufeppe Angelov. Saluszo (de Saluces), geb. 17: 
Er war vor ber Vereinigung Piemonts mit Frankreich k. fardin. Gent 
leon ernannte ihn zum Kanzler der 16. Cohorte der Ehrenlegion und zu 
der Claſſe der phyſik. und mathemat. Wiffenfchaft in der Akademie zu 
gab nebft Laplace und Cigna die an nüglichen Entdedungen und gele 
achtungen reichhaltigen „Melanges de l’Academie de Turin’’ herauf 
zu Zurin 1810. 

Salvandy (Nareiffe Achilfe v.), ein Schriftfteller von Ruf, | 
Politik und des Romans, geb. zu Sondom, im Depart. du Gers, d 
1795, ftudirte im Lycee Napoleon (jegt College de Henri IV), die 
williger 1813 und 1814, wurde bei Brienne verwundet, ımd flieg durc 
Muth bi8 zum Adjutantmajor. Den 6. April 1814 gab ihm Napo 
tainebleau das Kreuz der Ehrenlegion. Nach der Reftauration bei den fı 
truppen angeftellt, begleitete er im März 1815 die Prinzen an die Gi 
der Mieberlage bei Waterloo fehrieb er „Sur la necessite de ze ralli 
Seine mit außerordentlichem Sreimuthe und gut gefchriebene Stuyfchrif 
lition et la France” (1816), follte auf die Befchwerde der fremden C 
ten, die fogar die Verhaftung des Verf. verlangten, unterdrückt werden 
ſtellte fidy unter den Echug des Geſetzes, und die Gefandtichaften d 

"weiter auf gerichtliche Beſtrafung. Indeß gab der junge Salvandy 
pitain und Adjutantmajor in einer Legion) den hoͤhern Ruͤckſichter 
welche ihn die Minifter aufmerkfam machten; er fchwieg ſeitdem unt 
als Maitre des requätes im Staatörathe angeſtellt. Als Barthelemp | 
kammer bie Abänderung des Wahlgeſetzes vorfchlug, fhilderte H. 
„Vues politiques” die Abfihten und Hülfsmittel der verfchiedenen 
richtiger Urtheilskraft. Als hierauf bie Regierung 1820 denfelben PI 
ſchrieb er, feiner Überzeugung allein folgend, ohne Rüdficht auf feiı 
„Sur les dangers de la situation presente”. Dadurch verlor er Amtı 
Er machte nun eine Reife nad Spanien, heirathete die Tochter des 
kampf (f. d.), lehnte alie Anträge ab, bie ihm von Seiten der Dir 
wurden, weil feine Überzeugung damit nicht uͤbereinſtimmte, und le 
gig der Literatur. ine Frucht diefer Muße ift fein Halbroman: „I 
‘ou l’Espagne” (1824, 4 Bde.), ein Gemälde der Halbinfel, das d 
und Publiciften mehr befriedigt als die Kunſtkritik, obgleich kraͤftig 
gen, tief eindringende Bemerkungen, eine edle Sefinnung und wahre 2 
diefen biftorifhen Roman empfehlen. Darauf erfchien f. „Jalaor, 
ehretien‘‘ (Paris, 1824), der die Gefchichte eines Tgibunen erzähle, 
ter Julians Regierung, weil er ein Chrift ift, das Fer verlafſen ms 
Gallien ſich flüchtet. Mit politifcher Begeifterung und feftemconftitutic 
rakter hat-fih ©. auch Uber wichtige Angelegenheiten feiner Zeit au 
$. B. in der gegen bie Genfur gerichteten Flugſchrift: „Le ministöre et 
in den Schriften „Le nouveau regne et l’ancien ministere”; „Dup 
dre envers l’Espagne” und in mehren Auffigen im „Journ. des de 
mehr Ruhe und Haltung kann diefer geiftvolle Schriftfteller Fünftig ı 
zeichneten Rang in ber frany. Kitsratur behaupten. 


Salvator Rofa Salz 611 


Salvator Rofa, f. Rofa (Salvator). 

Salvegarde ift der von einem Kriegsbefehlshaber einem Orte, einem 
mfe oder einer einzelnen Perſon zur Sicherung vor Pluͤnderungen und Mißhand⸗ 
gen ertheilte Schusfchein. Auch die Wache, welche zu jenem Zwed gegeben 
d, heißt Salvegarde (Schutzwache), und trägt ben fchriftlichen Befehl des Se: 
aie u. f. vo. zu ihrer Beglaubigung bei fih. Auf die Verlegung der Salvegarde 
R die Todesſtrafe. Wenn feindliche Truppen einen Ort einnehmen, wo die 
Boegarden ſich befinden, fo werden letztere nicht zu Kriegsgefangenen gemacht, 
bern frei fortgefchidt. An manchen Orten nennt man auch eine Art von Polls 
sache, die zur Wegſchaffung von Bettlern gebraucht wird, Salvegarden. 

Salvi (Giambattifte), f. Saffoferato. 

Salvıs Conductus, fiheres Gelelt, die Zufage, daß Jemand gegen - 
ſoͤnliche Unahnehmiichkeit, Verhaftung und Verantwortung frei fein Tolle, 
He in verfchiedenen Verhältniffen, 53. B. in Kriegezeiten, einem ausgetretenen 
ſchſelſchuldner, befonders in Criminalſachen ertheilt zu werben pflegt, um einem 
peflagten die Möglichkeit zu geben, ſich perfönlich zur Verantwortung einzufins 
\ Das fichere Geleit ift daher keineswegs ein Mittel, des Verbrechers habhaft 
werden, fondern dient bloß dem Angefchuldigten, fi) ohne die gewöhnlichen 
Htheile des Anklageſtandes zu rechtfertigen. Die gewoͤhnlichen Fälle find daher, 
In derfelbe behauptet, daß ein Criminalverfahren gegen ihn nicht ſtattfinde, 3.8. 
in er feine Unſchuld, trog des gegen ihn fprechenden Verdachts, auszuführen 
‚ etwa durch den Beweis eines Alibi, oder der Nothmehr, oder wenn er aus⸗ 
will, daß bie von ihm begangene Hamblung gar nicht oder doch nur in ges 

Maße ftrafbar fei u. dgl. In folhen Fällen wird ficheres Geleit gegeben 
fo lange: „bis etwas Peinliches gegen den Angeſchuldigten erlannt werde“, 
bis feine Einreden durch richterliches Urtheil verworfen worden find. Zuweilen 
auch wol das ſichere Geleit auf eine gewiſſe Zeit gegeben, damit der Ange⸗ 
ſich ſtellen, danfı aber wieder feine Sicherheit ſuchen koͤnne. Ein ſolches Ges 
lelt Johann Huß von Kaiſer Sigismund zum Erſcheinen vor dem Conci⸗ 
zu Konſtanz, und Luther zur Verantwortung vor dem Reichötage zu Worms. 
V. hielt es, trog aller Zudringlichkeit der Geiftlichen, aber Sigismund ließ 

fanatifche Priefter zum Bruch feines Worts verführen. 37. 
"Salz, im Allgemeinen eine Zufammenfegung beftimmter Verhaͤltniſſe Säure 
Alkali, einer Erde, oder einem Metallornde. Sind die Verhältniffe ber 
dtheile fo, daß die aus der Zufammenfegung hervorgehende Subſtanz bie 
bed Lackmuspapiers oder eines Rothkohlaufguſſes nicht verändert, fo nennt 
fie ein Neutralfalz. Herrſcht aber bie Säure vor, was man aus dem 

erben des Lackmuspapiers und des Kohlaufguffes erkennt, fo heißt das Bat; 
aures. Iſt hingegen die Säure nicht im Überfchuß vorhanden, ja nicht ein 
in binlängliher Quantität, um die alkaliſchen Eigenfchaften der Grundlage 
firen, fo nennt man das Salz bafifhfauer. Jedoch ift diefe Mei⸗ 
von den Salzen nad) den neuern Anfichten der Chemiker etiwa® modificirt. 
«ögemeinften Charaktere der Salze find folgende: Die meiften Iöfen ſich in 
auf und kryſtalliſiren daraus wieder, jedes in feiner Ihm eigenthümlichen 
gen Geftalt. Einige zerfallen an der Luft zu Pulver, fobald die warme 
trockene Luft mehr Verwandtfchaft zum Kryſtallwaſſer hat ale das Salz; im 
I gerfließen fie. Einige find im euer flüchtig und werben deshalb flüchs 
Salze genannt, zum Unterfchiede von ben feuerbeftändigen. Über dem euer 
die meiften in ihrem Kryſtalliſationswaſſer, fobald dieſes aber durch bie 
je verdunſtet iſt, trocknet das Salz ein, und nur verftärktes Keuer kann es zur 
en Schmelzung bringen. — Die Salze find übrigens ſowol als Heilmits 

als auch in den Künften und Gewerben von ausgebreitetem Nupen, Die van: 

39 * 



















618 Salz 


würdigften Salze find unter den betreffenden Artikeln befchrieben worben. 
wähnen bier nur des Koch ſalzes, Im gemeinen Leben Salz genaunt. 
farblos oder grau, gelb, fleiſchroth, feltener violett und blaw gefärbt, hat fe 
Glasglanz, ift durchſichtig und findet ſich kryſtalliſirt in Wuͤrfeln, derb, 
ſtaudenfoͤrmig und tropfſteinartig. Der Bruch iſt muſchlig; es iſt fprdt 
und das ſpecif. Gewicht — 2, 2 — 2,3. Es beſteht aus Ehlot und! 
loͤſt ſich im dreifachen Gewichte kalten und ſiedenden Waſſers auf, und} 
kannten, reinſalzigen Geſchmack. Dan unterfheibet 4 Dauptarten ' 
kommens: 1) als feſtes Mineral im Schoße der Gebirge, Steinſalz; 
fo als oberflaͤchliche Ausbiühung, Steppenfalz; 3) aufgelöft in de 
fern des Dceans und mancher Seen, Seefalz; 4) aufgelöft in vielen 
Quellſalz. Das Steinfalz findet ſich theils in großen Maſſen, tbei 
fern und Adern, theils grob und fein eingefprengt in dem fogen. Galıth, 
Berühmt find die mächtigen Salzſtoͤcke von Wieliczka und Bochnia in 
von Cardona in Spanien, von Northwich in England. Dier wird das 
durch ordentliche Bergarbeit gewonnen. In Zicol und im öftreich. Sal 
gute dagegen findet ſich dad Salz mehr eingefprengt und wird durch Aı 
gewonnen. (S. Berchtesg aden und Reihenhall) — Das € 
bildet in großer Menge ununterbrochene, kryſtalliniſch⸗ Eörnige Überzi 
Landftriche, der fogen. Salsfteppen oder Salzwüften, und ſcheint ſich d 
biühung aus dem mit Salztheilen geſchwaͤngerten Boden zu bilden, if 
jeden Fall das Reſiduum ehemaliger Meeresbebedung. Der Norbabfal 
kaniſchen Hochlandes, die Steppen Mittelafiens und jene von Peru und 
vorzüglich berühmt. — Das Meerfalz ift nicht rein, fondern mit falzfı 
gnefia und fchwefelfaurem Kalke gemengt, weshalb ed gewöhnlich erſt ger 
ben muß. Dan befördert feine Bildung im Großen, indem man Mee 
fehr hohen Sluthen in flachen Baffins (Salygärten) auffängt und fpenı 
Wind und, Sonne bie allmälige Verdampfung des Waffers bewirken. 
Quellſalz findet ſich aufgelöft in Salzquellen, welche meift im Gebiete, 
in der Nähe der durch Steinfalz ausgezeichneten Gebirgeformationen fp 
deshalb mit großer Wahrfcheinlichkeit auf ihre Entftehung fchließen laſſer 
ten nämlich urſpruͤnglich reines Waffer, und Iöfen nur bei ihrem Durchg 
Steinfalzlager mehr oder weniger Salz auf. Dergleichen ſalzhaltige We 
Salzfoolen, die Quellen felbft Soolquellen. Da diefe Gag 
weit häufiger find als Salzftöde oder Salzlager, fo if die Zugutemachun 
len oder die Darftellung des Quelfalzes die wichtigfte Aufgabe ber Hals 
Salzwerkskunde; eine Aufgabe, welche einestheils durch Concentration 
dirung (f. d.), anderntheils durch Verſiedung geloͤſt wird. Diefe € 
geſchieht in vieredigen, 10 — 16 Ellen langen, 6 — 10 Ellen brei 
Ellen tiefen Pfannen von Eiſenblech mit Steintohlens, Torfs oder Holzfi 
in einem Siedehauſe (Salzkothe) gewöhnlich mehre vorhanden find. 
ſten Auffieden fest man gewoͤhnlich etwas Rindsblut zu, um die &so 
gen, und darauf erfolgt erſt das eigentliche Salzfieden (Soggen). Da 
niſch⸗praͤcipitirte Salz wird in kegelfoͤrmige Körbe gefchüttet, um das X 
die leicht zerfließenden Salze ablaufen zu laffen, und dann in den Trocke 
(Poͤtſchen) getrodnet. Die zuruͤckbleibende Mutterlauge kann auf Gla 
Bitterfalz, der gebildete Pfannenftein aber ebenfalls auf Glauberſalz und 
gemittel benugt werden. — Das Kochfalz ift ein unentbehrliches Web 
alle Völker, und baher feine Gewinnung, welche in Deutfcyland allein jäh 
gefähr 6 Min. Ctn. betraͤgt, einer der allerwichtigften Gegenſtaͤnde dei 
haushalt. Der Gebrauch zum Einfalzen oder Einpddeln bes Fielfhel 
Fiſche iſt, wo nicht fo allgemein , had ebenfaus (ehr wichtig. Übrigente 


Salza Salzburg 818 


te, Pharmazie, Toͤpferei, Faͤrberei, zum Bleichen, zur Bereitung des 
er Salzſaͤure, des Salmiaks ıc. angewendet. H . 
za (Hermann von), deutfcher Ritter, wurde 1210 zum Ordensmei⸗ 
t; ein Mann von reinem &eelenabel und erhabener Seifteßgröße, den 
regor IX. und der Kaifer $riedrich IE. in ihren Streitigkeiten als Schieds⸗ 
O) anerkannten. Der Kaifer erhob ihn zum Reichöflirften, weiche Würde 
folger überging. Unter H. v. S.'s Verwaltung erflieg der Orden eine 
der Macht und des Anſehens. Schon 1226 fandte H. v. S. 2 Rit- 
Herzoge von Mafovien in den Kampf gegen die Preußen, 1228 noch 
en er Hermann Balk zum Anführer gab. Darauf fchenkte Gregor IX. 
H IL. ihm und dem Orden das Land der heidnifchen Preußen 1231. &o 
H. v. &. den Drdensftaat Preußen. Er flarb in Salerno den 20. Mär; 
ehr über ihn findet man in Yufti’s „Worzeit”, 1825, und vorzuͤglich in 
Zoigt's „Geſchichte Preußens” (Bd. 2, Königsberg 1827). 
‚brunn, Pfaredorf, 9 Meilen von Breslau im fchlefifchen Gebirge 
hönen Fürftenftein, gehört dem Grafen v. Hochberg, bat 2000 E., die 
u, Viehzucht und Weberei leben. Es wird wegen f. ſchon im 14. Jehrh. 
anerkannten Mineralquellen beſucht. Der daſige Oberbrunnen und der 
en ſind die einzigen Salzquellen in Schleſien. Der erſtere hat dem Dorfe 
egeben. Beide enthalten in einem Pfund zu 16 Unzen nad) Fiſcher: 


Natrum. Glauberfalz. —58 Kohlenſaure Kalkerde. 
n 8 Sr. 3,2. 1,012. 2,02. 
en 6,373. 2,587. 0468 3,38. 
Kohlenf. Talkerde. Eifen regul. Gefomn | —*X in 
1,1. 0,018. 1,30 Cubik;. 
1 ‚963. 0,095 . 1 ‚70 — 


gen Bruſtkranker, ſowie Solche, die an Hämorrhoiden und an Ver⸗ 
: Drgane des linterleibes leiden, namentlich auch an Urinbefchwerden, 
finden Hülfe. Seit 1815 ift der Ort als Curanſtalt ſehr beſucht; ebenfo 
eſem Sabre erſt eine Verfendung des Waffers eingerichtet. 1821 zaͤhl⸗ 
men fchon 450 Gaͤſte, felbft aus den entfernteften preußifchen und a. 
und die VBerfendung war auf 70,000 Kruͤge gefliegen. Auch hier find 
yarfchaft der Quellen Steinkohlengruben. Die gefimbe und malerifche 
yefs, die fchönen Bebirgöpartien rings umher, und dabei die Nähe des 
es, von dem es nur 14 Stunde entfernt iſt, machen es ganz geeignet 
von Gurgäften. 

‚burg mar nach dem meftfälifchen Brieben bis 1802, außer den 3 
urflrftenthlimern, das einzige Erzbisthum in Deutfchland. &8 lag. 
ı Kreife, hatte 18001M., 16 Städte, 23 Markfl. und in dltern Zei⸗ 
) Einw. Durdy die Bedrlicungen aber, welche viele von ihnen we⸗ 
ftant. Religion, zu der fie fich befannten , beſonders unter dem Erzbi⸗ 
d Anton Eleutherius dv. Firmian (von 1729 — 33) zu leiden hatten, 
egen 30,000 Menfchen aus, ſodaß in fpätern Zeiten die Volksmenge 
VO.betrug: eine Auswanderung, deren Geſchichte K. Panfe 1827 be⸗ 
, und Gärtner in der Fortfegung der Zauner’fchen „Chrontt”. Jene 
ten begaben ſich in a. deutfche Länder, auch nach Holland, England, 
Schweden und Nordamerika, mo fie durch ihre Thaͤtigkeit und ihren 
ı dem Flor ihres neuen Vaterlandes Eräftig wirkten. — Das falzburgis 
gebirgig, bildet gleichfam nur ein großes Thal längs der Salza, in wel: 
benthäler auslaufen. Es wird befonder& auf der echten Seite , \anık 


614. Salzburg 


ber füblichen Grenze des Landes von hohen Bebirgen, bie zur norifchen 
gehören , eingefchloffen. Viele derfelben (namentlich das 10,381 Zuf 
horn) find mit emigem Schnee bedeckt, und zeigen alle Erſcheinungen b 
zeralpen, Gletſcher, Kluͤfte, Schneelawinen, Wafferfälfe c. Gegen 
Land offen und hat einige ſchoͤne Ebenen. Die Luft ift rein und gefund, a 
Die Winter find ſtark und anhaltend, die Sommer in den engen Thaͤler 
die meilten Berge find fruchtbar umd tragen unten Setreibe, weiter h 
dungen und gegen den Bipfel zu vortreffliche Weiden, Almen oder Alben ı 
Zroifchen den Bergen gibt es breite und fruchtbare Thäler, und der noͤrd 
Theil des Landes ift fehr fruchtbar. Auch wird der Feldbau ämfig betriı 
bringt das Land nicht fo viele Feldfrlichte, befonders Getreide, hervor, ale 
Baums und Gartenfrüchte aber hinlaͤnglich, Wein nirgends. Die Wat 
von Wichtigkeit, noch wichtiger iſt der treffliche Graswuchs, ber eine | 
zucht veranlaßt. Die Rindviehzucht, welche ganz auf ſchweizer Art get 
iſt überaus beträchtlich und macht die Hauptnahrung des Landes aus. 
ift von ungemöhnlicher Größe. Auch die Pferdezucht, von einem nicht fi 
ſehr ftarfen Schlage, iſt anfehnlih. An Wild ift großer Überflug. € 
find die Mineralien, vorzuͤglich Steinfals. Die übrigen find Gold, € 
pfer, Blei, Eifen, Kobalt, Arfenit, Bergkryſtalle, Marmor, Salpcı 
fein, Speckſtein, Serpentin, Asbeft, Torf, mineraliide Quellen. 
arbeitung der Bergerzeugniffe macht beinahe den einzigen Fabrikzweig 
aus. Dean hat Eifen-, Stahl: und Meffinghämmer, doch wirb noc 
ausgeführt. Hier und da verfertigt man wollene Waaren, und die B 
ſtrickerei iſt durch das ganze Land verbreitet. Der Bauer pflegt f. B 
Flache und Wolle nicht nur zu ziehen, fondern auch felbit zu verarbeiten, 
fih Tuch, Leinwand, Strümpfe und Schuhe zu eignem Gebraude. - 
‚ maligen Erzbiſchoͤfe von Salzburg hatten große Vorrechte. Sie kom 
Adelſtand erheben, hatten mit ben Herzogen von Baiern dad Directoriu 
[hen Kreife, aufden Reichötagen bie erfte Stelle auf der geiftlichen Ba 
ftenrathe, und abwechſelnd mit Öftreich (welches aber immer ben Anfı 
das Directorium im reichsfuͤrſtl. Collegium. Außerdem erhielten fie vc 
fer, auch wenn fie nicht aus fürftl. Häufern waren, dem Fitel: Em. Li 
gegen die geiſtl. Kurfürften in diefem Falle nur Em. Andacht genannt wur 
wurde dies Erzbisthum verweltlicht und nebft Eichftädt, Berchtesgader 
Theile von Paffau dent Erzherzoge von Öftreih und Großberzoge vo 
Ferdinand, zur Entfhädigung für Toscana gegeben. Außerdem warb 
30g unter die Zahl der Kurfürften aufgenommen. Durch den predbun 
(1805) kam Salzburg unmittelbar an Oftreih, und Eichſtaͤdt und Paii 
- ern, wogegen der Erzherzog-Kurfuͤrſt Würzburg befam. Der wiener Frit 
ftellte Salzburg zur Verfügung Napoleons, der es 1810 an Baiern al 
dem parifer Frieden ift es von Baiern wieder an Öftreich vertaufcht w 
Ausnahme eines Theile® vom linken Salzaufer, welcher nebft Ber 
bairiſch geblieben ift. Der öftreichifch gewordene Theil Salzburg bill 
Ausnahme einiger Heinen zu Tirol gefhlagenen Bezirke) den Salzach 
burger Kreis des Landes ob der Ems (123TM., 136,400 E., in 
Mf., 1078 D.). — Die Hauptft. Salzburg ift auf 3 Seiten von S 
gegen N. von einer Ebene umgeben. Sie liegt in einer fehr romantiſch 
an beiden Ufern der Salza, über welche eine 370 Fuß lange und 205. br 
führt. Salzburg ift der Geburtsort Mozart's, Mich. Haydn's und R 
Die Stadt mit 860 H. und 15,000 E. hat enge und krumme Straßen 
Bige Piäge (den Hofplag mit dem prächtigen Springbrinmen von Marme 
Arcaden und Galerien eingefaßten Domplag) und meift in ital. Man 


Salzmann 615 


ufer. Einige Feſtungswerke umgeben die Stadt, und aufdem Nonnenberge, 
Zoͤchſten oͤſtl. Punkte des Moͤnchsbergs, liegt 100 Kiaftern hoch Über der 
be die Ems Hohenfalzburg, mit einem Zeughaufe und einer unvergleichlichen 
Wit. Der füdliche Theil des Moͤnchsbergs ift gleich einer Wand ſenkrecht ab> 
Inmitten und dient zu einem umerfteiglichen Bollwerke. Durch den Moͤnchsberg 
BR das neue ober Sigiemundethor, welches von 1769 — 74 erbaut, ein 150 
langes und 7 — 8 Schritte breites, durch einen Felſen gehauenes Bes 
darſtellt Vor demfelben fteht die 50 Fuß hohe Bildfäute des h. Sigismund 
weißen: Marmor. Merkwüuͤrdige Gebäude find: das Mefidensfchlog oder ber 
erzbifchöfl. Palaſt, die im edelften Geſchmacke und im Style der Peterslicche 
ste prächtige Domkirche mit 2 Thuͤrmen und vor berfelben die bronzene 
Winle der unbefledien Empfängniß, die Gebäude des Lyceums (ober der ehemas 
Uutverfität) mit einer fchönen Kirche, das neue Dikafterialgebäude, das Capis 
6, das Hofitallgebäude mit einem in Selfen gehauenen Amphitheater, beffen 
als Sommerreitſchule bedient hat, und mehre Paläfte des Adels, als der 
ſche, Kuenburg'ſche ic. Die ehemalige ſchoͤne Sommerreſidenz Dirabella 
1818 nebft einem beträchtlichen Tihelle der Stadt ab. Außer dem Lyceum 
man hier e. medicinifch = hirurgifche Lehranftalt, e. Summafium, e. Pries 
r, e. Schullehrerfeminar , mehre Bücher = und Kunftfammlungen. Von 
: e. Drabtzieherei, 2 Eiſenhaͤmmer, 4 Tabacks⸗, 4 Stärke: und Pubderfas 
e. Spielkarten, e. Majolita-, e. Baummollens, e. Cattun⸗, e. Siegellack⸗ 
Lederfabrid. Auch treibt die Stadt wichtige Handeldgefchäfte, und jährlich 
2 Meſſen oder Dulden gehalten. Außerdem ift die Sammlung von bort 
Bfg. außgegrabenen Alterthuͤm. des Hrn. Rofenegger ſehenswerth. Inder Naͤhe 
Bade, auf den Loiger= Feldern 2 Stunden davon, wurde ein römifcher Moſaik⸗ 
Den (Truͤmmer der alten Jujavia) ausgegraben, welcher nach Wien gebracht 
mw iſt. In der Nähe liegen die landesfuͤrſtl. Luftfchlöffer Hellbrunn mit kuͤnſt⸗ 
Waſſerwerken und Kleßheim mit einer Safanerie; das gräfl. Firmian’fche 
B Leopoldstron, bekannt wegen f. herrlichen Gemaͤldegalerie, das fuͤrſtl. 
arzenberg'ſche Schloß Aigen mit [hönen Bartenanlagen, und der flattliche Uns 
ng mit f. Umgebungen. Fremde beſuchen auch das nahgelegene Salzwerk Hals 
aD Gollingen mit ſ. ſchoͤnen Waſſerfall, ſowie das ſchoͤne Berchtesgaden und 
bnigs⸗ oder Bartholomaͤusſee. S. L. Huͤbner's „Beſchreibung der Stadt 
merg“ und über das Land Zauner's „Neue Chronik Salzburgs“, fortgeſ. von 
we (1813 fg.). 
alzmann (Chriftian Gotthilf), der beruͤhmte Stifter ber Erziehungsans 
w Schnepfenthal, war 1744 zu Sömmerda im Erfurtiſchen geb. Fuͤr ben 
nf. Vaters, der erft zu Sömmerda, dann zu Erfurt Prediger war, wurde 
£ geroöhnliche Weife gebildet, ftudirte 1761—64 zu Jena, erhielt 1768 die 
Belle zus Rohrborn im Erfurtiſchen, und folgte 1772 dem Rufe zum Diako⸗ 
der Andreaskirche zu Erfurt, an welcher er bald darauf Paftor ward. Hier 
e als gemeinfaßlicher, berzlicher Prediger Beifall, aber auch wegen f. vorurs 
zeien Denkart Widerſacher. Frübzeitig hatte er fich zum eignen Forſchen ges 
und bei f. theologifchen Studien auf die Seite der damals noch feltenen 
De der Auftiärung gewendet. Durch Rouffenu und Baſedow gewedt, und 
haepfänglichkeit für die Stimme ber Natur, beobachtete er f. eignen Kinder, 
Wing bei ihrer Erziehung den Weg ein, den f. Neigung zum Einfachen und 
Echen und die umlaufenden philanthropifchen been ihm vorzeichneten. Bei 
Mrfſillung ſ. Vaterpflicht ward er fich f. Berufs zum paͤdagogiſchen Schrifts 
and praktifd,en Erzieher bewußt, den er zuerſt durch f. 1778 herausgeg. „Uns 
kungen für Kinder und Kinderfreunde” und noch mehr 1780 durch f. teefflis 
„Riebsbüchlein (eine Anmweifung zur unvernünftigen Kinderzucht, die weit uw 










616 Salzmann 


greifenber Ironie auf den entgegengefegten Zweck hinwirkt) und durch 
„Über die beften Mittel, Kindern Religion beizubringen‘, beurkunbete. 
erhielt er einen Ruf von Baſedow zu einer Stelle an deſſen Philantyeopt 
fau, und die Begeifterung für das Unternehmen biefes merfiwärbigen M 
ſtimmte ihn zue Nieberlegung f. Paſtorats, um die ihm zugedachte Stel 
figionslehrer und Liturg an ber erwähnten Anflalt anzutreten. Doch kon 
bier , obſchon mit gleichgefinnten Pädagogen zufammenmwirkend,, wegen‘ 
geld an Einheit und Zufammenhang in ber Zeitung biefer Anſtalt nicht g 
dige fühlen, und unerträglich war ihm das Anfinnen, f. Schriften allel 
Iehrtenbuchhandlung zu Deffau in Verlag zu geben. Wie er als Relig 
wirkte, beweiſen f. Vorträge bei ben Gottesverehrimgen der Anſtalt, DI 
— 83 in 4Bdchn. herausgab. Den Freunden der damals beliebten ı 
Anficht des Chriſtenthums maren fie willkommen, und durch ihre Faßl 
fanfte Wärme auch der Jugend erbaulich. Vorzuͤgliches Auffehen machte 
„Karl von Karlsberg, ober über das menfchliche Elend“, den er 1783 
1788 mit d. 6. Bde. beendigte. — Geftügt auf f. literarifchen Ruf un 
amd von dem Wunſche, auf eigne Hand zu wirken, getrieben, verlie 


Deſfſau und gründete auf dem von ihm angelauften, und wegen f. gefumt 


lichen Lage wohl bazu geeigneten Landgute Schnepfenthal (f. d.) be 


haufen im Sothaifchen eine Erziehungsanftalt , deren Zöglinge anfunge 


Kindern und wenigen Pflegeföhnen befanden. Ungeachtet ihm ber Herzog‘ 
4000 The. zu dieſem Unternehmen ſchenkte, und bie herzogl. Regieru 
Vortbeile und Freiheiten bewilligt, waren doch die Mittel, mit benen 
den Bau der Inſtitutsgebaͤude ging, bei weitem nicht hinlaͤnglich, u 
tig hat f. unermuͤdete Tätigkeit, f. tüchtiger Verſtand, der fich in dem 
Sache des Haushalts bald zurecht fand', f. Ordnungsliebe und Rechtlich! 
fefte6 Bertrauen auf Bott zum Gelingen f. Werts das Beſte gethan. 
Freunde, bie ihn unterftügten und gefchickte Mitarbeiter bei dem Erz 
ſchaͤfte, unter denen Andre, welcher 1787 eine Töchteranftalt zu Sd— 
gruͤndete und fie 1790 nad) Gotha verlegte, fpäter als fürftt. ſalmiſe 
ſchaftsrath in Mähren lebte, gegenwärtig aber als €. würtemb. Hofratl 
gart fi) aufhält, der nun verft. Naturforfhee Bechftein (f.d.), de 
Lenz, in der Kolge Director am Gymnaſium zu Nordhauſen, fpäter z 
jegt wieder in Schnepfenthal privatificend, Glas (f.d.), Cuts Muthe, I 
herfteller der Symnaftifiund Herausg. der „Paͤdagogiſchen Bibliothek”, 9 


. Blafhe, Außfeld u. A. m. als pädagogifche Schriftfteller und einfichre: 


ber ruͤhmlich bekannt find. — Das fröhliche Leben, die Eörperlichen Üib 
lachende rothe Uniform der Zöglinge, die Reifen, welche &. mit ihnen 
und gar gemüthlich für Kinder in mehren Bdn. zu befchreiben wußte, 

ſchriften, unter denen das „Moralifhe Elementarbuch“ vorzüglichen | 
waren wohlgewaͤhlte Mittel, das Publlcum zu gewinnen. Aus Deutfi 
Schweiz, England, Portugal und den nordifchen Reichen wurden ih 
zugefandt, und felbft 3 Prinzen (von Heflen Philippsthal, fo wie de 
Erbgraf, jegt regier Fürft zu Schaumburg» Lippe) anvertraut; auch f. 
außgeg: „Himmel auf Erben’ wendete ihm viele Vater: und Mutterher 
daß die Zahl ſ. Zöglinge 1803 bis auf 61 anwuchs. — So wurde &cnepf 
mer blühenber, da f. meife und mohlberechnete Wirthſchaftlichkelt zu er! 
auf die Vervollkommung ber Anftalt zu verwenden verftand, was das 
der Altern ihm in die Hände legte. Seit 1788 kam aus der damals gu € 
thal errichteten (jegenicht mehr beftehenden) Buchdruderei, in Werbindum 
Buchhandlung (welche noch jegt u. d. N:: Buchhandlung der Erziehunge 
Schnepferthat, fortbefteht), ſ. „Thoͤxiager Bote”, ein vielgeleſenes E 


Salyfäure | 617 


ie Menge von Erziehungs : ımb Kinderfchriften heraus, durch walche &, 
f. Mitarbeiter mit Gluͤck und Beifall auf zahlreiche Leſer wirkten. Weil 
Mitarbeiter willig auf feine Grundſaͤtze und Anordnungen eingingen und Abers 
b derſelben, Lenz, Weißenborn, Märker und 3 Brüder Ausfeld, f. Schwie⸗ 
De wurden, fo konnte ſ. Anſtalt, auch nach Vergroͤßerung ihres Perſonals, 
weiterter Familienkreis bleiben, wozu der von ihm und den Seinigen ausge⸗ 
Geiſt der Liebe, des Vertrauens und der Froͤmmigkeit fie gleich anf angs ges 
phatte. Er zog 2 [einer Söhne zu Lehrern heran, mehre feiner Toͤchter ers 
im felbft Unterricht, und ber Zuſammenhang ihrer Gatten mit dern gemein⸗ 
chen Hausvater erleichterte ungemein bie Erhaltung der Einheit und die 
kitung der Koſten. So konnte S., umgeben von mohlgerathenen Kindern 
hdenkbaren Pflegeföhnen , im Genuffe des Beifalls f. Zeitgenoſſen, geachtet 
Nehwirkend als Schriftfteller, von Andern gluͤcklich gepriefen werben (tcıenn man 
Ki die Kebrfeite ſ. Lage, 3. B. die vielen Sorgen, welche die Erhaltung einer 
Anftale, in Verbindung mit einer ſtarken Familie, mit ſich führım mußte, 
ß, welcher mit dem MWechfel und der nicht immer gluͤcklchen Wahl der 
Lehrer nothwendig verbunden war, die Vorurtheile von Seiten f. Machbarn, 
er zu kaͤmpfen hatte, u. a. Umftände in den Hintergrund ftellte). Den 
ſ. thätigen Lebens trübte die nach menſchlichen Anftchten traurige Kat 
im erſten Jahrzehend d. 19. Jahrh. über Deutſchland hereinbrad)y. Auch 
Ss Wirkungskreis hatte fie einen ſcheinbar nachtheiligen Einflug, Indem 
ſ. 3öglinge feit 1807 — 9 auf 36 herabfant und fich im Waterlande Alles 
e, daß er auf Bein baldiges Wachfen diefer Zahl rechnen durfte. Außer 
man die Urſache von der Abnahme der Frequenz ber Anftalt auch in der 
menden Anzahl neuer Erziehungsinflitute in und außer Deutfchland ſu⸗ 
Nachdem f. würdige Frau ihm 1810 vorangegangen und f. eigne, fonft une 
dauerhafte Geſundheit durch gichterifche Übel zerrüttet worden mar, ftarb 
Gluͤck und f. Rahm nicht zu früh d.31. Det. 1811 im 68. J. f. "Lebens. — 
als Erzieher und Dolksfchriftfiellee viel Gutes gewirkt. Klarheit der Bes 
Faßlichkelt des Vortrags und edle Einfachheit zeichnete Alles aus, was er 
und f. Belehrungen und Rathfchlägen kann das Werdienft der Ziveckmaͤßlg⸗ 
abgefprochen werden, wenn auch f. burchaus praßtifche Richt ung Dumm 
er zufagen konnte, welche bie ideale Welt fuͤr das wahre Gebiet ber menſch⸗ 
ftesthätigkeit halten. S.'s perſoͤnliche Darftellung war ganz eimfady, aber 
tend ; f. hohe Stirn bezeichnete den felbftändigen Denker, die wuͤrdige 
ig ſ. Körpers und f. patriarchaliſcher Anſtand den Herm und Vater einer gros 
i Scharf und eindringend war fein Blick, ſchnell ſ. Entſchluß, ruhig 
en ſ. unermuͤdetes Wirken, groß ſ. Herrſchaft über ſich ſelbſt and ſ. Ge⸗ 
die kindlichen Seelen, die er ſchon durch Blicke und Worte zu regieren 
Haushaͤlteriſch ohne Eigennutz, feſt und Eräftig ohne Eigenfinn, wohl. 
und huͤlfreich ohne Eitelkeit, ward er Alten, die ihn kannten, ehrwuͤrdig durch 
was er war, wie durch Das, was er leiftete. Tauſende, denen er Lehrer ımb 
sur Tugend und dchten Lebensweisheit war, fegnen das Andenken f. Na⸗ 
(Bol. Philanthropiniemusund Schnepfenthal.) — Sein ſchoͤ⸗ 
fe, die Erziehungsanftalt zu Schnepfenthal, befteht noch jegt unter der Leis 
Sohnes Karl Salzmann. 
Galzfäure, eine mineralifche Säure, die durch Zerfehung dei Kochfalge® 
N Sitriolois erhalten roird. Sie ift im reinen Zuftande waſſerklar, flößt ſte⸗ 
MNebel aus und riecht unangenehm. Sie befteht aus Wafferfloff und einem 
Ben Körper, den man ehebem oxrdirte Salzſaͤure nannte. Dieſe orpbiete 
Mure, beffer Halogen oder Chlorine (vgl. d.), entfteht aus der Salzfäure, 
I Mefe durch Berkhrung mit fauerftoffhaltigen Körpern ihren ierkutt mb 






























* 


618 Salzwerkskunde Samariter 


werben Bann. Glauber ſtellte die gemeine Salzſaͤure zuerſt aus dem Ko 
fie hieß auch lange Zeit nach ſ. Namen, ſowie der Ruͤckſtand der Deflifei 
ftehend aus Schwefelfäure und Soda, noch jetzt Glauberſalz genammt wir! 
findet die Salzfäure mit Bafen verbunden in großer Menge im ber Nat 
Ocean in den Salsfoolen ift fie an Natrum und zum Theil an Talk gebun 
unermeßlichen Niederlagen von Steinfalz find ebenfalls eine Werbinbung | 
fAure mit Natrum. Endlich zeigt das falzfaure Bas ſich auch in den . 
Zu den merkwuͤrdigſten Eigenfchaften der Chlorine gehört ihr Beh 
der Vegetation, durch das Einmweichen des Samens in ein mit Chlorine v 
Waſſer, dab Begiefen ber Pflanzen mit einer ähnlichen Mifcdyung u. | 
Fechner's „Repertor. d. organ. Chemie”. (Epz. 1826, 3. 1). 

Salzwerkskunde oder Halurgie, f. Gradiren, Sal 
Chriftian v. Langsdorff's „Anleit. 3. Salzwerkskunde, mit Rüdficht auf & 
Beognofie ꝛc.“ (Heidelb. 1824, mit Kpfın.). 

Sam, Samum, Smum, d.i. Gift, auch Samiel genamnı 
die Zeit der Nachtgleiche an den Grenzen Arabiens und um Mekka, au 
und in Perfien wehender giftiger, Menſchen und Thiere ſchnell toͤdtenl 
Er fommt, wie alle glühende Winde in den heißen Zonen, über die b 
Sandwuͤſten. Fuchtbare Vorzeichen verfündigen f. Annäherung. Ei 
gelber Schein breitet ſich plöglich am oͤſtl. Himmelsrande aus, währen! 
Schwefeldunſt vom Boden auffteigt, der erft ringsum in ſchnellen W 
dreht, dann zu den Wolken fid) erhebt und endlich da ganze Himmelsge 
dunkelt. Man hört Zifhen und Praffeln in der Luft, und alsbald fäh: 
hende Windfttom mit dumpfem Geräufche ſchnell über ben Boden 
Thiere verrathen ihre bange Empfindung durch Geheul und fenfen den 
Erde, wenn der Glutſtrom die Karamanen in der Wufte ereilt, und di 
werfen fid) nieder, um Mund und Nafe im Sande zu verbergen. Die: 
mögen dieſes Nettungsmittel ihnen abgelemt haben, denn auch fie werf 
jenen ſchreckenden Vorzeichen mit dem Gefichte auf die Erbe und liegen un 
kaum athmend im Sande begraben, bis nad) hoͤchſtens einer halben S 
heiße Hauch verweht iſt. Nur wer ſich in einem Ziuffe befindet, batıniı 
fürchten. Die Körper der getöbteten Menſchen und Thiere ſchwellen an: 
ſehr fchnell in Faͤulniß über. Der feine Staub, den der Wind mit ſich füt 
in alle Kalten der Kleider, felbft in Kiften und Gepaͤcke. Es ift nicht unw 
lich, daß diefer und andre heiße Winde mit Elektricität Überlauen find. 
muns ift verfchieben von dem Chamfin, einem Sübweftwinde, der in Ka 
Arabien und am perfilhen Meerbufen zwifchen b. 15. Sul. und 15. Au 
Tage weht, übrigens von ähnlichen Exfcheinungen begleitet iſt. Er if 
und ausdörrend. Bei den Menfchen, die er in der Wuͤſte überfällt, wird 
zufammengepreßt, der Athem fchwer, die Haut trocken, der Körper wie 
verzehrt, und die Leichname der durch ihn getödteten Menfchen und Thiere 
ausgetrod'net, ohne verwefet zu fein. Man fügt fich gegen ihn wie ı 
Samum. Moch weniger aber find diefe Winde mit dem Harmattan 
verwechfeln. 

Samariter ode Samaritaner. Nach dem Untergange bi 
reichs Israel entfiand auf dem Gebiete deffelben, aus hen zuruͤckgeblichen 
liten von den Stämmen Ephraim und Manaffe und den mit ihnen vermi 
forifchen Coloniften ein Voll, das von den Griechen nach der Stadt Cam 
die es wohnte, den Namen Samariter erhielt. Als bie aus der Verbem 
ruͤckgekehrten Juden den Tempel zu Serufalem wieder aufbauten, wollten 
mariter daran heil nehmen, wurben aber von jenen, weil fie wegen ihen 
fung mit Heiden unrein und nicht ebenbärtig wären, zuruͤckgewieſen, v 


Samarland 619 


ad Rache ben weitern Bau ber Stadt und bed Tempels auf einige Zeit zu bins. 
nften. Daher der Daß der Juden und Samariter gegen einander, der zu 
iten Jeſu, wo die Samariter auf einen Beinen Stric Landes zwiſchen Bas 
nd Judaͤa beſchraͤnkt waren, alle Gemeinſchaft zwifchen diefen beiden Nach⸗ 
been verhinderte und noch jetzt fortdauert. Nie zur Selbfländigkeit gelangt, 
Die Samariter bie Schidfale ihres Landes getheilt und unter dem Drucke ber 
s fo an Bevölkerung abgenommen, daß nicht nue ihre im 17. Jahrh. noch 
ben Golonien in Ägnpten jegt ausgeftorben find, fondern auch zu Naplufa, 
Men Siem, und Zaffa, den einzigen Orten, wo es nody Samariter gibt, 
mengenommen, nad) einer 1811 an Sitv. de Sacy zu Paris von ihrem Pries 
alameh gelangten Nachricht, nur noch 30 Familien mit etwa 200 Indivi⸗ 
lieſes Volks leben. — Zufolge diefer Nachricht und a. Brisfe, welche deutfche 
il. Gelehrte im 16. und 17. Jahrh. von den Samaritern erhielten, find fie 
siöfer Dinficht als eine den Juden, befonder& den Karaiten, die den Talmud 
‚ fehr nahe verwandte Sekte zu betrachten, und unterfcheiden ſich auch 
sabbinifchen Juden nur darin, daß fie außer den 5 Büchern Moſis, an 
chen Urſprung fie glauben, und dem Buche Joſua keine biblifche Bücher 
d anerkennen, den Zalmud aber, voie alle rabbinifche Zufäge, ganz vers 
in Gebraͤuchen, Sitten und kirchlichen Einrichtungen nur fo viel, ale das 
Geſetz ausdruͤcklich norfchreibt, pünktlich beobachten, und flatt des Tem⸗ 
Serufolem den Berg Garifim in Samaria, wo fie in glüdlichern Zeiten 
feierten und ihre Opfer brachten, heilig halten. Die Verehrung des einis 
‚ die Beichneidung, die Reinigungen und Fefte, das Purim oder Tem⸗ 
ausgenommen, haben jie mit den Juden gemein. Auch glauben fie an 
ar die Auferftehung und Vergeltung in einer andern Welt, und hoffen auf 
ĩas, ben fie ſich nad) ber Weiffagung Mofis nur al® einen Propheten 
Ihre Priefter find vom Stamme Levi und werden von ihnen als ihre 
chtet. Wegen ihrer Armuth opfern fie jegt nur einmal jährlich ein Lamm 
ichahfeſte in ihrer Synagoge, wo fie ihre Gebete und Vorleſungen aus 
tateuch in aramaͤiſch⸗ famaritanifcher Mundart halten und weiß gefleibet 
Sonſt fprechen fie meift arabifch, zeichnen ſich durch einen weißen Zurban 
friften ihr Leben durch Geldwechfel und Handarbeiten. Sie vermeiden 
Gemeinſchaft mit Denen, die nicht zu ihrer Sekte gehören, und verhei⸗ 
Ich nur unter einander, ſodaß ein Mann zwar zur erſten Ehe 2 Weiber auf 
Baben, wenn aber eine davon ſtirbt, nicht vor dem Tode der andern und 
ch nur 1 Weib ehelichen darf. — Diefes allmälig untergehende Voͤlkchen 
nder6 darum einiges Gewicht, weil es einen fehr alten, wenn nicht, wie 
kehaupten, den Älteften Coder bes Pentateuchs befist. Um diefes Schatzes 
dard jener Briefwechſel europuifcher Gelehrten mit den Samaritern anges 
wodurch bei ihnen die Erwartung einer Hülfe von ihren vermeintlichen Brüs 
Europa erregt und unterhalten worden ifl. E. 
amarkand, Hauptft. der Bucharei (der Monarch refibiet zu Buchara), 
Buanderia, in einer fruchtreichen, parabiefifchen Gegend. Sie ift gut ges 
och hat fie meift hölzerne Gebäude. Nach neuern Nachrichten enthält Gas 
b 250 Mofcheen und 150,000 Einm., die Lederwaaren, baummmollene Zeuche 
doᷣgliches Seidenpapier verfertigen. Diefe Stadt ift, was fie ſchon vor faft 
Kbtaufend Jahren war, einer von den großen Stapelorten des indifch » afias 
Bimsen = oder Karawanenhandels. Rußland fucht jegt mit ihr in nähere 
dang zu treten, weshalb Herr v. Meyendorf 1820 rine Reife nach Buchara 
um. Sm hohen Alterthume hieß die Stadt Marakanda, und war die 
RB der Prov. Sogdiana, die an der Morbarenze des perfifchen Reiche, in⸗ 
des Oxus und des gegen die ſcythiſchen Nomadenvoͤlker befeftigten Seen 













620 Same oder Samen , Sämifchgerberei 


fluſſes Jarartes, lag. Alerander erreichte fie auf f. Eroberimgüguge ım 
verheert haben. Gewiß iſt es, daß er in diefer Provinz und am Jararte 
riſche Golonien gegen die Maffageten angelegt hat. Im Mittelalter de 
Araber bis über Marakanda nördlich vor; feit d. 18. Jahth. hertſchte 
Mongolen; Timur (f. Tamerlan), deffen Vaterſtadt Keſch bei S 
. war, machte fie 1369 zu feiner Refidenz und gründete bafelbfl am Enp 
Jahrh. eine hohe Schule des Islam, welche ſich bald zum Sitz der mobaı 
ſchen Theologie und Literatur in Mittelafien erhob. Diefe Schule beſteht 
Mit ihr ift eine Sternwarte verbunden. Den Aftronomen, bie fich bafı 
dem gelebrten Khan Ulugh Beg 1437 verfammelt hatten, verbantt maı 
milde und geographifche Tafeln. Samarkand blieb der Gig ber Tim 
1468. 


Same oder Samen, der Stoff, welcher allen organifchen Kör 
lich dem Thier⸗ und Pflanzenreiche, zur Kortpflanzung bient. Betracht 
aͤußere Geſtalt bes Pflanzenfamens , fo finden wir hier die größte Manny 
Es gibt kugelrunde, rundliche, eirunde, laͤngliche, tellerfoͤrmige, nier 
u. ſ. w. Samen, deren Oberfläche bald glatt und glänzend, bald rauh und 
Vet Nebentheiten verfehen if. Bei dem Innern Bau haben wir bie dufı 
oder Bebedung, fobann den Kern und den darin eingefchloffenen Keim, d 
lichen Haupttheil zu betrachten. Die äußere Bedeckung fol den Same 
sen. Sie befteht meift aus mehren über einander liegenden feinen Häut: 
iſt von verſchiedener Subftanz. Iſt fie holzartig und knochenhart, fo 
Same Nuß, deren Kern noch überdied mit einer duͤnnen und weichen He 
ben iſt. Bei vielen ift die äußere Bedeckung bloß pergament » oder leder 
ben meiften aber noch dünner. Der Samenkern befteht aus einem mı 
Ölig » fchleimigen Wefen von mehr ober weniger Härte und befigt die EI 
die in der Erde befindlichen Feuchtigkeiten einzufchluden, wodurch er erw 
anſchwillt und bem Keime zur erſten Nahrung dient. Man fieht einkem' 
und vielternige Samen. An der Stelle, wo der Same an der Samımi 
am Fruchtboden befeftigt war, befindet fich eine Narbe. Unter diefer legt! 
welcher bie künftige Pflanze enthält. (Vgl. Befruhtung und Pfla 

Sämifchgerberei unterfcheidet fi von ber Weißgerberei nur! 
die mit Fett und Kalk zubereiteten Häute nicht weiter buch Alaun gegeri 
daher auch an vielen Orten die Weißgerber zugleich ſaͤmiſche Leber liefen. 
nutzen dazu Häute von Ochfen, Kälbern, Hämmeln, vorzüglich aber d 
fen, Hirſchen, Reben ımd Eienthieren. Dieſe werben mit Kalk gebeist 
enthaart; hierauf wird ihre Narbenſeite mit einem flumpfen Meffer at 
und fo werben fie auf 4 — 8 Tage nochmals in den Kalkaͤſcher gelegt. ! 
man fie herausgenommen, wird die Fleifchfeite glatt abgefchabt, noch 
kurze Zeit mit Kalt behandelt und ſodann gehörig rein ausgewaſchen ud 
chen. Jetzt werden fie durch eine gährende Kleienbeize (aus Weizenklele mi 
teig ober Hefen) weiter behandelt und darin gewalft, damit ſich aller Kall 
Nach dem Ausringen befommen fie durch Walken mit Thran und durch de 
in ber Braut die vollftändige Zurihtung. Wenn fie nämlich durch meh 
Walken im Walkftode ihre frühere Keuchtigkeit verloren und dafuͤr Them 
gen haben, legt man fie in Haufen über einander, bedeckt fie mit leinenen 
und läßt fie bis zu einer, nicht zu ſtarken, freiwilligen Exrhigung llegen. D 
ſes fogen. Färben in der Braut ziehen fie den Thran gleichfoͤrmig an mb 
den eigenthuͤmlichen Grab von Geſchmeidigkeit. Das uͤberfluͤffige Fett m 
nachmals durch Afchenlauge wieder. genommen. Dann werben fie vollen 
Streichen und Zrodnen zugerihtet. Solche Leder haben eine gelbllche 81 
dienen roegen ihrer Geſchmeidigkeit zu Beinkleidern und Handſchuhen. 


Samniter Samojeden 621 


zam niter, die Bewohner der ehemaligen Landſchaft Samınium in 
allen, hatten zu Grenznachbarn die Peligner, Marfer, Campaner, Lucas 
ı Apulier. In fruͤhern Zeiten verbreiteten fie ſich über den größten Theil jes 
ides. Mir lernen fie in der römifchen Geſchichte als ein Eriegerifches und 
lebendes Wolf kennen, welches die Römer erſt nad) langen blutigen Kriegen, 
einigen Unterbrechungen faft 70 Jahre dauerten, gänzlich unterjochen konn⸗ 
Ye erſten Keindfeligkeiten zroifchen beiden Staaten entfpannen ſich im I. R. 
8 bie von den mächtigen Samnitern hart bedrängten Campaner die Hülfe 
kschten und, um fie dazu zu vermögen (denn fie hatten mit den Sammitern 
rieden gefchloffen), ihr ganzes Land dem Schuge der Römer übergaben. Da 
Samniter auf die freundfchaftlihe Auffoderung derfelben Campanien nicht 
n, fo ruͤckte ihnen der roͤmiſche Conſul Balerius Corvus entgegen und noͤ⸗ 
ie, nach einem blutigen Treffen fi in ihre Grenzen zuruͤckzuziehen. Zu 
Zeit hatte ein andres roͤmiſches Heer das Gebiet der Samniter angegriffen 
mfall& nad) einem verzweifelten Kampfe durch die heldenmuͤthige Entfchlofe 
des jungen Publ. Decius Mus einen Sieg über fie errungen. Die Beſieg⸗ 
Ken um Frieden bitten, bielten aber denfelben nur fo lange, bis fie ſich von 
Heberlage erholt hatten. Denn im 3. 426 brach ein neuer Krieg aus, noch 
B als der erfte, welcher um fo hartnädiger geführt wurde, ba auch andre 
m Unteritaliens den Samnitern zu Hülfe kamen. Obgleich nun die Roͤmer 
fiegten, fo gerieth body ihre Deer im J. 433 bei der Stabt Caudium in 
Affe, daß es, auf allen Beiten von feindlihen Scharen umtingt, fich 
Schimpf gefallen laffen und unter dem Joche tweggehen mußte. Da 
Senat ben Frieden, melden die gefangenen Conſuln mit ben Feinden ges 
hatten, verwarf und die Urheber beffelben den Samnitern auslieferte,, fo 
per Fortfegung des Kriege neue Selbherren abgefandt. Dem tapfern Pas 
or gelang es, die erlittene Schmach durch eine gleiche Belhimpfung an 
en Feinden zu rächen. Deſſenungeachtet dauerte der Krieg mit Er⸗ 
N fort, weildie Samniter von ihren Nachbarn, welche Rome Oberherr⸗ 
Rabfcheuten, thätig unterflügt wurden und felbft ber kriegeriſche König von 
‚ Porrhus, auf Bitten der beängftigten Stadt Tarent gegen die Römer 
» Aber die Conſuln Papirius Curfor, Q. Fabius Marimus, Publius 
Wis, Curius Dentatus, Caj. Lufcinius Fabricius u. X. triumphirten wies 
ber die verzweifelt Eämpfenden Gegner, und nach den ſchrecklichſten Nieder⸗ 
d der gänzlichen Verheerung ihres Landes fahen ſich die Samniter genoͤthigt 
dikern, die ihnen beigeftanden hatten, um Frieden zu bitten. Diefen er» 
4832. — Alb zu Sulla's Zeiten ſich die ital. Bundesgenoffen gegen Rom 
„ſtanden die Sammiter noch einmal gegen ihre Unterdrüder auf und 
mit wuͤthender Erbitterung. Doc, Sulla demüthigte fie gänzlich und 
einem Gamnitec daß Leben zu ſchenken. 4000 von ihnen, bie gefangen 
aren, ließ er 3 Lage nach der Schlacht auf dem Marsfelbe nieberhauen. 
Igen liberzefte des famnitifchen Volks lebten von diefer Zeit an in Dörfern 
UÜbrigens ift noch zu bemerken, daß die Samniter auch Künfte und Gab 
sicherlei Art betrieben. Denn bie Nähe ihrer gebilbeten Nachbarn, ber 
in Unteritalien, hatte auf fie einen ſehr mwohlehätigen Einfluß. Gelbft 
md Berfaſſung follen fie größtentheil6 von denfelben entlehnt haben. Ihre 
sform war bemokratifcher Art. Beim Ausbruch eines Sriget ofteaten 
gemeinſchaftlichen Feldherrn zu wählen. 
smoieden, eine Völkerfchaft, deren Vorzeit in Dunkel geblit u ‚ 
lomıaben in zauben Wildniſſen, unbekannt mit Schrift und Zeitrechnung, 
min an ihre Schickſale und Helden bucch Lieder aufbewahren, die nur 
indige und hoͤchſt unfichere Auffchlüffe geben können, A die earahen 


622 Samos 


Muffen fie erreichten, waren fie fchon von den Zataren aus ihren bein 
figen verdrängt, von ihren verwandten Stämmen getremnt und nit 
eigenthümlichen Verfaffung. Auch nach ihrer Unterwerfung hat m 
her Eennen gelernt ; denn noch bat kein Forſcher ihre kalten und mm 
niffe betreten. Die einzigen Sremdlinge, welche zu ihnen kommen 
buteinnehmer, die aber bloß ihr Gefchäft und den Handel im Auge 
lichkeit in Sprache, Körperbildung und Lebensweiſe beweift indeß 
wandtfchaft der Stämme und Völker, bie wir zu den famojebifchen ı 
wohnen jegt aufden Küften des Eismeert. Nowaja Semlja bew 
nicht, aber dftlich über den Jeniſei reichen die Küften, wo fie haufer 
Gr. d. Br. Sm diefen kaͤlteſten und oͤdeſten Gegenden bes Erdboder 
zen und fparfam zerftreut vom weißen Meere bis faft an die Lena, 
Europa als in Sibirien. Sie ſelbſt nennen ſich Nenetfh, Menſch 
wo, Männer. Der Urfprung des Namens Samojeden iſt zweifel! 
ropaͤiſchen Samojeden wurden Rußland ſchon 1525 zinsbar; fie 
Statthalterfchaften Archangel und Wolcgda zwifchen den Ftüffen 2 
fhora, von andem Völkern getrennt. Die fibirifchen Samojebe 
Ural, finden ſich in der Statthalterfchaft Tobolsk, um den Ausflı 
ungeheuern Ländereien einzeln und zerſtreut Verwandt mit den € 
die namuͤriſchen und jenifeifhen Oſtjaͤten, die Koibalen und Zubin 
die Sojoten und Mutoren im fajanifchen Gebirge, bie Kaimaſchen 
Mana, die Juraken und einige a. unbedeutende Völkerfchaften. 
Samos, helleniſche Inſel im Archipel, den Trümmern voı 
dem Vorgebirge Mykale (Sampun) gegenüber, bes Pythagoras Be 
man glaubt, war im Alterthum die wichtigfte und mächtigfte Inſel 
kannt, feit der Tyrannis des Polykrates (f.d.) 566 v. Ehr., in 
der Kunft und Wiſſenſchaft durch tem Dienft der Here, die hier geb 
als die Heimath geſchickter Seeleute und unternehmender Kaufleute 
Säulen des Hercules bis in die Mündung des Guadalquivir ſchifften 
ber reihen Samier machten fich oft ben Perfern furchtbar. Auf Sa 
man zuerft gegoffene Bilder von Bronze. Rhoͤkos und f. Söhne ; 
Telekles waren Bildner zu Samos. &. verlor den legten Schatten ı 
Sreiheit unter dem Kaifer Vespaſian (70 n. Chr.).. (Wal. Panofta, 
rum‘, Berl. 1822.) Im Mittelalter warb fie abwechfelnd von A 
tianern, Genuefen und Türken beberrfcht, bis fie unter einem Agı 
Paſcha diefem tritutbar wurde. Sie ift 84 IM. groß, fehr frud 
und hat außer der Hauptft. Kora, neben welcher das alte Samos u 
dee Juno (Herarum) in Trümmern liegen (jest die Colormen gen 
Städte (Vahti, Karlovafi, Furni), und jest, feit die Kampfiuft ! 
gen bie Türken die Bilder vergangener Zeiten erneuert, durch die : 
ler Seflüchteten aus Natolien, Scio, Ipfara u. a.D., an 50,000 ı 
nee (vorher nur 12,000). Nahe bei Samos liegt bie Inſel Ikaros 
300 Griechen bewohnt; Hier flürzte der Sohn des Daͤdalus (f. 
Samos griff 1821, auf die Nachricht von der Hinrichtung des P 
den Waffen. Man befeftigte den Hafen, um von Natoliens Ri 
ſchmalen Meerenge, Bougas genannt, nicht angegriffen werben zu I 
ſtanden 10,000 M., in Regimenter und Compagnien getheilt, m 
des Kreuzes. Der Erzbiſchof erhielt die Eintracht und die Drbmm 
haben die Samier nicht aufgehört, die benachbarten Küften Aſient 
Scalanuova, zu überfallen; ihre Kuͤhnheit ift ebenfo groß als ihr G 
bens hat fie der Kapudan Pafcha mehrmals zur Unterwerfung aufg 
verwarfen bie angebotene Ammeltie. Dex Hagrift des tuͤrkiſchen 


Samothrafe Samuel 628 


ni, den einzigen zugänglichen Punkt der durch fteile, felfige Ufer geſchuͤtzten 
X, am 16. Juli 1824, mißlang. Die griech. Flotte drängte die türkifchen 
neportichiffe im Sanal von Samos, verbrannte einige bavon am 21. und vers 
wmit ihren Branbern den Kapudan Paſcha bis nad) Kos. Seitdem bat fich 
Ahnheit der Samier verdoppelt. Die Türken wagten erſt 1824 wieder einen 
Schen Angriff. Der Kapudan Paſcha, Mehemet Paſcha, hatte Ipſara ges 
men und wollte im Aug. auf Samos eine Landung bewerkitelligen. Allein bie 
h. Flotte, geführt von Miaulis, behauptete die Meerenge und ſchlug am 17. 
eine Abtheilung der türkifchen Flotte, verbrannte und zerftörte eine tuͤrk. Fre⸗ 
puon 54 Kanonen, e. Corvette und e. Brigg, nebft mehren Kanonierfchalups 
mb Transportſchiffen. Der Kapudan Paſcha zog ſich mit der Flotte nad) Bus 
(dem alten Halikarnaß). Unter den griech. Branderführern zeichnete ſich 
Kanaris von Ipſara aus. In dem Seldzuge von 1825 fegelte der Kapudan 
Samos vorüber. 20. 
Samothrake, eine Inſel des ägeifchen Dieeres, unmeit Lemnos, an ber 
Küfte, der Gegend von Zroja gegenüber, im Alterthume berühmt durch 
erien, deren Priefter zuerft die Rabiren, dann bie Dioskuren gewefen fein, 
Die Einweihung in diefe Myſterien follte auch vor den Gefahren zur See 
; daher ſchon von ben Argonauten erzählt wird, fie fein auf Orpheus's 
Der felbft ein Eingeweihter war, auf Samothrake gelandet. Auch über bies 
erien liegt ein geheimnißvolles Dunkel, das fich felbft aßf die Namen ber 
ten Gottheiten erſtredt. Daß ägnptifche und phoͤniciſche Gottesbienfte und 
Rache fpäter mit griechifchen vermifcht und verwechfelt wurden, ſcheint gewiß. 
w foll der famothrazifche religiöfe Cultus zu den Etrusfern gekommen fein, " 
wit veränderten Bötternamen. Übrigens genoß die Infel, aus Achtung für 
wflerien, auch unter der rom. Herrfchaft eine gewiffe Sreiheit, und felbft eine 
ug nad) Chr. Geb. noch flanden jene altberühmten Myfterien in Anfehen. Über 
chrieben Münter. S. aud) Schelling, „Die Gottheiten von Samothrake“. 
Samuel, ber legte Richter der Hebräer. Er wurde fich der hohen Be⸗ 
ung, fein Vol von den unter f. Vorgängern eingeriffenen Gräueln ber Abs 
E und Geſetzloſigkeit zum Dienfte des einigen Gottes zuruͤckzufuͤhren, ſchon 
babe bewußt. Im Tempeldienſt herangewachſen, hatte er erkannt, mas ben 
men Noth that, und als fie von den Philiftern hart bedrängt wurden, trat er 
Aftigen Ermahnungen zur Gottesfurdht, als dem einzigen Rettungsmittel, 
Deren auf. Auf fein Gebet und Opfer gab Bott |. Volke wieder den Sieg. 
> Abertrug es ihm das Nichteramt, das er mit großer Thätigkeit 12 Fahre 
wewaltete und durch Wiederherſtellung des vernadhläffigten Jehovahdienſtes 
Berete. Auch gab er der nach Moſis Geſetze verfaſſungsmaͤßigen Theokratie 
nrke Stuͤtze durch Stiftung der Prophetenſchulen. (S. Propheten.) Da 
Beine Söhne, denen er bei herannahendem Alter das richterliche Amt übers 
nicht in Geiſte feiner Gerechtigkeit handelten, fo mußte ex dem Verlangen 
DIES, einen König zu wählen, nachgeben. Bei biefer Staateveränderung, 
Berndfägen umd Überzeugungen ganz entgegen war, berieth er bennoch das 
met der Weisheit und Uneigennüpigkeit eines Vaters. Er wußte den erkore⸗ 
Big Saul durch einfchränkende Bedingungen an die alte Verfaffung zu bins 
umb wenn er bagegen fehlte, zurechtzumeifen. Unerbittlich war er aber auch, 
Her unkluge König ſich Eingriffe in die priefterlichen Rechte zu Schulden 
ke lief. Er verwarf ihn und falbte den Hirtenjüngling David zum Nach⸗ 
uf dem Throne Iſraels. Vorzuͤglich durch diefe glüdlihe Wahl warb ©. 
Ichäter ſ. Volke, doch erlebte er das Ende der Zwiſtigkeiten zwiſchen Saul 
d nicht, und noch fein Schatten mußte ben von Gott verlaffenen König 
Kon und ſtrafen. Die unter Samuels Namen im A. Teft. befindticgen ifo» 


624 San⸗GCarlos Sanct⸗Gallen 


eifchen 2 Bücher find im Geiſte feiner hierarchifchen Idee gefchrieben, bod 
von fpäterer Hant. 

San: Carlos (Zofeph Michael de Carvagal, Herzog von), 
komme der alten Könige von Leon, geb. zu Lima 1771, kam 16 5. alt 
nien und warb Oberft des Infanterieregimente Majorca. Er befand 
Belagerung von Otan und begleitete die Erpebition gegen Toulon aie j 
Bald darauf zum Generallieutmant und Kammerherrn ernannt, wu 
verneur des Prinzen von Afturien und der Sinfanten. Sein Erziel 
mißfiel aber dem Sünftling Godoi; er verlor diefe Stelle, um Majo 
Königin und 4 3. fpäter auch des Königs zu werden. Um ihn vom f 
fernen, ernannte man ihn 1807 zum Vicekönig von Navarra; aber | 
Monaten erhielt er Befehl, ſich als Gefangener nach ber Gitabelle von 
zu begeben. Man befchuldigte ihn, dem Prinzen von Afturien gerathı 
daß er nach dem Tode Karld IV. die Königin alles Einfluffes beraub 
Guͤnſtling Godoi zur Rechenfchaft ziehen folle.. Zwar wurde S⸗C. F 
heit gefegt, doch verrvied man ihn 60 Stunden von der Hauptſtadt. 9 
dankung Karls IV. wurde er von Ferdinand zum Oberhofmeiſter und ! 
Staatsraths ernannt, begleitete auch den König auf der Reife nad) B 
hatte bier mehre Unterredungen mit Napoleon. 1808 warb ihm ı 
König Ferdinand nad) Valençay zu begleiten; doch bald rief man ihn 
weil fein Einfluß auf Ferdinand Beſorgniß erregte. Won hier wurde er 
le⸗Saulnier verwiefen, da ſ. mit den Geſandten von Rußland, Oftreid 
fen angelnüpften Verbindungen Napoleon gefährli ſchienen. ©.: 
f. Muße, um Geſchichte und Staatswiffenfchaften, Botanik und die fc 
ſte zu fludiren. Als Napoleon ſich entfchloß, dent König Ferdinand de 
Thron zuruͤckzugeben, berief er S.:E. nad) Paris, wo diefer (8. De. | 
Tractat unterzeichnete, den er nach Madrid überbrachte, um ihn von! 
ſchaft und ben Corte realificen zu laffen. Aber die Regentſchaft verwe 
trag, weil Spanien Beinen Frieden mit Frankreich ohne Englands Zufli 
fließen durfte. Noch ehe der Derzog diefen Beſchluß nach Valençay 
hatte Napoleon dem König und den Prinzen von Spanien bie Ruͤckkel 
dingung geflattet. Sie erhielten die Paͤſſe den 7. März 1814. Könü 
extheilte hierauf dem Herzog von San⸗Carlos ben Orden des goldenen | 
ernannte ihn zum Minifter- Staatöfecretair. Als folcher fuchte ber H 
nung in die Öffentliche Verwaltung zu bringen; er ftellte Die St. Karls 
ber, befahl die Wiedereinfegung der Akademie, forgte für die Aufnahn 
niſchen Gärten und flug dem Könige die Gruͤndung des Museo Ferdi 
Auch fchloß er mit dem engl. Gefandten, Sir Henry Wellesley, am 5. 
einen Vertrag ab, nad) welchem Spanien f. Unterthbanen den Negerfl 
mit fremden Golonien verbot. Doch bald erregte die Gunft, in meld 
zog bei dem König ftand, Eiferſucht; die Zahl feiner Feinde wuchs ai 
‚meinen Unzufriedenheit: da foberte und erhielt der Herzog f. 
behielt er body das Minifterium des koͤnigl. Hauſes bis 1815, wo de 
Befehl an den Herzog, ſich auf f. Güter nad) Efttemabura zu begeben, 
chelhaften Zufiherungen f. Achtung begleitete; aber ſchon am naͤchſ 
wurde er zum Sefandten in Wien ernannt. Hier blieb ex bis 1817 um 
in gleicher Eigenſchaft nach London. In Folge ber leuten Ereigniſſe 
begab fi) San⸗Carlos nach Lucca, wo ihn der Herzog Karl Ludwig | 
maͤchtigten Minifter am franz. Hofe ernannte. Gegenwärtig iſt er 
Staats rath und außerord. Gefandter in Paris. 

San>sMarino, f. Marino. 

Sancıt:Gallen, ein der gemerbäleisiaften Länder in Ei 


Sant = Helena 625 


Canton bee ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft feit 1803, zählt auf 40 IM. 
1000 Einw., hat eine ariſto⸗demokratiſche Verfaffung und ift gemifchter Res 
u — Die Stadt St.Gallen (962 H., 8200 Einw.), Im welcher die bes 
Benebictinerabtei St.Gallen liegt, hat 2 Biblioth. mit wichtigen Hands 
ein akad. Gymnaſium, eine Literarifche Geſellſchaft und a. Vereine, viel 
Meberei und Bleiben. Auch die Mfl. Rorſchach, Ober⸗ und Unter: 
9, ſowie das Rheinthal mit der Stadt Rheined im Canton St.Gallen, 
mich Leinwand = und Baummollenfabriten und Handel bedeutend. 
Sanct-Helena. Diefe Infel, Napoteons Verweifungsort und Grab⸗ 
°55.&.8., 64 IM:;), erhebt ſich einfam in der Mitte des weſtlichen 
, 7700 5. über dem Deere, hat einen Umfang von 12, in ber größten 
5 und in der größten Breite & Stunden, und befteht aus Bafaltfelfen, die 
en Richtungen gewunden, fonderbar zerkluͤftet und von einen Thälern 
find. Aus ber Ferne erfcheint diefe Inſel als eine ſchwarze, ver⸗ 
‚ taufendzadige, zerfpaltene Felſenmaſſe. Im ber Nähe aber zeigt ſich das 
Dfianzenleben in feiner ganzen Herrlichkeit. Diefe Infel ward am 22. 
Namenstage ber h. Helena) 1508 von den Portugiefen entdedit ımb 
Heiligen benannt. Damals war fie unbemohnt; man fand nur einige 
ten und Seevögel darauf. Die Portugiefen verfegten vierfüßige Thiere 
el dahin, machten Anpflanzungen und fdeten mancherlei Sämereien 
egten aber eine Nieberlaffungen an, fondern bauten nur eine Meine Kirche 
| fogen. Gapellenthale. Sie warb gegen 1600 von ben Holländern zerſtoͤrt, 
me die in der Umgegend gepflanzten Bäume fällten. Zu verfchiedenen Malen 
Europäer auf dieſer Infel nieder, wurden aber immer wieder vertrieben. 
ſetzten ſich die Holländer darauf feſt, verpflanzten neue Thiere dahin und 
Getreidearten aus. 1650 erhielt bie engl.softindifche Compagnie biefe 
vu den Holländern gegen Abtretung bes Vorgebirges der guten Hoffnung 
bafelbft 1660 eine Nieberlaffung an. Die Holländer nahmen fie zwar 
vrch Überrumpelung, aber im nämlichen Sabre eroberten die Engländer fie 
und bauten das Fort St⸗James. Seit diefer Zeit blieb fie In ihren 
Die aus Oſtindien nach Europa zuruͤckkehrenden (nicht aber wegen der 
bie nach Oſtindien hinfahrenden) Schiffe finden hier auf halbem Wege 
m Erfeifhungsort. Dean pflegt die Reife von St.⸗Helena nad) England 
Wochen zu machen, waͤhrend man umgekehrt auf einer ganz andern unb 
Linie [hiffen muß. Das Klima diefer Inſel ift ſchoͤn: ber heiterſte Him⸗ 
ſich nur in der kuͤhlen Jahreszeit des Jul. und Aug. zuweilen bewoͤlkt; 
Wind als ber erfrifchende, beftändige Oftpaffat, und weder Orkane noch 
; ober irgend eine Naturerfchlitterung der tropifchen Zone. Auch weiß man 
von ber gefährlichen Nachtluft, die in diefer Zone oft töbtlich wird. Es 
felten, jedoch verliert die Luft, welche immer durch den Paffatwind ab» 
wird, dadurch nicht an ihrer Güte; Pflanzen und Thiere dagegen leiben 
Diefe Zelfeninfel, deren fchroffe Küften eine 800— 1200 Fuß hohe 
biſden und nur Einen Landungsort darbieten, iſt nach und nach mit einer 
Fuß diden fruchtbaren Dammerde bedeckt worden, die eine üppige Des 
erzeugt. Das Mehl kommt aus England; in böfen Jahren ift man 
und Pataten ftatt des Brotes. Es gibt wenig Pferde, aber viele 
"indvich, Schafe, Schweine, Kaninchen, Perihühner, wohlſchmeckende 
umd eine Menge von Fifhen. Das füße Waſſer iſt gut und fehr ge= 
Ä lich im Gapellenthale, wo mehre ſchoͤne Quellen von der Höhe herab 
dem Hauptbache vereinigen. Die Oftindienfahrer bringen eine Menge 
nad) St.s.Delena, und man findet die Kaufmannstäden mit oſtindi⸗ 
und enzopäifchen Waaren reichlich verfehen, aber wegen ber Menge des ums 
in Eecx. Siebente Aufl, Bb. IX. 40 






























626 Sanction (pragmatifche) Sand 


Yaufenden Geldes ſteht Alles in umgeheurem Preife, und es ift in St⸗Hele 
4 Mal theurer als in London felbft. Die Infel hat 5000 Einw. Mit A 
der Sompagniebeamten lebt hier Alles von der Landwirthfchaft und dem € 
ehr. So bringen die Einw. 9 Monate des Jahres auf ihren Landguͤtern 
nern ber Inſel zu und kommen nur zur Zeit der Oftindienfahrer (Febr. b 
in die einzige vorhandene Stadt St.-Samedtomn. Diefe liegt im Dim 
einer herrlichen Bai in einem ſchmalen, ſich fanft erhebenden Thale, das 
eine Viertelſtunde lang und auf beiden Seiten mit hohen Bergen eing 
Das Ganze befteht aus 3—4 gepflafterten Straßen. Die Häufer hab 


* ‚Dächer, Galerien u. ſ. w. St.⸗Helena ift gegen feindliche Landungen : 


durch die hohen Felſen und die heftige Brandung gefichert, fonbern es 
auf den vomehmften Punkten Batterien und Bollwerke angelegt. D 
koͤnnen nur in der St.e⸗Jamesbai mit Sicherheit anfern, indem fie hier, 
Stürmen und Windftögen gebedt find. Man trifft auf der Inſel keine 
fen, fondern nur Feldwege, auf denen Eleine mit Ochſen befpannte Ka 
kommen Eönnen, die man zu Fortfchaffung größtrer Laſten benutzt 
farb bier den 5. Mai 1821. 

Sanction (pragmatifche) iſt die Urkunde, durch meld 
Karl VI., der fi) ohne männliche Nachkommen fah, feinen weiblichen ! 
men die Erbfolge in allen f. Staaten zu fichern bemüht mar. Er bewog 
große Schwierigkeiten alle Fürften Europas zur Annahme und Gewaͤ 
diefer Urkunde (daher der Name), bis auf den Kurfürften Karl Alb 
Baiern, der ald nächfter Erbe der öftr. Länder feinen Beitritt verweigert: 
Karls VI. Tode (1740) veranlaften Baierns Anfprüche den oͤſtreich. Erb 
(f.Öftreich); doch erkannte Baiern fhon im Frieden zu Füffen (22. Al 
die pragmat. Sanction an. — Auch das vom König Karl VI. von d 
1438 zu Bourges nad) den Beſchluͤſſen des basler Conciliums gegeben 
geſetz, auf welchem die gallicanifche Kirchenfreiheit beruht, wird Sa 
pragmatique genannt; ferner hieß der Befchluß des deutſchen Reich 
Mainz 1439, welcher diefelben Befchtüffe annahm, Sanctio prags 
Beide Grundgefege befchränkten die päpftliche Macht, wurden aber did 
Concordate zu Bunften des römifchen Hofs abgeändert. Endlich nannte, 
von Spanien, als er 1759 den Thron von beiden Sicilien feinem beitte 
und deſſen Nachkommen abtrat, das Erbfolgegefeg, welches er für diefe 8 
eine Sanctio pragmatica. 

Sanct:Salfob (Schlacht bei), umweit Bafel, am 26. Am 
(8. Schweizerifhe Eidgenoffenfhaft) Zum Andenken an bie 
fallenen veranlafte ber Pfarrer Marcus Lug in Läufelfingen (Vf. ein 
Darftelung” diefer Begebenheit, 1824, 4.) die. Errichtung eines Deaka 
am 26. Aug. 1824 eingeweiht wurde. 

Sanct:Petersburg, f. Petersburg. 

Sand, f. Sandftein. 

Sand (Karl Ludwig), Candidat der Theologie, aus Schwaͤw 
Mörder des Staatsraths von Kogebue, geb. den 5. Oct. 1795 zu Wun 
Baireuthifchen, in dem jegigen Obermainkreife des Könige. Baiern, wo fi 
Suftizrath und Amtmann, 1823 farb, erhielt eine forgfältige Erziehung, 
zuͤglich feine (ſchwaͤrmeriſchen Anſichten niht unempfängliche) Mutter gel 
ben mag. Als Kind war er faft immer Eräntlich, und man erklärte aus der 
zurüdgebliebenen Schwäche f. Niedergefchlagenheit umd den Hang zur Verſ 
heit. 1810 folgte er f. Lehrer Saalfrank auf die Schule zu Hof und 1812: 
Gpmnafium zu Regensburg, too er fleißig und brav, aber immer etmas fra] 
verfhloffen war. Won Regensburg zog den jungen &. im Herbſt 1814| 


Sand _ 627 


ad) Tübingen, wo er mit vielem Eifer den Vorbereitungswiſſen⸗ 
eologie oblag, bis auch ihn, wiefo viele andre Stubirende, die Wie- 
des Krieges gegen Frankreich 1815 zu ben Waffen rief. Er diente, 
sher in die Verbindung der Zeutonia getreten war, al& Cadet unter 
bairiſchen Sägern des Rezatkreiſes, kam aber nie ind Gefecht. Sein 
it fein muſterhaftes Betragen öffentlich anerfannt. Der Friebe gab 
n wieder, welche er zu Erlangen fortfeste. Hier zog ihn unter feinen 
‚fer befonders an. Während er fich ducd) Fleiß und anftändiges Be⸗ 
eigung feiner Lehrer erwarb, gewann er durch Biederkeit und Gerad⸗ 
aft aller Derer, die ihn Eennen lernten; feinen vertrautern Freun⸗ 

er durch f. in Schmwärmerei ſich verirrende Begeifterung für Relis 
land ſchon damals Beforgniß ein, denn es blickte allenthalben nur 
vor, daß in ihm das Gemuͤth eine gewaltige Herrſchaft Über dem 
iptete und daß religisfer Myſticismus, verfhmolzen mit verkehrten 
yeutfcher Nationalität, ihn aufs hoͤchſte Überfpannten. Früher wollte 
ffionnair bilden. Ein Ungluͤcksfall 1817 entfchied vollends den Ver⸗ 
‚ fittlich freien Bewußtfeins in ihm. Es war naͤmlich fein Stuben⸗ 
biter Sreund vor f. Augen beim Baden ertrunten, ohne daß er ihm 
Fortan war Zieffinn die Karbe f. Seele, bis das Wartburgsfeft 
akademiſche Leben zu Jena, wo er feit Mich. 1817 fludirte, feinen 
n Geift wieder etwas aufrichteten. Bei jenem Feſte leitete er mit 
nd übergab den dafelbft verfammelten Jünglingen eine Punctation 
19), die f. Anſicht von einer allgemeinen Vereinigung aller deut⸗ 
er enthielt. Auch fah er Abende die Bücher verbrennen, unter wel- 
„Deutfche Geſchichte“ ſich befand, wodurch er, wie man fagt, zuerft 
iftfteller aufmerffam wurde. Im Herbſt 1818 machte er eine Reife 
‚0 er Zahn Eennen lernte. In Jena erfhien ©. Allen als ein ernft: 
befonnener und nad) dem Guten eifrig flrebender Menſch. Ex ſprach 
It unter den Studenten auf gefeglihe Ordnung. Übrigens war er 
ogen. Burfchenfchaft und eines literarifhen Vereins, aber keines 
heimen Bundes. In Erlangen hatte er felbft ſchon 1816 eine Bur⸗ 
rundet. Dabei war fein Herz vol von der bunkeln „warmen Idee 
fchen Baterlandes”, wie er ſich ausbrüdkte, ohne daf er, wie man 
verfah, über Zweck und Mittel f. eigentlichen Berufes mit ſich ins 
zielmehr in ſich verfchloffen, brütete f. Phantafie über Gefühlen, die 
ı und Politik verfchmolz. Für das Vaterland hatte er einſt im Kriege 
‚en wollen, auch jest war er immerfort bereit, ſich demſelben zum 
ngen. Den neuen Ankoͤmmlingen auf der Univerſitaͤt drückte er die 
ch mit feierlichem Ernſt einzelne große Worte zu ihnen, als ob er fie 
Recht und Vaterland einweihe. Man will bemerkt haben, daß er 
der Eregefe ganz vernadhläffigt, daß er fleißig in der Bibel gelefen, 
le zu Erlangen, Tübingen und Jena den anatomifchen Dörfaal be 
em Geſpraͤche überhaupt wenig zugänglich, mußte er in feinen An⸗ 
iefer verfinken, und bei aller Demuth eine® religiöfen Gemüthe, ſtolz 
Btfein, jeden Andern tief verachten, der ben Schwung feines Gefühle 
ex teilte; er mußte bei Dem, was er für wahr und gut hielt, recht 
nzaͤckig und unbeweglich ftehen bleiben, und ba er die Kraft zu handeln 
ı dazu hatte, den Vorfag immer tiefer in fich wurzeln laffen, etwas 
Idee von dem Vaterlande zu thum, felbft mit Hintanfegung des Le⸗ 
‚ wie er die Zeit anfah, Feine Freude mehr gab. Diefe Gemuͤths⸗ 
en folgende Zeilen, weldhe man von ©. in dem Stammbuche eines 
21. Juni 1818 zu Jena, gefchrieben fand: a HWron 

D 


628 Sand 


fahrt, kurzer Steg und früher Xob”. Hierauf einige überfpannte Au 
Koͤrner's Worte: „Frei woll’n wir das Vaterland wieberfehn ode 
gluͤcklichen Vätern gehn”. — In der Nähe diefes Schwärmers nun 
bue, der durch Ealten Spott und bitten Wig, ohne Gemüth und € 
akademiſche Sreiheit, das Heiligfte in den Augen einer feurig fühle 
angriff und den Verdacht aufſichzog, daß er die Meinung der Gre 
ruffifchen Cabinets durch Öffentliche und geheime Berichte nadhtheili 
tionalebre und die politifche Volkskraft feines ehemaligen Vaterland: 
mußte in S. der mit Verachtung gepaarte Haß gegen dieſen vermei 
. ber deutfchen Nation um fo heftiger entbrennen, je mehr fich ber kraͤft 
Juͤngling durch Geſimung und That über die Sphäre ber Knaben 
fühlte, in die der fpottende Zabel eines der politifchen Angeberei verb 
fpieldichter6, deffen Charakter durch nichts Hohes Ehrfurcht einflößte 
ſche Jugend zurücverfegt fehen wollte. Auch Eonnte es wol keinen 
Gegenſatz geben, als Kogebue, den gewandten, ber Überlegenheit fein 
bewußten Weltmann, die Beißel der Satyre gegen feine Gegner ſchi 
ihm gegenüber ben von Nationalſtolz, Vaterlandsliebe und akabemil 
Darteigeifte zur fecticerifchen Schwaͤrmerei entzändeten S. Nati 
biefer in jenem ben geiftvoliften, mithin den furchtbarften Feind feinet 
Das „Literarifche Wochenblatt”, bie Auftritte in Weimar, Luden's, 
land's, Lindner's Verfolgung, endlich die Stourbza’fche Schrift, bei 
man Kotzebue zufchrieb, dies und manches Andre fcheint den ungluͤ 
nen SFüngling zu dem Entfchluffe gebradyt zu haben, Kogebue zu 

Mit diefem ſchon im Dec. 1818 gefaßten Vorhaben verließ er Jena 
1819 und kam ben 23., früh um 10 Uhr, nah Manheim. Schon 
ließ er fich in Kotzebue's Wohnung anmelden. Es hieß, Kogebue fein 
und &., ber ſich Heinrichs aus Mitau nannte, warb auf den Nachm 
4 und 5 Uhr wieberbeftellt. Unterdeſſen fah er fi) in der Stabt un 
garten um, fpeifte im Gaſthofe an ber Wirthstafel, unterhielt fi; m 
fenden und begab ſich Nachmittags gegen 5 Uhr in da6 Haus Kogebı 
eine Geſellſchaft bei fich erwartete. Er warb in ein Zimmer geführt, 
bald darauf eintrat. Nach den gewöhnlichen Fragen zog S. den D 
ihn mit den Worten: „Hier, bu Verräther des Vaterlandes!“ Kope 
Nachdem er ihm noch 2 Stiche gegeben hatte, gab er fich felbft einen 
nem Beinen Schwert in bie linke Bruft, zog den Stahl heraus und | 
dert die Treppe hinab, bis an die Hausthür, wo er eine Schrift: „R 
Auguft von Kogebue” überfchrieben, die er mit dem Dolche irgend 
beften wollen, einem Bedienten gab, ber nad) ber Wache eilte. Kam 
Straße erreicht, fo rief er bem zufammengelaufenen Volke zu: „Di 
deutfche® Vaterland!‘ kniete nieder und ſtieß mit ben Worten: „ 
Gott, für diefen Sieg!“ das Eleine Schwert wiederholt in feine linke $ 
ſchaffte ihn ins Hofpital und am 5. April ins Zuchthaus, wo er ein be 
mer für ſich allein hatte und mit ber größten Menſchlichkeit behandelt ı 
Jugendkraft friftete ihm, nach einer am 8. April uͤberſtandenen ſchme 
ration, das Leben, ungeachtet die verlegte Lunge eiterte und f. Tode 
Unfähig zu fprechen, gab er anfangs im Verhoͤre ſ. Erklärungen ſch 
flandhaft, auch bei mehren Confrontationen dabei, baf er keine Mitſch 
(was auch durch Eeinen Umftand fich dargethan hat) und bewies bei a 
zen die größte Ruhe und Sanftmuth. Doch hatte ©. den Grumbfet 
ſchuldig fei, dem Richter in denjenigen Punkten die Wahrheit pu fageı 
felbft beträfen. Daher wurde Mehres, was er in Anfehung beittee 9 
führte, theils von ihm ſelbſt yarbutgenenmen, theils ſonſt widerlegt 


Sand 68 


end, die er nach feinem Geſtaͤndniſſe feit Länger als einem Jahre uͤberdacht, 
ich manchem Seelentampfe als nothwenbig für das Geſammtwohl Teuto⸗ 
yefchloffen habe, bebauerte er bloß Kotzebue's Kamille. Sein Schickſal ers 
5. mit Gleihmuth. Er ließ ſich vorlefen, las fpäterhin auch ſelbſt, meift in 
bei, oder in Schiller’s und Koͤrner's Gedichten. — Bei der Unterfuchung 
Papiere in Jena fand man folgenden Anfang eines Briefes: „Ich gehe meis 
Schicjale, dem Schaffott, entgegen”, und einen Brief von ihm an einen 
aten in Jena, den diefer ber Burfchenfchaft vorlefen follte. S. erklärt bar 
| er aus ihrer Verbindung trete — weil es ihr nicht gleichgültig fein koͤnne, 
æ auf dem Rabenſtein fterbe, und er hierdurch nur Dem zuvorlomme, was 
ehin unter dieſen Umftänden für nothwendig erachtet haben wuͤrde — ber 
Hefung aus ihrer Mitte. — In einem andern Briefe bezeichnet er die That 
zu welcher er ſich anſchicke, und fagt: daß es ihm freilich ſchrecklich fei, einen 
ben zu ermorden, aber er koͤnne unmöglich Länger der imern Stimme mwiber 
‚ bie ihn ımabläffig treibe, ben Vaterlandsverräther aus dem Wege zu räus 
Auch aus dem Briefe, den S., kurz vor Veruͤbung f. blutigen That, 
herwandten erlaffen hat, welcher aber erſt ſpaͤter eintraf, überzeugt man ſich, 
nur das Opfer f. eignen fanatiſchen Werbiendung, nicht das Werkzeug eis 
eſchwoͤrung geweſen ift; aber nicht ohne Wehmuth kann man in biefen Zei⸗ 
Kampf eines edlen Gemuͤths, aus welchem Großes hätte werben können, 
Berirrungen einer wilden Schwärmerel und ben Sieg der letztern erblicken. 
rief ift abgedruckt in der „Allg. Zeit.“, 1819, 106 fg. Der Bruder des 
fichen und f. DRutter erhielten die Erlaubniß, ihn zu ſprechen; allein S. 
en Befuch ab, weil er fie nicht ohne Zeugen fprechen durfte. Die Unter 
: ward in Manheim von dem Oberhofgerichtskanzler v. Dohenhorft, 2 Obers 
htsraͤthen und dem Stabtdirector v. Jagemann, als einer befonders hierzu 
weten Commiffion, geführt, welche mit den Gommiffionen zu Weimar, 
ade und Gießen und mit dem berliner Polizeiminifterium correfponbirte. 
hickte man von Karlsruhe Auszüge aus ben Unterſuchungsacten an bie Gens 
sfucchungscommiffion in Mainz, welche in ihrem Berichte vom 1. Mai 
m die Bundesverfammlung in Srankfurt S.’8 That als Probuct des durch 
gehegten Treibens ber Jugend barzuftellen fid; bemüht, aber Leine Mit 
verfelben entbedt hat. (&. „Allg. polit. Ann.”, VII, 1) Am Schiuffe 
Nanheim geführten Unterfuchung bezeugte das bafige Stadtphyſikat, daß 
fie im Befig richtiger Sinne fei. An feiner Vernunft habe man nie eine 
ung wahrnehmen können. Indeſſen babe es ſich, befonber& in den Auße⸗ 
des Inquiſiten über Politik und Religion, unverkennbar außgefprochen, daß 
stand mittelmäßig (nicht umfaffend, nicht fcharf, nicht gründlich) und ganz 
Herrſchaft eines heftigen, überfpannten Vorſtellungs⸗ und Gefuͤhlsvermoͤ⸗ 
fangen ſei“. &. felbft ertiärte: „er bäte Gott täglich um Erkenntniß und 
«ung. Wenn er durch göttliche Eingebung erfenne, daß feine That umrecht 
verde er fie zu jeder’ Stunde bereuen; bisher fei dieſes jedoch nicht gefches 
Die verſuchte Seibftentleibung aber wollte S. gar nicht vertheidigen. Sein 
hen nannte er einen Colliſionsfall mit den weltlichen Geſeten, welche auf 
orb die Strafe ber Wiedervergeltung fepten; auch nahm er den Grundſat 
ig an: „ber Zweck heilige die Mittel". S.'s gerichtlicher Vertheidiger, 
entiat Rüttger zu Manheim, fuchte die That pfochologifch zu erklaͤren und 
wbrecher als gemuͤthskrank, der in dem Irrthum, eine Handlung ber Noth⸗ 
m begehen, befangen gemefen, barzuftelen. Am 3. Sept. 1819 war das 
Woerhör gembigt, und bie Acten wurden dem manheimer Hofgecichte, ale 
Wentlichen Richter, den 10. Nov. 1819 übergeben. Das von diefem am 
u 1820 geſprochene Zobesurtheil wurde von dem Großherzoge van Wahen 


630 Sand 


beftätigt ımd am 20. Mai, früh halb 6 Uhr, mit dem Schwert volle 
ungluͤckliche Verbrecher behielt ſ. Faffung und die Überzeugung, daß er 
einig fei, bis zum legten Augenblide. Er flarb in einem Alter von 24 
naten. Auf demfelben Kicchhofe, dem evangelifch = utherifchen, wo e 
wurde, liegt auch Kogebue. — Die peinlichfle Strafe für ihn würde 
fein, wenn fein moraliſches Bewußtfein zur Klarheit gelangt wäre und er 
hätte, daß kein Einzelner befugt if, der Zeit und dem gefeglichen Wil 
feufchaft vorzugreifen und an fein Urtheit, an feine Überzeugung, wir 
Leben, fo das Leben eines Andern, der unter dem Schuge ber Geſetze un 
kerrechts fteht, und das Gluͤck einer ſchuldloſen Familie zu fegen; wer 
fehen hätte, daß Recht und Wahrheit gegen ungerechte und falfche Mı 
durch die Spige eines Dolchs fiegen können, fondern daß fie baburd 
vernichten ; daß er alfo nicht bloß der Mörder eines Schriftftellers, dei 
öffentliche Meinung entlarot und vernichtet hatte und ber eben darum 
war, Deuffchland ganz zu verlaffen, fondern daß er auch der Moͤrde 
Sache war, für die er fein Leben einzufegen glaubte; wenn er einge 
welch ein ungeheuer Irrthum es iſt, fi) durch ein Inneres Gefühl 
glauben, an bie Stelle des Geſetzes, des Richter und des Urtheilg fı 
meinung fegen zu müffen und biefer Alles preisjugeben, was ber v 
Feind Heiligeß und Theures auf Erben hat. Weldy ein Wahnfinn, | 
Rathſchluſſe Gottes entgegenzuftreben, der auch dem Sünder, wie den 
Zeit läßt, infichzugehen und fich zu beffern! Und was hatte endlich I 
than, wofür er nicht ſchon in der Öffentlichen Meinung büßen mußte? 

Kogebue fonft noch gegen Myſticismus und Schmärmerei gefchrieben | 
ſich nicht nur wahr, fondern erhielt fogar duch S.'s That die furcht 
kraͤftigung. Nun erft, durch S.'s Verbrechen erſchreckt, fanden Viele hı 
Anfhuldigungen des akademiſchen Geiftes den Schein der Wahrheit. 

lic) Kogebue an Deutfchland ein Verräther, fo war er es durdy offenkun 
ten; und hatten biefe nicht fehon Widerleger gefunden? — Deffenun 
regte S.'s That allgemein faft ebenfo viel Bedauern ale Abſcheu. K 
in der öffentlihen Meinung zu tief gefunten, und fein Mörder ſtand in 
eines Heros ber beutfchen Jugend, Eräftig und ſchoͤn gebildet, wie er 
und ernft, wie er fich aͤußerte, tadello8 und brav, wie man fein fr 
Eannte, in den Augen ber leichtfinnig urtheilenden Menge als ein freiwi 
tyrer des Vaterlandes da, ſodaß es Bethörte gab, die feine That für ei 
Zeichen der Zeit erklärten. — Uns duͤnkt, S.'s That warfo wenig ein 
als ein ſchoͤnes Zeichen der Zeit. Denn in jeber bewegten Zeit gab e 
kraͤftige Menfchen, ohne Klarheit und Zufammenhang in ihren Idee 
darum, von dunkeln Gefühlen überwältigt, den Verhältniffen trogten 

ben an eine ungeheure That — fo mußte ihnen da6 Verbrechen des 

feinen — festen, um ein dunkles Etwas, das fie Idee nannten, zu 
So handelten Hunderte in der Zeit der franz. Revolution, fo Charle 
fo einft Zell, fo in unfern Tagen Schill, fo der heldenmuͤthige Juͤngl 
Aber unter Allen Äberfprang Keiner fo anmaßend kuͤhn die fittliche O 
göttlichen Gefeges: „Du (d. h. Du Einzelner nach deinem ſubjectir 
ſollſt nicht toͤdten“, als der von feiner Meinung und feinem Stolge b 
thodifhen Wahnfinn bethörte S. Was wir von Ravaillac wiffen, lau 
wie Das, was ©. erklärte, nur daß Heinrich IV. im moraliſchen S 
hoch über Kotzebue fteht als S. über Ravaillac. Diefer wollte nämlk 
ftenheit von einem Eriegsluftigen König, den er für einen Feind der ( 
hielt, befreien, und dußerte in jedem Verhoͤr, daß er Chriftum im Ha 
Die Idee der Religion bethärte den Mürver Hemit IV, die Foer 


Sandale 651 


ben Mörder Kotzebue's. Jener wurbe von fanatifchen Prieftern in 
eſtaͤrkt, dieſer ward von feinem eignen ſtolzen Wahne, daß er berus 
zen Welt ein Beifpiel zu geben, zum Morde hingetrieben. Jener 
ben, daß feine That Europa von einem Kriege befreien würde, bies 
Grund, zu glauben, daß feine That Deutfchland gegen ben Des: 
en werde, für deffen Anwalt er Kogebue hielt. S. hat bloß bie alte 
neue beftätigt, daß der alles vernümftige Nachdenken ausfchließenbe 
verbunden mit der gefegridrigen Rohheit vieler jungen Leute, ſich 
ibſthuͤlfe zu erlauben, ein Eräftiges, nach Sieg und Ruhm dürften» 
a8 fein Leben, andrer Umftände wegen, ohnehin gering achtet, fehr 
Schwärmerei verleite, welche Geſez und Ordnung unter die Süße 
8 leugnen wir nicht, daß S.'s Myſticismus mit einer hochherzigen 
var; und diefe auf eine Nationalfache gerichtete Kraft, bie unferm 
cismus, der, aus Schwäche und Scheu vor dem Denken entfpruns 
todethorheit ift, gänzlich fehlt, war ed eben, was dem ungluͤcklichen 
: Bewunderung des großen Haufens und das theilnehmenbe Mit 
en Menfchen gewann. Darum glaubte auch der berliner Profeffor 
de Wette, einen Troſtbrief an &.’8 Mutter (bie deffen, wie wir 
wburfte) fchreiben zu müffen (Berlin, d. 31. März 1819), in wels 
fagte: „Die That ift — allgemein betrachtet” — (warum nicht: 
unfittlidy und der fittlichen Geſetzgebung zumiderlaufend. Das 
durch das Boͤſe überwunden werben, fondern allein durch das Gute. 
‚ Lift und Gewalt kann kein Recht geftiftet werden, und ber gute 
icht ungerechte Mittel”. Allein wie fol man damit die übrigen 
ciefes zufammenteimen, z. B.: „Sowie die That gefchehen ift, mit 
, diefer Zuverſicht“ — beide find ja offenbar die eines Schwärmers, 
Gefühl und Einbildung zum Irrwahn bethärten Dienfchen gewe⸗ 
ein ſchoͤnes Zeichen der Zeit“!? Wenn dieſe und ähnliche Stellen . 
agen wollen, als: auch ein guter Menfch kann unter gegebenen 
DBegeifterung für eine Idee zum Verbrecher werden, wenn Vers 
tand (bei hundert Andern hindern dies freilich Furcht und Schwaͤ⸗ 
Befuͤhl und feine Einbildungskraft beherifchen, fo waren fie doc) 
‚abgefaßt. Der Staatsrath v. Hohenhorft (vorfigendes Mitglieb 
Hungscommiffion) gab eine „Voilſt. Überficht der gegen Sand ges 
hung” (aus den Acten gezogen, bei Gotta 1820) heraus; allein 
3 Buches ward erft im Oct. 1323 geftattet. — Auch findet man 
em Zufammenhange mit Allem, was ihr vorausgegangen , in der 
hem Scharfblid und hiftorifcher Unparteilichkeit verfaßten, aus den 
zeſchoͤpften Schrift: „Actenauszuͤge aus bem Unterfuchungeproceh 
id, nebſt andern Materialien zur Beurtheilung deffelben und Aug. 
it + Bruftbildern von Sand und feinen Altern” (Altenburg und 
Als Ergänzung diefer Hauptfchrift Iefe man: „Noch 8 Weis 
hichte Auguft von Kogebue’s und K. 2. Sand's“ ( Mühlbaufen 
K 


le, eine Art Fußbekleidung bei ben Griechen und Römern, die 
schften Alterthum finden. Sie beftand aus einer dicken Korkfohle, 
ıten mit Leder überzogen und am Rande zierlich gefteppt war. Sie 
Theil des Fußes bloß und war mit gekreusten umb gefchlungenen 
3 auf die Mitte des Schenkels befefligt. In der fpätern Zeit warb 
Sandalen ein außerordentlicher Luxus getrieben und bie vormehmen 
befondere Pantoffelträgerinnen. — Die hoͤhern kath. Beiftfichen 
| eine Art Pofkbar geitidter Soden, die mn Sandalen aront. 





ab, daß fie ſich des Fleiſches von erflichten Thleren und des B 
ihr Privateigenthum noch mehr dem allgemeinen Beften widm 
in England, wo f. Secte weniger Eingang gefunden hat als i 
Anmuth und Feierlichkeit ihrer häufigen Andachtsverſammlung 
den, die innen beimohnten, ſeht gerühmt. 

Sanbdifort (Eduard), Drofeffor zu Leyden, Nachfo 
Anatomen B. S. Albin, glaͤnzt in dem naͤmlichen Fache mit 
Sein wichtigſtes und für alle Zeiten brauchbares Werk iſt f. „I 
mifchen Sammlung zu 2eyden” („Museum anatomicum ac 
Batavae“, Leyden 1793, Fol. 2 Bde., mit 136 großen und t 
Kpfn.), die ſich an Albin's „Beſchteibungen bes Ruyſch ſchen 
paratencabinet8" anfchlieft. Es iſt am meiſten für pathologi 
tig, ebenſowie f. „Observationes anatomico-pathologicae“ ( 
4.) und bie Fortfeg. berfelben: „Exereitationes anatomico-a« 
1783— 85,2 Bbde., 4.). Alte diefe Werke enthalten jedoch au 
für die phyſiologiſche Anatomie. Außerdem gab er heraus: , 
tationum, programmatum aliorumque opuseulorum ad ı 
facientium” (Rotterd. 1768, 1769, 4., Leyd.1778, 4.), ein 
lung in 3 Bbn., mit Kpfn. 

Sandſchak (türkifch, ein Roßſchweiſ), bedeutet Im tı 
terbefehlähaber, der als Ehrenzeichen nur einen Roßſchweif 
Paſchas 2—3 haben. In der Regel find and) bie Sandſch 

nerer Landesbezirke, welche nach ihnen Sanbfchtatate (& 
nannt werben, und bern 3— 4 ein Paſchalik auomachen. 

Sandrart (Joachim v.), geb. zu Frankf. 1606, ver 
gezeichnete Bildung und widmete fi der Malerei und Kup! 
aus ſchließend. Sein Lehrer Gerh. Honthorft nahm ihn mit n 
erwarb er ſich angefehene Gönner, 5. B. den Herzog von Buck 
Tode er nach Itallen ging. Ex flubirte in Venedig, Bo 
Rom bie Werke der größten Deeifter. Auch ihm ward der Aı 
von Spanien ein großes Gemälde zu arbeiten. Diefes fteilte | 


Bar Hoch malte an ie Kane Anııla had Mardhofe Minktiniami en 


Sandſtein Sandwichinſeln 688 


h Naͤrnberg berufen, two er bie Portraite bes ſchwed. Königs , der Geſandten 
a deldherren malte. In f. Gemälden verfolgte er die Bahn des Paul Veronefe, 
gan und des Angelo Merigi. In der Kupferftechertunft war er Merian's Schuͤ⸗ 
A verzierte durch ſ. Arbeiten f. und andre literarifche Werke. Durch diefe hat 
am meiften berühmt gemacht; vor allen aber durch das Werk: ‚Die deutfche 
der Baus, Bildhauer » und Malerkunſt“ (von 1675 an); auch ift feine 

g von Profpecten Roms gefhägt. Er beſchloß f. thätiges Leben im J. 

Daſſelbe hat Rochlig in dem „Frauentaſchenbuch“ gefchildert. 

Sand ſtein heißt jedes aus zufammengefitteten Sandkoͤrnern gebilbete (re⸗ 
wkte) Geſtein von koͤrniger Steuctur im Kleinen, und Schichtenftructur im 
We Mücdkfichtlich f. Maſſe mus man die Subftanz der Körner und jene bes 

ober Bindemittels, ruͤckſichtlich f. Tertur vorzüglich die Größe der Koͤr⸗ 
das Mengenverhaͤltniß derſelben zum Caͤment berüdfichtigen.. Da Quarzs 
in den meiften Sandfteinen vorherrfchen, fo unterſcheidet man nach der Bes 
bes Caͤmentes: Kiefelfandftein, Thonſandſtein, Kalkfandftein und Eiſen⸗ 
. a) Der Kiefelfandftein hat ein bald fehe vorherrfchendes, bald 
zurüdgebrängtes quarziges Bindemittel, ift meift weiß, grau und roth, 
Stable Funken und Elingt unter dem Hammer. Er ift ein trefflicher fehr 
angerwendeter Bauftein. b) Der Eifenfandftein wird von Quarzkoͤr⸗ 
weit Eiſenoxyd ale Bindemittel gebildet, bat gelbe, braune und braunrothe 
und ift zum Theil fehr hart. ec) Der Kalkfandftein befteht aus Quarz» 
(audy Feldſpath⸗, Thonſchiefer⸗ und andern Körnern) mit kalligem Bins 
er iſt weiß, grün, gelb, braun, oft weich und mürbe, erhärtet jedoch an 
Bft und ift dann ein fehr brauchbarer Bauſtein. d) Der T bonfandflein 
be aus Quarzkoͤrnern und thonigem Bindemittel, ift weiß, roth, grün, geau,ı 
Theil bunt gefleckt und geftreift, nicht felten fchleftig und meift weicher und 
ber als die übrigen Sandfteine. — In geognoflifcher Hinficht gehört der 
Dſtein zu den Slöggebirgen und man unterfcheidet folgende Hauptformationen 
ben, an welche die begeichneten Arten jedoch keineswegs gebunden find. 1) Der 
re Sandftein findet fih in großen Maſſen in der Gegend von Ilfeld am 
I, in Thuͤringen, in der Grafſchaft Glatz, in Böhmen, in der Rheinpfalz, 
we fisdlichen Alpen ıc. 2) Der bunte Sandftein findet fich beſonders in 
Iengebung des Harzes, am Niederrhein, in England xc. 3) Der Quader⸗ 
Bein, welcher vorzugsmeife als Bauftein benugt wird, findet fih am Nord» 
B des Harzes, In Weſtfalen, in der ſaͤchſ. Schweiz, in Böhmen, Schlefien ıc. 
der Mergelfandftein oder die Molaffe findet ſich in Oberfchlefien, Pos 
Balisien, in der Schweiz ıc. Außer biefen 4 Hauptformationen findet man 
moch bedeutende Sandfteinmaffen andern Gebirgsformationen untergeordnet. 
erwähnen von biefen nur den Kohlenſandſtein, welcher ein weſentliches 
d der Steinktohlenformation und Älter als der rothe Sandftein ift. Aller Sands 
‚enthält mehr oder weniger Verfteinerungen; der ältefte gewöhnlich nur Baums 
me und Pflanzenabbrüde, der jüngere auch Mufcheln von Land = und Seethier 
— De Sand beſteht aus feinen Körmern und Gefchieben von Quarz und 
zu Geſteinen und enthält foffile® Holz, zumeilm Gold, Bernftein und Ges 
be oft von ımgeheurer Größe. Er bededtt fehr bedeutende Randitriche, 5. B. 
we morbdeutfchen Ebene, in Nordafrika ıc., bildet oft fehr mächtige Schichten 
zeweilen ganz bedeutende Bügel, z. B. bei Potsdam. Er wird zum Bit: 
neigen, zum Schleifen, zu Sanduhren ıc. benugt. 

Sa Ind wichinfeln, eine Gruppe von 10 bewohnten und 2 unbewouiten 
ſeln ins noͤrdl. Theile des ſtillen Meeres (ſ. Südfee), zwiſchen 18 —240 N. 
und 1540 — 165° W. L. von Greenw., welche Coce auf ſ. dritten Reiſe um 
Weit entdeckte und nach dem Grafen Sandwich, erſtern Loxd ter Webxex. 


684 Sandwichinſeln 


benannte. Auf ber größten, Hawaii (Owaihl), warb Cook 1779 getoͤdt 
Inſeln, unter welchen jezt Dahu (Woahoo) die am meiſten beſuchte ift, 
fammen 360 IM. groß, ſcheinen vulkaniſchen Urſprungs zu fein, ench 
Berge (darunter der hohe Mauna-Roa auf Owaihi) und Thaͤler mit fa 
Boden. Das Klima ift dem mweftindifchen ähnlid) , mur noch gemäßigte 
fer ift überflüfjig vorhanden. Schweine, Hunde, aus Europa eingefäh 
thiere, Tauben, wilde Gänfe, Wafferhühner, Fifche, Arummurzein (b 
gegenftand ihrer Landwirtbfhaft), Yamswurzeln, Ananas, Patata 
rohr, Brotfrucht, Kokoebäume, Pifange, Sandelholz, Papiermault 
Kartoffeln, europaͤiſche Vegetabilien, Schiefer, Wepfteine, Marmor: 
Haupterzeugniffe. Die Einw. (nad) Cook 400,000), jest durch Trunkſi 
philis und Kindermord auf 150,000 geſunken, find von der malaiif 
: wohlgebildet und von bumklerer Farbe als die Tahiter, haben einen fanften 
und find aͤußerſt gefchickt in Verfertigung von Zeuchen und Matten, bie üı 
der Seinheit, Zierlichkeit und Dauer alle andre Matten übertreffen; aı 
fie Angelhaken von Perimutterfchalen, Knochen oder Holz, bauen Schif 
ropaͤiſcher Art und haben es in Verfertigung von Striden, Netzgarn, € 
Tauwerk fo weit gebracht, daß fich die Seefahrer damit verfehen, welche di 
werk für dauerhafter halten ale das europäifche. Europaͤiſche und no: 
nifche Schiffe taufchen hier gegen europ. Waaren von den Einw. frifche ! 
tel ein. Diefer Verkehr bildet die Sandwichinſulaner fchneller als and: 
bewohner zu einem Handelsvolke um. Viele von den Eingeborenen wı 
ale Zimmerleute, Bötticher, Schmiede und Schneider gebraucht, und 
ihre Arbeit fo volllommen wie Europäer. Diele von ihnen haben fd) 
nach China, der Nordweſtkuͤſte von Amerika, den Vereinigten nordame 
Staaten und nad) England unternommen. Der junge König und die I 
Sandwidjinfein tamen 1824 nad) London. Beide ftarben daſelbſt in ein 
den 8. Juli 1824, und der Cap. Lord Byron brachte ihre Leichname 
Heimath zurüd. — Der 1819 verft. König Tamaahmaah, der fidh ı 
biefer Gruppe (mit Ausnahme zweier, Atooi und Onehau) umterworfen h 
feinen Wohnfig auf ber Inſel Woahn, und benugte den Verkehr mit der 
titan. Seefahrern und den fich hier aufhaltenden Weißen, barımter vie 
der, um feine Unterthanen immer mehr zu bilden. Ex unterhielt über. 
Sahrzeuge, alle von f. Schiffegimmerleuten, meiftens Eingeborenen, er 
befaß ein amerikan. Schiff von 200 Tonnen, welches er einem amerikan 
abgekauft hatte." Er ließ es durch f. eignen Schiffözimmerleute auf 
welchem Zwecke ein eigned Werft gebaut wurde. Er bewohnte ein auf 
erbautes Haus, vor welchem 15 Kanonen fanden und wo ein mit F 
Bayonnetten verfehenes Militair von ungefähr 00 M. Wache hielt. Er! 
beträchtlichen baaren Schag und einen großen Vorrath an europ. Waaren 
lich Kriegsbebürfniffe, die er durch Handel mit den Schiffen, welche his 
erlangt hatte, hinterlaffen. Seine Reſidenz war bie Stabt Hanarura 
Hafen, welcher durch eine Sandbank gebildet wird, die ihn vor der See 
und wo bie Schiffer bei jedem Wetter einlaufen koͤnnen. Tamaahmaal 
Berfahren nach fo firengen Regeln der Gerechtigkeit ein, daß die Fremden 
Hafen vollfommene Sicherheit fanden. Daher legt jest faft jebes diefen 
Oceans befahrende Schiff hier an, um ſich auszubeflern und mit Lebent 
verforgen. Seit 1820 haben Miffionnaite die Einführung des Chriften! 
wirkt und Schulen angelegt. S. Ellis, „Tourthrough Hawaii or 0 
(deutſch, Hamburg 1827). Lehrreicher noch find Mathifon’s 2 
Sandwichinſeln“ und Lord Byron's „Voy. of the Blonde to the San 
lands for 1824 ete.“ (London A8T1, &). 


Sandwichland Sannazaro | 635 


dwichland, eine Gruppe von 5 größern und mehren kleinern In⸗ 
: Grenze des füdt. Eismeeres, unter dem 60° S. Br. und 350° D. 
‚ mit Eis und Schnee bedeckt, ohne alles Wahsthum. Die Sübfpige 
bliche Thule. Cook entdeckte diefe Gruppe 1775. (&. Sübpolars 


guinifch, Sanguiniter, f. Temperament. 

hedrin (ſyriſch) oder Synedrium (grieh.), Rathsverſamm⸗ 
das hoͤchſte geiſtliche und weltliche Gericht der Juden (vgl. d.), wel⸗ 
ichdem ihre Hasmonaͤiſchen oder Makkabaͤiſchen Prieſterfuͤrſten durch 
verdrängt worden waren, zur Entſcheidung ihrer innern Streitigkeiten 
zenheiten errichteten. Es beſtand, unter dem Vorſitze des Hohenprie⸗ 
1 Beifigern aus den Ständen der Prieſter, Älteſten und Ausleger des 
chriftgelehrten), die im N. Teſt. gemöhnlich die Glieder des hohen Mas 
? Oberften genannt werden. Außer diefem hoben Rathe, der in Jeru⸗ 
ı Mohnfig hatte, gab es Eleinere aus denfelben Ständen zufammenges 
wien oder Untergerichte in dem Landftäbten. In Jeruſalem felbft wa⸗ 
e Untergerichte. Durch die roͤm Procuratoren warb dieſe Natidmalbes 
ie Angelegenheiten der Religion und die Schlichtung derjenigen Dänbel, 
Beobachtung des mofaifchen Geſetzes betrafen, eingefchräntt,. und 

in Sachen diefer Art die Todesſtrafe nicht eigenmächtig verhängen. 
tſtoͤrung Jeruſalems durch die Roͤmer ward ſie mit dem juͤdiſchen Staate 
loͤſt. — Das von Napoleon 1806 zu Paris zuſammenberufene große 
war nur eine vorübergehende Maßregel, um die bürgerlichen Behälter 
den im frans. Reiche zu orbnen. 

‚nazaro($acopo), ein ausgezeichneter Dichter d. 15. und 16. gabe 
nd latein. Sprache, war 1458 zu Neapel geb., wo feine aus Spanien 
Familie fich niedergelaffen hatte. Seine gelehrte Bildung verbanft er 
des Giuniano Maggo, und hauptfächlich der Akademie des Pontano, 
als die gelehrteften Männer von Neapel vereinigte, und in welcher er nad) 
kademiſchem Gebrauch den Namen Azzio Sincero annahm. Die Liebe 
na Bonifacia, die er u. d. N. Harmofine und Filli befungen hat, ent: 
ı poetifches Talent. In der Hoffnung, ſich von diefer Leidenfchaft durch 
ng zu befreien, reifte er nach Frankreich, Lehrte aber, von Sehnfucht 
, bald nady Neapel zuruͤck, wo er jedoch feine Beltebte nicht mehr am 
. Mährend feiner Abmefenheit fchrieb er die „Arcadia‘, eine Reihe 
ı, welde zwar, wie feine übrigen Gedichte in italien. Sprache, eine 
sit ift, dennoch aber einen bleibenden Werth behauptet. Kine fanfte ein» 
de Poefie und eine reine Sprache und wohlklingende Berfification find 
e diefes Werks, welches aus Profa unb Verfen gemifcht if. Seine 
zen bie Aufmerkfamkeit des Königs Ferdinand und feiner Söhne, Als 
Friedrich, auf fi, welche ihn zu ihrem Begleiter auf ihren Reifen 
gen wählten. Friedrich, welcher 1496 den Thron beftieg, ſchenkte ihm 
m gelegene Villa Mergellina und gab ihm auferbem ein Fahrgeld von 
tem. Aber S. follte diefes Glüͤck nicht lange genießen. Sein Wohl» 
te 1501 auf fein Reich Verzicht leiſten und feine Zuflucht nad 
nehmen. ©. hielt es für einen Treubruch, fi fortan eines Bes 
freuen, deffen Geber im Unglüd ſchmachtete. Er folgte feinem Fürs 
Verbannung, und kehrte erft nach dem Tode deffelben nach Neapel zus 
ibſt ee 1533 ftarb. Er mard in der Kirche beigefegt, die er auf feiner 
ut, und Santa-Maria del Parto benannt hatte. Außer der angeführ: 
dia’ ſchrieb S. in italienifcher Sprache noch Sonette und Ganzonen, 
falls duch Reinheit der Sprache empfehlen , ohne weiter adgenuignrt 


636 Sansculotte Santander 


zu fein. Die befte Ausgabe dieſer italien. Werke erſchien 1723 in *. u 
d.®.: „Le opere volgari dei Sannazaro da varj illustrate”. Faſt 
rühmter ift Samnazar durch feine latein. Gedichte geworben, welche auf 
längern Gedichte in 3 Büchern: „De partu virginis‘‘, in Elegien, & 
Epigrammen beftehen. Unter legtern iſt das lobpreiſende Epigramm auf 
das befanntefte, das 6 Verfe enthält und von dem venetianifchen Senat 
Dukaten belohnt wurde. Eleganz und forgfältige Wahl des Autdend 
Seinheit der Gedanken und poetiſcher Schwung mweifen ihnen umter den lat 
fien der neuern Zeit einen ausgezeichneten Plag an. 

Sansculotte (ein Menſch, der Eeine Beinkleider hat), ware 
name, den in ber franz. evolution bie ariftokratifche Partei der patriot 
Iegte. Es ging damit wie mit dem Spottnamen gueux in ben nieberlä 
ben unter Philipp II., aus welchem der Ehrenname Beufen geflempı 
Eine Zeitlang war es naͤmlich in Frankreich guter Ton, für einen Sant 
gelten. 

Sanffrit: oder Samflrit- (d. h. vollkommene), aud Dev 
(d. h. göttliche) oder bramanifche Sprache (weil fie von den Bramanın ı 
verftanden wird), heißt die gegenwärtig ausgeſtorbene Sprache der Hint 
außer vielen Schriften verfchiedener Art die Religions» und Geſetzbuͤ 

Volks abgefaßt find. Die auffallende Ähnlichkeit zwifchen dem Sanſkri 
Griechiſchen erinnert an Gibbon's Behauptung, baf Einiges, vielleicht 
inbifchen Wiffen von den Griechen der baktrifchegriech. Colonle herruͤh 
Bopp bat ein „Ausführl. Lehrgebäude der Sanſkritſprache“ (Berlin 
herausgegeben. Eine populaire Überficht der Sanſkritliteratur hat A. Laı 
worfen in f. „Monum. litteraires de l’Inde, ou melanges de littcrat 
erit etc. (Parie 1827). (S. Indiſche Sprahen nd Spraden 
Sandfouci, ein. preuß. Luſtſchloß, auf einem Hügel vor den 
burger Thore von Potsdam, wo Friedrich der Gr. fi) am liebſten aufhi 
er auch der Weife von Sansfouci genannt wird. Das Schloß bat nur 
wert und iſt Bein, aber von herrlicher Bauart und im Innern vortreffi 
ziert. In dem runden Marmorfaale bevvundert man die Säulen, bie 
und den nach florentinifher Art mit Blumenwerk ausgelegten Fußbode 
bat von dem Schloſſe aus eine reizende Ausficht über die Stadt und ihre: 
gen. Vorwärts erblidt man ben Weinberg mit f. 6 Terraffen, deren jed 
fen und die beften Weinſtoͤcke unter Gtasfenftern hat. Am Fuße des! 
ein Luſtgarten. Merkwuͤrdig find auch die beiben Pavillons zur rechte 
fen, die Drangerie und bie Bildergalerie. Aus dem Luſtgarten geht m 
Dark, wo ein japaniſches Haus zur Linken der Hauptallee ſteht. Zu bı 
- ten ber fteinernen Brüde find ſchoͤne Tempel, berem einer die koſtbare f. 
von gefchriittenen Steinen und Alterthuͤmern aus den Verlaſſenſchaften di 
von Stoſch und des Cardinals Polignac enthält. — Das neue Schloj 
neue Palaft, welchen Friedrich der Gr. nach dem hubertöburger Friede 
ließ, ift äußerft ſchoͤn, prächtig und gefhmadvoll. An dem ganzen Gel 
Beine andern als Fenſterthuͤren, die mit ben übrigen Fenftern eineriel d 
ben, ſodaß die Eingänge und Treppen nicht ind Auge fallen. König Friet 
heim II. erbaute noch das fogen. Mamorpalais im neuen Garten und 
demfelben die Säulen einer Colonnade in Sansſouci. 

Santander (8.-Andero), eine Heine Landſchaft Spaniens (I 
tanas de Santander e de Burgos), an der fübl. Küfte der Bat von Bik 
fteilen Bergen und tiefen Xhälern beftehend. Sie ift reich an Eifen vom 
Gattung, und in den Fleinen @ebirgeftädten La Cavada und Aergams gi 

nonengießereien und Gugtahlfahtiten. Die Koͤſte hat einige treffliche HA 


Sappe Sappho 637 


port gl. N. hat den geräumigften Hafen, ber ſehr gut gegen Winde gefchügt 
für Banbeisfchiffe von jeder Größe zugänglich iſt; Fregatten von 40 Kanonen 
Binnen nur mit der Flut einlaufen. S. mar längft einer der zum freien Hans 
sit dem fpan. Amerika berechtigten Häfen, die man puertos habilitados nennt, 
bat auch viel Verkehr mit dem noͤrdl. Europa, wohin ed u. a. viel Wolle aus⸗ 
- Die Stadt zählt 10,000 Einw. und ift feit 1754 der Sitz eines Bifchofs, 
me nautiſche Schule und Sciffswerfte. 

Sappe, ein Graben, in welchem fih Truppen einem befeftigten Plage 
a umd daher nicht leicht gefehen und befchoffen werben koͤnnen. Nach Bes 
enheit ihres Gebrauchs unterfcheidet man die mit leeren und hernach erfl 
vorn Arbeitern ber Laufgräben zu füllenden Schanzkörben gebaute Sappe, bie 
beige Sappe (sappe volante) und die volle Sappe (sappe pleine), wo 
appeurs bie Scyanzkörbe felbft ausfüllen. Läßt man Erbmaflen, die man 
den Tann, in der Sappe ftehen, fo nennt man ſie die wendenbe Sappe 
e tournante). So gibt e8 audy eine Doppelte Sappe (sappe double), 
we Seite von ber andern gebedit wird, und eine bedeckte Sappe (sappe cou- 
). Dieſe befteht aus einem bedecten Gange von 6 Fuß Höhe und 5—6 Fuß 
e, der von Drt zu Drt mit Blenben ausgefegt und mit Faſchinen bebedkt iſt. 
Gebrauch der Sappen Eannten fchon die Alten bei ihren Belagerungen. — 
peurdwird ein Arbeiter genannt, ber beſonders darauf eingelernt ift, alle Arten 
Zerfhanzungen zu bauen und Mauern zu unterminiren. Die Sappeuts bils 
ri den meiften Heeren eim beſonderes Corps, find mit Haden, Schaufeln und 
Inerımeffern vesfehen, und werden hauptſaͤchlich bei Belagerungen gebraucht. ' 
t if nb auch die eigentlichen Mineurs und Pionniers mit diefem Corps ver⸗ 


* apphir oder Korund. Dieſer Edelſtein findet ſich theils kryſtalliſtrt 
homboẽdern oder in ſpitzen Gſeitigen Pyramiden, theils in Koͤrnern; er iſt 
J oder blau, roth, gruͤn, gelb und braun, oft ſehr lebhaft gefaͤrbt, durch⸗ 
glasglaͤnzend, zuweilen mit öſtrahlig ſternfoͤrmigem Lichtſcheine oder opa⸗ 
9 Der Brad) ift mufchlig bis uneben, die Härte nach der bes Diamant 
ſichſte im Mineralreiche, das fpecif. Gewicht — 4.0. Er befteht aus reiner 
erde. Die ale Ebdelftein brauchbaren Abänderungen finden ſich im Sande 
8 Fluͤſſe Oftindiens und Ceylons, ferner zu Hohbenftein in Sachſen, Bilin in 
wen, Erpailiy in Frankreich. Die Steinfchleifer unterfcheiden nad) der Karbe: 
wientalifhen Rubin, cochenill⸗ und carmolfincoth; orientalifhen 
a6, gelb; orientalifhen Amethyſt, violet; orientalifchen 
sragd, grün; männlihen Sapphir, rein und lebhaft blau; weib⸗ 
a ©., blafblau; Luchs ſapphir, ſchwaͤrzüchblau; Birafolen, die 
renden, und Sternfapphire, die mit flernförmigen Lichtfcheine. — 
weiften werben die Rubine gefchägt, nach ihnen die rein blauen, dann bie vio⸗ 
I, gelben und endlich bie farblofen Sapphire. Sehr ſchoͤne Rubine bezahlt 
oft viel theurer als farbige Diamanten von gleichem Gewichte, auch fleigt ihr 
> in einem noch rafchern Verhältniffe, während ſchon die blauen Abänderums 
we Preiſe jederzeit tief unter dem Diamante ſtehen. Durch ungleiche und 
lei Karben, Wolken und truͤbe Stellen wird ber Werth ber Steine fehr ver 
m. — Man ſchleift die Sapphire theils als Brillanten und Rofetten, bie 
renden und Sternfapphire en cabochon. Die Heinen Steine endlich, ſowie 
üben und mißfarbigen Varietäten werben zum Graviren, oder in Pulverform, 
Schmirgel zum Schleifen und Poliren andrer Edelfteine benugt. — Für Rus 
werben bisweilen faͤlſchlich rothe Varietäten von Spinell, Granat, Poasinth, 
geglühete Amethufte und Topaſe verkauft. 
Sappho, eine der berühmteften griechifchen Frauen, Meifterin ib her (gs 


4 


688 Sara Saragoffa 


riſchen Poefie, geb. zu Mitylene auf ber Infel Lesbos, bluͤhte um 6 
Alcaͤus, ebenfalls einer der größten Lyriker und von berfelben Inſel gel 
Sängerin geliebt haben, aber f. zärtliche Liebe foll von ihe verfchmäht w 
Der glänzende Ruhm und die allgemeine Bewunderung , bie fie genof 
Ihe manche Verleumbungen und felbft Verfolgung zugezogen zu haben, 
fie ihr Vaterland verließ. Namentlich wird ihr eine unnatürliche Liebe | 
ſchlecht Schuld gegeben; daher der ſprichwoͤrtliche Ausdruck: Sapphiſch 
Sie iſt nicht zu verwechfeln mit der fpätern aus Ereſſus, ebenfalls au 
Lesbos gebürtigen und durch den Sprung vom Leufadifchen Selfen berül 
denen Sappho, wie [hon im Altertbum von Ovid gefchehen if. € 
„Sappho von einem herrfchenden Vorurtheile befreit” (Götting. 1811 
da ein fchöner Süngling, Namens Phaon, ihre heiße Liebe nicht erı 
trieb die Verzweiflung fie auf den leufadifchen Selfen, von dem fie fich £ 
mittelländifche Meer ftürzte. — Die Alten legen der dit. Sappho @ 
ſchiedener Art bei, Hymnen, Oben, Elegien, Epigramme, von den 
nige Bruchftüde erhalten find, bie von tiefer Empfindung und feuri 
dungskraft zeugen und eine hohe Vollendung der Form haben. Gie fo 
derin mehrer Versmaße gewefen fein, wenigftens führt noch jest folg 
Namen, das alte und neue Dichter angenommen haben. 


-U-=--, vUy-u-u 
-=-uU---, VYV-U-U 
-uU=---, VYV-u-u 

-UUV-Uu — 


S. die Bearbeitung ihrer Bruchftüde, von H. Fr. Vogler (Leipz. 18: 
die Bildniffe der Sappho f. das „Kunſtbl.“, 1825, St. 4und 5. ©. 
. nis Mytilenaeae (139) fragmenta‘ (Berlin 1827, 4.). 
Sara (Sahara, arad. die MWüfte) heißt vorzugsweiſe die gri 
wüßte der Erde, 60,000 IM., welche ſich in Afrika von der MWefttäft: 
dem Staate von Marokko und dem Senegalfluffe, gegen D. durch ganz 
Ägypten und zum Theil durch Nubien bi6 ans rothe Meer erftredt; d 
byen war ein Theil davon. Nur hin und wieder finden ſich in dieſem 
Quellen und fruchtbare Pläge, die Inſeln gleichen (f. Dafe), von de 
wohnt find. Berbern und gegen den Senegal hin maurifche Stämme ı 
„Handel mit Salz und Gummi. 

"Sarabanda, ein kleines für den Tanz eingerichtete® Tonſtuͤck 
radem (3: oder 3⸗) Takt, beftehend aus 2 heilen, deren jeber gemeinigli 
bat, von langfamer , ernfler Bewegung. Gie rührt aus Spanien h 
vormals mit Saftagnetten getanzt wurde, aber heutzutage, fowie bei u 
Gebrauch if. i 

- Saracenen, Morgenländer, nannten ſich die Araber in Euro 
Name Araber, Abendlaͤnder, den fie in Afien führen, in Europa nicht 
Saragoffa (fpan. Zaragoza), von einer Colonie des Auguflı 
Augusta ober Caesarea genannt, die Hauptft. vom Königreich Arago 
nien, liegt in einer fruchtreichen Ebene, am rechten Ufer des Ebro, übı 
fleinerne 600 5. lange Brüde führt, 56 Leguat von Mabrid, 564 £ 
lencia, 182. von Zubela in Navarra. Vor 1808 hatte Saragoffa 1: 
40 Kıöfter und 4700 H., mit 55,000 € Die Strafen find, mit ? 
des Coffo und einiger andern, eng, winklich und ſchlecht gepflaftert, bie f 
aber ftattlich gebaut. Unter den Kirchen ift die Nueſtra Sennora dei Pi 
5. zum Pfeiler, in ganz Spanien berühmt. Man wallfahrtet zu dem m 
tigen Bilbe der heil. Jungfrau, das auf einer Säule von feinem Jatpis f 


Saragofia 689 


hat einen Erzbiſchof, e. Univerfität, e. Akad. d. Künfte und e. von der oͤko⸗ 
Bef. geflift. Aderbaus und Handelöfchule; auch einige Fabriken in Leder, 
, Seide. Im der reich angebauten Gegend liegen einige Klöjter und das 
migl. Schloß Aljuferia. Unterhalb der Stadt geht der aragonifdye Canal, 
ffliche Werk des D. Ramon Pignatelli, in den Ebro. Er führt eine halbe 
e von Saragoſſa vorbei, ift 264 Leguas lang, hat 3,250,000 Livres geko⸗ 
ıd verbindet Navarra und Aragon mit dem Mittelmeer. Wäre ex bis nach 
ya verlängert, fo würde er vom Mittelmeere bie in bad Weltmeer eine gerade 
rſtraße bilden. — Saragoffa hat große Berühmtheit erlangt durch den bes 
tm Muth, mit welchem ihre Einw. unter Palafor (f. d.) den erfahrenften 
un Napoleons in 2 Belagerungen (1808 und 18309) den entfchloffenften 
fand leifteten: ein Muth, der an die Zeiten ber alten Numantia und Sa⸗ 
erinnert. Als die Sranzofen im Mai 1808 Meifter von Madrid waren, 
der Generallieut. Guillermi in Saragoffa den Oberbefehl. Guillermi, der 
Zolk keines Vertrauens genoß, mard ale Staatsgefangener in das Schloß 
ria gebracht und Generallieut. Mori zum Oberbefehlöhaber ernannt. Hier⸗ 
nächtigte ſich das Volk des Zeughaufee, Mori verfammelte eine Sunta, das 
ber erklärte ſich fofort gegen die Franzofen und ſperrte die in Saragoffa anmwes ' 
in bie Citadelle. Nun erfuchte Mori den General Palafor nady Saragofla 
men. Kaum hatte er im Kriegerathe ſ. Sig eingenommen, fo zwang das 
en Kriegsrath, ihn zum Beneralcapitain zu ernennen, und ganz Aragonien 
'e ihn ale Statthalter an. Mit unglaublicher Thätigkeit wurden Waffen 
iebet und Pulver bereitet. Spanifche Regimenter in Pampeluna und Ma⸗ 
ten ſich auf und eilten nad) Saragoffa ; fo auch die Lehrer der Kriegsfchule 
cala. Sept rückte der franz. General Lefebre s Desnouettes gegen Saragofla 
Er ſchlug am 16. Sun. die Xruppen , die ihm Palafor entgegenftellte. Nun 
niten ſich bie Einmw., und binnen 24 Stunden war bie bisher offene Stabt ges 
sen überfall geſichert. Saragoffa ward eingefchloffen. Erſt nad) mehren 
fen erflürmten die Franzoſen 2 Kloͤſter und den Monte Terrero, die außer: 
= Stabt lagen. Der Feind flürmte bierauf, jedoch ohne Erfolg, mehre 

Tägliche Ausfälle und der Heine Krieg mit den Bauern flörten f. Belages 
wbeiten; auch erhielt die Stade (d. 2. Aug.) eine Verftärtung. Aber an 
Tage flog der Pulverfpeicher am Coſſo in die Luft, und den 3. Aug. nahm 
ſchießung bes Plage® ihren Anfang. Schon den 4. Aug. drangen die Fran⸗ 
uch die Sturmluͤcken in das Kiofter S. Engracia ein, und der Häuferkrieg 
ı mitten in der Stabt; zugleich Plünderung, Mord und Brand. Endlich 
tete fich der Feind auf ber einen Seite bes Goffo; auf ber entgegengefesten 
‚die Aragonier mit Erbitterung. Prieſter feuerten buch Gelübbe und Bei⸗ 
rn Muth an zum Todeskampfe. Weiber pflegten die Verwundeten. Sie 
wol auch in die Reihen der Streitr. Man rief zur heil. Jungfrau vom 

Diefem Heiligthum, das man ſchuͤtzen mollte, verdankte man bie Ret⸗ 
er Stadt. Der Feind Eonnte fih vom 4.— 14. Aug. nur 4 Häufer bes 
gen. Doch die Flucht Joſephs aus Madrid, ber Nüdzug des franz. Heers 
ktoria und das Anrhden der Heerfchar von Valencia zum Entfage der Stadt 
ten den General Berdier, welcher an Lefebre's Stelle getreten war, bie Bes 
ng in ber Nacht vom 15. Aug. aufzuheben. Die Franzofen warfen ihr 
8 Gefchüg in den Ganal und zogen eilig ab. Das Volk jauchzte freudetrun⸗ 
BS lebe U. 2. Frau vom Pfeiler und der General Palafor! — 4 Monate 
nahm die zweite noch merkwuͤrdigere Belagerung ihren Anfang. Palafor 
tjegt in Aragonien mit unumfchräntter Gewalt; aber das Volk riß ihn auch 
tigen Maßregeln bin. Während der Feind in Bayonne und Pampeluna 
eermaffen gegen Saragoffa ausrüftete, fing man hier erft im Sept. (1808) 


642 Sardes Sardinien 


berkleidern unter f. Beifchläferinnen unthätig gelebt haben. Dabd 
das Mißvergnuͤgen f. Unterthanen. Arbaces, ein mebdifcher Satray 
ein babylonifcher Priefter, brachten ein Dee gegen ihn zuſammen. 
entgegen und fiegte in 3 Schladhten. In dem Glauben, vollton 
fein, ‚überließ er fich aufs neue bem Genuß und bereitete ein großes 
reiches Heer. Aber Arbaces, von den Bactrianern verſtaͤrkt, überfiel! 
richtete eine große Niederlage an und verfolgte die Flüchtlinge bis vo: 
Niniveh. Hier vertheidigte fih S. 2 Fahre lang, während alle 
wider ihn erhoben. ine überſchwemmung des Euphrat hatte ı 
Stadtmauer zerſtoͤrt und dadurch die längere Behauptung von Nin 
gemacht. In diefer verzweifelten Lage zuͤndete &. f. Palaft an und 
felbft mit allen feinen Weibern, Dienern und Schägen. Er hatte 2% 
Seiu Fall wird gewöhnlich in das J. 888 v. Ch., von Volney aber 
gefegt. 

Sardes, auch Sardis, die alte Hauptft. des Indifchen 9 
afien, am Fluß Paktolos, unweit des Berges Tmolos. Unter da 
nigen war fie eine prächtige Stadt; befonders lebhaft wegen der Ha 
Aſien nad Europa, und ald ein Hauptmarkt für den Sklavenhe 
Ch. wurde fie von den Griechen erobert und verbrannt. Dies war ı 
des medifchen Krieges. Später verwuͤſtete fie ein ſchreckliches Exbt 
Kaifer Tiberius ließ fie wieder aufbauen. Gegenwärtig liegt an ' 
ärmliche® Dorf, in deffen Umgebung noch jest anfehnliche Trümmer 
des alten Sardes zeugen. 

Sardinien, Inſel im mittelländ. Meere, mit dem Titel eir 
Sie wird zu Italien gerechnet. Auf 430 IM. zählte fie im J. 182 
mit 11 Discefen und 392 Kirchſpielen, 490,078 E. Sie ift gege 
tperhenifchen, gegen Mittag vom afrikanifchen, gegen Abend vi 
Meere umgeben und gegen Mitternacht durch den Canal Bonifaı 
getrennt. Der Boden ift fehr fruchtbar an Dt, Getreide, Wein, 
dern Baumfrächten. Holz haben die Berge im Überflus, aber wege 
an fahrbaren Straßen müffen die Seeftädte ihr meifte® Holz; von 
Aus eben der Urfache hat Sardinien auch noch feine Poften. Die 
in einigen Gegenden wild herumlaufen, find, ſowie das Hornvi 
fhnell und mwohlgebaut. Der Kifchfang ift bedeutend, audy wird 
Kaͤſe bereitet, und mit letzterm ein ftarfer Handel nady dem Ausl 
Der Handel mit Getreide aber wird durch bie zu großen Auflagen 
gehindert. Die Urfache der geringen Bevölkerung liegt: a) In den g 
gen. Garbinien hat 376 Lehngüter, von denen bie Hälfte ſpaniſch 
bört. b) In den Vorrechten der Geiftlichkeit und des Adels; Kei 
Standes kann 5.3. bei einem Gerichtöhofe belangt werden, ſond 
ſeines Standes muͤſſen den Streit entſcheiden. c) In der Blutrad 
einft in einem Monate an 1000 Mordthaten! Die Sarbinier find, 
fen , unverſoͤhnlich rachgierig, aber arbeitfam, aufgeweckt und erfin! 
nem Anzuge gleicht der gemeine Sarde einem Wilden. Er trägt 
gerbtem Leder; einige hüllen fi in Schaffelle ein. Dies Königı 
Haupttheile getheilt, Gapo di Sotto (den untern Theil) und Capo 
obern Theil). Die Haupeft. ift Cagliari (f.d.). Sardinien we 
lich durch peladgifche Solonien zur Zeit ber Herakliden angebaut, u 
vorhandenen Denkmäler, Noraghen genannt, hinweiſen, berenm 
der Infel antrifft. Die unverfehrten haben etwa 50 5. Höhe, anı 
einen Durchmeffer von 90 F. und endigen am Gipfel mit einem en 
gel. Sie find aus verſchiedenen Steinarten auf Hügeln in einer Eh 


ardiniſche Monarchie und d. Haus Savoyen, vor 1720 645 


en mit einem Wale umgeben. In der Solge gehörte bie Infel nacheinander 
ethagern, den Römern, Bandalen, Sarazenen, den Päpften , den beutfchen 
1, den Pifanern, den Genueſen und Spaniern; oft gab es langen und blu⸗ 
Streit um ihren Befis. 1154 erhob Kaifer Friedrich I. die Infel zu einem 
eiche. Dapft Bonifacius VIII. verſchenkte Sardinten an das königl. arago⸗ 
Daus, welches nach mehren Hinderniffen 1324 zum ruhigen Beſitz kam. 
F gab Don Pedro von Aragonien am Öfterfefle 1335 der Infel das Geſchenk 
af die gluͤckliche Verbindung der öffentlichen Freiheiten mit dem Königthume 
eten Verfaffung, bie von den 3 Ständen unterzeichnet und beſchworen 
Außer dem allgemeinen Parlamente der fardinifchen Cortes befaß Sardi⸗ 
ie Aragonien, eine höchfte Behörde, welche gleichſam die Serechtigkeit perz 
te, das Juſticiat, oder ein Organ des Rechts zwifchen dem Könige und ſei⸗ 
terthbanen. In demf. Jahrh. erhielt die Inſel auch ein bürgerl. und ein 
es Geſetzbuch, das noch jetzt als gemeines Recht gilt; die Gonftitution aber 
on Philipp II. befeitigt. So gehörte die Infel bis 1708, ba bie Engländer 
das Haus O ſtreich eroberten, zu Spanien. Im utrechter Frieden (1713) 
e dem Haufe ſtreich zugefprochen, dem fie aber 1717 von dem Könige 
V. von Spanien wieder entriffen wurbe. Endlich ward Sardinien 1720 
ezoge von Savoyen, als Erfag für Sicilien, eingeräumt, welcher fie durch 
zicekoͤnig verwalten läßt. Die Einw. Sardiniens werden fehr gelind res 
id bei ihren alten Gebräuchen gelaffen. Der Wohlſtand blähte von neuem 
er Regierung Karl Emanuels; alfein unter feinem Nachfolger trat Ehrgeiz 
Stelle der Berechtigkeit. 1793 fg. brach das Öffentl. Mißvergnügen In 
Kufruhr aus, den nach 4 Jahren das Verfprechen ftillte, die alten Rechte 
Ande, die 1796 förmlich anerkannt wurden, toiederherzuftellen, welches 
noch nicht geſchehen iſt. Fabriken und Manufacturen fehlen faft ganz, und 
el hat kein Schiff, um ihre Erzeugniffe felbft auszuführen. Selbſt die Thun⸗ 
sallenfifcherei wird von andern Nationen, als Engländern, Sranzofen, Ge: 
„Sicilianern ıc. getrieben , und eine Abgabe für die Erlaubniß bay, und 
wı dem Thunfiſchfang an einige fardinifche Familien, für die Korallenfiſche⸗ 
an ben König bezahlt. Die Eönigl. Einkünfte waren ehedem fo unbedeutend, 
mit nicht die öffentl. Koſten, als die Befoldungen der Beamten und des we⸗ 
auf der Infel befindlichen Militairs beftritten werben Eonmten. Sie betrus 
11 etwa 200,000 Thle., wovon für die Erhaltung der koͤnigl. Kamille und 
ſſtaats nicht mehr als 40,000 Thlr. übrigblieben.. Die Einw. find katho⸗ 
D reden mehre Mundarten, die zum {heil ein Gemiſch des Spanifchen und 
Mfchen find. Doc) ſprechen die Vornehmen ein reineres Stalienifh. Spa⸗ 
Reapolitaner und Sicilianer haben noch große Befisungen auf diefer Infel. 
b. de la Marmora’s „Voy. en Sardaigne de 1819 — 25, ou deseript. 
L, phys. et polit de cette ile’' (Paris 1826, m. e. Atlas); des ehemal. 
Eonfuls in Sarbinin Mimaut „Hist. de Sardaigne ete.“ (Paris 1825, 
) und des Seecap. Smyth (Vf. des Werkes über Sicilien) „Present state 
sland of Sardinia‘ (Lond. 1828); Petit» Mabel’6 ‚Notices sur les Nu- 
Bde ia Sardaigne‘' (Paris 1826). 
Bardbinifhe Monarchie und das Haus Savoyen. Der Ans 
* biefer Monarchie iſt das Alpenland Savonen. Dieſes Bruchſtuͤck zer: 
er Staaten (des alten Koͤnigreichs Burgund, der fraͤnkiſchen Monarchie, 
chs Italien unter den Karolingern, und des Koͤnigreichs Arelat) ges 
Selbſtaͤndigkeit im Anfange des 11. Jahrh. durch den Grafen Ber⸗ 
nem Abkoͤmmling des Grafen v. St.» Maurice im walliſer Lande, ben der 
Naig von Arelat, Rudolf III., um 1016 zum Grafen über Savoyen ger 
Me. Er ift wahrfcheinllch der Stammvater der folgenden Grafen und nat: 
al * 












⸗ 





zen g ayrame vuauy une —**8* 
Zeit und Umftänden Immer mechfelnbe, oft. geroinnreide Polis 
fich befriegenden Staaten: Frankreip, Öfteic) und Spayi 
ſchwankte. Durch die Vermaͤhlung Herzog Ludwigs mit Anna 
Tochter des Könige Janus von Cypern (1438), und durch das 
witweten Königin Charlotte von Cypern, die ihren Neffen, ben 
Savoyen, 1482 zum Erben von Eypern einfepte, erhielt das 
fprüche auf Cypern, welche Veranlaffung gaben, daß bie Könige 
fpäterhin auch Könige von Cypern und Jeruſalem nannten, legı 
ſpruͤche des Haufes Lufignan auf das Königreich Jeruſalem. — 
des Staats felbft find 2 Zeiträume zu trennen. I. Von der 
deſſelden 1383 durch das Teftament bes Grafen Amadeus V. 
theilbarkeit ber Länder und die Vererbung berfelben nad) dem 
Grundgefegen erhob, bis gut Erwerbung des Koͤnigthums u 
der fardinifhen Monarchie in bie eucopdifche Staatenorbuung,, 
Frieden, 1720. In diefer Zeit erwarb das Haus Savoyen u 
Nizza 1399, und Graf Amadeus VIII. erhielt 1416 vom 8 
herzogl. Titel; dagegen verlor es, unter Karl IH. in den Kt 
Kaifer Karl V. und dem Könige Franz I. von Frankreich, in 
Jahrh. das wallifer Land und Genf, welche ſich unter den Sq 
gaben; ferner das Waabtland, welches von Bern in Beſit 
Karls IL Sohn, der von den Franzofen aus feinen Staaten 
Phitigert Emanuel (ft. 1580), zeichnete fi als Philippe M. 
herr im Kriege gegen Frankreich fo aus, daß er durch den Friede 
breſis 1559 Savoyen und Piemont wieder erhielt. Larterbeffen 
teftantismus in feinen Staaten ausgebreitet. Auf Zureben 
Herzog Philibert die Proteftanten, unter benen ſich feit alten 
denfer (f.d.) befanden, mit Gewalt belehren; allein er wa 
mehrmals von ihnen geſchlagen (In einer Schlacht nerlor ee 70 

"ihnen endlich bie freie Religionshbinag einräumen, Ührigens err 


Sarbdinifhe Monarchie, feit 1814 645 


aige Kari Emanuel III. (von 1730 — 73), welcher 1735 Im wiener Frieden, 
VFrankreichs und Spaniens Bundesgenoffe gegen Öſtreich, ein zweites Stuͤck 
: Mailand (Tortona und Novara) als Reichslehn, dann im oͤſtreich. Erbfolge⸗ 
de, durch den Vertrag zu Worms 1743, noch ein drittes Stuͤck von Mailand 
Ahlera, Vigevanasco u. ſ. w.) ebenfalls als Reichslehn erwarb. 1762 war er 
Mendvermittier zwiſchen Frankreich und England. Durch die kluge Verwaltung 
Innern gelangten feine Länder zu einem großen Wohlſtande, und das neue Ge: 
wu von 1770, das „Corpus Carolinum‘', ift noch jest ein Denkmal feiner 
Mivollen Megierung. Auch in dem Zwiſte mit dem Papft wußte Karl Emanuel 
echte der Staatsgewalt nad) dem Concordate von 1726, beftätigt von Bene⸗ 
XIV. 1742, gu behaupten, Indem er alfe geiftliche Stellen befegte, die Geiſt⸗ 
Bit befteuerte und die päpftt. Bullen feiner Beftätigung unterwarf. — 2) Die 
Whefichen Regierungen des Sohnes Victor Amadeus II. (ft. 1796) und bes 
DAS des vorigen, Karl Emanuel IV. (dankte ab 1802). Jener wurde den 25. 
841792 in den Bund mit ſtreich gegen Frankreich gezogen, und verlor dadurch 
Bept. d. J. Savoyen und Nizza. Diefer verband fi) zwar mit Frankreich den 
Horit 1797 gegen Öftreich, ward aber beffenungeachtet von dem franz. Directo⸗ 
w, das die Stimmung bes durch große Auflagen, Drud und Vorrechte bes 

esbitterten Volks für fi) benugte, mit Krieg überzogen und gezwungen (bem 

. 1798), dem Befige aller feiner Staaten auf dem feften Lande zu entfagen, 

fämmtlid, Frankreich einverleibt wurden. Er behielt bloß Sardinien, wohin 
by mit feiner Samilie begeben mußte. Den 4. Sunt 1802 überließ er die Re⸗ 
Bang feinem Bruder, Victor Emanuel I., und lebte hierauf im Privatftande zu 
Fr er 1817 Jeſuit geworden und 1819 geftorben ift. — Seit 1806 gehörte 










nebft Genua zu dena Eaiferl. franz. Generalgouvernement jenfeite ber Als 

— 3) Die Wiederherſtellung und Vergrößerung ber farbin. Monarchie durch 
Congreß. Victor Emanuel I. kehrte den 20. Mai 1814 in feine Reſi⸗ 
Zurin zurück da ihm die Siege der Verbuͤndeten und ber parifer Friebe feine 
auf dem felten Lande wiedergegeben hatten. Nur halb Savoyen blieb noch 
ch, warb aber ebenfalls, nebft ber Souverainetät über Monaco, durch 
er Vertrag vom 20. Nov. 1815 ihm zurückgegeben, wogegen er (den 23. 
1816) die Bezirke von Carouge und Chesne mit 12,700 E. an Genf abtrat. 
fand es noch der wiener Congreß feinen Berechnungen der Machtverhäits 
gemäß, den König von Sardinien ald Heren der ital. Alpenpaͤſſe zu verftärken. 
fi) aber mochte wol England durch die Seeverbinbung mit bem turiner Hofe 
fiſchen Stapel für feinen Dandel gewinnen wollen. Darum ward bie alte 
Me Genua nicht wieberhergeftellt, fondern als Herzogtum ben 14. Der. 
mit der ſardin. Monarchie vereinigt. — König Victor Emanuel hat die alte 
ung, wo e® nur möglich war, erneuert, die Sefuiten aufgenommen, den 
Bund unterzeichnet und die firengfte Cenſur eingeführt. 1818 erklaͤrte er bie 
der franz. Regierimg gemachten Verkäufe der Domainen für unmiderruflich 
den Ausgewanderten, welche dadurch ihre Güter verloren Hatten, als Ent: 
g eine Rente von 400,000 Lire an. Als Englands Bundesgenoffe er: 
er durch den britifchen Admiral, Lord Ermouth, einen dauerhaften und ehrens 
Srieden mit den Barbaresten. Im März 1821 fand er ſich durch innere 
Korn, weiche die Beſetzung des Landes von Seiten Oſtreichs zur Folge hatten, 
‚ dem Throne zu entfagen, und hatte feinen Bruder, den jet regier. Koͤ⸗ 

ar! Felix, zum Nachfolger. Überhaupt haben die neueften Ereigniffe feit 
kemontifchen Revolution (f. d.) die politiſche Stellung der ſardin. 
XR inwiefern fie bei den Conferenzen des wiener Congreſſes als dee Wall 
fe Ereich und Oſtreich bezeichnet wurde, in ihrer vollen Bedeutung ges 
ar. & der Unterdruͤkung jener Dititairrevolution duch Dfreidyb Wohre 
















646 Sardinifhe Monarchie, feit 1814 


trat König Karl Felix feine Regierung mittelft einer Kundinachung (de 1 
1821) an, welche die Grundſaͤtze der öffentlichen Verwaltung ausſprach. 
babe — hieß e8 darin — die Hirngeſpinnſte des mobernen Phltofophit 
Schande gemacht, — es würden nun bie gluͤcklichen Zeiten wieberfonmen, 
chen bie trügerifchen und verkehrten Theorien ımferer Tage verachtet, die! 
dagegen , die guten Sitten, die väterliche Zuneigung des Königs und die g 
Ergebenheit der Unterthanen, die einzigen Grundlagen der Gluͤckſeligkeit de 
feten”. Die von dem fardin. General bella Torre mit ben Geſandten von 
Rußland und Preußen zu Novara am 14. Juli 1821 abgefchloffene Über 
wegen Befegung einer militatrifchen Linie in den Staaten bes Königs vo 
nien durch ein zur Verfügung bes Königs geftelltes Hülfscorps, warb ı 
Der farbin. Staat hatte dafür, außer den Naturalleiftungen, jährl. 6 M 
ten baar an Oſtreich zu zahlen. Hierauf nahmen die Hocdhverratheprer: 
die Urheber und Theilnehmer der Revolution ihren Anfang. Sie routden ı 
geendigt. Entſcheidend war die Auflöfung derjenigen Regimenter, welch 
die Staatdveränderung erklärt hatten. Dagegen dauern bie ſtrengen Vorfi 
regeln, welche fir nöthig erachtet wurden, um revolutionnaite Gefinnun: 
Wurzel zu erftiden, noch jegt fort. Für die Univerfitäten Zurin und ©: 
allein die Literatur ein veges Leben zeigt, während fie auf ben beiden Uni 
ber Infel Sardinien, Cagliari und Saffari, zu ſchlummern fcheint) , erſch 
eine Eönigl. Verordnung , welche den Studirenden insbeſondere die Erfuͤll 
religiöfen Pflichten einfhärfte und 4 Studienpraͤfecte anzuftellen befahl, 
die religiöfe und moralifche Aufführung der Studenten wachen follten. N 
ger und ausführlicher war die Verordnung über das Disciplinarunteri 
Auflichtöwefen der Gymnaſien, Lyceen und untern Schulm. Damit 
Wiederherſtellung ber Jeſuiten auf der Infel Sardinien und im Herzogtb 

vopen (im Febr. 1822) in Verbindung. Diefer Geſellſchaft wurden nicht 
Privatunterrichtsanftalten,, ſondern auch die koͤnigl. Schulen anvertraut 
Juli 1823 erhielt fie die oberfte Leitung der wichtigen, feit einem Jahre a 
nen, jest mieberhergeftellten Erziehungsanftalt, des fogen. Provinzialce 
beffen Rector von ihr ernannt wird. Auch die Juden traf eine ihe Grunde 
beſchraͤnkende Maßregel. Die bis zum 1. Jan. 1824 nidyt verkauften Ji 
ſollten vom Staate feilgeboten, und der Erloͤs den Juden eingehändig 
Doch ward ihnen geflattet, Staatspapiere an fi) zu kaufen und ihre Haͤr 
Fudenquartieren der Städte zu behalten. Außerdem wurden viele, fehr 
dige Verbefferungen in mehren Zweigen ber Staatsverwaltung wenigſte 
reitet, u. A. ein neues Hnpothefenmefen und ein neues Militairgefegb: 
den vorzüglic in Genua jet aufblühenden Seehandel gegen die Barba 
befhüsen, mufite das gefammte fardin. Geſchwader (2 Blockſchiffe, 1 
1 Corvette, 2 Briggs und 3 Boeletten) im Jun. 1822 aus dem Hafen 
nua auslaufen. Tunis, das fchimpfliche Foderungen an bie farbin. 9 
machte, ward dadurch zum Nachgeben bewegt, es kehrte aber bald zu fein 
gen Syſteme zurüd. Großbritanniens Macht und Geſchenke vermitts 
lich den Frieden, worauf im Suli 1825 von der fardin. Regierung 2 orl 
Staatswagen mit fardin. Pferden und der nöthigen Bedienung dem De 
gier und dem Bei von Tunis zum Gefchent überfchidt wurden. Die fart 
beisflagge wird jegt auf allen Meeren gefehen, felbft im Plataſtrome w 
MWeftküfte von Suͤd⸗ und Nordamerika. Es war baber der Freundſcha 
Handelsvertrag ſehr wichtig, den die fardin. Megierung mit ber Pforte 
1823, durdy die Vermittelung des britifchen Gefandten in Konſtantinop 
Strangford, abfchloß, wodurch die Unterthanen bed Königs von Garbinl 
befondere die Genueſer, ihre vorigen Rechte in Anfehung bes Handels 


Sardinifhe Monarchie, feit 1814 647 


w Schifffahrt auf dem ſchwarzen Deere wiebererhielten. Seitdem foll fidh 
ma, dies behaupten amtliche Nachrichten, mit der farbin. Monarchie immer 
> ss einem Ganzen vereinigt haben, obwol noch einige mächtige Familien die Un: 
mgigkeit ber alten Republik und ihren eignen oligacchifchen Einfluß zuruͤckwuͤn⸗ 
. mögen. Mit der wiederhergeftellten Ordnung nahm der Wohlftand und mit 
m die Bevoͤlkerung zu. 1825 gab man die Volksmenge ber fardin. Staaten 
5,168,417 Seelen an, roorunter die Infel Sardinien aber nur 490,078 zählte. 
we Befeftigung der Ruhe trug insbeſondere noch die Bildung des neuen koͤnigl. 
m6 viel bei. Diefes kam jedoch, mittelft einer der franz. ähnlich eingerichteten 
meiption,, erſt 1823 zu Stande. Nun konnten die Mächte auf dem Congreſſe 
Bessna 1822, wohin ſich der König Karl Felix nebft feiner Gemahlin im Nov. 
B begeben hatte, eine Verminderung des Beſatzungsheeres in Piemont ſchon 
Ende 1822 eintreten laſſen, worauf am 29. Sept. 1823 mit ber Räumung 
BHieffandria die legten Zruppen der Schutmacht Staliens vertragsmaͤßig abzo⸗ 
„Beil man jedoch befürchtete, dag die geflüchteten Piemontefer und anbre 
we, die in der benachbarten Schweiz eine Sreiftätte gefunden hatten und bas - 
Ye Druckſchriften ihre Anfichten verbreiteten, auf die innere Ruhe des farbin. 
mubes einen gefährlichen Einfluß erlangen und frühere Verbindungen wieder 
Bpfen Eönnten, fo bewirkte man durch Vorftellungen bei der Tagfagung nicht 
B die Entfernung ber Geaͤchteten und Verdaͤchtigen, fonbern auch eine größere 
g ber in der Schmelz noch vorhandenen Preßfreiheit. Auch mit Spas 

noch vor der feindlichen Überziehung diefe® Landes 1823 durch die 

wofen, alle Handelöverbinbungen unterfagt. In bem franz. Deere, das bas 
Kunter dem Derzog v. Angouleme bis Cadix vorbrang, diente der fardin. Throns 
‚, Prinz v. Carignan, welcher bisher wegen feines Betragens in ber piemons 
Revolution vom farbin. Dofe entfernt gelebt hatte, als Freiwilliger. Er 

bei mehren Gelegenheiten fo viel Tapferkeit, daß er nach feiner Ruͤckkehr 
Dem Felde am 3. Dec. 1823 in Paris mit Auszeichnung empfangen wurbe 
Vierauf aud) am turiner Hofe wiedererfcheinen burfte. Sardinien fchloß ſich 
weniger an Frankreich, fondern immer enger an Öftreich an, ſowol was feine 
BRegierungspolitit betraf, als in Hinſicht auf Italiens Angelegenheiten übers 
Der am 10. San. 1824 erfolgte Tod des vom Thron 1821 freiwillig her⸗ 
en Könige Victor Emanuel war, bei dem ohnehin legitimen Beſitzſtande 
Macyfolgers, ein gleichgältiges Ereigniß. Zwiſchen ſtreich und Sardinien 
4 ein Vertrag über gegenfeitige Freizügigkeit des Vermögens und der Erb⸗ 
ber Unterthanen beider Mächte zu Stande. Die Sreundfchaft, welche beide 
» verbindet, zeigte fich auch während ber Anwefenheit des Kaiſers und der Kai⸗ 
von Oſtreich zu Mailand, mo fich die Minifter der erften europ. Mächte im 
1 1825 verfammelt hatten. Der König und die Königin von Sarbinien bega> 
Bi damals nach Genua, um dafelbft den König und die Königin von beiden 
ju empfangen, welche von hier nach Mailand gingen. Darauf flatteten bie 

b verfammelten Souveraine dem Könige von Sardinien in Turin und 

einen Beſuch ab. Indeß hat biefer Congreß zu Mailand keine Veränbes 

in ber politifchen Lage Italiens bezweckt. Die Politik Italiens ift auf Er: 
und Befeftigung des Beſtehenden gerichtet. In diefer Hinficht war allein 
Inſel Sardinien der alte Zuftand durch nichts geftört worden. Daß aber 
Sortbauer der Ruhe auf dem Feſtlande noch nicht alle Beforgniß verſchwun⸗ 
fd, kann man daraus ſchließen, daß fogar bie fortfchreitende Bildung des Volks 
Pier Einfluß vielgelefener Schriftfteller von der fardin. Regierung gefürchtet 
b Wenigfiens verbot 1825 ein koͤnigl. Edict das Leſen⸗ und Schreibenlernen 
d. Die fich nicht über den Beſitz von 1500 Lire, und das Studiren Denen, bie 
che kber ebenfo viel an Renten ausweiſen koͤnnen. Auch follen neuerlich Übers 














3,441 O., Darunter SUULUU Sranzöjen in Savoen, 21,9 
3,200 Inden. Sie befteht I. aus ben Staaten bes feiten ka 
zum Behuf ber innern Verwaltung in 8 Bezirke gethellt wurden 
Coni, Aleſſandria, Novara, Aoſta, Nizza und Genua. Diel 
Herzogth. Savoyen; 2) das Herzoyth. Piemont; 3) die Gra 
Sürftenth. Monaco; 4) die Herzogth. Montferrat und Mailant 
5) das Herzogth. Gmun; und enthalten zufammen 887 IM. 
in 2727 Gemeinden. — II. Aus dem Königreich) und der S 
(f.d.). — Die Einkünfte ber Monarchie betragen 21,852,0001 
{halb firdgt man auf 60 Mir. Gibn. Die Landmadıt iſt 28,01 
dem 40,000 M. Natlonalmüliz auf der Iufel Sardinien. Die 
gatte, 3 Schooner, 5 Galerren. Der König vertheilt 3 Rittero: 
tündigung Mariene (dell Annunziata); 2) D. d. heil. Morig x 
Militairorben von Savoyen, geftiftet 1315. Außerdem gibt ei 
hen, das Kreuz der Treue. Die Macht des Könige iſt erblich u 
An der Spige ber Verwaltung ftehen 3 Staatsfecretaice. In S 
fände vorhanden, und in Genua ift zur Einführung neuer A 
mung ber ftändifhen Colleglen jedes Beſirks erfoderlich. Dei 
nicht fteuerfrei. Die Geiftlichkeit (39 Erz» und Bisth., 3,9 
Manns⸗ und 144 Normenttöfter) iſt nicht fehe reich. Die php 
ein Goncorbat befhräntt. Die höhere Bildung (auf 4 Univerfiä 
Cagliati amd Gaffarl, in 41 Gymnaſien und 39 Seminarien 
Wiffenfhaften und Känfte u. f. wo.) iſt noch ſeht durch Lehr» 
hemimt. Der Handel befchäftigte 1826 über 4000 Schiffe. — 2 
„Storia di Sardegna” ¶ Tutin 1825, Bd. 1); Luigi Eribrari 
la storia dei prineipi di Savoja” (Turin 1825). 

Sarbonyr, f. Quarz. 

Sarfasmen, griech., urfprängt. ber hohnfprechende 
fallenen Feind; im aligemein angenommenen Sinne aber bei 
bittere Anzuͤglichteiten. — Sarkaftifd, heifen Bitterkeiten 
fam duch Mark und Bein bringen; eine Perfon oder audy ih 
farkaftifäb. wenn ſie aewohnt ift, ſich ſolche Witterkeiten aeam 1 


Sarmaten Sarpi 649 


Udwerken verzierte, auf bie Monumente gefegt, mit denen man bie Gräber 
36, um fie gegen Verlegung zu ſchuͤzen, ausfchmüdte (monumentum 1. q. 
nentum). Dit den Zeiten der Kalfer fcheint blefe Sitte allgemeiner gewor⸗ 
; fein, und roͤmiſche Prunkſucht verwandte in ber fpätern Pertobe dazu die ſel⸗ 
ı Steinarten, wie Porphyr und Breccia. Man hatte an den granitenen und 
beenen Gteinfärgen der Agypter das Vorbild. Die Entfernung von dem 
user mag der erfte Anlaß geweſen fein, die halb erhabenen Arbeiten daran fehr 
senten zu laffen, damit duch den Schatten die Theile ſich beffer abhüben. 
Beleg zu diefen Annahmen gibt die Sräberftraße In Pompeji, wo noch mehre 
Monmmente fich vollftändig erhalten haben. — Bon der großen Dinge auf 
bonmener Sarlophage — diefen Namen in der gemöhnlichen ungenawen 
zung genommen — find mehre den Alterthumstennern bekannt durch bie 
na, bie man ihnen zugetheilt hat. So der Sarkophag des Homer In den Bes⸗ 
Bo’fchen Gärten zu Peteröburg, eine Arbeit der fpätern Seiten; ober ber Sar⸗ 
z des Alerander/ jetzt im britifchen Diufeum, einft in ber Moſchee des h. Athas 
B zu Alexandtia, der, von ben Franzoſen während Ihres Feldzugs feinem Platze 
Er, den britifchen Heeren mit einer Menge alter Denkmäler zufiel; er iſt aub 
Icher Breccia gearbeitet, und die engl. Archäologen haben Scharffinn und Ges 
makeit aufgeboten, um feine Echtheit zu bemweifen. Bekannilich war e8 ba6 
Mal der Leiche Alexanders, oft ihre Stelle zu verändern: vom Tempel des 
er Ammon kam fie nad) Memphis, fpäter nach Alerandria; dort fah fie Au: 
B und Septimius Geverus (202 n. Chr.). Bei ber fanatifchen Wuth ber 
Ben, die fo viele Tempel zerftörten, nimmt man an, fei der Körper verſchwun⸗ 
ber das Grab, als zu prächtig in einen Tempel des h. Athahafins verwan⸗ 
habe widerſtanden, der Surkophag fel als Gifterne gebraucht worden. Dies 
aben fcheinen freilich Chryfoftomus Worte (,„Opera”, X, 625, ed. 
ne.) entgegen zu fein, aber eine orientalifche Zradition fuchte dort die bes 
Stelle. Diefer mit Hieroglyphen über und Über bedeckte wannenfoͤrmige 
ift Dusch Elarke (‚The tomb of Alexander”, Cambridge 1805, gr. 4.) 
befchrieben und abgebildet worden. 19. 
armaten, Sauromaten, bießen bei den Alten die ſlawiſchen um 
onen, weiche bie Nordlaͤnder Europas und Afiens bewohnten. Das europ. 
im begriff (nach Gatterer, der es jedoch wol zu weit ausbehnte) Polen von 
jichſel an, Preufien, Kurland, Liefland, Rußland und die europ. Tatarei mit 
Kim, das afiatiiche aber das afintifche Rußland, Sibirien und die Mongolei. 
Barmaten lebten nomadiſch. Sie follen Abkoͤmmlinge der Meder fein, und 
wen urſpruͤnglich in Afien zwifchen Don, Wolga und Kaukaſus. Cie erfcheis 
6 Bimdesgenoffen des Koͤnigs Mithridates VI. von Pontus, waren fchon das 
diesſeits des Dons anfällig und nachher gwifchen dem Don und der Donau 
Beeitet. Sie waren einige Zeit den aſiatiſchen Rönigen furchtbar. Unter ihnen 
kmerkwürbig die Jazyger und Roxolanen. Mit den Römern führten fie Tanz 
& blutige, melſt ungluͤckliche Kriege. 407 n. Chr. 309 ein Theil von ihnen mit 
Birbaren nach Gallien; die zurückgebliebenen beswang Attila. Nach dem Tode 
Bas unterwarfen fie fi) dem Kaifer Marcianus, der ihnen Wohnpläge an der 
Im aniwies. Hier vermifchten fie fich ſpaͤter mit den Bothen zu einem Volke. 
Sarpi (Paolo), Pietro mit Vornamen, als Ordensbruder Fra Paolo, geb. 
we 1552, erwarb ſich früh, mit feltenen Talenten außgerüftet, bervuntdern®s 
Age Kenntnifſe und trat in f. 14. 3. in den Orden der Serviten. Er kam m 
egtum zu Padua, wurde Dr. ber Theologie und in f. 26. J. Provinzlat 
beuß, ferner Generalprocurator, und erwarb fich zu Rom, wo er ſich aufhal⸗ 
Rußte, allgemeine Hochachtung. Aus Neid ward er bei der Inquifition wegen 
une Verbindungen mit Ketzern und Juden fälfchlich angeklagt unt hatreny am 








650 Sarter Sarti 


f. weitern Beförderung gehindert, bis ihn die Republik Wenebig in de 
Streite mit Papft Paul V. zu ihrem Theologen und Gonfulenten erwaͤhl 
gab ſich nun wieder nad) Venedig und vertheibigte fein Vaterland mit 
Klugheit als patriotiſchem Eifer gegen die Angriffe des Papftes. Di 
verbankte er es aber, daß er von Banditen angegriffen und mit 15 © 
roundet wurde, fobaß er auf der Stelle liegen blieb. Dan wußte nicht, 
die Mörder gedbungen waren. ©. meinte, daß dieſes Styl des roͤmiſche 
(in stylo romanae euriae). Ein zu biefem Anfall gebrauchtes Mord 
warb in ber Kirche der Serviten zu den Füßen eines Chriftusbilbes aufs 
der Inſchrift: „Deo filio liberatori”. Mod) einmal verfuchten es D 
Nachts in f. Schlafzimmer, wozu fie ſich Nachfchlüffel verfchafft hatten, 
gen; doch ward dies Vorhaben zufällig entdeckt und durch bie Berieffcha 
man fid) bemächtigte, außer Zweifel geſezt. Noch mehrmals machte mu 
auf fein Leben, aber der Cardinal Bellarmino, welcher ihn, ungeachtet v 
Anfichten, hochachtete, warnte ihn, auf feiner Hut zu fein. Um fidy ge 
Angriffe zu fichern, hielt er fich von jegt an eingezogen in feinem Kiofle 
1623. — Er war einer der edelften und wahrheitliebendften Männer 
Kirche und einer der würbigften hiftorifchen Schriftfteller Italiens. Do 
Niemand und nad) ihm haben wenige Theologen feiner Partei Papf 
kath. Kirche genauer unterfcheiben gelehrt, wider die Einmifchung bei 
Gewalt in Welthändel, wider die Unfehlbarkeit der Päpfte, wider blinde 
und Jeſuitismus freimüthiger geeifert, genauer die Beſtimmung und diı 
che ber Kircheneinkünfte (,‚Trattato delle materie beneficiate”, a 
Nuͤrnb. 1786), oder die Rechte des Staats in Ruͤckſicht der geiftlich 
beffer entwickelt als er. Er war ein Feind aller Sectiterei und fällte die 
Urtheile über Luther und die deutſche Kicchenverbefferung. ein Haupt 
Geſchichte der tridentinifchen Kirchenverfammlung (,„Istoria del Coı 
dentino‘‘), welches zuerft zu London 1619 unter dem erdichteten Nam 
Soave Pobano“ herauskam, nachher in vielen Aufl. erfchien und auch 
fche von Rambach überfegt ift. Unter f. übrigen Werken find f. Briefi 
lehrreich und anziehend. Auch in ber Naturkunde, Mathematik und Dr 
große Kenntniffe. Die erſte voliftändige Ausg. feiner Schriften erfchlı 
Venedig in 6 Bdn., 12. 

Sarter, Zerter, heißt beim Schiffbau das Modell eines S 
fhriftliche Entwurf dazu, bie Bauart, das Verhältniß aller Theile geg 
Jede Nation hat ihre beſondern Garter, und ein erfahrener Seemann cı 
Schiff ſchon an feinem Sarter, welche Flagge es auch führen follte. 

Sarti(Giufeppe), Tonfeger, geb. zu Faenza 1729, ward 1756 
meifler zu Kopenhagen und zugleih Muſik⸗ und Gefangmeifter der jr 
ften. Er componirte hier einige Opern, fand jedoch damit nicht fonderlid; 
1768 ging er nach England. Einige Zeit darauf ward er Capellmeiſte 
servatorio della pietä zu Venedig. Von biefem Zeitpunkte fängt fein ı 
in Italien an. Dan pries f. Compofitionen als himmliſche Muſik A 
bemuͤhten ſich um f. Stüde und gaben ihm Aufträge. 1782 ward er pı 
meifter am Dom zu Mailand ernannt. Unter f. Opern hat „Giulio Sa 
größte Auffehen gemacht, welche ex 1781 für das Theater von Venedig 
batte und welche 1734 zu Wien gebrudt wurde. Aber eben diefe Oper | 
wahren Kennern, daß ©. bei einer ſchwachen und mangelhaften Hamm 
zige Kunft beſitze, dem Sänger eine leichte und anmuthige Melodie gu lief 
Muf verbreitete fich indeß auch durch a. Opern, wie bie „„Gelosie villanı 
den Norden. Die ruffifche Kaiſerin berief ihn nach Peter&burg, um hieran 
ber Capelle vorzuftehen. Ex kam 1785 dort an und bebutirte mit einer 


Sarto 651 


ufik und einigen Pſalmen, die von 66 Sängern und 100 ruſſ. Hoͤrnern, 
en gewoͤhnlichen Saiten: und Blasinftrumenten, ausgeführt wurden. Da 
aungeachtet die Muſik noch nicht raufchend genug gefunden, fügte er bei eis 
ı Deum, welches er bei der Einnahme von Oczakow aufführen ließ, noch 
mfchüffe hinzu. Die Kanonen, von verfchiedenem Caliber, in dem Schloß⸗ 
fgefahren, machten, indem jie zu manchen Stellen den Baß fpielten, eine gar 
eWirkung. Nach der Aufführung f. „„Armide” 1786 beſchenkte ihn bie Kai⸗ 
He einer goldenen Dofe und einem Demantring. Bei mehren gegen ihn 
ne Sängerin Tobi angefponnenen Kabalen von Potemkin in Schug genom⸗ 
michtete er auf einem ihm von demfelben gefchenkten Dorfe eine Singfchule, 
ber 1793 in Petersburg wieder als Sapellmeifter angeftellt. Die Kaiferin 
te ihn zum Director des Confervatoriums von Katharinoslow mit einem 
von 35,000 Rubel und freier Wohnung, beroilligte ihm 15,000 Rubel 
Neiſekoſten und erhob ihn in ben ruff. Adel vom erften Rang. Auf einer 
a fein Vaterland (1802) ſtarb er zu Berlin im 74.3. Die Hochachtung, 
is Componift im Auslande, wie auch in f. Vaterlande, genoffen hat und ges 
&Geint ihm in minderm Grade in Deutfchland zu Theil geworben zu fein, wo 
Dpern nur einige tomifche auf die Bühne gefommen find, 3.3. „Fra i due 
ki il terzo gode” (‚Wenn Zwei mit einander flreiten, gewinnt der Drit⸗ 
Er hat aber auch im firengen Kirchenſtyle mehres Gute gefchrieben und eine 
Ine erfunden, die Zahl der Schwingungen zu beflimmen, welche ein Ton in 
Befmde madıt. 
Barto (Andrea bei) — fein eigentliher Name ift Andrea Vannucchi —, 
ehhmter Maler ber florentin. Schule, geb. zu Florenz 1488. Er hatte uns 
nte Lehrer und bildete ſich mehr felbft durch das Studium großer Vorbilder, 
mardo und Michel Angelo, aus. Einige behaupten, e6 habe ihm an Feuer 
ſindungskraft gefehlt, weßhalb er fidy auch bei einigen f. Compofitionen ber 
B befannt gewordenen Blätter bes Albrecht Dürer bedient habe. Mit einem 
I Blorentiner, Marcant. Francialigi, eröffnete er gemeinſchaftlich eine Werks 
u Florenz und arbeitete Viel für f. Vaterflabt. Franz I., zu welchem durch 
De fein Ruf gedrungen, zog ihn mit einem anfehnlichen Gehalte 1518 nach 
wich. Aber feine verfchtwenderifche Frau, welche er fehr liebte, verleitete ihn 
adank gegen diefen Zürften. Er ging nicht nur bald wieder nach Stalien zus 
ondern wendete aud) bedeutende Summen, welche fein hoher Kunſtgoͤnner 
me Ankauf der Gemälde guter Meifter in Italien hatte zuftellen laffen, zw 
und feiner Frau Bedarf und Vergnügen an. Er bereuete zwar feinen Fehler, 
he aber nicht, den König zu verföhnen. Unter Anderm malte er auch damals 
Iae Opferung A'brahams, welche fpäter in die dresdner Galerie gekommen iſt. 
. großen Meifterhaftigkeit in der Nachahmung erzählt man die Anekdote, 
Rafael’ Portrait des Papſtes Leo X. fo täufchend nachgeahmt habe, daß es 
von Biulio Romano, der an ben Gewaͤndern mitgearbeitet hatte, nicht er 
worden fei, bis Vafagi den Betrug entbedte. Zu feinen berühmteften und 
n Werken gehört noch eine Grablegung im Palaft Pitti, und ber todte Hei⸗ 
nit Maria und den Heiligen in ber großherzogi. Galerie, ferner eine ſchoͤne 
una in der Kirche l'Annunziata, genannt Madonna del sacco, ſowie mebre 
m Florenz. ine Carita, jegt in Bafel, Tobias mit dem Engel und mehre 
Familien, die Gefchichte Joſephs in 2 Gemälden, in dem parifer Mufeum, 
Imfalls berühmt. Sein Nachtmahl Chrifti fehonten die bei der Einnahme 
orenz 1529 in das Mefectorium, wo er fich befand, eindringenden Soldaten, 
e der Anbli überrafchte und in Staunen verfegte. Er flarb an der 
530. Seine Gemälde zeigen einen guten Zeichner und Goloriften, feine 
fitionen find anmuthig und haben eine gefällige Rundung; auch braptet er 


052 Saffoferato Saturnus 


fehr gut. Zumellen wirkt er zu ſehr nach Effect hin. Sein Schuler m 
Mantormo. 

Saffoferato, von feinem Geburtsorte gemöhnlich To genaı 
lich Stambattifta Salvi, geb. 1605. Er lernte die Elemente ber Mi 
Vater Tarquinio; fire bildete er ſich in Rom unter Dominichino, 
Albeni. Seine Werke nahmen beſonders den fleißigen Charakter bes Let 
gteichen fich fehr. Er malte beſonders Mabonnen mit dem Kinde, letzte 
theils ſchlafend, die Diutter es mit einem Schleier bedeckend oder den € 
Uch aufhebend. Seine Köpfe find ſehr lieblich und ausdrucksvoll; im 1 
des blauen Gewandes zeigt er große Kunſtfertigkeit. Groͤßtentheils ma 
ben Figuren. Won feiner Mater dolorosa hat Folo einen ſehr ſchoͤnen 
geliefert. ' 

Satelliten, aftron. fo viel al8 Trabanten (f.d.), auch 
Mebenplaneten; doch hat diefes Wort, wenn von Menſchen bie Het 
ſchlechten Nebenbegtiff, der bei Krabanten nicht flattfinbet. 

Satrapen hießen die Statthalter der einzelnen Provinzen bi 
reiche; die Statthalterfhaften Satrapien. — Die Neuern bebi 
Worts Satrapen im Allgemeinen zu Bezeichnung angeſehener B 
das Volk ober ihre Untergebenen drüden: Tyrannenknechte. 

Sattelhoͤfe nennt man gewiffe Arten von Landgätern, meld 
die Vorrechte der Rittergfiter genießen, aber doch viele Freiheiten und 
den gewöhnlichen Bauergätern haben. Sie kommen befonder& In Obe 
derſachſen vor und find meift alle zins⸗ und fleuerfreie Güter; UÜberble 
Tiger ‚größerer Befigungen mit verfchiebenen Rechten und ohne Hint 
Outöherrlichkeit, zuweilen auch fleuerfrei, gewoͤhnlich amtsſaͤſſig. 
fie auch ſattelfreie Güter; und ihr Name kommt nad) der wahrſcheinl 
hung von bem Lat. Sedes (Gig oder Wohnfig eines Abeligen) her, wo 
hof, Sadelhof und zulegt Sattelhof gemacht worden iſt. 

Sättigung iſt derjenige Zuftand, in welchem durch bie Ar 
Speiſe das Verlangen des Magens barnach befriedigt iſt. — Chemif 
Sattigung zwifhen 2 Körpern, die gegenfeitig auf einander wirken 
wenn fie fich gegenfeitig fo verändert und vereinigt haben, daB alle V 
Hört. Salz wird vom Maffer aufgelöft, doch hat diefe Auflöfung i 
diefe Grenze, wo das Waffer nicht mehr wirkt, beftimmt die Gättigun 
ein Probuct mit neuen Eigenfchaften entflanden, das Waffer ift fpecif 
geworden, hat einen andern Gefhmad angenommen; das als bagey 
die Vereinigung feine fefte Form verloren. So gibt ferner eine Saͤut 
Alkali gefättigt ein Salz, welches weder faure Eigenfchaften noch aHl 

eigt, ſondern neue, d. i. neutrale, angenommen hat. Inſofern Ift 9 
iren (f. d.) mit Sättigung einerlet. 

Saturnus, urfprünglich eine alt:italifche Gottheit, welche fp 
griech. Kronos umgebeutet wurde. Uranus und Gaͤa beten die 6 Titani 
Der Juͤngſte diefer Titanen war Kronos (die Zeit), welcher, als Uran 
einkerkerte, von ber zuͤrnenden Mutter zur Mache deßhalb aufgefodert, 
Dippe, tete Heflod fagt, die Scham des Vater hinwegmaͤhte, mworamf 
Hertſchaft entfeßt wide, bie Titanen ihre eingekerkerten Brüder befre 
Herrſchaft in des Kronos Hände kam. Diefer vermaͤhlte ſich mit Bih 
mehre Söhne und Töchter gebar. Aber da er wol mußte, ba auch ih 
nung von einem Sohne bevorſtehe, verfchlang er die ihm geborenen Ktı 
Zeus wutde gerettet, Indem Rhea ſich auf Kreta verbarg, mo Gaͤa Ihe ı 
verbieß. Dem Kronos reichte Rhea einen Stein in Windeln bar, ben: 
nengeboremen Knaben veriäjlang. Auf ein non ber Gaͤa und Reis ihes | 


Saturnalien Satyr 658 


mittel aber gab er ſowol biefen Stein als alle verſchluckte Kinder wieber 
wit bern SBeiflande nun Zeus ihn und die Titanen befriegte und nach 
zem Kampfe entthronte. Kronos wurbe ſammt den Zitanen in ben Tarta⸗ 
zekerkert, aus dem fpätere Dichter ihnen Erloͤſung gaben; Zeus aber ex 
nad Pindar, den Kronos als Beherrſcher bes feligen Eilandes im weſtlichen 
w. Das unbefannte Heöperien galt für das Land, wo Uranus und die fuls 
Zitanen geherifcht haben. Als man fpäter dies Land näher kennen lernte, 
renos und das goldene Zeitalter nach italien verfegt. Kronos mit Satur- 
wifchend, dichtete man, Saturn babe, des Reiches entfegt und vor ſ. Sohne 
Italien zu feinem Zufluchtsorte gewählt und fich in Latium (von latere) 
im. Hier theilte der uralte König Janus die Oberherrfchaft mit ihm, und 
erbaute auf dem capitolinifdhen, ehemals ſaturniſchen Berge bie Stadt 
mia. Auf dem Forum in Rom fand fein Tempel, in welchem man ben fs 
zu Schag verwahrte. Die faturnifche Zeit iſt als das golbene Alter unver: 
geblieben und von den Dichtern mwetteifernd gepriefen worden. Friedlich 
Vie Jahre dahin und jedes Augenblid bot eine Fülle heitern ungetrübten 
ennſſes und reiner unverbitterter Freuden bar. Ex wird auch zum Vater 
cauen Chiron gemacht. 
—* ein Feſt bei ben Römern zum Andenfen an die gluͤckliche 
we Saturn's Weltherrfchaft, go unter den Menſchengeſchlecht Gleichheit 
Wet befkanden, Treue, Verttauen und lebe Alle verbrüderte und Unter: 
w und Empörung fremb waren. Sie dauerten anfangs nur 1, dann 3, 
web unter ben Cäfaren 7 Tage, vom 17.— 23. Dec. Das Seft begann, 
bie wollene Binde, die das ganze Jahr hindurch die Süße von Saturns 
He umfdlang, abgenommen war. Es hob damit an, daß im Tempel des 
Keime Menge Wachskerzen angezündet wurben, zum Zeichen, daß nicht mehr 
pm geopfert werben follten. Die Sklaven waren jegt frei, trugen zum Zai⸗ 
Weiheit den Hut und gingen im purpurbefegten Rod und der weißen Toga. 
‚und SHaven taufchten ihre Rollen, und während die Knechte zu Tifche 
mb fchmauften, wurden fie von dem Sem und f. Gäften bedient, bie ſich, 
B eg nicht machten, allerlei laͤcherlichen Strafen unterwerfen mußten. Überop 
m Scherz und Freiheit und die Geſchaͤfte feierten. In den legten Tagen, 
Zeit hinzukamen, fanbte man einander Befchente, namentlich klein⸗ 
Sigiüa, von denen dieſe Tage auch Sigillarien hießen, und begrüßte 
dem Zutuf: „Io Saturnalia! Bona Saturnalia!" (Einige Gefangene 
‚aa Freiheit geſatzt, hie ihre Zeffeln dem Saturn weihten. 
hatyı. Unter dem Namen der Satyım (ourvpoı, zıruan), wie unter 
und Panen, ftellt die griech. Mythologie eine Axt von 
* big ſich mehr ober weniger ber thieriſchen Natur, beſonders der * 
Eie waren urſpruͤnglich peloponneſiſche Waldgoͤtter. Itxe 
asien) verdanken fie dem attiſchen Drama, befonder& bem fatyrifchen, 
Mens Grieche dachte fie ſpihohrig, glakig, mit Heinen Hervorragungen hin⸗ 
Diem, Nie ſpaͤtern Künftier nÄherten fie durch Hömer und Bocksfuͤße den, 
(©. Peß'e Mothol. Briefe”, Bb.2, S. 30.) In des Abbildungen ſieht 
bes ba einigen mehr Thieriſches: Geisfuͤße, Schwanz, gefnigte Ohren und 
4 andre behalten die. menſchliche Geſtalt und verrathen das Thieriſche bloß. 
ie Geigohnen und den Schwanz, wozu noch kleine keimende Hoͤrner kom⸗ 
Bach veücdis ſich das Thieriſche aus im ganzen Geficht, in den Augenknochen, 
wthanz, den hängenden Wannen unter den Ohren am Halſe. Gin andere 
Nas Shiaifäe | in eine bloß baͤuriſche, rohe und plumpe Menfchengefals 
wen abaz Die Kuͤnſtler doch ein angenehmes und gefälliges Ideal ber laͤnd⸗ 
hatur zu aan mußten. Gewoͤhnlich fegt man ben Unterſchien zwiſche 





654 Satyre 


Saunen und Satyrn fo feſt, daß jene blog mit fpigen Ohren und Heinen 
zen, diefe hingegen mit Gelsfüßen erſcheinen; Silenen aber fein altı 
Dies ift aber grundlos, vielmehr waren die Satyın ber Griechen den F 
Römer gleich. — Das ganze Geſchlecht der Satyrn, Silenen, Fammeın 
bezeichnet überhaupt bei den Alten Gottheiten des Waldes und des Rand! 
wachſen aus verfchiebenen ideen. Dem Bachus find die Satyın un 
ſtets als Gefolge beigefellt, in welcher Bedeutung, iſt nicht mehr ut 
wie denn der Urfprung der Vorſtellung von ihnen fich in ziemlich frühe : 
tiert. Vielleicht entftand fie aus ber Bekleidung der Menfchen mit 2 
vielleicht follte das Bild nur ſymboliſch fein und die rohe, wilde Men 
vorftellen. Als Altern der Satyın werden Mercur und die Nymphe Sp! 
Anderen Bachus und bie Najade Nicaͤa genannt. Sie waren wolläflig 
die Muſik. Bei den Bacchusfeften erfchienen fie immer muſicirend und 
Satyre, im mweitern Simme jeder mwigige Spott Über fremde ? 
Bloͤßen (daher auch fatyrifcher Menſch, fatyr. Laune, fatyr. Bilder); 
und eigentlichen Sinne ein Gedicht, das in einem launigen ober em! 
die Sehler und Thorheiten der Menſchen von ihrer lächerlichen Seite daı 
mit der Geißel des Spottes verfolgt. Diefe Dichtungsart hatte Ihren U: 
den Römern; der Name Satyre ift von dem lat. Worte satur (feine 
Satyr) abzuleiten und bezieht ſich zunaͤchſt auf die Miſchung der Gegen 
Versmaße, die in ben fruͤhern Merken diefer Gattung flattfand. Die € 
befondere Dichtungsart, gehört ber didaktiſchen Gattung an; es gilt ı 
ihr, was von dem Lehrgedicht im Allgemeinen gefagt worden iſt. Gew 
terfcheidet man eine ernfthafte oder firafende, und muntere ober lachent 
der Satyre. Jene greift unwahre ober unfittlihe Richtungen und Bi 
der Menfchen an, zeigt fie in ihrer verberblichen und haffenswerthen ( 
beftraft fie mit Ernſt und Nachdruck. Dieſe hingegen ftellt das Falſch 
eigte in menfchlichen Handlungen unter der Form bes Lächerlichen mi 
Laune dar. Vornehmlich find diejenigen Lafter und Thorheiten ein Geg 
Gatyre, die in der menfchlichen Geſellſchaft uͤberhaupt, oder in irgend ein 
sm Stande und Zeitalter herrfchend geworben find; denn eigentlich | 
wider die Sache als wider die Perfon gerichtet fein. Daraus ergibt fi 
nehmfte Eigenfchaft, die dem fatyrifchen Dichter nöthig iſt, Scharfficht 
Beobachtung menfchlicher after und Xhorheiten, mithin genaue Kı 
Menſchen und der Sitten; naͤchſtdem lebhaftes Gefühl Deffen, was 
beftraft und belacht, um es in feiner ganzen Verwerflichkeit ober Unſchid 
zuſehen und barzuftellen; eigenthümliche fatyrifche Laune, wozu bie 
felbft in jenem böhern Grade des Scharffinns und lebhaftern Gefäß! 
und mit treffendem Wig der Gedanken und bes Ausdrucks zu verbinde 
Kabel und die Zuͤchtigung menfchlicher Fehler und Thorheiten in fchilber 
den man im Allgemeinen das Satyrifche nennt, laͤßt fidy aber nicht bl 
befonbern Gedicht, ſondern auch in einzelnen Xheilen und Wendung 
oft als eingeflveuete Würze anbringen. — In Form und Einklelbung 
Satyriſche in der Poefie große Mannigfaltigkeit. Es laͤßt fich in Brie 
Iungen, Gefprächen, Schaufpielen (wie bei Ariſtophanes), Liedern, Ep 
bein ıc. anbringen. Die gewoͤhnlichſte Form der Satyre aber iſt bie der 
gem didaktifchen Satyre, in welcher jedoch die Lehren nicht unmsittelbe 
Darftellumg find. — Zur Versart der Satyre wählten bie Alten den K 
den Derameter, die Neuen im Allgemeinen den Jaubus, umb zwa 
Hlerandriner, bald den fünffügigen Jambus, und letztern entweder rim 
irgend einer gereimten Form. — Die eigentliche didaktiſche Gatyer a 
bei ben Römern, und ihr Urheber war Lucil; mehr Ausblidung gaben m 


N 


Satz Sauerkleeſalz 655 


er muntern, bie er als Iaunigen Discurs Sermones nannte, Juvenal und Pers 
der ernſthaften Battung. (Über die römifche Satyre haben Vulpius, König 
Bafaubonns gefchrieben. Ein vortreffi. Auffag über diefelbe, von W. Wachs⸗ 
‚ finbet ſich in defien „Athendum”, 1. Bd., 2. Heft.) Von den Neuern nen⸗ 
We bei den Stalienern Ariofto, Alamanni, Salvator Mofa, Menzint, Dotti, Ga⸗ 
Bossi, Alfieri; bei den Spaniern Cervantes, Quevedo und Saavebra; bei 
zarsofen Regnier, Bollenu und Voltaire ; bei den Engländern Donne, Roche⸗ 
Dope, Swift, Young, Churchill, Johnſon und Peter Pindar (Wolcott); bei 
ſolen Kraficzky; und bei den Deutfchen Seb. Brand, Murner, Ule. Hutten, 
wt, Rollenhagen, Rochel, Ganig, Liston, Haller, Hagedorn, Rabener, Sturz, 
berg, Käftner, Dfeffel, Lichtenberg, Kalk, Wieland, Tieck, Wetzel, Weiſſer, 
ı. Die Griechen hatten bie eigentliche Satyre nicht; das Gedicht des 
lochns, fowie des Simonides, war mehr ein Schmähgedicht, und bie Sillen 
a zauar wahrſcheinlich eine dibaktifche Form, gehörten aber mehr zu ben Paros" 
— Ganz verfchieden von ber Satyre aber war das Drama ſatyrikon, Satys 
piel, der Griechen, von Pratinas erfunden, eine Miſchung tragifcher, wenig⸗ 
Beroifcher Handlung mit dem Komifchen. Diefe Dramen bienten zu Nach⸗ 
Bwifchenfpielen und hatten einen niebrigstomifchen Charakter. Wir befigen 
em noch den einzigen Cyklops bed Euripides. Vol. Eichftädt, „De dramate 
seram eomico-satyrieo ete.“ und Herrmann und Pinzger über benfelben 
Manb (Berl. 1822). 
Ga bezeichnet in der Srammatik und Styliſtik eine Verbindung von Worten, 
afür fid) einen Sinn gibt. Logiſch betrachtet, iſt der Sag ein ausgebrüdtes 
ches oder zufammengefehtes) Urtheil. — In der Muſik bezeichnet & a theils 
Esmverbindung, die einen voliftändigen Sinn gibt, theils ein Muſikſtuͤck, wel⸗ 
Nnen untergeorbneten Theil eines größeren Mufitftäds ausmacht , theils bie 
miſche Ausarbeitung eines Tonſtuͤcks und die Kunſt derſelben (Setzkunſt); 
dauch die Formen der harmoniſchen Ausarbeitung, z. B. zweiſtimmiger, drei⸗ 
ge vierflimmiger Gag. 
auerbrunnen oder Säuerlinge heißen diejenigen Mineralwaſſer, 

ben andern falsigen Beftanbtheilen das kohlenſaure Gas (fire Luft, Luftfäure) 
weberrfchenben Beſtandtheile haben. Sie zeigen einen kuͤhlenden, prickelnden 
mad, perlen beim Eingießen und ſchaͤumen gleich dem Champagnerweine, 
man ihnen Zuder und Wein zufegt, weil dadurch das in ihnen enthaltene 
mtweicht. Die befannteften deutfchen Brunnen diefer Art finden ſich zu Sel⸗ 
> Faching im Naſſauiſchen, zu Bilin und Eger in Böhmen, und zu Gells 
der Grafſchaft Holzapfel. 

Sanerkleeſalz (salacetosellae, sal oxalis) ift ein weißes, kryſtallinl⸗ 
Salz vegetabilifhen Urſprungs (fälfchlich zumellen Witterkieefalz genannt), 
u aus Sauerkleeſaͤure (Zuderfäure) und Potaſchenalkali fo zufammengefeht 
nf die Säure Überfchufß und das Salz daher faure Eigenfchaften zeigt. Wiele 
ſaurer Pflanzen enthalten es fchon zubereitet, dahin gehören vorzüglich alle 
des Sauerklees (oxalis) und einige des Ampfers (rumex). Um es zu bereis 
wizb der ausgepreßte Saft abgebampft, mit Eiweiß gekiärt und zur Kry⸗ 
ion befördert, bie man durch Zufas von Weingeift befchleunigt. Die Schweiz 
'ba6 mehrſte und befte Salz diefer Art zum Handel. Beine Anwendung fin» 
bei vielen Farben⸗ und Druderbeizen, wie bei der Refervage: Belize zum 
wen, wenn der ausgefärbte Srumb des Zeuges wieber farbenlos werben 

Bekannt ift fein Gebrauch zum Vertilgen der Roſtflecken aus der Leinwand 
Isunswoße, die auf der Leichtiößlichkeit und Farbenloſigkeit der entflanbenen 
webindung beruht. Neue Erfahrungen haben bewiefen, daß dieſes Salz ins 
‚zu 1 bls 2 Loth genommen, aͤußerſt fchädliche Wirkungen haben könne. 


656 Säuerling Sauerkoff 


Sauerling, f. Sauerbrunnen. 

Sauerftoff, Drygen, ein bisher noch unzerlegter Körper, de 
Natur unter allen Formen vorkommt und einer der wichtigfien Stoffe M. 
einfachſte Form ift die Luftform (Sauerſtoffgas, Oxygengas); im felbig 
farbenlos, elaſtiſch gleich der gemeinen Luft. (S. Gaſsarten.) Ymik 
zuftellen, fcheibet man den Sauerſtoff aus Braunſteinoxyd (Granbram 
rothem Qusdfitberpricipitat, Salpeter ıc. durchs Gluͤhen in einer Redn 
fängt die entweichende Luft unter Waffer auf. Diefe zeigt ſich als das Be 
ungemein begünftigend, denn ein glimmender Span brennt lodernd darin ı 
er Stahl brennt mit Funkenſpruͤhen, jeder andre Körper verbreitet dark 
mehr Licht als in gemeiner Luft. Ebenſo befchleunigt fie da® Athmen: ZI 
men Peg echigen ſich darin, und ſcheinen Wohlbehagen zu fühlen. & 
ſchlaͤgt vor, fie gegen den Sceintod erwärmt mit einem Blaſebalge in bi 
zu treiben und will glückliche Folgen diefed Verfahrens gefehen haben. Waͤl 
Brennens. vereinigt fich ber brennende Körper mit dem Sauerftoffe ber & 
beibe geben ihr Licht und ihre Wärme als Feuer von fi ; das Product der‘ 
nung iſt allezeit eine Verbindung des Verbrannten mit Sauerfloff, es fr 
mig, ſtuͤſſig oder feft. Verbrennt man irgend einen brennlichen Stoff, 5.9 
phor, in Sauerftoffluft (in einem umgeflürzten Bierglafe, bas im einem 2 
Waſſer fteht), fo findet ſich, daß eine gemiffe Menge des Phosphors einer 
Menge jener Luft, die während bed Brennens verfchwindet und durch eu 
bes Waſſer erfegt wird, bebarf, ba ihrem Mangel aber verliſcht. Bafl 
in gemeiner Luft ftattfinden (nur mit dem Unterſchiede, daß wegen ipeed 
an Stickſtoffluft allezeit 78 Theile Ruͤckſtand bleiben und Alles Iangfame 
gebt) und beruht auf denfelhen Urſachen, weil 21 — 22 Procent Gauerfi 
ihe enthalten find. Die durchs Verbrennen mit Sauerfloff entftanbenen 
find bisweilen von neutralen Eigenfchaften, wie das Waffer, welches bi 
breuanung bes Waflerftoffs in Sauerfloff bereitet werben kanız; viele fint 
fauer, wie Dünfte aus brennendem Schwefel, der Farben bleidyt, andre 
Körper, welche in ihren Eigenfchaften ben Säuern gerade entgegengeſet 
bafifche Oxyde heißen, wie mehre der verbrannten Metalle. Die Körper 
ſich nur in beſtimmten Verhältniffen mit dem Sauerfloffe, mehre aber | 
Staufen. Die Chemiker nennen diefe Oxyde in der erſten Stufe Preotory 
zweiten Deutoryd, in ber höchften Perorpd; es findet fich, daß die 3 
Gauerftoffe, welche dem erflen Brad bildet, anberthalbfach ober zweifa 
zweiten ift und fo mit jeder Stufe in beflimmter Menge waͤchſt. Erwaͤg 
vielen Verbrennungen, bie täglich in der Luft vorgehen und nebft dem Xi 
Thiere eine ungeheure Maſſe Sauerftoff verzehren, fo muß man ſich wur 
bie Luft überall aus gleichen Verhaͤltniſſen Stickſtoffluft und Sauerſtofflu 
10 ber Erſatz diefer leptern immer herfommt. De Luc meint, aus ben 
Dann müßten aber Waflerftoff und Stickſtoff einerlei Bram 
und in einander übergehen Binnen. Die grünen Theile der Pflanzen geben 
nenfcheine viel Sauerfloffluft her und erfegen fo ben Abgang etwas Im! 
aber im Winter bleibt der Erſatz aus, ohne daß dadurch das Miſchungkr 
ber Luft geändert wird. Überhaupt if bie Thierwelt durch Orybation mit b 
ſphaͤre verbunden, indem fie ihr Sauerſtoff, wenn nicht entzieht, doch ihn 
lenſaͤure umſchafft; die Pflanzenwelt hängt durch Desorpbatien malt derdftı 
zuſammen, denn die Begetabilien nehmen oxydirte Probucte, vote Koblauf 
Wafler, auf, behalten die brennbare Grundlage diefer Rörper ar ur 
rung ımb entlaffen ben Sauerftoff im Sonnenlichte Iuftfünnig. Dee 
fpielt eine Hauptrolle n&avoifier’s (ſ. d.) antiphlogiftifchem * 
mie) und begruͤndet, vwittelft {. Einführung in die Erklaͤrung der Erſche 





Säugthiere 657 


alteriſliſchen Unterſchied deſſelben von der aͤlteren Stahl'ſchen (ſ. Stahl), 
logiſtiſchen Anſicht. M. ſ. daruͤber Girtanner'sAnfangsgr. der anti⸗ 
iſchen Chemie” (Berl. 1792); gleichwie über das oben erwähnte Verhaͤltniß 
Begetation und Desoxydation v. Humboldt's „Aphorismen aus d. — 
— (a. d. Lat. v. Fiſcher, Lpzg. 1794). 
ugthiere (mammalia) machen bie 1. Claſſe des Thierreichs aus. "oh 
z mit 2 Kammern, 2 Ohren unb rothe® warmes Blut. Die 
Ric ihrer Oberhaut beſteht, die Wafferthiere ausgenommen, in - 
‚ bie in ihrer Weiche, Länge und Ordnung verfchieden und ben Thieren 
vbg dichter und reichlicher als denen der wärmern zugetheilt find. 
cht diefe Haare borftig beim Schweine, in Stacheln übergehend beim Igel 
achelfchweine,, in Schuppen beim Panzerthiere, in Schilder beim Gürtel 
bene fegen fie fich bei den meiften in den Schwanz fort. Das Eihhom 
Iangbehaarten, auseinanberflehenden Schwanz, ber Löwe hat ihn buͤ⸗ 
ig behaart, das Pferd zopfförmig, fehr kurz zeigt er fich beim Dafen und 
wef, länger [chon bei Ratten und Hunden; bie Meerkatzen innen ihn for 
ch einer fünften Hand gebrauchen ; wenigen Affen, einigen Nagethieren und 
mfchen fehlt er ganz. Bel vielm Säugthieren ift das Geſicht mit Warzen 
bei andern trägt das Kinn einen Bart, beim Kameele ift die Bruſt, beim 
find die Füge mit hornartigen Auswüchfen befegt. Die Mafferfäugthiere 
katt ber Hinterfüße , audy bisweilen flatt der Vorderfuͤße Stoffen; die Land» 
ere befigen dagegen burchgängig 4 Süße, welche ihnen den auszeichnenden 
I der vierfüßigen geben. Die Enden biefer Fuͤße find mannigfaltig —* 
m findet eine band: oder fußfoͤrmige Ausbreitung ober eine Zertheilun 
oder Zehen ſtatt. Diefe Finger oder Zehen find bei einigen mit — 
ügeln beſetzt, die ihren Spitzen Feſtigkeit geben; ober mit beweglichen ſchar⸗ 
Men (bei den reißenden) zur Vertheidigung, zum Feſthalten ihres Raubes oder 
Mühlen; bie ſchwimmenden Säugthiere haben diefe Zehen mit Schwimmhaut 
ben; bei den Laſtthieren iſt der Fuß mit Klauen beſetzt, die einem Schuhe 
ie Zehen einbüllen und ſchuͤtzen. Krallen, Klaum, Hoͤrner an der Stim 
hae bienen ihnen zu Waffen; Iettere insbefondere zu Freßwerkzeugen. Won 
im — kennt man die Geſchlechter der Ameiſenbaͤren und Panzer⸗ 
Die aͤußern Sinnwerkzeuge ſind in den Saͤugthieren, und vor allen in dem 
ven, fuͤnffach, für Gehoͤr, Geruch, Geſicht, Geſchmack und Taſten ſehr 
men ausgebildet. Die Werkzeuge jener 4* erſtern tragen fie am Kopfe, ber 
m bingegen ift unter ber ganzen Oberhaut mehr ober weniger ſtark verbreitet. 
fern Ohren find von verfchiedener Beftalt, der innere Bau iſt beſonders 
R für hohe Toͤne und weit herkommenden Schall ſehr empfindlich, nachdem 
kio® ſich durch Flucht nur retten koͤnnen, bald vorzugsweiſe für tiefe und 
Ime eingerichtet, wenn ihr Gehör ihnen zum Leiter ihres Raubes gegeben iſt 
feibft bewaffnet keinen Feind in der Nähe fürchten. Ihre Augen haben bes 
MPupillen und Augenlider; die Pupillen find bei den am Tage geſchaͤfti⸗ 
wiich, bei den in ber Nacht fehenden beftehen fie in einer horizontalen ober 
w ©palte. Die Nafe ale Geruchswerkzeug ſteht über dem Munde und ihm 
weiſer zugegeben, oft kuͤrzer als die Oberlippe, oder über biefe —— 
w gefpalten, oder, wie beim Elefanten, in einen Ruͤſſel verlän Die 
kr den Geſchmacksſinn liegt in der Unterkinnlade und hinter der n ewölbten 
haltenen Oberlippe. Sie ift mit Sefchmadiöwarzen befegt, die beim Hunde 
wig, bei der Kane flachelartig hervorſtehen, fie felbft ift meift einfach und 
och auch walsenförmig (beim Ameifenbär), oder gefpalten (beim Ben). 
Ingthiere gebärem lebendige Junge und fäugen fie mit Milch an ihren Bruͤ⸗ 
Diefe Organe kommen ihnen ausfchließend zu, find (den Hengſt ausgenom- 
Eex. @tebente Nufl. Mb. IX. 42 






658 Saugwert Säule 


men) bei Männchen und Weibchen zu finden und gleichzählig in ſolcher 
gewöhnlich für jebe® Junge 2 vorhanden find. Der Menſch, bie 
ber Wallfiſch tragen fie an der Bruft, der Seehund am Bauche, bie 
den Leiſten, mehre Nagethiere am Bauche und der Bruſt zugleich, und | 
laͤngs des Leibes. Die wenigften leben paarweis , wie das Lemur, | 
Zlebermaus, bie Affen; bie mehrften begatten fich mit jedem Weibchen | 
ihnen aufftößt, wo dann ber Mutter die Sorge und Vertheidigung der“ 
zur Laft faͤllt und von ihr bis zur zweiten Niederkunft übernommen wir 
hund allein hält und vertheidigt ein Harem von mehren Weibern. Linn 
Thiere in folgende Ordnungen: 1) Primates, welche ben Menfchen, 
den Affen und die Fledermaus umfaffen; 2) Bruta, wohin der Anıı 
Rhinoceros, der Elefant, das Wallroß, Zaulkhier, Schuppen » und 
3) Ferae, wozu das Geſchlecht ber Hunde, Wiefe, Maulwürfe, 8 
4) Glires , wohin die Mäufe, Hafen, Eichhörner, Biber ıc. 5) Pe 
das Rind, Kameel, ber Hirſch, das Schaf, die Bazellen ıc. 6) Be 
Dferd und Schweine; 7) Cetae, in welche die Wafferfäugthiere, | 
Delphin ıc. gehören. 

Saugwerk, Saugpumpen, f. Pumpen. 

Saul, Königin Israrlum1050v. Chr. Er flammte aus einer 
mille des unbebeutenden Stammes Benjamin, zeichnete fid) aber aus | 
heit und Tapferkeit, und warb von Samuel zum Könige gewählt, als 
republikaniſchen Verfaffung müde war. Aber erſt nach einem Siege 
moniter warb er won bem ganzen Volke anerkannt. Miederholte € 
Ppitifter, Edomiter, Moabiter, Ammoniter, felbft über den König 
des Euphrats befeftigten fein Anfehen. Samuel(f.d.) aber, bern 
böchfte Gewalt niedergelegt hatte, behielt flet6 eine Partei im Wolke 
mit Saul, wegen eines Eingriffs in bie Worrechte bes Prieſterthum 
eines In einem Kriege mit den Amalelitern bezeigten Ungehorfans g 
ihm im Namen Gottes gegebenen Befehl zerfiel, falbte er David (f. 
gegen ihn zum Könige. Saul erkannte ſ. Gegner und hafte ihn um 
diefer ſich durch die Befiegung des Philifters Goliath und andre tapfer 
vorthat, ihm f. Tochter Michal zur Gemahlin abnöthigte und die Frı 
ned Sohnes Jonathan zu gewinnen wußte. in bürgerlicher Krieg 
aus, ber biß zu Sauls Tode währte, den biefer in einem ungluͤcklich 
gen die Philiſter ſich felbft gab. 

Säule, eine runde, freiftehende, fich nach oben verduͤnnen 
Baumerke. Der Urfprung der Säulen fällt in die entfernteften Zeiten 
pel ſcheinen bie erften Gebäude geweſen zu fein, deren größerer Umfi 
machte, das Dach durch einige ſenkrechte Stügen vor dem Einfturz zu 
wählte dazu in Griechenland, und wo man an Holz Überfluß hatte, & 
von deren Geſtalt fich unftreitig die Form der nachherigen Säule herſe 
wo man aus Mangel an Holz von Anfang an mit Steinen baute, wi 
waren bie erften Säulen rohe, plumpe Steinblöde, obne Zierrach ed 
erft fpäter eine gefälligere Form erhielten. An einer Säule unterſche 
woͤhnlich 3 Theile: ben Säulenftuhl oder das Poſtament (f. d.), ar 
die Säule und das Gebaͤlke. Die Säule befteht aus dem Fuße, dem 
bem Knaufe oder Gapitäle. Der Fuß oder die Bafis enthält den ebe 
und ein oder mehre runde Glieder, um ber Säule einen Anfang au 5 
Schaft iſt ber mittlere Theil der Säule zwifchen dem Fuße und dem Ke 
Knauf ift nothwendig, die Säule oben als vollendet vorzuflellen. Oh 
die runden Glieder des Fußes würde die Säule nur eine abgefchuittane | 
ſchoͤnes Ganzes fein, das feine beſtimmten Grenzen hat. Die du 


Säulenorbnung 659 


as sufanmiengezogen ober verjüngt; bis zum beiten Theil ihrer Höhe 
fie ſenkrecht laufen zu laſſen. Das Gebaͤlk endlich befteht aus dem Haupt⸗ 
alten (Architrav), der auf dem Gapitäle ruht, dem Borten ober Fries, 
:anze oder Karnieß. Zum Maßſtab der Säulen bebient man ſich gewoͤhn⸗ 
ven Durchmeſſers des Schafts, welchen man Modul nennt, und wel 
la für die beiden unterſten Ocbnungen in 2, für die 3 hoͤhern in 18 
t. (Vgl. Gekuppelte Säulen.) | 
lenordnung. Mit diefem Ausbrud bezeichnet man ben befondbem 
{nordnung der Theile der Säulen zu sinem kunſtvollen Ganzen. Man 
t 5 Saͤulenordnungen: die thuscifche oder toscanifche, doriſche, ioniſche, 
u. römifche; die erſte und legte find zufammengefebt. Das Kennzeichen 
nifchen Ordnung ift, baß fie gegen ihre Höhe einen verhältnigmäßig 
ft, wenige und ſtarke Glieder bat, weßhalb man fie rustica nannte. 
(Schaft mit Zug und Gapitäl) hat nad) Vitruv und Vignola 14 Mo⸗ 
be, wovon auf Fuß und Capitäl auf jedes eins tommen. Das Gebaͤlk 
tzterm 34 Modul, nämlich der Architrav 1, der Trieb 14, der Kranz 
ie doriſche Ordnung hat zum Dauptlennzeichen bie Triglyphen ober 
(Dorftelung der dreifeitigen Apolloleier) Im Sriefe, welche die Köpfe 
Architrav liegenden Balken vorflellen und 2 prismatifche Vertiefungen 
m auf der Seite haben. Die Zwifchenräume heißem Metopen (f.d.). 
Säule muß gerade nad) ihrer Mittellinie ein Dreifchlig treffen. Man 
nach Vitruv als eine Regel an, daß bie Dreifchlige 1 Modul breit und 
hoch , die Metopen aber ein Quabrat fein ſollen. Auch pflegt man bie 
zwiſchen 2 Säulen gern in ungerader Anzahl fein zu laffm. An ben 
den und einwärtögehenben Winkeln machen die Triglyphen und Meto⸗ 
erigkeit. Der Charakter biefer Ordnung ift Großartigkeit, majeſtaͤti⸗ 
heit, die keine feine Zierrathen, aber durchaus Fleiß und einfachen Reich⸗ 
Die Höhe der Säule war bei den Briechen anfangs nur 12 Mobul, 
und in den Schaufpielhäufern 15. Vignola gibt ihr 16 Mobul, wos 
Fuß und 1 das Eapität erhält. Beide find wenig mehr geſchmuͤckt als 
chen. Einige geben der dorifchen Säule zwar den fchönen attiſchen Saͤu⸗ 
‚och umpaffend. Der Kranz in diefer Ordnung iſt ſtark vorfpeingend, 
la 2 Modul über die Flaͤche des Schafts. Daher hat man ber Kranz⸗ 
aterftügung bie Dielenköpfe gegeben, die 1 Modul breit und 4} Modul 
md über jedem Dreifchlige fich befinden. Man erklaͤrt fie für bie Ders 
ber Dielen über den Balken. Oder beffer, fie bienten bloß zur Unter 
e flarten Ausladung des Kranzes. Man gebraucht auch ſchon in dieſer 
rie weiter unten vorkommenden Zahnſchnitte. Unter den Triglyphen 
m Architrav 6 Beine koniſche Koͤrperchen, Trophen, angebracht, ders 
a auch auf ber Unterflädye der Krangleifte anzubringen pflegt. Die Tri⸗ 
len in den höhern Ordnungen weg, indem man bie Balkenkoͤpfe verklei⸗ 
e ionifche Drbnung hat zum Kennzeichen ein mit 2 Schneden auf 
ber ein mit & doppelfeitigen Schnecken auf den 4 Ecken gesiertes Capitaͤl. 
36 Gapitäl der Alten, welches bie Neuern verfihönert haben. Man hat 
tig mit einem gelodten Maͤdchenkopfe verglichen. Anfangs hatte bie 
:16 Modul, hernach 17, und Bignola und andre Neuere geben ihr 
von Biteuo befchriebene GSaͤulenfuß iſt wegen des ſtarken Pfuͤhls über 
Heinen Gliedern fehlerhaft. Beſſer gebraucht man ben attiſchen. Der 
m wird der Zierlichkeit wegen in 3 Streifen abgetheilt. Der Fries bleibt 
latt oder wirb mit ſchicklicher Bildhauerarbeit geſchmuͤckt. Der Kranz 
uf einem platten Gliede zwiſchen bem Fries und ber Kranzleiſte, um 
zu unterbrechen, oft einen Zierrath, bes aus Ben rigen 
2* 


6860 Säulenordnung 


Theilen mit Zwiſchenraͤumen beſteht. Man nennt fie Zahnſchnitte (R& 
UAngemeffener ſcheint es, die Kranzleifte durch glatte Sparrenkoͤpfe zu u 
wie durch die niedrigeren Dielenköpfe in dem dorifchen Kranze. Anmuth 
liche Zierlichkeit ift der Charakter diefer Ordnung. Der attifche Säulen 
aus einem Unterfage, einem Pfühle, einem Riemchen, einer Einziehr 
Riemchen, einem Pfühle und einem Saume von beftimmten Verhaͤltn 
Unterfag beträgt 23 Modul. — Das Meifterftüd der Baukunſt if! 
thiſche Saͤulenordnung. Gie zieht ſogleich das Auge an durch das fi 
tät, ein große rundes Gefäß, mit einem vieredigen, auf den Geiter 
nen Dedel, der unten mit 2 Reihen, jeder von 8 Blättern, umfaßt 
welchen 4 Stiele, jeder 2 Bleinere Blätter unter den 4 größern Schni 
4 Eden und den 4 Paar kleinern unter der Mitte der Seiten ficy kruͤ 
die Höhe gehen lafien. Diefe Schnedien nehmen gleichfalls aus den € 
Urſprung und unterftügen auf eine ungeswungene Art den Deckel de 
Die Höhe der Säule mit Capitäl und Zug ift nad) Vignola 20 Mobu 
fie ein zu dem Ganzen paffendes ſchlankes Anfehen befommt. Am ans 
iſt für fie der attifche Buß, dem man an den Pfühlen noch einen Ring zı 
In dem Gebaͤlke bekommen die Streifen des Architravs eine Keblleift 
Rande, die an dem oberften noch mit einem Überfchlage und Stabe ein 
Der Fries wird oft mit Bildhauerarbeit verziert; der Kranz betomm 
Kranzleifte zierlich gefchweifte Sparrenköpfe und in dem unten Theile 
ſchnitte. Die ganze Ordnung iſt durch die Werhältniffe der Theile, 

der Verzierungen umb die Übereinftimmung ein vollendetes Muſter der 

ſchen Schönheit. — Dierömifche Ordnung, ober die zufammengefi 
ſcheidet fidy von der Eorinthifchen hauptſaͤchlich in dem Capitaͤl, weld 
ioniſchen und korinthiſchen zuſammengeſetzt iſt, indem aus jenem die gı 
ten oder Schnecken mit ben dazwiſchen befindlichen runden Gliedern, 
die breiten Hauptreihen von Blättern entlehnt find. Die dritte Reih 
dem legten ſich unter den Schneden hinkruͤmmt, iſt hier nicht befind 
find Stiele mit kurzen Blättern vorhanden. Das Verhälmiß der Hoͤ 
diefer Säule ift wie bei der korinthiſchen. Üübrigens möchte fie noch 
Freiheiten geftatten, daher fie am ſchicklichſten da gebraucht wird, ı 
Einbildungskraft freiere® Spiel laffen will. — Der wahre Unterfchi 
lenordnung möchte wol in dem Verhaͤltniſſe der Höhe des Schaftes zu | 
in dem größern oder geringern Maße der Zierrathen und ben damit: 
menben feinern ober gröbern Gliedern der Haupttheile beftehen, ſodaß n 
der Saͤulenordnungen auf 3, bie dorifche (von gefallender Stärke), die i 
zierlicher Einfachheit) und die korinthiſche (von geſchmackvoller Pracht) ; 
kann. Auf die Verzierung des Gapitäls kommt es nur infofern an, al 
den feinern Ordnungen mehr Verzierung zukommt. — Eine fechöte obe 
Saͤulenordnung ift voͤllig umftatthaft, denn fie unterfcheidet ſich von! 
nur durch das ſchlechtere Capitaͤl und einige willfürliche Weränderumgen 
Stieder. — Die Wahl der Säutenorbnung bei einem Gebaͤude hängt 
flimmung deffelben ab. Die toscanifche Ordnung dient zu Stadtthor 
len, Leuchtthlirmen, Brunnen u. dgl.. Die dorifche Ordnung paft bi 
gottesdienſtliche Gebäude, die ionifche für Luſtſchloͤſſer, im Innem be 
auch als zweite Ordnung an ihrer Außenfeite. Die Eorinthifche Orbum 
Verzierung fuͤrſtl. Palaͤſte, überhaupt da, wo Zierlichkeit und Pracht 
und Einfachheit vorgezogen werden. Der Gebrauch der römifchen Cd 
oben angegeben. Wo mehre Saͤulenordnungen uͤbereinandergeſtellt werd 
die ſtaͤrkere allemal den niebrigern Plag ein. Die Aren der Gaulen mil 
gerade Linie fallen. Die obere Shure weich umten fo dick, als bie ad 


Saͤulenſtuhl Saurau 661 


de am Knaufe iſt. Dan pflegt auch die obere Säule um einen Modul der naͤchſt 
m Saͤule niedriger zu machen als diefe. Um indeß die Einheit nicht zu vers 
1, iſt bei Übereinanderftellung der Säulen alles wohl zu berüdfichtigen. Eine 
thiſche Saͤulenreihe über einer toscanifchen oder dorifchen wuͤrde durchaus nicht 
nl ebenfo wenig find 3 verfchiedenel Ordnungen übereinander zusulaffen. Zwei 
3 ähnliche aber erzeugen Einförmigkeit. Man wird dergleichen Übereinanbers 
ngen, zumal an Wohngebäuden, am beten ganz vermeiden. ©. Ludw. Voch 
„Unterricht in der Aufreißung der 5 Säulenordnungen” (Augsb. 1779) unb 
wendung der 5 Säulen ıc.”, befonder6 aber Weinbrenner in f. Werk über 
Säufenordnungen (Zübingen 1809), und 2. Schäpf, „Die einzelnen Theile 
Säulenordnung mit Schattenbeflimmungen” (m. Kpfen., Leipzig 1821). 
Säulenftupl, f. Poftament. 
Saurau (Franz, Graf v.), geb. zu Wien 1760, auß einer der aͤlteſten und 
em Familien in Steiermark herſtammend, 309 ald Kreiscommiſſair in ſtreich 
68 II. befondere Aufmerkſamkeit auf fi, ward von ihm, bei dem damals 
kefprochenen, aber bald ganz verunglüdten Geſchaͤft ber allgemeinen neuen 
weregulicung gebraucht, und fchnell nacheinander, in noch früher Jugend, 
böbmifchen Gubernialrath, zum Stadthauptmann in Prag, zum Hofrath 
Directorium in Wien befördert. Dit dem erften Wahlbotfchafter und olls 
w Garbinalerzbifhof Colloredo bei der Kaiſerwahl Leopolds IL. verrichtete er 
has Amt eines Hofmarſchalls der Kur und Krone Böhmen. Er warb nieder 
&. Regierungspräfident, und, dem Miniſter Freih. von Thugut enge vers 
ut, vereinigte er eine Zeitlang die Gewalt eines Polizei» und Finanzminiftere, 
28 ald Adiunct des alten Grafen von Pergen, den man biefer wichtigen Stelle 
mehr für gewachfen hielt. In diefe Zeit fiel die geswungene Arroſirung ber 
nen und der Anfang zur unverhältnigmäßigen Ausgabe des Papiergeldes, 
die Jakobinergeſchichten, die der Anlaß einer eignen Verfügung des neuen 
Rlichen Geſetzbuches wurden, wodurch Verleitung zum Verbrechen und Stei⸗ 
ug deffeiben, um es dann anzugeben und firafen zu koͤnnen, ſtreng unterfagt 
Br. Bald nach dem Austritte des Minifters Thugut trat S. ebenfalls vom 
inifterpoften ab und ging als Botfchafter nach Petersburg, wohnte auch 
kau der Krönung des Kaiſers Alerander bei. — Nach ber Beendigung des 
Frankteich und Rußland geleiteten deutſchen Entſchaͤdigungs⸗ und Säcularis 
Woefchäftes 1804 von Petersburg zurldberufen, warb er oͤſtreich. Land» 
hall, und 1805 Gouverneur in Inneroͤſtreich. Als ſolcher leitete ex mit dem 
wioge Sobann die Bildung der Landwehr und alle Vorbereitungen zum Kriege 
1809. In demfelben bekleidete er eine Zeitlang eben bei bem Heere von ins 
keih,, unter dem Erzherzog Johann, den Poften eines bevollmaͤchtigten Hof: 
uſſairs. Er war beflimmt, den Maſſeaufſtand feiner Provinz einzurichten 
mit dem heidenmüthigen Tirol in Verbindung zu fegen, als die Bewegungen 
hannus Grafen Giulay den gräger Schloßberg entfegt und Steiermark, fowie 
koler Landſturm ganz Oberkärnthen befreit hatte. Im Nov. 1809 warb 
'&. wieber, was er vor 14 Jahren gewefen war, Regierungspräfident zu 
mit dem Titel eines Statthalters von Ober: und Niederöftreih, 1815 
erneur des neuerworbenen lombardiſchen Königreich, und 1817 zum Bots 
re in Spanien ernannt, welche Stelle er jeboch nicht angetreten hat. Eine 
ug war er aud) bevollmächtigter Minifter beim Deere Bianchi's geweſen, wel⸗ 
kerdinand IV. wieder auf den Thron von Neapel fegte. 1818 ward er zum 
her des Innern, oberften Kanzler und Chef aller politifchen Hofkanzleien ber 
b. Monarchie mit Ausnahme der ungarifchen und fiebenbürgifchen ernannt: 
ene Stelle, bie ihm den größten Einflug in die Staatsverwaltung gibt, deffen 
fo fehr durch Patriotiemus, als durch die reichſten Beichäftserfahrungen, 


6682 Säure Saurin 


vdurch eine feltene Gewandtheit in allen Verwaltiktgsangelegeniheiten ı 

ſtaatswirthſchaftliche Kenntniffe wuͤrdig iſt. Bis jetzt iſt ſein Ykimifterie 
ſachlich durch einen geſetzlich vollzogenen, in der Ausführung aber writ 
ben und den größten Schwierigkeiten unterliegenden Plan einer allgemein 
fleuer für die ſaͤmmtlichen feiner Leitung unterworfenen, unendlich ver 
tigen Provinzen ausgezeichnet worden. Übrigens iſt der Graf ©. rin ı 
Beſchuͤtzer der Wiffenfchaften, ber Rünfte und ber Gewerke, mie auch 
Befoͤrderer aller gemeimuͤtzigen und mohlthätigen Anftalten. 

Säure (Acidum) iſt dee Name für eine Glaffe zufanmengefesi 
die folgende Eigenſchaften haben: fie ſchmecken fauer, färben blaue Pfla 
roth, loͤſen fich im Waſſer auf und haben große Verwandtſchaft zu be 
Erden und Metalloxyden; fie bilben mit den erſtern Neutralſalze, mit ti 
Mittelſalze und mit ben dritten metallifche Mittelſalze. Wielen Säuren 
der ſaure Geſchmack; aber alle befigen die Werwanbtfchaft zu den 3 | 
Salzbaſen als ihre auszeichnende Eigenfchaft. Einige Säuren komm 
fiäffigen Zuſtande vor, entweber Iuftförmig, wie bie Kohlenſtoffſaͤure, ode 
fer verbunden, welches fie zu Ihrer Bildung durchaus nothwendig habı 
Schwefelſaͤure, andre In flarrer Form und kryſtallifirt, wie die Benzo 
ſtein⸗ und Borarfäure. Sie find alle zuſammengeſetzte Koͤrper; dien 
ſtehen aus Sauerſtoff mit noch einem, 2 oder 3 andern Körpern; amt 
Waſſerſtoff und Schwefel oder Halogen gebildet. Gewoͤhnlich verth 
in £ Claſſen, wovon bie 3 erften diejenigen enthalten, welche Sawerfl 
Miſchung Haben, und zwar kommen in die erfte Claſſe die aus Sauerſt 
nem zweiten Körper beftehenden, wie die Schwefelfäure, Phosphor! 
sarfäure u.a. Da biefe Grundlagen ſich in mehren Verhaͤltniſſen mit 
verbinden und jede Verbindimg eine Säure fein kann, fo wird bie mit 
gefättigte vollkommene Säure genannt, während die andre unvolitom: 
3. B. die vollfommene Verbindung des Schwefels mit dem Sauerſtoffe he 
felfäuxe, die unvolltommene : ſchwefelige Säure ; die vollkommene Bert 
Arſeniks mit dem Sauerftoff Arſenikſaͤure, die unvollkommene dageg 
GSaͤure x. In die zweite Claſſe werden die Säuren geordnet, die aus 
Waſſerſtoff und Sauerſtoff, in verſchiedenem Mengenverhaͤltniß zuſammer 
wie die Eſſigſaͤure, Citronenſaͤure. Die dritte Claſſe umfaßt die mit dreifaı 
lage und Sauerftoff, wo zu jenen beiden noch der Stickſtoff hinzukommt, w 
fäure. Die vierte Claffe enthält Säuren, die (wenigſtens nach einigen ner 
tern) Leinen Sauerfloff haben, wie die Salyfäure, aus Halogen und Waſſ 
hend, den geſchwefelten Waſſerſtoff etc. Altern Chemikern waren weitwenic 
und ihre Zuſammenſetzung gar nicht bekannt, fie ordneten die bekannte 
ben 3 Naturreichen in mineraliſche, vegetabilifche und animaliſche Saͤn 
Eintheilung deßwegen nicht beftehen kamm, weil mehre Säuren, wie 
berichte, in allen 3 Reichen vorfommen. Vgl. die im X. Chemie 

chriften. 

Saurin (Jacques), ein franz. proteftant. Geiſtlicher und berbf 
zelrebner, Sohn eines Mechtögelehrten zu Nismes, wurde bafelbft 
Als das Ediet von Nantes widerrufen wurbe, ging er mit feiner Fans 
nach Genf, wo er beträchtliche Fortfchritte in den MWiffenfchaften mad 
nem 17. Jahre trat er in Kriegsdienfte und machte mehre Feldzüge untı 
Hülfstruppen des Herzogs von Savoyen gegen Frankreich mit, kehrte 
nach Genf zu feinen Studim zurüd und mwibmete fich der Theologie. 
(1700) ging er nach Holland und England, und predigte in London, IN 
nes Sjaͤhr. Aufenthalts, mit ungemeinem Beifall. Er verbeirathete | 
kehrte darauf nach Holland yartıd und art, nachdem er längere Belt ei 


Sauffure 668 


fielle verfehen hatte, als Prediger der franz. Meformirten, bie in einer dem 
a Erbftatthalter gehörigen Capelle im Haag ihren Gottesdienſt hielten, ans 
. Ex Hatte bei einem anſehnlichen Äußern, voller Stimme und feurigem 
age immer ein fehr zahlreiches und glänzendes Auditorium, aber feine Be⸗ 
beit reiste den Neid feiner Mitbrüder, die ihn in Streitigkeiten verwidelten 
Ime legten Lebenstage verbitterten. Er war ein vortrefflicher Gelehrter, ein 
ver Shrift, vol Daß gegen alles Unfittliche und voll Liebe gegen Gott und 
ben. Er ſtarb d. 30. Dec. 1730, nicht bloß von feinen Glaubensgenoffen, 
n von “jedem; der ihn Eannte, innig betrauert. Geine Prebigten, die in 
Sprachen überfegt und twegen ihres reinsmoralijchen , von allen theologifchen 
fragen fich entfernt haltenden Inhalts ſelbſt bei den Katholiken fehr gefchägt 
Samen in einer fehr guten Ausgabe u. d. T.: „Sermons sur divers textes 
Leriture sainte par Jaoques Saurin” (1749, 10 Bde.) im Haag heraus. 
den hat er mehre theologifche Werke, die aber weniger bekannt geworden 
binterlaffen. 
Sauſſure (Horace Benedicte de), Naturforfcher, geb. 1740 zu Genf, der 
wor Nicolas de S., der als Schriftfteller durch feine Werke über den Adler 
rkannt ift und Mitglied des Mathe der Zweihundert zu Genf war. Durch 
mgang mit feinem Vater und andern Naturforfchern ward in dem Juͤngling 
ide fuͤr diefe Wiffenfchaft erregt, worin er fo fchnelle Fortſchritte machte, daß 
or im 22. Jahre die Profeffur der Phllofophie in feiner Vaterſtadt erhielt, 
ker 25 Jahre lang mit Ruhm bekleidete. Die Zeit, welche fen Amt ihm 
ef, verwandte er auf Reiſen. Er befuchte 2 Mat Frankreich, ein Mal um 
Blanifhen Gebirge in Viennois, Forez und Auvergne zu unterfuchen,, das 
Rai um ſich ber Montgolfier's aeroftatifche Maſchine zu belehren. Auch 
und England bereifte er, und ward in bem legtern Lande mit Franklin bes 
Der Bau und die Höhe der Berge machten 2 Rieblingsgegenftände feiner 
dungen aus. Als er in Italien reifte, unterfuchte er die Eifenminen auf 
genau, beftieg mit Sir William Hamilton den Veſuv und maß die Höhe 
. Die Kräuterkunde liebte er gleichfalls ſehr, und entdeckte mehre Bat 
von Mofen. In einem Briefwechſel mit Spallanzani bewies er, daß bie 
thierchen, fowie die Polnpen, ſich wiebererzeugen. Auch zeigte er eine 
chicklichkeit in Erfindung neuer Inſtrumente zu naturmwiffenfchaftlichen 
Behungen, 3. B. eines Elektrometers, eine® Hygrometers, Heliothermo⸗ 
Bu.a. Am berühmteften warb &. durch feine Erforſchungen der Gebirge. 
ſachte, wie ſchon einige Engländer vor ihm gethan hatten, die Eißberge von 
wuny, und machte alle Fahre Reifen nad) den Alpen, die er 1779 ſchon 
Bat von 8 verfchiebenen Seiten beftiegen hatte. 1787 beftieg er auch dem 
H des Montblanc, und maß nad) barometeiichen Beobachtungen feine Höhe. 
ie feiner vortrefflihen Schriften warb er von ben berühmteften gelehrteften 
Ichaften als Mitglied aufgenommen ; bie vornehmften und geiftreichiten Rei⸗ 
a, weiche nach Senf kamen, befuchten ihn, um ſich von ihm belehren zu laſ⸗ 
» fein an Naturfeltenheiten reiches Cabinet zu fehen. Er ftiftete an feinem 
nerte, wo er einer allgemeinen Verehrung genoß, eine Gefellfchaft ber Kuͤnſte, 
‚Peäfibent er bi6 an feinen Tod blieb und die ſich um ben Flor der Fabriken 
WR hoͤchſt verdient machte, ſowie er überhaupt auf alle Weiſe bemüht war, das 
keine Wohl zu befördern. Als Genf mit der franz. Republik vereinigt wor: 
ward de &. zum Deputirten bei der Nationalverfammlung ernannt. Aber 
Seaataumwaͤlzung raubte ihm den größten Theil feines Vermögens und feine 
. Ex erlag dem Unglüd und ftarb d. 22. Jan. 1799. Unter feinen 
ſten geichnen ſich feine „Easais sur I’hygrometrie” (1783; deutſch von 
Titius, Leipz. 173%) duch eine Fälle neuer und richtiger Bermertungen in 


664. Savannen Savary 


“ meteorologifcher Hinficht, und feine „Voyagen dans les Alpes” (17 
4 Bde, 4.; deutſch v. J. &. Wyttenbach, Leipıig 1781 — 88), befanden 
Savannen. Die Oberfläche Amerikas ift von’ dem alten Be 
Tonder& darin auffallend verfchieden, baf die an bie hoͤchſten Bipfel ſich 
Hochebenen durch große Nieberungen getrennt find. So grenzen bie ( 
Cordilleren und ber Hochebenen Mericos unmittelbar an die Ebenm, bi 
fifippt, der Amazonenfluß und der Parana durchſtroͤmen. Diefe Ebene 
mit hohen Kräutern bebedit, wie die Savannen im Mifftfippigebiete, 
hen, wie die Llanos In Garaccas, die theild von der Sonne verkalkt, 
teopifchen Regen geträntt, mit Gräfern bekleidet find, theils wie bie Paı 
bäufungen von Flugſand, mit falzigen Teichen abwechfelnd umb mit € 
bededt. Die Savannen, bie fidy durch das große Stromgebiet hinz 
wellenförmige, durch den Schlamm der Ströme befruchtete Flaͤchen, 
ein unermeßliches grünes Meer bis an ben Himmelsrand ausbehnen, 
weife von Bäumen befchattet und von zahlloſen Bifonheerben belebt. 
ift üppig und fruchtbar, aber auch ebenfo ungefunb als anderswo bir 
und bier und da mit Natrumſeen bedeckt. Die Bäume, bie man ba 
gehören zum Gefchlecht der Waſſerpflanzen, ſtehen aber nur einzeln ode 
pen, während der größte Theil der Savannen mit langem faftigen Gr 
ſtraͤuche bekleidet if. Die Wachsmyrte (Myrica cerifera) zeichnet fü 
mehren Gattungen ber Ayalia, ber Andromeda und des Rhododendro 
zerſtreut, dort in Gruppen, und von fchönblühenden Pflanzen unıran 
Aſte ſchmuͤcken. Selbſt die Ufer ber Teiche und die niedrigen und ſum 
len entbehren nicht eine® ähnlichen Schmuckes. 

Savary (Rene), Herzog v. Rovigo, geb. 1774, Mapoleoni 
nifter ıc., diente feit 1789 in der Linie mit Auszeichnung, 1796 ım 
und 1799 unter Defaiz in Ägypten. Nach Deſaix's Tode bei Marengo 
er Napoleons Gmeralabjutant, und bald darauf mit der geheimen P 
tragt. Klug, thätig und gewandt, z. B. bei der Entdedtung der Bi 
von Georges und Pichegen, dabei dem Kaiſer mit Eifer ergeben, erla 
beffen Vertrauen. Napoleon übertrug ihm wichtige Sendungen, 3. 
Schlacht bei Aufterlig in das öftreich.sruffifche Hauptquartier und 1808 
drid zu Ferdinand VII., den er nach Bayonne zu kommen bewog. Z 
Wright's und Pichegru's angebliche Ermordung (f. d.) bemerkf 
ift ein von ihm und von X. längft widerlegtes Gerücht. Wegen eines glaͤ 
griffs, den er in der Schlacht bei Friedland 1807, an ber Spitze f. Reg 
Erfolg unternahm, ernannte ihn der Kaiſer zum Herzog v. Rovigo 
als Fouchée in Ungnabe fiel, 3. Juni 1810, zu feinem Polizeiminifte 
Verſchwoͤrung (23. Det. 1812) entzog ihm nicht das Vertrauen feinel 
Nach Napoleons Rüdkehr von Eiba erhielt jedoch Joudye das Polizein 
&. ward zum Beneralinfpector der Gendarmerie und zum Patz von Fr 
nannt. Es iſt bekannt, daß die britifche Regierung ihm nicht erlaudtı 
nach St. Helena zu begleiten. In Malta gefangen gehalten, entfloh: 
1816 nady Smyrna, ging darauf 1817 nach Trieſt, um fidy gegen d 
am 25. Dec. 1816 zu Paris von einem Kriegsgerichte ausgefprochene Ü 
zu vertheidigen, ward aber zu Graͤtz unter Aufficht geftelit, bis ex im! 
fih wieder nad) Smyrna begeben durfte, wo ex Handelsgeſchaͤfte tri 
ging er nach London umd von hier nad) Paris, ſtellte ſich daſelbſt vor ( 
ward am 27. Dec. 1819 freigefprochen. Darauf lebte er als Private 
jedoch bald wieder in bie Salons der Hauptſtadt ein unb erlangte durch 
bindungen bie Erlaubniß des Königs von Preußen, in Berlin, wehin e 
begab, feine (hady dem pariier Frieden unftatthafte) BReclamatiomöktagı 


Savigny 665 


igung, für feine in ben preuß. Staaten belegenen Dotationsgüter, bie der 
nn General Grafen v. Sneifenau gefchenkt hatte, gegen den koͤnigl. Fiscus 
ine Lönigl. preuß. Berichtshofe anzubringen. Er ging hierauf nad) Paris 
BD uud gab daſelbſt, um eine Stelle im „Memorial’' des Grafen Las Cafes zu 
gen, ein Bruchſtuͤck aus feinen Memoiren heraus: „Sur la catastrophe 
isgr. le duc d’Enghien‘, worin er fein Mitwiffen an der Verhaftung und 
lhtung des Herzogs ableugnete und dagegen behauptete, daß Alles, obne 
siffen Napoleons, durch den Minifter, der damals an der Spitze ber aus⸗ 
Igen Angelegenheiten fland (Talleyrand), berechnet und vollzogen worden ſei. 
u Talleyrand vechtfertigte fich gegen Ludwig XVIIII., und andre Schriften 
jenes Ereigniß, vorzüglich die des Generals Hullin und die von Dupin, belas 
den Derzog von Rovigo mit folhen Angaben, daß man ihn vom Mitwiffen 
w ſchleunigen Vollziehung des Urtheile nicht freifprechen kann. Dem Derzog 
Roeigo wurde bamals der Hof verboten und er lebt feitbem in großer Zuruͤck⸗ 
ſenheit. Die Rechtfertigungsfchrift: „Memoire du duc de Rovigo sur la 
t.de Pichegru, du eapiteine Wright, de Mr. Bathurst, et sur quelques 
us eirconstances de sa vie’ (Paris 1825), hat die für S. nachtheiligen Ger 
I ebenfalls entkraͤftet, obwol die Vorgänge mit Wright und Bathurft noch 
m einer weitern Aufklärung bebürftig find. &. hat Überhaupt nicht Alles ges 
‚was er weiß. So viel gebt jedoch aus feinem Leben hervor, daß er nie ein 
war, ber ſich von irgend einer Idee begeiftern ließ; muthig, gewandt, aber 
ſamem Charakter, war er von der Natur beftimmt, fid) an Männer von 
erm Talent und Charakter anzufchließen und blindling6 der Richtung zu 

m, welche ibm von jenen gegeben wurde. 20. 
Savigny (Friedrich Karlv), geb. 1779 zu Frankfurt a. M., einer ber 
Lehrer des römifchen Rechts. Nach Vollendung feiner akademiſchen 
‚ bei denen er vorzüglich den verft. Weis in Marburg und Hugo zum Fuͤh⸗ 
im (weicher legte feiner auch ſchon früher mit Auszeichnung erwähnte; f. 
‚ BRagazin”, 3. Bd.), und nachdem er in Marburg 1800 bie Doctorwürbe ans 
kmen hatte, benutzte er eine vom Gluͤck ihm gegebene äußere ſehr vortheilhafte 
dazu, fi) zum alademifchen Lehramte mit einem Ernſt und Umfang vors 
Nten, wie es nur Wenigen geftattet ifl. Mebrjährige Reifen durch ganz 
ſchland, Frankteich und das obere Italien hatten den Zweck, unbekannte 
wenig bemuste Quellen bes roͤm. Rechts und ber Literargefchichte aufzufuchen, 
u Behrte mit reicher Ausbeute nad) Marburg zuruͤck, wo er bald darauf Prof. 
echte wurde. Hier ſchrieb er 1803 fein vortreffliches Wert: „Das Recht bes 
6" (5. Aufl., Sieben 1827). 1808 wurde er als Prof. der Rechte nach 
Hat berufen, und als 1810 die neue Univerfität in Berlin errichtet wurde, 
er einer der erfien Lehrer derfelben. Er ift dort nad) und nach Mitglied der 
anie der Wiſſenſchaften, des 1817 neu organifirten Staatsraths, und enb» 
es für die cheinifchen Provinzen errichteten Revifionshofes geworden, waͤh⸗ 
fine Lehrvortraͤge, vorzüglich über die Inſtitutionen, verbunden mit der Ge⸗ 
te des roͤm. Rechts und über die Pandekten, durch ihre außerordentliche Klar⸗ 
Praͤciſion und Reinheit des Ausdrucks, ſowie durch materiellen Reichthum, 
oße Zahl von Zuhörern anzichen. Her von &. gehört jetzt zu den Führen 
gen. biftor. Schule der Rechtögelehrten, obwol man ihn, ohne Hugo und 
offer Unrecht zu thun, nicht den Stifter derfelben nennen kann Er hat jeboch 
k diefen Namen für fid und die Seinigen anerkannt (,Zeitſchrift für die ges 
nliche Rechtswiſſenſchaft“, herausgegeben von 5.8. v. S., C. F. Eihhom 
3.8.2. Goͤſchen, I, 2; Berlin 1815) und fidy gleich dadurch In Vortheil zu 
— daß er ihr eine angeblidy ungefchichtlihe Schule gegenüberfteilt. 
großer Theil der Jurifken, welche zwar den Werth und bie Unentbehrlich⸗ 


666 Savonarola 


Leit der gefchichtfichen Entwidelumg einer gegebenen Mech 

kennen, aber nur der einfeitigern Behandlung der Gefchichte als einzu 
des Rechts widerfprechen, muß fich jene Bezeichnung einer ungeſchichtüch 
gänzlich verbitten. Sie koͤnnten dagegen Diejenigen, welche darauf audı 
Ableitung der Rechtswahrheiten aus höhern Principien der menſchlichen 
zuleugnen, oder der Vernunft ihre Gültigkeit ald Quelle unabänderik 
Mechtöfäge zu beftreiten, mit ebenfo vielem Recht als die unpbitofophif 
bezeichnen. Dieſe Anfichten über die Grundlagen bes Rechts, nach wel 
ben weder in der menfchlidhen Willkuͤr als pofitiver Geſetzgebung, no 
feggebung der Vernunft gefunden werben follen, hat Derr dv. ©. fpäterl 
eignen Schrift entwidelt, als andre Rechtsgelehrte, wie Thibaut, Schr 
ner, den Wunſch ausgefprochen hatten, daß man bei ber Damals noch ge 
den neuen Geſtaltung Deutfchlande ein allgemeines Geſetzbuch des b 
echte, des Proceffes und des Strafrechts aufflellen möge. In bieft 
„Vom Beruf unferer Zeit für Gefeggebung und Rechtöriffenfchaft" (Bi 
wird zu zeigen gefucht, daß nee Befegbücher im Grunde weder nöthig 
lich ſeien, daß die vorhandenen Geſetzbuͤcher Frankreichs, Öſtreichs und 
zur allgemeinen Einführung nicht geeignet und nicht einmal die deutfd 
dazu reif fe. Abgeſehen von folchen Anſichten einer beflimmten Schu! 
chen fid) Das, was wirklich übertrieben und unrichtig fen follte, im Laı 
ten endlich von felbft ausfcheidet und abfchleift, verdanken wir Herm ı 
großen Schag echt hiſtor. Unterſuchungen. - Einen Theil derfelben hat eı 
Werke: „Geſchichte des roͤm. Rechts im Mittelalter‘ (4 Bde., 1815- 
verleibt ; einen andern Theil hat er in Vorlefungen in der Akademie der B 
ten und in Abhandlungen in der, Zeitfchrift für gefchichtliche Rechtswiſſenſ 
von 1825 des 5. Bdos. 3. Heft erfchienen tft) niedergelegt, und auch j 
fungen , welche im Buchhandel nicht zu haben waren, follen zur Freude 
ihren Werth ertennen, nach und nach in dieſer mitgetheilt werben. € 
Gelehrſamkeit, große Combinationsgabe, fcharffinnige Kritit und 
außerordentliche Eleganz der Darftellung, müflen auch Diejenigen, ı 
nicht unbedingt zur gefhichtlihen Echule bekennen, in den Werken biel 
ten mit Achtung anerkennen. 

Savonarola (Geronimo), ein durch fein bewundernswuͤrdig 
talent und fein trauriges Ende berühmter Mann, wurde den 21. Sept 
Ferrara geb. Er war der Enkel eines berühmten Arztes, und gleichfalls 
wiffenfhaft beftimmt. Schwärmerei bewog ihn aber, in einem Alter ı 
das väterlihe Haus heimlich zu verlaffen und Dominicaner zu werden 
Fahre fpäter beftieg er zu Florenz bie Kanzel, aber mit fo ungluͤcküche 
daß er befchloß, fie auf immer zu meiden. Darauf lehrte er Metaphufit 
fit zu Bologna. Das Anfehen, welches ihm hier ſ. Gelrhrſamkeit und | 
warben, veranlaßte den Lorenzo von Medici, ihn nach Florenz zuchdiumuf 
fing er wieder an zu predigen, und mit einem fo außerordentlichen Beifa 
Kirche die Zuhörer nicht faffen Eonnte. Durch den Anfchein einer vi 
Heiligkeit und durch f. hinreißenden Neben erlangte er einen wundervoll 
auf die Gemuͤther der Klorentiner. Dadurch ward er dreiſt gemacht, ein 
tifhen Ton anzunehmen, und begann nun Öffentlidy und ſtark auf ein 
verbefjerung zu dringen und Über Staliens Unglüd zu eifern. Der große 
Stalien betrachtete ihn als einen von Gott Begeifterten; Einige verladt 
einen Schwärmer; Andre verwuͤnſchten ihn als einen Betruͤger. Balb 
er auch an, fich von feinem Beſchuͤtzer Korenzo loszuſagen, beffen Charal 
ſchwaͤrzen und deſſen Sturz zu prophezeihen. Als Prior von St⸗Mare 
er jenem Oberhaupte der Republit den hertiinmiichen Beſuch nicht able 


Savonarola 667 


ergo fich gu ihm nach St.⸗Marcus begab, ließ ex fich verleugnen. Lorenzo 
ſt veranlaßt, ſtrenge Maßregeln gegen diefen Geiftlichen zu nehmen; allein 
es entweder aus natürlicher Gutmuͤthigkeit oder aus geheimer Ehr⸗ 
t für f. Charakter. Als Lorenzo auf dem Todbette lag (1492), warb der 
& zu ihm gelaffen und ſprach zu dem Sterbenten mit ber Würbe feines Amts. 
dem Tode Lorenzos und der Vertreibung f. Sohnes Peter nahm ©. den 
Men Antheil an den Staatsangelegenheiten von Florenz. Er ftellte ſich an 
Spige Derjenigen, die eine mehr demokratiſche Verfaſſung mwünfchten, bes 
te, Bott habe ihn bevolimächtigt zu erklären, baf ben Bürgern die geſetzgeben⸗ 
walt zukomme, daß er felbft der Abgefandte der Klorentiner an den Himmel 
m fei, und daß Chriftus eingemilligt habe, ihr eigenthümlicher König zu fein. 
ıgemäß legten bie neuerdings gewählten Magifttatsperfonen ihre Amter nies 
mad die gefeßgebende Gewalt wurde einem Bürgerrath übergeben, der zur Be⸗ 
Ing diefer Befchäfte aus feinem Mittel einen engern Ausſchuß ermählte. Ins 
a herrfchten Unetnigkeiten in dem neuen Freiſtaate: die ariitofratifche und die . 
keatiſche Partei haften und verfolgten einander; bie erftere beftand aus ben 
ben der alten und ben Feinden der neuen Verfaffung ; die demokratiſche aber 
den anbächtigen Bewunderern des Moͤnchs. — Doch genügte es dem Feuers 
s6 nicht, den florentinifchen Staat umzumälen; auch den Mißbraͤuchen 
ſchen Hofes umb dem umgeregelten Lebenswandel feiner Amtsbruͤder hatte 
Heform zugedacht. An Urfachen zur Unzufriedenheit über Beides konnte es 
end der Regierung bes Papſtes Alerander nicht fehlen. Er fchrieb, nach 
te f. Lobredner, an die chriftlichen Kürften, verficherte fie, daß die Kirche 
gebe, und daß es ihre Pflicht fei, eine Kirchenverfammlung zuſammen⸗ 
„ in welcher er felbft darthun wolle, daß die Kirche ohne Haupt, und der das 
Dapft kein wahrer Bifcyof, nicht einmal des Titeld und ebenfo wenig des 
ars eines Chriften werth wäre. Alexander ercommuniciete den Prior. Die 
Bulle ward in der Hauptkirche zu Slorenz verlefen; aber S. trotzte dem vatis 
ver Dormer und predigte fort. Sa f. Einfluß flieg noch höher, da Peters 
dici Verſuch, die alte Würde f. Hauſes wieberzuerlangen, fehlgefchlagen mar. 
ken entfland wider ihn eine andre Gegenpartei. Durch feine Neuerungen zu, 
Rarcus und in a. Kiöftern hatte er fich unter den Mönchen, befonders ben 
Ecanern von ber firengen Obſervanz, viele Keinde gemacht, die jegt von ber 
LE gegen ihn als einen Ketzer und Ercommunicirten eiferten. Um f. Sache zu 
Digen, bewog er einen Moͤnch feines Klofters, Fra Domenico da Pescia, ihm 
when, welcher in ſchwaͤrmeriſchem Eifer fidy erbot, um bie Wahrheit der Leh⸗ 
ne6 Meifters zu beweifen, dafuͤr durchs Feuer zu gehen, wenn Einer von ber 
Partei für deren Meinung daffelbe thun wollte. Die Herausfoderung warb 
nem Sranciscanermönd angenommen. S., mit feinem Streiter an ber 
eines zahlreichen Zuges, ftimmte den Pfalm an: „Der Herr erhebe fi und 
ve feine Feinde!” Der Framciscaner kam. Das Feuer wurde angezündet, 
5., welcher merkte, daß der Gegentheil nicht zu fchredien fei, that ben Vor⸗ 
‚daß Dommmico eine Hoftie mit fi) ind euer nehmen folle. Dies ward von 
jangen Daufen als eine verbammtiche Gottestäfterumg ausgerufen, und da. 
mic bennody auf der Foderung beftand, fo entging er gluͤcklich dem Gottes⸗ 
l, dem er fi) unterworfen hatte. Für S. hingegen war dies von ſchlimmen 
n. Das Volk befdyimpfte ihn, und nad) einem harten Kampfe ward er mit 
mico und einem andern Moͤnch ins Gefängniß gefchleppt. Eine Verſamm⸗ 
von Geiſtlichen hielt unter der Leitung zweier päpftl. Abgeordneten Gericht 
bn. Anfangs festen die Entfchloffenheit und Beredtſamkeit S.'s feine Rich⸗ 
Verlegenheit. Als aber die Folter angewandt wurde, bekannte er, daß er fidh 
zeriſcher Weife das Anfehen einer uͤbernatuͤrlichen Gewalt gegeben hake. Som 








668 Savoyen Say 


ward er nebſt ſ. Schuͤlern Domenico und Silveſtro Maruffi 

gulirt und dann verbrannt zu werden, welches auch am 23. Mai 140 
unsählbaren Menge von Zuſchauern gefchah, von denen einige ihn n 
als Märtyrer und Heiligen priefen. Diefer außerorbentiihe Mann | 
Briefen eine Abhandlung gegen die Aftrologie und mehre philoſophiſch 
(he Schriften gefchrieben („Opera‘, Lyon 1633—40, 6 Bbe.). | 
digten („‚Prediche”, Florenz 1496) fehlt es freilich an ben nöthigen ( 
gut georbneter Reden; aber fie find auch wiederum reich an Präftige 
Geiſt erhebenden Stellen, und laffen uns vermuthen, daß er beffer war 
graphen ihn ſchildern, vielleicht weit beffer, als wir felbfl, von Jenen 
darftellen Eonnten. 

Savoyen, ein zur farbinifchen Monarchie gehöriges Herzogthi 
binifhe Monarchie), welches an Helvetien, Piemont unb Franl 
Es enthält 177 IM. (nady Stein: 211 TM.), 501,165 €. in 19 
594 Doͤrf. Der größte heit ift mit hohen Alpen und Waldungen 
[chen welchen ſich ſchmale Thäler Hinziehen. Die cottifchen und pennir 
gehören zum Theil hierher, und die geajifchen Alpen fcheiden Ganoı 
mont. Der hoͤchſte Berg Europas, der Montblanc (f.d.), liegt 
Auch ber Iferan, der Meine St.»:Bernhard, der Mont⸗GCenis, über 
Kunſtſtraße aus Savoyen nad) Piemont führt, befinden ſich in dieſem! 
von diefen ſavoyiſchen Alpen find mit ewigem Eis und Schnee bededt. 
wird vorzüglich von ber Mhone, ald Grenzfluß, der Ifere, Arve und A 
Von dem Genferfee gehört ein Theil hierher. Kleinere Sen find 
Bourget und bei Annecy. Bei dem Ser von Bourget iſt die fogen. U 
deren Waffer von 20 Minuten bis gegen 3 Stunden ausbleibt. Di 
ins Ganzen veränderlich und geht oft in einem Tage von der firengfl 
Hitze über. Der Boden ift meiſtens fteinig und wenig fruchtbar; da, 
gemacht werden ann, bringt er Getreide, doch nicht hinlaͤnglich, I 
Flachs, Kartoffeln, Obſt und Kaftanien hervor; auch find die Waldu 
lid), und der Wieſewachs gut, daher eine flarke Viehzucht getrieben wir 
Gebirgen gibt es Wild, auch Murmelthiere, Gemfen und Steinböde 
neralreich liefert Silber, Kupfer, Blei, Eifen, Steinkohlen, Muͤhlſteir 
Serpentinftein und Salz. Die Einmw. reden theils die italtenifche, the 
Sprache. Sie find wegen ihrer Treue, Biederkeit, Arbeitſamkeit und 
kannt. Ungeachtet ihres Fleißes nährt fie der undanktbare Boden ihres £ 
baher find fie gezwungen in andre Länder auszumandern, von ba fie m 
werb ſtets in ihr Vaterland zuruͤckkkehren. Die Hauptſt. heißt Cham 
— Savoyen gehörte in den älteften Zeiten zu Gallien, ımb bie Altobı 
hier ihren Sig. Unter der Herrſchaft der Römer ſtand es bis 400; t 
es bie 530 zu Burgund, zu Frankreich bis 879, zum arelatifchen Koͤ 
1000, wo es ein Graf Beroald erhielt, und 1416 warb es zum Der; 
hoben. Herzog Victor Amadeus erhielt 1713 Sicilien und bie &ı 
mußte jedoch 1718 jene Infel an Spanien abtreten und erhielt dafür 
dinien. 1792 wurde Savoyen von den Franzofen erobert und Frankr 
des Depart. Montblanc einverleibt. Durch den erften parifer Frieder 
ein Theil und 1815 durch den zweiten parifer Srieben bas ganze Lanl 
den König von Sardinien. est ift e8 in 6 Provinzen eingetheilt: 
Chablais, Faucigny, Genevois, Maurienne und Tarantailſe. 

Say (Iean Baptifte), einer der ausgezeichnetfien ftaattwirt 
Schriftfteller Frankreichs, geb. 1767 zu Lyon. Er kam in der erſten 
volution nach Paris, um fich gelehrten Befchäftigungen zu wibmen, ım 
ter einer der Stifter der „Decade philosophique‘', deren Herautgel 


Sayn und Witgenflein " 669 


). Er wurde 1799 Mitglied des Tribunats, fpäter aber von Rapoleon 
1, und dadurch gekraͤnkt, wollte er keine in der Folge ihm angebotene- 
ehmen, fondern lebte ganz den Wiffenfchaften. Er ward 1817 zum 
Akademie ber Wiffenfch. und zum Ritter des Wladimirordens ernannt: 
ichnung, die er feinen ftaatswirthfchaftlichen Arbeiten verdankt. Sein 
: „Traite d’eoonomie politique, ou simple exposition de la ma- 
se forment, se distribuent et se consomment les richesses‘’ (1803 
„ von Morftabt (Heidelb. 1818—19) verdeutſcht, hat in der 5. Aufl. 
26) 3 Thle. Später folgte ſ. „„Catechisme d’&conomie politique” 
arlseuhe 1816; 3. Aufl., 1826). Eine f. geiftreichften Schriften iſt: 
rolume eontenant quelques apergus des hommes et de la societe” 
17; von Ludwig, Altenburg 1821, verdeutſcht). Seine ftatiflifchen 
De lAngleterre et des Anglais’' (Paris 1815) und „Des canaux 
ion dans l’etat actuel de la France‘ (Paris 1818) find gleichfalls 


‚an und Witgenſtein. Die Sraffchaft Sayn, im Weſterwalde, 
m Berg, Naffau und Wied eingefchloffen, beftand aus 2 Theilen: 
henburg und Sayn⸗Altenkirchen; beide gegen 25 IM. mit 32,000 €. 
00 Sul. Einf, Sayn⸗Hachenburg gehört jegt zum Herzogthum Nafs 
Japnns Altenkirchen (Kreisftadt und Schloß im Regierungsbezirk Koblenz) 
Prov. Niederchein. Die ehemalige Reichsgrafſchaft Sayn hatte bie 
e Brafen zu Sayn umd fiel fobann an des legten Grafen Schweſter, 
vermählte Gräfin von Sponheim. Bon ihren Nachkommen erhielt 
verm. mit der Erbgräfin von Homburg an der Mark, die Graffchaft 
warb der Staͤmmwater aller nachherigen Grafen von Sayn. Seine 
teten 1294 2 Linien: Johann die ältere oder Sohannifche, welcher 
aft Sayn, Engelbert die jüngere oder Engelbertifche, welcher die Graf⸗ 
burg und Vallendar zufielen. Des Lesten Enkel, Salentin, verm. mit 
in von Witgenflein, wurde dadurch der Stammvater der jegigen Gra⸗ 
sften von Witgenftein, die deßhalb, ohne die Grafſchaft Sayn je beſeſ⸗ 
n, ſich Sayn und Witgenſtein namen. Zwar ftarb 1606 bie Johannis» 
us, und Sayn kam durch Heirath an Wilhelm LII., Grafen zu Witgen- 
n f. Vater Ludwig der Ältere (fi. 1607) theilte ſaͤmmtliche Befigungen 
Söhne, welche Dadurch die Stifter der 3 Linien des Haufes Sayn und 
n wurben; ber ältefte, Beorg, fliftete nämlich die Linie Sayn⸗Witgen⸗ 
burg; der zmeite, Wilhelm III., bekam Sayn und fliftete Sayn⸗Wit⸗ 
ayn; der deitte, Ludwig, erhielt Witgenftein und fliftete Sayn⸗Witgen⸗ 
mftein. Als aber Wilhelms III. Sohn erfter Ehe, Ernft, nur 2 Toͤch⸗ 
eß, To theilten biefe 1632 die Grafſchaft Sayn in Sayn⸗Hachenburg 
Altenkirchen, mit Ausfchluß eines Sohnes Wilhelms ILL. zweiter Ehe. 
er echobenen Rechtsſtreit entſchied der Reichsdeputationsreceß von 1803. 
MWitgenftein gelangte nicht wieder zum Beſitze der Grafſchaft Sayn, 
theils zum Gefammtgute be6 Haufes Raffau, theils zu Preußen gehörte. 
Weilburg fiel nämlich durch Erbrecht 1799 der fonft burggräfl. von 
he Antheil Sayn- Hamburg; an Naffan » Ufingen kam 1802, nad) 
m Wechſel der Befiger, Sayn- Altenkirchen, dafür trat Naſſau⸗Uſingen 
aft Lahr an Baden ab; Baden und Naffau aber zahlten an das Daus 
n ein Sapital von 300,000 Gulden und wiefen ihm überbie eine Jahr⸗ 
12,000 Guld. an. Endli trat Naffau 1815 Sayn⸗Altenkirchen an 
. Die Befigungen bes fürftl. Hauſes Witgenftein find feit 1806 me 
d liegen in dem Regierungsbezirke Arensberg ber preuß. Prov. Wells 
y liegt noch ein Theil der mediatiſirten fürftl. Witgenſteiniſchen Hert« 





einem Bergſchloſſe an ber kLahn beider Stadt Laatphe. Er 
Grafſch. Witgenftein, 4 IM., 8410 Einw,, 16, 1MA 
und bie Herrfch. Vallendar (2400 €.), beide unter preuf. £ 
. Sub. Eint. — Sein Bruder, Fuͤrſt Wilhelm, k preuß. Obe 
1819 Staatspolizeiminifter, wurde 1804 zum Ditregenten 

Sbirren biegen fonft in einigen italleniſchen Ländern 
heuftaate, gewiffe Juſtiz⸗- oder Polizeidiener (Häfcher), we 
führer, VBarigelo genannt, willitairiſch organifiet waren, 
ben wurden. 

Scabin, scabinus, f. Schöppe. 

Scagliola heißt die Miſchung HA feinem Gyps und 
glas (pietra specolare), burd) Leim zu einem Teige verbund⸗ 
harte Gemälde barftee. Das Werfahren dabei ift 
weißem Stucco (dem genannten Gypoteig) ſchneidet man ® 
ſchatfen Werkzeuge ben Raum einer vorgeſchriebenen Zeichmu 
artigem aber gefärbten Gypoteig, wie ed die Zeichnung mit fü 
ausgefüllt wird. Man wiederholt dies Hinzufegen von ang 
alle Abſchattungen der Farben erreicht find, und —ã 
beiten dieſer Art haben ben Vorzug vor der Moſaik, daß man 
der verfchlebenartigften Farben erreichen kann und daß bei d 
Stoffs eine weit innigere Verbindung moͤglich ift, die ben Bil 
gelhellen Glanzes, . den man erreichen kann, eine längere Dau 
ben von einfady weißem Stucco hat ſchon das Alterthum um 
die Hifchen Tafeln. Grabfchriften aus dem Mittelalter bewei| 
die Technik diefer Bildnerei vergeffen war. Die Art, wiema 
jegt die Fiſcherbarken mit Wachs und gefärhtem Hatzteige, dei 
fler eingerieben wird, auf eine feit uralten Zeiten gebräuch 
hätte übrigens auf die Wiederauffindung der Scagliola fühn 
jemals verloren geiwefen wäre. Doch ſchreibt man hie Erfiud 
Berfahrend einem finnzeichen Maurermeifter aus Gari ohm 
Rombarbei zu, Namens > Guido del Conte ober Faſſt, 1684 


Scala Scaliger (Julius Gäfar) or 


m. Vom Maffa fah der Pater D. Enrico Hughord aus Valombroſa 
tab, umb verpflanzte ed nach feinem Kloſter, wo es aufs neue [ehr 
kam. Doch ſuchen die Toscaner durch eine Arbeit in ber Galerie zu 
der Hand bes Pietro Antonio Paolini, zu beweifen, daß bei ihnen 
tigkeit früher gebt wurde. Gerade die erwähnte Arbeit gehört zu 
Ren. Einer der letzten Künfller, der Werke des mühfamfien Fleißes 
binterlaffen hat, war der 1821 verft. Pietro Stoppioni zu Florenz. 
Italien ein gewifler Paoletti zu Florenz ald der Einzige angefehen, der 
Verfahren noch immer ausübt. („Kunftblatt”, 1822,Nr.4) 19. 
1, fe Zonleiter. 
ger (Julius Caͤſar). Die Geſchichte dieſes berühmten Gelehrten iſt 
keit in Dunkel gehuͤllt. Zufolge ſeiner Erdichtung war er ein Ab⸗ 
beruͤhmten Hauſes der Scaliger, Fuͤrſten von Verona, und 1484 
loſſe Riva am Guardaſee geb., ward nachher Page beim Kaiſer 
dem er 17 Jahre in Krieg und Frieden diente, erhielt ſodann einen 
m Derzoge vom Ferrara, ftubirte zu Bologna, befebligte unter dem 
tig eine Schwabron, legte fich auf das Studium der Naturlehre und 
5 den Bifchof von Agen Antonio de In Rovera nach feiner Diöcefe in 
’o er fich niederließ. Diefe Erzählung erhielt bei mehren Gelehrten, 
ich de Thou, der Freund und Bewunderer f. Sohnes Joſeph, war, 
er fie wurde auch ſchon zu f. Zeit von Scioppius u. A. lächerlich ges 
zemein als ganz oder größtentheils erbichtet angefehen. Rad) Tiras 
be ift ©. der Sohn Benedetto Bordone's, eines geb. Paduaners, der 
e Kunft eines Illuminirers betrieb, und entweder von dem Zeichen ſ. 
er dem Bezirk, worin fie belegen war, den Beinamen della Scala er⸗ 
bis zu f. 42. Jahre lebte er zu Venedig oder Padua in Dunkelheit, 
b mit dem Stubium und der Ausübung ber Arzneikunde, u. gab u. 
Bordone einige Schriften heraus. Entweber ein Verfprechen ober 
‚ feine Uneftänbe zu verbeffern, zog ihn nach Agen, wo er f. übrigen 
‚1528 ſcheint er noch nicht Willens geweſen zu fein, ſich für einen 
jenes fuͤrſtl. Geſchlechts auszugeben, da er von Franz 1. fi ein Na⸗ 
atent u. d. N.: Julius Caͤſar della Scala de Bordone, Dr. ber Phy⸗ 
na in alien gebürtig, auswirkte. Indeſſen muß er zu Agen mit 
ihnung erfchienen fein, indem er Andietta de Roques, ein junges 
r aus einer abeligen und wohlhabenden Samilie, 1520 zur Gattin ers 
iefer Zeit an begann er Öffentlich ſ. fuͤrſtl. Herkunft zu verfichern, ohne 
ucch irgend ein beglaubigtes Actenſtuͤck ober das Anerkenntniß eines 
m veronefifhen Hauſe unterftügt zu werben. Ruͤhmlicher machte er f. 
mehre Schriften, welche ihm einen hohen Plag unter den Gelehrten 
en, bekannt, obgleich die prahleriſche Anmaßung, welche in ſ. Wers 
ihm viele Feinde zuzog. Durch fortgefegte Ausaͤbung der Natur: 
er beträchtliche Reichthuͤmer und bielt ein glänzendes Haus. Ducch 
gkeit f. Schriften machte ex ſ. Mechtgläubigkeit verdaͤchtig. Er ſtarb 
er Katholik d. 21. Det. 1558 im 76. Lebensjahre. &. war gewiß 
ı außerorbentlichen Fähigkeiten, und obgleich er zu ben Spaͤtgelehrten 
', fo haben doch nur wenige eine höhere Stufe in wiffenfchaftlicher 
egen. Er hatte ein ſtarkes Gedaͤchtniß und einen lebhaften Verſtand; 
wenn auch nicht immer folgerecht. Rüdtfichtlich f. fittlichen Eigen⸗ 
ird f. geoße Wahrheitsliebe befonders von feinem Sohne gepriefen, 
abei f. Eitelkeit und ſtreitluſtige Rechthaberei nicht ins Spiel kommen. 
hen und naturhift. Werken bemerken wir: „Exereitationum exo- 
er quiatus decimus de subtilitate ad Cardanum‘ (Par. 1557, 4.1; 





vortremnuch und |. Xrtefe oft Duntel und [mwalıng. 
men die neuern Kritiker nicht mehr in die —ã—ſùſ J 
bon, Voſſius u. A. ihm ertheilt Haben. 

Scaliger (Iofeph Juftus), der Sohn des Worigen, 
Iolog, mar den 4. Aug. 1540 zu Agen geb. Im 11. 9. 
Bordeaur gefandt, wo er mehre Jahre lang die lat. Spra 
nöthigte ihn zur Ruͤckehr zu feinem Vater, der ihn jeden 
irgend einen Gegenftand halten ließ, wodurch er bald mit bi 
lichſte bekannt wurde. Nach dem Tode f. Waters ging er, 1 
wo er fich beſonders der griech. Sprache widmete. Ex verſch 
mer und las den Homer und bie übrigen griech. Dichter und 
Eifer, daß er in 2 Jahren fie ſaͤmmtlich durchgeleſen hatte. 
ſich ſeibſt auch die hebt. und a. oriemtalifche Sprachen und uͤl 
tifggen Auffägen in ben claſſiſchen Sprachen, wie er z. B. fd 
lat. Trauerfpiel gefchrieben hatte. Es ſcheint, daß er lange & 
von dem wir feine genauen Nachrichten befigen, geführt hab 
zur proteftant. Kirche ward ohne Zweifel ſ. Anftelung in 
Cndlich erhielt er einen Ruf als Prof. der fcpönen Waiffenfcha 
bin ee 1593 abging und wo er f. übrige Lebenezeit blieb und b 
Ex befaß ganz den Charakter eines Gelehrten, der, in ſ. S 
menfchlichen Angelegenheiten nicht achtet, ſodaß er sr 
doch ſchlug er mehre Male Geldgefchenke von vornehmen Pı 
umb Gelehrfamteit achteten, aus. Auch war er nie verhel 
des Stolzes und der Anmafung fand er feinem Water wen 
Brlef an Doufa uͤber den Glanz der Scaliger ſchen Famllu 
Maͤrchen von f. fürftl. Herkunft zu bekraͤftig en. Kein € 
Widerfacher ftärker in wegwerfenden, veraͤchtlichen Reden 
iſſenſchaften fo eifrig ergeben, daß er mandıen Tag ohn⸗ 
zimmer zubrachte. Er ruͤhmte ſich, 13 Sprachen zu verſteh⸗ 
Werken ift ſ. Buch „De emendatione temporum’' (Mar. 1 
fin Ausg. zu Genf 1609, Fol.) eins ber widtigfien. 
Werke ſteilte er zuerſt ein vollftänbiaeß. nach beflimmten € 


Sealpiren Scarlatti 678 


at. In das Griech. in Verfen überfegt. Seine „Poemata” haben kei⸗ 
(hen Werth. Gehaltvoller find f. „Epistolae” (Lyon 1627). Im 
te Joſ. S. weniger Genie als f. Vater, aber befaß mehr Kenntniß und 
Ein f. Außarbeitungen. 

Ipiren (von bem engl. Scalp , bie Haut von ber Hirnſchale ziehen) 
bziehen der Kopfhaut, welches die Wilden in Nordamerika an ihren 
chwer verwundeten Feinden zu verrichten pflegen. Sie wideln ba6 Haar 
6 um bie linke Hand, fegen ihm einen Fuß auf den Hals und ſchnei⸗ 
ſolche Weiſe ausgefpannte Haut mit ihren Meffern in einigen Schnits 
. Die abgezogenen Häute heben fie als Zeichen ihrer Tapferkeit auf. 
ndiren beißt, einem Vers beim Lefen In feine Süße auflöfen ober abs 
em man jeder Sylbe die ihr nach dem Versmaße zukommende ſtaͤrkere 
yere Betonung und Zeitdauer gibt und jeden einzelnen Fuß mit der 
zeichnet, ohne Ruͤckſicht auf den Inhalt des Verſes, mithin nach ber 
n Quantität fprechen; zuwellen auch Einſchnitt, Versende und Reime 


en. 
pulier (scapularium) iſt ein Theil eines Moͤnchskleldes und befteht 
ten Tuch, von denen das eine die Bruft, das andre den Ruͤcken deckt. 
mbrüdern geht das Scapulier nur bis an bie Knie, bei den andern Bes 


zuf die Süße. 
rabaͤus, ber Käfer, deſſen Geſtalt bie Alten, befonder# bie Ägypter 
jemmen und a. Kunſtwerken nachbildbeten; daher Scarabaͤengemmen. 
n ihn für ein Sinnbild der Sonne. 
'amuß (ital. Searamueoia) iſt einer von ben grotesken Charakteren 
hne, welcher ungefähr um 1680 an die Stelle des alten fpanifchen Ca⸗ 
ganz ſchwarz, in fpanifdyer Tracht, wie fie in Neapel bei Hofleuten 
tlihen Perfonen gebraͤuchlich war, ging und den Auffchneiber vor⸗ 
m Ende vom Harlekln durchgepruͤgelt wird. Der eigentliche Scaramutz 
6 Fiorelll und war ein geb. Neapolitaner, welcher auf ber ital. Bühne 
Witzworte und Späge nicht weniger als durch ſ. mimiſche Kunſt aus⸗ 
In Frankreich warb er noch zu andern Charakteren gebraucht. 
latti (Ateffandeo), Ritter, Capellmeiſter am nenpolitanifchen Hofe, 
u Neapel geb. Die Gefchichte dieſes ausgezeichneten Mannes iſt wenig 
Die Itallener nannten ihn den Stolz ber Kunft und das Oberhaupt ber 
1, und Haffe fagt von ihm, daß er in Hinficht auf Harmonie der größte 
liens fel; Jomelli ſah f. Kirchenmuſik als bie vorzuͤglichſte in ihrer Art 
weiß, daß er zu Rom von Gariffimi erzogen wurbe. 1680 warb er 
ofcomponiſt; hier ließ er zuerft ital. Opern mit großem Erfolg auffühs 
e Zeit nachher ging er nad) Wien und von da nach Rom. Nachdem 
er und Kirche viel componirt hatte, lebte er ruhig zu Neapel und bes 
, mit der Bildung junger Muſiker. Auch ber berühmte Haſſe und Leo: 
wbankten ihm ihre umfaffenden Kenntniſſe in ber Diufit. 1725 fand 
u Neapel; er componirte ungeachtet f. hohen Alters noch für die Kirche 
trefflich die Harfe. Er flarb 1728. Man hat von ihm eine Menge 
nu. gegen 200 Meffen. Bon f. Kirchencompofitionen ſchließen ſich eis 
uͤrdigen Styls wegen an Palaͤſtrina's Werke an. Ein Privarmann zu 
cherte Quanz, daß er 400 Compofitionen von S. befige. Die Oper 
essa fidele” ward allgemein als f. Meiſterwerk angeführt. Auch ers 
)a capo”' zuerft in f. 1693 aufgeführten „Teodora”. Seine Canta⸗ 
mte als Duette arrangirt. Sacchini lehrte darnach im Gonfervatorio 
tto zu Venedig. Sein Sohn Domenico &. ift durch f. Clavierſtuͤcke 
mt 


Glebenie Aufl. 35. IX. 43 


674 Scarpa Scarron 


Scarpa (Antonio), einer ber berühmteften Anatomen und Ch 
418. Jahrh., ift gegen 1746 in der Lombarbei geb. Sein Wert „A 
disquisitiones de auditu et olfaetu, Fol., erfchien in Pavia 1789, ı 
1772 in Modena „Anatomicae observationes de struetura fenestra: 
aurin” herausgegeben und baburdy bereits die Aufmerkſamkeit der gele 
auffichgezsogen hatte. Bei der Revolutionisung Italiens weigerte er fi 
der cisalpinifchen Republik allen öffentlihen Beamten auferlegten Ei 
und warb deßhalb f. Stelle al Prof. an der Univerfität zu Pavla entfet 
nun fein beruͤhmtes Werk über die Pulsadergefchwülfte heraus. Als 
nachdem er fich in Malland zum König von Italien hatte Erönen laflen, 
Davia kam, und ihm die Lehrer der Univerfität vorgeftelt wurben, fragtı 
Man erwiberte ihm, derfelbs babe ſchon lange aufgehört, Mitglied bei 
zu fein, und gab zugleich die Urfacdhe davon an. Napoleon gab die eb! 
„Was thun hier politiſche Anfichten und Meinungen? ©. ift eine Zi 

und meiner Staaten. Man ftelle ihn fogleich wieder ehrenvoll an’. & 
Arbeiten find hirurg. Inhalts. 

Scarron (Paul), ein burlesker und fatyrifcher Dichter, warb 1 
wie Einige angeben, 1598 oder 1601) zu Paris geb. Gein Water, 
mentsrath, zwang ihn zum geiftlichen Stand, er lebte aber fehr welt! 
Als er 24. 3. alt war, machte er eine Reife nady Italien, wo er ſich all 
gungen ergab. Bei f. Ruͤckkehr nad) Paris fegte er ſ. Lebensart fort. 
fuchte er das Carneval zu Mans, wa er Kanonicus war. Bier ward cı 
der maskirt, von den Gtraßenbuben verfolgt, mußte in einm DRoı 
wobei er fich heftig erfältete und durch eine hieraus erfolgende Nervenkt 
an allen Gliedern gelaͤhmt ward. Trotz diefer Leiden behielt er durch f. g 
feinen fröplihen Sinn, ließ fich zu Paris nieder und machte ſich durch 
und die Annehmlichkeit feiner Geſellſchaft die geiftvoliften Perfonen bes 
der Stadt zu Freunden. Als f. Vater geflorben war, hatte er einen 
feiner Stiefmutter, den er, obgleich e& f. ganzes Vermögen betraf, at 
leske Weife betrieb und verlor. Frau v. Hautefort, f. Freundin, du 
gluͤck gerührt, ftellte ihn der Königin vor. Der Dichter bat diefe: 
Kranken von Amtswegen nennen zu dürfen‘. e Fuͤrſtin lächelte, € 
ale Einwiligung annahm, unterfchrieh und nanıtte fid) von jegt an: © 
Gottes Gnaden unwuͤrdiger Kranker der Königin. Um ſich diefe® Am 
zu machen, lobte er ben Gardinal Mazarin, der ihm eine Penfion ga 
nachher wieder eingezogen wurde, al8 5.6 „DRazarinabe‘' u. ſ. Typhon 
worin er den Cardinal beleidigt hatte. Darauf wandte er ſich an ben 
Gonde, deffen Siege er befang, und an den Coadjutor bes Erzbiſchofs 
Seine Verheirathung mit Francisca d’Aubigne (nachmaliger DRarquife 
non) vermehrte vielleicht f. Lebensfreuden, verbefferte aber nicht f. Gluͤd 
Er lebte fo unwirthſchaftlich, daß er bald in bürftige Umſtaͤnde gerieth. 
und Unverfchämtheit verlangte er ſ. Penfion, wodurch er ſ. Lage noch verſ 
Die Schaufpiele, die er nun ſchrieb, boten ihm einen neuen 
gleich ex fich wenig um die Regeln dramatifcher Dichtkunſt bekuͤmmerte 
damals bei den Franzofen an der Tagesordnung, die ſpaniſchen Dichter p 
und auch S., welcher ihre Sprache verſtand, erntete-auf dieſen Feld 
nicht befäet hatte. Sein Lufifp.: „Jodelet, ou le maitre valet“, wur 
meiften Beifall aufgnommen. Auch die Königin Chriftine von Schu 
digte ihn ihrer Gunft und erlaubte ihm, fich ihren Roland zu nennen. 
1660. Gene „Traveſtirte Äneide” und f. „Roman comique”, vont 
erftere durch Moreau de Brafen fortgefeut, der letztere aber verbeutfät | 
ron's„Kemiſcher Romm'', 3 Bhe., Renal 1782) find unter und om bei 


Scaurus Schachſpiel 675 


erben. Der lestere zeichnet ſich durch originelle Charaktere, komiſche Laune, 
heit und Munterkeit der Erzählung aus. Außerdem hat S. nody Novellen, 
aiſchte Bebichte, Lieder, Oden, Epifteln, Stangen ıc. gefähtieben. Seine Werte 
Bruzen la Moactiniere 1737 zu Paris in 10 Bon., 12., herausgegeben. 

Scaurus (Marcus Ämilius), 2 Roͤmer, Vater und Sohn. Der Er⸗ 
! bekleidete im J. d. &t. 639 das Gonfulat und wurde fpäter Princeps senatus, 
ihmt als Redner und ausgezeichnet durch f. Strenge und die Wuͤrde, bie er ſich 
eben wußte, daher er auch bei dem Senate und dem Volke in ungemeinem Ans 
a ſtand; dabei ein hoͤchſt fchlauer Dann, ber feine Habfucht und f. Ehrgeiz ges 
fe zu verbergen wußte. Auch ale Feldherr zeichnete er ſich gegen bie Galler 
umb erhielt bei ſ. Rüdkehr die Ehre des Triumphs. Nicht fo loͤblich benahm 
h im Kriege mit Jugurtha, wußte ſich aber Hug genug zu behaupten ımb es 
zu bringen, daß man ihn nochmals zum Eonful und fogar zum Cenſor wählte. 
Bein Sohn zeichnete ſich al Aedilis curulis durch den glänzenden Aufıwand 
den er machte. . Ex ließ ein ungemein prächtiged und großes Theater errich⸗ 
mb gab koſtbare Wettkaͤmpfe. Cicero verteidigte ihn, als er wegen Bedruͤ⸗ 
jen in der Prov. Sardinien angeklagt wurde. 

Scävola, f. Mucius. 

Sceaux, Garde des Sceaux, f. Siegel, Siegelbewahrer. 
Scene, Schauplag, Aufteitt, ſ. Schaufpiel. 

Skhabemanier, f. Schwarze Kunft. 

Schachſpiel. Kein Spiel für das reifere Alter iſt fi alt, fo geachtet, fo 
erig und zugleich fo geiſtreich als dieſes. Dem Zufall, ber bei allen übrigen 
len den Dauptcharakter macht, iſt hierbei nichts uͤberlaſſen. Nur überbück, 
beit, Vorſicht entfyeiden in ihm den Sieg, und fo iſt es mindeſtens ein bes 
den Mannes würbiges Spiel, während es dem Juͤngling Gelegenheit gibt, 
Hige der Leidenfchaft zu mäßigen, Geduld, Umficht, Urtheilskraft, Kaffung 
von. Es iſt das Altefte Spiel; die Ghinefen behaupten, es fchon 200 Jahre 
nferer Zeitrechnung gekannt zu haben. Mindeſtens iſt es fchon im 6. Jahrh. 
Indien nad) Perfien gelommen und hat fidy von da durch bie Araber und 
feeusszüge *) über die ganze Welt verbreitet. Am Altgemeinften ift es im 

genlande ; auch beweift die ganze Zufammenfegung und Benennung ber 
sefleine feinen morgenlänbifchen Ucfprung. Die Sanſtritſprache nennt «6 
hrantſch, ein Wort, das die Haupttheile eines (dortigen alten) Heeres, Ele⸗ 
w, Fußvolk, Wagen (nämlich Streit» oder Sichelwagen), Pferde, anzeigt. 
wurde Diefe Benennung von bem perfifhen Namen Schah, Süd (Rinde) 
Angt, ber dieſem Spiele in allen Sprachen geblieben iſt. — Gewoͤhnlich wird 
Bchachſpiel von 2 Perfonen auf einem in 64 gleiche Felder getheilten Vierecke 
He, Tobaß Jeder auf ben ihm zumächft flehenden 16 Feldern in ber vorbern ers 
Neihe derfelben 8 fogen. Bauern, in der zweiten, unmittelbar vor ihm befind⸗ 
in der Mitte einen König, eine Königin, und ihnen zus beiden Seiten 2 Läus 
> Springer, 2 Thuͤrme befehllgt. Der Zweck des Spiels geht darauf, bes 
nerd König in eine Lage zu bringen, daß er keinen Zug mehr thun kann, ohne 
messen ober gefchlagen zu werben, welches in ber Kunſtſprache beißt: 

‚machen. Die Namen aller diefer Steine, mit Ausnahme bed Könige, find 
waren nad) Sitte und Gewohnheit der verſchiedenen Voͤlker fehr verfchieben. 
nentlich gilt die Königin im Morgenlande ungleich richtiger als Vezier (Fert) 
Feldherr; die Springer gelten beim Engländer, Franzoſen ıc. als Bitter, Meis 
die — werden in England zu Biſchoͤfen, in Frankreich zu Narren (fou) 


Gedichte von ber Tafelrunde kennen es ſchon, und zwar als eine Kunft, worin 






vorzüglich ſtark waren. 1477 erfchien bie erfte Überfegung eines im 19. . 


u gefchriebenen lat. Werte, worin es ebenfalle vorkommt. Apr 


. 676 Schacht Schaͤdel 
gemacht; urſpruͤnglich waren fie Elefanten, mit Reifigen verſehen; bie 
find urſpruͤnglich in Indien Streitwagen, was auch der ziemlich allgenmelr 
Mocen, aus dem Indifchen Roch oder Roth, bebeutet. Die Ban hi 
unfern Vorfahren Wenden: ein harakteriftifcher Zug, die Herabwärbigu 
von ben Deutfchen unterjochten Slawenſtammes zu beweifen. Den I 
Öftreich le den Fußboden eines Saales wie ein Schachbret auslegen, ı 
mit lebenden Figuren fpielte. — Die als Spieler und Schriftſteller beri 
Schachſpieler waren der Herzog von Braunfchweig, Auguft, im 17. Jahr 
d. Namen Guſtavus Selenus gab er eine „Anleitung”, 1616, 4., heranı 
aͤußerſt felten ift) ; Philidor, ein Franzoſe, in London vorzüglich 1780— X 
geworben; Gioacchino Greco bereits in ber erften Hälfte des 17. Jahrh. 
Araber Philipp Stamma in Paris 1737. Koch's „‚Cober der Schach 
(2. Aufl., Magbeb. 1813—15) iſt das umfaffendfte und deutlichſte Wer 
v. Mauvillon's, Anweiſ. 3. Erlernung des Schachfpiels' (Efien 1827). 
it ein Schüler des großen Schachfpielers Elias Stein, der im Haag 18 
— Unter den niedern Ständen ift dies Spiel in Deutfchland nicht ſehr ge 
doch ift es merkwuͤrdig, daß ſich das Dorf Stroͤpke, Stroͤbeck in ber Nähı 
berſtadt, feit wenigftene 300 Fahren durch eine bedeutende Fertigkeit t 
zeichnet, ohne bag man den Brund,davon beflimmt angeben könnte. U 
lich iſt es, daß ein Biſchof, anfangs hier als Privatmann lebend, bie Lau 
eigner Liebhaberei damit befannt und fpäterhin deßhalb und unter biefer $ 
von manchen Abgaben freigemacht bat. Über den fogen. Röffelfpr: 
die Kunft, den Springer Über alle Felder des Brets mit einem Zuge | 
ohne eins 2 Mal zu treffen, f. Kluͤgel's „Mathem. Wörterb.", 4. Wit 
Warmsdorf, „Des Röffelfprunges einfachfte Löfung” (mit Fig., Schma 
— Des Hieron. Vida (fi. 1566) latein. Lehrgedicht über das Schachf 
3. Hoffmann herausgeg. und metrifch Aberf. (Mainz 1826). — Ungermwd 
da6 Schachfpiel unter 3 und unter 4 Perfonen. Ebenfo felten und zug 
mein fchwierig find das daraus entflandene Gourierfpiel mit 24 € 
einer Tafel von 96 Feldern und das noch viel zufammengefegtere, vor; 
Benturini, und noch vorzüglicher ba® von Meifewig außgearbeitete Krii 
(Bol. Schlachtordnung.) — Schachmaſchine, vgl. Kempelı 
Schacht, f. Grube. 
Schädel ift die knoͤcherne Grundlage des Kopfes, die man in 
(eranium) und Geficht abtheilt. Im engen Sinne verficht man aud 
bie Hirnfchale darunter. Dieſe befteht bei dem Menſchen aus 8 Knocher 
aus dem Stimbein (os frentale), den beiden Scheitelbeinen (esan pa 
bregmatis), dem Öinterhauptbeine (os oceipitis), den beiden Schlaͤfeb 
temporum), bem Keilbeine (os sphenoideum), und dem Siebbeine (o 
deum s. eribriforme). Diefe meift platten Knochen bilben eine große Hi 
ſich das große und Eleine Hirn befindet, befigen Erhabenheiten und Be 
von den anliegenden Theilen und mehre Öffnungen, durch welche Befäßt 
ven hindurchgehen. Verbunden find fie unter einander und mit ben G 
hen im ausgebildeten Zuſtande durch das Ineinandergreifen der gezaͤhnt 
(Nähte), die keine Bewegung zulaffen. Im fruͤhern Lebensalter aber bar 
diefe Knochen nur vermittelft einer Anorpelmaffe, bie es zuläße, daß da 
ſammengedruͤckt (3. B. bei der Geburt) und verkleinert werben kann, jal 
Knochen von ihrem Mittelpunkte aus bilden, fo find fie In der Zeit dee € 
den Eden noch fo wenig auögebilbet, daß haͤutigknorpelige Zwiſchenru 
werden, welche Sontanelle heißen. Nur zwifchen ben Schlafbeinen wub d 
Kinnlade, ſowie zwifchen bem Dinterhauptbeine und bem erſten Biken 
det fich ein roirkliches Gelenk, Die Sehyuatmacien find bei dem Dienfihen | 


Schaͤdellehre 677 


ieferbeine (ossa maxillaria superiora), 2Nofenbeine (ossa nasi), 2Thraͤ⸗ 
e (ossalacrymalia), 2 Jochbeine (ossa zygomatica), 2 Gaumenbeine (ousa 
a), die beiden ımtern Naſenmuſcheln (oasa spongiosa), das Pflugfcharbein 
), und die untere Kinnlade (os maxillare inferius). In ber letztern, ſowie 
eiden Dberkieferbeinen find die 32 Zähne eingekeilt. Die Geſichtsknochen 
sehre Höhlen, welche Sinnesorgane enthalten, wie bie Augen⸗ Nafen » ober 
öhle, und beflimmen die Form bes Geſichts. Die Art, wie fie, Indbefon- 
obere Rinnlade, zu den eigentlichen Schaͤdelknochen geftelit find, begründet 
denheiten, durch welche ſich das menfchliche Geſicht von dem ber Thiere 
eidet, ſowie fich auch viele nationale Verſchiedenheiten darauf zuruͤckfuͤhren 
daß der Dberkiefer und bie Jochbeine entweber mehr hervorragen ober ein⸗ 
find. — Man kann in dem Bau des Schaͤdels eine Ähnlichkeit mit dem 
© Wirbelfäute und überhaupt manche anziehende Analogie finden; vgl. 
„Cephalogenesis s. capitis essei structura et signifioatio eto. aco, tab, 
' (München 1815, $01.). | 
ſchaͤdellehre, Kraniologie, ift bie von D. Ball (f. d.) ſyſtematiſch 
Ute Lehre von dem Bau und den Verrichtungen bes Nervenſyſtems und vor 
yerjenigen Abtheilung, welche im Schädel eingefchloffen ift und das Gehirn 
enſetzt. Daher kommt ihr der Name Schaͤdellehre nur infofern zu, als das 
vom Schädel eingehuͤllt wird, und diefer ſich nach ihm formt. Noch weni 
fie für eine Phyfiognomik angefehen werben, obgleich fie als Phyfiologie 
irns fich fehe fruchtbar auf Phyſiognomik, ſowie auf Pädagogik und Me⸗ 
wenden läßt. Die Entſtehung der Lehre iſt bei dem Art. bes Autors ſchon 
Er hat durch ein eignes Werk (‚Anatomie et physiologie du systöme 
x engensralet du cerveau en partioulier”, Par. 1801 fg., 4.) ſ. Beobach⸗ 
bekanntgemacht und durch viele Kupfer (Fol.) erläutert. Die Hauptpunkte 
find: Das Gehim iſt dasjenige Organ, wodurch bie geiftigen Thaͤtigkei⸗ 
Menſchen vermittelt werben. Es ift, als ein ſolches Organ, aber nicht bei 
mzelnen Ucte des Denkens in f. ganzen Maſſe thätig, fondern ſowie jeder 
iebes Bewegungsorgan , Überhaupt jedes befondere Geſchaͤft ins Körper 
ſondern Nerven als Werkzeug hat, ebenfo gehört jeder qualitativ verfchlebes 
Hoerrichtung ein abgefonderter Gehirntheil als Drgan, wodurch fie erſt mög- 
». Die Stärke des Nerven und die Menge feiner Maſſe ſteht mit ber In» 
der in dieſem Organe auszuübenden Verrichtung in geradem Verhaͤltniſſe. 
ffelmero des Elefanten hat die Stärke eines Kinderarms. Der Menſch bes 
aus den mehrften hellen zuſammengeſetzte Gehirn in ber ganzen Thierreihe. 
find alfo weit mehr Organe vorhanden , er trägt in feinen: Gehirn alle bie 
‚ welche den Tieren einzeln zukommen, nicht nur vereinigt, fondern er 
och andre , den Thieren fehlende. Die Menfchenfchädel zeigen aber uns 
fowol in der Menge ihres Gehirns, als in ber Vergrößerung einzelner 
‚ große Verſchiedenheiten; dazu lehrt die genaue Beobachtung, daß ber . 
Ropf ſich, wenn auch nicht durch den größern Umfang bes ganzen Schäbels, 
sch ausgezeichnete Vergrößerung einzelner Punkte deſſelben, alfo durch groͤ⸗ 
sbienmafle auszeichnet. In der Jugend, als ber Eutwidelungsperiobe 
Desngözeit ber ſchlummernden Anlagen, bat das ganze Gehirn ein Streben 
udehnung; wenn an einem jugendlichen Schädel die obere Hälfte abgenom⸗ 
rd , fo deängt fih das Gehirn hervor , und kann durch Aufſetzung des De» 
he wieber in diefelbe Höhle zuruͤckgebracht werben; an einem alten Schaͤdel 
on gerade dad Gegentheil zu bemerken. Die Verrichtungen beſtimmter Ges 
ie ſind von einander verfchieden und behaupten ſich in wechfelfeitiger Unab⸗ 
sit, ſowie auch bieihnen vorgefegten Gehirntheile ſelbſt duch beftimmte und 
kanliche Formen ſich unterfcheiten. Das Gehien If} ein Compabır vun Du 


678 Schaͤdellehre 


ganen. — Man muß ſich den Vereinigungspunkt aller Nerven des ganzen 
da vorſtellen, wo Ruͤckenmark und Gehirn zuſammenſtoßen, d. i. im Ge 
der Stelle, durch deren Druck jedes Thier, das ein Gehien bat, ſehr leicht 
wird. Ein Theil der Nervenmaffe geht unterwärts als Ruͤckenmark, gib 
‚ Im alle Drgane des Körpers und zertheilt ſich endlich vollftändig In Ner 
Der zroeite Theil fleigt in der Form markiger Schenkel unter der Warold 
die Schaͤdelhoͤle, gibt Äfte zum kleinen Hirn und verbreitet ſich ſtrahlenfoͤrn 
ganzen Maſſe des großen, oder ſetzt dieſes vielmehr ſelbſt zuſammen, ini 
A Orten Zwiſchenraͤume (Gehirnhoͤhlen) laͤßt. Die Vielſeitigkeit in den B 
gen iſt durch eine ebenſo große Mannigfaltigkeit in der Form und Farbe bil 
geſtellt. Denn bie ſtrahligen Markverbreitungen endigen ſich auf der £ 
der Hirnhemiſphaͤren in mannigfaltigen Windungen, Indem fie nach und 
markige Beſchaffenheit verlieren und in eine graue Rindenſubſtanz uͤbergehe 
rend dieſes Überganges dehnt ſich die Hirnmaſſe in eine hautfoͤrmige Fl 
deren Stamm von den Schenkeln gebildet wird; dieſe Flaͤche iſt in jene W 
knaulfoͤrmig zuſammengewickelt, doch ſo, daß ſie durch gehoͤrige Behand 
kommen ausgebreitet werden kann, auch ſich dann von ſelbſt aus ihren 
gen entwickelt, ſobald betraͤchtliche Waſſeranſammlung in den Hirnhoͤhler 
hirn von einander treiben. — Die Organe des Gehirns ſind alle doppelt vo 
die ganze Hirnmaſſe läßt ſich in 2 durchaus gleiche Hälften ſpalten, und 
nur an den Stellen Einfachheit (3.8. an der Hirnſchwiele) flatt, wo man ! 
Drgane zu vermuthen hat, welche zur Verknüpfung aller Chätigkeiten zum 
ſchaftlichen Bewußtfein beſtimmt zu fein fcheinen. Deßhalb ift bei Fehlern 
Hirnhälfte die naturgemäße Thaͤtigkeit ber zweiten noch möglich , ſowie e 
fehlen kann, ohne daß die Urinabfonderung völlig unterdrückt if. — £ 
Organe , welche allen mit Gehirn verfehenen Thieren zukommen (folche, 
auf Kraft und Erhaltung bes Lebens Bezug haben), liegen nad) der Bafıs t 
dels zu; ſowie aber das Gehirn ſich durch Vermehrung der Drgane höhere 
kraͤfte veredelt, fo finden ſich die hinzugekommenen mehr nach Oben und ? 
gen die Decke und Seitentheile bes Schädels. Gleichergeftalt gibt fich di 
Berung einzelner Hirntheile durch Hervortreten über bie andern zu erfenner 
verhält ſich der Schädel leidend, d. h. feine Form wird durch die Beſchaff 
Gehirnoberflaͤche erſt beſtimmt, er drückt im gefunden Zuftande nicht auf 
bien. Denn fon ift im Foͤtus Gehirn da, ehe noch ber Schädel fich & 
iſt dann nur mit der harten Hirnhaut überzogen, welche bier, wie bie! 
an andern Knochen, bie Erzeugung und Ernährung ber Schaͤdelknochen üb 
Die Schädellnochen beftehen beim Erwachſenen aus 2 Tafeln, zwiſchen d 
markige Diploe liegt. _ Deffenungeadhtet laufen beide Tafeln parallel mit 
bis auf folgende Stellm: an den Stirnhöhlen, an ber Kreuzgräthe des Hin 
beine, ander Gräthe des Stirnbeins, und an der Gegend der beiden gröf 
tänellen. — Genaue und fortgefeute Beobachtung und Vergleichung der 9 
haben gezeigt, daß einzelne Dervorragungen auf fehr große Entwidelung 
Fähigkeiten und Neigungen fchließen laſſen; daß aber da, wo alle Verri 
der einzelnen Theile in gleihmäßiger Harmonie entwidelt find (Wieland 
der Schädel Beine jähen Dervorragungen bilde, fondern eine glatte Woͤll 
zeichne. Genaues Studium der Anthropologie; Beobachtung der Menſch 
ren verfchiedenen Situationen und damit verbundene Vergleichung Ihrer 
form ; anatomiſch⸗ phyfiologifche Unterfuchung des Gehirns und vorzäglid 
chende Anatomie mit Rüdficht auf die jedesmaligen Neigungen des Thie 
thologifche Beobachtungen an Behim: und Geiſteskranken, als an Kretinen 
finnigen, Wahnfinnigen, Menſchen mit Verlegungen am Gehirn ıc. ml 
Die Stügen der Schaͤdellehre angelchen werten. Getöat auf ſolche Weobad 


Schaͤdellehre 679 


Arbeiten glaubte Gall, die Orte der Gehirntheile für mehre Faͤhigkeiten und 
mungen aufgefunden zu haben. Daß dieſe, inſofern fie außen erkannt werben 
m, nur foldye find, die nach der Oberfläche des Gehirns zu liegen und Eins 
kin den Schädel zu machen vermögen, iſt von felbft klar; eine Menge andrer, 
m Kiefe und Mitte gelegener, laſſen ſich zwar jegt fchon vermuthen, aber erft 
b fortgefegteres Stubium erkennen. — Was bie einzelnen Organe betrifft, fo 
Kal den Fortfag zum verlängerten Marke das Organ der Lebenskraft, wel⸗ 
dei gehirnten Thieren von niedriger Organifation bisweilen das Gehirn allein 
. Bon der Größe des Hinterhauptloches und von der Dicke des Nackens 

auf die Stärke diefes Organs ſchließen. Alle Thierarten mit Geſchlechts⸗ 
befigen neben andern Hirntheilen zugleich ein Feines Gehirn; daraus 

8 andern Gründen fchloß Gall, das Heine Gehirn fei das Organ des Ge: 
| bes ; feine Stärke gibt ſich durch bie Größe der Dinterhauptshügel umb 
urch bewirkte Breite des Nackens zu erkennen, bie in allen männlichen Thies 
deutender ift. über und hinter den Ohren ift bei fleifchfreffenden Thieren eine 
benheit zu finden, bie ben pflanzenfreffenden fehlt; er nennt fie Wuͤrgſinn. 
Bellfortfage des Hinterhauptbeins über dem großen Hinterhauptloche befindet 
ne Schädelgrube, bie buch das Organ des Lebenstriebes ausgefuͤllt wird. 
Neferr Organen find bie Nerven ber Sinne gelagert. Die Oberfläche des gro» 
ehirns endlich mit feinen Wölbungen, Einſchnitten und Höhlen gibt folgende 
ve: Um bie Augen herum, fodaß fie die Stellung berfelben verfchleben, lies 
Bjenigen Behimtheile, toelche als Sammelpläge ber durch die Sinne enthals 
Bindrüde dienen. Man unterfcheibet hier den Sachfinn gleich Über der Naſen⸗ 
I, der in höherer Steigerung Erziehungsfähigkeit gibt; den Ortsſinn, der 
wch Erhebung der Stirnhuͤgel ausdrückt und feinem Inhaber die Fähigkeit gibt, 
Gegenden, Wegen, aftronomifdy am Himmel, leicht zu finden; den Wort: 
ba6 Vermögen, Worte, Terminologien ıc. zu faffen, in ber binterften Spitze 
sen Knochendecke der Augenhoͤhle, wodurch das Auge hervorgetrieben, und 
Blogauge wird; den Sprachſinn, der ſich durch Einfiht in den Sprachbau 
chnet und durch Herabfenten des vordern Stuͤcks der Augenhöhlenplatte er» 
wird, ſodaß er Schlappaugen macht; den Zonfinn am äußern obern Augen» 
zande; ben Zahlenfinn, der dem Menfchen ausfchliegend zukommt und an 
lefen Derabfenkung des Augenbraunenbogens nad) Außen erkannt wird, fobaß 
h die Stimm faft vieredig wird. Etwas neben dem Tonſinne nach Innen ſteht 
zbenfinn. Iſt aber der innere Augenwinkel und mit ihm die Queraxe des Aus 
rabgetrieben (Fiegenaugen), fo verräth das Perfonenfinn, d. 1. die Fähigkeit, ans 
enſchen, fie mögen ein auffallendes oder nicht auffallendes Äußere haben, leicht 
zu erkennen. Eine horizontale Grube über dem Augenhöhlenbogen deutet auf 
ihre Ausfuͤllung auf Sreigebigkeit. — Höher an der Stirn trägt der Menſch 
gane, weiche feiner Gattung ausfchließend zufommen und den Vorzug feiner 
hennatur ausmachen. Sie geben Aufſchluß und Berichtigung über die Cam⸗ 
en Beflimmungen der Sefichtslinie. Im allgemeinen beutet daher eine hohe, 
und gewoͤlbte Stirn auf ausgezeichnete Geiftesftärke, eine niedere Stirn auf 
a Entwidelung von Geiſteskraͤften. Bei fehr jungen Kindern, In bem Alter, 
b das Auffaffungsvermögen (Beobachtungsgeift) zu regen anfängt, ſowie bei 
peichneten Beobachten, iſt die verticale Stirnhoͤhe kugelig gewoͤlbt. Die 
sphifche Speculation zeigt fich in der Mitte der Stirn anihrem höchften Punkte, 
pulaice Beredtſamkeit etwas unter berfelben, der Wig offenbart ſich durch bie 
elföemigen Erhöhungen zu beiden Seiten ber Stirn über den Augen. In 
Bitte des Schaͤdels, über ber eigentlichen Stirn, druͤckt fich die Gutmuͤthigkeit 
eine Wölbung aus; Grauſamkeit durch bie Abmefenheit derfelben; hinter 
ben zeigt eine fortgefeute Woͤlbung den Hang nach Schwärmerei an, melde 





N 


eine gtope Breite des MOpfe Bedachtigreu, DAS Gegentheu ke 
Etwas darunter, nach dem hinter bem Ohre gelegenen Warzı 
ſich bie frrundfihaftliche Anhänglichkeit; noch tiefer, in der-Ri 
be& Gehörs, der Schlauheit, ber Bedächtigkeit, fleht der Deut 
Linie von einem Organe ber freundſchaftlichen Anhänglichkeit z 
ben gejogen, durchſchneidet die Aitern » und Rinbebliebe; Über 
bung des Hinterkopf hinauf und in ihrer Mitte grenzt an d 
‚Höhefinn, ber phyſiſch (die Gemſe, den Steinbod) zum Stel, 
zum edlen Stolje ober zum veraͤchtlichen Hochmuth (Eitelkeit) | 
Schaden. Die Lehre vom Schaden und deffen Wei 
wichtigften und verwickeltſten im Recht, und darin tolffenfchaft! 
Schömann’s Bud: „Die Lehre vom Gchabenerfage” (1805, 
die Sache gar nicht, und Haffe’s gruͤndlicheres Wert: „Die ( 
Redıtö"' (1815), faßt fie nur von der einen Seite her auf, w 
ſten gendgt. Schaben ift jeder Verluft, welchen Jemand an ; 
was er mit Recht zu dem Seinigen zählte. Dit Recht; bean 
liert, was ihm ohnehin nicht gehörte, erleidet auch feinen Sd 
Sinne. Der Schade iſt 1) entweder ein unmittelbarer, pofttivi 
emergens, domnısge) , wenn er fi) an Dem ereignet, was be 
wirklich hatte; er iſt mittelbar, privativ, Inbirect ſuerum cesı 
er nur einen erſt zu erwerbenden Gegenſtand betrifft: entgehe 
des wird unter dem roͤmiſchen: Id quod interest verflanden. 
zufaͤllig, wenn er bloß durch blind waltende Naturkräfte verurfe 
in gewiffer Beziehung die Handlungen andrer Menſchen ger 
verfchuldet, wenn er in feeien Handlungen eines Menſchen fein 
iſt auch möglich, daß Zufall und Verſchuldung als mitwirke 
mentreffen, ſodaß beide als weſentlich bei der Entſtehung des 
werben müffen, und eine ohne bie andre ſolchen nicht, ober aı 
allein ihn hervorgebracht haben würde. Bei dem zufällige 
fehmieria_ harlıher. men horfsihe treffen mhıffe . fofte Arımbräs 


Schabow | 681 


), beren Entfiehungsgrund bei Sontractverhättniffen in ber pofitiven Verbinb⸗ 
Belt der Gontrahenten liegt, in ihren Angelegenheiten gegenfeitig mit Vorſicht 
‚ außerdem aber in der allgemeinen negativen Verbindlichkeit, Nies 
zu beſchaͤdigen. Die bloße Verſchuldung ohne Vorſatz (oulpa) hat ber Natur 
nad) Abſtufungen, welche ſich ſowol nach allgemeinen Regeln (in ab- 
wie) als nad) ber Handlungsweiſe eines beflimmten Menſchen (in concreto) 
en loffen. Wie viel Abftufungen das pofitive Geſetz annehmen will, fcheint 
doch iſt es kaum möglich, mehr ale 3 aufzuftellen: a) eine Ver 
gung ber gemeinften, Jedem befannten, durch das geringfle Nachdenken zus 
Regeln (culpa lata); b) eine Vernachlaͤſſigung folcher Regeln, weiche 
fie ſehr feltene Fälle anwendbar find und im gewöhnlichen Leben für übertzies 
werben (culpa levissima), und e) ein bazwifchen liegendes Mittlere 
levis). Solche 3 Grade nahmen die Meiſten nach dem römifchen Recht an; 
in der neuern Zeit findet man barin nur 2, eine grobe, ans Abfichtliche gren⸗ 
1, fich der Nachiäffigkeit bewußte (culpa late), und eine geringere (culpa le- 
welche fich je nach den Umftänden geflalten muß. Überhaupt aber laͤßt ſich 
erkennen, daß ebenfowol der Punkt, wo bie Verfchulbung Aberhaupt nur 
al8 auch der, wo große umb geringe fich von einander ſcheiden, im Allge⸗ 
unbeflimmbar iſt. Was bei dem Einen ganz ohne Verfchulbung ifl, wenn 
al, die Nothwenbigkeit ihn zwingt, Gegenſtaͤnde zu behandeln, deren phy⸗ 
Geſetze er nicht kennt, iſt bei einem Andern vielleicht culpa lata, und biefe 
verräden ſich daher immer, ſowie die Kenntniß der Naturkräfte fidy ers 
Daher iſt ein gewiffes Schwanken in den Gefegen, wenn fie diefe Abſtu⸗ 
genau zu beflimmen verfuchen, faft unvermeidlich, umb bie Srage: ob eine 
ung groß oder gering fei? ift mehr factifch als nach rechtlichen Begriffen 
Bembar. Beſonders in Anfehung des zufällig durch Thiere verurfachten Schas 
enthält das römifche Recht eigenthümliche Beftimmungen; wenn ein Thier 
b eine gegen feine Ratur laufende Handlung Schaden thut (pauperies), kann 
Wgenthümer fi) durch Auslieferung beffelben (noxae datio) von dem Scha⸗ 
efaß loßmadyen; wenn er fein Vieh fremde Fruͤchte abweiben läßt, finbet eine 
ı de pastu gegen ihn flatt; wer ein ſchaͤdliches Thier hält, kann wegen des 
süchteten Schadens ex lege Aquilia (eins der aͤlteſten, noch aus den mittlern 
um der Republik herrührenden Geſetze über Schadenerfag überhaupt) belangt 
zw. Auch wegen eines noch nicht gefchehenen, aber vorauszufehenben Scha⸗ 
(dampum infectum), wenn ein Gebäude den Einſturz droht, kann Sicher 
kefodert werben. Wer durch eigne Verſchuldung fich irgend einen Schaden zus 
ven bat, kann überhaupt keinen Exfag verlangen, wenn auch die Verſchuldung 
ı Anden babei mitwirkte (damnum, quod quis sentit sua culpa, sentire 
widetur). 37. 
Schadom (Johann Gottfried), Profeffor, Director der k. Akad. ber 
und mechaniſchen Wiffenfch. zu Berlin, auch k. Hofbilbhauer und Mitgl. 
demien der Kuͤnſte zu Stockholm und Kopenhagen, ein beruͤhmter deutſcher 
‚ geb. 1764 zu Berlin, zeigte ſchon früh einen unwiderſtehlichen Hang 
ns zeichnenden Künften; allein die Dürftigkeit ſ. Vaters — eines Schneiders 
wier zahlreichen Familie — ließ die Befriedigung jenes Dranges nicht hoffen, 
we zufällig ben erften Unterricht im Zeichnen von einem Bildhauer erhielt und 
Dann mehr im Zeichnen übte, endlich aber ſich doc) ber Bilbhauerei widmete. 
m f. Beliebten begleitet, flüchtete er nad) Wien, heirathete fie dort im 21.9. 
ters und ging, Lehre, Penfion, AÄltern und alle Ausfichten aufgebend, mit Eins 
Egung und auf Koften ſ. Schwiegervater6 nad) Itallen. Unermübet fleißig ars 
Bu 1785 — 87 in dem Mufeum des Vaticans und bes Gapitols. Zu dem 
us. Goncosfo di Paleſtra machte er die gefoderte Gruppe in gebranntem Thon 




















688 Schaf 


umb erhielt dafür die golbene Preismebaille, obgleich er Beine Verbindm 
wie fo viele andre mitbemerbende Künftter. 1788 erhielt er die durch 
hauers Teffaert Tod erledigte Stelle. Sein erfte großes Wert in D 
war das dem verft. jungen Grafen v. d. Mark, einem natürlichen Sohn 
Wilhelms IL, 1790 errichtete Denkmal in ber Dorotheenkirche zu Be 
fem folgten bald mehre, 3. 3. die koloſſale Bildfäule des Generals v. 
Bufarenmiform; die Bildſaͤule Friebriche d. Or. zu Stettin; ein Eng 
Lebensgröße, welches bie damalige Kronprinzeffin, jegt verewigte Könl 
von Preußen, und ihre Schwefter, die Herzogin von Cumberland, darſt 
fi) an einander lehnen und umarmen; die Bilbfäule Leopolbs von: 
Zuftgarten zu Berlin; mehre Sandſteinarbeiten am neuen Muͤnzgebaͤul 
das Denkmal des Generals v. Tauentzien zu Breslau. Außer den Mot 
nem Denkmal für Friedrich d. Gr. verfertigte ©. auch das Denkmal ı 
in Wittenberg. Das Viergefpann auf dem brandenburger Thor iſt vo 
deflirt und von dem Kupferſchmied Jury in Potsdam in Kupfer ausgetr 
Ser vielen vortrefflichen Bäften berühmter Männer hat er das Bluͤcher 
mal in Roftod verfertigt. — Bon f. beiden Söhnen ſtarb der ältere, 
4822 al8 einer der ausgezeichnetften Bildhauer In Rom. Außer mehren 
Basreliefs, Büften ıc. haben In der neueflen Zeit feine Statuen einer 
binderin und Spinnerin den einftimmigen Beifall aller Kenner erroorben 
mehrmals in Marmor ausgeführt, nach England gekommen. — Der and 
— Wilhelm Friedrich, geb. zu Berlin den 6. Sept. 1789, Hifl: 
Portraitmaler, war Prof. und Mitgl. der Akad. zu Berlin und ging im. 
als Director der Malerakademie nach Duͤſſeldorf. Seine Arbeiten jı 
durch das Edle und Heine des Styls, die Großartigkeit ber Compofitio 
gemeine Schönheit und Wärme des Coloritd aus. Meifterhaft find f. 
f. Frescomalereien in ber Wohnung bes verft. preuß. Generalconfuls v. 
zu Rom beweifen, welche bedeutende Stelle er unter ben Hiftorienmalern 
Unter f. neueften Werken nennen wir das große Altarbild für Schulpfo 
ſtus zwifchen Johannes und Matthäus, und eine heilige Samilie, gemc 
Schaf. Diefes Hausthier lebt faft unter jedem Hintmelsftric 
Kälte und Näffe nicht übermäßig find; e6 liebt reine Luft und gute Kraͤr 
In Seftalt und Anfehen gibt es verfchiedene Abarten: die islaͤndiſchen 
ben mehre Hörner, die arabifchen in Aſien fette und dicke, oft bis 40 Pfu 
Schwänze, die ungarifchen geroundene Hörner und grobe Wolle. In € 
die fpanifchen und die englifchen die beften Arten; jene ftammen aus Af 
aber durdy Veredlung aus Spanien. (S. Schafzucht.) — Das X 
bezeichnet das weibliche Thier; hat es gelammt, fo nennt man es Mi 
das männliche Thier wird Widder, Stöhr, Stähr oder Bock genannt. 
ſchnittene Bock heißt Hammel, und der gemäftete Hammel, wenigſtens 
Theilen Deutſchlands, Schöps. Ein neugeborenes Schaf heißt Lamm, 
terfcheibet nad) dem Geſchlecht Bode: und Schaflämmer. Die Bocklaͤn 
den, wenn fie nad) einigen Wochen verfchnitten worden, Dammellänme 
Den Schaflämmern wird der Schwanz bis auf einige Glieder gekuͤtzt. 
Lämmer heißen Jährlinge, zweijährige aber Zeitfchafe, und diefe werben 5 
tung gelaffen. — Noch theilt man die Schafe in ein= und zweiſchuͤrige 
dem fie jährlich ein oder zwei Mal geſchoren werden. Selten bekommt 
zweifchürigen Vieh mehr Wolle als von dem einfhürigen, und immer If I 
und feiner. Auch find zweiſchuͤrige Schafe ſchwer zu verebeln, ben Imme 
fie beim Anfange ber Veredlung in einſchuͤrige vertwanbelt werden. — 1 
der Schafe erkennt man aus den Zähnen. Das Lamm hat 8 Spitz aͤhne 
nen es jährlich ein Paar einbüät, wogegen es breite Schaufelzähne erhält. . 


Schaf 688 
die Schafe weiß, braun, ſchwarz und ſcheckig. Scheckige nennt man 
lſchafe. Die weiße Farbe des Wolle ift die befte, weit fie fih mit allen 
m läßt. In verebelten Schäfereien bulbet man daher auch bloß weiße 

Gute Pflege und Fütterung find bei der Schafzucht das wichtigſte. 
Jartung zu verhindern, ift ed nöthig, alle 3 Jahre den Ankauf edler 
rieberholen. Man muß babei gußer ber Geftalt und Geſundheit befon» 
: Weide berüdkfichtigen, an welche fie gewöhnt find, da fie einen bedeu⸗ 
ſel nicht leicht vertragen. Schafe von ſtarkem Leibe, breiter Bruſt und 
en find trefflich ; fie bleiben gern bei der Heerde und freffen gut; dabei 
fe fettig, fein, raus, aber nicht verworten fein. Ein gefunbes Schaf 
und heile Augen mit vielen zothen Adern, ift munter und frißt gut. 
‚ die ſchon die Zähne zu verlieren anfangen, muß man gar nicht Laufen, 
yeften nur zwei⸗ und dreijährige. Das Schaf, als ein furdhtfames, 
ıd einfältiges Thier, bedarf im Felde und Stalle ber fleten Aufficht. 
wecke find auch gute Schäferhunde nöthig, welche die Heerde vor Woͤl⸗ 
und in Ordnung halten. Die Weide muß man mit Sorgfalt wählen. 
Biefen find den Schafen fdyädlich, zumal im März; und April. Man 
zu früh austreiben, fondern erſt, wenn ber Thau abgegangen iſt. Auch 
für forgen, ihnen bei großer Hige wo möglich Schatten gu verfchaffen; 
man fie Morgens auf ber Morgenfelte und Nachmittags auf der Mit⸗ 
Ihre Lieblingspflanzen find das Schafgras (Festuca ovina), das 
(Bursa pastoris), mehre Trespenarten ıc. Die befte Begattungszeit 
tim Sept. und Det. ; wo aber die Staͤhre frei unter der Heerde gehen, 
ih ſchon im Auguft und felhft im Juli. Da nun ein Schaf nur 21 
htig geht, fo wuͤrden bie Lämmer im härteften Winter geboren werden. _ 
neiden, fondert man bie Widder von den Schafen und läßt fie erſt zu 
t. zu ihnen. Ein Stähr zur Zucht muß wenigftens ein Zeitbock, ftark, 
Ipfig und wollreich fein. Ein Schaf aber wird am beften erft zugelaffen, 
rjaͤhrig wird. Während des Tragens ift die forgfältigfte Pflege und 
tbig; man muß fie mit unverborbenem, guten Futter verfehen. In ber 
uß der Stall noch erweitert werben; die ganz jungen Laͤmmer werben 
tütteen 3 — 4 Tage beſonders gethan, und erft nach 10 Tagen kann 
r bie übrigen Schafe laufen laffen. Einige Mütter laſſen Ihre Laͤmmer 
‚ diefe muß man abfondern und eigens daran gewöhnen. Dan muß 
er Zeit das befte Heu und Grummt geben. Das erfte Geſchaͤft nach 
er Lämmer ift, fie zu zeichnen, welches gewöhnlich an den Ohren ge⸗ 
äter folgt dann das Verfchneiden bei den männlichen und das Kürzen 
zes bei den weiblichen Lämmern. Zu berfeiben Zeit muß man fie an 
jewöhnen. Wenn das jüngfte Lamm 3 Monate alt iſt, kann man alle 
ttern entwöhnen; die Schäfer thun es gewöhnlich zu Ende Mais ober 
i. Man treibt fie num auf die befte Weide und fchafft ihnen dabei bie 
bwechſelung. Im Stalle muß man fie noch, fo viel es geſchehen kann, 
erigem Wiefengrafe und etwas Luzerne füttern. Ein Jerthum iſt es, 
ven nichts zu trinken geben müfle. Man tränkt fie am beften vor dem 
oder treibt zuerft dahin, wo fie geſundes Waſſer finden. Bei der gro» 
Sommer muß man babei fehr behutfam verfahren. Die kaͤmmer wer: 
ch zum erften Mal erſt bei der zweiten Schur gefchoren. Der Kopf bes 
fe, weil fie verhindert, daß Inſekten fich einniften, wodurch bie Dreh⸗ 
ugt wird. — Dan halte nicht mehr Schafe, als man gut verpflegen 
je gut gepflegt werden mehr Wortheil gewähren als viele ſchlecht ger 
ı rechnet, daß das Schaf 7 Monate von der Weide lebt, 1 Monat vor 
und 1 vor dem Krühling halb von Weide, halb von Fütterung, 3 Ra: 


684 Schäfer 


nate endlich ganz von ber Fuͤtterung. Dem gemäß muß man ſich m 
GStroh einrichten. Beim erften Austreiben im Fruͤhjahr daͤrfen die ( 
ganz hungrig ausgetrieben werben, weil fie fonft zu begierig Alles, mad 
kommt, feeffen und leicht ran werben. Wenn aber das Gras erwach 
man fie allenthalben hintreiben, nur nicht an moraflige Orte. Darf m 
mehr auf die Weide treiben, fo kommen fie auf die Brachäder, und 
umgeriffen, fo haben fie eine Hungerweide, wenn nicht bloß für fie befkh 
binlänglich vorhanden if. Im Winter muß man ein Hauptaugenmn 
ben, fie reichlich und gut tränken und füttern, denn bavon hängt d 
Menge ber Wolle, der Dünger umd bie Güte ber Laͤmmer ab. Winte 
mer muß man fie auch öfter Salz lecken laffen, beſonders wenn fie 
darnach durch Belecken der Lehmwaͤnde und bes Erdbodens zeigen. ! 
hierbei auf 5 Schafe alle 10 Tage eine Hand vol Salz. — Der Nu 
* Schafe geroähren, befteht vornehmlich in der Wolle, dem Miſt, der M 
Fleiſch. Die Gedaͤrme benugt man zu Gaiten, die Felle ntiweder mit | 
Unterfutter und Gebräme, ober ohne bie Wolle zu Pergament, Gorbu 
ſchem Leder. Das Fett gebraucht man an Speifen, das Unfchlitt zu 
bie Klauen und Sußknochen zu Leim. Die hauptſaͤchlichſten Krankheite 
find die Poden, der Durchlauf, bie Seuche, die Säule, die Egeln, die 
heit, das Blut, das Gliedwaſſer und die Raude. &. Rud. Anbre’s 
Veredlung des Schafviehes“ (2. X. mit Zuf. von Elsner, mit Kpfn., ' 
Schäfer (Gottfried Heinrich), ein um die griechiſche Gramm 
dienter und ungemein thätiger Philolog, wurde am 27. Sept. 176 
geb., wo fein Water Bürger und Schneider war. Bon feinem 9. J. an 
der dortigen Nicolaifchule von Martini, Forbiger u. A. für die afaden 
bien vorbereitet, die ee 1781 begann. Neben f. damaligen Hauptfiubh 
bicin, fiubirte er zugleich mit großem Kleiße, unter Platner's und Cäfı 
Philoſophie, und unter Hindenburg u. A. Mathematik und Phyſik. J 
logie, fire die er von jeher große Vorliebe gezeigt hatte, genoß er ben Um 
W. Ernefti, Reis und Beck. 1792 erlangte er die Magiſterwuͤrde 
Jahre fpäter errichtete er In Verbindung mit einem a. Gelehrten in 
. Buchhandlung, in welcher u. a. fein „Athenaeus“ (1796) erfchien. ı 
tem viele Ausg. nicht nur griech. und roͤm. Schriftfteller, ſondern auch < 
Gebiet der Philologie einſchlagender Schriften, von welchen hier nur 
ften angeführt werden: „Plut. opp. moral.” (2p;. 179699). 18 
er die Reis’fche Ausg. des Herodot, welche nachher einige Dale wieb 
worden ift, und gab den 1. Bd. feiner eignen Ausg. des Herobot b 
3 Bde). 1802 erſchien zu Leipzig von ihm der „Thesaurus erit. n 
liani Imp. in Constantii laudem oratio‘ und ein mit guten indicibı 
gen eignen Anmerk. verfehener Abdrud der Porfon’fchen Ausg. von 
4 Zragdbien; 1803 „Longi Pastoralia”; 1804 das von ihm üben 
nefti’fche „Glossarium Livianum‘' ; 1805 „C. Plinii Sec, epistolae « 
Nachdem er ſich 1806 das Recht, Öffentliche Worlefungen zu halten, e 
te, durch Vertheidigung der bekannten Differt.: „Meletemata erii 
Halic. art. rhet.“, welche man audy an ſ. Ausg. des ‚Dionys. Halte. d 
(Epz. 1808) findet, erhielt er 2 Jahre fpäter eine außerorb. Profefie 
fophie. — Zu gleicher Zeit erfchien von ihm des Lamb. Bos Buch & 
pfen in der griech. Sprache, mit vielen Iufägen bereichert, ſowle bie | 
des Tryphiodorus (Leipz., bei Tauchnitz). Bei eben diefem gab ı 
Bion und Moſchus (1810), Pindar (1810), Homer (1811), 
(1812), Anakreon (1811) und A. heraus, und machte fi) and u 
dene von deffelben Stereotupausgaben , bei welchen er oft ſtillſchweig 


/Schaͤfergedicht Schaffhauſen 685 


Inberung traf, ſowie auch um einige ber Weigel’fchen Ausg. durch moͤglichſt 
ie Eorrectur verdient. 1809 beforgte er eine Sammlung von Valckenaerð 
beul. oratt. oritt. ete.“ und gab „Bastil epist. erit.” unb bald darauf 
Boni Rhodii Argonaut.” (%p;. 1810, 2Bbe.) heraus; 1811 „Aristopha- 
uw.’ md den vorzüglich reich außgeftatteten, ‚Gregorius Corinthius‘; 1816 
nel. Magn. ed. Syiburg.” (2p;., 4.); 1817 „Brunekii poätae gnom.“ 
mopi Fabul.” Seine aus 6696 Bon. beftehende und die ausgefuchteften 
en Ausg. der Claſſiker, nebft a. wichtigen philologiſchen Büchern ent» 
Bibliothek wurde ihm 1818 vom Könige von Sachſen abgekauft, ber 
othet einverleibt und ex felbft als Bibliothekar an berfelben ange» 
‚Leipzig, als Univerfität.) Außer dem „Ammonius de differ. verb. 
. 1822) und „Phalar. epist.” (2p3. 1823), welche beiden Bücher mit 
Moten von ibm durchwebt find, bearbeitete er mod) den Demos 
mit verbeff. Reiske ſchen Text (Lond. feit 1822). Überdies findet man 
Bemerk. von ihm in ber neuen londner Ausg. des ©tephan’fchen „„The- 
und in a. Schriften, deren Correctur er beforgte. Leider hatte diefe fo 
Arbeit des Corrigirens die traurige Folge, daß er dadurch die Schärfe 
Im hohen Grade ſchwaͤchte. 
häfergedicht, Schäferfpiel, Pastorale. Da bie Lebensart ber 
d fee die gluͤcklichſte und ruhigſte und ihre Sitten ben in ben Vers 
ber conventionnellen Welt lebenden Denfchen bie fanfteften und unſchul⸗ 
‚, fo wurden hauptfächlidy fie von Altern und neuen Dichtern zu 
Men Perfonen bes Idylis, das daher auch oft den obigen Namen bekam, ges 
Doch iſt die Idylle (f. d.) nicht auf das Schäfer und Hirtenleben be 
LK Die kunſtmaͤßige dramat. Ausführung eines größern Ibylifchen Stoffes, 
BB wenn die Hauptperfonen Schäfer find, heißt Schäferfpiel. Diefer 
Vet ber Behandlung haben fich zuerſt Die Itallener bedient, 3. B. Taffo und 
& 5 auch umter dem Franzofen wurde biefelbe einige Zeit Diode und nahm 
wegen feine Beftimmung, bie Ziererei der Empfindungen der modernen Ges 
welt in ſich auf, weil man fich nicht aus feinem Kreis heraus verfegen 
Ber erinnert ſich nicht dagegen an Goͤthe's „Launen des Verliebten‘‘? 
behaffhaufen, einer der Meinften unter den 22 Cantonen Belvetiene, 
Berung nach der 12. in der Eibgenoſſenſchaft. Ex liege am nörblichften 
z, am rechten Rheinufer, vom Großherz. Baden größtentheils ums 
A lich trennt ihn der Rhein von den Cantonen Zürich) und Thurgau. Auf 
ı IM. leben 30,000 Denfchen, die fi, mit Ausnahme weniger Katholls 
veformirten Kirche bekennen. Der hägelige Boden mit weiten Thaͤlern ges 
Den fruchtbarſten der Schweiz. Die hoͤchſte Gegend, der Randenberg, im 
des Gantons, liegt 1200 Zu Aber dem Rheine. Außer diefem Ziuffe gibt 
Wache; die Wutach bildet gegen Weften an einigen Stellen bie Grenze. 
gel enthalten mannigfaltige Verſteinerungen und treffliches Eiſenerz. Wein⸗ 
Nban befchäftigen bie Einw. vorzuͤglich, auch gutes Obſt wirb gezogen und 
mit Einficht betrieben. Die Fabrikarbeiten find nicht einmal in ber 
beſonders wichtig; doch find Durchfuhr und Spebitionshanbel nicht ums 
„ Die Verfoffung iſt ariſto⸗bemokratiſch. Gin großer, aus 74 Mitgl. bes 
be Watt Hat bie geſetzgebende, ein aus 24 Mitgl. des großen Raths beſte⸗ 
Welser Math hat die vollziehende Gewalt und iſt die oberfte Juſtizbehoͤrde. 
führen abtuechfelnd ein Jahr lang den Vorfig in beiden Raͤ⸗ 
Bundebheere ftellt der Canton 466 Dann; zu den Kriegskoften und 
ü des Bundes zahlt er jährlich 9327 ſchweiz. Franken. Die Hauptſt. 
(haufen, am rechten Rheinufer, am Abhange eines Hügel, von kleinen 
eingefchloffen, enthält 811 Gebaͤude in der Stadt und 396 in ten 3 Bov 






















686 ESchafſchur Schafzucht 


ſtaͤdten, und gegen 7000 Einw. Der Det hat, obgleich bie Straßen ulcht 
doch ein freundliches Anfehen und mehre gutgebaute — Über | 
führt eine 120 Schritt lange hölzerne Bruͤcke, an deren Ende das zärkt 
anfängt. Die von 1754 — 58 erbaute 364 Fuß lange, ſchoͤne hie 
bruͤcke, in ihrer Art ein Meifterftüc, ein Haͤngewerk, welches, außer Fi 
nur auf einem einzigen Pfeiler ruhte, wurbe 1799 von dem franz. Gen 
not zerftört. Am hoͤchſten Ende der Stadt, auf dem Emmmeröberge, I 
Sefte Unnoth oder Munoth. Außer dem Collegium Humanitatis mit | 
ven für Theologie, Phyſik, Phitofophie, Mathematik, Gefchichte und 
chen, bat die Stadt noch ein Gymnafſium. Die Stabtbibliothet wur 
Bücherfammlung Job. v. Müller (deffen Geburtsort dieſe Stadt ifl) 
vermehrt. Es find bier eine Bußftahlfabrit, Fabriken von baumwolle 
denen Zeuchen, eine große Cattundruckerei, große Gerbereien umb eine Be 
fpinmerel. Übrigens befchäftigt viele Bewohner die Guͤterverſendung, 
mit Landeserzeugniffen, als Wein, Getreide, Kirſchgeiſt ꝛc. Am meilten 
bau betrieben. Spaziergänge find der Faͤſenſtaub an ber Weſtſeite der 
einem fchönen Garten, die neue Promenade, das romantifche Muͤhlt 
Klus. Eine Stunde von der Stadt iſt der berühmte Rheinfall (ſ.d 

Schafſchur. Be einſchuͤrigen Schafen (ſ. Schaf) ift die Ba 
ſchur im Mai; bei zweifhärigen im Mai und um Michaelis. 
Schur ſchwemmt oder babet man die Schafe und forgt dafuͤr, von fe 
geendigten Schur nicht wieder befchmugen. Das Scheren gefchleht am b 
einer Scheuer. Dan bindet dem Schafe die Füße, huͤtet fidy aber moͤgl 
verlegen. Dan fortirt hierbei zugleich die Wolle fo viel möglich ; vorne 
dert man die Laͤmmerwolle ab, teil fie viel feiner ift. Der Ertrag bei 
ſchur ift fehr verfchieden, gewiß aber iſt es, daß alle verebeite und gui 
Schafe mehr Wolle geben. Die geſchorenen Schafe führt man auf diel 
oder fügen fie noch beſonders gut, weil fie eine große Eßluſt haben. 

Schaft, f. Säule. 

Schaftgefimfe, fo viel als Fuß, Saͤulenfuß, f. Säule. 

Schafzucht. Dieenglifhe Schafzucht wurbe ſchon vor 4 
durch die Verpflanzung fpan. Rage auf den engl. Boden veredelt. Mona 
bie erften Schafe aus der fpan. Barbarei, welche ſehr wohl — 
unter Elifabeth wurde die Schafzucht zur Bolltommenheit gebracht. 9 
dazu caftilifche Widder, ertheilte Privilegien und Prämien und erhielt dal 
nah 8 — 10 J. eine fo ausgezeichnete Rage von Schafen, als man | 
‚Spanien hatte. Sorgfältig fortgefehte Zucht hat fie in dieſem vollkon 
flande zu erhalten gewußt und daraus eine ergiebige Golbgrube für & 
macht. Die gemeinen engl. Schafe find gewöhnlich gehoͤrnt. Die — 
ber find größer und ſeitwaͤrts gewunden; die der Schafmuͤtter und Häm 
gen liegen am Kopfe a, gehen über die Ohren, auch wol unter benfelbe 
find gleich über den Augen gekrümmt. Die beften Schafe haben einen 
breiten , nicht runden Ride, feine kurze Beine, Beinen Kopf, g 
Wolle, lange Schwänze und lange Schwanenbälfe. Man —8 fie mi 
Dorfetfhire, Wiltſhire, Herfortfhire, Norfolk und Wallis. Da bie R 
Schafe auf die Güte der Wolle den entfchiedenften Einfluß hat, fo mil 
Arten jedesmal nach der Befchaffenheit ber Weide. Bei dem Werfegen 
tommt man ihnen duch, kuͤnſtliche Zutterkräuter zu Huͤlfe. Die seh 
heerben find in England Minter und Sommer auf dem freien Felde; ſie 
forgen zu koͤnnen, theilt man fie in mehre Beine Abtheilungen. Des a 
wirth Hält auf kuͤnſtliche Miefen, fucht auch wol Gemeintoeiben pu bew 
baut Turnips und Kraut zus Winternahrung der Heerde. Dabei rech 


Schafzucht 687 


Schafe für 5 Monate 4 Adler mit Zurmips. Sonſt muß ee wenigſtens 
- 30 Morgen Land für jedes 100 Schafe haben und ein Sthd Land zu Pim⸗ 
RB oder Raygras, um fie mit Anfang des Frühlings dahin treiben zu koͤnnen. 
führt er, und zwar mitten im Winter, der freilich in England gelinder 
B befonders im noͤrdl. Deutfchland, auf trockenes und kiefiges Land. Die jun» 
Bchafe benngt ex noch anderweitig. Ex kauft fie nämlich im Sept., hält 
u Lämmern auf dem aͤrmſten Lande und zieht fie dann mit Zurnipskraut ſpaͤr⸗ 
nf. Im folg. Sommer verkauft er erft die Davon kommenden Laͤmmer und 
Die fetten Schafe, und zwar fchon im Mai, wo fie amı meiften gelten. Einige 
a im Herbſt jährige Mutterlämmer, ſtellen fie in einen beſondern, mit Ruͤben 
a Platz, laſſen fie ſelbſt die Ruͤben ausreißen und abfreffen, und machen fie 
‚pam Verkauf fett. Mehr Nugen fol dabei fein, wenn man 2 — jährige 
bee anfchafft, den Winter über mit Kraut und Turnips erhält, und wenn es 
KW, beftändig auf trockenem Sande mit Grasland zum Pferchen fell, fie 
‚mit allerhand Futter anfüttert und ins April ober Mai verkauft, wo fie am 
fen find. Kraut macht fie beffer fett als Turnips. Einige geben ihnen vom 
ns ins Fruͤhjahr Gras und Rüben und treiben fie im Nothfall auf Korn» und 
nfaat, ober wenn der Boden naß ift, auf trockenes Grasland. Im Derbfte 
gen die Engländer die Schafe mit Theer umd Butter, um die Raude zu vers 
Im Det. und Nov. läßt der Engländer auch durch magere Schafe den Reſt 
ommergtaſes abweiden, fette aber fuͤttert er mit Turnips und Kraut. Treff⸗ 
we Mäften ift Heu und Turnips, auch Gerſtenmehl, Malzftaub, kurz jedes 
@ Sutter, felbft Spreu, verbunden mit ber mäfferigen Turnips; Ruͤben mit 
roh und zuweilen Deu, was viele Deutfche geben, ſchlagen ebenfalls fehr 
r Zum Winterfutter flr die Schafe baut der Engländer vorzüglich das 
ſche Kraut und Kohlrabi (Quad), womit man bis in den Mai füttern kann. 
ittelmäßigem, aber gut bearbeitetem Boden gibt Klee und Raygras ein Fut⸗ 
» in den Mai; body werben zur Abmwechfelung mebre Selber erfodert. Vom 
an füttert der Engländer ftatt der hartwerdenden Turnips mit Kraut. Iſt 
kaygras oder fonft ein Futtergras vorhanden, fo gibt er auch dies. In dieſer 
böt ex weder Schafe noch Laͤmmer hungern, und verkauft lieber einen Theil, 
a andern beffer verforgen zu können. In der Mitte des Mais treibt man 
mlich bie Schafe auf die Weiden und Triften, die oft voll Katzenzahl und 
Braut ſtehen und mit Ameifenhaufen bedeckt find. An manchen Orten aber hat 
‚te, wohlumzaͤumte Wiefen. Dabei tommt die Eigenſchaft der Heerbein Bes 
Beſteht der Stamm aus magern Schafen, die man bloß der Laͤmmer und 
Belle wegen zieht, fo gibt man ihnen nur mittelmäßige Weiden. Wo man 
unte Selber und Wiefen hat, kauft man im Aug. und Sept. Schafe, bringt 
fBrachfeld oder armes Grasland bis Weihnachten, gibt ihnen dann etwas 
sn oder Kraut und füttert fie bis zur Sommerszeit möglihft gut, damit fie 
Berkauf recht fett werben. Schon im Mai fängt ber Engländer das Pferchen 
m befonders Kraut und Ruͤbenbrachen zu nutzen, bie bann im Juni bepflanzt 
a. Im Juni theilt man bie Schafe ab, je nachdem man fie maͤſten ober 
ucht und Wollnugung halten will. Erlaubt es die Witterung, fo wird jegt 
bie Schur vorgenommen. Das Schaf wird einige Tage vorher ganz rein ge» 
en, dann an einen reinlichen Ort gebracht und endlich mit größter Behutfams 
set an Bauch, Füßen und Schenkeln, dann an Hüden und Hals gefchoren. 
Bönsmern läßt man vorn die Wolle, um fie mehr vor der Witterung zu fichern. 
der Schur Hält man die Schafe gewöhnlich 24 Stunden im Stall, welcher 
&, tuftig und zeinlich iſt. Man wäfcht, kaͤmmt und bürftet bie Schafe, ums 
m aller Unreinlichkeit frei zu halten. Der Engländer berüdfichtigt forgfältig 
datur des Schafes. Da das trockene Futter bemfelben nicht angenehm , das 


688 Schafzucht 


feuchte aber nicht dienlich iſt, fo gibt er beides nebeneinander; bei fend 
führt er die Schafe auf Anhöhen und trodene Triften, bei trockenem 
genden. Auch theilt er feine Heerde fo ab, daß die ſtarken Schafe nid, 
chern das Sutter wegfieffen, ſondern alle genugfame® Sutter erhalt 
Wohlſtand der Heerde urfpränglich von den Widdern abhängt, fo ber 
bei der Wahl derfelben alle Umftände. Ein Widder zur Zucht muß fei 
weiße Wolle ohne Flecken haben, über 2 Jahre alt und wo moͤglich 
fein. Er muß völlig ausgetragen werben, von der zweiten oder britten 
im Fruͤhjahr geſetzt und von der Mutter fo lange gefäugt worden fein, < 
bat. Man rechnet auf 20 Schafe 1 Widder. In England allein 
43 ,in Schottland und Irland 30 Mill. Schafe gezogen werben. — 
ſche Schafzucht. Das urfpränglic, ſpaniſche Schaf gibt nicht f 
als das deutſche. Um die durch afrikaniſche Schafe veredelten Schafh 
eino (ſ. d.) genannt, nicht wieder ausarten zu laſſen, huͤtete man fie | 
aller Vermiſchung mit gemeinen. Man traf außerdem noch eigne Aı 
einen fo einträglichen Zweig der Staatswirthfchäft immer mehr zu ver 
namentlich beftellte man eigne Gerichte für alle Gegenftände, die auf S 
Schäfer, Weidenu. ſ. w. Besiehung haben. Die Art, wie die veret 
heerden in Spanien behandelt werben , iſt gewöhnlich folgenbe: ſtatt d 
nen Schafe nie aus der Gegend kommen, wo fie getoorfen werben, und 
ternächten in den Schäferelen eingefchloffen bleiben, lebt bie verebelte 
fländig unter freiem Himmel, hätt fi den Sommer über vornehmlit 
biegigen Theile von Altcaflilien ober der Montana, und in der Ha 
lina von Aragon auf, welche bie hoͤchſten Gegenden von Spanien fin 
vorzüglichften MWeiveflächen abgeben. Die Montafia If die hoͤchſte, 
fina die niedrigfte Sonmmerweide. Jene fteht vol gewuͤrzreicher Pflar 
dieſer fehlen ; fonft find biefe Gebirge mit Eichen, Budyen, Birken, ( 
und Hafelflauben bedeckt; auch findet man hier alle Pflanzen, bie in 
wachen. Wenn der Schäfer ober Führer einer Heerbe mit feinen &: 
Ort feines Sommeranfenthalte kommt, gibt er ihnen zunaͤchſt fo viel ! 
lecken wolm. Dan rechnet (vielleicht zu hoch) in den 5 Sommermonat 
Schafe ungefähr 20 Etn. Satz. Zu Ende bes Jull werden bie Boͤcke 
fen gelaffen, 5 — 6 auf 100 Schafe; vor: und nachher werben fle ge 
Boͤcke geben mehr, aber nicht fo feine Wolle; auf 25 Pfund rechnet ı 
oder 5 Schafe. In der Mitte Sept. zeichnet man die Schafe, ind 
Lenden mit einem im Waffer aufgelöften Ocker oder der fogen. Amalg 
ben werden. Mit Ende des Sommers werden die Schafe in gan 
zu 10,000 Stüd, in Trupps von 1000 — 1200 Städ, aus diefi 
Gegenden in die füblichen Ebenen von La Mancha, Andalufien, vo 
nach Eſtremadura getrieben. Ste fangen ben Zug nad) wärmern Beger 
Sept. an, wobei fie befonderer Gerechtigkeiten genießen. Bisweiln 
6 — 7 Meilen an einem Tage, um an gute Weide: und Ruhepläge 
Man ſchaͤtzt die ganze Meife vom Gebirge bis Ins Innere von Eftre 
Meilen, und dazu gebrauchen fie etwa 40 Tage. Nun iſt bie erſte Son 
fers, fie auf die Weide des vorigen Winter, und wo die areiftene Jung 
worden, zu führen. Dieſen Ort erkennen fie ſelbſt mittelft des On 
werben nun Horden und für die Schäfer Laubhütten gemacht. Kurz ı 
kunft auf der Winterweide fällt die Lammzeit ein. Die 

alsdann ſchlechtere, die trächtigen eine beffere, bie aber, welche gelamm 
befte Weide. Die fpäteften Laͤmmer kommen nach den fi Gegenbi 
geſtaͤrkter zur Reiſe zu werden. Im März haben die Schaͤfer vielerlel 
ben Limmern zu verrichten, namlich die Schwänze zu kuͤrzen, bie Raf 


Shafuht 69 


n Eiſen zu zeichnen, die Spitzen ber Hörner abzuſaͤgen und bie zu Hammeln 
nmten zu verfchneiden. — Im Aprit ift die Zeit, nad) dem Gebirge zuruͤckzu⸗ 
w; Die Heerde felbft äufert um dieſe Zeit durch Unruhe ihr Verlangen zu wars 
; einzelne Schafe entlaufen u. ſ. w. Mit dem 1. Mai fängt die Schur an, 
das Wetter nicht unfreundlidy ift. Das Scheren geſchieht an bedediten Orten. 
der Schur wird eine beträchtliche Anzahl Schafe in das große Schafhaus ge: 
t, welches aus 2 Gebäuden, 4 — 800 Schritte lang und 100 Schritte breit, 
w. Davon werden gegen Abend fo viele, ale man den naͤchſten Tag zu ſcheren 
Rt, in eine lange, fchmale und niebrige Hütte getrieben, welche das Schwitz⸗ 
heißt, wo fie, dicht aneinanderftchend, ſtark ausdünften müffen. Dadurch 
die Wolle fanfter und für die Schere gefhmeidiger gemacht. Die Wolle wird 
Rund vor der Verfendung gemafchen, bie Schafe aber an einen andern Plag 
icht, gezeichnet und diejenigen, welchen die Zähne fehlen, zum Schlachten aus⸗ 
K. Dan rechnet in Spanien 8 Mitt. Schafe. — In Deutfchland wurde zus 
ASachſen die Schafzucht durch Veredelung des inländifchen Stammes ver: 
k- Im Erzgebirge geſchah dies nur durch ımgarifche Stähre; das meifner 
aber wurde der eigentliche Hauptfiß der veredeiten Schafzucht. Schon 1765 
»2 über 200 fpan. Stähre und Mutterfchafe, von 2 fpan. Schäfern begleitet, 
Sach ſen gebracht, welche man in dem ehemal. Thiergarten bei Stolpen aufs 
Diefer fpan. Stamm wurde 1778 turdy einen Zuwachs erlefener Merino⸗ 
aus ben beften Heerden Leons und Gaftiliens vermebrt, und zur Ermeiterung 
iſtalt in Lohmen und Mennersdorf und anfangs auch in Hohnftein Schäfes 
mgelegt. Diefe Schäferei in Stolpen hat feitdem durch fortgefegte Sorgfalt 
dorzuͤglich feinwolligen Stamm erhalten. Sie ift die erfte urfprünglich fpan. 
zei in Deutfchland, und man behauptet, Spanien felbfbhabe jegt keine Herrbe 
wıfzumeifen, die dem 1765 nach Sachſen getommenen Stamme vollkommen 
waͤre. Sie hat auf die Veredelung der Schafzucht zunaͤchſt in Sachfen und 
b auf den Gewerbfleiß des Landes mwohlthätig eingewirkt, da von 1779 —- 
über 10,000 Stähre und Mutterfchafe an andre inlaͤndiſche Schäfereien 
Feftgefeste fehr billige Preife abgelaffen wurden. Es wird baher das urſpruͤng⸗ 
ztfche Schaf faft nirgends mehr in Sachfen gefunten, und ein neuer Stamm 
Biger Schafe hat ſich gebiltet, die man Electoralfchafe, wie die davon 
mene Wolle Electoralmolle nennt. Wenn auch, wie man behauptet hat 
renfels, „Uber dad Electoralſchaf und die Electoralwolle“, Prag 1822), jest 
chſen felbit felten noch reine Abkoͤmmlinge ber Heerde von 1765 fich finden, 
ſaͤchſ. Gutsbeſitzer gewoͤhnlich nur ihre Landſchafe durch echte Electoralboͤcke 
Ben, und ſelbſt echte Electoralheerden dadurch verderbten, daß fie, um ihnen 
w WBollertrag zu geben, bichtwollige fpan. Boͤcke von fremder Abkımft eins 
em: fo find doc, allerdings noch Heerden im Beſitze des reinen Stammes, 
seifich koͤnnte die Schafzucht in Sachfen durch die gewöhnliche Verfchleudes 
ver Stammthiere leidan. Die von der Heerbe von 1765 abflammenden Schafe 
felten ganz glatte Wolle ohne alle Biegungen,, fondern die reinen Abkoͤmm⸗ 
berfeiben durchaus entweder, und zwar gröftentheild geroäflerte, oder aber, 
feltener,, fehr gekraͤuſelte Wolle. Außer den koͤnigl. Schäfereien, die immer 
rein in der Abſtammung und edel in der Zucht erhalten wurden, haben auch 
Butsbefiger im Lande Stammheerden aus Spanien erhalten und reine Me⸗ 
häfereien gezogen. Dahin gehört befonders die Schäferei auf der ſchoͤnburgi⸗ 
Berrfhaft Rochsburg im Erzgebirge, die feit langer Zeit vortrefflich gehalten 
mift. Gie hat während bes ganzen Jahres Stallfuͤtterung, und die wohlge⸗ 
wm Jaͤhrlinge haben bereits ihre beinahe vouftändige Börperliche Ausbildung, 
baber fchon bedeutenden Ertrag einer fehr langen und Eräftigen Wolle. —- 
Merinoſchaͤfereien find zu Holitfch in Mähren, wo man ſich in wuın 
weoster. Siebente Aufl. Bd. IX. AK 


690 Schagren Schal; Weſen deſſelben 


Zeiten bie Veredelung ber Schafzucht ſehr angelegen fein laͤßt, mb in Bi 
Mom tft im Begriff, in Preußen auch eine folche Anftalt zu gründen. H 
fels Hat den Vorſchlag gechan, den ſpan. Staͤhr mit ſaͤchſtſchen Electote 
17765 gr beziehen and dam nach beutfchen MWerebelungs > und Paar 
fügen fortzufabeen, um dadurch reine Wolle zu erhalten, die weit ver) 
feibft die fpantfche wäre. (&. Wolle mb Wollhandel,) 
Schagren, Schagrin (Chagrain oder Chagrin), in der Erni 
genannt, ift ein lohgahres ſtarkes und hartes Leber, das auf der Marber 
Beine koͤrnige Erhebungen oder Hügelchen bat, leicht allerlei Karben aı 
fich tm Waffer erweicht. Diefer Handiungsartibel wirb vom den Tata 
md Tripofitanern aus Haͤuten ber bachariſchen Waldeſel zubereitet. * 
ben krig, daß diefe Eſelshaͤute von Natur das Narbige an fich haben, un 
andern Thierhaut ſich Schagren machen laſſe. Im Gegentheil wird : 
in Rußland und ia gang Perfien Schagrin aus den heilen der Pferd 
tet, die das Auferfte Ende vom Nuͤcken und den Lenden wengeben. Die| 
werben in Geſtalt eines halben Mondes ausgefſchnitten. Die emtfleifch: 
und vollkommen von Nebenhaͤnten freigemachte Haut fpannt man in 
men aus, bebedit fie auf der Haarfeite wit der harten Rörnern eine 
(Chenopodium album), und brädt diefe durch Treten in bie Oberflaͤ 
ein. Auf ein Bret gelegt, laͤßt man fo die Haͤute trocknen, und dann 
mit einem befondern ſcharfen Meffer bie durch das Eindrücken ber Koͤ 
felben Seite entflandenen Erhöhungen hinweg. In Waffer eingerweid 
Körner hernach vom felbft wieder aus der Deut, und laffen auf ber einr 
ter Heine Gruͤbchen, auf ber andern lauter kleine Erhöhungen zur&d. 9) 
den die Hänte gefärbt. Die gemöhnlichte und beliebtefte Farbe ift bi 
(mittelft des Kepferſtaubes und einer Salmiakaufloͤſung), aber auch 
ſchwarz and afchgran färbt man Schagren. Die Bulgaren gerben bie q 
bäute nach Schagrmart; aber Die feinen und vorzüglich ſchoͤn gefärbten 
uns Aſtrachan und Perfien liefern, roerben aus den obengebachten Ruͤck 
bereitet. Am ſchwarzen Deere, infonberheit zu Ehöslense 
fie bei vielen Tauſenden. Sie gehen befonders nad) Bender und Koi 
wo fie zus Meffer und Säbelfcheiden verbraucht werben. Die geringer 
forten kommen aus verſchiedenen Begenben von ber barbarifäyen KÜfl 
von Tripolis. Die ſchlechteſte Art ifi die, weiche bei uns auch bier unt 
genfellen verfertigt wirb. Letzteres erfennt man daran, daß fich die Ober 
Die Schagrenhäute muͤſſen recht groß, von ſchoͤnem Anſehen, uͤbera 
und nur wenig glaͤnzende ungekoͤrnte Stellen haben. Man handelt fie ı 
den. — Auch nemt man Schagren bie mit haͤrtern und ſchaͤrfern K 
teitete Hast von Kifchottern, Seehunden und einer Art Meerkatzen. 
Schall, die allgemeine Benamung für das Object (den Geg 
Gehoͤrs. Ton, Klang, Laut, Geraͤuſch, Anal, Gaufen u. a. E 
begeichnen daher verfchiebene Arten und Mobificationen (befondere Bei 
bes Schalt. Bei der Betrachtung (Theorie) des Schalte find zu eroͤn 
Natur ober das Weſen des Schalle, 2) die verſchiedenen Entſtehungs⸗ 
FJortpflanzung, 4) Grund ber verfcjiedenen Stärke, 5) Arten des &d 
das Wefen des Schalls im einer Bewegung befteht, davon ka 
ſchon durch bekannte Erfahrungen Überzeugen. Bei einem flartn Di 
klirren (erzittern) die Senfterfcheiben, und durch den Knall naher Kam 
fie gar zerfprengt, was nur aus dem Stoß ber heftig erſchuͤtterten Eu 
if. Ein Teinkglas kann durch bloßes Schreien in dem diefem Blafe d 
chen Tone gerbrochen werben, und bei klingenden Koͤrpeen, z. B. & 
welche man etwes Sax anfarfterut hat, demerkt man eine huͤpfrude Be 


Schall; Entſtehung 691 


Eimer. Das letztere deutet auf ein Zittern ber ſchallenden Körper; daher die 
 gewoößutiche phyſikaliſche Erklärung : der Schall fet eine zitternde (ſchwin⸗ 
ı Bewegung ber Buft ober überhaupt elaſtiſcher Körper, weiche dem Ohre mit 
6 dieſes erfchhttere und mittelft des Hörmerven das Diem (die Wahrneh⸗ 
des Scans) herverbringe. Diefe Erkiärung iſt aber unbefriedigend und gibt 
Aufſchluß über die große Mannigfaltigkeit des Schals. Ein mechanifcyes 
ı ber Körper kann man ſich nur verſchieden deuten nach ber verfchiebenen 
e des Zitterns und nach der verfchiebenen Geſchwindigkeit, mit welcher die 
mgungen auf einanber folgen; die erſtere Verſchledenheit macht einigermaßen 
ſchledene Stärke des Schalls, die Ieptere die Mannigfaltigkeit in der Höhe 
lefe der Töme begreiflich, aber nicht bie (qualitativ) verfhledenen Arten des : 
6, nicht die unendliche Mannigfaltigkeit in der Eigenthuͤmlichkeit des Klan⸗ 
wodurch ſich die Körper für das Ohr von einander unterſcheiden. Chlab- 
klangfiguren (f. d.) haben denkende Naturforſcher auf einen beffern 
f des Schals geleitet. Das Zittern nämlich (weiches Jeder leicht von ber 
nbewegung [Bewegung der ganzen Koͤrper] unterſcheidet) betrifft nur die 
en Theile oder Atome der Körper, welche fich, wiederholt, gegen und von 
er bewegen. Das Zittern wird durch Stoß und Bleiben, alfo mechaniſch, 
‚ aber ohne deßhalb feihft mechaniſch zu fein, und es find vorzüglich bie ſtar⸗ 
laſtiſchen Körper, welche fo in zitternde Bewegung gefeht werden koͤnnen. 
Bittern wird das Innere der Körper erregt amd bewegt, und die Geſetze der 
egung, nach welchen bie Atome eines K ſich urſpruͤnglich in Kryſtall⸗ 
ufammengefügt haben, werben wieder lebendig und offenbaren ſich als Schall, 
u beſtimmten Zitterfiguren, als Nachbildung ober Wiederholung der eigen⸗ 
ichen Kryſtallform des Körpers in ber bloßen B 9 feiner Atome. 
wie bie Äußere Bewegung ber Körper Linien bilder und Figuren fichtbar um: 
es kann, fo erfolgt die innere Atomenbewegung nach nothwendigen Mem⸗ 
u und bildet hoͤrbare Figuren, bie Zitter ober Klangfiguren, die ſich der Luft 
vetpflanzung einprägen oder mılitheilen, durch diefe den Gehoͤrwerkzengen, 
bDiefe endlich dem Hoͤrnerven, worte ſich bie gleichen Klangfiguren abbilden. 
No in dem Zitterfiguren die Geſetze der Urbipung ober Kryſtalliſation wieder 
erden und ſich in der Atomenbewegung wiederholen, fo muß man das Bittern 

der Körper als ein Streben derſelben betrachten , wieder in den Uru⸗ 
zuruͤckzukehten, d. h. ſich wieder auf biefelbe Art in Atome aufzuloͤſen, wie 
B Atomen, durch beren Bewegung und Vereinigung entflanden waren ; aber 
tarrheit (Gohäfion) der Körper widerſteht diefem Streben , fie hebt die Bewe⸗ 
«Umälig auf (dev Klang verliert ſich) und laͤßt es nicht zur Auflöfung kom⸗ 
— Die verfähtedenen Entfiehbunge» oder Erregungsarten des 
11 find eigentlich nur ſcheinbar, nicht wefentlich verfchieden. Wergleicht 
Die Entſtehungsart bed Klaugs einer Glocke, eines Trinkglaſes, einer Salte 
. mit der Entſtehung des Knalls einer Peitſche oder eines Schießgewehrs, des 
es, F menſchüchen und Thierſtimme u. f. w., fo ſcheinen bier freilich ſehr 





neweder ſtarre (feſte) Körper an ſtarven fich reiben oder ſtoßen, oder daß unmit⸗ 
Die Luft einen Stoß oder eine Reibung und dadurch Prefſung und Erſchuͤtte⸗ 
erletdet. Da die erſtere Entſtehungsart (durch Stoß und Reibung ſtarrer 
ee) ſehr bebannt iſt, fo bedarf nur bie letztere einer Erörterung. Das Rau⸗ 
er Saufen dee Windes entficht durch das Reiben der bewegten Luft an fes 
Begenfländen, z. B. an Häufern, Thuͤrmen, Bäumen; bei letztern wird, 
Ile belaubt find, daS Rauſchen noch durch das Bkeiben der Blätter an einan- 
VBeim Loobrennen eines Schießgeroches erapfinge Di ion Ra vo 


t 





menſchlichen Luftroͤhrenkopfs bedingt, von organifcyer Seite, ? 
des menſchlichen Gefanges und der menfchlichen Sprache, bei w 
ober Laute durch die Zunge mittelft des Widerſtandes der Zaͤhn 
Im Blasinſtrument entftehen die Zöne im Ganzen auf dieſe 
Zuftröhre, die man bilblidy das organifche Blasinſtrument neı 
rend umgekehrt die Blasinftrumente als Lünftliche Luftroͤhrer 
dürften. Die Verſchledenheit des Klanges der verſchiedenen X 
ruht auf der Verfchiedenheit theils der Form, theils der Subfkı 
macht find. Bei der Trompete, dem Waldhorm, der Pofaune 
Metall in Verbindung mit der Form dem Klang die Schärfe dei 
ber hölzernen Fiöte, Glarinette, Oboe u. f. w. viel fanftere 5 
find. — Die Fortpflanzung des Schalls erfolgt burd; 
texien, und zwar um fo vollfommener, je elaftifcher und elaflifd 
Daher Ift die Luft oder Überhaupt die gasförmige Materie das 
dium (vermittelnde Materie ober Subftanz) der Fortpflanzung | 
her elt man bie Luft für unbedingt nothwendig zur Forterr« 
Erfahrungen betweifen aber das Gegentheii. Mannchme ;. 2 
nes hölzernen Staͤbchens zwiſchen bie Zähne und laffe da6 an 
Refonanzboten eines Claviers oder Fortepianos ruhen, indem 
Ohren mit den Fingern feft verftopft, und man wird, währer 
mente gefpielt wird, alle Töne fehr deutlich vernehmen, und z 
wöhnlih. Ebenfo wird man den Klang einer Eleinen, an eine 
ten Glode fehr ſtark hören, wenn man, unter gleichen Umſtaͤ 
gene Drahtende zwiſchen den Zähnen hält. In beiden Fällen 

fenbar nicht durch die Luft, fondern durch die ſtarren Reiter (dad 
Draht) bis zu den Zaͤhnen, und von da weiter durch die Kne 
bis in& Hörorgan fortgeleitet. Man wirb aber zugleich bemeri 
flarre Schallteiter, ohne Vermittelung ber Luft, bem Hoͤrorgan 
nicht fo angenehmen Eindruck macht, als der durch die Luft for 


Schall; Stärke deffelben 698 


funden wird, ſich, mie im Körper fo in der Luft, in jedem unbeflimmbar klei⸗ 
Theile derfelben wiederholt und in folcher Kleinheit fortpflanzt ; denn fonft wäre 
& zu begreifen, wie bei einem Concert eine beträchtliche Zahl von Toͤnen zugleich 
et werden könnte, die daher ats ebenfo viel Klangfiguren in dem Bleinen Raume, 
das Ohr geftattet, zugleich fein müffen, um als Harmonie empfunden zu wer⸗ 
Daß Übrigens zur Fortpflanzung des Schals, vermöge des Widerſtandes 
2uft und fonftigen Schallleiter, eine Zeit erfodert wird, weiß jeder aus eigner 
ıhrung, indem 3.3. beim Abfeuern einer entfernten Kanone der Blis um fo 
er vor dem Knall gefehen wird, je weiter fie entfernt ift. Die Kortpflanzung 
ieht gleichförmig, d. h. durch gleiche Räume in gleichen Zeiten. Viele Natues 
ber haben ſich mit der Beredinung und Beſtimmung der Geſchwindigkeit des 
aus beſchaͤftigt, aber die Refultate ihrer Verſuche flimmen nicht völlig uͤberein. 
»Derham, der in feinen forgfültig angeftellten Verſuchen mit Flamſtead's und 
ey's Beftimmungen zufammentrifft, durchläuft der Schau in der Luft in der 
ınde eine Länye von 1142 Fuß, welches man vor der Hand ale die richtigfle 
immung gelten laffen muß; eine ganz genaue dürfte auch nicht moͤglich fein, 
ie Bortpflanzung des Schalls auf der Elafticität der Luft beruht, deren Grade, 
Öge der großen Veränderlichkeit der Atmofphäre, zu verfchiedenen Zeiten vers 
ven ſind Hm meiften aber hat begreiflich der Wind auf die Gefchwindigkeit 
Schalls Einfluß, welche durch übereinftimmende Richtung des Windes mit der . 
Schalls befördert, durch entgegengeſetzte Richtung aber gehemmt, d. h. ver: 
ert wird. Auch gefchieht die Kortleitung des Schalls, wie die des Lichts, In 
er Richtung, und die Phyſiker fprechen daher bei der mathematifchen Betradhs 
des Schalls von Schallftrahlen, wie fie bei der gleichen Betrachtung des Lichte 
dichtſtrahlen fprshen. Daher findet auch beim Schall, wie beim Lichte, ein 
cſtrahlen (Reflerion) von den Flächen feſter Körper nach mathematiſchen Ge: 
ſtatt, worauf ſich das E ds o gründet, ſowie auhdi: Sprahgemölbe (f.d.), 
die zuruͤckſtrahlende Flaͤche elliptifch gekrümmt iſt, wodurch an 2 Drten ein 
focus (VBereinizungspunft der Schaliftrahlen), wie beim Brennfpiegel ein 
focue@, entſteht. — Die Grade der Stärke (Intenfität) des Schalte haͤn⸗ 
on verfchtedenen Umſtaͤnden ab, namentlich a) von der Entfernung des Hoͤrers 
wm Entftehungsorte des Schals; denn je näher man diefem Drte ift, deſto 
w, je entfernter, defto frmächer hört man den Schall. Die Stärke des Schals 
Indert fich «fo durch die Fortpflanzung (vermöge des Wibderftandes der Schall⸗ 
) und nimmt niit zunehmender Entfernung allmälig ab. b) Bon ter Quantität 
sregenden Urfache des Schalls bei gleicher Entfernung. Se flärker 3. B. ein 
ag ober Stoß ift, der gegen einen elaftifhen Körper erfolgt, defto ftärker iſt 
adurch entfirhende Schall, und umgekehrt je ſchwaͤcher u. f. w.; je fchärfer 
Schiefgemehr, 3. B. eine Piftole, geladen wird, defto ftärker ift beim Abfeuern 
mall, und umgekehrt. e) Von der Qualität (befonders Dichtigkeit und Elaſti⸗ 
der ſchallenden Subſtanz, bei gleiher Stärke der Erregung und gleicher Ents 
ng des Ohrs vom fallenden Körper. Man hänge z. B. 2 der Größe nad) 
ve Stäbe, einen hölzernen und metallenen, durch Fäden auf, und man wirb 
n, daß, bei gleichen Schlägen gegen diefe Stäbe, der metallene ftürker ſchallt 
er hölzerne. Die virichiedenen Grade ber Stärke des Schalls —- zugleich aber 
andre Beſtimmungen deffeiken —- hängen ferner ab d) von der Lage des fchals 
m Körpers, d.h. von feiner Verbindung mit mehr oder weniger elaſtiſchen 
mm. Cine Glocke z. 3. klingt nur far (zugleich aber auch heil und anhals 
), wenn fie frei hängt, und überall von dem fehr elaſtiſchen Schallleiter, ber 
t, umgeben ift; fie klingt Dagegen ſchwach und dumpf, wenn man fie mit ih⸗ 
Mindung auf die Erde, überhaupt auf fefte Körper, flellt, und zwar fit der 
Rum fo fchroächer und dumpfer, d. h. er wirb um fo mehr gehemmt, rue " 


> 


694 Schall; Arten deſſelben Schalmei 


her und weniger elaſtiſch der Grund iſt, auf welchem bie Glocke uht 

Beiſpiel gibt den Schluͤſſel zur Erklaͤrung vieler andern aͤhnlichen Faͤle 4 
ruht die verfchiedene Intenfität des Schals ©) auf ber Befchaffenheit bei: 
leiters, alfe vorzuͤglich der Luft, hinſichtlich ber Elaſticitaͤt und Dictigkei 
ben, deren höhere Orade die Stärke des Schalls beguͤnſtigen. Daher fra 
ein Schießgewehr bei gleicher Ladung auf hohen Bergen ſchwaͤcher als ind 
der Thäler, und aus gleichem runde fchallen alle Körper bei heiterm Wei 
ker als bei träber, feuchter Luft, auch zur Nachtzeit ſtaͤrker ald am Ta— 
nur zum Theil fcheinbar iſt, in Folge ber allgemeinen Stille der Nacht, 
Thelie aber von der geringern Temperatur und baber größeren Dichtigkeit 


zur Nachtzeit kommt. Endlich hat auch f) das Dafein oder der Mangel zu 


Imber nabes Wände oder Flaͤchen, und, im erfien Falle, zugleich die m 
weniger elaſtiſche Befchaffenheit der zurudifchalenden Wände Einfluß auf bi 
oder Schwäche, Verſtaͤrkung oder Berminberung des Schale. Denn dai 
fallen von Wänden, bie wegen ihrer Nähe kein Echo geben koͤnnen, 
nothwendig den urfprünglicden Schall. Daher ſchallt in Zimmern mi 


elaſtiſchen Wänden Alles ſtaͤrker als in freier Luft, ſtaͤrker Alles in leeren 


als in mueublirten, flärker in einſamen als mit Menſchen angefüllten 3 
denn weiche Körper hemmen, vermindern, dämpfen den Schall aus DR 
Elaſticitaͤt. — Als verfchiebene Arten des Schall und als befondere 
mungen (DMeobificationen) des Schalls werden vorzüglich folgende unten 
Ton wird ber Schall genannt, wenn er mehr ober weniger gleichartig anha 
ein gleichartige Zittern, ober beffer, eine gleich ſchnelle Aufeinanderfolg: 


Zitterfiguren erzeugt ben Ton. Er ift der Stoff für die Muſik oder Tonkr 


een Gegenſtand und Aufgabe bie mielodifche Verkettung und harmoniſch 
me ;@oflung ber Toͤne zu organifchen Ganzen (Tonflüden) iſt. Klang ſche 
©; rachsebrauche nach, die Qualitaͤt der Töne zu bezeichnen, welche mit d 
gitantitativen Unterfchieb derſelben hinſichtlich deu ‚Höhe und Tiefe nicht gu 
fein iſt; ober auch: der Klang bedeutet bie befonbere Eigenthuͤmlichkeit ei 
pers (eines Inſtruments 5. 3.) im Sqchallen oder Tönen. So unterfcheil 
B. her Ton einer gläfetnen Glocke von bem einer metallenen — wenn auch 
gleicher Höhe geſtimmt ſind — und dieſen Unterfchieb gibt der verfchiede 
der Subſtanzen, woraus fie gemacht find. Der Kon einer Floͤte Fiingt a 
der einer Violine, und diefe klingt anders als ein Glavier; anders iſt der 9 
Harmonica, viel anders der des Waldhorns oder der Poſaune, und weld 
terfchied ift zwiſchen den Tönen der Trompete und ber Drgel! Jedes In 
bat feinen eignen Klang, jeder Vogel feinen beſonders modificirten Kon, 
nende organiſche Wefen feine eigentkümliche Stimmung bes ihm natäckk 
te6. Disfe unendliche Mannigfaltigkeit wird ohne Zweifel buch bie giel 
ſchiedenheit der Zitterfigusen hervorgebracht, daher auch die Benenmun 
figuten. Stimme beißt der Klang des Schals, welchen organiſche Wei 
bie Luftröhre hervorbringen. Laut hat, in Beziehung auf Thiere, eine 
Bedeutung; in Beziehung auf die mmenfchliche Sprache find die Laute E 
ftandthelle (Elemente) der Lautſprache. Außer biefen beſtimmten Battın 
Schalls gibt es noch eine Menge unbeflinnmbarer Arten (die wicht aus bei 
Klangfiguren,, fondern vielleicht aus einem zufälligen, unbasmıowifähen, Di 
widrigen Gemiſch derfeiben beſtehen), weiche aber doch ihre Benenn 
und theils organifchen, theils anorganifchen Urfprung® find, wenen bie 3 
tee: raufchen, braufen, tofen, faufen (fiufeln), knallen, keachen, zen 
fein, lispeln u. ſ. w. einige Beifpiele geben. 

Schalmei (Chalumenu, von ealamus, Mohr, Saitf), Schaſe 
welche gemeiniglich aus Rohe gemadat ik & wur eher ande ein and Boch 


Sqhalthiere ¶ Schamanen 605 


tigted Blatinſtrument fo genannt, welches 7 Löcher, 2 melfingene Klappen 
Bei der unterm noch ein befonderes Loch bat, und ven f biö zum zweigeſtri⸗ 
su a und h, auch dreigefrichenen o geht. Seitdem die Oboe einen bedeuten 
Wang unter ben Blasinftrummenten hat, iſt jenes Inſtrument ziemlich ganz ab⸗ 
user. — UWebrigens pflegt man auch ber Pfeife an dem Dubelfad (f. Sad 
fe) den Namen der Schalmei beizulegen ; auch gibt es bei den Orgeln eis 
arrwerk biefes Namens. 

Schalthiere, Schalenthiere (Conchylien). Unter den Gewärmen 
 mmehre, denen ein kalkartiges, fchalenförmiges Haus zur Wohnung anges 
w amd angeboren ift, und die fich nicht ohne Verluſt ihres Lebens daraus ent⸗ 
u laffen. Man nennt fie Schalthiere. Ihre Gchäufe finb oft fehr einfach; 
8 die Wurmröhre (Dentalium) in Röhren, die an beiden Enden offen find; der 
Schiffholre feindliche Bohrwutm (Teredo) in einer federtieldicen uunblichen 
Le; ter Serigel (Echinus) figt in einem runden flacheligen Gehaͤuſe. Die 
er der Schneden und Muſcheln find ſchon kuͤnſtlicher gebaut ; ihrer Zeichnun⸗ 
ab Formen wegen werden fie zumeilen zu hohen Preifen verkauft; biexher ges 
‚ Die fchraubenförmigen Wendeltreppen, bie kegelfoͤrmigen Admirale (Conus) 
anbförmigen Streifen, bie nebfl andern zu den Geltenheiten des Naturallen⸗ 
ntts gehören. Won ber Perlmuttermuſchel (Mytilus margaritifer) ſchaͤtzt 
Die Schale feibft und ihre Auswuͤchſe, die Perlen (ſ. d) In ſuͤßen Waſ⸗ 
bt die Perlmuſchel (Mya margaritifera) ebenfalls Perlen. Die Flußmuſchel 

pietorum) dient zur Aufbewahrung der Karben. Drei Schneden fucht man 
u ihres färbenden Saftes auf, den ſchon die Alten kannten und als Purpurfarbe 
Beide gleich fchägten; fie find Buccinum lapillus, eine Trompetenſchnecke, 
@ ianthinus, eine biaue fräufelförmige, uab Murex ramosus, eine Gta⸗ 
buche. Die Miesmufheln und Steckmuſcheln (Pinna) fpinnen Fäden, bie 
uhänheit und Dauer die Seide bes Seidenwurns Kbertreffen. Die Auſter 
nes edulis) iſt als Leckerbiſſen bekannt. Endlich gehören hierher bie Korallen 
Alle Schalthiere haben einen weichen, gallertartigen Körper unb find meh⸗ 
Bits mit Fühlfäden verſehen. ie find Zwitter und legen meift Eier; nur we 
debaͤren lebendige Junge. Die Schalen find das Werk ihrer Bewohner umb 
en aus einem kalkartigen Elebrigen Safte der Thiere. Eingetheilt werden 
muschyplien in 4 Familien: bie vielfchallgen, zweifchaligen (Mufcheln), einſcha⸗ 

mit beſtimmten Bindungen (Schnecken) und einfchaligen ohne beftimmte 


deengen. 
Sſcchaltjahr, ſ. Calender und Jahr. 

Schamanen nennt man in der großen Tatarei und Mongolei, einem 
I von China, in Sibirien und Kamtſchatka die Prieſter, die zugleich Ärzte, 
weer und GBeifterbefchwörer find. Wahrſcheinlich wurde die ſchamaniſche Res 
‚ weiche aus den albernflin Voritelungen von Gott und göttlichen Dingen 
4 in den ſuͤdlichen Gegenden Aſiens erſt durch die neuem Belehrungen des 
acius und Zoroaſter verdrängt. Die neue, in Tangut, einem Theile von China 
der Mongolei noch fortbauernde ſchamaniſche Religion iſt aus dem alten ſcha⸗ 
When Heidenthum und dem neſtorianiſchen Chriſtenthume gemiſcht, und 
Ue lamaiſche oder ſchigemuniſche, bie ſich in China durch bie Mandſchu vers 
u bat und dort bie Hofreligion iſt, und außerdem in Tibet, einem Theile Oft 
i, der Tatarei und Mongolei und bei den Kalmuücken herrſcht. Die Mei⸗ 
bp von ber Seelenwanderung und bie Verehrung des Abgotts Fo, welcher vor 
m Bergätterung Schaka ober Schekia hieß, machen einen Theil der neuſchama⸗ 
ben Meligion aus. Die altſchamaniſche Beligion iſt noch weit aberglaͤubiſcher 
‚ und hat ungefähr folgende Hauptlehren: Es gibt unzählig viele Götter, 
afhaffene, theils umerfchaffene, bie zum Theil in Dimmelsläcyern | yore 


⸗ 


686... Schandau Schandpfahl - 


Theil in andern lebendigen ober lebloſen Geſchoͤpfen beftehen, ober auch du 
ſchen in willtürlichen Formen gemacht fi ind; auch gibt es gute und böf 
Die Menfchen dauern nad) ihrem Tode in einem traurigen Zuftande, 

durch gute nod) böfe Handlungen ſich verändern läßt, fort, ohne daß bi 
Götter fi um fie beruͤmmern. Der ganze Gottesdienft-der ſchamaniſ 
gionsbekenner befteht daher in Opfern, Gebeten, Gefängen ıc., wodu 
den guten Göttern großes Gluͤck zu erlangen und die böfen mit fich zu 
traten. Die reihlihen Opfer und Geſchenke machen fidy die Schan 


Prieſter zu Nuse. Der Name Schaman bedeutet übrigens in der heilige 


in Siam einen Einfiedler oder Waldbruber. 

| Schandau, eine feine Stadt im meißnifchen Kreife des Königre 
fen, am Ausfluffe der Kirnitſch in die Elbe, 8 Stunden fuböftlich vor 
in einem von malerifchen Selfen umgebenen Thale, im Mittelpunft de 
fhen Schweiz (f.d.), 2 Stunden von der böbmifchen Grenze. 
1000 Einw., deren Hauptnahrungszweig der Handel mit Sandſteine 
die Umgegend liefert, mit Dolz, das fie für ausmärt. Abſatz, bei verboi 
fuhr des inländifhen, nur aus Böhmen beziehen, und ein nicht und 


Werkehr mit Getreide und eine lebhafte Schifffahrt it. Schandau n 
‚ fehon ein Grenzzollamt und ift, nady den Beftimmungen der Eibfchiff 


die dritte Elbzoliftätte abwärts von Böhmen. Die im 16. Jahrh. ange 
tige Holzfloͤße auf der Kirnitſch, welche jährlidy mehre 1000 Klaftern lie 
bie Schandau.. Der Zufammenfluß von Reifenden und der Beſuch des 
geben gleichfalls viele Erwerbsmittel. Die Heilquelle entfpringt ung 
Vierteiftunde von der Stadt, am Eingange des Kirnitfchthales, auf 
waldigen $elfen umgebenen anmuthigen Wiefe. Dan kannte fie fchon ir 
bed vorigen Jahrh., und ſelbſt die erſten unvolltommenen Unterfuhu 
Gehalte 1730, wo fie mangelhaft gefaßt wurde, bradıten fie in Ruf, 


„fie zu fehr vernachläffigt, als daß fie fich darin hätte erhalten koͤnnen. 


legten Jahren des vorigen Jahrh. verdankte fie dem jegigen Beſitzer ihre 
und beffere Faſſung, und feitdem entftanden nad) und nach ein Brunne 
mehre freundliche Gebäude. 1803 wurde eine neue umd zwar die ftär 
entdeckt, deren es Überhaupt jest 9 gibt. Die Bäder find in dem für 
beflimmten Haufe befindlich und fehr bequem eingerichtet. Die Haupt 
hielt nad) den 1803 angeftellten Unterfuchungen in 100 par. Eubit;ou V 
18 Gran Eifenoryd, über 8 Gran falsfaure Talkerde, über 5 Gran ſch 
Kalkerde und über 11 par. Cubikzoll kohlenſaure Luft und Schwefelwaſſ 
Das Waffer wird zum Baden und Trinken gebraucht, und man bat e6 
venſchwaͤche, Fehler der Verdauung und Haͤmorrhoidalbeſchwerden wirk 
den. Die Vergnuͤgungen der Badegaͤſte beſtehen einzig in dem Genuſſe 
den Natur, und Schandau iſt der bequemſte Ort, von do aus man di 
Schweiz und die angrenzenden herrlichen Gegenden Boͤhmens auf eins 
reifen durchwandern kann. 

Schandpfahl, Pranger, iſt ein fteinerner Pfeiler, oder auch 
ner Pfahl, an welchem Verbrecher, nach gerichtlichem Urtheile, durd 
richtsfrohn befeftigt oder hingeftellt und zur Schau der öffentlichen Bi 
preiggegeben werden. Diefe Strafe hat muncherlei Grade und Forma 
bört dahin der Kafterftein, auf welchem ſich in einigen ital. Städten 
unfähige Schuldner mit entblößtem Hintern fegen mußten, der Efel, 
hem ehedem zu Darmftadt die Srauen umbherreiten mußten, welche ihr 
geſchlagen hatten, ber hölzerne Efel, auf welchem Soldaten wegen 
heit u. a. geringerer Vergehen reiten mußten; das Lrillhaus, Pilot 
land (f.d.); die Kichenbusen E.deh; der Laͤſterſtuhl (Ca 


Schanze Scharbod 697 


-stool), auf weichen man in einigen engl. Städten zänkifche Weiber feſt⸗ 
zur Abkühlung in einen Fluß tauchte; gegitterte Kifige an Thürmen, 
man liederliche Dirnen einfperrte, damit fie von Jedermann gefehen wuͤr⸗ 
Cathedra stercoris, auf welchem die betrüglichen Bierwirthe ausgeſtellt 
malam cerevisiam faciens, ponatur in cathedranı stercoris), und viele 
Strafen, welche der derbe Wis unferer Vorfahren erdachte. Zu Schärs 
Ehrgefuͤhls wirkten fie gar fehr, und mehr als unfere Zuchthaͤuſer. 37. 
hanze wird jeder Drt im offenen Felde genannt, welcher nach den Regeln 
erſchanzungskunſt (f. Kriege baukunſt) mit einer Bruſtwehr und eis 
ben umgeben und fo eingerichtet ift, daß eine geringere Xruppenabtheilung 
einem vorübergehenden Zweck vortheilhaft ſich darin vertheidigen oder eine 
es Feindes nachdruͤcklich vereiteln koͤnne. Der fehr verfchiedene Zweck 
daher jedesmal den Ort, die Staͤrke (d. h. Feſtigkeit, Dauerhaftigkeit) 
Berbindung mit dem Terrain auch die Form einer Schanze. Oft will man 
ſchwachen Punkte der Steuung, oder dem widhtigiten derfelben, mehr 
geben, oder eine Flanke (f.d.), welche fonft keinen beffern Aniehnunges 
alten konnte, fihern. Hier bat man felten viel Zeit und Mittel zu ſol⸗ 
anzen, ihre Dauer ift nur für einen befondern Moment (3. B. einen 
23) beredhnet. Es kommt alſo nur darauf an, daß die Bruſtwehr den 
zer und fein Gefhüs vor dem Feldgeſchuͤtz des Feindes ziemlid, decke und 
n breit und tief genug fei, daß er die Reiterei abhalte, das Terrain aber 
’) und verftändig benußt werde, um durd) Form und Anlage der Schanze 
Vortheil zu gewähren, jeden Angriff des Feindes auf das wirkſamſte ab: 
u koͤnnen. Dft will man aber irgend einen für Operationen wichtigen 
halten, etwa einen Pak (‚Defilee), einen Flußuͤbergang (daher Bruͤcken⸗ 
Bruͤckenkoͤpfe) u. dgl. Da hier [hon ein Eräftiger anhaltender Andrang 
es zu erwarten ift, fo müffen auch ſolche Schanzen folider erbaut, wo 
ekleidet und mit Dinderniffen aller Art umgeben und verftärft werden. In 
er Form unterfcheidet man Fleſchen und Redouten (f. d.) und Stern» 
Miejedform; audy wol baſtionirt). Die Verbindung einzelner Schan⸗ 
Linien umd mit andern fecundirenden Werken bildet Berfhanzsuns 
heutzutage feltener vorkommen und überhaupt nur ba, mo eine größere 
aaffe gendthigt iſt, gewiſſe Operationen von Umftänden abhängen zu lafs 
ı Dauer nicht zu beflimmen ift und wo man während ber Zeit in f. Stel» 
ven will. Alle Schanzen, die ifolict liegen, müffen an ihren Eingängen 
ricadirt, und wenn fie, wie z. B. bei Fleſchen, offene Seiten haben, an 
ch Palifaden verfchloffen werben. 9. 
darbock (Scorbutus), eine Krankheit, welche in kalten noͤrdl. Gegen» 
nders an ten Seeküften, in feuchter Ealter Luft entfleht, daber fie an den 
ı von Holland, in den Ländern nach dem Nordpole zu, 3. B. in Groͤn⸗ 
heimiſch it, und es fonft auch auf den Schiffen war. Wahrſcheinlich 
je aber aud in jenen Gegenden unter den Eingeborenen feltener ald unter 
nmlingen, die, des Elimatifchen Einfluffes weniger gemohnt, demfelben 
Siegen mußten. Am ſchlimmſten war fie auf Schiffen, welche weite See: 
machen hatten, befonder® nad) den nörbl. gelegenen Ländern, weil bier 
ven, die den Scharbod erregen können, vereint und in voller Stärke zus 
irkten. Daher oft auf folhen Schiffen über die Hälfte der Mannfchaft 
Rrankheit litt, und fie nicht felten in die mißlichfte Lage —3 verſetzt 
Das Entſtehen der Krankheit kuͤndigt ſich durch verdrießliche, trautige 
geſchlagene Gemuthsſtimmung und durch das vorherrſchende Gefühl von 
tan. Allmaͤlig nimmt dieſe letztere fo zu, daß fie in große Schwäche und 
t uͤbeegeht, das Athmen dadurch bei jeder Bewegung befchwerlicher uni 


698 Scharfſchuͤtzen 


mühfonses wirb. Bülbet ſich bie Krankheit weiter aus, — 
dunkelblau, ſogar ſchwaͤrzlich, ſchwillt auf, blatet leicht; der Ahen 
riechend, bie Zähne werden locker, falten auch endilch aus Dab 
Gefhtsfarhe blaß und ſchmutzig, os entfichen Flecke won: blaues 
auf der Haut, beſonders au den Armen und Fuͤßen, und es tritt Geſch 
am den Fuͤßen ein, verbreitet ſich aber auch weiterhin über den Körper. 
gen Geſchaͤfte des Organismus gehen babei noch eine Zeitlang ungehinb: 
ten, doch ift der Urin fchon I dunkel und geht ſchnell in Faͤulniß hi 
bleibt die Gemuͤthsſtimmung des Kranken beftändig niebergefählagen ı 
Diefe und feine koͤrperliche Schwäche verhindern ihn an allen Bewegung 
am fie ihm auch wären und fo ſehr er bazu aufgenmmtert wird; mu 
berwindung kann er ſich dazu enifchließen, allein bald zwingt ihn Die * 
mattung und der kurze Athem wieder zum Riederfinken und zur Sube 
Krankheit In einen böhern Brad Aber, fo nehmen bie erwähnten Zufäß: 
und Deftigkeit zu. Nun wird alle Bewegung beinahe unmeöglidh, dem 
ringſten Werfuche dazu Kberfällt den Kranken eine heftige — 
ſtickung uͤberzugehen dreht. Die Schwäche geht leicht ia Ohnmacht uͤl 
fleiien fich ſchwerzhafte Empfindungen, Reigen mud Biehen in ben @ 
welche bis in das Imerſte der Knochen zu bohren fcheinen. Das Zul 
kommt dem Brande ähnliche Flecken; ſelbſt aus den in ber Hautbefiudli 
werden num Geſchwuͤre, weiche leicht bluten. Diefe Geneigtpeit dei 
Ergiefungen aus den Gefäßen vermehrt ſich fo fehr, daß im ale 
des Krankheit Blutfluͤſſe eutſtehen, welche ſchwer zu ſtillen ſind umb di 
auf das Auferfte vermehren. Oft erfolgt der Tod während eines fold 
Bluifluſſes. Der Brand greife hier und da weiter um ſich, fobaf ga 
davon ergriffen und ſchwarz werben. Zulept ſtellt ſich allgemeine Auſch 
Körpers und gänzliche Lähmung ein, und ber Tod endet nun bie trau 
Mäffe, Kälte, verdorbene Nahrungsmittel, befonderd aber Der large 
Pflanzenkoſt und ber Genuß vielen Salzes und gefalzener Speiſen find 
urfachen ber Blutverderbniß, die diefer Krankheit zum Grunde liegt 
merkenswerth, daß in ben Ländern, deren kümatiſche Beſchaffenheit ve 
Entſtehung dieſer Krankheit begänfkige, in den kaͤlteſten Nordkuͤſtenl⸗ 
fonders in Groͤnland, auch zugleich ein untrigliches Mittel Dagegen, 
ftaut (cochlearia offieinalis), in zahllofee Menge waͤchſt und amı bei 
Der Naturtrieb ſelbſt fobert in ber Krankheit diefes und aͤhnliche Mittel 
fäuerliche, fcharfe, die Thaͤtigkeit der Verdauung, Überhaupt dat de 
foftem erregenbe Genuͤſſe. Citeonenfäure, Effig, Kreſſe, Senf, Reti 
Kranken vorzüglich angenehm und die beflen Heilmittel. Auf Schiffs 
beſonders um dem Scharbock vorzubeugen, fo viel als möglich die groͤß 
Leit beobachtet. Das Schiff wird oft und allenthalben geläfset, inwen 
und wo es nur angeht, abgewaſchen; die Waunfchaft muß ſich in uhpigı 
Beroegung machen und auf dem Verdeck aufhalten. Wei dem ES:xchiffäpe 
mehr Auswahl und die moͤglichſte Meinlichkeit beobachtet, und befenb 
reichliche Quantitäten von Sauerkraut mitgenommen, weldye jur 
dieſer Krankheit als das einfachſte und wohlfeife Mittel ſich — 
Scharfſchützen, Schützen (Tirailleurs), diejenige Ju 
die befonders im Zielfchießen geuͤbt und zuweilen mit beffern Gewehren w 
Da zum ruhigen und richtigen Zielen die möglichfte Freiheit in dem Alpe 
gen erfodert wird, fo können fie, ums ihrem Zwecke zu entfprechen, sid 
gefchloffenen Stiedern fechten,, ſondern werden gewöhnlich wor den Sia 
wo fie vereinzelt beffer die Örtlichkeit benugen, dem Feind füchern Beck 
und die hinter ihnen ftehenden Irunyen teen Siunen. Die fan I 


Scharlach Scharlachfieber | 699 


m Aufange theilweiſe wol auch beſonders geuͤbte Schuͤtzen geweſen fein, und 
yegurgöroelfe zum zerſtreueten Gefecht verwendet wurden, fo haben ſich dieſe 
Begriffe ineinander verſchmolzen, obwol die Sache ſelbſt in ber neuern 
kheung weſentlich unterſchieden wird. Denn bie franz. und nach ihnen alle 
deere hatten in neuen Zeiten Infanterieabtheilungen, welche eigens zum 
wen Gefecht beſtimmt waren, ohne deßhalb gerade durch hefonbere Schuß⸗ 
t oder eigenthuͤmliche Gewehre ausgezeichnet zu fein. Diefe Tirailleurs 
bemutt, um das Gefecht zu unterhalten, ben Colonnen vorauszugehen 
wegen umerwartete Anfälle an beiten, Wälder ıc. zu nehmen, überhaupt um 
toffenen Infanteriemaffen fo lange ald möglich vor dem feindlichen Feuer zu 
— Die eigentlichen Scharfſchuͤzen wurden dabei freilich mit verwendet, 
soffen wurden in: Ganzen doch im Verhaͤltniß der Maſſe des Feuers wenig. — 
ich werden die Scharfſchuͤtzen zum Dienſt der leichten Truppen und am we⸗ 
ba gebraucht, wo fie niemals fehlen ſollten, vor und in belagerten Feſtungen. 
ich arlach iſt eine brennend rothe Farbe, aus reinem Roth und Gelb zu⸗ 
meſegt. Der Olmalesei mangelt noch ein ſchoͤnes Scharlachpigment, weil 
Ausſehen des Materials mehr oder weniger ändert. Für Waſſermalerei bes 
us ſich dazu des Zinnobers ober des Gochenillenlad®, der mit Zinnauflöfung 
WE. Seibſt die Faͤrberkunſt ſchlaͤgt diefen letztern Weg ein, um fchönes 
np zu erhalten, es wird z. B. Wolle zuerſt in Zinnauflöfung gebeizt und 
a Godheniiembabe ausgefaͤrbt. 
bcharlachfieber gehört unter bie fieberhaften Ausſchlagskrankheiten 
enkheiten oder Erantheme), welche in ber Regel als Epibemie vorkommen 
durch ihr eignes Gift fich Fortpflangen. Die Krankheit beſteht in dem 
Scharlachausſchlag und einem Kieber, welches bald gelinde, bald 
gewellen gutartig, oft aber auch fehr bösartig ifl. Der Ausfchlag beſteht 
Sieden, die fig, bald in unbeflimme großen und unregelmäßigen 
abgefonbert, bald zufammenfließend, Über bie Haut verbreiten. Dabei 
jedesmal Entzündung des Halfes und der Halsdruͤſen ein. Der Verlauf 
bleibe fich zwat nicht in allen Fällen vollkonmen gleich, doch haͤlt er 4 
‚ weicdye unter allen Abweichungen immer bemerkbar bleiben. Die erſte 
Deriobe des Ausbruche, bie zweite bie Periode der Entzuͤndung, die dritte 
achlaſſes, die vierte die Periode der Abſchuppung genannt werden. Die 
| bereitet das Eranthem vor. Das Kieber mit feinen Zufällen und in⸗ 
ia Bewegungen erfcheint zuerft. Mißmuth umd Üibelbefinden, Mattigkeit, 
Bft bis zum Erbrechen, laufender Froſt über den ganzen Körper, Schmerz 
He beim Schlucken find die kraukhaften Erfcheinungen der 2 — 3 erften Tage. 
anchem kommt gleich anfangs heftige® Kopfweh, Schlafloſigkeit und Irre⸗ 
wu. Bom 3. Tage an, in ſeltenen Faͤllen, wenn bie Krankheit ſehr heftig 
eſtum verläuft, fchon von dem 2. Tage an, kommen die Flecken auf der Haut 
borſchein, erſt klein und gleichfam nur durch die Haut ſchimmernd, allmaͤlig 
her, in einander fließend und ſtaͤrker gefärbt, gemeiniglich zuerſt im Ges 
nn dem Leibe, dann an den Händen und Fuͤßen. Dieſe Sieden haben die 
Aynsichkeit mit ben Rothlaufsfledden, bleiben ebenfo flach in der Haut fipen 
Rothe verſchwindet beim Druck, kehrt aber wieder zuruͤck ſobald dieſer aufs 
Taͤglich waͤchſt nun die Hitze, das Brennen in ber Haut, die Heftigkeit des 
bi zum 5. und 6. Tage. Die Kranken werfen ſich entweder unruhig und 
hin und ber, oder fie liegen in Betäubung und Phantafie. Oft fleigt das 
Bis zum Raſen. Die ganze Haut glüht vor Hitze; biejenigen Theile, 
lich roth gefleckt ind, fchwellen etwas auf, beſonders nimmt man dies 
bis zu den Singerfpigen und an den Süßen wahr. Die Entzuͤndung 
fe6 fleigt muweilmg immer höher, zugleich wachſt die Gefchmult der Halt» 









700 Scharlachfieber 


brüfen fo, daß die Kranken nicht mehr ſchlucken können und ber Speich 
Munde herausisuft. Wo die Krankheit einfach ift und ihren Verlauf ob 
durchſetzt, ift der 5. Tag ber höchfte der Entzündung und bes Fieber 
geht das letztere bis zu dem 7., 9., ja nicht felten bie zum 14. und 
fort. An dem 6. oder 7. Tage fängt in der Regel die Perlode MER 
Das Fieber wird nun gelinder und verfhmwindet zumeilen fo ſchnell a 
nen iſt; hiermit läßt auch das Irrereden nach, und der Schlaf ſtellt fü 
brennende Hige der Haut nimmt ab, die hohe Roͤthe der Flecken verli 
Drdnung, wie fie erfchlenen ift, ſodaß meiſtens Hände und Füße nı 
ſchwollen und fhmerzbaft find, wenn die Haut des Geſichts, bes f 
beinahe die natürliche Farbe fchon wieder hat. Der Halsſchmerz verlii 
war aber Geſchwulſt der Halsdrüfen vorhanden, fo ift dieſe meiſtent 
nädiger. Sobald die hohe Roͤthe der Flecken abnimmt, zeigen fich fd 
Spuren der Abfchuppung des Oberhäutchen®, und einige Tage bara 
wirklich vor fih. Die alte Oberhaut wird von ber neu gebilbeten at 
Läßt fich in großen Stuͤcken loßfchälen. Auf der Bruſt, auf den Am 
und Füßen ift diefe Häutumg am ſtaͤrkſten, fodaß z. B., wenn bie Ki 
ſtark geweſen ift, die Haut der Finger in ganzen Formen wie Singerftiu 
Handſchuh fidy abziehen laͤßt. — Bei dem regelmäßigen und einfachen & 
ift die Krankheit mit der Vollendung der Abhäutung geendet und bi 
kehrt wieder zurüd. Anders aber ift der Ausgang der Krankheit, ı 
Scharlachfieber gefährliche Zufälle fich gefellen, die entweder von dd 
oder von einem bösartigen Charakter des Fiebers, von ber Verbreitum: 
dung auf innere Theile von Vernachläffigung , von verfehrter Behand! 
herrühren koͤnnen. Das einfache Scharlachfieber befteht in feinem W 
einer eignen Entzündung der Haut, wovon die Möthe, die Hitze, d 
fenheit der Haut, die befchleunigte Function derfelben, befonders d 
hinlaͤnglich Beweis gibt. Der entzündliche Zuftand des Hanrgefügfuft: 
iſt zugleich die Urfache, daß weit mehr Blut dahin firömt, als im ı 
ftande, auch der Wechfel der Stoffe, befonders das Sreimerben des 
in der Haut, viel rafcher von ftatten geht. Diefer entzümdliche Zufta 
ift in genauer Verbindung mit dem Fieber. Diejenigen Kranken, 

Scharlachexanthem haben, kommen in der Regel audy mit leichterm 
je höher und außgebreiteter dagegen bie Roͤthe der Haut ift, je mehr 
fiere Wärme oder innere echigende Mittel erhöht wird, befto mehr ıwı 
Fieber. Sn dem gefunden Zuftande geht zwar auch die Erneuerung t 
und die Abhäutung des alten Oberhäutchene unaufhoͤrlich vor ſich, al 
famer und ftiller Thätigkeit, daß wir es nur an dem Staube, der fi 
einfindet, wenn fi cin Menfch lange Zeit nicht gebadet ober gewal 
wahr werden. Bei dem Scharlachfieber aber wird die Natur zu der 
Anfttengung gezwungen, biefe neue Bildung in der kurzen Zeit von e 
zu befchaffen, welches demnach nicht nur_eine außerordentliche Erregu 
den Syſtems im Organismus, fondern auch einen fo ſchnellen Verb 
tinnbaren Lymphe des Blutes veranlaßt, ba die Ernährung bes Köıpı 
und die Kranken, zumal da durch das Fieberfeuer die organifchen St 
und verflüchtigt werden, ſchon in wenig Tagen aͤußerſt abgezehrt erfe 
meifte Gefahr führt das Scharlachfieber durch die Entzuͤndung Inner 
fih, welche fomol von der urfpriinglichen Erregung des Fiebers als ı 
weitern Verbreitung der Hautentzuͤndung entftehen kann. Am meiflı 
Fall im Gehirn, mit Anhäufung des Bluts im Kopfe, weiche um fü 
fährlich wird, da fchon im gefunden Zuftande eine ſo bedeutende May 
dem Kopfe ſtroͤmt. Daher eniichen hei vom Schhartachlicher fo haͤ 


Scarlachfieber | 701 


Heftige Kopfſchmerzen, Betäubung, Irreſein, Schlafſucht, Krämpfe 
agfluß. Oft tritt aber auch Entzimdung in abfondemben Häuten inmerer 
a, und ſowie äußere Entzündung die neue Oberhaut erzeugt, fo ift das 
der Entzuͤndung der innern Organe Schleim, lymphatiſche Fluͤſſigkeit, 
alle u. f. w., je nach der eigenthümlichen Abfonderung der Organe. In 
fe gibt die Krankheit einen weniger ſchnellen Gang, und die Gefahr tritt 
I8dann ein, wenn die eigentliche Scharlachentzimdung der Haut voruͤber 
18 Fleber entweder aufhört oder nur von dem innern Entzlindungszuftande 
shalten wird, woher alsdann oft hartnädige und gefährliche Nachkrank⸗ 
tſtehen. — Das Scharlachfieber kann zu jeder Zeit bed Jahres, bei jeder 
g, am jedem Orte herrfchend werden. Am meiften überfält es Kinder, 
ne feltener, weil bie Krankheit in der Regel den Menfchen nur einmal bes 
d die meilten fchon als Kinder fie auszuftehen haben. Wenn in einem 
wo mehre Kinder find, eins davon das Scharlachfieber bekommt, fo fols 
in den meiften FAuen die andern nach, doch bleiben auch zuroeilen einzelne 
we ober längere Zeit, manche für das ganze Keben davon befreit. Aus 
fahrungen ift der Schluß zu ziehen, daß das Scharladhfieber weder das 
5 einer befondern Belchaffenheit der Luft ober der Witterung, noch eine 
Nge Bildungskrankheit ift,, welche ber Menfch durchlaufen muß, fondern 
u einem Anftedungsftoffe entſteht, welcher jedesmal im Mefentlichen bie 
Krankheit erzeugt, und von ihr wiederum von neuem gebildet wird, wie 
zlattern derfelbe Fall ftattfindet. Gleichwol muß auch noch eine befon: 
her noch nicht erforfchte Seneigtheit des menfdhlidhen Organismus dazu 
diefen Anftedimgsfloff aufzunehmen und von ihm in diefelbe krankhafte 
z verfegt zu werden. Die Empfänglichkeit für ihn wird wahrfcheinlich 
Bfuß der Luftbefchaffenheit befördert. Deshalb vielleicht find zu manchen 

onders im Winter und Frühjahr, bei naßkalter Witterung, bei Norb: 
Morboftwind, unter welchen Umftänden die Thaͤtigkeit der Haut veräns 

B Mervengewebe derfelben krankhaft geflimmt wird und Fatarrhalifche Zu⸗ 
fonders Halsentzimdungen, häufiger vorkommen, auch die Scharlachfies 
haͤufiger. Kür Vorherfagung des Ausgangs dieſer Krankheit find die Zufaͤlle 
bern noch immer trüglih. Viele Kranke kommen fehr leicht durch, bei ans 
Ne Krankheit aͤußerſt heftig; mandye genefen trog der ſchlimmen Zufälle, 
m bat die Krankheit anfangs einen gelinden Anſchein und plöglich treten die 
en Zufälle ein, welche oft fehnell den Tod herbeiführen, ehe nody Zeit 
be, Mittel dagegen anzumenden. Die größte und dringendfle Gefahr 
Hten® von einem ſchnell eintretenden Blutandrang nad) den Gehirn, Ents 
, auch wol Lähmung beflelben, oft auch von einem unvermuthet ſchnell 
mehmenden Zuftande von Schwaͤche ber Lebenskraͤfte her, welche bie zur 
z der Blutgefäße und bis zur Faͤulniß ähnlicher Verderbniß der Säfte her⸗ 
Cönmen. Andre innere Drgane, z. B. Drüfen, die Leber u. a. m., wers 
auch zumellen von einem entzündlichen Zuftande ergriffen, allein in diefen 
at die Krankheit keinen fo rafchen Verlauf. Diefer oft fo trügliche Ans 
u Gelindigkeit mit nachfolgenden gefahrbrohenden Zufällen, überhaupt die 
Faͤlle, in welchen der Tod erfolgte, haben beſonders die Kamilienväter und 
in große Beſorgniß verfegt, und das Scharlachfieber in den Ruf gebracht, 
ve6 jept eine Bösartigkeit mit fich führe, die es fonft nicht gehabt habe. 
jedoch nicht der Fall, indem auch die Ältern Arzte, welche Befchreibungen 
mueheit lieferten, Beiſpiele ihrer Bösartigkeit aufftelien, und es erfcheint 
kebenfo häufig auch in gelinder Form und Gutartigkeit, als es fonft darin 
Es kann aber ganze Epidemien geben, bie ſich bösartig zeigen und von 
ide Faͤlle toͤdtlich ausfallen, ja es kann eine Reihe von Jahren eine bägex: 



































702 Scharlachfieber 


tige Beſchaffenheit ber Kraukheiten überhaupt herrſchen, bie ihren Einf 
das Scharlachfieber erſtreckt. Nicht im der Krankheit ſelbſt Licht folgkit Ne 
artigkeit, ſondern in dußern Umſtaͤnden und Werhälmiffen, welche Me ia 
tung der Krankheit, von welcher gefährliche Zufälle herrähren Emm 
begünftigen. Diefe liegen befonders in gewiffen Weräuberungen * 
fenheit, z. B. ſtarke und trockene Kälte, welche die Reigung zu € 
ober anhaltende, beſonders waffe und warme Witterung, welche vr | 
dem Sinken der Lebenskraͤfte und zur Abweichung der Saͤfte — ** 
vorzuͤgliche ugen ſchlimmer Zufaͤlle gibt auch oft Pr j 
handlung. Die Heilmethoden find zu verfchisbenen Zeiten fehr « 
fen, je nachdem eine verfchiebene Meinung über das Weſen bex Rrentiek 
Ersten und dem Volke herrſchte. Keine derſelben If unbebingt gu tabeln 
zupreiſen, jebe kann nach Zeit und Umſtaͤnden in eineinen Faͤllen ame 
eine Zeitlang nothwendig ſein; keine darf daher als — * 
len werden. Wir müfien noch einige Vorurcheile ruͤgen 
fiuß manches mit diefer Krankheit befalene Kind —* 7 Du 
Vorurtheile ift, daß man, in der Vorausſetzung, als mäffe ein Sriefe I 
den Scharlachausfchlag gemeinhin nennt) auf ber Haut zum Weorfchein 
welches die giftige Schärfe aus dem Körper herausſchaffe, darch Aufn 
und durch treibende, higige Mittel ben Ausbruch dieſes riefeiß befüchem 
genaues Warmhalten des Kranken, ja durch aͤngſtliche Wermeiding je 
lung ben Zuruͤcktritt dieſes Frieſels verhüten müffe. Man — 
der Körper deſto reiner von dern Scharlachgift werben muſſe, je mebe 
Ansſchlag auf der Haut zum Vorſchein kommt, umb baf hiervon ein 
Ausgang allein zu erwarten fl. Dieſer ganz falfchen Meisuumg w 
alle vorurtheilsfteie Erfahrung. Mir haben fdyon bemerkt, da 
des Scharlacherantheuns in dnem Entzänbungssuftanbe ber —X 
alle Zufaͤlle abhängen. Je heftiger folglich dieſer — — — 
ſtaͤrker muß die Roͤthe ber Haut, deſto ſtaͤrker muß das Sieber, deſto hei 
fen die daher rührenden Zufälle fein. Was diefe Entzimdung der £ 
muß folglich auch alle die davon abhängigen Bufälle versuchen wmb fog 
brekung auf innere Thekle befoͤrdern, dagegen dasjenige, was biefe € 
in Schranken hält, ſodaß fie ihre natuͤrlichen Grenzen nicht gu über 
mag, was bie zu hoch geftiegene Entzuͤndung herabfegt, auch bie f 
Krankheit vermindern muß. Wie oft fehen wir, daß Kinber, weiche W 
Krankheit befallen werden, nur wenig Scharlachaus ſchlag befommmen, 
ihre Krankheit fo leicht ift, daß fie kaum nöchig Haben, fich in das Net 
daß dagegen andre, bie mit brennenber Roͤthe kbergoffen find, gefäheiid € 
niebderliegen. Auch wird das Fieber nie durch ben Ausbruch bes Crach 
dert, fondern in den meiften Faͤllen waͤchſt es in diefer Periode noch Tante 
und die higigen Mittel, welche nicht felten ben Kindern Be 
fogen. Stiefel herauszutreiben, erhöhen die Entzuͤndung und verſtaͤrken De 
beit. Wie peinlich muß das Gefühl der armen Kinder fake, ie ui auf 
fcharlachrother heißer Haut , bei erhigter Stubenluft In warwen, von 
menden Kederbetten ſtecken müffen! Da ift denn wol *2* | 
ſolche Kranke immer höher fteigenbe Fieberanfaͤlle befonumen, aut 
fogar Raferei eintreten, und enblich auch wol von Entzündung bei 
bung, Krämpfe und Schlagfluß erfolgen, ıwie wie Meifgtele geumg 
Dagegen mußte und auffallend fein, wie haͤufig KAiuber armer Beute bei 
Inchfieber in kalten Stuben liegen geblieben, auch wol uit dem She: 
auf ber Haut im Freien herumgelaufen fi, , wid altein ohme * 
mit offenbarer Erleichterung ber Krankheit auch mit Wefdgiennigung Di 








Scharlachfieber 708 


ufö derſelben. Erfahrung und die Theorie von dem Weſen des Scharlachfie⸗ 
heen und demnach, daß die Kranken in der Periode ber Entzündung, alſo in 
Ben 5 —6 Tagen der Krankheit, ganz kühl gehalten werden muͤſſen. Der 
Bhalt des Kranden fei in einer zwar trockenen, aber kühlen und Inftigen Stube, 
war mit Pferdehaaren verfehenen Lager, bie Bedeckung ganz leicht. 
u ſaͤnerliches Getraͤnk, z. B. Abkochung von ſaͤuerlichen Früchten, es 
u weit Gitronemfäure oder Weineffig und Zucker. Alle erhigende Getraͤnke 
were Speiſen, ber zu häufige Benuß warmer Getränke, Hollunderbluͤthen⸗ 
u dgl. laſſe man ihn vermeiden. Stellt fidy aber das Fieber meit — 
keit ein, fo muß man auch kraͤftigere Mittel dagegen anwenden, 
u Bde, und bei fehr heißer, trockener und zother Haut Üfterrs Bari Bafdın 
körgteßen beB genen Koͤrpers mit kaltenn Waſſer, die vorzuͤglichſten und huͤlf⸗ 
m fend. Man laſſe fich durch Beine Furcht ver Erkältung ober Unterbrä dung 
Kerladyausfchlags davon abhalten. Das Fieler vermindert [ich hiernach, Dee 
r bekommt Nuhe, die bremmende Bike bee Haut wird gemindert. Nach 2 
Beuuden, je nachdem die Fiebechige heftig ift, eher ober fpäter, ainunt bie 
B, be berummerfen des Kranken, bie Hige und das Fieber von neuem pt, 
debechoit defhalb das Wafthen des Körpers mit Balken Waffer, worauf bie 
m Bwifchengeiten Immer länger werben, bis das Fieber gemaͤßigt, bie Haut⸗ 
bene gebämpft und die Krifis mit gänslichem Nachlaß eingetreten ift, was 
Ban Verfahren cher gefchicht als bei bem entgegengefegten. Übrigens verſteht 
daß ſogleich bei Entſtehung biefer Krankheit bie Leitung ber Behambiung 
übertragen werben muß, da fo viele unvorhergeſehene, gefahrbrohende 
Berwickelungen und Unregelmaͤßigkeiten bei dem Scharlachfieber vorkom⸗ 
Inn, daß der Beiſtand eines Arztes uuungänglich nothwendig if. Wenn 
—— der Haut, das Fieber und a. davon abhängige Zuflle nach⸗ 
gaben unb bi und bie Abſchuppung der Hast anfängt, dan muß allmaͤllg das 
Kranken ſich ändern und etwas wärmer werben. Waſchen und Ba⸗ 
| 25 und der Kranke bleibt entweder in einem leichten Bette re 
beBieidet in der Stube ¶ 6 iſt hoͤchſt nothiwenbig, daß in ber Belt der 
ung die Ausbünftung ungeflört von flatten gehe und alfo alle Erkältung, 
die Berichremg der Luft, vermieden werde. Auch hierin wird nicht fels 
I. Man hberficht oft bie Wichtigkeit dieſer Periode und erlaubt den 
aber Genefenden Nachlaͤſſigkeiten, die fie theuer, nur zu oft mit bem Les 



















* die Heftigkeit der Krankheit allein die Urſache davon iſt, denn man 
auch bei ſolchen Rindern, bei denen ber Hautausſchlag ſehr gering 
cbenſo oft, als bei ſolchen, bei denen er fehr ſtark war, obgleich 

moch groͤßere Neigung dazu behalten; allein gewiß iſt es, daß 

‚ oder auch nur wenn die Geueſenden ber freien Luft nögefett wers 

Diefe ufung von roäfferiger Fluͤſſigkeit am äfterften und ſchnellſten ent⸗ 
Jebe vom Scharlachfieber genefenbe Perſon folite noch 4 Wochen nach der 
hie ende bisen und warm gekleidet fein: eine Vorſicht, die jedoch feiten 
wmbadytet wirb. Ein andres Vorurtheil in Ruͤckſicht der Behandiung diefer 
dit ait dieſes, es fei dei derſelben nichts zu brauchen, man müffe bie Natur 
. Dies ti nur halb wahr. Die Krankheit ſelbſt kann wel nicht mehr 
werden, wem einmal ber anftecdende Gtoff im Körper iſt und bie Erre⸗ 
rauffpaften Bidungspsoceffes beginnt. Allein die Berordnung bes jeder 
ke augemmeffienen Verha'tens des Kranken, die Beſtimmung der zu beobach⸗ 
Malt, die Milderung des Fiebers, bie jeitige Abwendung brohender Gefah⸗ 
Ve Ghetfeuuing nachtheiliger BR: auf den Kranken, die Abtuwentung eher 













pachtet hatten. Der Vater, durch eine Ungerechtigkeit In elı 
Tonnte f. Sohn nur in die Dorffhule ſchicken, und beſtimm 
Landwirth. Diefer erreichte unter den geringfcheinenden $ 
beſchraͤnkten Landwirthſchaft das 15. Fahr. Durch einige Sch 
jährig. und den öfte. Erbfoigekrieg, die er beim Paftor fand, 
Erzählungen eines invaliden Unterofficier6, war in ihm ber $ 
den, Soldat zu werben. Der Gedanke, einft ald Unteroffü 
fehligen, begeifterte ihn ſchwaͤtmeriſch. Endlich gewann ber 
damit das adelige Gut Bordenau. Unfern davon hatte u St 
Graf Wilhelm zu Schaumburg » Lippe⸗ Buͤckeburg ein Artill 
damit die bekannte Kriegsfchule verbunden. Niemand wu 
eigne Prüfung aufgenommen. Neuere Spraden, Geſchic 
auch höhere Mathematik, Phyſik und die eigentlichen Kriege 
die Gegenftände des Unterrichts. Der Graf kannte den gefuz 
des Juͤnglings und verteigerte ihm den gewuͤnſchten Eintritt 
von Kenntniffen noch entblöft war. ©. bildete ſich ſchnell. 

„Wandsbecker Bote” und Young’s „Nachtgedanken” mar 
und ſchaͤrften f. Sinn für das Rechte, Große und Schöne. 

es Conducteur, als Graf Wilhelm 1777 ſtarb. Der handv 
verfchaffte ihm Dienfte ald Faͤhndrich bei feinem eignen Regiı 
gleich die Unterofficiere und felbft die ältern Dfficiere des Rex 
Damals ward er auch bekannt durch die Erfindung, Fernedt 
für den Kriegsgebrauch einzurichten, und durch fehr brandhbarı 
1780 ward er Xrtillerielieutenant zu Hanover, zweiter umd ba 
ter an der bamalß errichteten Kriegsſchule. Nach 12 Jahren ı 
mann und 1793 erhielt er eine Compagnie reitender Artillerie. 
ſcher Ruhm war ſchon durch ſ. „ Handbuch der Kriegswiſſenſ 
das Taſchenbuch für Officiere und das Militairifche Jour 
Revolutionskriege geümbete er ſ. Ruhm als Krieger. Als der 
Hammerftein 1794 für die Vertheibigung von Menin und db 
Durchſchiagen burd) einen zehnfach flärkern Feind den Dan 


Schatten und Licht 708 


wo er Antheil an ber eylauer Schlacht nahm. Der König, deſſen 
Bertrauen er befaß, ernannte ihn mach dem Frieben vom Tilſtt zum 
e Sommiffion zur neuen Einrichtung des Heers. Nachher verwals 
e Zeit das geſarumte Kriegsweſen, warb Chef des Ingenieurcorps 
e preußifchen und ruſſiſchen Drden. Mit befonnenem Eifer griff ©. 
ie ei, ais fir Preußen die Stunde erſchien, das Franzoſenjoch ab» 
die Bewaffnung, die nach feinem Plame geſchah. Als Chef 
—** ec im Fihſabe 1813 mit dem Heere Bücher’ in Gach⸗ 
er Lügner Schlacht durch eine Kartaͤtſchenkugel am Schenkel verwun⸗ 
an den Folgen diefer Wunde, da er ſich nicht bie erfoberliche Ruhe 
m in Aufträgen f. Königs nach Prag und Wien eilte, am 28. Juni 
. Fa Berlin ſieht f. Bildfaͤule auf dem Koͤnigoplatze 
en und Licht machen die eigentliche Seele ber Zeichnung und 
8, da der Umriß mehr des Körper und bie geflaftete Form beftimumt. 


bat feine Schatten» 
nie dunkler und breiter iſt. Schatten hebt das Licht erſt heraut, er iſt 
ohlthumb für Auge und Seele, wie ber Ernſt des Lebens, wie die 
ht. Im Orient, in Perfiens Rofengefilden, bei Indiens Ambraſtau⸗ 
krechten Pfeile der Sonne den wohlthätigen Schatten verſcheuchen, 
nuch die dost in ewiger Kindheit bleibende Kunſt nicht, Schatten in 
g 3u bringen. Mur die brennenden Farben bezeichnen die Lichtfläche 
chen Gemäldes. Ebenſo find die Bebilbe der heißern Zone in ber 
chattenlos und bunt malen bie Mexicaner und Peruaner. Im rein 
inen und bie Gebilde gried. Kunfl; bed) ba biefelbe ſich mache ze 
fo ſteht fis in ſtiller Llarheit und läßt bie wechfelnden chatten Aber 
n wie ben Hauch ber Jahrhunderte. — Unfere gemäßigten Diem; 
teßen den vollen Zauber bes Schattenwechſels und des reizenben 
je mehr nad) Suͤbden, deſto mehr bemerken wir bie Neigung zu gluͤ⸗ 
‚und das von ber Natur ſeibſt dazwiſchen gemifchte tiefe Dunkel bes 
: Augen erfegt den Schatten und ahnt feine Zirkung nad. — Je 


tſchat⸗ 
itten und Halbſchatten. Der Hauptſchatten breitet fi A Mer bie 
näldes aus, bie dem einſtroͤmenden Licht entgegenflehen ; nothwen⸗ 
; jeder einzelne Gegenſtand feinen Hauptſchatten haben; doch ſind 
der einzelnen Theile von abgeſtufter Dumfelbeit, j — * 
er ſtehen. Je breiter die Maſſen der Schatten ſich verbinden und je 
euten zufälligen Lichter vermieden find, um fo einfach seöper iſt die 





8 
der von Hinten um ben Begenftanb beeiunfchinmert, fotwol al6 der 
es zunächft befindlichen Begenflandes bie Dunkelheit des Schattens 
a Umriß erhellen ; diefe Wieberfcheine ober Reflexe find bie zweite 
hatten. — Alle Dunkelheit in der Natur und auf den Gemälden 
wol durch völlige Abweſenheit des Achts (died wäre Finſterniß und 
ee epenflanh Der Sraf —— 
Webente Aufl. 3b. IX. 46 





TIETITEN Vuntei und wiro FUME xicht OFT Bei. SIDE in dem 
dern in der hoͤchſten Verſchmelzung von Licht und Schatten 
Wirkung — Die Meifter der lorabardiſchen umd venetian 
bewundernswertheſten hierin; man kann von ihnen fagen, b 
Licht einm Ton, dem Schatten eine Sprache zu geben. Ghı 
von folchen kunſtvollen Beleuchtungen ben Namen erhielt, v 
bemerkt zu werben. Die roͤmiſche und florentinifhe Schul 
mit dee Form und if näher mit der Alles geflaltenden Piafl 
ſich mehr zur zauberwirkenden Muſik binmeigen. — Noch ı 
And. Schule gebenken, deren Meifter jenen Zauber trefflich 
den. Da fie die Sachen befonbers zart und durchfihtig bei 
auch felbft untergeordnete Kuͤnſtler bei ihnen große Wirkun 
Rembrandt bleibt der berühmtefte jener Schattenkünftter. E 
den Alles mit warmen, braͤunlichgruͤnen Tinten zu überbämn 
engen Raum zufammenzubrängen, ſodaß es ba flammenartic 
wundervolle Beleuchtung weiß er oft den gemeinften Gegei 
eine höhere Bedeutung unb wahre Poeſie zu geben. Viele de 
Heinen zart ausgeführten Gabinetsftüde find hierin auch bemi 
ders van der Werff, Gerard Dow, Schalten und Mieris. — 
bleibt hierin weit hinter den Stalienern und Niederländern | 
Schatten trocken, grau und undurchſichtig. Schon ber Golt 
Hiebten und fo oft anwendeten, zeigt das Streben dieſer ſchlie 
nad) Licht. Das Heilige erſchien ihnen fo hellleuchtend und 
bei ihnen fo Hat und eintönig, daß ihre Phantafie gar nicht auf 
tenwirkungen hingeleltet wurde. Sie grenzen hierin wieder 
ber altgriechifchen und byzantiniſchen Kuͤnſtier. Das Stillbe 
lebte noch in ihnen, foroie bie Eindliche Freude an ber bunten 
fo ungern trübten und verbämmerten. — Die büftern fchn 
bachten anders, doch ihre Maler (befonders Murillos und S: 
mehr finfter als dunkei — Die ältere franz. Schule zeichnet | 
tentoirtungen auß; baher haben auch faft alle ihre Gemaͤi 
Kaltes. befonders Tcheinen fie ben tiefen Sinn des Schatten 


Schattirung: Schaufpiel 707 


Ihwenbung der Begenfäge zur Hervorbringung wohlgefälliger Mannigfaltig- 
Vornehmlich verfteht man barımter das Hervorheben des Hauptgegenftandes 
e Darftellung und die abfichtliche Verdimkelung der Nebenbinge, 3 B. forte 
siano, -1. 
Schattirung, in der Malerei, ift die Veränderung, welche durch bie ver: 
enen Grade der Stärke des darauf fallenden Lichts in einer und der nämlichen 
: hervorgebracht wird. Hierdurch entftehen Mittelfarben, welche zur Lebendig⸗ 
as Golorits gehören. Die Wirkung einer Beleuchtung oder des Lichts hat 
> Willkuͤrliches; ſobald e8 einmal gegeben ift, folgt die Art, wie e& erleuchtet, 
ıg nun gerade oder durch den Wiederfchein gefchehen, nothwendig auß der erften 
ung. Daher muß der erfindende Künftler, befonders wenn er Zeichnungen 
Karben beleben will, ſich einen Vorrath von Beobachtungen über alle Wir: 
n des Lichts gefammelt haben, bie ihn in ben Stand fegen, die Natur zu cos 
Viele wollen für Schattirung Nuancirung fagen; und rechnen fie darunter 
inten, wodurch die eigenthümliche Karbe eines Gegenſtandes von dem hoͤch⸗ 
ichte allmaͤlig abnimmt, es fei, daß fie ſich in ganzen oder halben Schatten 
et, oder nur in eine andre weniger heile Sarbe übergeht, fo mögen fie Recht 
L Es gibt Köpfe von van Dyk, an denen man keine Schatten wahrnimmt 
ie fich dennoch vollkommen runden. Hier entſteht die Wirkung von den fogen. 
elfarben, oder von der ähnlichen Wirkung durch Licht und Schatten. — Auch 
gemeiner Bedeutung bedient man fich in den ſchoͤnen Künften des Ausdrucks 
incirung, und bezeichnet damit die Anwendung feinerer Unterfchiede und 
yinge, durch welche Gegenftände und ihre helle wohlgefaͤllig verbunden und 
kmmen individualifirt werben. 
Schatulle, f. Chatoulle. — Schatullengüter, vgl. Dos 
Ben. 
Schatzkammerſcheine. Der Art. Exchequer (f. d.) gibt einen _ 
Mf von diefer Art Scheine (Exchequer-bills) in England. Man bat dergl. 
in a. Ländern gefhaffen, z. B. in Frankreich 1828, um einen Theil des Des 
zu dedien. Sie dienen dazu, Theile von dem künftigen Staatseinkommen 
Micipicen umd daſſelbe auf den Staatscredit in Circulation zu fegen, und vers ° 
daher die Umlaufsmittel auf eine wohlfeile Weife. So ſtellt die Schags 
in England Scheine aus ımd bezahlt damit die Landesbedürfniffe an Sol: 
Weiche fie anzunehmen geneigt find; oder fie Laufen als Wechfel auf die Staats 
und werben von diefen als baares Gelb wieder angenommen. In ber 
henzeit, bis fie in die Schatzkammer zuruͤckkehren, koͤnnen fie als Zahlmittel 
nicht werden. Ein Gleiches findet in dem ruff. Sinanzminifterluum ſowie auch 
Staaten ftatt. Die Formen, deren man ſich zur Erreichung dieſes Zwecks bes 
koͤnnen in jedem Lande verfchieben fein, und fie richten ſich insbeſondere nach 
ft der Geldgeſchaͤfte, welche im Lande üblich if, und nach dem Umfange 


en. 

Schaubühne, f. Theater. 

Schauer ift ein Hautkrampf, der bald durch fchnelle Veränderung ber 

Temperatur, bald durch innere Urfachen veranlaßt wird. Die Haut wird 

Balt, gefpannt, zieht fi mehr zufammen und ein unangenehmes ziehenbes 

u im der Haut ift damit verbunden. Der Schauer ift bald nur auf einzelne 
beſchraͤnkt, bald ift er allgemein ; an ihn reihen fich die hoͤhern Grade von 

an, welche die Anfälle bes kalten Fiebers vorzuͤglich auszeichnen. Er endigt 

eiſtens fo, daß bie reagirende Naturthätigkeit den entgegengefesten Zuftand 

erse oder Hige herbeiführt. 

Schaumuͤnze, f. Muͤnzkunde. 

Schauſpiel heißt in der Umgangsſprache diejmige Unterhaltung, wuäge 

a5 * 





petie (f. d.) hervorbringt. Wan denke, um biefen Unterfchi 
en, auf der einen Seite an bie Iffland’fchen und Kogebue’fd 
Die Hageftolgen", „Die Gonnenjungfrau”, und auf der 
uDRexope” und an Galberon’6 „Das Leben ein Eraum”. ; 
mit geößerm Rechte noch als „Merope” Ttagödie zu mennen, 
ter e8 nur Drama genannt hat; denn wie die Fabel uͤberh« 
‚Handlung erhaben, welche die Begebenheit gluͤcklich endigt 
nunft Über wilde Leidenſchaften und rohe Triebe. Die Hanl 
„DRexope'' den gtädtichen Ausgang hervorbtingti(der ungleich 
gen Polyphont), ift mehr heldenkuhn als ſittlich erhaben zu ne 
nenjungfrau" fehlt auch das. Der König vernichtet ein grau⸗ 
die Liebenden trennt. In den „Dageflolzen” beflegt der ſchi 
Vorurtheil, und iſt alfo hier von Exhabenheit ebenfalls nicht d 
griff des Schauſpiels füllt jedoch den Spielraum nicht aus, n 
zroifchen Komödie und Tragödie findet. So 5.8. ift Goͤth 
Anlage zum Trauerſpiel, weber das, noch auch im oben fü 
Scqhauſpiel, weil der Ausgang ber Fabel, welche in einem Sti 
mit Standesfchranten befteht, weder glädlich noch unglücklich 
iſt. — Im der Sprache der Theaterpraxis wird das Schauſp 
deutung gewoͤhnllch in das reciticende Schaufpiel (auch Sd 
nannt) , in die Oper und das Ballet eingetheilt. Dan verfi 
eine theatraliſche Darftelung, welche Ihren Gegenftand hau 
und Handlung dem Ohr und dem Auge verfinnlicht, weiches | 
ch durdy Gefang und im Ballet duech Tanz (beide mit G 
fSieht. Die verſchiebenen Gattungen des recitirenden S 
fe, Komödie, biftorifeje® Schaufplei Schauſpie in dem 
fplef, comedie larmoyante), wohin aud) da® gewöhnliche R 
m , ferner das dramatifche Jdyl. Schäferfpiel (fe 
— — 


Schaufpiel 708 


ufhörlich in Spannung und Erwartung erhalten werden. Vor Allem aber ift 
uheit der Handlung dem bramatifchen Bebicht nothwendig. Nur eine Haupt 
idlung, in welcher die zu verfinnlichende Idee ſich Elar ausfprechen foll, auf wel⸗ 
ſich alle Nebenhandlungen beziehen, muß zum Grunde lieg, bamit nicht das 
kereſſe getheilt und geftört werde. &o muß auch die Handlung ganz und voll⸗ 
Dig fein. Dan muß den Anfang, die Triebfedern und den Fortgang ber Hand⸗ 
g wahrnehmen und über nichts Wefentliche® in Ungewißheit bleiben. Die Bes 
tung der Einheiten (f. d.) der Zeit und des Orts, welche man ehebem ſtren⸗ 
‚ twar bei den riechen und Römern wegen der Einrichtung ihrer Buͤh⸗ 
mb der befländigen Anwefenheit des Chors durchaus nöthig. Jetzt hält man 
auf weniger fireng; und bie neuere Einrichtung unferer Bühnen verftattet dem 
Beer mehre Freiheiten, fobald die Beibehaltung der nämlichen Scene und eine 
ſteenge Beſchraͤnkung der Zeit größern Schönheiten im Wege ftehen wuͤrde. 
m muß jedoch die wirkliche Zeit der Vorftellung von der fcheinbaren Zeit des 
Haufs der ganzen Handlung ımterfcheiden. Öftere Veränderungen bes Orts ber 
Bine muß der Dichter waͤhrend der Aufzüge wo möglich vermeiden; wenigften® 
fie nicht fo plöglich und unwahrſcheinlich geſchehen, daß fie die Taͤuſchung 
ufchauer ftören und ihr Intereſſe vermindern könnten. — Um dem dramatis 
m Ganzen Zuſammenhang zu geben, muß der Außarbeitung eines dramatifchen 
dichts ein wohl Überdachter, in allen feinen Einzelnheiten georbneter Plan vors 
Bir In der Ausführung muß man alles Widerfprechende, Gekuͤnſtelte und 
befcheintiche, und Reden, welche weder in der Handlung noch in dem Charak⸗ 
Perſonen ihren Grund haben, vermeiden; Nichts thut der Wirkung eines 
tifchen Gedichte auf der Bühne mehr Schaden, als gebehnte und überflüffige 
dungen, die den Fortgang der Handlung aufhalten ; auch die glaͤnzendſten 
Mfprüche Eönmen den Zufchauer für eine auf ſolche Weife hingehaltene Erwar⸗ 
nicht entſchaͤdigen. — Aus den Hindemiffen, welche fi) der Haupthandlung 
ama entgegenftellen, entfpringt die Verwickelung oder Schürzung des Kno⸗ 
welche in jedem Schaufpiele nothwendig Ift, falls es die Aufmerkſamkeit der 
zer erregen foll. Doch ift die Verwickelung nicht in allen Schaufpielen gleich ; 
kauerfpielen ift fie beffer ganz einfach, denn hier würde ein allzu verfchlungener 
en unfere Aufmerkſamkeit fo ſehr beſchaͤftigen, daß der Zweck der Ruͤhrung 
bit würde, indem Nachdenken und Ruͤhrung nicht gut neben einander beſtehen 
a. Cine zu vielfache Verwickelung kann aber auch dem Luftfpiele ſchaden, und 
es fogar vortheithaft, den Zufammenhang mancher verwidelten Umſtaͤnde 
den handelnden Perfonen, als den Zuſchauern räthfelhaft fein zu laffen, vors 
Ich wenn durch die Entdeckung bie Rührung befördert wird, die allemal flärs 
anhaltender wirkt als flüchtige Überrafhung. — Unter Auflöfung wird 
Begräumung und Hebung der Dinderniffe, die ſich der Haupthandlung in bem 
legten, verftanden. Diefe Auflöfung darf nie gewältfam gefchehen durch eis 
kofen Theatercoup (f.d.); ihr Keim muß gleichfam ſchon in der Haupt 
mg ſelbſt, in dem Charakter der Perfonen und in ihren Verhältniffen legen. 
Auflöfung von fremder Hand, ein Deus ex machine, iſt am wenigften im 
in Drama zuläffig. — Die Zahl der Perfonen wird durch ihre Nothwendig⸗ 
e Ausführung der Haupthandlung beftimmt. Mehre als dazu erfobert wer⸗ 
> überfläffig und fehlerhaft, denn fie zerſtreuen die Aufmerkfamteit des Zus 
—* und leiten dieſelbe von dem Hauptgegenſtand ab, wodurch Immer bie Er⸗ 
des Hauptzwecks vereitelt wird. — In den Charakteren vorzuͤglich muß 
, der in dem Schauſpiel ein poetiſches Wild des Lebens aufſtellen ſoll, 
Rate folgen und die Reben und Handlungen der Perfonen ihren Geſinnungen 
ur anpaffen; vor Allem aber nach jener dramatifchen Objectivität ſtreben, bie 
auur die angeführten Perfonen nad) Ihren Geftnnungen und Bertätuifen, 





















710 Schauſpiel 


nicht aber bloß den Dichter ſehen und hören läßt. Obgleich bie Chatakter 
im Guten als im Schlimmen — ſchaͤrfer gezeichnet fein müffen, als 
Wirklichkeit ſich äußern, fo muͤſſen fie, wenn fie Theilnahme erregen ſi 
nicht in das Phantaftifch-Beftandlofe übergehen. Auch hier muß bie ı 
Natur treu, wenn aud zufammengebrängter in ihren Außerungen, 
werden. Hat der Dramatiker bie Perfonen aus der wahren Gefchichte ı 
fo ertheilt er ihnen ihren hiftorifchen Charakter. Doc, fteht es ihm frei, 
feinem Zwecke entfpricht, ihnen einige von dem Gefchichtlichen abweic 
beizulegen. — Von den Berhältniffen oder Situationen, in melde | 
feine Perfonen verfegt, hängt auch befonders die Äußerung und Entwid 
Charaktere ab. Deßhalb müffen die Situationen auf eine Eräftige, 
dringende Weife angelegt fein. Nicht ber Gontraft allein, worin die ver! 
gen Charaktere gegen einander flehen, fondern derjenige, in dem fie zu 
tuationen fich befinden, dieſes Kämpfen und Ringen gegen die Verhaͤltr 
gen das Schidfal felbft, macht eine bramatifche Dichtung fo anziehent 
kann auch der Contraſt der Charaktere feibft fehr vortheilhaft wirken, 
lestere nicht allzu abflechend gegen einander fein. — Sowie der dran 
ter forgfältig auf richtige Zeichnung und Haltung des Charakters der | 
Derfonen achten muß, fo ift auch die Beobadhtung des Co flums 
Pflicht, befonders dann, wann der Stoff aus ber wahren Geſchichte 
if. — Die Äußere wefentliche Form jedes Schaufpiels ift dramatifche 
d. i. ein ſolches, wo waͤhrend und mittelft der Unterredung felbft zwiſch 
chenden Perfonen eine Handlung oder Veränderung ihres Zuftandes ı 
- ausgeführt wird. Das dramatifche Geſpraͤch (d. h. Dialog, f.d.) £ 
durch daffelbe außzuführende, gegenwärtig gefchehende Handlung zum © 
daher bewirkt und veranlagt e8 die Handlung ihrer Entftehung und ihr: 
nad. Das deamatifche Geſpraͤch muß die Denkart und den Gemuͤth 
redenden Perfonen richtig darſtellen; fie müflen fo fprehen und ſich fo 
wie fie in der Wirklichkeit unter benfelben Verhältniffen und bei ben 
Charakter es thun würden. Dadurch erhält die Unterredung Manı 
Mahrheit und Individualität, und deßhalb muß der dramatifche D 
aufmerkfam auf das Benehmen und die Gemütheäußerungen der M 
Ihren verfchiedenartigen Verhältniffen, ihrem Alter und Temperament 
gend muß der Dialog auch natürlich und einfach fein, er muß im ri 
hältniffe zur Handlung, zu dem höhern oder geringern Grade der Leid 
fu dem aͤußern und innern Zuftande der Perfonen ſtehen. Die richt 
8 Dialogs trägt ungemein viel zur Erhöhung des Intereffes bei. 9 
(vgl. d.) oder Selbfigefpräche, worin nur Eine Perfon für fidy oder zu 2 
die jedoch nicht gegenwärtig find oder an dem Selbftgefpräche keinen un 
Antheil haben, darf der Dichter nur da einmifchen, two die eingeführte ı 
fon in einem fo leidenſchaftlichen Gemuͤthszuſtand ober in ein fo vert 
denken über ſich und ihre Rage gerathen ift, daß der Ausbruch ihrer En 
und Worte, die eigentlid, Niemand vernimmt, wahrſcheinlich wird. I 
ift der Werth der Selbftgefpräche, wenn fie zum Fortgange, der Handlı 
Entwidelung der Leidenfchaft des Redenden mitwirken. Die Sprache 
nologen muß nicht periodifch und ausführlich, fondern kurz, abgebroche 
den ausgedruͤckten Geſinnungen ſtark und forteilend fein. Durch die 8 
che Beberden, Bewegung und Thätigkeit mit der Rebe verknüpft, wird 
tifche Vorftelung lebhafter, wahrer und eindrüdlicher. Sie muß daher d 
fpieldichter immer vorfchweben, der auf der Bühne Wirkung zu mad 
Übrigens wirb Gefpräh und Handlung jedes Schaufpiels in Aufjäge « 
und diefe wieder in Auftritte ner Scenen vertbeilt. Im Luflfph 


Schaufpiel, Tragödie 711 


Juͤge gewoͤhnlich 5, 3 oder 1, felten 2 oder 4; das Trauerſpiel hat gewoͤhnlich 
Die ernfihafte Oper 2 oder 3, umd die fcherzhafte fo viel wie das Luſtſpiel. Die 
hl und Länge der Scenen ift unbeflimmt, denn hier entfcheidet allemal das 
uhefnig des Stoffe; ebenfo unbeflimmt ift auch die Zahl der Auftritte oder 
mem eines Aufzugs, denn dies richtet fich gleichfalls nach der Beſchaffenheit 
Handlung und der Schidlichkeit des Auffhubs oder Stillſtandes derfelben, 
Im die Abtheilung der Aufzüge immer gegründet fein muß. — Jeder Aufzug 
ct hingegen hat, wenn das Schaufpiel deren mehre enthält, feinen beſtimm⸗ 
Antheil an dem Sanıen. Der erſte Aufzug macht den Zufchauer mit dem In» 
u des Studis, den theilnehmenden Perfonen und Mitteln, wodurch die Hands 
zausgefuͤhrt werben fol, bekannt. Dies geſchieht am beften durch Geſpraͤch und 
itigkeit der Perſonen felbft, nicht durch Befchreibung und Erzählung, und wird 
Brpofition oder Einleitung zur Handlung genannt. Auch muß ſchon hier die 
ssidelung der Dandlung beginnen. Perfonen, von denen nicht bereits in dem 
w Aufjuge Rede, oder die dort nicht vielleicht fchon felbft thätig waren, dürfen 
Blegel nach nicht in den folgenden Aufzügen erfcheinen. In den legtern nimmt 
Berwidelung zu, die Dandlung wird immer lebhafter, die Aufmerkſamkeit und 
Bartung der Zufchauer immer gefpannter, bis fie durch die Auflöfung, welche 
Bam Schluß des legten Acts erfolgen darf, befriedigt werden. Diefe Auflöfung 
Boouftändig fein, und hat fie einmal flattgehabt, fo darf keine neue Verwicke⸗ 
B beginnen, da hierdurch die Einheit der Handlung zerftört werden wuͤrde. Übri⸗ 
B find die Auftritte oder Scenen nicht als abgefonderte Abfchnitte und Stuͤcke 
Mufsüge, fondern als gemeinfchaftliche und einwirkende heile eines Banzen zu 
. Deßhalb müffen fie auf da® Engſte mit einander verbunden werben, in 
bergehenden Auftritt muß immer der Grund des nachfolgenden fein. Ohne 
lich angedeutete Veranlaffung dürfen überhaupt keine Perfonen auftreten 
eben. Auch darf die Bühne am Schluffe eines Auftritt, der nicht zugleich 
zug felbft befchließt, nicht leer bleiben; denn dadurch würbe die Handlung 
unterbrochen und ihr Fortgang unwahrfcheinlid, werden. — SBeildufig bes 
wie noch, daß die Benennung Scene einen weitern Umfang hat als der 
‚ den wir mit Auftritt verbinden. Unter Scene verſteht man nicht bloß ben 
genannten Theil einer bramatifchen Dichtung und Vorftellung, fondern auch 
E 9 







e felbft, und in noch ausgebehnterm Sinne fogar den Ort und das Land, 
andlung bed Schaufpiels vorfällt. — Das Erauerfpieloder die Tras 

te (f. d.) ift die dramatifche Bearbeitung einer erhabenen Sandlung, weiche in 
BRampf einer oder mehrer theilnehmenden Perfonen mit dem durch Leiden 
Men oder Verkettung der Umftände herbeigeführten Schickſal ihren Grund hat; 
nur darin kann der Menſch feine Kraft und Sittlichleit bewähren. Und bies 
f iſt um fo erhabener, je mehr, je größer und fittlicher die kaͤmpfenden 

find. Das Gemuͤth des Zuſchauers fuͤhlt ſich erhoben durch die Kraft, 

der Menſch in dem Streite mit dem Schidfale oder der Leidenfchaft beweiſt, 
igt, in gleichem Falle mit gleicher Kraft gegen die dußere Nothwendig⸗ 
anzukaͤmpfen. Ein unglädlicher Ausgang ift kein wefentlicheß Erfoderniß des 
Mesfpiels ; aber ein ernfler Ausgang ift durchaus nothwendig, damit nicht bie 
ma Zufchauer erregten Gefühle der Beforgniß, des Mitleidens und beſonders 
Fehebung des Gemuͤths, welches der Hauptzweck jeder Tragödie ift, wiederum 
bet werben. — Hieraus ergibt fi), da die Wahl de Gegenftandes von ber 
en Wichtigkeit iſt. Der Zrauerfpieldichter kann feinen Stoff aus der Geſchichte 
Ben oder ihn ſelbſt erfinden. Im erftern Kalle ſteht es ihm, wie jedem andern Dich» 
zei, die Begebenheiten und Charaktere anders zu ordnen und zu halten, als fie 
x Sefchichte erfcheinen, nur muß er in der Veränderung wirklicher und in der Hin⸗ 
Ihtung neuer Umftände vorfichtig fein, damit die innere Wahrheit nicht verlent. 





hiorijce Dyauıpieı gemigje Yanvıungen und wrrigme mmep 
lichen Standpunkte auffaßt und dramatiſch vergegenwaͤrtigt 
Wichtigkeit der Handlung zunaͤchſt in dem hohen Grade der Th 
Anftrengung ber handelnden Perfonen, und in der Gluͤcksveraͤn 
durch bewirkt wird; die Theilnahme der Zufchauer aber Bann fe 
böht werden, wenn ber tragifche Dichter eine ſolche Begebenhel 
ober in ihren Kolgen einen beſonders großen und merfwärbig 
Menſchheit gehabt hat. — Die Handlung des Trauerſpiels vorn 
geſchloſſenes Ganzes ausmachen, beffen Theile mit einander in g 
und in ſolchem Verhättniffe ftehen, daß keiner derfeiben ohne 
Störung des Ganzen wegfallen kann. Bei dem Mangel ein 
fangs der Handlung wuͤrde der Zufchauer ſich die Thaͤtigkeit 
Perfonen nicht erklaͤren koͤnnen; er würde ungebulbig werden. | 
ihn ſchon fruͤhe mit der Veranlaffung jener Thätigkeit, mit der W 
lung, ſowie mit den Mitteln und Hinderniſſen derſelben bekam 
ſes gefchieht, wie oben gefagt, durch die Erpofition, und fie | 
fange durch Unterredung ber theilnehmenden Perfonen ſtatt 
bes Trauerfpiels find ferner die Peripetie (f. d.) oder Gluͤck 
die Kataſtrophe, welche zum Ende führt. Erſtere muß, wie d 
natürliche und vorbereitete, nie Durch bloß wundervolle Mittel 
den. Kataſtrophe aber nennt man im Trauerſpiele denjenigen 
in den Schickſalen der Hauptperfonen eine wichtige und ent 
rung hervorbringt. — Auch in Hinfiht der Einheit der Hant 
Trauercſpiele daffelbe erfodert, was wir deshalb Im Allgemein 
führt Haben. Um diefe Einheit nicht zw verfehlen, muß der T 
Zuſammenhang der Handlung gehörig überdenken. . Hier muf 
Augenmerk auf die Haupthandlung und bie Hauptperfonen rich 
Vorfälle und Nebenperfonen zum Vorthell jener benugen, ob 
texeffe des Zuſchauers zu theilen ober zu ſchwaͤchen. — Was bi 
fo find weder volltommen tugendhafte, noch durchaus lafterhaf 
Zrauerfpiel geeignet; den erftern fehlt es an Wahrſcheinlichkeit, 
Bewunderuna. aber feine Theilnabme: die aanı bößartiaen k 


Schaufpiel, Tragödie 718 


zagifchen Perfonen beilegt , zur Groͤße ihrer Sitten bei; obgleich eben nach 
Berfchiedenheit des äußern Ranges und des Wirkungskreifes der Unterfchieb 
a beroifchem und bürgerlichen Trauerſpiel biß jegt flattgefunden hat. Doc 
Dichter fich bei ber Größe der Sitten in Acht zunehmen, daß er nicht ins 
uerliche verfalle. — Die dichterifche Wahrheit der Sitten ift die oben vers 
Ubereinſtimmung ber Reben und Dandlungen der Perfonen mit ihren Ver 
en und ihrem Charakter. Außerdem muß ber Dichter den Charakteren Con» 
id Mannigfaltigkeit, und jene Grundzüge moralifcher Güte geben, welche 
egung ber Teilnahme, bes Mitleid und der Beforgniß fähig find. — Der 
sch und die Sprache des Trauerſpiels müffen dem Stande, dem Charakter 
u Gemuͤthszuſtande der tragifchen Perfonen gemäß fein. Fuͤr das heroifche 
ſpiel iſt die metrifche Form am vortheilhafteften; doch findet dieſe auch bei 
wgerlichen fatt, obgleich man bier häufiger die profaifche Einkleibung wählt. 
w Deutfchen find die fünffüßigen Jamben von verfchiebener Länge die ges 
chſte Versart. Doch haben ſich Neuere, nach dem Vorgarige der Spanier, 
er gereimten Trochaͤen mit Wirkung bedient. — Urfprünglich waren bie 
vien gemifchte lyriſche und erzaͤhlende Gefänge zur Ehre des Bacchus bei dem 
er Weintefe, wie noch der Name andeutet. Die Spuren diefes feftlichen Urs 
& der griech. Tragödie verloren ſich nie aus derſelben; und die Begleitung von 
md Muſik blieb, fo lange noch ein griech. Trauerſpiel aufgeführt wurde. (S. 
chiſche Literatur.) Die Erfindung der Tragödie bei den Griechen ſchreibt 
nwöhnlich dem Thes pis zu (f. d.); ihm folgte Phrynichos. Der wirkliche 
Her der Tragoͤdie war Aſchylos (ſ. d.). Thespis hatte nur einen Schauſpie⸗ 
Rreten laffen, der durch bloße Erzählungen, die er von Zeit zu Zeit herfagte, 
ber ablöfen mußte, um der Vorftellung mehr Reiz zu geben. Äſchylos vers 
ke die Darftellung in wirkliche Handlung , indem er noch einen zweiten, auch 
nen dritten und vierten Schaufpieler gebrauchte, den Dialog erfand, und, 
De Sreigebigkeit des Staats unterftügt, der Aufführung mehr Würde vers 
. Mun ward einer feiner Schaufpieler ber Held des Stuͤcks und erregte vor: 
bie Aufmerkſamkeit und Theilnahme der Zufchauer. Der Chor bekam eine uns 
dnete Rolle, und die Sefänge deffelben wurden abgekürzt, obgleich fie immer 
werhaͤltnißmaͤßig ang und im höchften lyriſchen Schwunge abgefaft waren, 
R ſich bisroeilen im Dialog findet. Äfchylos fah uͤberhaupt mehr auf Größe 

Schönheit; er erſchuͤtterte und flößte mehr Entfegen als Rührung ein. Im 
erfpielen find noch viele Spuren von Rohheit; allein es herrſcht auch ein Reich» 
roßer und auffallender Züge barin. Die Handlung ift überaus einfach, ohne 
Beiung. Der Chor befchäftige fich nicht mehr mit Abfingen von Gefängen, 
den Inhalt des Stuͤcks Leinen Bezug haben, fondern er gehört sum Banien, 
Bertraute der handelnden Perfonen, der Rathgeber der Könige, der Tröfter 
südlichen, das Schreden der Tyrannen. Äſchylos führte ſtatt der Wein⸗ 
womit die Schaufpieler des Thespis ihr Geſicht beſchmierten, die Larven ein, 
mte durch lange fchleppenbe Gewaͤnder und hohe Kothurnen den erhabenen 
und das ſtolze majeftätifche Anfehen, welches man dem alten Heroen beilegte, 
Statt des ehemaligen ſchlechten Bretergerüftes erhielt er eine mit Mafchinen 
xorationen verfehene Bühne, und feine Schaufpieler übte er faſt immer felbft 
Derlamation. Ihm folgte Sophokles (f.d.), ein vorzuͤglicher Meifter 
zifchen Kunft, welcher Größe und Schönheit zu vereinigen, und die Leiden: 
n der Theilnahme, bed Mitleidens und des Bedauerns auf das innigfte zu ers 
pußte. " Curipides (ſ. d.), weniger erhaben und groß ale Afchylos und 
‚led, verfland vorzüglich die Kunſt zu rühren, allein in der Anordnung f. 
ewar er weniger gluͤcklich, verlegte oft die Wahrfcheinlichkeit und die Einheit 
mdlung, und verfehlte nicht felten die Aufloͤſung des Knotens. Durcdy Tele 





ſchen nad} demſelben bald mit gemuͤthlicher Laune, bald ı 
als etwas fich felbſt Aufhebendes dar. Der Begenftand | 
iſt fo das Privatleben der Menſchen, ſowol der Hödhften ı 
allen ſich dort Äußernden Thorheiten, Fehlern, Worurtheile 
bloß das Lächerliche, Einfeitige und Haffenswürdige, aud 
dige und Gefällige in den menſchlichen Lebenstoeifen liegt ix 
die, und oft werben in berfelben Charaktere und Vorfaͤl 
Wirkung dargeftelt. Denn man würde den Begriff dei 
ſeht beſchraͤnken, wenn man bloß das Lächerliche darunter 
Dichter kann die Handlung des Luſtſpiels entweder ganz : 
der Wirklichkeit einen Stoff zur Bearbeitung wählen. Xı 
Komödie erfunden iſt, wird das Luſtſpiel treffend, angieher 
Beziehung auf folche Begebenheiten und Perſonen, bie de 
tig, und als Vorfälle und Perfonen aus der gegenwärtig 
Jedes Volk und jede Zeit haben ihre Sitten, ihre Gebraͤn 
Anftändigen und Unanftändigen; daher kann der Luſtſp 
wenn bie Haupthandlung, die Perfonen und die Scene fi 
find. Durch zu großes Anfchließen an ben gefelfchaftlichen 
ſteht jedoch das zwar feine, aber auch unpoetiſchere Co n ve 
in welchem Alles auf Gewandtheit der Intrigue, Charakı 
Einzelnen beruht. — Das Komiſche des Luſtſpiels wird en 
tere, ober die Situationen, oder durch beide zugleich erz 
tung des Komiſchen, welche nämlid durch den Gontraft dei 
tuation hervorgebracht wird, ift gewiß die wirkfamfte. 
Komifche in das hohe und niedere ein: eine Eintheilung, d 
der vorgeftellten Perfonen, fonbern nach der Beſchaffenhe 
Behandlungsart zu beftimmen iſt. Doch fallen bie Grenze 
das Niedrigkomifche, welches aber nicht in das Gemeine un 
in einem Luftfpiele herefchend ift, fo heißt es eine Poffe 
Ein Charafterftüd nennt man hingegen ein ſolches Sch 
hauptſaͤchtich feinen Steig auf Darflellung und Entwideln 


Schaufpiel, Komoͤdie 715 


ſtuͤck. Die Verwickelung (der Knoten) oder die Intrigue bes Luſtſpiels ent⸗ 
aus der Anordnung und Verflechtung der einzelnen Vorfälle und Begeben⸗ 
woraus die ganze dramatifche Handlung beſteht, durch bie Spannung und 
ng der Ungeduld des Zufchauers in Hinficht des Ausgangs. Durch Mit 
g der verfchiedenen Situationen und Charaktere und durch die allmälige He⸗ 
er gegen die Haupthandlung erregten Schwierigkeiten, aber nicht auf eine ges 
ne Weife, muß die Auflöfung des Knotens erfolgen. Die Verwickelung fos 
} die Auflöfung müffen nicht bloß im Reiche der Möglichkeit liegen, fie müfs 
b als ein natürliche® und wahrfcheinliches Ergebniß aus dem Bau des Gan⸗ 
a8 den Charakteren, Begebenheiten und Situationen hervorgehen. Sowie 
: Haltung und Darftellung der Charaktere, Leidenfchaften und Begebenhei⸗ 
ſentliche Exrfoberniffe eines guten Luſtſpiels find, fo wird aud bie Wahrſchein⸗ 
der Daupt = und Nebenhandlungen dann um fo mehr erfodert, wenn der 
aus dem gervöhnlichen Leben genommen wird. Nur muß biefe Wahrfcheins 
‚nicht zum Semeinen, oder gar zum Ekelhaften hinabfinten, obgleich ein ges 
Brad von Übertreibung bei Schilderung der Charaktere und Begebenheiten 
Rafgabe des Stoffes fattfinden ann. Die feltener und vereinzelt ſich Außern» 
mifchen Charakterzüge können naͤmlich mehr gehäuft und verftärkt, die Wer: 
magen dazu mehr vervielfacht werden, um den Charakter von allen Seiten 
uch allen feinen Abflufungen zu zeigen; nur darf die Schilderung, außer in 
— Poſſe, nicht in Caricatur oder Übertreibung jeder einzelnen Cha⸗ 
ung fo ausarten, daß die innere Wahrfcheinlichkeit durchaus verloren 
„Nicht minder wird vom Luflfpiel Einheit, Vollſtaͤndigkeit und Intereſſe der 
8 gefodert. Die mit der Haupthandlung verbundenen, ober in diefelbe 
Mebenhandlungen oder Epifoden müffen jener beftändig untergeordnet 
und fo wenig ihre Fortfchreiten hemmen, alß ihren Zufammenhang unters 
— Der Dialog des Luftfpield muß den Charakteren, den Verhältniffen 
Denſchaften der redenden Derfonen, ihrer jedesmaligen Lage und der Sprache 
Rufchaftlichen Lebens gemaͤß, dabei lebhaft, abgerundet und natürlidy fein. 
u Griechen und Römern waren die Buftfpiele durchgehends metriſch, die Neu⸗ 
aten diefe Form nach, jegt wendet man gemöhnlich nur bei kleinern, feinen Luft» 
die mietrifche Form (de6 Alerandeiners) an. Ertheilt audy der profaifche Dias 
Nachahmung einen höhern Grab von Natürlichkeit, fo kommt fie doch dem 
m Leben leicht zu nahe. — Der Willkuͤr des Dichter ift faft ganz die Wahl 
els für fein Luflfpiel überlaffen ; wenn nur von dem Inhalte oder Ausgange 
icks nichts im Voraus verrachen wird. — Nicht bloß Beluftigung und Uns» 
tg der Zufchauer, fondern mittelbar auch ihre Belehrung und fittlihe Vers 
ig durch lebendige Darftellung menfchliher Güte, Thorheit und Untugend, 
ed) Aufdedung und Entwidelung der verborgenen Falten des menſchlichen 
z iſt Endzweck des Lufifpiels. Diefer Endswed kann aber nicht durch Ealte, 
uch noch fo glänzende, Gemein⸗ und Sinnfpräche, nicht durch moralifche 
tungen, fondern hauptſaͤchlich nur durch das Beifpiel der in Handlung und 
keit geſetzten Perfonen erreicht werden. — Übrigens hängt die Wirkung des 
18 bei der theatralifchen Vorftelung hauptſaͤchlich von der mimifhen Dar⸗ 
ab. Hierauf muß der Luftfpieldichter Rüdficht nehmen, und durch Andeu⸗ 
8 mit der Unterredung zu verbindenden Spield dem Lefer fomol als dem 
pieler zu Hülfe tommen. Der Schaufpieler kann aber die Wahrheit und 
ung bes Stuͤcks durch eine leichte, lebhafte und natürliche Darftellung, die 
6 Leine Kunft ahnen laffen darf, fehr heben. — Den rohen Anfang der Ko» 
yei den riechen findet man um 580 v. Chr. bei Thespis's Zeitgenoffen Sufa> 
ber auf einem Bretergeräfte die Thorheiten und Lafter feiner Zeit ſchildernd 
g. Die urfprängliche Form des Luſtſpiels unterfcheibet fi) von ber gegen: 





NG) DIE Briußigung UFO GLLNCJER KENUUBITO aus. ELEN ma 
fhaften von Komödianten nad) Athen, wo fie von ber Regler 
den. Endlich wurde auch eine ordentliche Geſellſchaft von J 
errichtet, und mehre Veränderungen ber Komoͤdie wurde von 
Eine Hauptperfon, ein tanzender und fingender Chor, nı 
eine ſchicklich Bühne wurden für bie die eingeführt; ı 
Masken die perföntiche Satyre, welche In der alten Romdblı 
dern. (©. Kannegießer, „lÜber die komiſche Bühne von 9 
um 485 v. Chr. führte die Einheit der Handlung ein und 

der Form des Trauerſpiels. Geine Komödien wurden in Gı 
in Athen, mit Beifall aufgenommen, und unter ſ. Nachfolger 
mes, Magnes, Krates, Kratinus, Eupolis, Pherekrates 
Indeſſen blieb perfönliche Satyre nody immer ber Hauptg 
obrigkeitliche als Privatperfonen wurden mit Ramen genann 
alte Komödie ber Griechen war durchaus national und meit pol 
gebens wurde dies durch Volkobeſchluͤſſe und Befege verboten 
des peloponnefilchen Krieges erhielt die Komödie in riechen 
Es begann nun bie fogen. mittlere Romöble. Die neuem DI 
ihre Macht aud in diefer Rädfiche gu fichern, dem Wolle | 
regeln bet Regierung ferner zum Gegenftande des Spottes 
durchaus verboten, lebende Perfonen namentlidy auf die B 
der Chor, der bis jest der Haupturheber der Schmähungen 
abgeſchafft, dagegen kamen mit den allgemeinen Charakter 
Charaktermasten auf und die Bilbniffe auf den Larven verfd 
fophanes mußte fich in f. legten Städten diefer Weränberu 
fo trat an die Stelle der vormaligen Zuͤgellofigkeit mehr Anl 
Gegenftände des Luſtſplels wurden Indeffen immer noch, wi 
bel und Geſchichte genommen; aber die Schilderungen des & 
ten und Laͤcherlichen enthielten mehr allgemeine als individu⸗ 
kam ber Chor wieder zum Vorfchein, und alsdann wurden, 

fpiele und Gefang unter bie Declamationen gemifcht. Zu d 
riechen aehört (300 I n. Chr.) Menander. ber durch bie! 


Schaufpielfunft 717 


em Ohr und bem Auge zu verfinnlichen. Diejenigen, welche diefe Vers 
idurch bewirken, daß fie fich flellen , die von dem dramatifchen Dichter 
jebachten Derfonen zu fein, beißen Schaufpieler. Auf Verſtellung, 
ig fremder Einbildungskraft vermittelft der Sinne, des Gehoͤrs und 
yeruht fonach bie Ausübung diefer Kunſt. Daher bezeichnet im Grie⸗ 
nd daffelbe Wort (unoxgurrs) den Heuchler und den Schaufpieler. _ 
inte muß die Perſon, welche er fcheinen will, fich zuvoͤrderſt im Geifte 
ıd fie fodunn durch feine wirkliche Perſon, foweit es deren Beſchaffen⸗ 
yerfinnlichend darſtellen. Jene Thätigkeit des Geiftes, befonbers der 
:aft, heißt die Auffaſſung der Rolle (der geſammten Eigenfchaften ber 
8 handelnd gebachten Perfon) ; die legtgenannte Thätigkeit (des Gei⸗ 
8 zugleich) nennen wir das Spiel. Der höchfte Zweck der Auffaffung 
elung des Dichters von ber barzuflellenden Perfon mit ber Phantafie 
Das höchfte Ziel des Spiels foll fein, durch die Verfinnlichung ber 
ver eignen Vorſtellung von ber barzuftellenden Perfon) zu entſprechen. 
ie Kunſt des Schauſpielers in ber Theorie nichts Andres, als die Faͤ⸗ 
zedanken des Dichters in Bezug auf eine gegebene Perfon des Drama 
ımmtbeit aufjufaflen, des Dichters Vorftellung zu einer Vorftellung 
abildungskraft zu machen, unb biefelbe an ber eignen Perfon zu ver 
Beniger die zweite als die erfte diefer beiden Kähigkeiten iſt es, welche 
elee zum Künftler macht. Viele haben das Geſchick, Eigenfchaften 
Individualitaͤt, die fie beobachteten, an ihrer eignen Perfon nachzu⸗ 
iigen iſt es gegeben, eine dDramatifche Perfon in ihrer Ganzheit, alfo 
Zuſammenhange mit bem ganzen Drama, nach ber bürftigen Anleis 
en Buchſtabens lebendig in ber Einbilbungskraft wiederzugeben, und 
ve Nachſchoͤpfung an feiner eignen Perfon täufchend vor fremden Sin⸗ 
ten zu laffen. Das Geſchaͤft der Auffaffung ift es, welches von 
fodert, was die Erfindung und geiftige Geftaltung vom Dichter heifcht : 

möglichfler Ausbildung feiner geiftigen Kräfte. Das Gefchäft des 
Yarftellung) richtet feinen Anfpruch mehr auf Übung und Ausbildung 
Kräfte und Fähigkeiten, damit es der Einbildungskraft um fo leichter 
firhe Perfon zu Dem, was bargeftellt werden ſoll, und mithin zur Ver⸗ 
:010:5) zu beftimmen. Studium der Decigamation in Verbindung 
ober Geberdenſprache iſt das Wefentlichfte, weil beide die Grundbe⸗ 
Scaufpiellunft find (f. d.). Wie man feine Fähigkeiten zur Schaus 
onder# zur Darftellung einer gegebenen Rolle, prüfen, und bei Aus⸗ 
inſt vom Einſtudiren an bis zur wirklichen Aufführung in feinem In⸗ 
n möge, darüber findet fich eine Abhandl. in Mältner’s „Almanady 
nen” (1817). — So wenig die Schaufpiellunft als eine felbftändige 
den kann, dba fie nur in Verbindung mit der bramatifchen Poefie denk⸗ 
felbft beim Ertemporiren ann diefe nicht fehlen), und überdies ihre 
g nur in Verbindung mit denjenigen Hülfstünften und Handwerks⸗ 
reichen kann, welche bie gefammte Theaterkunſt ausmachen (z. B. Des 
tafchinerie, Coſtuͤmirung, Gefichtämalerei u. f. f.) , fo gewiß ift fie 
önen Künften die wirkſamſte; weil eben als Kunſtwerk nichte mehr 
hen wirken Bann, als der Menſch lebend durch den Menſchen barges 
Wirkſamkeit erklärt den Hang zu ihr, den wir bei allen gebildeten 
3. Ihr Keim liegt tief in der Natur des menfchlichen Geiſtes und Ge⸗ 
ſt der Keim aller ſchoͤnen Künfte überhaupt: der Trieb, unabhängig 
nge ber Wirklichkeit, von ihrer Nöthigung zu Gedanken und Empfins 
ätig zu fpiefen mit dem Schein. (Man vgl. Schiller, „Über die aͤſthe⸗ 
19 des Menfchen”.) Der Trieb, anzufchauen und zu erayfinben, waı® 


» 


ei 


N 
fi 
u 


a nen 





Die Theatergeſchichte aller Völker wird am Ende auf diefi 
ven laffen. Hiermit ift auch zugleich der Werth des Schau] 
Theater fol fo wenig eine Schule der Moralität fein, als 
barkeit, welche der Zerſtreuung, der Phantafterei, der Gen: 
das menſchliche Leben in einem geiftigen Spiegel darftelleı 
Zuſchauer die Lehre felbft abziehen mag. Nur Gebildetı 
Nugen Zufchauer fein, und die Bildung, die aus dem Gel 
fpieler fpricht, wird fie noch höher heben. Am meiften abern 
heit ergriffen werden, wenn Daß, was ihre gemeinfchaftl! 
Nationalleben und der Nationalcharakter durch das Schar 
wickelt wird. Daß das Theater aber nicht immer iſt und Leif 
iſt fein Werth oft in Zweifel gezogen worden. &. Staͤ 
Vorſtellungen von der Sittlihhkeit des Schaufpiels” (Börti 
fenberg, „Über dem fittlichen Einfluß der Schaublhne” ı 
Für die Theorie der Schaufpielunft mangelt ein vollftär 
fiem. Was Sonnenfels, Leffing, Göthe (in „Wilhelm Mel 
(„Stunblin. einer Theorie ber Schaufpielkunft”, Leipzig 179 
iand, Schink u. A. über diefe Kunſt geſchtieben haben, hat x 
zuſammenhaͤngendes, umfaſſendes Ganzes zu fen. Die € 
Sievers find unklar und verworren. Ein fpftematifches L 
Koller ankündigte, ift, obgleich größtentheil6 im Manuſcript 
Drud erfhienen. Die Schriften von Mercier, Dorat, Ric 
tealifhe Darftellung) handeln von ber Schaufpieli 
Nationen ſich geftaltete und auszuüben iſt. Bebeutender fi 
und Mülner. 

Schawl, der feinfte unter allen bis jegt bekannten ı 
her im Orient verfertigt wird. Die Wolle dazu wird in 
daſelbſt einheimiſchen Ziegenart gewonnen und heißt dort To 
feiner al6 das befte Biberhanr. In Cafhmir (vgl. Gafı 
daraus Kopftuͤcher gemacht, welche die Mongolen und Int 
Dufaten und darüber bezahlen. Auch zu ung uns ‚tommen ſoge 


udn beten Mat ut na Mike 


Scheeren 719 


n fi brachte. Er befuchte das Gynmaſium in Anfpach und kam 1778 
nkfurt a. M. in eine Ausfchnitthandlung ale Lehrling. Hier blieb er aber, 
alle Gelegenheit, etwas zu lernen, fehlte, nur 2 Jahre, und nahm dann 
sterricht. eine weitere Ausbildung verdankte diefer Sefhäftemann dem 
Resier’fchen Wechfelhaufe. Seit 1784 ftand er in einer Tuchfabrik zu 
mo er zugleich eine Stickereifabrik für eigne Rechnung führte. Dann übers 
die Bergwerke zu Trarbach an der Mofel in Gemeinſchaft mit dem Eigen: 
allein diefer war fo verfchuldet, daB Schäzler in mehre Proceffe verwickelt 
ıd fein ganzes. Vermoͤgen verlor. Endlich gab er feinen Antheil gegem eine 
ıg von faum 2000 Fl. auf. Mit diefer Summe legte S. den Grund zu 
achmaligen Vermögen. Er kam 1791 in das augsb. Wechfelhaus des 
Liebert, von dem er 1793 eine Tochter beirathete, und dem er bi8 1799 
fe beiftand. Am 1. San. 1800 grumdete er ein eignes Wechſelhaus, das 
in den Stand fegte, zu dem Wohle feiner Mitbürger Eräftig mitzuwirken, 
304 als Mitglied her Sublevationscommiffion, und 1805 als Mitdepu⸗ 
B Hanbelsftandes an Napoleon, woburd die angebrohte Befefligung der 
wie die Nieberreifung der Bartenhäufer und Fabriken abgewendet wurde. 
Heß Napoleon auf einen durch ihn veranlaßten günftigen Bericht der Stadt 
rg alle noch ruͤckſtaͤndige Foderungen, zufammen über 400,000 51. Als 
9 in Kolge des presburger Friedens 1806 mit Baiern vereinigt worben 
leten Schäsler und C. D. Earli diefem Staate durch Geldanleihen die ſich 
lonen beliefen, wichtige Dienfte. Der König ernannte daher Schaͤzler tar- 
wirkt. Sinanzrathe. In dieſer Eigenfchaft hat er mehrmals in Münden 
achten über Sinansgegmftände zum Protokoll gegeben. Auch nahmen 
und Garli an den Arbeiten der Commiſſion Theil, welche 1809 die Grund» 
inem bairifhen Handelsgeſetzbuche entwarf. Insbeſondere wurden nach 
'orfchlage feit 1809 E. bairifche Kronenthaler ausgeprägt. Übrigens trug 
em vaterländifchen Zwecke das Seinige nad) Kräften bei; dies bezeugen 
feinen Namen führende Suppenanftalt und eine von ihm imterhaltene 
»Induſtrieſchule für arme Kinder, in welcher er feit 1820 in Baiern zus 
wechfelfeitigen Unterricht eingeführt hat. Auch arme Kranke wurden viele 
durch anf feine Koften geheilt und erquickt. Wir erwähnen noch den vor⸗ 
rrch ihn wieberhergeftellten Wohlftand ber Weberzunft in Augsburg, We 
: 500 Webeftühle an 1500 Arbeiter befchäftigten; überhaupt ann der 
v. ©. für milde Zwecke ſeit 22 3. gemachte Aufpand auf 2 — 300,000 
ſchaͤtzt werden. Seine Mitbürger ernannten ihn daher zum Vorftande des 
tandes, dann zum Vorftande der Gemeindebevollmädhtigten, und 1819 
eordneten bei der erften Staͤndeverſammlung. In diefer ſprach er bei meh⸗ 
slaffungen feine Erfahrung aus, 3. B. über das Zahlenlotto, das Mauths 
m Wechfelftempel, die Errichtung einer Nationalbanf und die Staates 
tigung. 1822 begründete er In Augsburg eine Erfparnificaffe mit folchen 
nı für die Einleger, daß fie im März 1825 über 300,000 Fl. verzinfte, 
me Augsburgs Einw. daran Theil nehmen können. Diefer um feine Mits 
hoerbiente Mann ftarb zu Augsb. den 19. Mär; 1826. Sein Bildniß hat 
mm in Nümberg geftochen. Ein Sohn hat fi dem Staatsdienfte gewid⸗ 
beiden andern wurden von dem Vater am 1. Jan. 1825, bei der Feier bes 
Flores feines Dandiungshaufes, als Handlungsgefellfchafter aufgenommen. 
Heeren beißen die Seeklippen auf den Küften von Schweden und Finn» 
rzuͤglich vor Stodholm, welche fi 16 — 17 Meilen weit ins Meer er⸗ 
und die Einfahrt in die Häfen unficher machen. Daher die Scheeren⸗ 
die zur Dedung des Eingangs in bie Scheeren dient, und aus Fahrzeu⸗ 
be, die auch in dem feishten Waſſer ficher fortkommen. 





diefed militaleifchen kebensabſchaities 1765 ward ©. b 
als Secretait, 1767 zu Sumbinnen als Kriege: und Ste 
drang er in das Weſen aller Verhaͤltniſſe ein und fagte feine! 
1775 nahm er den Abſchied. Wol ex eine Penfion ve 
um biefelbe beantwortete Friedrich I. eigenhändig alfo: „, 
plagen, das ich en Kriegerath Penfion gebe, da noch So 

verforgt Syndt. Die 200 Thir. wehie einem Invaliden 
Seitdem lebte S. auf dem Lande von feinem Heinen Vermo 
auf, gemeinnuͤtzig wirkſam zu fein und machte ſich befondı 
des Landſchulweſens verdient. Briefwechſel, Umgang mit 
nern und gebildeten Officieren, literatiſche Arbeiten, Garteı 
tigten dem für Alles empfänglichen, ſich gern mittheilenden 

Alter noch thätigen Mann. Indem ex in der Einſamkeit fe 
tete wie ber Haushalter das vollendete Tagewerk, entſtand 
„Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es ſeibſt bi 
ausgegeben 1823 ; mit dem Portrait des Verf.). Man kor 
vor Scheffner's Leben fegen: „C’est iel un livre de bonı 
Dichter, Schriftfteller, Staatsdiener, Freimaurer und wo 
ter ftand ©. in ausgebreiteten Verbindungen wit ben aud 
und Frauen, von benen er in feiner Biographie viele nad) d 
Die verew. Königin von Preußen und ihre Schweſter, die je 
berland, gaben ©. Beweiſe der größten Achtung; der Ki 
durch Ertheilung des rothen Adlerordens dritter Elaffe. 3 
feiner Vaterftadt ernannte ihn zu ihrem Director und allen 

tag des verehrten Greifes ſtets ein hocherfreuliches Feſt. € 
gen Laufbahn erreichte, welche ex als Weiſer und ale Chr 
noch ein tiefer Schmerz feine legten Lebenstage treffen: fein 
Jahrhundert als treue und theilnehmende Gefäpstin ihm 
ihm 1815 durch den Tod entriffen. Ihr folgte ©. dem 16.1 
ſprach ſich an feinem Grabe die algemeine Verehrung aus. 

Schriften, bie zum Theil aus dam Buchhandel verſchwu 


Scheiden Schein 721 


en bes täglichen Bedarfs fällt zwar nicht fo ind Auge, wie der Großhandel ; 
einen Bütermaffen, welche hier im Verkehr begriffen find, gehen beinahe von 
Dand in die andre; allein gerade die Lebhaftigkeit dieſes Verkehrs im Kleinen 
tGrundlage eines jeden Verkehrs im Großen. Stodt daher, aus Mangel an 
WDemünze, der erftere Verkehr, fo muß nothiwendig auch der legtere floden. 
unfere Gewerbe müßten in Stillftand gerathen, verſchwaͤnde auf einmal unfere - 
idemuͤnze, die allein den Übergang der Erzeugniffe menfchlicher Betriebſamkeit 
u Kreis des Verbrauchs befördert. — Es ift aber nicht gleichgültig, in welchem 
lmiffe die Maffe von Münze aus edlem Metall zu der Maffe der Scheider - 
pe in einem Lanbe ſtehe, wenn der Zweck, nämlich die Ausgleichung der in den 
ſchverkehr gebrachten Werthe, möglichft vollkommen erreicht werden foll. »- In 
B Dinficht beteachte man folgende Fälle: Sobald größere Zahlungen mittelft 
eldemünze geleiftet werden, oder fobald die Metallmünze aus edlem Metall im 
Behr eine Aufmünze (Agio) gegen Scheidemünzen traͤgt, ift verhältnißmäßig zu 
eidemünze im Umlaufe; foba!d hingegen für Scheidemünze eine Aufmuͤnze 
wird, fobald ſchlechte Sorten und felbft falfche Scheidemüngen in Umlauf 
Mwerden, um nur der Verlegenheit bei Eleinen Zahlungen abzuhelfen, ift 
Bmig von dieſer Münzgattung im Lande vorhanden. Der Metaliwerth der 
kann übrigens fo unbedeutend fein, daß er gar nicht in Betracht 
Bf, und fie kann dennoch ihren Zweck, bie Ausgleichung der Kleinften Vermoͤ⸗ 
Weile unter den Staatsbürgern, volllommen erfüllen; benn während bei der 
» und Silbermünze immer der Charakter einer Waare vorherrſchend ift, fo iſt 
der Scheidemuͤnze immer der eines reinen Werthausgleihungsmittels. (Vgl. 
3 e.) Daß die k. preuß. nach dem Geſetz vom 30. Sept. 1821 ausgeprägte 
Bemünze (30 Sgr. auf 1 Thlr. Cour.) zu den beften gehöre, welche jemals 
W worden find, hat G. B. 2008 (f. preuß. Generalmardein) in einer Schrift 
we 1823) gezeigt. KM, 
B5cheiden heißt in der Chemie die Beftandtheile eines zufammengefegten 
S von einander trennen; die Chemie (f. d.) felbit wird von diefer in ihr 
gehoͤrenden Operation Scheidetunft gmannt. (Vgl. Auflöfung.) 
BS heidewaffer ift Salpeterfäure mit mehr (einfaches) oder weniger (dop- 
Scheidewaſſer) Waſſer verdünnt. Es wird durch Schmwefelfäure mittelft der 
ention in vorgefchlagenes Waſſer aus dem Sulpeter erhalten. Se reiner biefer 
Mo beſſer wird das Scheideivaffer. Im reinen Zuftande muß e8 Silber ober 
ne weißen Rüdftand klar auflöfen. Es dient als das vorzüglichfte Aufloͤ⸗ 
Bmittel der mehrften Metalle, und färbt Haut und Seide dauerhaft gelb. Koͤ⸗ 
maſſer oder Goldfcheidewaffer, das Auflöfungsmittel des Goldes umd des 
wi, wird aus Scheidewafler und 4 Salsfäure bereitet, auch dient ſtatt legtes 
zarhfalz oder Salmiat. ©. Simon’s „Kunft, Scheidewaffer zu brennen” 
Ben 1771). 
Scheidung, f. Ehe und Epefheidung. | 
Scheikh, Schech (arab.), fo viel ald Alter oder Ätefter, heißen die Be: 
maber arabifcher Stämme oder Horden. Sie find Außerft ſtolz auf ihren alten 
»orzüglich die Stammpäupter der Bebuinen. Einige von ihnen nehmen 
Den Titel Emir an, ohne zu Mohammed's Geſchlecht zu gehören. — 
Ukh von Mekka heißt der Zürft von Mekka, welcher fi, für einen echten 
Mesmling Mohammeb’s ausgibt und von ben Saravanen Geſchenke fobert. 
ennen bie Mohammedaner die Vorfteher ihrer Klöfter Scheikhs, und ber 
e Deufti wird zuweilen Scheith Ulislam (Oberhaupt ber Rechtgläubi: 


Benannt. 

WBchein, in pfochologifcher Hinſicht, ift das Verhaͤltniß der Gegenſtaͤnde 
Vorſtellen, oder Dasjenige an der Erſcheinung, wodurchh wie 

wy.:ßer. eher Auſi. Ri. IN —X 


722 Scheintod 


thum verleitet werden. Jeder Irrthum gruͤndet ſich auf einen Sche 
nicht ſelbſt und an fi Irrthum (ſ. d.). Ein Schein aber findet fat 
Erſcheinungen fo befchaffen find, daß einerlei Gegenflänbe verſchiedene 
ſchiedene Gegenftände einerlei Vorftellungen erwecken, ſodaß dadurch 
lende leicht verleitet wird, jene für verſchieden, dieſe für einerlei (inf 
Natur, Eigenfhaft, Urfache, Wirkung) zu halten. Wer nur nad b 
urtheilt, irrt, und hält einen Begenftand für Etwas, was er nicht if 
Bildfäule für eine lebendige Perfon), oder für Das nicht, was er body 
fern aber der Schein immer auf einem fubjectiven Grunde beruht, iſt 
der Schatten der Wahrheit, das auf der Oberfläche nachgeahmte ©: 
ſchwerer der Schein zu entdeden ift, deſto größer ift auch die Scheint 
defto verzeihlicher der Srrthum; je geringer der Schein, befto größer bie 
heit des SSrrenden. Um den Schein zu widerlegen, muß man die Urfad 
Eennen und ihn aufdedlen. Da der Schein ein fubjectives Verhaͤltniß i 
auch die Gründe deffelben zunaͤchſt in unferer auffaffenden umb erken 
tigkeit, fowie in dem ganzen WVerhältniffe unferer geifligen Kräfte. 
MWahmehmungsfähigkeit äufierer oder innerer Erfcheinung (innerer ı 
Sinn) hat ihren beflimmten Wahrnehmungstreis und Wahrnehmung 
was den dußern Sinn indbefondere betrifft, fo verurfacht 3. B. die befi 
Theil auch krankhafte, Befchaffenheit unferer Ginnesorgane auf ı 
Weife Schein. Hiernach gibt es einen optifchen, akuſtiſchen ıc. Schein 
das fubjective Verhalten unferer Sinnesorgane, 5. B. des Geſichts (f 
gentlichen Sinne von Schein die Rebe), zu ben Gegenflänben für ei 
Beſchaffenheit ber legtern nimmt, der irrt, durch Sinnenſchein verh 
dabei wirkt größtentheile die Einbildungskraft mit, welche die mangelha 
empfindung ausfüllt, das Gegebene vergrößert und bei der Vergleicht 
genftände Einbildungen unterfchiebt, die der Urtheilende leicht für € 
nehmungen hält. Ferner entfteht auch der Schein unmittelbar aus der € 
kraft (Schein der Einbildungsfraft), wenn bie Bilder derfeiben zu fl 
ſodaß fie an Lebhaftigkeit den Sinnesanſchauungen fid) annähern, oder 
Ideenverbindungen flatt Urtheile ſich eindringen. Das Gedaͤchtniß u 
nerungsßraft erzeugt den Schein, indem wir Dianches vergeffen, was u 
nicht vorhanden betrachten. Der Verſtand fördert den Schein durch 
Selbſtthaͤtigkeit, Mangel an Aufmerkſamkeit auf die Denkgeſetze (daher 
oder dialektifche Schein, der in ber Nachahmung der Denkformen beſt 
gel an Kenntniffen; fo auch Verwechſelung gewohnter Zeichen mit d 
und endlich die Herrfchaft ber Gefühle und Neigungen über und. Go 
haupt Schwäche und Krankheit des Erkenntnißvermoͤgens und bie v 
Lagen und individuellen Verhältniffe der Menfchen. Der Vernunftſch 
genfag des empitifchen, der durch die Erfahrung erkennbar ift, berußt a 
gung des Menfchen, geroiffe Vorftellungen des Überfinnlichen für ( 
gegenftänbe zu halten oder die Geſetze ber Wirklichkeit auf das Ideale au 
Der Schein verfchwinbet entweber, fobald er aufgebedt wird, dann nen 
Blendwerk, bei den Sinnesgegenftänden Betrug der Sinne oder richtig 
trug — denn der Betrug beutet mehr auf boͤſe Abſicht —, oder er bieil 
überlaffen uns ihm gern, dann wird er Jiluſion (f. d.) genannt, vor 
wir und ihm gem und abfichtlich hingeben. Einen foldyen bewirkt Die 
In phyſiſcher Bedeutung heißt Schein die Empfindung einer Licht 
biefe Lichtmaſſe ſelbſt in ihrer Beziehung auf das Gehen. 
Scheintod ift der Zuftand eines Menfchen, da alle Kuperung 
ben®, welche von andern Menfchen bemerkt werden koͤnnen, fehlen, ın 
Innetſten des Körpers nad) Leben voedxx it. Im einem folchen Zuf 


Scheintob | 728 


ſch völlig todt fheinen und doch noch leben. Die äußern Bewegun⸗ 
ſich das Leben offenbart, die Muskelbewegungen, der Gebrauch der 
Begenwirkung durch Sprache und willtürlihe Bewegung, das Ath: 
xme bed Körpers, die Möthe der Haut, das Schlagen des Herzens 
ien: alle diefe Erfcheinungen koͤnnen fehlen; find aber die innen Be: 
5 Lebens, unverlegte Organifation der zum Leben nothwendigen Theile 
ınd gehörige Befchaffenheit der Fluͤſſigkeiten deffelben, noch nicht fü 
en, daf fie des Lebens ganz unfähig find, fo ift wenigſtens bie Mög» 
ıden, daß auch in die Theile, welche ſchon leblos erfcheinen, das Leben 
kehren koͤnne. So fehen wir an einzelnen Gliedern, z.B. den Fin⸗ 
nd, den Füßen, den Ohren, daß fie von Kälte gleichfam abgeftorben 
ß fie gefuͤhllos, erftaret, ohne Wärme und ohne Bewegung find, und 
hre innere Organifation noch nicht zerftört ift, durch die gehörigen 
das volle Leben in ihnen zurüdgerufen werben kann. Wir fehen 
Ohnmacht, daß der Menfch einige Zeit ohne alle Äußerungen des Les 
ann, obgleich Niemand glaubt, daß kein Leben mehr in ihm fei, da 
' gemeiniglich nicht lange dauert, fondern alle Lebensäußerungen in 
‚ von felbft wieder einftellen. Indeſſen kann auch der Zuftand einer 
(ht fo lange anhalten, daß der Menſch wirklich tobt zu fein fcheint, 
ebenſo gut Leben noch in ihm verborgen fein al& bei einer kürzer vor: 
Ohnmacht. Ein Menſch, welcher in Aſphyxie (f.d.) liegt, hat 
Infang an ganz den Anfchein eines Leblofen, allein obgleich Viele in 
de wirklich geftorben find, fo wurben doch audy Manche gerettet und 
Leben zuruͤckgerufen. Gleiche Beifpiele des Scheintodes liefern und 
ı, von benen, bei gehöriger Behandlung, mancher wieder zum Leben 
} aber nicht allein aͤußere Einfläffe, fondern auch innere Vorgänge, - 
rrichtungen bes Lebens einige Zeit hemmen, einen tobähnlidyen Zu⸗ 
ingen koͤnnen, davon haben wir gleichfalls mehre Beifpiele. Hyſte⸗ 
Sperfonen verfallen nach heftigen Krämpfen und Verzudungen nicht 
nachten, aus denen fie fehr ſchwer und erft nach kanger Zeit wieder 
‚uch Katalepfie, Starrſucht, Starrkrampf, nimmt oft den Grad von 
b Hartnädigkeit an, daß ſolche Kranke von Unkundigen für tobt ges 
koͤnnen. Manche Perfonen, welche fcheintodt find, haben dabei ihr 
tfein, manche gar nicht. Unter denjenigen, welche fich bewußt find, 
ındhe noch eine Wahrnehmung von der Außenwelt durch das Gehör, 
allen Sinnen einzig und allein empfänglidy bleibt. Wenn aber aud) 
eintodte das Bemußtfein und das Gehör behalten, fo bleibt doch bei 
jlichkeit, aus diefem Zuſtande wieder in das Leben mit Bewußtſein 
en, und felbft im Grabe kann dies noch gefhehen, ba zumal das bei 
egraben der Leichen in Särgen es beguͤnſtigt. Die Wahrſcheinlich⸗ 
itodes ift nicht bei allen Todesarten in gleichem Grabe vorhanden. 
treibung, bei einem an unheilbarer Verlegung eine® zum Leben noth: 
ils Geftorbenen an Scheintob zu denken. Ebenfo wenig iſt er bei 
welche an langrvierigen Krankheiten, mit Zerftörung innerer Einge: 
en, an Lungenfucht, an Lebervereiterung u. dgl. m. litten, zu erwar⸗ 
ı wächft die Wahrfcheinlichkeit, wenn bie Perfon mit uͤbrigens gefun- 
zurch langwieriges Leiden nicht zerftörten Eingeweiden, an bloßer Er: 
kebenskraft oder Blutverluſt geftorben ift, und diefe Wahrfcheinlich- 
o cher als Gewißheit geachtet werden, je ſchneller jene Urfache bes 
des auf fonft gefunde oder doch mit imverlegten Eingeweiden begabte 
rkt haben, und noch mehr, wenn mehre dergleichen Urfachen ſich ver: 
aeiften hat man deßwegen Urſache, bet Wöchnerinnen anf der DULV 
AG * 


724 Scheinwechſel Scheller 


ſein, zumal wenn ſie mit Kraͤmpfen oder an Blutfluͤſſen ſtarben; uͤberhe 
Frauen mehr zum Scheintode geneigt als Männer. Auch anhaltender | 
verbunden mit nervenerfchäitternden Auftritten, ann Schwäche und Dim 
zeugen, welche legtere fo tief, fo hartnädig und anhaltend werben kann, ba 
Scheintode wird. Auch bei neugeborenen Kindern ereignet es ſich nicht: 
daß fie fcheintodt geboren. werden. Perfonen, von welchen man vermuth 
nur fcheintodt find, duͤrfen durchaus nicht von einem bequemen umb zwe 
Lager weggebracht werden, bis man alle mögliche Verſuche zu ihrer Wiedı 
gemacht hat. Aber felbft alsdann, wenn diefe vergeblich angemenbet we 
darf man fie nicht in das Grab legen, bis ein Sachverftändiger von ber Ü 
£eit, daß noch Leben in ihnen verborgen fein koͤnne, Gewißheit gegeben | 
Behandlung felbft muß fanft, gradmeife und kräftig, aber nicht ftürmifd 
wirrt unter einander gefchehen, damit durch ein tumultuarifche® Werl 
ſchwach und verborgen glimmende Lebensfunke nicht vollends erlöfche. ( 
digung.) 

Scheinwechſel, Kellerwechſel, f. Wechſel. 

Scheitelkreis, ſ. Verticalkreis. 

Scheitelpunkt, ſ. Zenith. 

Schelde (franz. Escaut), ein Fluß, welcher in dem franz. Dep 
auf dem Berge St.: Martin, aus einem Eleinen See bei dem Zleden 
entfpringt, bei Condé fhiffbar wird und bei St.⸗Antring in das Rönigreii 
deilande tritt. Bei Gent erhält bie Schelde eine beträchtliche Erweitern 
durch 2 große Sandle, welche die Verbindung zwifhen Brügge, Gent 
unterhalten, theils ducch die fhiffbare Ly8. Bei Dendermonde wich fi 
Dender verftärkt und bei Aupelmonde durch die Aupel, welche aus der V 
der Doyle und großen und Eleinen Netbe entfieht. Bei Antwerpen wird fi 
ſehr beträchtlichen Strome. Die Flut bed Meeres dringt nämlich bi 
Stadt hinauf, verfchafft bei derfelben der Schelde eine Breite von 1601 
fteigert ihre Tiefe von 30 auf 45 Fuß. Da biefe Breite und Tiefe noch 
gen das Meer hin zunimmt, fo wird Antwerpen dadurch zu einem gerdu 
fihern Seehafen. 4 Meilen nördlich von diefer Stadt theilt fich deri 
Oſt⸗ und Weftfchelde. Die legtere ift ber Hauptfluß, hat den Namen £ 
zwifchen Nordflandern und den feeländifchen Inſeln und verliert ſich bei 9 
in die See. Die erſtere windet ſich durch die feeländifchen Inſeln gleichf 
deutſche Meer. Beide Arme haben noch innerhalb bes feften Landes V 
mit den Ausflüffen der Maas und des Rheins. Die vornehmſten an d 
gelegenen Städte find: Cambray, Walencienned, Gonde, Tournay o 
nit, Oudenarde, Gent, Dendermonde, Antwerpen und Vlieſſingen. 
twurbe die Schelde durdy die 1784 und 1785 entftandenen Streitigkeit 
Öftreich die Aufhebung der feit dem meftfätifchen Srieden zu Gunften de 
Handels beftandenen Sperrung ber Scheide ımd durchaus freie Schifffah 
felben von den Generalftaaten der Republik Holland verlangte. Da bi 
im diefe Foderung nicht willigen wollte und Öftreich deffenungeadhtet 2 ©: 
von Antwerpen aus abfhidte, um auf ber Schelde in die See zu fahren 
ben beide Schiffe von ben Holländern durch Kanonenſchuͤſſe an der Fort 
ter Fahrt verhindert. Oſtreich fah dies als eine Kriegserklaͤrung an umd | 
pen zufammenziehen. Durch die Vermittelung des Königs von Franke 
jedoch die Streitigkeiten beigelegt. Gegen einige kleine Abtreteungen za 
lung einiger Geldſummen erhielten die Generalſtaaten von Öftreich, daß 
fernere Verſchließung der Schelde gefallen ließ. (Vgl. Antwerpen) 

Scheller (Immanuel Johann Gerhard), Rector und Bibliel 
Gpmnafio zu Brieg in Säylefien, gb. 1138 m Atem | e. Dorfe im fü 


Schelling 785 


Fe, wo f. Water Prediger war, legte den erfien Grund zu f. wiffenfchaftlichen 
Bang auf der Schule zu Apolda; dann kam er auf das Lyceum zu Eifenberg im 
muburgifchen und fpäterhin auf die leipziger Thomasfchule, mo er den grünblis 
sünterricht 3. A. Erneſti's und Fiſcher's in der griech. und lat. Sprache genoß. 
wauf bezog er die Univerfität zu Leipzig, wo er fich dem theologifchen und haupts 
Uch philol. Studium mit großem Eifer widmete. 1761 erhielt er ben Ruf als 
Ber nad) Lübben in der Niederlaufig und 1772 das Rectorat am Gymnaſium 
Beleg, daß er 31 Jahre bis an f. Tod verwaltete. Er farb dafelbft 1803 in 
D. Lebensjahre. Die Verdienfte, welche ſich S. um ein gründliches Studium 
Bat. Sprache erworben hat, find allgemein befannt. Als Lehrer mußte er ſich 
Eebe und Achtung feiner Schüler zu erwerben; doch hatte fein Ton einigen Ans 
I von Pedantismus. Fuͤr die Geſellſchaft war er nicht gebildet; feine Sitten 
wethen eine große Unhefangenheit über Alles, was der gefelfchaftliche Umgang 
DB dem Gelehrten und Schumann auferlegt. Seine Wörterbücher, Sprach 
on und Anmweifungen zum lat. Styl machten f. Namen aud) im Auslande be: 
wet. Der Werth f. „Lat. sdeutfchen und deutfch: lat. Woͤrterbuchs“, 7 Bde., 
f. „Handwoͤrterbuchs“, 3 Bde., ift allgemein anerkannt. Letzteres, beffen 
Be Ausg. Lünemann beforgt hat, ift zum Schulgebraudy von allen, bie wie 
bei weiten das empfehlungsmwerthefte. Seine übrigen zahleeichen Schriften 
eufel im „Gelehrten Deutfdyland” der Zeitfylge nach verzeichnet. 
Schelling (Friedrich Wilhelm Joſeph v.), geb. Hofrath, Mitglied und 
Bet. der philolog.:philofoph. Claſſe der k. Akad. der Wiffenfchaften zu München. 
dieſes berühmten Phitofophen äußerm Leben ift uns nichts weiter bekannt, ale 
ve 17775 zu Leonberg im MWürtembergifchen geb. ift, in Leipzig und Jena ftus 
Bat, Fichte's Schüler gewefen und diefem als Kehrer der Philofophie in Jena 
reoßem Beifalle nachgefolgt ift. Vor mehren Jahren erhielt er die Stelle eines 
Baairs der E. Akademie der bildenden Künfte in München und wurde von bem 
Bu von Baiern geadelt. Im Winter 1820 nahm er feiner Gefundheit wegen 
EB und bielt feitbem in Erlangen philofophifche Vorleſungen. 1823 wurde er 
- Anfuchen feiner Stelle bei der Akad. der Künfte entlaffen, 1827 aber an die 
keichtete Univerfität München berufen. — Wichtiger ald Notizen biefer Art ift 
Denthümliche philofophifche Anficht, welche fih aus dem tieflinnigen Geiſte 
a genialen Mannes entroidelt hat. Die Einfeitigkeit des Fichte’fchen Idealis⸗ 
‚ welcher das Dbjective aus dem Subjectiven (bem Ich) berleitete, veranlaßte 
nachdem er die Kant’fche Kritik und Wiſſenſchaftslehre mit philefophifchem 
E bearbeitet hatte (f. erſte Schrift ift „über die Möglichkeit einer Form der Phis 
Hie tberhaupt”, Tuͤb. 1795), derfelben eine Naturphilofophie entgegenzuftels 
An welcher er „das Ideelle aus dem Reellen zu ertlären‘‘ verfuchte. Hierher 
Pen f. „Ideen zu einer Philofophie der Natur” (Tb. 1795, fpäter in der 3. 
=); „Von ber Weltfeele, eine Hppothefe der hoͤhern Phyſik zur Erläuterung bes 
mmeinen Organismus‘ (Hamb. 1798); „Erſter Entwurf der Naturphilofos 
« (Sjena 1799). Diefer fegte er feinen transfcendentaten Idealismus zur 
be, welcher die Aufgabe haben ſollte, „das Reelle dem Ideellen unterzuorbnen”. 
wher gehört f. „Syſtem des transfcendentalen Idealismus“, Tuͤd. 1800.) 
ne Wiflenfchaften aber find ihm eine nur durdy die entgegengefegten Richtun⸗ 
ihrer Aufgaben ſich unterfcheidende Wiffenfhaft, und beiden Eommt im Sy⸗ 
we des Wiſſens gleiche Nothwendigkeit zu. Es leuchtet daraus ein, daß es 
Wir, S.'s ganze Philofophie Naturphilofophie zu nennen; und es ift dies nur 
8 zu erklären, daß S. biefe Seite feines Syſtems zuerft bearbeitet und am 
Bien ausgebildet hat. Ihren höhern Vereinigungspunkt follten beide dadurch 
on, daß das Ideale und Reale ale in der Idee des Abfoluten eins (identifch) feis 
er die Schelling’fche Philoſophie mit größerem Recht den Namen Shenti: 


726 Schelling 


taͤts ſy ſtem ober Philoſophie des Abſoluten empfing, indem fie von 
ausgeht. „Schwer iſt es“, ſagt ſelbſt einer der vorsuglichften Schuͤler 
dieſer Philoſophie (in den „Betrachtungen über den gegenwärtigen Zuſte 
tofophie in Deutfchland überhaupt und Über die Schelling’iche Philofopt 
dere‘, Nuͤrnb. 1813), „von der Phllofophie S.'s einen erfchöpfenden ! 
zuſtellen, denn fie iſt noch kein völlig entwickeltes und zur aͤußern fpfteme 
heit verbundenes Ganzes, und bie Über diefelbe herrſchenden Meimmge 
sen fich fo fehr, daß man es vielen Menſchen nicht verbenken kann, n 
felbe mißverftehen und unrichtig deuten”. — Wir verfuchen baber ir 
nur den Begriff der Phitofophie, welchen ©. aufftellt, und die Haupt! 
loſophiſchen Anficht herauszuheben, indem wir uns fo viel als moͤgl 
Morte bedienen. „Die erfte Idee ber Philofophie, wenn biefe meh 
dingtes Wiffen enthalten fol, beruht auf der ſtillſchweigenden Voraus 
möglichen Indifferenz des abfoluten Wiſſens mit dem Abfoluten ſelbſt, 
auf, daß das abfolut Ideale audy das abfolut Reale ſei. Das abfolut 
abſolute Wiffen, und biefes ift ein folches, worin das Subjective und O 
als Entyegengefegte vereinigt, fondern worin das ganze Subjective au 
Dbjective und umgekehrt ift. Das Abfolute ift reine Identitaͤt, fich felb 
Form, Subject und Object, das gleiche Wefen bes Subjectiven und Dt 
Produciren, in welchem es auf ewige Weife ſich felbft in feiner Ganzh 
als lautere Fdentität, zum Mealen, zur Korm wird, und hinmieberun 
Meife ſich ſelbſt als Form (infofern als Object) in das Wefen oder das € 
18f”, ober mit andern Worten, „ein Probuciren, in welchem es fei 
vitaͤt und Unendlichkeit ganz in die Objectivität und Endlichkeit bis zur 
Einheit der legten mit den erfleun gebiert und fich felbft in feine Obj 
Form mwieber ungetheilt in das Weſen verwandelt (diefes die Subjectob 
Fm Abfoluten ſelbſt find diefe beiden Einheiten (Form und Werfen) ni 
den; es ift in feiner Abfolutheit und dem ewigen Handeln oder Produc 
bin Eins und dennody in dieſer Einheit unmittelbar eine Allheit der drı 
naͤmlich derjenigen, in welcher das Wefen abfolut in die Form, berjeni 
her die Form abfolut in das Wefen geftellt wird, und derjenigen, worin 
wieder eine Abfolutheit find (Zriplicität in der Identität). Diefe Ei 
zugleich bie Ideen oder Dinge an fih. Die erfie ifl die Natur, d 
ideale Welt, und die dritte wird als folche da unterſchieden, wo in 
die befondere Einheit einer jeden, indem fie für ſich abfolut wird, ſich à 
andre auflöft und verwandelt. Weil aber Natur und ideelle Welt jede 
der Abfolutheit haben, two die beiden entgegengefegten zufammenflieh 
auch jede in fich wieder die drei Einheiten unterfcheidbar enthalten, bie in 
fheidbarkeit und Unterordnung unter eine Einheit Potenzen genannı 
daß dieſer allgemeine Typus der Erſcheinung fid) nothwendig auch in 
und als berfelbe in der realen und idealen Welt roiederholt. Die Pi 
Wiſſenſchaft des Abfoluten; aber forie das Abfolute in feinem ewig 
nothwendig zwei Seiten, eine reale umd eine ideale, als Ein begreifl 
Philofophie, von Seiten ber Form angefehen, ſich ebenfalls in zwei Se 
len, obgleich ihr Wefen eben darin befteht, beide Seiten als Eins in be 
Erkenntnißact zu fehen — und fo iſt alle Philofophie Idealismus, ab 
Idealismus, welcher den relativen Idealismus wie den Mealiänns un 
greift". — Dies S.’8 Begriff von der Philofophie (vgl. „Einleitung y 
zu einer Philofophie der Natur”, n. A.; auch entwidelt in f. „Vorlef 
die Methode des akabemifchen Studiums”, Tuͤb. 1803, 2. Aufl. 181 
damit verbundenen philofophifchen Grundbegriffe. — Der Verf. biefed A 
biefer Anficht eine andre, wieleiät veurüühere Darktelung dieſes Begrifl 


Schelling 7187 


pie und ihrer Hauptlehren beifügen. Das wahre und eigentliche Wiſſen, wels 
Die Philoſophie immer hervorzubringen gefucht hat, iſt ein in ſich felbft begruͤn⸗ 
), allumfaſſendes, fich lebendig (otganifch) entwidelndes ımd feinem Gegen: 
ve volllommen entfprechendes. Denn bie Wahrheit kann nur in ber vollkom⸗ 
Uebereinftimmung des Willens mit dem Gewußten befiehen. indem nun 
Philoſophiren von der Worausfegung ausgehen muß, dag ber erfennenbe Geil 
er Erkenntniſſe fähig ſei, fo folgt auch, daß das Willen bem Gewußten, das 
hective dem Objectiven nicht wefentlich entgegengefegt fein koͤnne, und es darum 


Ich fei, das wahre Sein der Dinge zu erfennen. S.'s Brumbbehauptung ifl 


dab das Weſen des Denkenden und Selenden, der Seele und bes Leibes, Ein 
daffelbe fei (abfolute Identität), dieſe mithin nur Formen eines und deffelben Wes 
ſeien, und fo hob er den abfoluten Gegenfag zwifchen Sein und Wiffen, Leib 
‚Seele in Hinſicht des Wefentlichen auf, ohne jedoch Damit die Verſchiedenheit 
Dinge überhaupt aufzuheben. Vermoͤge diefer wefentlichen Einheit des Wiſ⸗ 
and Seins (Identitaͤt, oft auch Indifferenz genannt), und weil ber Geift feis 
Gubſtanz nach den Dingen gleichartig ift, iſt der Legtere fähig, die Dinge, wie 
n der Wahrheit oder dem Weſen nach find, im Erkennen abzubilden. Eine 
eErkenntniß iſt Eeine bloße NReflerion, die auf das Gegebene befchräntt ift, fon: 
fpeculative Erkenntniß der Vernunft, welche, indem fie fich durch intellectuelle 
jeiflige und productive) Anfchauung über bie Exrfcheinungen bis zum identiſchen 
unge derfelben oder zur dee des Abfoluten erhebt, in ben Ideen das Wefen 
inge ergreift. Diefe (Ideen) bringen toir zum Bewußtſein mit Häülfe der 
e durch Reflerion. Die Kunft der Neflerion, die Ideen zu entfalten, tft bie 
Etik. Dazu gehört, daß man das ibentifche Princip in feiner gefeglichen Ent: 
king (Dreiheit in ber Einheit) verfolge und jede Erkenntniß ſowol im Verhaͤlt⸗ 
ur Grundidee des MWahren, als zu ben verwandten Erkenntniffen beftimme. 
äft die Methode der Gonftruction. „Sich der dem Geiſte inwohnenden 
nmäßigkeit bewußt werden, und ihr gemäß das befondere Wiſſen entfprechend 
giftenz der Dinge geitalten, macht die Methode der Philofophie aus, ohne 
e kein Schritt in diefer Wiffenfchaft mit Sicherheit gethan werben kann”. 
stft ihrer entfteht die philoſophiſche Wiſſenſchaft, und die Philofophie tft fonach 
Viſſenſchaft des Seienden durch die Ideen (Wiſſenſchaft der Ideen), d. i. eine 
sıfchaft von Gott, feinem Verhältniffe zur Welt, der Natur und dem Men» 

Und fo erhellt zugleich, wie die Schelling’fche Anficht von der Kant'ſchen 
nur in Hinficht der Erkenntnißart, welche fie vorausſetzt, fondern auch ber Bes 
Inde, von denen fie ein wahres Wiffen für möglich hält, verfchieden,, ja diefer 
entgegengefegt if. Ihrem Wefen nad) will fie ein treues Bild von dem Ges 
en geben, und umfaßt daher die „Naturs, Menfchens und Geiſterwelt“; in 
ccht ihrer Darftellung will fie aus eben diefem Grunde den reellen Bildungs: 
in der Natur, vermöge deffen Alles in zufammenhängender Stufenfolge von 
Unentfalteten zum Entfalteten und VBolllommmeren fortfchreitet, nachahmen, 
en unterften Stufen des Seins beginnen und zu ben höhern Entwidelungen 
ben fortfchreitem. Durch letzteres entfliehen die fogenannten Potenzen, welche 
iefer Sonftruction angenommen werben. — Die Brundlehren der S. ſchen An: 
laſſen fih nun auf Folgendes zuruͤckfuͤhren: Das Abfolute, Gott, ift das 
und Wiffen in der Einheit ohne Segenfag (abfolute Identitaͤt), aus welcher 
B durch den Gegenſatz hervorgegangen, und in welche Alles durch feine Wiebers 
migung zurückkehrt. Hierin liegt: 1) Das Abfolute, Bott, ift das eine und 
ve Weſen alter Dinge. Alles wahre Sein ift mithin göttlid) und lebendig (mit⸗ 
auch die Natur): kein Sein, das nicht göttlich wäre, oder an dem göttlichen 
n Antheil nähme. Die Dinge find daher nicht nach ihrem wahren Wefen, ſon⸗ 
taz quantitativ verfchieben, womit die Subſtantialitaͤt und ſpecifiſche Ver(chie⸗ 


788 Schelling 


denheit der Dinge nicht aufgehoben wird. 2) Das Abfolute bat fich in 
Erzeugung der Dinge auf unendliche Weife felbft geoffenbart in Raum 
Das Abfolute ift bie Urfache alles Seienden. Seine Offenbarung aber 
bendige Entwidelung unendlicher felbfländiger Dinge durch wirkende 
(daher auch Gelbftentzweiung genannt). Diefe Begenfäge find im? 
das Reale und Ideale. 3) Diefe Gegenfäge ftreben fich auf verſchiede 
(mo fie verfchiebene Benennung erhalten) mit verfchiedenem übergewich 
len oder Realen (Polarität) zu vereinigen, und die Dinge find um fo vol 
je mehr die Gegenfäge in ihnen vereinigt, umd fie dadurch Abbilder de 
find. Ihre völlige Vereinigung (abfolute Indifferenz) finder flatt in! 
fellen Drganiemus (Uriverfum), und dieſe Wiedervereinigung ift bi 
Selbſtoffenbarung Sottes. Der Menſch ift ein Abbild des Univerfun 
kosmus), infofern ex die Gegenfäge des Reellen und Ideellen auf feine 
der vereinigt. Tiefer in das Einzelne einzugehen, iſt hier unmöglich; € 
noch unten. Hier bemerken wir nur, daß ©. die Philofophie nicht in. 
ten Disciplinen bearbeitete und ſich nad) den deßhalb herkoͤmmlichen A 
richtete, fondern mehr um die Sache felbft bemüht und auf die Unter 
höchften Aufgaben der Philofophie gerichtet als um die Anordnung des ( 
befünmert war. Natürlich, daß dieſes Denjenigen anftößig fein mui 
in die gewohnten Eingrenzungen und in bie aͤngſtlichen Verzaͤunungen 
Erkenntniſſe und herrfchender Anfichten das Wefen ber Wiffenfchaft ſetz 
erſte allgemeine Darftellung f. Syſtems, welche er nach f. eignen Erkl 
„Beitfche. für ſpeculative Phnfit” (2 Bde., Jena 1800 und 1801) gegi 
„wegen äußerer Umftände‘ nicht fortgefegt worden. Er hat fich feitte 
naturphilofephifche Unterfuchungen befchräntt, und nur einzelne Haup 
dem Gebiete der Philofophie theils dialogifch (wie im „Bruno, oder üb 
liche und natürliche Princip der Dinge‘, Berlin 1802, auch wieder 
theilß im einer dieſer Darftellungsweife verwandten und weniger fo 
Form, in der Beinen Schrift „Philofophie und Religion” (Tuͤb. 1801 
Abhandl.: „Philofophifche Unterfuchungen über das Wefen der menfd 
beit und die damit zufammenhängenden Gegenſtaͤnde“, im 1. und biß j 
Bde. f. gefammelten „Philoſoph. Schriften‘ (Landsh. 1809) worin au« 
ren frühen Abhandl. „Vom Ich, ale Princip der Philofophie, oder übe 
bingte im menſchlichen Wiffen‘‘ (ehemals Tüb. 1795), ferner die „Phi 
Briefe über Dogmatismus und Kriticismus“, ehemals im Nietha 
„Phil. Journal“ (Jena 1796), die Abhandl. „Zur Erläuterung des Ide 
Wiſſenſchaftslehre“, ebenfalls dafelbft, und die 1807 zum Namensfefte 
von Baiern gehaltene meifterhafte Rede „Über das Verhaͤltniß der bilder 
zu der Natur” enthalten find, fchriftlic, behandelt. Jacobi's Behaupt 
ie neuen Philofophien in der Schrift „Won den göttlichen Dingen“ b 
zu einer Schrift: „ Schelling’8 Denkmal der Schrift von den göttlichen; 
Hm. 5. 9. Jacobi und der ihm in derfelben gemachten Beſchuldigun 
ſichtlich täufchenden, Lüge redenden Atheismus” (Tb. 1812), deren 
Theil aud) von Freunden S.'s nicht ganz gebilligt worden ift. Inf. „2 
Zeitfchrift von und für Deutfche” (von welcher nur 3 Hefte erfchienen fi 
berg 1813) befindet fih S.'s Antwort auf ein Schreiben Efchenmapr 
vorhin genannte Abhandl. über die Freiheit, welche diefen Gegenſtand 
genauer beleuchtet. In einer fruͤhern Schrift gab er eine „Darlegung t 
Verhältniffes der Naturphilofophie zu der verbefferten Kichte’fchen Beh 
1806). Dies find f. philofoph. Schriften. — S.'s eigenthuͤmliche A 
fi) unter dem vorzüglichen Einfluffe des Plato und Spinoza entwickelt 
wie er felbft erklaͤrt hat, noch nicıt ualtommmen oIE fertiges, beſchloſſen 


Schelling 729 


Tugen der Welt; er hat nur einzelne Seiten eine foldyen unb auch biefe 
ı einer einzelnen (3. B. polemifchen) Beziehung gezeigt, fomit f. Schriften 
Bruchftüce eines Ganzen erflärt, „„Leren Zufammenhang einzufehen eine 
jemerfungegabe, als fich bei zudringlichen Nachfolgern, und ein befferer 
16 ſich bei Gegnern zu finden pflegt, erfobert würde”. Auch find feine die 
Begenftänbe alles Wiſſens umfaſſenden tieffinnigen Unterfuchhungen mehr 
m umd Ganzen als im Einzelnen ausgearbeitet und in verfchledenen Dar: 
formen aufgeftelit worden, ſodaß es leicht und natürlich zu erklaͤren iſt, 
5. fo viele Tadler und Gegner fand. Zu ben Lestern gehörten befonders 
en (Jacobi's Schuler), MWeiller, Fries und Eſchenmayer („Übergang der 
hie zur Nichtphilofophie‘, 1804), welcher Letztere Schelling vorwarf, aus 
3 fei die Seele, der Glaube und die Tugend ausgefchloffen. Dieſem ant⸗ 
Schelling in der Schrift: „Philofophie und Religion”, in welcher er biefe 
nde im Sinne f. abfoluten Idealismus berührt und die Abkunft ber endli⸗ 
je aus dem Abfoluten mit Platon durch Abfall oder Entfernung der Ideen 
Abſoluten erklärt, woraus dann durch Wiebererhebung , freie Wiederver: 
die Sittlichkeit entfpringe. Dem legten Gegner trat auch Jak. Wag- 
ver Anhänger der Schelling’fchen Philofophie, bei und tadelte deffen Ans 
218 reinen Idealismus oder leere Speculation, welche fid) die Abſolutheit 
2) das Verhältnig des Abfoluten zum Wirklichen nicht zu Iöfen vermöge 
8 Princips der Religion und Sittlichkeit ermangele. Der erfte Vorwurf 
nr Einmurfe der kritiſchen Schule nicht zu verwechſeln, es rwiberftreite dem 
yer philofoph. Methode, das an die Spitze der philofoph. Unterfuchung zu 
as erft das Reſultat derfelben fein könne (das Abfolute), wogegen &.’6 
‚rühmen, daß ©. die Philofophie wieder auf die Idee Gottes gegründet, 
omatifcher Natur fei, und dadurch auch der in der Kant’fchen Lehre eine 
ergeorbniete Stelle behauptenden Religionsmiffenfchaft ihren gebührenden 
ückgegeben habe, und hinzufügen, das Abfolute fei als ſolches Beiner ei- 
Deduction oder Demonftration fähig ꝛc. Was aber Wagner’s erften 
betrifft, fo hat man ihm, fo viel wir wiffen, nirgends geantwortet. Der 
etreffend die Lehre vom Abfall, teiff: entweder einen Machtſpruch Schel: 
e beruht auf der Unbeſtimmtheit der Darftelung S.'s in jener Lehre; es ift 
ich ein Vorwurf, der, wenn von Erklärung der Art und Weife, wie die 
Dinge aus dem Ewigen entftanden find, die Rede ift, alle Philoſophie 
richt den Gegenfas als das Urſpruͤngliche fest (Dualiemus), oder die Auf: 
Philoſophirens auf die Gefege des menfchlidhen Geiſtes, ebenfalls durch 
mehr oder minder verſteckten Machtfpruch, beſchraͤnkt. Der leute Vor: 
ic), und daß namentlid S.'s Lehre pantheiftifch oder atheiftifch fei, iſt 
ters vorgebradyt worden, aber vielleicht mit bem mwenigften Grunde, da 
hifchen Theil der Philofophie bisher nur weniger berührt hatte. Auch hat 
zen diefen Vorwurf in der Abhandi. „Über die Freiheit” umd in dem 
lrc.“ bei Denjenigen hinlänglich gerechtfertigt, die nicht bloß ängftliche 
enkritiker find. Am merkmürbigften ift f. in der Abhandl. über die Frei⸗ 
flelite Gotteslehre, nad) welcher Bott ſich aus einem von ihm verfchiebes 
och in ihm liegenden Grunde der Eriftenz entfaltet, wobei aber &. nicht 
ſchlechtbin, ben er auch fpäterhin ein intelligentes, allervolllommenftes 
liches Wefen nannte, fondern dem durch die Welt fich offenbarenden und 
lkommenheit kundgebenden Gotte ſprach. Kerner hatte man gegen ©. 
‚ ber Menſch, ale Offenbarung oder Mobification Gottes, inne unmoͤg⸗ 
feeien Willen haben, mithin auch nicht fittlidy fein, wogegen er erwibert, 
eit kann nur ſich offenbar werden in Dem, was ihr ähnlich ift, in freien, 
1bft handelnden Wefen ıc. Zu weit würbe es und führen , wat yier onht 





un wg —— — m 
‚aber wirft man f. Philoſophie Wofidemus und poetiſche S 
jedoch weiß, wie ſeht es noch unter Denen, die von Myſticisr 
Haren Begriffe bes Myſticismus fehle, und bedenkt, wie fi 
nur von Ahnung reden, ein beflimmtes Wiſſen für moͤglie 
ſchaftliches Verfahren verlangt, der wird aud) wiffen, mie 
meiſtens zu bedeuten hat. Er kommt zuruͤck auf den Vorwi 
ſtaͤndlichkeit, die bei einer originellen, umfaffenden und im 
folgerecht, ja oft ſehr dunkel ausgeſprochenen Anficht umvern 
die intellectuelle Anſchauung, welche hier an die Stelle eines ı 
cips geſetzt worden iſt. Die poetifhe Schwärmerei trifft wol 
ler ©.’6, welche, ohne feine reichen, befonders naturwiſſen 
und ohne den Geift ſ. Methode zu befigen, die ebenfo der 
poetiſchen Darftellungen fähigen Anfichten deffelben im ein 
und ber Phantafie vertandelten, als ben Lehrer, der ber 
dem Gebiete der Philofophie verwiefenen Phantafie wirdı 
raͤumte und ſich des poetifchen Bildes zur Erläuterung hier 
ſich von dem „haltungelofen poetifchen Zaumel vieler fein 
gefagt hat. (Vgl. die Vorrede zu f. „Phitofophifhen Schrift 
behauptet werben, daß feit ihrem Erfcheinen ber Geift die 
glaubt in die Wiſſenſchaft und felbft ind Leben eingedrungen 
die Grumblagen berfelben in alle Wiffenfchaften eingreifen u 
phie Beine Ieblofe abftracte, bloß für die Studirſtube beftim 
Leben umbrauchbare, ſondern eine Welt» und Lebensanficht i 
fahrung mit dem Bernunftwiffen in Verbindung bringen wi 
und lebendiger iſt als viele andre philofoph. Spfteme ber $ 
Grund, warm felbft Fichte in f. legten Zeit f. Wiſſenſche 
ſicht Manches zuzufegen anfing. Auch find aus S. s Sc 
deutendſten und geiftreichften Männer hervorgegangen, w 
Philofophie nicht bloß erläutert, fondern zum Theil auch ar 
angewendet und ihr im Leben Einfluß verfhafft haben. f 
Klein („Beiträne um Studium der Dbitofonbie, als Wii 


Schema ‚ Schemnig 731 


‚ vermöge bern man diefelbe mehr ald organifche® und lebendiges Ganze bes 
t und ben innen Zuſammenhang ihrer Erfcheinungen erforfcht hat, ſowie zu 
Sntdedungen in der Phyſiologie und Medicin mächtig beigetragen. Als phis 
Anſicht fchlieft fie Fein® der Probleme aus, welche von jeher die Philofophie 
ſen verfucht hat, und verbindet bie philofoph. Wiffenfchaften aufs innigfte. 
ft ihr ſchwaͤcherer oder bis jegt am wenigften ausgebildeter Theil ber ber ethi⸗ 
hiloſophie, der ftärkfie die Naturpbilofophie ; und es wäre baher auch in biefer 
rt zu wuͤnſchen, daß ©. f. laͤngſt verſprochenes Werk: „Die Weltalter“, das 
: im Zufanımenhange enthalten fol, bald mittheilen möchte, ſowie eine ers 
ade Prüfung feines Syſtems von einem ihm geiftig verwandten Philofopben 
[8 noch zu wünfchen ſteht. In der legten Zeit hatte ſich S. auch mit mytho> 
n Unterfuchungen befchäftigt, und eine Probe derfelben in der Schrift: 
Die Gottheiten von Samothrake“ (Tüb. 1816) aufgeftellt. 
Schema (griech.), urfprünglic eine Figur, wird befonders in der Mes 
Logik und Grammatik von einer abftracten oder concreten Form gebraucht, 
nr als Muſter oder Zeichen bei der gefeglichen Betrachtung und Entdedlung 
zegenſtandes anwendet, um die in jener enthaltenen Entwickelungsmomente 
Gegenſtand uͤberzutragen. Das Schema iſt gemeiniglich als Vorbild aus 
haͤre genommen, in welcher man es anwendet; wogegen das Symbol ein 
er andern Sphäre entlehntes Ähnliches iſt, wodurch man an das Ähnliche 
jenftande erinnert wiıd. Das Schema ift in Beziehung auf den Gegen: 
auf weldyen e8 angewendet wird, rine abftracte Verzeichnung indivibueller 
und Verhäftniffe; 3. B. ein philofephifches Schema , wohin die Kategorien 
', wenn man nad) ihnen einen Gegenfland betrachtet; die Duplicität, Tri⸗ 
2c. Dügegen findet man, die wahre Betrachtung des Gegenftandes müffe 
bes Schema nicht ale Regel von Außen empfangen, fondern fid) biefelbe 
eben; fie müfle aus dem zu entwidelnden Gegenftanbe felbft hervorgehen. 
Rhetorik heiten Schemata auch Figuren und Wendungen, welche bei ber 
angewendet werden, um fie mannigfaltiger zu machen. Im gemeinen Le= 
b ein Entwurf, nach welchem man etwas, 3. B. einen fchriftlichen Auffag, 


5 ch emnitz — ungar. Selmech⸗Bänya — ſlaw. Stjawniza — koͤnigl. 
dt in der Geſpanſchaft Honch (48° 20' N. B. und 36° 30' D. 8. nach ber 
[chen Eharte) lieut 2172 Zus über ber Merresflähe, in einem tiefen umb 
a bewaldeten Felſenthal. Ihte rings an bin Berghoͤhen auffteigenden Häus 
Gaͤrten geroähren eine materifd,e Anficht. Überhaupt macht bie frifche und 
? fchemmniger Geyend mit ihren flawatifhen Einw. gegen bie 1 und 2 
ifen davon entfernten niebern Streden Ungarns und das dafelbft vorherr: 
magyariſche und deutſche Wefen in alier Art einen auffallenden Gontraf. 
roͤßte und wichtigſte unter den ungarifchen Bergſtaͤdten wurde im 12. Jahrh. 
bet und ſammt dem ganzen norbimgarifchen Bergdiſtricte von flanderifchen 
derfächfifhen Coloniſten devoͤlkett, weldye die dort wohnenden Stamen voͤl⸗ 
wängten. Die Einmiſchung deutfcher Bergwerksgeneralpaͤchter (foldye wa» 
mentlich die aug&burger Fugger unter Ferdinand I. und fpäter) beförderte 
mmanifirung des ganzen Bergdiſtricts, und Spuren davon finden fich nicht 
der altdeutfhen Nomenclatur des nordungarifchen Bergweſens, ſondern 
ı ben Urkunden und Acten des 13. bis 16. Jahrh. Mit dem Ende des 16. 
aber mifchten ſich die Slawaken mieder ein, durch deren außerorbentliche 
brung u. volksthuͤmlichen Umtriebe, während der langen Sriedensperiode des 
ihrh. Schemnitz mit dem yanzen Bergwerksdiſtricte fo ſſawakiſirt wurbe, daß 
6 Deutſchthum nur durch den amtlichen Zufammenhang mit Wien an ben 
wrtsbehörben und Zubehör umb andern Donoratiorn erhiet. Die Gut 


— 





9 
Di 
7 
I 

1 

1 
f 


BELLE, 9 PEOJENIUEER und ın o wialjen Jegt zu Wiuvirenv. 
tem hat; 1816 zählte man 146, worunter viele Ausländeı 
find: das alte Schloß, faft ganz in Ruinen; das neue | 
dicht ber der Stadt; 4 Bathol. und eine luther. Kirche (letz 
and mit Kupfer gedeckt, aber zwiſchen 2 Privathäufern einge 
ein der Stadt gehöriger Gaſihof auf dem Play; der Kam 
des Oberfitammergrafen ; die Refidenz ber Piariften; das 
Der auf einer Bergfpige oſtwaͤtrts außer der Stadt 1744- 
von frommen Beiträgen ber Bürger und Häuer errichtete 
zierlich als fhön zunennen. Der Bergbau, die Seele dei 
und Umgegend, ift jegt von abnehmenbem Gegen, und n 
den ohne Zubuße gebaut, welches, außer ben natuͤrlichen 
die viele Mafchinerie gefteigerten Koften, auch von politifi 
hörden und namentlid) von den Hinderniffen herrühren fol, 
und egoiſtiſche Burenufratie der Induſtrie und ben Gewerb 
legen befliffen if. Dennoch zählt man 18 gangbare wi 
nebft den Poch⸗, Schlaͤmm⸗ und Waſchwerken über 801 
amd jährlich über 2Min. Gid. Conv.»Münze Ausbeute an 
Eifen, Arfenit und Schwefel liefern. Auch hier war, wie 
derten gangbaren Bergwerken, der Gegen des Bergbaued 
er. Er wurde zwar früher durch ben Einfall der Mongolen 
aber nur auf 3 Jahre, keineswegs aber hernach durch bie 

nie in das Herz des ungarifchen Berglandes vordringen kon 
figen Verfuchen von Gran und Erlau aus, die ſchweren 
Häuer fühlen mußten. Mol aber hauften hier früher die 
und fpäter beeilten ſich die Malcontenten unter Toͤteli und 
Genuß ber reihen Bergwerke zu kommen. Auch dem wier 
nen Unruhen ungeftöcte Befig der Bergftädte in den vielen 


reiche Geldmittel verfyafft haben. In Schemnig betrug 


Sol im I. 1690 1872 Mark, welches 132,428 Dut 
1740—73 erzielte Gold und Sitber flieg nach Delius s Br 
Gid. Conv⸗Muͤme 


Scherbengeridht Scherzo 738 


bigen aber, bie über 500 Solidos (1000 Speciesthaler) betragen, erfobern 
jerichtliche Unterfuhung und Beſtaͤtigung, fonft werden fie, fall ber ges 
te Gegenſtand nicht ſchon übergeben iſt, auf Verlangen des Schenkers (do- 
), feiner Erben oder Gläubiger, bis auf jene Summe befhräntt. Ausge⸗ 
sen hiervon find Schenkungen bes Landesheren und feiner Gemahlin, der Mi: 
hefs an ihre Untergebenen, und ſolche Schenkungen, die zur Errichtung einer 
men Stiftung, oder zur Auslöfung von Gefangenen gemacht find. Außer: 
werden bierher alle remuneratorifhe Schenkungen, die bloß zur Belohnung 
Ierbienfte des Sefchentnehmers um den Schenker, alle biejenigen,, welche die 
Werung der Laften des Ehe: und Witwenſtandes zum Zweck haben, und end» 
Ih Die Schenkungen gerechnet, welche dem Herkommen nach gemacht werden 
In; alle diefe, weiche man juriftifch auch qualificirte Schenkungen nennt, bes 
I der richterlichen Unterfuhung und Beſtaͤtigung nicht. — Einfache, nicht 
Biete Schentungen (donationes simplices) , welche in der Abſicht, dieNoth> 
in ihrem Pflichttheil zu verlegen, gemacht find, koͤnnen binnen 5 Jahren, 
un diefe die pflichtwibrige Schenkung erfahren haben, mit ber Beſchwerde 
ꝓflichtwidriger Schenkung gerichtlich angefochten werden. Jene Abſicht 
Ber bewiefen werden. Nach der Größe des Vermögens zur Zeit der gemach⸗ 
henkung wird, im Kau folder Beſchwerde, ber Pflichttheil gerechnet. 
"gungen unter Eheleuten find bis an den Tod des Schenker widerruflich, 
einen Tod aber werben fie beftätigt. Schenkungen, welche Eheleute ſich 
= zum Beweiſe ihrer Liebe machen, find jedoch gleichgültig; nur barf da® 
rekte nicht in Grundſtuͤcken oder Geld beſtehen. Auch erkennt der Gerichts⸗ 
& alle Schenkungen unter Ehegatten für gültig, wenn fie mit einem Eibe 
x find, und dies nicht in der böfen Abficht, einen Deitten zu benachtheiligen, 
mu ift. Der Gefchentgeber kann bie Schenkung auch wegen grober Undank⸗ 
widerrufen. — Schenkungen von Todes wegen (donationes mortis causa) 
Bche , die nach der Abficht des Schenkers erſt durch feinen Tod unmwiberrufs 
der, und wobei die Sache oder das Recht erft nach feinem Tode übertragen 
follen. Zu folhen Schenkungen wird in Rüdficht des Schenkers verlangt, 
alle zur gültigen Xeflamentserrichtung erfoderlichen Eigenfchaften befigt, daß 
ſchenknehmer den Schenker überlebt, daß die Schenkung vor 5 Zeugen ge: 
wird, und endlid) auch die Annahme des Gefchentnehmers. Sie ift wider: 
bis zum Tode des Schenkers, wofern dieſer ſich nicht verpflichtet hat, fie 
is widerrufen. Sie behält ihre Gültigkeit, wenn auch der in Teſtament 
bte Erbe die Erbfchaft nicht antritt, und alfo das Teftament, welches bie 
fegung enthält, zu Grunde geht. Nur dann, wenn der von Todes wegen 
tenbe ſtirbt, beaucht der auf diefe Weife Befchenkte fähig zu fein, gültig gu 
Erben eingefeut zu werden. Der Gefchentnehmer von Todes wegen hat 
alle die Rechte, welche den Legatarien, oder ben mit Vermächtniffen be- 
| Derfonen zufommen. N.P. 
Scherbengeridt, f. Oſtracismus. 
5 cherif(arab. edel, heilig) bedeutet bei den Türken einen Dann von hoher 
und iſt beſonders ein Titel der Nachlommen Mohammed's von feiner Toch⸗ 
Ime und ihrem Gatten Ali, die auch Emirn genannt werben. Defgleichen 
2 erif eine türkifche Goldmuͤnze, 1 Thir. 16 Er. oder 3 Eid. werth. (S. 
beriff.) 
Scherzo. Dies ital. Wort, welches den Scherz bezeichnet, wird jegt ges 
Uch von einem fcherzenden und neckenden Sage eines größern Inſtrumental⸗ 
Es (4. B. Sonett, Symphonie, Quartett) gebraucht, welcher feit Beethor 
en gewöhnlichen Theil der Spmphonie ausmacht und an die Stelle der Mer 
nreten iſt. In dem humeriflifchen Scherzo ift Beethoden unbberturfüihn. 


La 





des dcaths in Yenenderg an ihn, dahin noch ein Wtal zuru 
Nördlingen geftorben fein, zwiſchen 1539 und 1540. 
der Kumft der Holzſchnitte berühmt, doch iſt nicht erwieſ 
derfertige hat. Sein Sohn gi. N. war ebenfalls Maler, ' 
der 


Schiavone (Andtea), eigentlich Andrea Med 
ter Maler der venetianifchen Schule, gebürtig aus Seber 
in Dalmatien, daher wahrſcheinlich ber Beiname Schiat 
machte feine erfien Studien nad) den Kupferflihen des P 
und ſtudirte Hierauf die Werke bes Biorgione und Tizları. 
ſters und das Golorit diefer fuchte er zu vereinigen. Abeı 
Helldunkel und ein weicher faftiger Pinfel waren ihm eigen 
dele man an f. feurigen Werten Mangel an Genauigkeit 
ſtarb zu Venedig 1582. In Venedig und dem übrigen J 
tie in einigen deutfchen Galerien find Werke von ihm zu | 
2 heil. Familien, und ein Chriftus, von Arimathias und I 

Schiboleth, ein Wort oder Ausdruck, wodurch 
zu einer gewiſſen Partei gehöre; Loſungswort. Es war 
welches zufolge der biblifchen Erzählung (B. d. Richter, 
Ephräimiter, auf die Anfrage der Gileaditer, nur Sibole 
dadurch verriethen fie fich und wurden alsdann von biefen aı 
dergemacht. Der fo Erſchlagenen waren 42,000 Mann. 

Schicht (Johann Gottfried), Cantor und Mufitd 
der größten mufitalifchen Theoretiter und gruͤndlichſten Kicd 
lands. Ex wurde am 29. Sept. 1753 zu Reichenau bei A 
Häuslers und Leinwebers Sohn. Des Vaters Schwef 
einen Häusler und Leinweber verheirathet war, nahm ih 
Raums im älterlichen Haufe ſchon im erften Jahre ſeines 
dem er feinen erſten Unterricht von den beiden Schulfehre 
hatte, ward er auf das Gymnaſium nad) Zittau gebracht , 
richt des ‚Digemiften und Mufikdicectors Joh. Trier im 


——— de sun. en 


Schicht 183 


te; in gleicher Eigenfchaft warb er von 178185 bei dem barauf errichte⸗ 
zoßen Concerte im Gewandhauſe in Leipzig angeftellt. Während dieſer Zeit 
te er ſich auch durch muſikaliſchen Unterricht, befonders im Glavierfpielen und 
fang, unendlich verbimt. Er befaß viele Fertigkeit und großen Umfang der 
we und bildete fich zum vorzüglichen Geſanglehrer auch baducch aus, daß er 
ber beften Sänger und Sängerinnen bamaliger Zeit mit Aufmerkſamkeit hörte, 
y mit einer der vorzüglichften, Dem. Valbefturla, welche gegen 1785 als or- 
Ihe Goncertfängerin angeftellt wurde, verheirathete, in welcher Ehe ee 2 
ter zeugte, wovon bie jüngere, noch lebende, eine ber vorzüglichiten Dilet- 
men im Gefange ift. 1785 ward er zum Mufikdicector bei letztgenanntem 
set erwählt. In demfelben J. erhielt er auch die Stelle eines Organiften und 
Wbirector6 an der neuen Kirche. Zur Aufführung gröserer Muſiken an bei- 
Diten bildete ex ſich aus Knaben dafiger Familien und Stubirenden mit gro⸗ 
Bleige einen eignen Singchor, der, als er fpäterhin Cantor wurde und den 
manerdhor zur Leitung uͤbernahm, leider eingegangen ift. Die Freiwilligen 
Bühors, welche Luft und Kähigkeit äußerten, zog ee vornehmlich durch ums 
Bhen Unterricht in Geſang und Harmonie an fi. 1810 ward er Gantor 
Thomasſchule und Mufikdirector an den beiden Hauptkirchen zu Leipzig. 
Befer Zeit an gab er den Privatunterricht im Glavierfpielen und im Gefang 
außer daß er die von ihm errichtete Singakademie noch einige Zeit birigirte. 
mehr wandte er feinen Fleiß auf Bildung bes ihm untergebenen Chores und 
Beitung derjenigen Kirchencompofitionen,, welche ihn als Gomponiften vor⸗ 
ch befanntgemacdt haben. Auch gab er bis in den legten Jahren feines Les 
Bd) immer einigen fähigen Zünglingen, befonder6 aus dem Thomanerchor, 
dem talentvollen Reißiger, Unterricht in ber Harmonie und Compofition. 
Ränterricht fehlte ihm übrigens die Fähigkeit, die Regel Mar und beftimmat 
msheben, weßhalb er mehr durch Beifpiele lehrte und feinen Schülern die 
Zion der Grundfäge uͤberließ. Aber diefe Beifpiele waren immer treffend 
Andlich gewählt, ſowie er überhaupt in Beifpielen und drolligen Gleichniſ⸗ 
mitzutheilen liebte. Unter feinen theoretifchen Schriften find die „rund: 
er Darmonie, nad) dem Verwechfelungsfofteme” (Leipzig bei Härtel) und 
Kpe zu Pleyel's und Elementi's „Clavierfchule” (Reipzig, Bureau de mu- 
Bekannt. Bel der gründlichen Theorie dee Muſik, welche ©. befag und bei 
Melſeitigen Bekanntſchaft mit der aͤlteſten und neueften muſikaliſchen Litera⸗ 
m welcher auch feine ſeltene Bibliothek zeigt (die zum Beſten ber Kunſt nie 
ut werden follte) , mußten ſich auch feine Gompofitionen durch Gruͤndlichkeit 
Anheit des Satzes, gehörige Okonomie und Kenntniß der Inſtrumentirung 
Baer. Obwol denſelben der freie Schwung des Genius abgeht, der neue 
a bricht und unwiberfichlic, durch die Kraft des Geiſtes fortreißt, fo fehlt 
wch , außer jenen formellen Eigenfchaften, auch der Reiz der Rührung und 
& nicht; und wenn daher &. im Kräftigen wenigftens die Würbe nie ver 
ud durch forgfältige Beruͤckſichtigung des Tertes, welche ihm durch f. wiſ⸗ 
Kefiche Bildung moͤglich war, wie durch die Kunſt der Stimmenfuͤhrung und 
mtrapemtts fallt immer intereffirt, zumellen auch erhebt, fo gelingt es ihm 
x überall, durch das Sanfte zu rühren und durch eine natürliche, gefälige 
e in Verbindung mit ber fließendften Behandlung der Unterflimmen das 
Bagufprechen, wovon befonders mehre Kleine Chöre und vierſtimmige Säge 
chſten Belege find. Außer 2 frühen Dratorien von Roft: „Die Feier ber 
u auf Golgatha” (Glavierauszug hei Härtel) und: „Die Geſebgebung auf 
"u ferner 2 Santaten von v. Noſtitz⸗Jaͤnkendorf: „Preis der Dichtkunſt“, 
Saͤusliches Gluͤck“, nebſt einigen Chören, die er früher für das Concert ges 
2, iſt aus feine fruͤhern Zeit wenig befannt gereorden. Au der yesith 


786 Schidfal Schickſalstragoͤdie 


Periode ſeines Lebens aber ſtammt fein treffliches, Te Deum“ nach & 
Jubelfeier der neuen Kirche und ein andres mit deutſcher Parodie zur J 
Univerfität Leipzig (1809) gefchrieben, ferner fein beſtes Werk, was 
toriencomponiften unfterblid macht: „Das Ende des Gerechten“ (vor 
bichtet und nach feinem Tode in Partitur und im Clavierauszug). D 
ſes Oratoriums gehören zu f. beften Arbeit, und vergebens verfuchte e 
vorgeruͤcktem Alter baffelbe durch ein andres (von Kunath gedichtetes) 
„Die legten Stunden des Erldfers”, an Kraft und Stanz zu überbi 
noch einigen Compofitionen des „Te Deum” (zur Regierungsjubelfeis 
von Sachſen; eines deutſchen zur Subelfeier ber Reformation nad) 
nach Luther und nad) Witfchel), mehren Miffen mit und ohne Orche| 
(eine zur Vermaͤhlung bes Prinzen $riebrich), hat er gegen 42 Ro 
welchen 3 zweichbrige, gefchrieben. Darunter gehören zu ben aus 
GCompofitionen diefer Battung und zu den vortcefflichften Aufführun 
manerchors das „Veni sancte spiritus’' mit Parodie von Michaelit 
Peters), und die bei Härtel erfchienenen Motetten: „Nach einer Pı 
Tage”, „Jeſus meine Zuverficht”, „Meine Lebenszeit verſtreicht“ 
Pſalm. Nicht minder bekannt if fein mit großer Mühe ausgearbeit 
nicht ganz zweckmaͤßig eingerichtete® allgemeines Choralbuch, weldyel 
Choralmelodien auch 306 von ihm felbft componirte enthält (bei Här 
ſchoͤne muſikaliſche Begleitung des Vaterunſers und der Einfetzungsw 
ters). Sch. ftarb am 16. Febr. 1823 an der Wafferfucht. In fein: 
war manches Sonderbare und Eigne, was ſich befonder® von ber Ze 
ohne Familie lebte, ftärker entwidelte. Er war nicht ohne wiffenfd 
bung, dagegen ging ihm bie feinere gefellfchaftliche Bildung ab. € 
fahrungen hatten ihn etwas mißtrauifch gemacht. Aber hinter einem 
oft eigenfinnigen Werfen brach die reinſte Gutmüthigkeit und Froͤhlichke 
der hervor. 
Schickſal, f. Fatum und VBorfehung. 
Schidfalötragddie. Diefe Gattung des höhern Drama 
fpiel® oder Tragödie, vgl. d.) ift in neuefler Zeit durch den Mit 
cher von Mehren mit ber Idee eines unausweichlichen Verhaͤngniſſes 
trieben worden iſt, in einigen Verruf gekommen. In Folge ber der 
men Beobachter durch die ganze Gefchichte, ia faft täglich im Leben | 
den Bemerkung, daß die an fich freie Kraft des Menſchen dennoch 
Berechnungen des Willens und des Verflandes unerwartet zu Scha 
wird, Eonnte es nicht fehlen, bag ber Gedanke an ein Fatum, Ver 
Schickſal entftand, gegen beffen eiferne und umerbittliche Rieſenkraft 
Menfchen im Kampfe ohnmädhtig zerftäubt,, und fo fcheinbar das Ex 
wiffermaßen zu Sklaven einer unbegreiflidhen, geheimmißvoll verſchle 
harten Willkür wird, welcher, nach den Anfichten des Alterthums, 
fterblichen Götter gewiffermaßen unterworfen find. Dieſe Vorſtel 
hoͤchſten in dem Begriff des Fatums, eben in jenem Alterthum aid 
deſſen religiöfe Anfichten in ihrer Allgemeinheit noch nicht die Laͤuter 
bern Gott: und Weltanfhanmg, wie fie das Chriftenthum auffle 
hatten, ift aber keineswegs fo zerdruͤckend und troſtlos, wie fie auf dei 
fheint; denn, wenn auch der Menfch dadurch eine Obmacht anerkem 
tem ftrengen, [cheinbar rein willkuͤrlichen Walten oft feines eins 5 
ia ihn felbft zerdruͤckt, fo bleibt ihm body immer die Freiheit des maͤn 
pfes gegen diefelbe, in welchem er, felbft unterliegend, Immer inf 
werben kann, al& es ihm gelingt, entweder durch moralifche Ausbau 
Hroßartigen Aufſchung aus der Na it Aerkinaniffes ned in 


Schickſalstragoͤdie 737 


de des Unterganges zu zeigen, daß ein Etwas in ihm lebt, welches kein Geſchick, 
ke Macht, Leine düftere Verkettung der Lebensſchickſale zu vertilgen Im Stande 
‚und wodurch eben auch zugleich der unmibgrfprechlichfte Beweis ber wahren Gott⸗ 
Bammung ber eblern menfchlichen Natur geführt, und ein fo von dem Geſchick 
Iprüfter als leuchtendes Vorbild Deffen, was rechte Kraft und rechter Wille vers 
‚ hingeſtellt wird. Diefen Kampf des Menſchen mit dem Schidfal in ber 
die durch eine gegebene Handlung zu verfinnlichen und fomit das Walten je: - 
dunkeln Macht in einem beflimmten Bilde vor die Augen zu bringen, ift num 
gen Zeiten fchon die Aufgabe gewefen, welche fich viele Dichter dieſes Fachs 
haben, und ihre Löfung iſt nad) den verfchiedenen Faͤhigkeiten und nad) der 
ie oder minder großartigen Rebensanficht jedes einzelnen verfchieden ausgefallen. 
hrend einige jener poetifdyen Geifter, deren es in allen Zeiten und allen Ländern 
er nur wenige gab, dahin gelangten, in ihren Gebilden dem Zufchauer jenes 
zene und felbft in feinen fchrediidhen Wirkungen noch immer Ehrfurcht erres 
e Schickſal waltend vorzuführen (welche Idee dann, fo ausgeführt, auch kei⸗ 
egs den Begriff der Chriſtlichkeit und des Chriftenthums in feinen höchften 
se ausfchließt), verloren fich andre, minder tief in das eigentliche Wefen der 
cEſalsidee Eingedrungene, oder wol gar das Ganze höchft feltfam und verkehrt 
fferde in eine Abart, deren Aufftellung gerade das Gegentheil von Dem bes 
was eigentlich erzielt werden foll: Erhebung bes fittlichen Gefühle nämlich. 
u , während der Kampf einer ſtarken menſchlichen Natur mit einem wenn 
Marten und ftrengen, doch großartigen Geſchick nothwendig daß fittlidhe Bes 
Kaucch die Betrachtung und Hinweifung auf die innere Kraft und Freiheit des 
Icchen erheben muß, indem das Schidfal hier zugleich Den abelt, den es trifft, 
Bun dagegen das Abhängigmachen des moraliſch freien Dienfchen von einem 
um, weiches bloß aus reiner Willkuͤr (gleichſam aus dem tel est notre plaisir), 
eine höhere leitende Idee, nach deſpotiſchem Gutduͤnken fchaltet und waltet, 
etliche Gefühl nur beleidigen und beugen. Letzteres iſt nun in neuen Zeiten 
Beſonders gefhehen, und die Mifigriffe, welche einige große Köpfe, verleitet 
Päner augenblidlichen falfchen Anficht des Weſens ber Tragoͤdie, in ber Wahl 
Bearbeitung ihrer tragiſchen Stoffe begingen, haben feitbem immer jenen 
Euch, fataliftifchen Welt: und Lebensanfichten zum Schilde dienen müffen, bie 
wett häufig in ber Tragoͤdie fuͤr das gewaltige Walten eines erhabenen Verhaͤng⸗ 
> verkauft werben. Im claffifchen Alterchum war jede Tragödie, nach dem 
mens am Eingang erwähnten Ideen vom Schickſal, eine Schickſalstragoͤdie, 
eine Darftelung des Kampfes der freien menfchlihen Wollens- und Wils 
meaft mit jener geheimnißvollen, den Blicken der Sterblichen verfchleierten 
De, die ſcheinbar (aber auch nur ſcheinbar) willkuͤrlich und zufällig fich dem 
Ben auf feinen Wegen entgegenſtellt und ihn fo fühlen laͤßt, daß er bei aller 
mit des Handelns dennoch durch eine ewige, feinem Auge indeß nicht immer 
De und begreifliche Weltordnung gebunden iſt. In neuerer Zeit wurde dies in 
Eragödie anders. Nicht allein in den großen Exeigniffen des Lebens, wo die 
nei als Richterin und Ausgleicherin des Gefchehenen durd) ben Bang der Bes 
Maheiten gewiffermaßen fichtbar einfchreitend zu bemerken ift, und nicht In dem 
Schickſalsidee fehr verwandten Rampfe großartiger und heroifcher Reidenfchaften 
Wen Bedingniffen des Erdenlebens glaubte man mehr die tragifchen Stoffe fus 
zu bürfen, fondern auch in dem engen Kreife des bürgerlichen und Familien» 
Mieniffes. Hierdurch entftand aber eine neue Battung ber Tragoͤdien, ober, 
wichtiger gefagt, Zrauerfpielen, indem in diefer, der Natur diefer Verhaͤlt⸗ 
nach, miehr ber Kampf bes Menfchen mit den Neigungen, als ber mit dem 
ick, hervortrat, wodurch allerdings viel Ruͤhrung erweckt wurde (die ſich meift 
igen Thraͤnen über die Härte der bürgerlichen Verhältniffe , worum Ar ia 
Eaap.der, Gichente Aufl. Bo. IX. a7 











als wahr annehmen, bie Gottheit in dem gehäffigften Lichte 
raliſche Freiheit des Menſchen vernichten würde. ¶ Beweis h 
ideen in den Trauerfplelm: „Die Schuld”, „Die Ahnfrau⸗ 
„Dee 29. Februar“: Probuctionen, welche unvertennde 
mißverflandenen und verkehrten Weltanſicht ihrer Autoren 
hat zugleich den Namen „Schicſalstragoͤdie“, wie Eingar 
maßen in Verruf gebracht, obwol nach beffen wahrer Bet 
größten tragifchen Meiſterwerke des claſſiſchen Alterthums 
der beiten Dichtungen Shakfpeare's (ein „Lea, „Mac 
(„WBallenftein” 5. 8.), Böthe's („Iphigenia“) u. A., 
großen tragifdhen Schicſals verfinnlichen, Schidfalstragl 
find. (&. auch Deutſche dramatifche Dichter.) 
Schiedsmann heift ein Vermittler, deffen Ausfy 
nicht angmommen zu werben braucht, indem die Annahme 
ben abhängt. Schiedsrichter (compremissarius) hin 
fer, der von flreitenden Parteim zur Entſcheidung ihrer S 
gung, daß fie ſich feinem Ausſpruche (laudum) unterwerfei 
(&. Austräge, Gompromittiren und Arbiter.) 
Sciefe der Efliptik (ogl. d.). Die Sphärit 
Winkel, den die Ebenen von 2 größten Kreifen durch ihre fd 
der machen, durch den Bogen eines dritten größten Kreiſes 
‚gen wird, daß er die beiden vorigen in den Punkten, wo fie ai 
der abftehen, vedjtwinklig durchſchneidet. Diefe Durchſch 
Srad von den Punkten entfernt, in welchen ſich Äquator 
d. h. in die Solſtitialpunkte. Schon im Altertfum hat man 
tit zu meffen getouft. Nach Plinius fand fie Anorimander 
bat fie ſchon Thales beſtimmt. Die berühmtefte Meffung in 
Pytheas zu Maffilien. Er fand fie 350 I. v. Chr. 23° 49° 
fpäter fol fie, nad) Prolemäus’s Bericht, Eratoſthenes 23° 
ben. Nachher beftimmen Mehre bie Schiefe ber Ekliptik bis 
merkwürdig ift es, daß bie fpätern Beobachter fie faſt uͤb⸗ 


Schiefer _ Schienenwege 789 


: ober eine mächtige Revolution auf der Erbe der Are derfelben die fchiefe 
ung gegeben habe; daß nunmehr ſchon feit Jahrtauſenden die Erdaxe ihrer 
nglichen Lage wieder entgegenrüde und nach 198,000 Jahren abermals 
felbe gelangen werde. Laplace bat dagegen in ber „Mee. eol.“ mit Hälfe 
yabenften Analyfis gezeigt, daß dies nie gefchehen werde, ſondern daß bie Ab⸗ 
: der Größe bes Winkels zwifchen den Ebenen der Efliptik und des Äquas 
oß von einer periodifchen Wirkung der übrigen Planeten herruͤhre, fich fpäter 
in ein Zunehmen verwandeln und folchergeflals für alle Ewigkeit innerhalb 
h enger, unüberfchreitbarer Grenzen oscilliren koͤnne. Nur ein langer Zeits 
wird verftatten, Beobachtungen anzuftellen, die hierüber etwas Näheres bes 
az lafien. — Außer diefer bisher betrachteten Veränderung iſt die Schiefe 
liptit oder, was einerlei iſt, bie Lage der Erdaxe gegen diefe noch einer anbern 
berung unterworfen, nach welcher fie abmwechfelnd 9 Jahre waͤchſt und 9 
abnimmt, während welcher Zeit ber größte Unterfchieb 18” beträgt und wo⸗ 
h die Srände ind. 4. Wanken der Erdare entwidelt finden. — Aus» 
her behandelt diefe ſchwierige Unterfuchung aus der phofifchen Aſtronomie 
rittrow in f. „Populaiten Aſtronomie“ (Wien 1825, 2 Bde). 
5 chiefer, ein in dünnen ebenen Platten bredyendes Geſtein von hinlaͤng⸗ 
Därte, Zeftigkeit und Ausdauer in Luft und Waffen, Feuer und Froft, um 
ckſtein zum Deden ber Dächer, Plattformen, Fußböden, Altane u. dgl., ſo⸗ 
uch als Schreibtafeln benugt werben zu können. Zu dieſem Behufe find 
ners, Quarzs, Kalk⸗, Sandſtein⸗, Thonſchiefer und Klingitein mehr 
eniger geeignet; zum Dachdecken jebody, als einem der mwichtigften Gegen⸗ 
des Baumefens, find allen übrigen Gefteinen einige Varietäten des Thon⸗ 
8 vorzuziehen, welche befhalb auch mit dem Namen Dachfchiefer belegt 
1. — Kalkſchiefer wird z. B. in Bourgogne im Depart. de l'Aveyron bei 
ms, fchieftiger Zechflein (eine Art Kalkftein) im Mansfeldiſchen, Sanbfteins 
: am Solling bei Holzminden, Klingftein im Velay und in der Auvergne, 
ner s und Quarzfchiefer in den Alpen, in Norwegen und Schweden als Dadhs 
r angewendet. — Ein guter Dachfchiefer muß ſich leicht in ebene, duͤnne und 
‚Platten fpalten laffen, darf das Waſſer nicht zu flark einfaugen, muß frei von 
wtigen Einmengungen, bie feine Verwitterung herbeiführen, und hinlaͤnglich 
id ſproͤde, auch feuerfeft fein. Obgleich num der Thonſchiefer in manchen . 
den weit verbreitet ift, fo gehört dod) ein guter Dachfchiefer wegen der vielen 
ı zu madenden Anfoderumgen zu den ſeltenern Vorkommen. Worzügliche 
erbrüche find bei Goslar und Hüttenrode anı Harz, im Ralenbergifchen, 
stdifchen, Baireuthiſchen ıc. vorhanden. Der Dachſchiefer wird erſt in gros 
loͤcken und mächtigen Platten gebrochen, darauf In paflende Stuͤcke getheilt 
ut breiten dünnen Meißeln in Dachfteine von erfoberlicher Dicke gefpalten, 
nachher auf fcharflantigen Amboßen vierediig gefchlagen, von dem Schie⸗ 
se aber gelocdht werden. — Zu Schiefer» oder Schreibtafeln werben 
ke, harte und ſchwarze Abänderungen bes Thonſchiefers verarbeitet, und bes 
ſind in diefer Hinficht beſonders die Bruͤche bei Probſtzelle im Saalfeldiſchen. 
Ipaltet zu diefem Behuf den Schiefer in dünne Tafeln, fchabt diefelben mit 
Schabeiſen, ſchleift fie mit Sand und polirt fie mit Xripel» oder Bimm⸗ 
md Kohlenflaub und faßt fie darauf in hölzerne Rahmen. — Griffel» 
fer nennt man diejenigen Abänberungen des Thonſchiefers, welche beim Zer⸗ 
m und Spalten in längliche Bruchſtuͤcke fpringen und fo weich und mild find, 
rauf Schiefertafeln fchreiben, ohne dieſelben anzugreifen. Am ausgezeichnete 
mumen fie zu Sonnenberg in Meiningen vor. H. 
Echienenmwege, Riegelwege, Eifenbahnen (engl. railways) 
Stuafen, welche auf ihrer ganzen Länge aus 2 poralleliunfenuen Edheoere 
47 


740 Schierling 


oder Straßbaͤumen beſtehen, welche einige Zoll über ben Weg herver 
auf welche bie Raͤder der dazu eigens gehörigen Wagen paſſen. Auf bie| 
nenwegen ift man im Stande, mit einer geringen Kraft eine ſehr große | 
wegen, und die Art ber Communication durch biefelben ift in jeder Hu 
vortheilhafter als durch ſchiffbare Canaͤle; denn 1 Meile von legten 
Durchſchnitt 40 — 60,000 Thlr., wogegen eine ebenfo große Länge v 
ungefähr auf 20 — 35,000 Thle. zu flehen kommt. Erſt in neuem | 
man angefangen, Schienenwege in größern Entfernungen anzulegen; a 
Strecken find fie ſchon Iängft bei Fabriken und beim Bergbau, befon 
Gteintohlenbergbau benutzt. Man unterfcheidet Schienenwege: 1) 
nen Straßbaͤumen; diefe find ganz eben und die Räder der Wagen 
Kranze verfehen, damit fie nicht von den Straßbaͤumen abgleitn. M 
jedoch diefe hölzernen Schienenmwege jegt nur noch feltm an. 2) Mit pi 
nen Schienen (plate railway), melde auf hölzerne Straßbäume ı 
und mit Rändern verfehen find, wogegen bie Räder keinen Kranz ober Eı 
be haben. Am vortheilhafteften find unſtreitig aber 3) die Schienenwe 
vexen eifernen Schienen (edge railway), welche wie die platten von 
auch von gefchmiedetem Eifen find. Sie bedürfen Eeiner hölzernen © 
fonbern nur querliegender Unterlagen von Holz oder auch von Stein. 
der auf biefen Schienenwegen angewendeten Wagen find mit Scheibe 
— Haben die Schienenmege ein geringes allen, fo gehen die belada 
durch ihr eigned Gewicht herab und werden durch Pferdes oder D 
(Dampfwagen) binaufgesogen. Bei einem ſtarken Falle gehen bie bela 
gem durch ihr eigned Gewicht herab und ziehen bie leeren mittelft eine 
am obern Ende befindliche Schelle gehenden Seiles wiederum hinauf 
ſchwindigkeit der herabgehenden Wagen ſucht man zu hemmen. Am vo 
ſten ift es, wenn die Schienenwege möglichft horizontal geführt wert 
Ein ſtarkes Anfleigen wird beffer durch einen fenkrechten Schacht mit ı 
maſchine, mittelſt welcher bie Wagen herabgelgffen oder hinaufgewun 
Sinnen, überwunden. — Hölzerne Schienenwege waren ſchon im 16. 
Newcaſtle in England bekannt; der erfte Öffentliche mit eiſernen Schi 
1789 bei Loughborough in England conftruirt. Jetzt findet man fie in 
Im Großbritanniens, in Frankreich, in den Rheinlanden, am Harz, in 
zwiſchen ber Molbau umd ber Donau, in Nordamerika c. Im Engl 
Mitte 1827 ungefähr 2000 Meilen Eifenbahnen fertig und eine Men 
der Anlage begriffen. 

Schierling (cieuta) nennt man verfchiebene Giftpflanzen, 
aber das eonium maculatum, ein 2jähriges Doldengewaͤchs, tmweldyet ı 
ſten ſchattigen, feuchten Orten wild waͤchſt. Die Blätter find groß, gi 
fiedert, auf ber obern Fläche dunkelgruͤn und etwas glänzend, auf der u 
grün. Gerieben geben fie einen eigenthuͤmlichen, wibrigen Geruch, de 
bem der Dioofe, bald mit bem des erwärmten Kupfer verglichen wird. 
ſchmack ift ſuͤßlich, ſcharf und ekelhaft. Der Stengel ift geim, rund, } 
gefurcht und mit rothen oder braͤunlichen Sieden befprengt. — Die ı 
mit der Peterfilie veranlaßt oft nachtheilige Verwechſelungen, und biet 
tegten Zufälle, weldye bisweilen, jedoch felten, tödtlich verlaufen, find: | 
lung des Geſichts, Schwindel, Kopffchmerz, ein wankender Bang, Aı 
in ben Präcorbien, Magenkrampf, Trockenheit des Halſes, bremen 
Aufſtoßen, Erbrechen eines grünen Stoffe mit Überbleibfeln ber &peifen 
fpiration iſt frequent, umterbrochen, Obnmachten, Lethargien, Kälte ber 
täten folgen. Bisweilen hat man auch wüthende Deliien und Epilepfie 
fehen. — Bei Leihenäfinungen fan man tie aernähnlichen ZBirkungen ) 


Schießpulver 741 


zuͤndung im Magen, Darmcanal und andern Organen, das Herz ſchlaff, die 
Hen defielben mit ſchwarzem, fläffigen Blute angefült, die Harngefäße von 
t überfüllt. Seit Plinius hat ſich die Meinung erhalten, daß in dem Gift⸗ 
er, den Sokrates geleert, Schierlingsfaft fich befunden babe; vergleicht man 
b die obigen Symptome mit denjenigen, welche, nad) Plato, dem Tode bes 
rates vorhergingen, fo wird diefe Meinung fehr unwahrſcheinlich. Wei ber 
giftung mit Schierling muß man zuerft, und zwar fobald als möglich, Erbre⸗ 

zu erregen fuchen. Alsbann werden fchleimigsfäuerliche Mittel empfohlen; 
Nachkrankheit iſt nad) ben Regeln ber Kunft zu befeitigen. — Als Arzneimit⸗ 
rd die Cicuta in vielen Inmphatifchen und neroöfen Krankheiten mit Nugen 
aucht, ja felbft gegen Skirrhen und Krebs wich fie empfohlen. 

Schieß pulver ift eine Mifchung von Salpeter, Schwefel und Holzkoh⸗ 
Am früheften follen, wenn man den Erzählungen der Miſſionnairs und den 
leriſchen Angaben der eignen Geſchichtſchreiber trauen barf, die Chinefen das 
leßpulver und beffen Anwendung gekannt haben. Vielleicht kam es von da zu 
Hrabern, denn ſchon 1331 brauchten die Mauren vor Alicante, 1342 zu Als 
a8 entichieben, 1250 die Araber vor Damiata wahrfcheinlih und 1085 in 
u Seetreffen vieleicht eine dem Schießvulver aͤhnliche Miſchung. Bei ben 
paͤiſchen Nationen find die Spuren diefer Erfindung noch älter; denn das 
bifche Feuer, welches zuerſt 668 gebraucht wurde, muß, da es Steine aus mes 
sen Röhren ſchleuderte, minbeftens Galpeter mit Pech, Naphtha ıc. gemifcht 
ten haben. Geroiffe Spuren der Bekanntſchaft der Europäer mit der chemis 
Miſchung des Pulvers findet man zuerft in einem im 9. Jahrh. verfaßten, 
yer Univerfität zu Orford aufbewahrten Buche des Marcus Gracchus, der bie 
aumenfegung ganz richtig angibt; auch Roger Baco (ft. 1294) Eannte bie 
% des Salpeters, entzündet ein donneraͤhnliches Geräufch hervorzubringen. Als 
vedker der Kraft des Pulvers, eingefchloffen und entzuͤndet ſchwere Körper fort 
kben, gibt die Sage bekanntlich den Moͤnch Berthold Schwarz an, ber zwis 
ı 1290 und 1320 zu Mainz gelebt haben, bei alchpmiftifchen Werfuchen bie 
hung in einen Mörfer gethan, und als zufällig ein Funken in denfelben fiel, zu 
m Erftaunen die Moͤrſerkeule in die Luft werfen gefehen haben foll; andre 
en nennen den Konftantin Antlig zu Köln ale Entbeder. (Vgl. de Boucher’6 
m. sur l’origine de la poudre à canon”.) Wie dem auch fei, zum Krieges 
wech verwendet kommt das Pulver vor 1350 fchwerlich vor, und was man von 
men in der Schladht von Crech (1346), von Poitierd und noch frühen 
be, beruht auf der mehrfachen Bedeutung des Worts Cafion. 1356 verredy 
Indeflen die Kaͤmmerei zu Nürnberg Pulver, 1360 brannte das luͤbecker Rath⸗ 
durch die Unvorfichtigkeit der Pulvermacher ab, und 1365 hatte fchon der 
kgraf von Meißen Geſchuͤtz. Wenige Jahre Darauf war es in ganz Europe 
mt. Dadurch, daß ſich diefe erfien Spuren in Deutfchland zeigen, twiberlegen 
Ne Behauptungen andrer Nationen, bie die Ehre der Erfindung ben Deutfchen 
ig machen wollen, am beften. — Das Verhaͤltniß der einzelnen Beſtandtheile 
Dustver bei der Mifchung iſt verfchieden: in den preuß. Puldermuͤhlen werden 
Ehelle Saipeter, 11} Th. Schwefel und 134 Th. Kohle genommen; in ben 
pfiſchen 75 Th. Salpeter, 124 Th. Kohlen, 124%. Schwefel. Bei ber as 
ion, die auch auf fehr verfchiebene Art gefchieht, kommt das Meifte auf die 
e der Beftandtheile an. Der rohe Salpeter (f. db.) wird gebrochen, d. h. 
Meuchtet über gelindem Feuer fo lange abgeſchaͤumt und mit großer Kraft ums 
het, bis alle Keuchtigkeit verdunftet und der Galpeter in Geftalt eines feinen 
wbes zuruͤckbleibt. Auch der gut geläuterte Schwefel wird pulveriſirt. Die 
He wird von dem Faulbaum, der Erle oder anderm fehr weichen Holz; ober 
auchwerk, z. B. Danfitengeln, genommen, in einem veriäglofenen Rosa wait 





hoigernen eyunders OUT FIN DIEO IMIE Pergamentenem t 

wodurch das Pulver gekörnt wird. In andern Pulvermühlı 
nen, indem man das ‘Pulver zwiſchen Bretern zu Kuchen di 
riefte Walze 2 Mal daruͤber gehen läßt. ‚Hierauf wird das $ 
fern auf Bretern ausgebreitet und bei farker Ofenhige 2Tag 
Entzündungen zu vermeiden, iſt ber Dfen mit Lehm gut ver 
Eupfernen Mantel umgeben. In neuerer Zeit gefchieht das I 
durch Dämpfe. Bulegt wird das Pulver fortiet, Indem es burcd 
100 in dem erſten mit ganz weiten Öffnungen nur das ganz und 
ten engen ba6 Kanonenpulver, In dem legten feinften das D 
bleibt, getrieben wird. Das fertige Pulver wird in eichenen 
Unglüd zu vermeiden, braudyen bie Engländer neuerdings ki 
deren Deckel aufgefchraubt wird. — Gutes Pulver muß ein 
he, rundes, reines Korn und zerrieben gleiche Farbe habı 
Hand, noch auf dem Papiere Schwaͤrze zuruͤckiaſſen. Entzk 
fammendrennen, nicht praffeln und auf Papier keine Brandf 
der Zunge muß e6 ſtark kühlen. Um bie Stärke zu probirem, 
genau paffende Kugeln aus einem Beinen Mörfer; die Wur 
des Pulvers an. ine ähnliche Probe, wo das Pulver de 
Mörfers und mit ihm ein Rab, das in eine Stahlfeder eing 
wo bie Stärke durch den Zahn, mit bem jenes Rab tm die I 
bieibt, beſtimmt wird, iſt unficher, Indem die Stahlfeber t 
ſchlafft. — Bei der Aufbewahrung des Pulver muß Feuch 
forgfättig abgehalten werden. Das zu Militairgweden beſti 
her in leicht gebaute, mindeftens 1000 Schritt von jeder W 
Bligablettern verfehene, mit Wal, Graben und Palfifaden ı 
eine Schildwache die Annäherung jeder Feuer ober Feuer ei 
tragenden Perfon verwehrt, niebergelegt. Diefe Gebäude e 
fretem Luftzuge; die Fäffer kommen auf eine hölgerne Un 
entfernt zu fliehen, umb das Pulver wird ale 1—2 Jahre g 
Muß man das Pulver an feuchten Orten, 3. B. in Feſtung 
homahren. {n helant man hie Mänhe mit Mfeinfatten mah {ta 


Scießfcharten Schiffbaukunſt 748 


'enfler ein, und eine nicht größere zerfchmettert eben dort in einer Bombe ver: 
Men und entzimbet da6 ganze Baus. Graf Rumforb Iub In einen Mörfer 1, 
Pulver, fegte auf denfelben ein 8081 Pf. ſchweres, 24pfünbiges Kanouen⸗ 
verſchloß fodann alle Öffnung moͤglichſt hermetiſch und entzünbete die Ladung, 
ums mit fürchterlichem Knall den Dörfer fprengte und das Mohr abhob. Wo: 
diche und Ähnliche Wirkungen kommen, hat noch Bein Chemiker genuͤgend ers 
yt5; die meiften Erklärungen find nichts als Umfchreibungen ber bekannten 
fachen. Die befte Erklärung ift, daß bei der Entzündung aus bem Salpeter 
3 fefter Form befindlich geroefene Stickftoff und Sauerfloff und aus ben Koh⸗ 
er Kohlenſtoff in Gasform verwandelt frei marken und vermöge ber Ausdeh⸗ 
skraft aller Safe viel mehr Raum als früher einnehmen. Sie ſtreben num, die 
mftände, welche diefe große Ausdehnung hindern, zu befeitigen, und biefe Nei⸗ 
wird noch durch die Gluͤhhitze, welche die Safe erzeugten, bedeutend vermehrt. 
ich wirkten noch bie eingefchloffenen Dämpfe (man denke an die Dampfmaſchi⸗ 
m gleicher Ast, ohne jedoch, wie Rumford fälfchlich meint, die einzige Urfarbe 
Geinung zu fein 
Shießfbarten find in die Bruſtwehr einer Verſchanzung — 
thnitte, ums dadurch, gegen das feindliche Feuer gedeckt, mit Geſchuͤtz zu feuern. 
Find fo hoch von der Erde, daß das bequem an die Öffnung gebracht wer: 
ann. Diefe Hoͤhe heißt die Kniehoͤhe. Die Seiten der Schießſcharte werben 
Faſchinen oder Flechtwerk, beffer mit Rafen verkleidet, und Baden genannt ; 
mtere Släche, die mit der Krone der Bruſtwehr parallel abläuft, heißt die Sohle; 
mere Weite beträgt 14—18 Zoll, die äußere muß wenigſtens 5—6 Fuß bes 
m, weil ſonſt der Pulverdunft die Bekleidung zerftört. Sol das Geſchuͤt aber, 
gewoͤhnlich in der Felbbefefligung, das ganze vorliegende Selb beſtreichen, 
e man die Scharte außen 8—9 Fuß; eine größere Weite wuͤrde die Buuſtwehr 
We ſchwaͤchen. Das zwiſchen 2 Scharten flehenbleibende Stuͤck Bruſtwehr 
die Schartenzeile, Merlon; deſſen gewöhnliche Länge beträgt 18— 20 uf, 
e geringer, fo leidet das Merlon zu leicht vom feindlichen Kanenenfener, und 
Hanne Geſchuͤtz kann wegen zu großer Annäherumg nicht bequem bebient werben. 
noch mehr gedeckt zu fein, bienbet man bie Schießfcharte, d. b. man befefligt 
Kafdyine, Schanzlorb ober Wollſack Über derfelben ; bedarf man aber gar kei⸗ 
Deckung, fo ift es allerdings beffer, ganz ohne Scharten über Bank zu feuern, 
B ſchneller und nach mehren Richtungen gefchehen kann. — Die auf angeges 
Weiſe erbauten Scharten erfüllen den Zweck: das Feld vor einer Verſchan⸗ 
is an den Grabenrand wirkſam befiteichen und ſonach des Feindes Annaͤhe⸗ 
hindern zu koͤnnen. Bei den Ricochetbatterien, welche dieſen Zweck nicht ha⸗ 
inbem aus ihnen nur ein entferntes feindliches Werk mit Ricochets (Schleu⸗ 
ſſe mit ſchwacher Ladung) beſtrichen werben ſoll, findet daher auch eine andre 
ext ſtatt, die mehr auf die Deckung der Bedienung des Geſchuͤtzes berechnet if. 
Schiff, der mittlere größere Theil der Kirche, von der Halle, wo der Glo⸗ 
basımı fleht, an bis an das Chor. Es iſt gewoͤhnlich wie ein T' geflaltet. 
Schiffbaukunſt. Die Kunfl, den einzelnen Theilen eines Schiffs bie ges 
ve Beftalt und Verbindung zu einem zwedimäßigen Seegebäube zu geben, over 
** Schiffſimmerkunfi, iſt ein Theil der Technologie und beruht auf ber 
mfchaftlichen (aus der Mechanik und Hydraulik abgeleiteten) Mnterfuchung ber 
ufchaften eines Schiffs, infofern biefe Einfluß auf das Bleichgewicht und bie 
vegung beflelben haben. Dieſe Unterfuchung ſelbſt ift die Aufgabe der Schiff⸗ 
kafl. (Vgl. Schifffahrtstuude, auch Steuermannstunft und 
emaun(daft. )Ss iſi hier nicht der Det, über daͤs Schiff — das kuͤhn⸗ 
(hans ud kuuſtreichſte menſchliche Bauwerk — wiffenfcheftlidhe Betrachtungen 
klrßen, nad in bie Geheimniſſe der analytifchen Theotie vom vaı Mrüymbi: 


74 | Sochiffbaukunſt 


mus ber beiden Schwerpunkte einzubringen, wie der Druck bes Schi 
Waſſerraums aufwärts und der des Schwerpunkts bes Schiffs auf d 
recht wirkt, beide aber vereinigt fireben, die auf den Kiel ſenkrecht f 
lothrecht zu ftellen. Ebenfo wenig geflattet es der Raum, das 
bes neptunifchen Lebens — feit Geßner's erftem Schiffer bie zu &s 
(f. d.) Gedicht über die Schifffahrt — hier aufzuflellen und alle Theile 
vom Kiel an, auf den Nahen und Stengen bis zur Bramftenge zu 
oder, nach Roͤding (Vf. des „Aug. Wörterb. der Marine”, nad) Str 
eabolario di marina‘, 4 Bde., Mailand 1809), alle Kunſtwoͤrter 
und der Seefprache (welche bei den Deutfchen und Holländern, wahı 
den Zeiten ber Hanſe, faft diefelbe ift) zu erklären. Wir verweifen be 
cher die flürmifche Welt des Seemann und das furchtbare Bild eine 
verfinnlicht anfchauen, und bie Ausdrüde der Takelage, Bemaflung 
baukunſt verftchen lernen wil, auf bas Prachtwerk von Stalkart („N 
teeture”, Zond. 1781), ober auf Ozanne („Marine militaire“) ur 
nannten Wörterbücher. Beſſer noch ift es, eim Modell zu betrachten 
hinter ben weggenommenen Planken, in bie Spanten ober Rippen 
eines Linienfchiffs vom erften Range einen Bid zu werfen. Hier ent! 
die wundergleiche Einrichtung eines Gebäudes, das über 1200 Mi: 
Kanonen — in der ımtern Lage 36Pfünder, in der obern Stüde ı 
Kaliber — trägt; ber welchem eine Segelfläche von beinahe 6: 
ſchwebt, wo da6 große Marsfegel allein gegen 30 Ellen tief und 2. 
breit ift; aus welchem Maften von 70—117 Fuß Höhe emporfteti 
Anter von 2—8000 Pfund an 9—10 ſchweren Tauen, jedes von 
. ou das Kabeltau, welches gegen 5000 Pf. wiegt, in der Tiefe feftha 
"alten nöthigen Vorraͤthen eine finnreich vertheilte Laft von meh 
Pfund, in einem Raume von 180—190 Fuß Länge und 50 F. Bu 
Ziefe von 25 F., einſchließt! In einem folchen Modelle fieht man, w 
den Schwerpunkt des Schiffs nach ımten zieht, um der großen Sch 
baͤudes über dem Waffer, nebft dem Geſchuͤtze, das Gleichgewicht zu 
erkennt man bie einzelnen Abtheilungen des Raumes, 3.3. das | 
Kambüfen oder Küchen, den Wafferraum und die Buttierei, den Pur 
.. Kugelbaden, die Segelkoje, die Pulverfammer (Ste.-Barbe) ımb fi 
zäthe in den Kajüten. 1805 koſtete in England ein Kriegsfchiff von ! 
zu bauen und auszurüften gegen 80,000 Pf. St. oder über 480,000 
monatliche Unterhaltung aber wurde auf 3400 Pf. oder ungefähr : 
geſchaͤtzt. Ein ſolches Linienſchiff ift 163 F. lang, 51 F. breit, geht 2 
Waſſer und dauert 30 Jahre. — Eine andre Einrichtung haben die. 
oder Kauffahrer, die jedoch nach der Befchaffenheit der Waaren ode 
fowie nad) den Eigenfchaften der zu befahrenden Meere, manche Verfd 
laffen. Die Größe ber Kauffahrteifchiffe wird nach einem Maße des 
ner Ladung beftimmt, welches man Tonne (etwa 2000 Pf.) oder Laf 
Pf.) nennt. Endlich find auch die Padetboote, oder Fahrzenge, di 
ſtimmten Örtern, wie eine Poft zu Lande, fahren und für Reifende ! 
richtet, leicht und fchnell fegeln, noch zu bemerken. (Bol. audy Damı 
Der zum Schiffbau eingerichtete Dias beißt Schiffswerft Legt: 
eines Schiffs bei feiner Erbauung auf Klögen und andern Hölzem ( 
fo fagt man, fo lange es in dieſer Lage bleibt, es fteht auf den Stapein 
Vorrichtung zum Kielbau ift die Hellung, d. i. ein langes, auf RN 
gen ıc. befeftigtes, gegen die Wafferfeite zu geneigte® Stud Ho. Auf! 
wird auch das Schiff binaufgewunden, wenn e6 einer beträchtlichen ? 
am Boden bedarf. (&. Rameei! DarKufninten erleichtern grofe! 


Schiffbruͤcke Schifffahrt 945 


chiffodocken. (S. Dode) Wichtig für die Erhaltung des Schiffe iſt bie 
n Eingländern zuerfl, nun aud) von den Franzofen angemwenbete Filzbeklei⸗ 
Man nimmt naͤmlich ftatt betheerten Papiers oder Segeltuc)es, welches 
wie, Filz, um den unter Waffer gehenden Theil des Schiffes zu überziehen. 
fen Filz legt man bie Kupferplatten, womit man feit 1760 die Schiffe ver⸗ 
Der Filz f[hüst vor dem Wurmfraß und verhindert durchaus jedes Eins 
des Waſſers. K. 
53chiffbruͤcke iſt eine Art von Bruͤcken, weiche man ba ſchlaͤgt, wo die 
und Bewalt des Stroms die Erbauung einer gewöhnlichen Brüde verhin⸗ 
ber wo Eile nöthig iſt. Im erften Fall pflegt man ſich einer Anzahl Kähne 
enen, die man burch Anker im Fluſſe befeftigt und durch darüber gelegte Bal⸗ 
> Bohlen zu einer Bruͤcke verbindet. Zu den Schiffbrüden, welche der Eile 
gefchlagen werben, gehören vornehmlich die militairiſchen, welche aus kupfer⸗ 
echernen ober von getheerten Segeltuͤchern und hölzernen Rahmen gefertigs 
biffen (Pontons) beftehen, welche eigens zu diefem Zwecke die Deere mitzu⸗ 


pflegen. 
Schifffahrt. Die Geſchichte der Schifffahrt iſt zugleich die Gefchichte 
Weerverkehre und der Ausbreitung der Eivilifation. Die Phöntsier werben 
Urheber der Schifffahrt gehalten, wenigſtens haben fie nad) ber alten Ges 
das mittellänbifcye Meer zuerſt bis nach Spanien befahren. Wahrfcheins 
de mit ben Bleinften Verſuchen ber Anfang gemacht. Bei der Nothwendig⸗ 
ber Fluͤſſe und Seen zu fegen, verfuchte man durch Zufammenfügung meh⸗ 
te Hol; fortzulommen, und fo entftanden Fähren oder Floͤße. Die erften 
wge der Deutfchen waren hohle Bäume. Anfänglich ſchiffte man bloß an 
Men und Ufern; wurde man vielleicht von benfelben durch Stürme verfchlas 
u mußten die Geſtirne und bie Sonne zu Hülfe genommen werben, um ben 
Wieberzufinden. Hatten Ungemitter oder andre Unfälle jene verborgen, fo 
man Vögel in Vorrath, bie man fliegen ließ und deren Fluge man folgte, 
mn vorausſetzte, daß fie aus natürlichem Hange ihrem Vaterlande wieder zus 
würden. Nach Erfindung bee Magnetnadel und bes Compaſſes 
Bonnten bie Seefahrer vermöge bes letztern die verfchiebenen Himmelsgegenden 
ei Nacht und trüber Witterung erkennen und ſich num auch außer dem Ge⸗ 
jes Landes auf das hohe Meer wagen. Im Mittelalter waren die Venetia⸗ 
Wgezeichnet in der Schifffahrt. Die Entdedlung beider Indien . ‘ab Anlaß, 
bifffahrt mit immer größerm Eifer zu betreiben‘, und die Spanier, Portus 
„ Engländer und Holländer fuchten fie von jener Zeit an zur hoͤchſten Vollkom⸗ 
Mt zu bringen; auch fcheint die® Ziel beinahe erreicht. Die immer höher ges 
w Schiffbau⸗ und Scifffehrtsfunft haben die Gefahr, welche ehedem mit 
Iifffahrt verbunden war, um vieles vermindert, und fo haben die Euros 
Be wichtigften Entdedtungen und Eroberungen in den übrigen Welttheilen mas 
Bd den Handel beſonders zu feinem böchften Flor bringen innen. Zur Bes 
mung des Handels durch bie Schifffahrt fuchte man in mehren Ländern durch 
Bde Fluͤſſe und Meere mit einander zu verbinden. Jettt find die Engländer 
chee vortzefflichen Häfen, durch ihre geographifche Rage, ihre reichen Colos 
mb ihre gut geübte Seemacht in dem Befige der größten und einträglichften 
fahrt und der meiften Handlungs: und Kriegsſchiffe unter allen Nationen 
26, Dagegen iſt Holland, ehemals ber Nebenbuhler Britanniens, in bies 
Mücht ſehr von feiner Höhe herabgeſunken. Die Sranzofen, deren Schifffahrt 
Mieichung mit andern Zeiten jest von geringer Bedeutung iſt, haben das 
, unter Ludwig XIV. die erſten Schulen zur Bildung von Seeoffi⸗ 
uıgelsgt und die Schifftunft zuerft auf wirkliche Regeln gebracht zu haben. 
uptigfte Erweiterung der Schifffahrt hat die Erfindung a6 Damytdaurtd 


746 Schifffahrtöfunde 


(f.d.) Herbeigeführt. Vergl. Beer „Verſuch einer *. ber & 
des Handels der Alten‘ (Lpz. 1 6 „Ideen über Poli 
und Handel d. alten Welt (4. Aufl., — 1854, 4 Thie). üb 
fahrt d. Neuern finden ſich eine Menge Notizen im 14. Thl. von Bufı 
d. Erfind.” (4. Aufl., Eiſenach 1821). 
Schifffahrtskunde oder Steuermanns kunſt ik vi 
Weg auszumitteln, den ein Schiff von einem gewiffen Punkt aus 
den ed nehmen muß, um am einen beſtimmten Ort zu gelangen. Si 
gute Kenntniß der Rechenkunſt, der Trigonometrie, der Aſtrenomie, 
und Dionblaufs insbefondere, und Zertigkeit in geometrifchen Conſter 
dem Schiffer nöthigen Werkzeuge find der Compaß, das Log, einige 
zur Döhenmeflung und das erfoberlidhe Reißzeug; außerdem find ihm 
charten unentbehrlich — Vom Grecompaf f. Compaf. Mau 
aber einen Strich = und einen Peil⸗(Viſir⸗) Compaß. Won jenem ha 
mann gewöhnlich 2 vor ſich, in einem Schranf, der das Radhthaus 
eingerichtet ift, daß Nachts zwifchen beiden Compaſſen ein Licht angeı 
kann. Der Peilcompaß dient, bie Lage entfernter Gegenſtaͤnde oder | 
eirper in Abficht auf die Weltgegenden aufzunehmen, auch bie At 
netnabel gu Au efabeen. Iſt der Peilcompaß zu Beobachtungen ein 
ã Sonne, des Mondes ober eines Sterns zu finden 
ende Das Log iſt ein hoͤlzernes Dreied, 6 — 7 Zoll! 
ches eine durch Anoten eingetheilte fange Leine, die Logleine, an dei 
geknuͤpft iſt. Dieſes wird ins Waſſer gelaffen, worin es ſich, weg 
untern, ber Spitze gegenuͤberſtehenden Theil eingegoſſenen Bleies, 
Damit das Dreieck aber ſeine breite Flaͤche dem Waſſer entgegenſte 
daran noch ein Stuͤckchen Holz; mit einer ſtarken Schnur angebunbe 
kurze Schnur geht von ber Logleine ab und vereinigt ſich mie jener 
Pfloͤckchens, das in ein Loch des Stuͤckchens Holz geftedit wird. € 
von bem fegelnden Schiffe ab bie Logleine laufen läßt, ſtellt ſich Die br 
Dreiecks dem Waſſer entgegen nach der Richtung bes Schiffes; ſobe 
, vollendetem Verſuch, das Log wieder einnehmen will, zieht man mi 
die Leine an ſich, der Pflod geht aus dem Stuͤckchen Holz heraus ın 
wendet dem Schiffe feine ſchmale Seite zu. Mit diefem 
Gefhrintigkelt des Schiffes. Man nimmt an, baf das Dreied im 
wegt ftehe, und fchlieft von der Länge der abgemidelten Schnur un 
die Geſchwindigkeit des Schiffes, allein mit vollkommener Sicherh 
nicht gefchehen, da das Log nicht feft flieht. Auf Kriegsſchiffer 
alle Stunden, auf Kauffahrteifchiffen alle 2 Stunden das Log zu ge 
Lauf und Kiel eines fegeinden Schiffes weichen in der Richtung von 
Diefe Abweichung, weiche bie Abbrift Heißt, wird beſonders auch du 
in die Segel floßenden Wind verurfacht. Daher muß ber Schiffer di 
Compaſſes, weiche bloß auf die Richtung des Kiels geht, zu verb 
Die Inſtrumente, deren fid) der Schiffer zur Meſſung der Höhen I 
koͤrper bedient, find jet vornehmlich der engl. Schiffsquadrant und dı 
Meflectionsoctant. Die Charten, deren fich die Seefahrer bedien 
weder platte oder rebuchrte. Jene ftellen ein Stud der Exbfläche als 
koͤnnen nur bei Beinen Gegenden, als einer Bat ober einem kleinen 
Küfte gebraucht werden. Die rebudeten oder runden Chartem find pi 
allgemein brauchbar. Auf einer folchen Charte werden von den Bin 
Küften, die Häfen, die Mimdungen der Flüffe gegeichnet, auferben 
was auf dem Meere dem Schiffer zu wiffen notfewenbig tft, als Jafıl 
Sandbaͤnke, Merritibrar, Wofeieimu.t.u. An mehren Scche 


Schifffahrtskunde 747 


iche des Compaſſes aufgetragen, daß der Schiffer, wenn er von irgend einem 
8 eine Linie zieht, die er zu befolgen gedenkt, durch eine Parallele mit bers 
n die naͤchſte Winbrofe, leicht den Strich erfahre, nach dem er fein Schiff 
en bat, oder auch, daß er den zurüchgelegten Weg bequem auf die Charte 
nme, wenn er ben gehaltenen Curs weiß. Die geograpb. Operationen 
Charte nennt der Schiffer Beſteck fegen. — Ein Schiff hält, wenn auch 
K der ganzen Reife, doch durch beträchtliche Theile derſelben einerlei Gur 6. 
eg eines Schiffes nun, das denfelben Curs hält, heißt bie Lorobromifche Li⸗ 
ren Berechnung (Lorobromie, Schieflauf) dem Serfahrer fehr nöthig iſt, 
en man auch lorobromifche oder Strichtafeln berechnet hat, welche für die 
be des Quadranten auf dem Compaffe für jede Meile des Wege vom AÄqua⸗ 
vie dazu gehörige Länge und Breite angeben. Der Schiffer kann alfo aus 
6, den er gehalten, und bem Wege, wenn er die Länge und Breite des 
mdpunetes weiß, ben Unterfchied der Länge und Breite bes andern Endpunk⸗ 
an. Mothwendig ift dem Schiffer die Tafel der Meribionaltheile, in wel⸗ 
vergroͤßerte Länge der Breitenkreife vom Äquator an, wie fie in ben revi⸗ 
Eharten aufgetragen werben, angegeben iſt. Mit diefer Tafel kann er 
Bö die Strichtafel entbehren. Sefekt, es weiß ein Schiffer ben zuruͤckgeleg⸗ 
g und den Curs, fo kann er von dem zulegt auf ber Charte hemerkten Orte 
Behiffes die Richtung des Weges nad) dem Curs zeichnen und die Länge def» 
ac) der Größe der Meridiangrade zwifchen den Parallelen der Breite, wo er 
mbet, auftragen. Dadurch erfährt er, wie viel er Länge und Breite veraͤn⸗ 
Dieſe Verzeichnung feines Weges muß er möglichfl oft vornehmen. Der 
„ den die Richtumg bes Schiffes mit dem Meridian nach der Angabe des 
Jes macht, heißt der gefegelte ober angelegene Curs; ber wegen der Abwei⸗ 
be Magnetnadel und der Abfchrift verbefierte wahre Winkel, ſowie er in der 
Wechnung gebraucht ober auf der Charte abgefegt wird, heißt der behaltene 
Der Schiffer muß den Punkt feiner Abfahrt nicht allein genau bemerken, 
zkurz vorher, ehe er die Küfte verliert, wo möglich die Lage zweier auf der 
ebemerkten Örter mit dem Pellcompaffe aufnehmen und ben beobachteten 
wuf der Charte durch jeden Ort ziehen. Dann gibt der Durchſchnitt beider 
ı die Stelle an, wo ſich das Schiff noch zur Beit der Beobadhtung befand. 
ma Schaͤtzen geübt, fo mag er audy bloß die Richtung eines Punktes auf ber 
geilen und die Entfernung nad) dem Augenmaße ſchaͤtzen. Jenes Verfahren 
den Punkt der Abfahrt durch eine Kreuspeilung feftlegen; das andre nennt 
ne einfache Peilung. Solche Beobachtungen wird er bei jeder befannten 
nornehmen, um feine Angaben baburd, zu verbeffern. Dieſes Verfahren, 
& des Schiffes durch Schägung ber Länge des Weges und der Richtung zu 
wer, beißt die Schiffsrehnung. ie befteht in der Auflöfung des 
mfligen Dreiecks, welches der Weg des Schiffes, bie Veränderung der Breite 
r Weränderung ber Länge auf einem Parallelkreife mit einander bilden, von 
u Seiten die beiden legtern den rechten Winkel einfchließen, die erſte aber bie 
umter einem ſpitzigen Winkel fchneibet, welcher der Curs iſt. Zwei von dies 
htm (außer dem rechten Winkel)find gewöhnlich gegeben; am öfterften Curs 
deg, oder Curs und Veränderung der Breite, auch wol Weg und Veraͤnde⸗ 
we Breite. Je nachdem man dieſes Dreieck auf der platten oder auf ber run⸗ 
baxte darſtellt, unterfcheibet man in der Steuermannskunſt das Segeln nach 
atten ober nach der runden Charte. Zwiſchen beiden liegt das Segeln nach 
Puußbreite. — Da die Schifförechnung immer unficher bleibt, fo muß ber See⸗ 
h fo oft er kann, die Länge und WBreite feines Orts durch aſtronomiſche Beob⸗ 
vn gu erfahren fuchen. Die Breite macht keine Schwierigkeit, zumal wenn 
ke Höhe der Sonne zu Mittage oder die Höhe eines Sterns ira Dorigguenr 





jonders zur erſor cung Der zange —8 ME, erfaper ver· 
ften, wenn er aus ber Breite des Orte der Abweichung di 
die Entfernung derfelben vom Meridian oder den Gtunt 
biefen mit bee Zeit der Uhr vergleicht. Ein andres Mitt 
‚oder Unterganges ber Sonne zu beobachten, welche man ı 
des Orts auch berechnen ober mittelft berechneter Tafeln n 
ſchied der berechneten umb beobachteten Zeit iſt bie Abweid 
dabei bie Strahlenbredyung berückfichtigt werden. — Dai 
iſt die Erforſhung der Länge (f. d) zur Eee; doch ifk eı 
von befonber®® Schwierigkeit für ben Schiffer, Breite und 
ihter Hülfe ann er den Ort des Schiffs auf der Charte ger 
rechnung damit vergleichen umd verbefferm und den fernen 
men. — Außer den eigentlichen aſtronomiſchen Kenntnif 
muß ber Schiffer noch ein guter Zeichner und Rechner feh 
Winde, bie Merresufer und Meerestiefen, die Beichaff 
u. f. iv. kennen und zu beurtheilm wiffen. — Das beite W 
mannskunft”, Greifew. 1778, und Mobertfon’® „Ele 
1796) zum Gebrauche für Navigatlonsſchulen und zum 
der Steuerleute iſt das von der hamburgifchen Geſellſchaft 
themat. Kenntniffe verfaßte „Danbbuch ber Schifffahrtstu 
Sammlung der unentbehrlichften Seemannstafeln, nebft 1 
(Hamb. 1819). Auch iſt Krufenftern’s (f.d.) Wer 
gtaphie der größern Oceane (8pz. 1819, 4.), zum Stu 
entbehrlich. Es enthält wichtige Bemerkungen über ben ' 
tometer6 und eine Seecharte. 

Sciffmühle if eine Mühle, welche auf einem 
ift, und auf den Strömen von einem Orte zum andern ge 
mit ihr Wafferrad von dem daran ſchlagenden Strom gehdı 
Eine ſolche Mühle hebt und fenkt ſich mit dem fleigendı 
muß aber mit ſtarken Seilen ober Ketten entweder an das 
fligt oder tüchtig verankert werben. 

Shiffnfund. f. Dfunb. 


Schild Schildknappe 749 


chte er denſelben auch als Dichter zu erhalten. Eine Menge Opern und 
ele wurden nach und nach von ihm ausgearbeitet und machten, je nachdem 
sponift war, dem fie in die Dände fielen, bald längere, bald kürzere Zeit, 
D mehr, bald minder Gloͤck. Mit keiner war dies aber mehr und verbienter 
als mit der „Zauberflöte, die durch Mozart's unfterbliche Muſik wie mit 
wlbenen Rahmen eingefaßt wurde. Die Vorwürfe, welche man übrigens 
zer als Dichtung fo oft und vielfacdy gemacht bat und noch zuweilen machen 
ke fei fie nämlich nichts denn ein Gemiſch von Unfinn und Zrivialität, find 
wcht als unkritify. Ohne eine poetifche Grundidee, die dem Ganzen zur Ba⸗ 
wuͤrde des Somponiften großer Genius das Machwerk nicht fo lange auf 
pe haben erhalten koͤnnen, und man würbe dann allgemein (mas jedoch 
: Fall ifl) die Muſik lieber im Concertfaale als von der Bühne hoͤren. Eine 
Dt poetiſche Grundidee fchlinge ſich aber allerdings durch das Gewebe biefer 
m, deren metrifche und dialogifche Ausführung dagegen freilich fo fehlerhaft 
Beholfen ift, daß man biefelbe mit einem fchlecht und roh gezimmerten, 
F einem teefflichen Grunde ruhenden Gebäude vergleichen kann. Durch bie 
eflöte”, deren volksthuͤmlichſte Melodien, wie man behauptet, der Verf. dem 
Bemponiften zum Theil vorträllernd mit angegeben haben foll, ſowie durch 
m auch nicht kunſtgerechtes, doch für bie Caſſe erfprießliches Erfaſſen Deffen, 
Menge bes Publicums anzieht, hatte ſich S. nach und nach fowol in Prag, 
ime Zeitlang die Direction des Theaters führte, als fpäter in Wien, wo er 
woldfläbter Theater vorftand, fo viel Vermögen und Eredit erworben, daß 
Dernehmen Eonnte, ein neues großes Theater an der Wieben zu bauen (das 
Feater an der Wien), welches er ſowol äußerlich als in Betreff ber Innern 
ung, der Mafchinerie u. f. w. mit einem Glanz und einer Volikommenheit 
wAdte, die feiner Kenntniß Defien, was zu einem guten Theater in biefer 
ört, die größte Ehre machte. Den 13. Sum. 1801 wurde diefe neue 
einer Vorftellung der Oper „Alerander‘’, componirt von Teyber, eröffs 
D die entzuͤckten Wiener fahen hier zum erften Dale auf den Bretern einen 
n4O Pferden erfcheinen, was denn nidyt verfehlte großen Eindrud zu mas 
Eeotz feiner meift richtigen Speculationen und dem Gluͤck, weiches diefelben 
hegleitete, kam ©. doc, in feinen oͤkonomiſchen Umftänden zuruͤck, mußte 
des von ihm gegründeten Theaters nieberlegen und flarb d. 21. Sept. 
Wien in ziemlicher Dürftigkeit. . 
Schild, eine Schugmwaffe der Alten, die aus Häuten, welche über Reifen 
# wurden, beftand. Schon im Alterthum ſchmuͤckte ihn die Kunſt; bes 
N in diefer Hinficht dee Schild des Achilles. ©. „Ilias“, XVIII, 378 
Boloin und Caylus in den „Mem. de l’acad. des inser.”, XXVII. 
des Hercules ſ. die kleine Schrift von Schlichtegron (Gotha 1788). 
wpenſchild, f. Heraldik. 
zchildknappe, Schildiräger, Junker, Wapener, bieß im 
uter Derjenige, welcher unter ben Befehlen und ber Leitung eines wirklichen 
ſich zum Kriegsdienfte und zu den Mitterfpielen vorbereitete. Als In der 
Bäifte des 11. Jahrh. die Ritterfpiele (Turniere, deren Urfprung jedoch im 
Web zu fuchen ift ) aufkamen und allgemein beliebt wurben,, behandelte man 
atuch zunftmäßig als Vorbereitumgsmittel zum wirklichen Kriegebienfte. 
itterwefen.) Jeder, ohne Unterfchied der Geburt, der einft Ritter 
W heißen und als ſolcher bei Ritterfpielen erfcheinen und tumieren wollte, 
Pb alien deßhalb beftehenden ausbrädlichen und ſtillſchweigenden Verfuͤgun⸗ 
. Die Ritter teilten fich in Nationen ein, unb jeder berfelben 
Bangefehener und beliebter Ritter vor, der deßhalb Turnierkoͤnig hieß, und 
e andre Ritter, wenn auch von noch fo hoher Geburt, untergeachuet mar. 


750 Schildkroͤte Schiu 


Nun hatte jeber Ritter-wieber dergleichen junge Männer unter fich, 
noch nicht zunftgerechte Ritter waren, Schildknappen hießen umb m 
pflihtumgen gegen ben Ritter, ber ihr Lehrer war, hatten, z. B. ihı 
tagen bie ritterlichen Waffen u. f. w. nachtragen und berbeifepaffen, < 
tagen aber ihm auf feiner Burg aufwarten und ihn bedienen mußten. 
&örften unterzogen fich in Deutfchland gern ſolchem Dienfte, und ı 
Meifter von nicht fo hoher Geburt war. Um aber Schilbknappe zu u 
man bis zu Kalfer Friedrichs II. Zeit frei geboren fein und ben zum Rit 
gen Lebensimterhalt haben. Jener Kaifer verordnete, daß bloß Diejı 
Iingen der Ritterfpiele angenommen werden follten, welche von Ritter 
von dem Kaifer wegen ihrer Verdienfte mit biefem Mechte würben b 
den. Dabei blieb es bis zum Ausgange d. 16. Jahrh. Won dem M 
gen Schildknappen hing es übrigens ab, ihn zum Ritterſchlage oder di 
lichen Handlung zuzulaſſen, kraft ber er durch einen Schlag mit dem fi 
auf den Rüden zum Ritter gefchlagen ward. Diefe Exrtheilung bi 
geſchah von Kaifern, Königen und berähmten Fuͤrſten, beſonders 
Gelegenheiten. Auch konnte kein Fuͤrſt ſich vermählen ober zur Exhi 
wenn er nicht erft auf eine Art zum Ritter gemacht worden war. 
Schildkroͤte. Diefe vierfüßige oder Eriechende Amphibie if 
bern Geſchoͤpfen durch den fie oben und unten bedeckenden Schild 
bucch den fie meiftentheild Kopf, Süße und Schwanz willkuͤrlich be 
wieder einziehen kann. Der Schild ber größten Art mißt 4 — 5 Zu 
und 3—4$. in ber Breite; die Dicke bes Thieres beträgt an ben erhat 
nicht felten 4 5., und das Gewicht wol gegen 800 Pf., wovon auf die 
bie Hälfte kommt. Die Eeinften Gattungen bagegen find 2 — 3 
wiegen oft nicht ein Pf. Nach der Befchaffenheit ihres Aufenthalts un 
auf beziehenden Form Ihrer Füße umterfcheidet man Meer⸗, Kiuf: u 
kroͤten. Der Ruͤckenſchild ift bei dieſen Thieren fo feft, daß ein Laſt 
hingehen kann , ohne ihn einzudruͤcken. — Die Schildkroͤten wacfe 
und ſcheinen ein ſehr hohes Alter zu erreichen; dabei iſt ihre Leben 
daß fie Monate lang an feuchten Orten ohne Nahrung leben und oft 
ten Tagen fterben, wenn ihnen der Kopf abgehauen iſt. Sie pfla 
Eier fort, welche fie in den Sand vergraben und durch Die Sonnem 
ten laffen. Eine Schildkroͤte legt derem jährlich 12000 — 1200. € 
als aud) die Schildkröten felbft find eine angenehme Speife. Die Ri 
welche zroifchen den Wendekreiſen einheimiſch ift, dient den dortigen 8 
Hauptnahrung. Dan kann fie leicht fangen; denn ba fie fich nicht um 
darf man fie nur mittelft eines Hebels auf den Rüden werfen, wen 
kommt. Das Fleiſch wird theils friſch, theils eingefalgen genofien. 
Flußſchildkroͤte ober die europ. Schildkröte bewohnt die meiften Laͤnden 
Preußen hinauf und wird ebenfalls häufig gemoffen, da ihre Fleiſch fei 
ift. — Das Schildpatt, welches aus den Schalen ber ſchuppige 
retſchildkroͤte befteht, wird zu allerlei Waaren verarbeitet, weiche bekam 
Schill (Ferdinand v.). Wenig Namen find fo allgemein im b 
beutfchen Volks übergegangen als der Name diefes jungen Mannes 
feit mehren Generationen mit hoher Achtung genannten preuf. BRü 
zu einer Zeit, wo plöglich ba® Vertrauen zu demſelben fchier verfhw 
len ſchien, durch feine mit dem gluͤcklichſten Erfolg gekroͤnten Auflım 
wieder zu Ehren brachte und feinen tiefgebeugten Landsleuten em 
Beroußtfein ihrer beſſern Kraft zuruͤckgab, ja ihnen eine Begeiſters 
für welche die Nation, in der Betäubung bes fo ſchnell über fie heraı 
Ungluͤcks, faſt erftorben (dgien. SE war dan Ran von echt deutſche 


Schi 751 


griffe von Ehre bie höchften; fein Patriotiemus gluͤhend; feine 
ı frei von jeber Serbfifucht ; feine Sitten Uebenswürbig. Er befaf 
Beiſtesbildung, beren er bei eimer forgfältigern yo fehis 
ein fein Blick war frei und heil; fein kriegeriſches Ta 
xe und als Parteigänger an ber Spitze einiger 100 en —* 
n an Verwegenheit grenzender Muth und fein Reichthum an 
Yüfemitteln. Indem ihn aber feine Zeit höher ſtellte, als ex fich 
dennoch dem Reiz nicht widerſtehen konnte, In das rollende Rab 
hn einzugreifen, verwirrte und beängte es ihn ins Verderben. 
f bei Pie in Oberſchleſien 1773 geb. Sein Vater hatte ſich ans 
chen, dann im fächfifchen Deere, während des fiebenjährigen Krie⸗ 
iger ausgezeichnet und war von Friedrich II. fpäterhin in feine 
jogen worden. Der Sohn, von 4 Brüdern der juͤngſte, trat fruͤh 
regim. Anfpach> Batreuth (nachmals Königin), das zu Pafes 
ern gamifonirte; machte ſich aber, in ſtiller Berfchlofienheit, durch 
ten des Geiftes oder Anſtelligkeit und Eifer im Kriedensbienft 
ar, daß man im Regiment nur eine geringe Meinung von ihm 
ber Ausbruch des Krieges 1806 ihn nur noch als Seconbelleutes 
ı ber Schlacht bei Auerſtaͤdt empfing ex bedeutende Kopfwunden, 
: allgemeine Flucht mit fortgeriffen, nur mit Mühe nach Magde⸗ 
te fi) von dort weiter auf dem Wege nach Preußen bis nach Kol⸗ 
wo endlich feine Erſchoͤpfung ihn zwang, feine Genefung abzus 
efte Platz ward jeden Augenblid von einer franz. Belagerung ber 
be auf keine Weife vorbereitet war. Überzeugt, wie wichtig deſſen 
ot fi) ©. gegen ben Commanbanten, Obriften v. Loucadou, zur 
er Streifzüge, theils um ben Feind zw beunruhlgen, theils um 
ch vorhandenen koͤnigl. Efferten, die öffentlichen Caſſen unb aller 
26 Bedürfni der 5 herbeizuſchaffen. Mit Muͤhe erhielt er 
goner ſeines ehemal. Regiments, zu denen ſich andre Freiwillige 
eſen machte er gluͤckliche Streifereien, verſcheuchte durch ausge⸗ 
von einer Landung ruſſiſcher Truppen bie feindlichen Detache⸗ 
rt mit uͤberlegenem Muthe an und kehrte ſtets mit zahlreichen Ges 
ehnlicher Beute heim. Seine Entfchlofienheit, fein Muth und 
Eleinen Gefechte machten ihn bei dem Feinde bald gefürchtet. Er 
die Ober umd in die Neumark hin, und von allen Seiten ſtroͤm⸗ 
tige Krieger zu, deren umbegrenzte Anhaͤnglichkeit er ſich durch 
che Behandlung zu gewinnen wußte. Lomcabon jedoch, ein ſchwach⸗ 
itand ſich fo wenig auf bie Würdigung eines folchen Beiſtandes, 
wfftrebenden Parteigänger feine weitern Unternehmungen nicht 
erte, fondern endlich and) ganz unterfagte. Daher fuchte ©. beim 
t auch die Autorifation zu eine® Freicorps, um in 
nen Krieg auf feine eigne Hand za führen. In weniger als einem 
Schwadronen Hufaren, eine veitende Sägercompagnie umb 
ruppen, zuſammen gegen 1000 M., unter tuͤchtigen Officieren, 
nd nothdürftig ausgerüftet, ſammt einigen Eleinen Felbſtuͤcken, ins 
hen ging dahin, am Ausfluß der Ober, auf der milltairiſch⸗wich⸗ 
in, feften Fuß zu getoinnen, auf beiden Seiten Stealfund und 
Anlehnungspunkten zu machen und vom hier, mit immer wach⸗ 
en, im Rücken des großen franz. Heeres, nach allen Richtungen 
Doc die verkehrte Weife, wie von ſchwediſcher Seite ber Feldzug 
leitet warb und 2 nachtheifige Befechte, weiche ©. gegen das put 
ing heranruͤckende, weit überlegene feindliche Corye bei Staxgaxkı 








zur Reife gebiehenen Entwürfe. Der Monarch ernan 
©. zum Major, erhob feine Truppe zum Leibhufarenze 
Hauptftadt zum Standquartier an. S. war ber Abgott 
fein Einzug in Berlin im naͤchſten Jahre glic einem Tru 
wackere Krieger biefe Huldigung feiner Landsleute auch ex 
Überhaupt auch Anfpruchlofigkeit in feinem Charakter la 
fehlen, daß fein Selbftvertrauen fteigen und eine unwillk 
Kräfte und feines Einfluffes auf dem Geiſt des deutfchen ! 
den mußte. Überdies drängten fidh von allen Seiten Feue 
ihre zum Theil Überfpannten Ideen ihm aufnöthigten un 
ten. An dem Tugendbunde war er, wenigſtens in deſſ 
ohne Antheil, und Haß gegen Napoleon ward immer nu 
f&haft, ſowie feine Erwartung, daß Preußen bei der er 
gegen den Kaifer losſchlagen müffe. Diefer Augenblid 

men, als Oſtreich im April 1809 Napoleon den Krieg 

Erſchoͤpfung foberte eine umfichtigere Politik. Diefe ft 
Ideen jener geheimen Partei, welche zuverfichtlich auf d 
heit in ganz Deutſchland rechnete und dafüchielt , Preußer 
Willen, durch einen gewagten Streich , der ihm keine fer 
den Kampf bineingezogen werden. S. ward zum Wer 
Anſtoßes, leider auch zum Opfer beffelben, erfehen. A 
Abgeordneter von mehren bäuerlichen Gemeinden der Gr 
lich und wiederholt ihn aufgefodert, den Aufftand, mit n 
tig zu unterftügen. In Deffen warb, wie er wußte, eu 
tion durch den Oberſten d. Dörnberg eingeleitet. Im ga 
gaͤhrten die Gemuͤther in dumpfer Unzufriedenheit; vo 
noch ber preuß. Hof verweilte, fehlte e8 nicht an vertrau 
bie Stunde gefchlagen habe, etwas Entfcheidenbes zu wa, 
länger. Unter dem Worwanbe, fein Regiment in gı 
üben, zog er ben 28. April Mn Berlin mit bemfelben 
Erſt auf dem Übungeplage eröffnete er feinen Officieren, 1 


An Mahn du Ks Raum nn mean 


Shi - 7158 


rige Zuverſicht aufs tieffte erfchüttern mußte, daß Napoleon bereits die ge: 
ute oͤſtreich Heeresmacht in den Schlachten von Tamn, Abensberg, Eckmuͤhl 
Regensburg binnen wenig Tagen zertruͤmmert habe. Von diefem Augenblid 
ver es entfchieden, daß Preußen ſich, wie es auch fogleich geſchah, von S.'6 
mehmen auf jede Weife losſagen mußte. Auch Doͤrnberg's Aufitand in Def: 
ja fruͤhzeitig ausbrechend, war im erften Beginnen erſtickt worden. ©. berief 
am 4. Mai su Bernburg feine Officiere zu einem Kriegsrath und fragte, ob 
über die Elbe zuruͤckgehen und das Unternehmen aufgeben folle? Dies fand 
Shafteften Widerſpruch. In Heffen fehlen noch nicht Altes verlorm. Weſtfa⸗ 
Stinmmmg bot ein weites Feld zu neuen Hoffnungen; ganz Norddeutſchland 
entblößt von feindlichen Truppen; man konnte ben kleinen Krieg nady allen 
w binfpielen, und infonderheit ließ fich in Oftfriesland,, durch die Natur unt 
widhthum des Landes begunftigt, eine treffliche Stellung für die militairiſchen 
tionen finden, welche zugleich im ſchlimmſten Falle den fihern Rüdsug über 
Meer nach England verhieß. Der weitere Zug warb befchloffen, fand aber 
fand bei dem Dorfe Dodendorf, wo ein Theil der nur ſchwachen Beſatzung 
Magdeburg am 5. Mai ihm den Weg zu verlegen fuchte. Das Gefecht war 
und dennoch nicht entfcheibend. ©. verlor mehre feiner beften DOffictere und 
ꝛe fich darauf nach Wanzleben, von dort aber, anftatt feinen Weg auf Braun⸗ 
8 zu verfolgen, auf Tangermünde und in die Altmark. Hier waren erft vor 
m einige Verfuche ; das Volk zu erregen, für bie Anftifter übel ausgeſchlagen, 
uch S. fand weder den gehofften Zulauf unter feine Fahnen noch eine lebhafte 
sg, feinen Proclamationen Gehör zu geben. In Kaffel war er für einen Raͤu⸗ 
mb Störer des Landfriedens erklärt, und ein Preis von 10,000 Fr. auf feinen 
Bi worden. Unfchläffigkeit und Unzweckmaͤßigkeit offenbarten jetzt fich im⸗ 
ein feinen Operationen. Wenn ihm auch von Magdeburg aus wenig wei⸗ 
P den Weg gelegt werden konnte, fo mußte er body, daß fich in Hanover unter 
Deneral Sratien ein holländifches,, und in Holftern unter dem General Ewald 
miſches Corps fammelte, um gemeinfchaftlich zu feiner Erdruͤckung zuſammen⸗ 
Ben. Eine Zeitlang hoffte er, in der Bemächtigung des kleinen mecklenburgi⸗ 
Worte Dömis an der Elbe einen Stuͤtzpunkt fammt Geſchuͤtz und Waffenvors 
m gefunden zu haben. Doch ehe noch Gratien vor bemfelben erfchien und ſich 
Zu erften Anlaufe wieder bemächtigte, hatte S. ſelbſt die Unzulaͤnglichkeit dies 
Bee erkannt und fi, um vielleicht fich von den Engländern die Hand geboten 
Rn, gegen die Öftfeefüfte auf Wismar und Moftoc gezogen, beide Piäge aber 
Deoffnung gleich wenig entfprechend gefunden. Nur Stralfund blieb ihm jegt, 
m Hollaͤnder und Dänen immer eiftiger drängten, als letzte Zuflucht uͤbrig; 
: aber mußte er, um dahin zu gelangen, bei Damgarten einige geſammelte 
mburgiſche Truppen, bie ihm hier den Pag verlegen wollten, auseinanberfprens 
Stralſund felbft, wo er einen kleinen franz. Artilleriepark vorfand, warb ohne 
u Widerftand genommen. Ex hielt diefen Plag, der noch einige Spuren der 
un Befeftigung zeigte, durch feine age zroifchen großen Teichen für feft genug, 
BB In demſelben feiner Gegner zu erwehren, und fäumte aud) nicht, die Werke 
ir Eile moͤglichſt wiederherzuftellen. Zur beſſern Vertheidigung berfelben hatte 
u ſchwediſch⸗ pommerſche Landwehr aufgeboten, die zwar nicht fehr eilig war, 
derung zu befolgen, aber body feine bewaffnete Macht bie gegen 2000 M. 
Dre. Etwa 500 M. andrer Truppen waren in Warnemünde zu Schiffe ges 
wu, ohne fich noch wieder mit ihm vereinigt zu haben. Denn ſchon nach wenig 
I, den 31. Mai, erfchienen feine Verfolger, 5 -— 6000 M., vor Stralfund 
wetffen ihn von der Seite des Enieper Thors an, wo er es am wenigſten erwar⸗ 
te, Nach einer heftigen Kanonade drangen fie, troß bed versweifeltften Wis 
mbes, ſtuͤrmend in die Stadt. Noch in den Straßen fepten bie Weidyentien 
1S.:@er. Giebente Aufl. Bb. IX. 48 














ein Kriegsgericht, welches fie zu Beltungsarreit und Laffı 
Dodendorf und Stralſund gefangenen 12 Officiere wurd 
Wefel äbgeführt und dort erhoffen; die übrigen ſchlep 
eich, wo fie zum Theil bis zu Rapoleons Sturz auf den G 
Leihnam war auf der Wahlſtatt nur mit Mühe erkannt n 
teter Volksglauben ließ ihn fogar enttommen und in En 
heit leben, um als ein erwarteter Heiland im rechten A 
des öffentlichen Lebens aufs neue zu betreten. Sein Ro 
fehl vom Körper getrennt und in Weingeift aufbewahrt, 
vatmufeum nady Leyden. Sein uͤbriger Körper fand in 
noch fehlt ihm ber einfache Denkftein, deſſen &.’8 Ani 
trefft. „Rebensbefchreib. des Maj. Ferdin. v. Schill" a, 
3.6.2. Haken (Leipz. 1824, 2 Bde.) Herausgegeben. 
Schiller (Johann Chriſtoph Friedrich v.). Diefer 
Gefäyichtfchreiber der beutfchen Nation, deſſen Werke me 
Deutſchen ein Gemeingut feiner Nation geworben, in all 
und Bewunderung erregt haben und noch erregen, und b 
tionen unſterblich fortleben wird, war am 10. Nov. 1' 
wuͤrtembergiſchen Städtchen am Nedar, geb. Sein Bi 
einem bairifchen Hufarentegintente, dann Faͤhndtich und 2 
Würtemberg, nachher Hauptmann und Infpector ber au 
Solitude angelegten Baumfchule, war ein bieberer, verftä 
über die Baumzucht ruͤhmlich bekannter Dann. Die Mı 
aus Kodweis, war eine treffliche und gemüthliche Hausfe 
Sohn innig liebte. Sch. zeigte ſchon als Knabe eine feu 
las mit hohem Vergnügen die heiligen Saͤngert des alten 9 
nen entzücten ihn vor allen ; im Übrigen zeigte er übera 
redlichen und frommen Herzens. Seinen erflen Unten 
Pfarrer Mofer in Lorch, einem wärtemberg. Grenydorfe, ı 
an 3 Jahre aufhielten. Nachher zogen fie wieder nach 
1773 die öffentliche lat. Schule befuchte. Ein glänzende 
9% ah. hemirkte. bat alle f innenhlichen Oinisle fich 


Schiller 166 


zu ertragen; aber je tiefer fein Geiſt diefen Drud empfand, deſto mehr 
ch deſſen Kraft in eine ideale Welt, bie fich fein Geift erſchuf, empor, 
ht ohne Bitterkeit und Trotz bie wirkliche anzufchauen gewohnt wurbe. 
risprudenz machte er wenig Kortfchritte und ergriff ſchon 1775 die barge: 
egenheit, fie mit dem Studium der Medicin zu vertaufchen, für wel- 
Us eine Anftalt bei der genannten Milltairakademie eröffnet wurde, deren 
‚ ber Derzog ben Zöglingen frei ließ. Naͤchſt biefem Studium trieb er 
Geſchichte und lat. Sprache. Hier gewann er vor Allen Domer unb 
. In ſ. 16. Jahre lieferte ex in dem ſchwaͤbiſchen Magazine einen Abs 
Virgil's, Äneide“ in einer herametr. Verdeutfchung. Die Dichtkunft war 
€ „verbotene Frucht”, um fo begieriger fuchte er in Stunden ber Muße 
naſchen. Unter den deutfchen Dichtern zog ihn beſonders Kiopftod an. 
hatte die frühe Vertrautheit mit ben altteftamentlichen Dichtern in Zus 
tiger Sprache, ſowie nachher das begeifterte Studium von Klopſtock's 
hen, oft durch erbabene Einfachheit fo tief erfchütternden, oft aber auch 
Unerreichbaren unbefriedigt singenben Werken einen entfcheidenden Eins 
e Entwidelung und Richtung feines dichterifchen Genius. Aber nicht bloß 
verhielt fi Schiller bei feiner poetifchen Lecture, fondern er las mit freier - 
ft, von keiner vorgefaßten Liebe oder Hochachtung beſtochen, und ſtrich 
Klopflod Verfe und Strophen aus, bieihm nicht gefielen. Durch fort« 
fen der Bibel und Klopſtock's war fein religiöfer Sinn fo angeregt wor⸗ 
x, um feinen Ideen Geſtalt zu geben, an einem epiſchen Gedicht zu ar> 
a9 (1773), deffen Held Mofes, ber Befreier, Deerführer und Geſetz⸗ 
Volks, fein follte. Die Bekanntfchaft mit Gerftenberg’6 „Ugolino” aber, 
yen geäßlichften und erſchuͤtterndſten Scenen fo reichen Trauerfpiele, weckte 
ihm die Liebe zur tragifchen Dichtkunſt; Goͤthe's „Goͤtz von Berlichin⸗ 
ewitz's,Julius von Tarent“, und Leſſing's bramatifche Arbeiten nährten 
; Shakſpeare's belebender Athem endlich fachte fie zur Flamme an. — 
mahm die erften beamatifchen Verſuche: „Der Student von Raffau”, 
fp., deſſen Stoff er aus einer Zeitung genommen haben fol, und „Cos⸗ 
Nedicis“, ein nach Julius von Tarent entworfene® Schaufp. Beide wur: 
Kolge von dem Verf. felbft verbrannt, und wir zweifeln nicht, daß dieſes 
echt war. Nur einzelne Stellen bes legtern Stuͤcks nahm er in die ſpaͤ⸗ 
ber’ auf. Seine gleichzeitigen Inrifchen Verſuche gelangen noch weniger, 
t aus einem in fich felbft Flaren und beruhigten Gemuͤth bervorgingen, 
oͤßtentheils getrübte Reminiscenzen aus andern Dichtern waren, bie feine 
leidenfchaftlich bewegte Phantafie zu überbieten fuchte. Übrigens bildete 
uutarch's Lebensbefchreibungen, Herder's, Garve's und Ferguſon's philo: 
Schriften auch f. hiſtoriſchen und philoſophiſchen Geiſt. Zwei Jahre trieb 
Medicin ausfchließlic und fchrieb damals eine lat. Abhandlung: „Phi: 
€ Phpfiologie”, die aber nicht im Druck erfchienen iſt. Won 1777 an 
Bjährige Juͤngling, Die Räuber", ein gigantifches Werk vol ungebändig- 
das die Kritik zwar als völlig unkünftlerifch zu tadeln, bem fie aber nicht 
‚derung ber Lefer und Zufchauer zu rauben vermodht hat. Als &ch. nun: 
tuttgart f. atabemifchen Studien vollendet hatte, gab er nad) dortiger 
it 1780 eine deutſche Probefchrift u. d. X.: „Verſuch über ben Zuſam⸗ 
er thieriſchen Natur des Menfchen mit feiner geiſtigen“, heraus, welche 
m „Berl. Monatfchr.” 1821 abgedr. worden if. Man findet barin, an: 
eine Überfegung a. d. Engl., ein Bruchſtuͤck aus dem 5. Act feiner da⸗ 
ungebruckten „Räuber als einen pfochologifchen Beleg angeführt. Sc. 
h dieſes Vorwandes, weil er ſich auf ben Rath f. Sreunde als Verf. eines 
yaufpiel® verleugnen mufte. Er waid noch in diefem Sabre 6 ago 
au ? 


756 Schiller 


mentsarzt angeftellit. Bisher war Sch.'s Kraft durch eine deſpotiſche € 
hemmt gewefen, und nur auf Stunden, auch nicht ungeſtraft, entſchl 
einigen Sceunden feinem Schulkerker oder trogte der dort herrſchende 
Über defto gewaltfamer brach num jene Kraft hervor, als er Herr ſ. Wi 
den war. Selbſt in den Mauern der militairiſch⸗ paͤdagogiſchen Auft⸗ 
jenen Zwang nur eine innigere Verbindung, eine Art von Corporatio 
den jungen Stubirenben entftanden, ber, wie er Ihren Eifer in den Str 
‚und fie antrieb, in dem Gebiete der Wiſſenſchaft eine Freiheit zu errl 
Bild ihnen vorfchwebte, auch große und erhabene Fdeen in ihnen wı 
dichterifchen Genius mächtig in feinem Aufſchwung unterftügte. Viel 
diefee Quelle die Scene in den „Räubern‘, in welcher Karl Moor mit 
ben ſchrecklichen Band ſchließt, und jene andre, in welcher er dem pla 
ſcher der Gerechtigkeit Rechenfchaft von f. Thaten gibt. Noch in ſ. fpi 
verficherte Sch., daß ey, troh ber großen Einfchränkung auf der Akaben 
gart, feine gluͤcklichſten Tage dort verlebt habe. Auch fehlte es ihm 
ober minder gleichgefinnten Sreunden. Dex ausgezeichnete liebenen 
kuͤnſtler Zumfteeg gehörte zu f. Schulfeeunden; und viele Gedichte, t 
nebft den Arbeiten feiner Sreunde u d.N. Anthologie” herausgab, ı 
diefer Zeit. Jetzt ließ er auch (auf eigne Koften, weil er Leinen Verl 
„Raͤuber“ drucken, nachdem er auf ben Rath feiner Freunde manche zu 
und Stelle ganz geftridhen ober doch gemitbert hatte. Hoͤchſt erfreu 
die Anerkennung diefes Werkes im Auslande, indem ihn ſchon 1781 du 
ler Schwan in Manheim zu einer Umarbeitumg beffelben für die dı 
auffoderte. Einen ähnlichen Antrag erhielt ex furz darauf von dem: 
manbeimer Theaters, dem Freih. v. Dalberg, mit welchem er von! 
in Immer genauere Verbindung kam. M. ſ. daruͤber Gr. Sch.'s, Briefe 
Heribert v. Dalberg in den J. 1781 85" (Karlsruhe 1819). Er aͤnd 
ihn überzeugen konnte, und die „Raͤuber“ wurden in Manheim 178 
Male aufgeführt. Bei dem zwei erften Auffährumgen war &ch. gegen 
da diefe Reife nach Manheim ohne Urlaub gefchehen war , fo erhielt ex 
kehr 14tägigen Arreſt. Natuͤrlich mußte ein fo originelle® Werk alige 
fehen madyen. Ungluͤcklicher Weife war das vaterländifche Ehrgefühl 
buͤndners durch eine Stelle in jenem Schaufpiel, wo von f. Landelent 
gemeinen Straßenraͤubern, die Rebe war, gefränkt worden. Diele 
ſchwerde beim Herzog, welcher bem Dichter verbot, außer bem mebich 
irgend etwas drucken zu laſſen, wahrfcheinlich weilfeinem Geſchmackel 
anftößig waren. &ch., ber ſich damals mit Prof. Abel und Biblioth⸗ 
zur Herausgabe der Zeitfchrift: „Wuͤrtembergiſches Mepertorium‘', ı 
in diefelbe den Auffas Über das gegenwärtige beutfche Theater und 
Recenſionen geliefert hatte, dem überdies durch f. Verbindungen in I 
lockendſten Aue ſichten zu einer Anftellung bei der Bühne ſich eröffneten 
Beſchraͤnkung ımerträglich finden. Einen Ausweg einyufchlagen, we 
ruͤcknahme jenes Verbote haͤtte bewirken innen, da der Herzog fein Seh 
und dem talentvollen Süngling überhaupt gewogen war, erlaubte biefen 
und vielleicht auch bie Furcht vor gemaltfamen Maßregeln ber Begkerm 
er an Schubart erfahren. Der Herzog wünfchte naͤmlich, ch. feht 
tifchen Erzeugniffe vor dem Abdruck felbft mittheilen ; dies wollte diel 
entfernte fi 1782 heimlich aus Stuttgart, nachdem er den Freih v. 3 
geblich um f. Verwendung in dieſer Sache gebeten. Er ging unter eine 
menen Namen nad) Franken. Hier lebte er beinahe ein Jahr zu Ba 
Meiningen auf einem Gute der Geheimentäthin v. Wollzogen, bern 
Iende Aufnahme er Teiner Berkintung mit ihn Schnen verdankte, dir 


Schiller 787 


jart ſtudirt hatten, unb endete in poetifcher Muße f. ſchon in Stuttuart ans 
men „Siesco” und f. Zrauerfp. „Sabale und Liebe”. Im Sept. 1783 begab 
aa Manheim, wo damals Iffland, Bed, Beil und Caroline Bed auf ber 
glänzten. Die Darftellung f. „Räuber von diefen Künfttern batte fchon bei 
ı Aufenthalte einen'fo begeifternden Eindrud auf ihn gemacht, daß ber Wunſch 
entflanden war, Ditglieb dieſes Theaters zu werden. Diefem Gedanken 
‚damals vorzüglich, Beil [ehr ernft entgegengefett und prophetiſch gefagt ha⸗ 
Nicht als Schaufpieler, fondern als Schaufpieldichter werden Sie der Stolz 
tſchen Bühne werden”. est fand Sch. in Manheim unter ben Vomehm⸗ 
bildete Freunde, vorzüglich Dalberg und Ant. v. Klein, durch deren Dit: 
g ihm die Freude zu Theil warb , ſich als Theaterdichter an der manbeimer 
angeflelit zu fehen. In diefem Amte fühlte er ſich um fo gluͤcklicher, da er 
yaublihne nach ihrem hoͤchſten Einfluß auf den Menſchen würdigte und fie 
raliſche Anftalt betrachtete. Auch warb er damals zum Mitgliede der kur⸗ 
h⸗ deutſchen Geſellſchaft zu Manheim aufgenommen. Hier war er aud) 
#6 Hausfreund, vor befien freimüthigem Urtheil er viel Achtung hegte. Eben 
2 „Rudolf von Habsburg” beſtimmte auch Sch., f. „Carlos, zu bem ex [chen 
I den Entwurf gemacht hatte, ia Jamben zu fchreiben. Er ſelbſt hat ſich auf 
erfwürbige Art über f. erſte bramatifche Arbeit erklärt. „Fruͤhe“, fagte er, 
rich mein Vaterland, um es gegen bie große Welt audzutauſchen, die ich 
m durch die Gernsöhre kannte. Ein feltfamer Mißverftand der Natur hatte 
ı meinem Geburtäorte zum Dichter verurtheilt. Neigung für Poefie beleis 
be Geſetze des Jnſtituts, worin ich erzogen warb, umb widerſprach dem Plane 
Stifters. 8 Jahre rang mein Enthufissmus mit der militairiſchen Regel; 
Bei für die Dichtkunſt iſt feurig und ſtark, wie bie erfte Liebe. Was 
ſollte, facht fie an. Verhaͤltniſſen zus entfliehen, bie mir eine Folter wa: 
Mwoeifte mein Her; in eine Idealenwelt aus, aber unbelannt mit der wirkli⸗ 
von welcher mich eiferne Stäbe ſchieden — unbelannt mit den Menſchen — 
le 400, die mich umgaben, waren ein einziges Geſchoͤpf, der getreue Abguf 
und eben dieſes Modelld, von weichen bie plaftifche Natur fich feierlich 106 
— unbefaunt witden Neigungm freier, ſich felbft überlaffener Wefen, denn hier 
w Eine zur Reife, Eine, die ich jept nicht nennen will; jede übrige Kraft bes 
6 erichlaffte, indem eine einzige fid) convulfivifch [pannte ; jede Eigenheit, jebe 
affenheit der tauſendfach fpielenden Ratur ging in dem regelmäßigen 
eſchenden Ordnung verloren; — unbekannt mit bem fchönen Geſchlechte — 
amt mit Menſchen und Menfchenfchidfal, mußte mein Pinfel nothwendig 
Here Linie zwifchen Engel umd Teufel verfehlen,, mußte er ein Ungeheuer her 
tzen, das zum Gluͤck in der Welt nicht vorhanden war, dem ic) nur darum 
Nichkeit wuͤnſchen möchte, um das Beiſpiel einer Geburt zu verewigen, die 
Isrwibrige Beiſchlaf der Suborbination unb des Genius in bie Welt ſetzte. 
Ich meine die „Räuber. Dies Stud iſt erfchienen. Die ganze fittliche Weit 
ı Berfaffer als eimen Beleidiger der Majeflät vorgefodert. Geine ganze Ber: 
mung fei das Klima, umter bem es geboren wurde. Wenn von allen den un 
a Kagſchriften gegen bie „Raͤuber“ nur eine einzige mich teifft, fo ift es diefe, 
zwei Jahre vorher mir anmaßte, Menſchen zu ſchildern, ehe mir nur einer 
Me“. Go urtheilte der Dichter Über f. erſtes dramatiſches Stubium, ein 
welches trotz allen theils üppigen, theils mißgeflalteten Auswüchfen einer 
ben, noch nicht durch Weltkenntniß geregelten Phantafie und gehäuften Graͤß⸗ 
m immer eine geniale Schöpfung bleiben wird, und welches man in f. ur 
ken unkuͤnſtleriſchen Rohheit nicht antaften darf, wie alle, theils vom Ver⸗ 
eibft, theild von Andern gemachte, aber mißrathene Verſuche mit Zeile 
heere beweiſen. Die Aufgabe des Dichter war. darzufiellen, weie duavan 


758 Schiller 


Natur edler Menfc durch harte Verhältniffe und feindfelige Bosheit zw 
chen verleitet wird. Tief verborgene Kalten des menſchlichen Herzens 
Urfachen entwidlelt, welche die beiden Brüder Moor jeden auf feine ſtraf 
hinleiten, wenn auch die Urfache felbft, wodurch Karl verleitet wird, 
zu werden, nämlich der Brief mit Drohungen von feinem Bruder, feine 
nicht entfprechend if. Franz's Monolog, wo er fagt: „Ich habe grı 
mit der Natur zu grollen, und, bei meiner Ehre, ich will ſie geltend ma 
Karls Empfangen des väterlichen Fluchs ſtatt des eben erwarteten S 
ihm die Himmelspforte zum erfehnten Guten und. Rechten werben ſollt 
hologifche Meifterzüge und zeigen, daß wenn Schiller'n damals die 
fremb war, er den Menfchen fchon kannte, und deſſen Innerſtes, wenn: 
der Ahnung, ſchon tiefergründete. — „Zießco” (1783) und „ Cabale u. Lu 
zeigen bei aller fchroffen Größe, die auch fie auszeichnet, fchon ein b 
Streben , fowie eine beffere Kemntniß der dem Dichter zu Gebote fteher 
und konnten Sch.'s Ruf nur befefligen. In diefen 3 Stuͤcken gibt da 
Anſtoß; Hauptgegenftand iſt das Ringen ber Freiheit mit dem Sch 
Staate und feinen Conventionen, aber bie Zeichnung des Laſters verli 
das Verzerrte, Ungeheure, Teuflifche und wird menfchlicher, wahre 
fpannte Styl, der das ungewöhnlich Kräftige fucht , und das Parabere 
noch herrſchend. Mit diefen 3 Tragoͤdien ſchließt ſich In Schillers Did 
erfte Periode, welche wir als die Zeit der mächtig, aber regellos auffireb 
hinlaͤnglich charakterifirt zu haben glauben. Noch fallen in diefen Zeit 
kleinere Gedichte: „Die Schlacht”, „Die Kindesmoͤrderin“ u. die Gedid 
(Tochter ded Kammerraths Schwan) u.a. m., gedichtet in Stuttgart jı 
mo ihn Petrarca begeiftert hatte. Aud unternahm er die Derausg. d 
(1784), durch welche er auf Die Verbefferung der Bühne zu wirken ſuch 
befchäftigten ihn damals noch mehre dramatifche Stoffe, beſonders ein 
von Schwaben‘ und ein zweiter Theil der „Räuber. Seinelängft gebe 
für „Don Carlos”, welchen Stoffihn Dalberg zu bearbeiten veranlaßt ba 
Ausſchlag. Seine glühende Jugendliebe und das Stubium der Philof 
ches u. a. auch f. philofophifchen Briefe von Julius und Rafael bezew 
feinem Geiſte eine neue, ibeale Welt aufgefchloffen, die er in f. „Don Ca 
ftalten begann, von welchem er zuerſt einige Scenen in die „Thalia“ eh 
Durch Vorlefung derfelben an dem heffendarmftäbtifchen Hofe ward € 
habenen Befchüger und Freunde ber Künfte und MWiffenfchaften, dem je 
herzoge von Weimar, perfönlich bekannt und von ihm zum Math erna 
Auszeichnung für ihn von den mwichtigften Folgen war. — &ch. fehnte fi 
wieder nad) einem erweiterten Wirkungskreiſe. Cr beſchloß daher zu 
zuerft nad) Leipzig zu gehen, wo er fid durch f. poetifche Werke viele Zi 
fonders Huber, gewonnen hatte, mit bem er in Briefmechfel fland. Er 
das Bebürfniß eines vertrauten Freundes, der mit ihm wohnen, ihm ri 
oͤkonomiſchen Angelegenheiten leiten follte, und kam im März 1785 n 
Hier und in dem nahen Dorfe Gohlis lebte er in einem freunbfchaftlichen 9 
mard auch das „Lied an bie Freude” erzeugt. Zu Ende des Sommers ı 
Dresden. Biele geiftreihe Männer, die er dort kennen lernte, die ſchi 
bungen der Stadt, ihr Reihthum an Kunſtſchaͤtzen und vornehmlich 
Bibliothet feffelten ihn bis 1787 an diefen Aufenthalt. Er ſtudirte bed, 
108" wegen Alles, was erüber Philipp II. und f. Regierung hier auffin 
Eine Frucht diefer Studien, die ihn unvermerkt in das hiftorifche Geb 
mar f. Geſchichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der fpanif 
rung” (Teipz. 1788, 1. Thie. 1. v. 2. Bdo.). In diefem Werke (zu dem er 
zuruͤckkehrte, um es zu beendigen) verhantı er , haran!a andh ein Füngle 


Schiller 759 


phitofophifch : hiftorifchen Unterfuchungsgeifte eine lebendige Darftellung und 
ende Schreibart. In diefe Zeit der hiftorifchen Forſchungen gehort auch fein 
Heirtes Werk: „Geſchichte der merkwuͤrdigſten Revolutionen und Verſchwoͤ⸗ 
a’, wovon ebenfalleinur ein Bd. erfchten. Seine bekannte, Freigeiſterei der Leis 
vaft” (welche aber, wie fo manche f. andern Gedichte, durch fpätere Anderuns 
md Abkürzungen fehr an ihrem urfprünglichen Charakter verlor) fchrieb er um 
3e Zeit. Wie jeder mit reicher Fülle des Beiftes und Gemuͤthes begabte Menſch, 
über den Genuß des Lebens hat entbehren müflen, oder dem er durch Zwang 
Be worden, feste auch Sch. ba ihm die Freiheit zu Theil worden, den Bes 
der Freude an bie emmpfänglichen Lippen und leerte ihn oft und gern in glühens 
Agen. Aber feine Freuden waren genialiſch und edel mie er felbft. Gern mochte 
3 allem Großen und Schönen geweihtes Herz bem Sleichgefinnten öffnen und 
mötaufch der verwandten Gefühle f. Dafein vervielfachen. Das Erhabene, das 
erlich und würdig Begeifternde ſprach ihn mächtig m. Seinen Studien und 
m Arbeiten waren die Nächte vorzuͤglich gewidmet. Wenn das vertworrene und 
teende Treiben ber Außenwelt fchwieg,, dann ſprach dee Genius vernehmlicher 
later zu ihm. Mit der verlöfchenden Fackel des Tages entzuͤndete fich die Flamme 
geifterung, und oft brach Die Morgentöthe an, ohne daß noch Sch. des Schlafs 
fen hatte. In Dresben und in dem nahgelegenen Dorfe Loſchwitz, in bem 
bergähaufe f. Freundes, des damaligen Appellationsrathes Körner, vollendete 
feinen „Don Carlos’ (1.%., Epz. 1787), weicher, obgleich immer ein Wert, 
bon allein den Namen des Verf. bei ber Nachwelt verberrlichen würde, doch 
Den Grad von Vollendung erhielt, welchen er erlangt hätte, wenn Sch. feinen 
Inglichen Ideen gefolgt wäre. Er ſelbſt fagt In diefer Hinficht (in f. „Briefen 
Carlos"): „Es kann mir begegnet fein, daß ich in den erften Acten biefe® 

BB andre Erwartungen erregt habe, als ich in den legten erfüllte. St. Real’. 
Me, vielleicht auch meine eignen Aeußerungen darüber im 1. Stüde der, Tha⸗ 
en dem Lefer einen Standpunkt angemwiefen haben, aus dem es jetzt nicht 
achtet werben kann. Während ber Zeit naͤmlich, daß ich es ausarbeitete, 
6 mehrer Unterbrechungen wegen eine ziemlich lange Zeit war, bat fih — in 
elbſt Vieles verändert. An dem verfchiebenen Schidfalen, die während dies 
Be über meine Art zu denken und zu empfinden ergangen find, mußte nothwen⸗ 
Ih dieſes Wert Theil nehmen. Was mich zu Anfange vorzüglich in demſel⸗ 
wfefleit hatte, that diefe Wirkung in der Kolge ſchon ſchwaͤcher, und am Ende 
kumnod. Neue Ideen, die indeß bei mir auflamen, verbrängten die fruͤ⸗ 
I Garlos felbft war in meiner Gunſt gefallen, vielleicht aus keinem andern 
be, als weil ich ihm in Fahren zu weit vorausgefprungen war, und aus ber 
pengefesten Urſache hatte Marquis Pofa feinen Play eingenommen. Der 
ler war: ich hatte mich zu lange mit dem Städte herumgetragen; ein dra= 
Wert aber kann und foll nur die Blüthe eines einzigen Sommers fein. 
der Plan war für die Grenzen und Regeln eines dramatiſchen Werks zu weits 
j angelegt. Diefer Plan foberte 3. B., daB Marquis Pofa das uneinges 
ste Vertrauen Philipps davontrug ; aber zu diefer außerordentlichen Wirkung 
be mir die Ökonomie des Stuͤcks nur eine Scene. Schiller wollte daher 
dieſes Stuͤck nicht für ein Theaterſtuͤck gehalten wiſſen, obgleich e® mit dem 
ma Beifall auf der Bühne aufgenommen wurde und immer eine Zierde derfels 
lelben wird , wie vielfach und oft ganz ſinnlos es auch verſtuͤmmelt worden iſt. 
OR nennt es in f. Briefen an Dalberg ein Familiengemaͤlde aus einem koͤnigl. 
e Wieland, der fehr ſcharf darüber urtheilt, fand im den Perfonen dieſes 
B6 nur idenlifche Phantafiegefhöpfe, bei denen man doch bie pſychologiſche 
eheit vermiſſe. Und in der That find in diefem Stüde der Drang nach An» 

ws pbilofophifcher Ideen von Freiheit und Kodmopoitisraus , vo 


7160 Schiller 


Streben ber Phantafie, ben gefchichtlichen Stoff zu idealiſiren, mit! 
die in diefer Beziehung entroorfenen Charaktere durch pſychologiſd 
Wahrheit zu indivibualificen, noch im einem großen Streite begriffen. 
dem gehört in biefe Periode feine® Lebens noch der Entwurf zu einen 
„Der Menfchenfeind”, von welchem einige Scenen vorhanden find, 

vollendete Roman „Der Geiſterſeher“ (Leipz. 1789): ein Verſuch fe 
im Gebiete der Erzählung, zu welchem ihm wahrfcheinlich die bamal 
von Caglioſtro VBeranlaffung gaben. Anziehende Charakterzeichnung 
der Erzählung und Sprache zeichnen ihn aus. 1787 ging Schiller ı 
wo ihn ‚Derder und Wieland freundlich aufnahmen, und Lepterer I 
günftig auf ihn wirkte. Dem Glaffifchen zugemenbet, arbeitete er jet 
fegungen bes Euripides. Übrigens lebte er hier in vertraulichen Ver 
H. v. Wollzogen und Niethammer. Don Weimar aus madhte er 
Beſuch in Bauerbach. In Rubolftabt lernte er f. nachherige Sat 
v. Eengefeld, kennen, und fühlte das Bebürfniß, ſich an einer Gat 
bürgerliche und häusliche Eriftenz zu gründen. Auch im folgenden 
er nach Rubolftabt zurüd. Hier traf er zum erſten Mal mie Goͤtl 
der in Befellfchaft ber verwitweten Derzogin Amalia von Weimar ebe 
zurückkehrte. Durch Goͤthe, der ihn anfangs nicht anfpeadh , und der 
MWeltanficht fo hoͤchſt verfchieden von ihm war (f. Goͤthe „Zur Natu 
und ben Auszug im „DMorgenblatte" St. 216, 1817) warb er bie| 
Fuͤrſtin bekannt; auch erhielt ex durch beffen und des Geheimenrathe 
wendung im Sommer 1789 eine Profeffur der philofoph. Zacnltät ar 
tät Jena, ohne jedoch Prof. publ. ordinarius zu fein. Schiller tı 
1789 mit der Rebe an: „Was heißt und zu welchen Zwecke ftubirt n 
geſchichte?“ — Dem Stubium ber Gefchichte und des Alterthums ı 
jegt voll Begeiſterung, unb bie wenigen poetifchen Erzeugniſſe dieſer 
hen ſich größtentheild Darauf. Hieher gehören „Die Götter Grieche 
Künftler” und der kuͤhne Plan zu einem epifchen Gedichte aus der Ge 
richs des Großen. Der Umgang mit den audgezeichnetflen Gelehrten 
ihn bedeutend an, namentlich mit Meinholb, durch welchen er mil 
beſonders mit ber Kant’fchen, vertrauter ward. Vorzuͤglich befchäft 
die Kritik der Urtheilskraft. Dies veranlaßte viele philofophifche ı 
Abhandlungen in biefer Zeit, in welchen die Kant'ſche Grundanſicht of 
mert, obne bie geiftreichen und eigenthlumlichen Anfichten unfers Did; 
drüden. Sch. lehrte mit dem außgezeichnetfien Beifalle Geſchichte, 
auch Äſthetik, und benugte den Reichthum der deutfchen Sprache gli 
ſtellung der abſtracteſten Begriffe, der erhabenflen Ideen und verwie 
hen. In diefer Zeit begann er ferner bie Herausgabe der „„Diflor. D 
12. Jahrh. an bis auf die neueften Zeiten” (1790) und bie „Geſchich 
jährigen Kriege8”. Diefe zweite bebeutende Frucht feiner hiſtoriſchen 
warb mit Begeifterung in ganz Deutfchland aufgenommen. ie erk 
„Taſchenkalender für Damen”, 1790—93. Für die Poefie feibft wir! 
Zeit weniger; nur Überfegungen aus dem Virgil und andre fallen var 
und mehre Plane zu fünftigen poetifchen Arbeiten. In und außerbalt 
wurden jegt Sch.’8 große Verdienfte anerfannt und von Fuͤrſten 

belohnt. So ertheilte ihm der Landgraf von Beffen-Darmftadt gl 
1788 den Titel als Rath. 1790 verheirathete er fich und marb von 
von Meiningen zum Hofrath ernannt. Die bamalige franz. Rey 
ihm zu Anfang der Revolution das Bürgerrecht, und der deutfche Kal 
1802 in den Reichsabelftand. Wenn auch dergleichen Eihrenbezeigun 
Werth des Mannes erhöhen, To dod Ar tag 8 Vemeife Freiwilliger: 


Schiller 701 


8 ſchaͤtzbar. — Anhaltendes naͤchtliches Studiren, verbunden mit dem 
liger Reizmittel, hatte Sch.'s Geſundheit untergraben; nur lang» 
von einer gefaͤhrlichen Bruſtkrankheit, ohne ſich jedoch ganz wieder er⸗ 
nen. Aber dies hemmte ſ. Thaͤtigkeit nicht, die ihn oft das 
chte. Um ihn indeſſen In eine ſorgenfreiere Lage zu verſetzen, bei wel⸗ 
yonen und geiftanftrengende Arbeiten einige Zeitlang unterlaffen koͤnnte, 
amalige Erbprinz, jet tegierenbe Derzog von HolfteinsAuguftenburg, 
em Strafen v. Schimmelmann, ein Jahrgehalt von 1000 Thlen. auf 
was den Empfänger fehr ruͤhrte. Um 1793 hatte Sch. auch eine 
er Gedichte vorgenommen, bei welcher er fehr ſtreng gegen fich verfuhr 
Zeit fiel die fcharfe Beurtheilung der Bürger’fchen Gedichte, die man 
Standpunkte, der fich zu dem Bürger’fchen fait wie Runftpoefie zur 
verhielt, ganz natürlich unb begreiflich finden muß, obgleich dieſe Kris 
icklichen Dichter tief verlegte. 1793 reifte Sch. in f. Heimath nach 
nd lebte dort vom Aug. bis zum Maid. folg. I. in bem Kreiſe f. Al 
unbe abwechfelnb in Heilbronn und Lubwigsburg fehr glüdlich, und 
n Herzoge, an den er von Heilbronn aus ſchrieb, geſtoͤrt oder weiter bes 
den. Von legterm Orte aus fchrieb er auch f. Briefe über äfthatifche 
ı den Herzog von Auguftenburg und bie geiftzeiche Mecenfion von Mat⸗ 
ichten. Hier genoß er auch zum erften Dal das Gluͤck der Vaterfreude. 
Jena zuruͤckgekommen war, faßte er ben Plan, in Verbindung mit ben 
ı Schriftftellern Deutfchlands eine neue Zeitfchrift: „Die Horen“, zu 
nit 1793 die „Thalia“ gefchloffen worben war. In berfelben Zeit kam 
Söthe in vertraulichere Verbindung und fortgefegten Briefwechfel, was 
den entfchiedenften Einfluß hatte. Auch befuchte er Iegtern zuweilen in 
wohnte bei ihm. Mit neuer Liebe kehrte er in ben folg. J. zur Dicht 
und brachte, vorzüglidy von 1795 an, bie fchönften f. lyriſchen Gedichte 
ein den „Horen“ ımb in f. Muſenalmanachen (der erfte erfchien 1796) 
uerft mehre didaktiſcher Art, die ihm vorzuͤglich elgnete (z. B. „Das 
6 Leben“, „Die Ideale“, „Der Spaziergang”), 1796 in Verbindung 
e kritiſchen Kenien (f.d.), und 1797 f. erſten Balladen, wozu er durch 
fer mit Göthe veranlaßt wurbe. Doch kehrte er bald zur dramatiſchen 
ruͤck. Schon 1795 legte er den Plan zu einem Stuͤcke aus der Ge⸗ 
irkiſchen Belagerung von Malta, unter dem Namen, „Die Ritter von 
yer über alle andre Plane fiegte „Wallenftein”, den er 1799 beenbigte. 
htetesbreißigiährigen Krieges” hatte ſchon früher in ©. den Gedanken 
‚ den großen Buftav Adolf zum Delden eines epifchen Gedichts zu ma⸗ 
r nicht zu Ausführung kam. Statt deſſen ergriff er aus derfelben Ges 
Pian des Wallenſtein. Mit großer Scheu ging er an bie Ausführung 
em Aufgabe, umd bie jet klarere Reflerion in ihm erregte ihm manche 
roße Charakterfhilderung wird hier fein Hauptzweck, in der Compofi⸗ 
m Handlung aber, die faft epifche Breite gewinnt, fowie in ben ein» 
des Wallenſtein, bricht die Reflerion über Schidfal und S.'s Theo» 
bie überall hervor. Unftreitig iſt, Wauenftein‘‘ durch gleichmäßige Hal» 
e Sicherheit dem „Carlos“ wie den meilten Werken feiner Gattung 
yen. Allenthalben ift verfländige Sügung fichtbar, die Charakteriſtik 
fonen aus ber Tiefe des gefanımten Lebens gefchöpft und feſt in fich 
yet. Vor allen herrlich ſteht Wallenſtein ſelbſt da, als großer, kuͤhner 
ildert, ber feiner überwiegenden Geiſteskraft, dem von ihm erſt ge» 
tere, der Sreundfchaft und den Sternen vertrauend, ald Opfer der Ei⸗ 
It, mit welcher er verbrecherifch den unverbienten politifchen Fall abzu⸗ 
tet wird. Reich und herrlich iſt bie Schattirung Dielet green Chaxake 


762 Schiller 


ters durch die Charaktere der Krieger, welche ihn umgeben, bewirkt. 
MWalenfteins” hängt bamit nur loder zufammen und ſchildert dem € 
Heeres, die Meinung und die Erwartungen deſſelben von feinem Fuͤhr 
ift Die Sprache, welche fich in den tragifchen Vers kleidet, und uͤberha 
äußere Form mit großem Fleife abgerundet und zu einem hohen Bra 
kommenheit geführt. Mit diefem Werke ſchließt Sch.'s zweite Dichten 
Streben nad großer und wahrer Charakteriſtik, fo wie durch Einfluß 
fener Theorie ausgezeichnet. Goͤthe und das Theater zog ihn nach Bei 
fe& Werbe immer fefter nad) Weimar. Hier lebte er feit 1799 im 
geiftreichften und herrlichſten Freunde, gluͤcklich als Gatte und Vater 
nem Fürften fehr geehrt, und gewann neue Kraft und Heiterkeit des C 
dramatifche Werke folgten dem „Waltenftein”: „Maria Stuart‘ und 
frau von Orleans". Wenn ſich jenes Drama duch echt teagifche Mot 
melfterhafte Anordnung auszeichnet, fo ſtrahlt diefe, als das begeifte 
ber rettenden Gottheit, im reichften Schmucke der damals wieberern 
derromantif , nicht weniger mit dem heitern Zauber der Phantafie als 
fern Prunke der Bühne ausgeflattet, und in die Rechte wieder eingı 
Dichter ſchon früher gegen unheiligen Spott in einem kleinern Gedich 
macht. Sch. läßt fie aufdem Gipfel ihres Gluͤckes durch irdifche Lieb 
von bem Geſchick entfühnt werden. Der Dichter felbft ſchrieb in be 
Briefe über die „Jungfrau“, die in ihrer Einfachheit umd Sinnigkei 
Licht auf fein damaliges Inneres Leben werfen. — Diefe Werke (fie: 
und 1801 gearbeitet) fcheinen den Gipfel f. dramatifcyen Poefie 3 
Ruhe, Klarheit und Zuſammenhang, glüdlicheres Streben nach dem 
nach poetifcher Wahrheit, in welcher Idealitaͤt und Wirklichkeit vereir 
gem fich nirgends fo offenbar ale in „Maria Stuart‘; dagegen ber 3 
„Jungfrau“ manchen fremden Schimmer geborgt hat und von der Ei 
Geſchichte abzumeichen durch feine Anficht von romantifcher Ausführ 
wurde. Sept lebte er ganz für die dramatiſche Dichtkunſt, und wiei 
breiteten Naturforſchungen Goͤthe's vielfältig anregten, fo befchäftigt 
Vervollkommmung des deutfchen Theaters, zu welcher er durch belehren 
mit den Schaufpielern der meimarifchen Bühne und Bearbeitung f. 
Stuͤcke ſehr vortheilhaft wirkte. (Vgl. Goͤthe's Auff. „Uber das beutf 
„Morgenblatt“, April 1815, St. 85). — In ſ. naͤchſten Drama, dei 
Meſſina“ (1803), wich Sch. wieder ab von der betretenen Bahn. In di 
das zugleich einen Verſuch enthaͤlt, den Chor der Griechen auf unſ 
bringen, ſind mit lyriſchem Feuer die gluͤhendſte Liebe und die furch 
geſchildert; aber wenn ſchon die Vermiſchung der heidniſchen und chri 
gion ſtoͤrend wirkt, ſo iſt die Darſtellung des Schickſals, das nicht als 
Strafgoͤttin, ſondern als furchtbare Furie erſcheint, welche die ſchoͤnſte 
knuͤpft, um fie hohnlachend zu zerreißen, dem Eindrucke des Ganzen ı 
liger. Das Ganze Eonnte mehr ald Studium angefehen werben, da 
NRomantifche zu verbinden. — Go fehr in diefem tragifchen Intrig 
Charakterzeihnung gelitten hat, fo Eräftig iſt fie wieberum in f. legteng 
„Wilhelm Tell“ ift mächtig anziehend durch die Wahrheit, womit bie e 
eines freigefinnten, unverderbten Volkes, das in glücklicher Atgefhh 
gefchildert und im Kampfe gegen frevelhafte Unterdruͤckung als Sieg 
wird. Als ein Seher ber Zukunft hinterließ ber Dichter diefe® Werk yı 
Erbe feinem Volke, deffen Erniedrigung er nicht ſchauen ſollte. Mo 
der Sittlichkeit, Einfalt, Eintracht, das fein ſcheidender Sänger ih 
nie aus feinem Andenten tommen! — Ein Werk, das ihn der Tod nk 
Heß, war „Der kfalſche Demetiwat, (Kr. d. Main tat tenfelben nat 


Schiller 768 


e ausgeführt) Außerdem bearbeitete er noch Shakfpeare’8 ‚Macbeth‘, 
#6 „Zurandot‘' für die Bühne; fchrieb die prächtige „Huldigung der Künfte‘ 
4) zur Vermählungsfeier des Erbprinzen von Weimar; bearbeitete Racine’s 
Edra’ und zwei franz. Luftfpiele („Der Neffe als Onkel” und „Der Parafit‘). 
‚terms befaß er nicht die leichte, fpielende Munterkeit, welche im Gebiete des 
piels herrfchen muß. — Hiermit fchließt der Kreis f. bramatifchen Wirkſamkeit. 
Dieſe fagt Friede. Schlegel in ſ. Vorleſungen über bie Befchichte der Altern und 
za Literatur (Bd. 2.): „Wenn auch zwiſchen feiner Poefie und unferer Bühne 
einige Disharmonie bleibt, fo ift Sch. doch als der wahre Begründer unferer 
gie zu betrachten, ber bie eigentliche Sphäre berfelben und die ihr angemeffene 
u am gluͤcklichſten getroffen hat. Er war ganz bramat. Dichter; ſelbſt die leiden» 
VFiche Rhetorik, die er neben der Poefie beſitzt, If biefem weſentlich. Seine hi> 
Sen und auch ſ. philoſophiſchen Werke und Verfuche find nur als Studien unb 
Bhungen feiner dramatiſchen Kunft zu betrachten. Doch find bie philofophis 
«and von ber Seite merkwuͤrdig, dag fie und am meiften darſtellen, wie er in 
m Sunern dachte, und wie wenig er in ſich zur vollfommenen Harmonie gelangt 
" Eine zweifelnde, feptifche und umbefriebigte Anficht leuchtet aus allem jemen 
eachen,, feinem forfchenden Geiſte Genüge zu leiſten, hervor. Einige find der 
Bang, das Studium der Philofophie fei ihm ſchaͤdlich gemefen, auch für die 
BB. Allein in Zweifel befangen war er ſchon früher, und die innere Befriedi⸗ 
«eines ſolchen Geiſtes muß doch immer als das Erfte gelten umb ift wichtiger als 
umpere Runftübung. Und felbft für die Kunſt dürften diefe großen hiftorifchen 
fopbifchen Zurüftungen Sch.’8 zu einigen Dramen eher zu loben als zu ta⸗ 
. Nicht durch eine noch fo große Menge ſchneller Arbeiten vielſchreibender 
chter wird bei uns die Bühne aufblühen. Nur durch Gedankentiefe und 
Gehalt iſt dramatifche Vortrefflichkeit, wie in Griechenland, England 
nien, fo infonderheit für ung erreichbar. Iſt Sch. in einigen Werken feiner 
Periode nicht frei von einer verkehrten Anwendung philofophifcher Begriffe 
Werfen der alten Tragoͤdie, ober von hiftorifcher Einfeitigkeit, fo entfprins 
e Mängel nidyt daraus, daß er fich der Speculation ergab, fondern nur dar⸗ 
diefe Studien, fo ernft er fie auch getrieben, und fo gruͤndlich er fie meinte, 
E zum Ziele gelangt und für feinen Zweck vollendet waren”. — Unter 














en, die Sch. hervorgebracht, ſtehen f. deamatifchen oben an. Wenn aber 
e bie vielgeftaltete Melt in den mannigfaltigften Schöpfungen abbilbet 
wärftellt wie fie ift, fo fehen roir Sch., nicht zufrieden mit dem Irdiſchen, Menſch⸗ 
eichbaren, nad) einem Ideale ringen, welches nur in der Phantafie feinen Sig 
Schwanken zwifchen Ideal und Wirklichkeit war überhaupt Grundzug f. 
RE umd war vielleicht aus dem Nachdenken Über die grellen Gegenſaͤtze, die Ihm 
Minen Leben fo fruͤh entgegentraten, veranlaft worden. Gin zweiter Promes 
„ firebt er nach dem himmtlifchen Feuer, das dem Sterblichen verfagt iſt, mit 
Kraftaufwand. Daher gelingt e ihm nie ganz, ſich und fein Werk zu 
Bin, fondern immer erfcheint ung in demfelben zugleich der Dichter, obgleidy er 
Zeit, wo er mehr im Schaffen lebte, dies wohl fühlend, bie ganze Afthes 
g verdammte; daher auch bildete er die Komik ungleich weniger aus als 
Miasie, in der fein auf das Erhabene und Ernſte gerichtete Geift ſich einheimtis 
Mbite. Daher legte er felbft in die Zeichnung feiner weiblichen Charaktere mehr 
Br ats weibliche Grazie und iſt weniger gluͤcklich als Goͤthe In der Schilderung 
Wen; auch bleibt ihm die Liebe ſtets untergeordnet. Daher mußte ihm vor Als 
und mit Recht, das-Eleinliche, ewig wiederkehrende Treiben des alltäglichen 
WB, als ein ſchlechter Stoff für die Bühne, verhaßt fein, woruͤber ex ſich in 
Wifpeare’8 Schatten‘' Eräftig ausfpricht. Auch f. Poeſien tragen fämmtlich das 
Ense dieſes Geiſtes — Unter [. Eleinern Gedichten yicgunen e dark Nagel 











volltonmmen Meifter, wie er ſich denn auch in andern V 
visle Nacjläffigkeiten erlaubt, Die er Leicht befeitigt haben 
wenigen Werth darauf gelegt hätte. — Bon feinem hoher 
ter hat Sch. um® eigentlich nur einen Wink gegeben, aber 
auch in biefer Gattung als Meifter zeigt. Außer dem ob 
Der Geiſterſeher“, befigen wir von ihm nur bie ſchoͤne E 
weirth”, und einige andere Bruchſtuͤke in f. Eleinen profa 
fräher Tod entriß ihn dg Welt. 1808 wohnte er in B 
nel bei, wo ihm bie threnvollften Auszeichnungen zu 
tehrte er nach Weimar zurüd. Schon war er auch bie 
wieber genefn, als er am 9. Mai 1805 in f. 46. Lebe 
Wol nie erregte der Tod eines beutfchen Dichters eine 
Trauer, als S.'s fruͤhes Hinfceiden. Im Ringen nad) 
war er, ein Opfer geworden für Wiſſenſchaft und Kunft 
fein großer Freund Göche von ihm: 

Er wendete bie Blüthe hoͤchſten Streb 

Das Leben felbft an biefes Bild bes € 
Bir dürfen ihn wohl gluͤclich preifen”‘, fagt eben berfelb« 
des menſchlichen Dafeins zu den Seligen emporgefliegen, 
ihn von ben Lebendigen binweggenommen. Die Gebr 
nahme ber Geifteskräfte hat er nicht empfunden. Ex hat c 
als ein volftändiger Dann von binnen gegangen. Nun g 
Machwelt den Vortheil, als ein ewig Küchtiger und Kräft 
in der Geftalt, wie der Menſch die Erde verläßt, wand 
und fo bleibt uns Achiu als ein erolg ſire bender Füngling g 
hinwegſchied, kommt auch und zu Gute. Bon feinem | 
dee Anhauch feiner Kraft und erregt in uns den lebhafteſ 
begonnen, mit Liebe fort» und immer fortzufegen. So 
der Menfchheit in Dem, was er gemirkt und gewollt, ſtets 
wie nur von feinen feltenen Geiftesgaben gefprochen; glei 
feineß Herzens. Haß gegen alles Falſche und Rechtsrwibel 


ling (Münze) Schilling (Zriebrid Guſtav) 768 


Beſicht, dem in ber Lebhaftigkeit des Geſpraͤchs wol eine leichte Roͤthe 
anbeſchreibliche Anmuth verbreitet. (Am treueften hat Prof. Dannecker 
in einer koloffalen Buͤſte gegeben. Sch. hatte ihm bei feinem Aufent- 
vaben dazu felbft gefeffen.) In Alb. Duͤrer's 4 Apoſteln (zu München 
ıberg) iſt dee Kopf des Johannes dem von Schiller fehr ähnlich. — 
ward aufdem Jakobskirchhofe zu Weimar beerdigt und ruhte im Lanb= 
agewoͤlbe bi6 1826, wo f. Gebeine auf bem neuen Kirchhofe neben ber 
uft, und f. Schäbel am 16. Sept. auf der Bibliothek zu Weimar in 
mte feiner Marmorbüfte von Dannecker niedergelegt wurden. Er bins 
tme mit zwei Söhnen und zwei Töchtern. — Schön und würdig wear 
Becker Vorſchlag, auf allen bedeutenden Bühnen Deutſchlands Tod⸗ 
den Verewigten zu veranftalten und ben Gefammtertrag zum Anlauf 
t8 anzumenden, das u. d. N. Schiller's⸗Ehre ein uno liches Eis 
er Familie bleiben ſollte. Die bald darauf ausgebrochenen Kriegeumens 
chuld, daB bie jegt erſt einige Bühnen ihre Schuld an f. Manen abge 
. In der Biographie Sch.'s von D. im XV. Hefte der „Zeitgenoffen‘ 
I) finden fich ziemlich alle Schriften über Sch.'s Leben verzeichnet. Als 
er fein Leben nennen wir Koͤrner's Auffag im 1. Th. der Werke. Diefe 
: 1818 zu Stuttgart und Tübingen in 12 Bden, fpäter auch in einer 
‚ofhenausg. Diefer ſchließt fid) ald Supplbd. an H. Döring’s Bios 

Jichters. Seinem Sohne, dem k. preuß. Appell. Afleffor Fror. With. 
chiller zu Köln if in feinem, f. Mutter und Sefchwifter Namen, als 
‚des hohen Ruhmes f. Vaters, ein Privilegium gegen ben Nachdruck 
uf 20 Fahre vom König von Baiern 1826 ertheilt worden. 

ling iſt eine deutfche, theils wirkliche, theils Rechnungsmuͤnze, 

on den ehemaligen römifchen Solidis herleitet, wovon auch die framg. 

ous, ingleichen die ital. Soldi sc. herfiammen. In Deutfchland iſt 
zolde als Gulden, theils in Silber ald Schilling ausgeprägt worden, 

ein alter Schilling von feinem Silber 20— 234 Groſchen werth ; daher 
fe Schillinge, ſowie die nachher erfolgten Groſchen, bis zu Ende des 
ie größten Silbermuͤnzen im deutfchen Reiche waren. Die gegenwärs 
von fehr verfhieden, wiewol es ſchwerere und leichtere gibt, die an 

Orten in verfchiebener Währung leben. on jenen, ben ſchweren, 

niglid) 6 Stud einen ReicySthaler ; von den leichten hingegen hält das 

l auch nur 6 Pfenmige. — In Anfehung der ausländifchen Schillinge 
den brabanter Schilling (Schilling flaͤmiſch, Esealin) ungefähr 34 

f., den engliſchen (12 Pence haltend) etwa 74 — 4 Grofchen. 

ling ($tiedrich Guſtav), einer unferer beruͤhmteſten und Fruchtbarften 
Schriftfteller, wurde zu Dresden 1766 geb. Im 9.5. verlor er f. 

‚ben od, und Berufsgefchäfte entfernten f. Water, welcher kurſaͤchſ. 

war, oft Monate lang von ibm. Daher nahm Irau Sophia Kauf: 

hofswerda, eine eble, gebildete Frau, den kraͤnkelnden Anaben bei fich 

779—81 ftubirte er auf der Fuͤrſtenſchule zu Meißen, trat aber, aus 

ven Soldatenftand, 1781 in das ſaͤchſiſche Artilleriecorps ein. Nach 

y nach dem Hjährigen Beſuch der Artilleriefchule zum Officier vorge: 

er (feit 1791 Gatte umd Bater) der Belagerung von Mainz, der Ztaͤ⸗ 

t von Moorlautern und den meiften Befechten des faͤchſ. Contingents 

Feldz. von 1793 bei. Nach der unglüdfihen Schlacht von Jena 

ſt noch 122 ſaͤchſ. Dfficieren, gefangen. 1807 führte ihn der Krieg 

u und Danzig, von wo aus er, jebt zum Hauptmann vorgerüdkt, nad) 

ben wegen eines chronifchen Nervenuͤbels auf fein Geſuch entlaffen, 

zuruͤckkehrte. Er Isbe feit einigen Fahren in Dresien. -—- SKEWon 


766 Schimmelmann 


ift einer unſerer erfindungsreichſten, gewandteſten und laumigfien Ro 
Kenntniß des menfchlihen Herzens, der Sprache und der Sitten, befor 
hoͤhern und gebildetern Ständen, eine lebhafte Phantafie, ein leichter, 
Wig und eine große Mannigfaltigkeit und Vielfeitigkeit der Anfichten u 
lungen charakterifiren ſ. Werke. Gein „Guido von Sohnsdom” if « 
und gelungenfien. Außer vielen andern lobenswerthen Romanen, unt 
den komiſchen den Preis zuerkennen, befigen wir von ihm mehre Sanm 
nee mehr und minder gelungener Erzählungen. Beſonders iſt der Dial 
Schriften vortrefflich, und deßhalb möchte man es bedauern, daß biefer t 
wenig ober gar nichts für die Bühne gearbeitet hat. Was man viellei 
werfen könnte, wäre, baß feine Sprache nicht immer gleich correct iſt 
mitunter in üppigen Schilderungen etwas zu fehr gefällt, und baß e 
ſchmacke der Lefewelt fröhnend, ſich f. Arbeiten zu bequem macht. Übr 
er zu den wenigen beutfchen Schriftſtellern, bie fich nie einer Schule ı 
baden. Bei Arnold in Dresden kommen feit 1810 f. ſaͤmmtl. Schri 
2 Sammlungen; die erfte von 50, die zweite (bis 1827) von 44 Bdn 
Schimmelmann (Heinrich Karl Graf v.), geb. zu Demm 

mern den 13. Juli 1724, warb von feinem Vater, einem Kaufmann 
nem Haufe zu Stettin, das mit feibenen Waaren handelte, in die Li 
1744 wimfchte er einen Handel für fich ſelbſt zu treiben, und begab 
zweite fchlefifche Krieg audgebrocdhen war, ins preuß. Heer, wo er fidh 
gen von 4000 Thlr. erwarb. Allein 1745 ward er von ben fächfifchen 
fangen und verlor Alles, was er befaß; er befam es jebody) nady dem $ 
Hülfe des Grafen Heinrich von Brühl, dem er empfohlen worben n 
Nun legte er in Dresden einen Materialbandel an, hatte aber fein GI 
Fahre darnach pachtete er in Verbindung mit dem Grafen von Bolza d 
der Generalacciſe in den fämmtlichen kurſaͤchſ. Ländern auf 7 Sabre, 
bei diefer Gelegenheit den Zitel Accisrath. Als ber fiebenjährige Kri 
übernahm er die Kornlieferung für das preuß. Herr. Nachher kaufte e 
Vorrath der Porzelanfabrit in Meißen. Durch dies alles war fein V 
reits zu ein paar Mill. Mark Banco geftiegen. 1760 ging &. nach H 
er einen geroinnreichen Danbel trieb und das holſteiniſche Gut Ahrene 
Er trat jet in dänifchen Dienft und wurde 1761 dänifcher Gefandt 
ſaͤchſiſchen Kreife; 1762 bekam er den Dannebrogorben und wurde m 
Familie in den bänifchen Freiherrnſtand aufgenommen ; in demfelben ! 
er bie Bürger Hamburgs zu einer Anleihe von 1 Mil. Bancozettel füı 
Regierung, bie ſich gegen den vom ruſſiſchen Kaifer Peter ILL. angebrı 
rüftete. 1763 Eaufte ex das koͤnigl. bänifche Eigenthum auf ben weflü 
feln an fih. Sein Vermögen nahm unterbeffen immer zu; er kaufte 
Baronie Lindenborg und das Gut Wandsbeck. Da die dänifche Regi 
den Unterthanen eine außerordentliche Steuer auferlegen wollte, mı 
Vorftand der Gommiffion, die fie erheben ſollte. 1764 bekam er bei 
Geheimenraths und beforgte nach der Thronbefteigung Chriftian VIL 
träge für die Regierung. 1768 begleitete er den König auf einer 
Deutſchland, Holland, England und Frankreich; auch kaufte er ei 
fabrit: die Hammermühle. 1770 erhielt er Sig und Stimme in dem 
doch hielt er fich meiftens in Hamburg auf. Nach dem Kalle Struenſee 
ſich fein Einfluß. Eine feiner erften Unternehmungen war die Rebucti 
der und die Veränderung mit der Bank 1775. Auf die Nachricht von 
fegung der Zweiſchillingsſtuͤcke, welche auch in Hamburg flar im Um 
verfammelte fi vor feinem Hauſe daſelbſt eine erbitterte Menge Me 
mit Gewalt eindringen walten, (atat die Polizei den Auflauf fin n 


Schimmelpennint 767 


ihagen fanden biefelben Unruhen ftatt. Dagegen flieg S.'s Anfehen bei Hofe 
r höher. 1778 erhielt er den Elefantenorden und wurbe bald im Finanzwe⸗ 
entbehrlich. Mehre vortreffliche Einrichtungen, 3. B. der holfteinifche Ca⸗ 
nd fein Wert, Endlich ward Baron &. 1779 In den Srafenftand erhoben. 
zb reich und mädıtig den 23. Ian. 1782 und hinterlie5 2 Söhne, von weis 
Braf Ernſt ald Staateminifter in Kopenhagen noch lebt. 
Schimmelpennint (Rütger Ian), der legte Oberbeamte der Republik 
ereinigten Niederlande, oder Sroßpenfionnaie ber batavifhen Republik, aber 
iſt monarchiſcher Gewalt bekleidet, geb. 1761 zu Deventer aus einer ange 
n, aus Öberpfiel ftammenden Familie, hatte in Leyden die Rechte ftubirt 
& hier ſowol durch Fleiß als untadelhafte Aufführung die Liebe und Achtung 
Lehrer und Mitſchuͤler erworben. Als 1784 ein Zumult in Leyden aus⸗ 
und die Stubicenden bie Waffen ergriffen, um die Muhe ber Stadt zu fidhern, 
wd &. einflimmig zum Führer erwählt, umd er benahm fich in diefem Amte 
viel Umficht, dag, nach Derflellung der Ordnung, der Magiftrat ihm eine 
umebaille zuerlannte. Nachdem er die Doctorwuͤrde erhalten, bei welcher 
enheit er eine treffliche Differtation: „De imperio populari caute tempe- 
ſchrieb (die den Geift einer echten, geſetzmaͤßigen Freiheit bezeichnet und von 
Wins Holländifche überfegt vourde), begab er fich nach Amſterdam, wo er als 
fat prakticirte. Bei den Unruhen 1785— 87 in Holland gehörte er zu Des 
bie eine Änderung in der Verwaltung winfchten und auf ein Repraͤſentativ⸗ 
B drangen. Beim Ausbruch der Revolution (nach Pichegru's Einrüden) 
er zum erſten Magiſtrat der Stadt Amfterdam und dann zum Mitgliede in 
iſche Nationalverfanmlung gewählt; fpäter (1798) übertrug man Ihm 
befonbers wichtige Stelle als Geſandter in Paris. Bei den Unterhand⸗ 
von Amiens, denen er ald außerordentl. Botfchafter ber batavifchen Re⸗ 
wohnte, mußte er mit Erfolg bie Intereſſen derfelben geltend zu machen. 
chloſſenem Frieden wurde er zum batavifchen Ambaflabeur am engl. Hofe 
Bei dem Ausbruche de Krieges von 1803 verfuchte er, bie Neutralitaͤt 
zu behaupten, welche ihm Bonaparte, damals erfler Conſul, jeboch nicht 
wollte. ©. entzog fidy daher ganz den Staatsgeſchaͤften und lebte auf f. 
zin Oberpffel den Wiffenfchaften. Ein Schreiben von Bonaparte und bie 
be öee Vaterlandes riefen ihn aber aufs neue in ben Strudel der öffentlichen 
zurüd. Er hatte mit dem erflen Gonful eine Zuſammenkunft zu Brüffel 
Ber künftigen Verhaͤltniſſe der Niederlande, und ging dann von neuem als 
Dter nach Paris (1803). Hier gewann er bald Bonaparte's ganzes Vers 
» und als nadı des Legtern Verlangen mehr Einheit in die Staatsform Hols 
March eine neue Conftitution gebracht wurde, trat flatt der zeitherigen execu⸗ 
Bewalt (eines Gollegiums von 10 Perfonen u. d. N. Staatsbewind), S. 
drz 1805) als Großpenſionnair (Präfident) an die Spitze ber Regierung. 
lente fich feiner bedeutenden Gewalt zur Einführung vieler nüglichen Ein⸗ 
Ben. Insbeſondere gründete er ein neues Abgaben » und Finanzſyſtem, wos 
fein Studium der engl. Staate = und Finanzwiſſenſchaft trefflidy leitete und 
D er den nahen Bankerutt des Staats vermied und den völlig gefunkenen 
azf6 neue hob. 1806 aber, nach kaum einjähr., den Umftänden nach glüd: 
Begierungsverwaltung verſchlimmerte ſich feine vieljähe. Augenkrankheit fo 
aß er faft gänzlidy erblindete und ſich keinem Gefchäfte mehr unterziehen 
Bonaparte benugte biefen Umftand, feinen Bruder Louis als König vor⸗ 
ken, und vergebens ſuchte &. dieſem gemwaltfamen Aufbringen eines 
Enge entgegenzumwirken. Auch erwartete ex die Ankunft Louis nicht, fonbern 
“auf feine Güter zurüd. As Holland foͤrmlich mit Frankreich vereinigt 
rief ihn Napoleon aufs neue zu den Geſchaͤften zuruick und ernannte ihu 


768 Schink 


sum Grafen, Bitter des Vließes und Senator. Rad; bes Kaifert 
tung (1814) entzog fi) auch S. den Geſchaͤften wieder; indeß in 
Bildung des Koͤnigreichs der Niederlande, als Mepräfentant in die 
gewählt. Er farb zu Amſterdam d. 15. Sebr. 1825. ©. hat au 
die er bekleidete, den Umfang ſeiner Kenntniffe und den Abel feines 
währt. Sowol mit der alten als mit der neuern Literatur genau bı 
dem feltenften Gebächtniffe begabt, mußte er aus den roͤmiſchen u 
Gtoffitern, fowie aus denen der neuern Literatur, bei jeder Bel 
GStellen treffend anzumenden. 

Schink (Johann Friedrich), ein geachteter Dichter und Dr: 
zu Magdeburg am 29. April 1755, genoß nody Privatunterricht, 
des Hauſes, ber berühmte Kanzelredner 3. S. Patzſchke, das poeti 
412jähr. Knaben bemerkte und ermunterte. Die Schule des Kiofler 
zu Magdeburg bifbete ihn für die Univerfität Halle, wo ee 177: 
ftubirte und zugleich feinen erſten Flug als Dichter in den leipzige 
Muſenalmanachen, ſowie im Dyk'ſchen, Taſchenb. für Dichter und 2 
verfuchte. Auch erhielt er den in Hamburg ausgefesten Preis von 
d’or für fein Trauerſpiel Gianetti Montaldi” (Hamb. 1784 und. 
privatifitte er in Berlin, wo er feine erſte bramaturgifche Schrift uͤbe 
„Hamlet“ herausgab und im freundſchaftlichen Umgange mit Enge! 
Leffing und dem berühmten Arzte Selle lebte. 1779 ward er Did 
növerfchen Theater; 1780 ging er nach Wien, wo er f. „Dramat 
mente”, das „Theater zu Abdera“ und die „Ausftellungen‘‘ fchrieb. 
als Dramaturg und Dichter in Hamburg bei dem Roscius der der 
Schröder, angeftellt. Hier fchrieb er f. „Dramaturgifchen Mo 
Wochenblatt: „Laurie, Spott und Ernfl”. Aud) verlebte er ſchoͤ 
Kreife der hochgefeierten Eliſa v. d. Rede, der geiftvollen Eüſa Rei 
Dichterin Carol. Rudolphi. 1797 fiedelte er fih zu Ratzeburg ar 
„Johann Kauft” und die „Gefänge ber Religion” (N. A., Berlin 
gab. Bon 1812 — 16 lebte er im Holfteinifchen; dann ging e 
wo ihn der Fürft von Hardenberg zu einer Anftellung bei dem Nati 
pfahl. Seine Hoffnung ſchlug fehl; dafür ermeuerte er die Bei 
Goͤckingk, Tiedge und Elifa v. d. Recke, welche ihm die thätigfli 
Achtung und Thellnahme gaben. Er fchrieb damals: „Wahrheit 
„Fuͤgungen, eine dramat. Dichtung”, und romantifche Erzaͤhlungen 
ihn die Frau v. d. Rede zu Loͤbichau ein, wo bie vererigte Herzogin 
(f. d.) ihn huldvoll aufnahm und durch einen Sahrgehält von bräd 
befreite. Nach dem Tode biefer Fuͤrſtin berief ihn deren Tochter, di 
Sagan, zu fi. Unter ihrem Schutze lebt er feitbem frei und umat 
gan. Hulbvoll bieten bazu auch die Hand ihre fürftlichen Schweſter 
der von den Edelften feines Vaterlandes nicht vergeffene Dichter eine 
wart und fieht einer wolkenloſen Zukunft entgegen. Bon S.'s hier: 
ten Schriften nennen wir noch f. aus dem Leben aufgegriffenen „Ro 
tungen’ (2 Bde. Berlin 1799 fg.) und „Satans Baſtard“, eine! 
ſcher Scenen aus der Zeitgefchichte von 1812—14. Außer feinen 
ſchriften zerftreueten Gedichten und Auffägen find vorzuͤglich feine ! 
der „Allg. Deutfchen Biblioth.“ von Schiller's Gedichten, die der „® 
des „Mallenflein”, der „Johanna von Orleans”, des „Don En 
„Wilhelm Tell” zu bemerken. Diefe Beurtheilungen, nebſt ber Ki 
von Meffina”, ftehen in S.'s neueftee Schrift: „Friede. chiän 
108 ıc., aͤſthet, Exit. und pſychol. entmidelt; oder Schillers Dru 
gerechtfertigt gegen den SRiR: mt Unneranb des Zeitaltere” (Di 


Schinkel | 768 


Uung des Lebens und Charakters Leſſing's zu der neuen Auflage von 
ten warb 1825 auf den Wunſch der Freunde Leſſing's befonder® ge 
ı &.'6 fpätern dramatiſchen Dichtungen find einige auf Öffentlichen 
ihnen mit Beifall gefehen worden. 
kel (Karl Friedrich), koͤnigl. preuß. Geh. Oberbaurath, Profeflor 
mie der Künfte zu Berlin und Mitglied ihre Senats, Ritter des ro: 
densc., ift am 13. März 1781 zu Neuruppin, wo fein Vater Su⸗ 
war, geb. Schon im 6. Jahre warb ihm der Water durch die Folgen 
ungen entriffen, welche er beim Brande der Stadt 1787 zur Rettung 
e und feiner Habe beftehen mußte. Die Mutter forgte nach Kräften 
ung der Familie. S. befuchte das Gymnaſium feiner Vaterſtadt bie 
t. 3.; dann zog bie Familie nady Berin. Hier ſetzte ©. feine Stu: 
ı berlinifhen Gymnaſium, damals unter Gedike's Direction, bie zur 
fort. Von Kindheit an hatte er viel gezeichnet; deßhalb ergriff er mit 
Belegenheit, welche fich ihm darbot, ein Schüler des Geh. Oberbau⸗ 
u merden. in ganz befonberes Intereffe aber harten für ihn die geiſt⸗ 
‚ürfe und Arbeiten des Bauinſpectors und Prof. Gilly, Sohn bes 
ten, durch welche er zuerft in nähere Beruͤhrung mit der ſchoͤnen 
Nachdem naͤmlich S. ein Fahr unter Leitung des Vaters ſtubdirt hatte, 
junge talentvolle Dann von feinen Reiſen durch Deutſchland, Frank: 
gland zurüd, und der Vater gab nunmehr den Schüler ganz in bie 
Sohnes, mit welchem er in immer lehrreicher Mittheilung, leider aber 
en Zeitraum von etwa 2 Jahren verliebte, nach welchem ein früher 
mialen Dann dahinraffte. &., bem bie Fortſetzung aller architektoni⸗ 
arbeiten des Verflorbenen anvertraut wurde, empfand am meiften, 
mgungen er zu beftehen habe, um nicht hinter einem ſolchen Vorgaͤn⸗ 
‚leiben. Dieſes Verhaͤltniß grümdete nach S.'s eignem Geſtaͤndniß zu⸗ 
ine gewiſſe raſtloſe Thaͤtigkeit, welcher er vieles Gute in feinem Leben 
ndem fie bei ihm zur zweiten Natur ward. Während &. mit mannig> 
(hen Bauarbeiten befchäftigt wurde, fegte er das theoretifche Studium 
enfchaften auf der damals fehr voliftändig eingerichteten Bauakademie 
:e die Kunſt durch Entwerfen von Bauplänen für Privatleute, durch 
er Formen für Geſchirre, Bafen, Öfen, Meubles, Bronzen, Mo: 
Eifenguß und in Stein. Da ein großer Theil diefer Entwürfe unter 
ir Ausführung kam, fo warb er Immer auf das Praktifche hingewie⸗ 
langte er zu dem Befühle, daß es mım Zeit fei, Italien mit Nutzen zu 
lis er daher ein ererbtes kleines Vermögen durch die Erfparumgen bei 
en fo meit vermehrt ſah, daß er damit fein Vorhaben ausführen konnte, 
z über Dresden, Prag, Wien und Trieſt nach Stalien, durchforſchte 
ler Iſtriens, befuchte Venedig, Florenz und Rom, ging 1804 über 
Sicilien, nahm den Ruͤckweg über Frankreich und kehrte 1805 nach 
2. Die Mißverhaͤltniſſe aber, weiche bald darauf der ungluͤckliche Krieg 
yerbeiführte, roaren befonders dem Baugeſchaͤft hinderlich, und &,, 
tigkeit gewöhnt, mußte die Leere, welche in dem Wirkungékreiſe der 
trat, durch irgend eine Befchäftigung ausfüllen. Dies war die Zeit, 
die Erinnerung an die kuͤrzlich verlaffenen Parabiefe zum Landſchaftma⸗ 
d diefe Kunft dadurch mit feinen frühern Berufe in Berührung brachte, 
:en6 Compofitionen ausführte, in denen Architektur einen wefentlihen 
achte. Sie fanden den lebhafteften Beifall. Auch ein großes Pano⸗ 
ngegenb von Palermo brachte er zu Stande, und bie Xheaterdirection 
er mit Entwürfen von Decorationen. Cine Hauptaufgabe in diefem 
mft war ihm die Darftellung der verfchiedenen Zeitalter in einem Extu® 
Giebente Aufl. Bb. IX. 49 


70 | Schinkel 


von Bildern, wobei das Kiimatifche, das Acchiteftonifche und bad] 
moͤglich angemeffen im Style gewählt werde. Daß fein Streben ih 
darlıber gibt es wol nur eine Stimme. ©. felbft behielt noch in fpätı 
niffen diefe Befchäftigung als eine Erholung bei, im zerfireuenden We 
(ich artiftifcher, calculatorifcher und actenartiger Arbeiten. Mach ber! 
koͤnigl. Familie aus Preußen hatte S. das Gluͤck, daf feine Entwuu 
Einrichtungen im Eönigl. Palais den Beifall der Königin erhielten un 
wurden. Im Mai 1810 ward er in die neuerrichtete Baudeputatior 
geſetzt. Die Revifion ſaͤmmtlicher Bauten, die aus Staatscaſſen b 
den, in artiftifcher Beziehung, und die Einficht in die hierzu nöthigen 
würfe, Antheil an den Prüfungen ber jungen Baumeifter, welche aı 
im koͤnigl. Dienfte Anfprüche haben, dies ift fein Wirkungskreis auf 
Kortwährende befondere Aufträge von allen Mitgliebern der Eönigl. $ 
den verfchiebenen Minifterien, Behörden und Corporationen gaben fei 
tenden amtlichen Tätigkeit eine immer einflugreichere Ausdehnung. 
mie der Künfte nahm außerdem &. im Mai 1811 unter ihre orbent 
auf, im Dec. 1820 warb er Profeffor bei derfelben und Mitglied des 
Senats. Im Mai 1815 rüdte er in die Stelle eines Geh. Ober! 
ward 1819 Mitglied der technifhen Deputation im Minifterium für 
werbe und Bauweſen und wirkte hier ſehr thätig zur Einführung 
das tägliche Leben. Vgl. das Prachtwerk: „Vorbilder für Handwer 
Befehl des Minifl. unter des Geh. Oberfinanzraths Beuth Leit 
1821 beebrte ihn der König nach Vollendung des neuen Schauſpielh 
Iin, welches nad) feinen Entwürfen ausgeführt worden war, mit bei 
lerorden 3. Claſſe, und das franz. Inſtitut ernannte ihn im San. 182 
mie der fhönen Künfte zu Kopenhagen im April beffelben Jahres zu il 
dern. Das Gebäude der neuen Koͤnigswache in Berlin, das Krieg 
dem Kreuzberge, das neue Schaufpielhaus, die neue Schloßbrüde 
des neuen potsdamer Thors mit feinen Umgebungen, die Anlage be 
helmsſtraße und der Ingenieur = und Artillerieſchule (ale in Berlin), | 
Potsdam, das. Schlöfchen Tegel, ein Landhaus des Geheimenrat 
Thiergarten bei Berlin, das Cafino im Garten des Prinzen Karl zı 
Potsdam, das Ce“ terhaus auf der Pfaueninfel und mehre andre Sc 
häufer, Kirchen und öffentliche Gebäude in den Provinzen, fowie dir 
fhen Hefte (bei Wittich zu Berlin) haben den Ruhm diefes Baumel 
det. Denn es wurden feit ber Beendigung des für Preußen fo denkwuͤ 
nad) des Königs großem Sinn für Kunft, als bie bleibenbfte Wert: 
Großes erftrebenden Zeit, viele bedeutende Bauten in der Haupt 
Lande angeordnet; eine gleiche Neigung erwachte bei Privatleute 
wurde durch Entwürfe, die er bearbeitete, ober durch Ausführung« 
tete, in ber angeflrengteften Tätigkeit erhalten. Leider blieb einer fe 
Entwürfe unausgeführt. Es war die Aufgabe einer Kathedrale für 
ihm von des Könige Majeftät aus London, wo ber König ſich mit de 
Monarchen befand, aufgetragen worden war; fie follte zugleich ein: 
glücklich beendeten Kriegs werden. Aber Rüdfichten beſtimmten fpdteı 
völlig ausgearbeiteten Pläne zurücdzulegen und dieſen Prachtbau auf 
zu verfchieben. Das neue Mufeum und bie damit in Verbindung fiel 
zungen im Laufe der [hiffbaren Spree durch die Stadt Berlin, ſowie 
welche weiter daraus folgen mußten, find das legte größere Merk, 
ausführte. Im J. 1828 wurde diefer Kunſttempel vollendet. In 
zung von S.'s architekt. Heften findet man davon die Plaͤne und Bef 
Nicht ohne Ausbeute Für den innen Schmud des Mufeums wirt 


Schirach Schiras 771 


fe nach Italien geweſen fein (1824), wo er 6 Monate bloß für Kunſt und 
nftforfchung zubrachte. Doch fand der fo Hefchäftigte umd jedes tüchtige Stre⸗ 
fördernde Künftler noch Muße zu einem Gemälde — feiner legten Arbeit im 
de der Landfchaftsmalerei —, das zugleich als das reichfle und größte feiner Bil» 
einer vorzüglichen Ermähnung verdient. Es ſtellt einen Blick in eine griedhifche 
gend dar zur Zeit der höchften Bluͤthe der helleniſchen Freiheit. Die Stadt 
rlin überreichte dieſes Bild ber Prinzeffin Louife nad) ihrer Vermählung mit dem 
nzen Friedrich der Niederlande, bei ihrem Scheiden aus der Vaterfladt, als 
Andenken. 19. 

Schirach (Gottlob Benedict v.), koͤnigl. dan. Etatsrath, ein Mann von 
feitiger gelehrter Wirkfamkeit, bekannt old Begründer und vieljähr. Herausges 
des „Politifhen Journale”, war geb. 1743 zu Tieffenfurth in der Oberlaufig, 

fein Vater Prediger war, befuchte mit feinem 16. Jahre das Gymnaſium zu 
dan und bezog darauf die Univerfität Leipzig, wo Erneſti fein Lehrer ward. 
t Eifer flubirte er die alten Sprahen, Geſchichte und fchöne Wiffenfcyaften, 
ite aber fo entfchiedene Abneigung gegen bie Theologie, daß er ihr und mit ihr - 
fernen väterlichen Unterftügung entfagte. 1764 ging er nad) Halle, wo er 
t&emler und Klog befannt wurde. Die literarifche Verbindung mit Legterm 
Ed Urſache, daß er an den gelehrten Fehden auf Klotz's Seite Antheil nahm. 
nf Sabre roährte dies Verhaͤltniß. Sch. verließ darauf das Gebiet der oriental. 
Ratur, um ſich ganz der Latein. und griech. Sprache zu widmen. Über den So⸗ 
Me, Cicero, Horaz, Virgil, Ovid, Terenz u. a. Claſſiker fchried ex Com⸗ 
are und einzelne kritiſche Anmerk. Auch die Geſchichte befyäftigte ihn, und 
jehörte zu den erften deutſchen Schriftftellern , die fie mit Kriti und philoſoph. 
R behandelten. Die fchöne Literatur verband ihn mit Denen, die damals für 
Bildung des Geſchmacks thätig waren. Er gab felbft einen Band Gedichte 
6 und lieferte mehre beletriftifche Beiträge und Überfegungen. 1769 ward 
eine außerordentliche Profeffur in der philofoph. Facultät zu Helmſtaͤdt anges 
ar; ein Jahr darauf ward er ordentlicher Profeffor. Jetzt wählte er Gefchichte 
Statiſtik zu feinen Hauptfaͤchern. Die erfte Frucht feines Fleißes zu Helms 
war (1770) der erſte Bd. der „Biographien der Deutfchen”, dem noch 5 ans 
Digten. Man muß dem Beftreben einer philoſophiſchen Behandlung, das ſich 
s offenbart, Gerechtigkeit widerfahren laffen. 1776 erfchten fein „Pragmas 
Leben Kaifer Karls VI.“, in welchem er die Fruͤchte feiner Eritifchen Unterfus 
gen über einen wichtigen Zeitraum bes 18. Jahrh. niederlegte. Maria There⸗ 
wbhob ihn zur Belohnung dafür in den Abdelftand. Daß er auch jegt der Philos 

und fchönen Literatur nicht ganz untreu geworben, bemweifen feine Überf. der 
srapbien des Plutarch (8 Bde.), feine Ljähr. Herausgabe des „Magazins der 
chen Kritik”, feine „Ephemerides literarise Helmstadienses’ (6 Bde.) ıc. 
> legte er fein Lehramt nieder, um einem Rufe der bän. Regierung, verans 
Durch feine Schrift über das koͤnigl. daͤn. Indigenatrecht, als Legationsrath 
Altona zu folgen. Dier begann er mit 1781 in dem noch beftehenden (und von 
ws Sohne fortgefegten) „Politifchen Journal’ feinen Landeleuten eine ges 
wte fortlaufende Zeitgefhichte zu liefern. Bis an feinen Tod (7. Dec. 1804) 
wete ©. diefem nüglichen Werke feine Zeit, Kraft und Thaͤtigkeit. Unleug⸗ 
Bat er ſich dadurch ein Hecht auf den Dank feiner Zeitgenoffen erworben, wenn 

einige Schwachheiten bei ber Redaction biefe® Journals den übrigens wadern 
Bioten dem Spotte feiner Zeitgenoffen ausſetzten. 

Schiras, die ehemals blühende, jest aber, in Folge dee Unruhen, welche 
ganze Land zerrüctet haben, tief geſunkene Hauptft. ber perf. Provinz Farſiſtan 
H Pare, das eigentliche Perfien), von 1755—96 bie Haupt» und Reſidenzſt. 
werſiſchen Regenten, liegt in einem reizenden und fruchtbaren, von fchügenhen 

AI 


172 Schirin Schiſchkoff 


Bergen umgebenen Thale, 7 Stunden von ben muthmaßlichen Ruim 
berühmten Perfepolie. Sie hatte vor dem Erdbeben am 25. Juni 1 
H. und 52,000 Einw. , welche Leder =, Seiden⸗, Wollens, Glas » und! 
fabrifen unterhalten. In der Umgegend wachen ungewöhnlich große 
Sranatäpfel und ber u.d. N. Wein von Schiras bekannte Rothwei 
für den beften im ganzen Morgenlande hält. In der Nähe find bie 
Dichter Hafiz und Sadi. 

Schirin, eine armeniſche Prinzeſſin, zweite Gemahlin des Ki 
ober Chosru, der vom Ende des 6. Jahrh. an auf dem perſiſchen Ihr 
bis auf heute durch ganz Vorberafien das Mufterbild aller weiblichen V 
beit und kann die weibliche Blüthe des perſiſchen Heldenthums gena 
Ihre ploͤtzlich auflodernde, unter druͤckenden Hinderniffen maͤchtig anwa 
in einer ungluͤcklichen Mißſtimmung und Entfremdung allmaͤlig ende 
Kosru einerfeitd, und andrerfeits die ſchwaͤrmeriſche, in bedauernswuͤrl 
zerrüttung ſich auflöfende Leidenfchaft des gefühlvollen Bildhauers Feı 
bezaubernde Königin ift der beliebte Stoff, den bie berühmteften perfife 
kiſchen Schriftfteller zu den reizendſten Gefängen wetteifernd ausgeſpt 
Schirin befchließe ihr vomantifches Leben durch heldenmüthige Aufı 
Grabe ihres geliebten Gemahls, nachdem fie den Vatermoͤrder Schiri 
ihre Hand warb, durch verſtelltes Jawort zuerſt zur Herſtellung ibı 
beeinträchtigten guten Namens gezwungen bat. Diefe Sage von it 
in Schanameh. Hr.m. Hammer hat nach mehren perfifchen und türf 
ten diefen Stoff in 14 Gefängen u.d. T.: „Schirin, ein perfifches : 
Gedicht‘ (Reipz. 1809) bearbeitet. | 

Schiſchkoff (Alerander), k. ruffifcher Admiral, ſeit 1824 ' 
öffentl. UnterrichtE und Generalbirector ber geiftl. Angelegenheiten a 
land tolerirten fremden Confeffionen, ein wiffenfchaftlid) gebildeter DRo 
gezeichneter Schriftfteller, geb. 1754, ſtammt aus einem alten edlen 
wurde im Marinecorps erzogen und machte al® Seeofficier See: unl 
nad) und durch Schweden, Dänemark, England, Deutfchland, Preuf 
die Tuͤrkei u. ſ. w. 1812 wurde er Staatöfecretair, 1816 Präfident d 
der ruff. Sprache und 1820 Mitglied des Reichsraths. Schon als ( 
er f. [hriftftelerifche Laufbahn. Seine erften Arbeiten waren Überfe 
Campe's Schriften und Geßner's „Idyllen“; nachher fchrieb er Eini 
Theater. Dann widmete er feine literarifche Muße ganz feinem Beru| 
rinedienfte. Er gab heraus: „Die Marinewiffenfchaft” (2 Thle.); ei 
wörterbuch” (engl., franz. und ruff., 2 Thle.); eine Sammlung von 
dern (2 Thle.). Inf. „Betrachtungen Über den alten und neuen Stv 
Sprache” vdertheidigte er die nationale Originalität gegen den ind: 
Verweihlihung. Auch Taſſo's „Befreites Jeruſalem“ überfepte « 
Die von ihm als Staatsſecretair entworfenen Manifeſte, Aufrufe, Uka 

ſcripte aus den Jahren 1812 — 14, die 1816 in einer eignen Samml 
erfchienen, find voll hoher patriotifcher Gedanken und zeichnen fich aud 
fiytiftifche Form aus. Was er als Nachfolger des Gultminifters, Fo 
Golyzin, in dem wichtigen Poften, den er feit dem 27. Mai 1824 belle 
bat, ift in d. Art. Rußland angedeutet. Die dem Cultminiſteriu 
zugetheilten Angelegenheiten der griech. Kirche aber wurden demſelben 
nommen und wiederum, wie früher, der Leitung des Synods Abergel 
dem Minifter Schiſchkoff arbeiten als Directoren die Staatsraͤthe Ka 
(für da® Depart. bed Cultus) und Balemann (für das des oͤffentlichen U 
In der Rede, welche der Min. Sch. am 23. Sept. 1824 vor der Obe 
tion hielt, fpracy ex die Nothromtiatät ®, das Erziehungéweſen i 


Schisma Sclabernborf 778 


nftig nad) veränderten Brundfägen zu leiten. Er bezeichnet darin die Grenzen 
ifchen mahrer und Afteraufklaͤrung, ftellt die Religion als Vereinigungspunft 
iſchen Aufklärung und Voͤlkerwohl auf und will die niedern Volksclaſſen, zur 
egründung ihre® Lebensgluͤcks, von jeder wifjenfchaftlihen Bildung völlig aus⸗ 
ſchloſſen wiſſen. Diefe merkwürdige Rede hat die „Allgem. Zeitung”, 1825, 
e. 30, mitgetheilt. 20. 
Schisma, Kirchenfpaltung, wird derjenige Zuſtand der katholiſchen Kirch 
nannt, wo die oberfte Kirchengewalt durch die Wahl mehrer Gegenpäpfte, deren 
er von einzelnen Staaten anerkannt wird, getheilt, und baburdy die Einheit der 
zcheaufgehobenift. Das Beifpiel ber längften Spaltung biefer Art war das fogen. 
oße Schisma, welches 1378 durch die Wahl zmeier Gegenpäpfte begann 
D erft durch die Kirchenverſammlung zu Konfltanz, welche die allgemeine Aners 
mung des (von Ihre 1417 erwählten alleinigen) Papſtes Martin V. bewirkte, 
Big aufhörte. (Vgl. Papft.) E. 
Schismatiker, Diejenigen, welche in Anfehung der kirchlichen Form 
Bere denken ats die Mitglieder der Kirche. So werben die nichtunieten griechi⸗ 
7 und armeniſchen Chriſten von den Katholiken Schismatiker genannt. (S. 
reſie, kath.) 
Schlaberndorf (Guſtav, Graf von), geb. zu Stettin den 22. Miu 
49, ein ausgezeichneter Mann, welcher, ohne Schriftfteller und Staatsmann 
Fein, nicht unbedeutenden Einfluß auf fein Zeitalter ausgeibt hat. Sein Vater 
E Gouverneur in Schleſien. Ein anfehnlidyes Vermögen und andre günftige 
chaͤltniſſe festen ihn früh in den Stand, feinem Triebe nach Erkenntniß in faft 
a Kreifen menſchlicher Forſchung nachzuhaͤngen. Nachdem er Deutſchland 
Hreiſt und Frankreich geſehen, brachte er 6 Jahre in England zu, wo er eine 
Lang ben $chrn. v. Stein auf f. Reifen im Innern dieſes merkwürdigen Landes 
Begleiter hatte. Beim Ausbruche der Revolution ging er nad) Frankreich zu⸗ 
and blieb feitdem ununterbrochen in Paris. Mit einem für die Menfchheit 
enden Herzen, mit hohem und kraͤftigem Geifte ftand er im drängenden Ges 
dieſes großen politifchen Lebens, eifrig und thätig für Alle, was in dem 
BD ſel der Ereigniffe als wahrhaft gut zu erfennen war. Die wohlthätigen Uns 
Dmungen, denen er mit Rath und That beigetreten, bie Anftalten, die er ges 
xt, die menfchenfteundliche Hülfe, die er Einzelnen dargereicht, find nicht aufs 
»ien. Doch iſt dies Alles nichts gegen die Wirkung feines ebenfo tiefen als 
ex und lebendigen Geiſtes, der Durch den Zauber der herrlichften Beredtſamkeit 
Ethörlich in die Gegenwart einftrömte und beſonders für Deutfche, von denen 
> wörbdigften in Paris feit 25 Fahren zu feinem Umgange ſich drängen gefehen, 
wich und heilfam war. Mit einer unglaublichen Geſchichts⸗- und Weltkenntniß 
erüftet, zu ben tiefften Quellen der Staatskunde gebrungen und vertraut mit 
ebendigen Fülle des Geſchehenden, ſprach er beſonders gründlich, fharfjinnig, 
>tßend über die politifchen Segenftände, und Vieles, was in Büchern oder Be: 
en umter andern Namen Auffehen und Bewunderung erregte, war nur der Ab⸗ 
einer reichhaltigen, täglich erneuerten Geſpraͤche. Sein Reihthum an Gedan⸗ 
mnd Ergruͤndungen war fo grof, daß er niemals nöthig hatte, das Ausgeſpro⸗ 
e noch als frin Eigenthum zu bewachen. Seine tieffinnigen und felbftändigen 
"sfuchungen geftalteten fich zu einer vollftändigen Philofophie des Staats. 
S auch in andern Gebieten des Denkens verfuchte fein reicher Geiſt fich mit 
wtbarem Erfolg, und ein Werk, das z. B. f. Forſchungen Über Sprache mit: 
Me, würde durch die wunderbarften Auffchiäffe überrafchen. — Während ber 
Deckens seit war er 14 Jahre lang im Gefängniffe, bis der Kal der Jakobiner 
Vie Freiheit wiedergab. Unter Napoleons Hertſchaft, gegen den er nie aufhörte 
allen Nachdrucke der Wahrheit zu eben, und deſſen Sturz ex \onar voraudkonte, 


1774 Schlacht, Schlachtordnung 


entging er neuer Verhaftung zum Theil vielleicht durch die Sonderbarkrit ſrin 
Lebensart, die man fir ein Zeichen der Unfchädlicykeit nehmen mochte. In ena 
ſchlechten Zimmer, das er nie verſchloß und felten verließ, unter geringer Umgeben 
in zerriffener Kleidung und ohne Bedienung nahm er die zahlreichen Befude a 
die ihm täglich von Menfchen aller Art und jedes Standes zulamen; fein gun 
Weſen und Betragen zeigte gleich den Mann, der offen und gerade feinen rechtſch 
fenen Wandel verfolgt, nichts fuͤr ſich will, nicht® auf Nebenwegen herbeisufühe 
ſucht, der, ohne Ehrgeiz und fogar der Eitelkeit unzugänglich, keinerlei Einflkf 
rungen anhören ober Ränke anzetteln kann. Weil er f. Gefinnungen und R 
nungen nicht verhehlte, felbft den abgeſchickten Kundfchaftern nicht, fo konnten‘ 
nicht gefährlich bünten, und bie Pölizei, die mit dringendern Sachen beidhätl 
war, ließ ihn in Ruhe. Zehn Jahre lang verließ er fein Zimmer nicht, fleth a 
Ideen befchäftigt, z. B. mit einer Sprachmaſchine, welche die Laute einer Spru 
treu angeben follte. Uber f. Verbindung mit Reichardt und über die ihm beigeh 
ten Schriften f. m. die „Allgem. Zeitung”, 1826, außerord. Beil. 5 zu Rr.3 
Seine Einkünfte verwendete er, da er für fich faſt gar nichts brauchte, mei — 
im Stillen zu wohlthätigen Zwecken, befonder® für Landsleute, denn in faſt 30 
tiger Abwefenheit blieb er ein Deutfcher, Preuße und Schlefier; aud wußte 
kannte er Alles genau, was dort gemeint und gethan wurde. An die preuf. 8 
gefangenen in Frankreich ließ er mehrmals bie größten Summen insgehein 
theilen, und zwar in Zeiten, mo ihm ber größte Theil feines Vermögens in 
fen, wegen feiner langen Abweſenheit, mit Beſchlag belegt worden war, 
fpäter wieder aufgehoben wlirde. 1813 wollte er an der feinen heißeften 
entfprechenden Begeiſterung des preuß. Volks thätigen Theil nehme un) 
Preußen zurückkehren, allein böfe Raͤnke wußten bie® zu bintertreiben, und er 
in Paris die Ereigniffe abwarten. Aber auch von hier aus mußte fein 
ſcher Eifer fo herrlich auf die Heimath zu wirken, daß der König fich bew 
ihm das eiferne Kreuz zu verleihen. Die Wiederkehr Napoleons im fols. 
binderte ihn abermals, Paris zu verlaffen. Er ftarb dafelbit den 22. Aus. 
Man gab ihm die von ihm felbft verfaßte Grabſchrift: „Civis civitatem q 
do obiit uctogenarius”. 

Schlacht, Schlahtorbnung. Der Kriegezmed kann im Fee 
zweifache Art erreicht werden. Entweder bie eine Partei nöthigt den Gegun 
ftrategifche Operationen, Märfche, Stellungen, Demonftrationen, das Feld # 
men und auf feine Vortheile zu verzichten, oder die gegeneinanbermogenden 
maffen nähern ſich fo, daß (beabfichtigt oder zufällig) ein Anſtoß unvermeidiid 
Nun muß durdy Kampf ſich entfcheiden, wer im Vortbeil, wer im Nadırkei 
ben foll, und den Moment der Entſcheidung führt die Schlacht herbei 
Ausbrud: Dffenfiv: oder Defenfivfhladt, iſt relativ und erklärt Ad 
felbft. Man wog fonft häufiger die Worte und fuchte den Unterfchied 
Schlacht, Gefecht, Treffen, Scharmügel u. dgl. bald nach der Anzahl der in 
tigkeit geſetzten Kräfte, bald nad) dem Zwecke, nad) dem Mefultate oder I 
Zufälligkeiten zu beftimmen ; allein biefe Begriffe laſſen fich ihrer Natur nat 
ftreng fontern. Mo nicht ein zufaͤlliges Begegnen oder Aufeinanderterffes 
Streitkräfte (Rencontre) ftattfindet, pflegen beide Theile ihr Schlachtfelb 
ihre Berechnungen zu zieben, fuchen einander die vortheilbaftere Aufftellug 
gewinnen und alle zur Verwendung möglichen Mittel in diefe Gegend ze 
zuziehen. Es laſſen firh dann 3 Momente jebesmal unterfcheiden: Bor 
Plan, Anordnung; der Kampf felbft, und bie Entfheidung. — 1. 
ment. Der Feldherr faßt feinen Gegner ſchaͤrfer ind Auge, er 
beffen Stärke, Stellung, Abſcht, die Ortlichkeiten bes Schlachtfelbes zu 

was oft, wenn Jener (ein Spiel zu verteden Kür yor Tin, Se: 






















Schlacht, Schlachtordnung 775 


Gefechten führt, um ihn aufzufcheuchen, hervorzuloden, Gefangene zu mu: 
ie man außfragen will. Da ber Feldherr nicht überall felbft feben Eann, fo 
ügen ihn Officiere des Generalſtabes und Adjutanten; es werden einzelne 
hafter oder größere Parteien in gleicher Abficht ausgeſchickt, felbft Spione 
. Nach den Ergebniffen der Recognofeirung, wobei gute Charten und Si⸗ 
isplane unentbehrliche Auffchlüffe geben.müffen, erwägt und ordnet ber Selb: 
ine eignen Kräfte und Mittel, entwirft aus feinem Genie oder nad) Erfahs 
ı und geriffen Regeln den Hauptplan, vertheilt die Rollen an feine Unter 
m, die Befehlshaber der Armeecorps und der befondern Waffengattungen, 
Diejenigen, denen er Entfendungen’'ober andre wichtige Manoeuvres und 
ionen anvertraut. Der Plan und die Umftände beftimmen die Schlacht: 
ıng oder die Hauptform der Stellung und Bewegung zu Angriff oder Ver⸗ 
ung. (Dan nennt auch Schlachtordnung, ordre de bataille, die Grund» 
3 und Ordnung der Truppen eine Heeres überhaupt.) Die Hauptform 
hlachtordnung pflegt entweder parallel mit der feindlichen Stellung ober 
mfaffend, wo man an Streitmitteln überlegen ift ober der Gegner feine 
nicht genugfam entwideln kann, ober endlidy gegen feine Flanke gerichtet 
wobei indeß doch immer ein Theil feiner Fronte beſchaͤftigt und fein Rüden 
tobt wird. Die legtere Schlachtorbnung heißt bisweilen auch bie [chräge *) 
e), unrichtiger die fchiefe, und wir haben im Art. Angriff fhon das Naͤ⸗ 
:über gefagt. Iſt nun jeder Heeresabtheilung ihre Stellung, ihr Wirkungs⸗ 
gewieſen, find ſchwaͤchere Punkte, wenn e8 die Zeit erlaubt, verſchanzt (vgl. 
zen), iſt das Geihüg auf die günftigften Orte geführt und die Verbins 
er einzelnen Theile durch Hinmwegräumung von Hinderniffen oder Einrich⸗ 
n Brüden, Wegnahme von Dörfern, Gehölzen, was oft nicht ohne Be: 
eſchehen kann, hergeſtellt, ift zuletzt noch für ben Fall eines Mißgeſchicks ein 
m Allgemeinen gegeben, fo hebt der 2. Moment an. Auf ein verabrebe> 
nal oder aus einzelnen Operationen, gerdöhnlich der leichten Truppen, ent⸗ 
ich der Kampf. Das Gefchüg, entweder vor den Linien aufgefahren oder 
ern günftigen Pofitionen, fängt an, die Reihen oder Colonnen, die Ber: 
ngen unb befonder® das Geſchuͤtz des Begners zu bearbeiten, es bahnt den 
enden Truppen den Weg, unterftügt ihre Manoeuvres. Die Anführer 
ren Abtheilungen, die jegt meift in gebrängten Colonnen, nicht mehr mit 
‚maligen tattifhen Zufammenhange, fondern felbftändiger ſich beroegen, die 
iche Richtung im Sinne des Schladhtplane, und wirken, wie es die Um⸗ 
die Gunſt des Augenblidd oder andre Weifungen des Feldherrn gebieten. 
leitet von einem Punkte, auf den er nad) allen Seiten hin die befte Über: 
t, das Ganze, welches nım in einer Reihe von Treffen und Gefechten be 
Er empfängt hier bie Berichte von den entfernter wirkenden Unterfeldheren, 
(gt des Gegners Plan, Haltung, Ruͤck⸗ oder Kortfchritte, ordnet hiernach, 
‚Öthig wird, Maßregeln an, vornehmlich wann und wie die noch unthätig 
nen Steeitmittel (vgl. Reſerve) verwendet werben follen, um etwa ers 
ten Punkten Unterflügung, ſchwankenden beffere Haltung zu geben, oder 
ch eine fühne, Eräftige ober auch wol nur fyeinbare Bewegung den 3. 
ent, den der Entfcheidung, berbeisuführen. Er iſt und kann freilich nicht 
das Ergebnis der Gombinationen des Feldherrn fein. Dft tritt er durch Zus 
iher ein al& zu erwarten fand, oft wird er durch Schwierigkeiten, Fehler, 
Lan Energie im Einzelnen, aufgehalten ; oft nähern ſich ſchon alle Opera» 


‚er die ſchraͤge Schlachtordnung möge man nadjlefen: Napoleons „Melanges, 
dicte au comte de Montholon‘‘; „Precis des guerres de Frederic Il”, und 
gegen im preuß. „Militairnvochenblatt”, 1324, Nr. 400 fg., angeführt woute, 


———— 


— — — 


N. 
. 
J 








als moͤglich zu verfolgen. — rYy ergibt ſich überhaupt fü 
mente der Schlacht eine Marime, deren Verabfäumung | 
¶ Klates und richtiges Erkennen des gegenfeitigen Verhaͤl 
Kräfte, klatrer Hauptgedanke zur Schiacht; 2) mögtichft 1 
der Wirkſamkeit aller einzelnen Theile im Sinne des Sc 
Verfolgen der errungenen Vorteile, bis des Feindes Kraf 
Marimen befolgt wurden, dorthin wandte ſich faft immer 
ftellung von Kriegsereigniffen und Manoeuvres hat ber $ 
in Berlin ein ſehr finnreiches.Xriegefpiel jufammengefei 
tuationsplänen, im Maßſtabe von zo'sc, mit Truppen, 
Geftalt von Beinen Parallelepipeden, manoeuorirt werbei 
moralifche Element, die Wirkungen der Waffen, bie Zufaͤll 
bei Friedensmanoeuvtes unbeadhtet gelaffen wird umb doı 
f&eidender Wichtigkeit ift, durch Würfel dargeſtellt 
Diefes Spiel, das ſich ſchon jegt eines faft allgemeinen B 
tereffant als lehrteich und laͤßt wol faum etwas zu wuͤn 
größere Einfachheit. 

Schlachtenmale rei ift eine befondere Gattung 
bie Aufgabe ift, den phyſiſchen Kampf ber Menfchen mit e 
pen zu fhildern. Durch das Letztere fondert ſich biefelbe | 
ſtoriſchen Gemälde ab, bei welchem es mehr auf handelnd 
‚Hier handeln aber Menfhen in Maffe. Guͤnſtiger jedoch 
Kampfweife der frühen Zeit als die der neuern, in welcher 
mehr als Maſchinen in geregelter, ber maleriſchen Anficht ı 
tämpfen, und ber perfönliche Muth minder hervortritt. 
diefe Schilderungen duch Mitwirkung des Thieriſchen 
Pferde. Hier find Angriff und Widerſtand in verſchi 
Gruppen wahr und ausdrucksvoll darzuftellen, und es geb: 
eine feurige Eindildungskraft, um Das aufzufaffen, was fe 
tung verftattet, und ein Eräftige® Golorit, welches mitı 


Schlaf Schlagfluß 777 


en. — Ein Schlackenbad iſt ein Bad, wobei das Waſſer durch hineinge⸗ 
ene Schlacken erhitzt wird. 

Schlaf iſt derjenige Zuſtand, in welchem die Sinne, die willkuͤrliche Be⸗ 
ing und die Seelenthaͤtigkeiten nach Außen hin unthaͤtig ſcheinen, und ſich 
Kräfte fuͤr das wachende Leben ſammeln. Füuͤr dieſe Functionen iſt daher ber 
and des Schlafs dem des Wachens voͤllig entgegengeſetzt, nicht ſo fuͤr die uͤbri⸗ 
functionen des Koͤrpers. Denn das Geſchaͤft des Herzens und der Lungen, naͤm⸗ 
as Athemholen und ber Blutlauf, gehen auch während des Schlafs ununter⸗ 
ven, nur ruhiger und gleichmaͤßiger vor ſich als im Wachen; die Ernährung 
Theile, der Stoffwechſel, die Ab: und Ausſonderung der Säfte ıc. werden 
förter und vollſtaͤndiger vollzogen als im Wachen. Daher ift ber Schlaf wes 
Ugemein, d. h. für alle Sunctionen des Organismus dem Wachen entgegens 
I, noch auch ein wirklich unthätiger Zuftand, und daher nur fehr unpaffend 
dem Tode zu vergleichen. Der Menſch bebarfum fo mehr Schlaf, je jünger 
B, für das mittlere Lebensalter fcheinen 2 Stunden vor Mitternacht und 5 
mden nady Mitternacht hinzureichen ; Übermaß oder Entziehung des Schlafs 
m bald fehr nachtheiligen Einfluß auf die Gefundheit. Das Schlafjimmer fei 
Bag über geluͤftet und nicht bewohnt, Eühl, dunkel, ruhig, ohne Blumenduft 
Ähnliche ſtarke Gerüche, das Bett mehr hart als weich, nicht mit Bedeckun⸗ 
Sherlaftet, der Schlafende möglihft frei von anliegenden Kleidungsftüden. 
Rittagsfchlaf fcheint den Bewohnern warmer Gegenden Beduͤrfniß (Siesta), 
tern Klimaten entbehrlich, oft nachtheilig. 16. 
Schlaͤgeſchatz, f. Schlagſchatz. 

Sſchlagfluß nennt man den meiſtens ploͤtzlich (gleichſam mit einem Schla⸗ 
tretenden Zufall bei dem Menſchen, welcher im Verluſte des Bewußtſeins, 
efuͤhls und aller willkuͤrlichen Bewegung beſteht, wihrend das Athmen, ber 
zund Arterienſchlag fortdauern. Ein von vollkommenem Schlagfluß befalle⸗ 
e nſch fällt ploͤtzlich, wie von einer unſichtbaren Macht getroffen, zuſammen, 
& big, feine Glieder felbft zu bewegen, unfähig zu fprechen, hört auf Eeinen 
» bat kein Gefuͤhl, fieht nicht, wenngleid) feine Augen offen ftehen, athmet 
amb zuweilen mit Schnarchen, wie ein im tiefſten Schlafe Liegenter. Bel 
tWeniger vollkommenen Schlagfluffe find manche Zufälle gelinder. Das Bes 
In fehlt alddann zumeilen nicht ganz, die Bewegung ift noch etwas frei, ober 
o ch nur auf einer Seite, die Sprache fehlt zuweilen nicht ganz, fondern ers 
ch als ein unverftändliches Lallen. Deßhalb theilen die Ärzte den Schlagfluß, 
Püner Verſchiedenheit in der äußern Form, in den Halbſchlag (Hemiplexie), 

Kopf und die Hälfte des Körpers gelaͤhmt ift; in die Paraplerie, wo ber 
Das Bewußtſein und die Sprache frei und unverlegt geblieben find, aber der 
Rumpf gelaͤhmt ift, und in den vollkommenen Schlagfluß, wo der oben bes 
‘are Zuftand eintritt. — Die weſentliche Urfache des Schlagfluffes ift eine 
tag des Gehirns, mwahrfceinlich auch tes Ruͤckenmaiks, entweder in feinem 

UUmpfange , welches den vollkommenen Schlagfluß bewirkt, oder nur in einer 
Des Gehirns, wodurch Hemiplerie entfteht, oder nur im Ruͤckenmark, wos 
Sahrſcheinlich Paraplerie entfieht. Obgleich die Erhaltung des Organismus 
Kan dieſen Nervenpartien abhängt, fo kann doch eine fo bedeutende Verlegung 
"3 in feinem Innerſten nicht lange beftehen, ohne daß dus Leben darüber zer⸗ 
erde. Daher ift der Ausgang des Schlagfluifes verfchieden: entmebder er ift, 
Ex den feltenern Faͤllen, mit bald darauf (in einigen Stunden) folgendem Tode 
Wen , oder der Anfall toͤdtet erſt in 2 — 3 Tagen, während welcher Zeit man 
ezı fieberhaften Bang bemerkt ; oder e& folgt zuweilen Genefung , doch bleibt 
n6 Lähmung irgend eines Gliedes oder mehrer Blieder zuruͤck. Was nun aber 


tzliche Lähmung jener wichtigen Theile felbft verutſacht, X \dyverr anfıms 


718 Schlagfluß 


hellen. So viel lehrt die Erfahrung andrer Faͤlle, daß ein Druck au 
einen dem Schlagfluſſe ganz ähnlichen Zuſtand hervorzubringen verm 
bald dieſer Druck aufhoͤrt oder weggenommen wird, das Bewußtſein, 
dung und der Gebrauch der Sinne und Glieder zuruͤckkehrt. Ja man 
ſonen, bei welchen das Gehirn zum Theil entbloͤßt lag, z. B. bei 9 
Zrepanirten, durch abmechfelndes Drüden auf das Gehirn und N 
Druds ein ebenfo abwechfelnd erfolgendes betäubtes Einfchlafen und 
wirken Eönnen. Perfonen, welche durch einen heftigen Schlag auf | 
legt worden find, wodurch ein Erguß von Blut oder ein Austreten vo 
entftand, oder woburd in dem Schädel ein Knochenſtuͤck nieberge 
liegen in einer Betäubung, welche ſogleich aufhoͤrt, fobalb das ger 
oder die niedergebrückte Knochenplatte durch den Trepan weggebrach 
Don ähnlichen Zufällen hat man auf ähnliche Urfachen den Schluß < 
deßhalb auch bei dem Schlagfluffe einen Druck auf das Gehirn vermutt 
kann auch dies nicht allemal und für fich allein ber Kall fein; denn ma 
henöffnungen mancher am Schlagfluß verftorbenen Perfonen nicht al 
eines folchen vorhanden gewefenen Drucks auf das Gehirn gefunden, 
Gegentheil, ohne alle ſolche Veranlaffungen, von blofer Schwäd 
entftehen fehen. — Dan kann daher für jest folgende nach den ent 
ſachen für die Behandlung wichtige Eintheilimg des Schlagfluffes alı 
fehen. Die Thaͤtigkeit der Hirnorgane ift gelähmt, entweder 1) durch 
nifchen Druck auf daffelbe, oder 2) durch eine unverhaͤltnißmaͤßige Ablei 
venäthers auf das Ganglienſyſtem, oder 3) durch unverbältnifmäßig 
des erflern nach) dem Gehirn, oder 4) durch eigne Schwäche und Erf 
Nervenaͤthers felbft. — Was die erfle Urfache betrifft, fo Eann der 5 
Gehirn entftehen von übermäßige Anhäufung des Bluts im Gehin 
Blutfchlagfluß, apoplexia sanguinea genannt), weldhe durch En: 
Aderneges in bemfelben, durch Hemmung des Zurüdfluffes des BI 
Behältniffen deſſelben, ſelbſt durch heftige Affecten, welche das B 
Kopfe treiben, durch übermäßige Erhitzung des Körpers, durch £ 
Athemholens, 3.3. bei Ertrunkenen, durch habituelle Hemmung de 
u. f. m. veranläßt werden fan. Der lähmende Drud auf das Gehi 
ausgeübt werden von einer Anbäufung wäfferiger, lymphatiſcher od 
Fluͤſſigkeit (waͤſſeriger Schlagfluß, apoplexia serosa), 3. B. bei der 
wafferfucht, nach Hirmentzundungen bei Ausſchwitzung von dergleich 
bei einem plöglichen Erguffe von Eiter aus Hirngeſchwuͤren. — Die; 
krankhafte und übermäßige Ableitung des Nervenäthers aus bem ( 
vorfallen bei heftigen oder oft wiederholten Erregungen andrer Orge 
im Genuffe von finnlihen Vergnuͤgungen, Überfüllung des Magens 
heftigen Krämpfen, ftarfen Reizen im Unterleibe u. dgl. Daher d 
gallichte, gaftrifhe und krampfhafte Schlagfluß (apoplexia spasmoı 
dritte Urfache findet nicht felten ftatt bei heftigen Affecten, von dem 
narkotiſchen Giften, von dem Üübermäßigen Genuſſe geiftiger Get 
Eönnte man Schlagfluß von Betäubung (apoplexia nareotica) nennt 
die vierte Urfache kann eintreten nad) heftigen Anftrengungen, Folge | 
anhaltender, oft wieberfehrender Krämpfe, Schwäche überhaupt ur 
Blut, übermäßiger Genüffe der Sinnlichkeit u. a. m., welche Art ; 
plexia nervosa, Nervenfchlag, genannt wird. — Dan fieht ſchon 
die Heilung des Schlagfluffes nicht Leicht ift, indem die Verſchieden! 
chen berüdfichtigt,, und die Behandlung darnach eingerichtet werben ı 
jederzeit ein [ehe bedeutender Jufalk , bad it die Gefahr nicht alema 
Nicht felten erholen fc) and) Die Kranken wirdter | ilue, wessen M 


Schlaglicht Schlagſchatz 779 


ruͤckkehrt, oder Laͤhmung einer Seite, einzelner Muskeln, z. B. der Sprach⸗ 
ge, einiger Muskeln des Geſichts, zuruͤckbleibt, ſodaß der Mund nach einer 
ezogen, bie bisherige Phyſiognomie des Kranken veraͤndert wird. Ein toͤdt⸗ 
usgang iſt meiſtens zu erwarten, wenn der Schlagfluß vollkommen und 
fig ift, wenn das Bewußtſein und die Empfindung ganz verloren find, wenn 
pfindlichkeit des Auges gegen das Kicht fich gar nicht regt, wenn der Kranke 
lucken ann, wenn das Athmen immer ſchwerer und mühfamer wird, einige 
Blut aus ber Nafe oder Schaum aus dem Munde kommen, wenn ber 
‚fängt ſchwaͤcher zu werden. Dagegen ift ziemliche Hoffnung zu einem bef: 
Bgange da, wenn fich bald nad) bem erften Anfalle wieder Nachlaß der Zus 
t, wenn Spuren von Bewußtſein zuruͤckkehren, das Schnarchen und Roͤ⸗ 
> verliert, wenn ein hinlänglicher Blutabgang ſich einfindet mit Erleich⸗ 
— Es gibt Menfchen, mweldye vor andern, vermöge ihrer Eörperlichen Bes 
eit, in Gefahr find, von diefem Zufalle betroffen zu werden. Auch kommt 
Lich wol nie fo ſchnell und unvorbereitet, als es bei mandyen Kranken diefer 
Fall zu fein fcheint, fondern es vertündigen manche vorausgehende Zeichen 
Bunft. Wenn man noch genauer darauf merkte, würde man noch mebre 
en beobachten, denn nur der legte Schlag kommt fchnell auf eine befonbere 
Jung , allein die vorbereitenden Urfachen wirken viellgicht Jahre lang vor: 
efonders fcheinen folche Perfonen zum Schlaofluffe geneigt, welche ſchon 
die Fahre vorgeruͤckt find und einen dicken, ſchwammigen, fetten, kurz⸗ 
. Körper, einen etwas großen Kopf, einen kurzen Hals haben; ferner Pers 
welche an fteten Kämpfen leiden u. f. w. — Zeichen, welche bei Perfonen, 
Anlage dazu haben, baldigen Schlagfluß befürchten laffen, find beftän- 
w Roͤthe des ganzen Gefichts, Schwindel, Ohrenbrauſen, Übelkeit bei " 
am Zuftande, plögliche Abnahme des Gedaͤchtniſſes, einzelne kleine Laͤh⸗ 
defonders im Gefichte. Wer Anlage zum Schtagfluffe hat oder Vorboten 
erft, muß in allen finnlichen Genuͤſſen ſich der größten Mäßigkeit befleißts 
den Magen uͤberladen, befonder® Abende nicht viel und nur leichte Spei⸗ 
Ben, fid der erhigenden Getränke enthalten, nad dem Eſſen keine ans 
e Kopfarbeit vornehmen, vor Erhigung Überhaupt fi) hüten, befonder® 
zelle Erkältung, Zugluft bei fchwigendem Körper oder Erkältung des 
sen er [chwigt, vermeiden. Dagegen muß ein Solcher mäßige Bewegung 
wen, und ſtets aufgehörigeregelmäßigeundleichte Leibesöffnung halten. H. 
xhlaglicht (coup de jour) heißt in der Malerei ein lebhafter, wirkfam 
hter Lichtſtrahl, durch weichen man einen Gegenſtand vorzüglid, heil und 
hervortreten läßt. 
sblagfchatten, f. Schatten. 
ch lagſchatz. Die Verfertigung ber Metallmünze verurfacht einen Kos 
and, diefen nennt man den Sclagfhag oder Prägfhag der Münze. 
sanınien ift der einzige Staat in Europa, welcher die Prägkoften feiner 
wicht auf diefe felbft ſchlaͤgt; dort wird nämlich die geprägte Metallmünze 
ihr Gewicht weggegeben, und die Regierung trägt die Koften der Prägung. 
ent jedoch diefe® keineswegs nachgeahmt zu werden, denn die Anrechnung 
agſchatzes allein kann hindern, daß dee in demfelben liegende Arbeitslohn 
ehe nicht wieder der Metallmünze entzogen, tie Münze von neuem in bloße® 
perwanbelt, zu Gefäßen, Zierrathen ıc. eingeſchmolzen, alfo der Nation 
gleichungsmittel, deffen fie bebarf, entriffen, und fie zugleich durch die 
mg, durch den Untergang des auf die Verfertigung der Metallmünze ver- 
Arbeitslohns in Verluft gebracht werde. Hierzu kommt noch, daß, mie 
u die Münzeunft in den neuen Zeiten vervolllommnet worden, wm % 
pinsmer nicht dahin hat bringen Eönnen, dem einen Mingtüdte grnnutenie- 


⸗ 


780 | Schlangen 


ben Metallgehalt zu geben, ben das andre hat; kommen num biefe Stuͤ 
denem Metallgehalte aus der Mimsftätte, und es wird kein Sch 
men, fo fuchen Gewinnſuͤchtige die guten Stuͤcke aus und ſchmelzen 
nur die fchlechtern im Umlaufe bleiben. Dieſer Fall tritt in Engla 
wo man nur felten gute Muͤnzſtuͤcke im Umlaufe ſieht. Laͤßt fich 
Schlagſchatz nicht wieder vergüten, fo macht er dadurch allen fren 
welche fi feiner Münze zu ihren Werthausgleihungen bedienen, ⸗ 
dientes und zweckloſes Geſchenk, weßhalb audy die britifche Megieru 
einheimifcher Münzen bei Todesſtrafe verboten bat. Aber ein 
ann allenfall6 nur in einem Infelftaate wie Großbritannien ſtreng 
in irgend einem Staate des feften Landes ift dies faſt gar nicht denkt 
nicht alle Nationen durch eine allgemeine Übereinkunft ſich dazu t 
Schlagſchatz aufzuopfern, fo hätte ja eine einzige Nation, welche fic 
güten ließe, es ſtets in ihrer Macht, bie Metallmünze aller andern 
Gewinn an fi) zu ziehen. — Die Größe des Schlagſchatzes einer ‘ 
denfelben Bedingungen unterworfen, wie ber Schaffungskoftenbet: 
andern Gewerberzeugniſſes, es hängt dieſelbe naͤmlich ab theils vor 
theils vom Capitalaufwande, welchen bie Ausprägung der Mür 
macht; beide, fowol der Arbeitslohn als der Capitalaufwand aber | 
die Metalimünze entweber von grobem oder feinem &chrote ift, ı 
diefelbe an dem einen oder andern Orte verfertigt wird, hoͤchſt vı 
Ausprägung einer Mark Sitber zu groben Münsforten, 3.3. zu 
Eoftet natisclich bei weitem weniger, als deren Ausprägung zu Bleine 
zu Grofchen; bei jener ift daher der Schlagſchatz nothwendig gering 
‚ und ebenfo ift die Münzprägung an ben Drten, wo ſowol die Bre 
Arbeitslohn vorzüglich niebrig find, oder wo eine vervollfommnete Ma 
sungen an Capital und Arbeitslohn geftattet, wohlfeiler als da, wo fold 
bältniffe fehlen. — Was übrigens die Art und Weife betrifft, mie fid 
den zur Prägung der Metalmünze vorgefchoffenen Koftenaufwand, d 
von den Benugern diefer Münze wieder vergüten läßt, fo kann dies 
ſchehen, daß die Geltung der Münze über den Betrag des In ihr enth 
gefeglich um fo viel erhöht wird, als ber Schlagfchag ausmacht. 
Schlangen, Amphibien, fo benaunt, weil fie ſich vermöi 
wurmförmigen, äußert biegfamen und gefchmeidigen Körpers auf 
in fich felbft und um andre Körper ſchlingen oder winden Binnen. 9 
gänzlihe Mangel aller äußern Gliedmaßen zur Bewegung, fomol 
der Stoffen, zeichnen fie hinlänglich vor ben übrigen Amphibien aus. 
tern Mangeld bewegen fich bie Schlangen mit ungemeiner Geſchw 
langer geſtreckter Körper fchießt, da vermöge feiner wunderbaren fi 
Theil deflelben eine elaftifche Feder ift, die bei der Berührung des Bol 
pfeilfchnel! dahin, und fcheint mehr in der Luft dicht über der Erde hi 
bie Erde ſelbſt zu berühren. Mit unglaublicher Feichtigkeit winden fi 
me binan und heben fi, wenn Zorn oder Liebe fie erhist, auf ih 
Schwanz geitügt, mit dem Vorbertheile des Körpers in die Höhe. € 
feine aͤußere Ohren, wol aber innere Gehörorgane und hören ziem 
Verhältniß des Kopfes zum Rumpfe, forie die Geftalt deffelben, H 
der; die Augen find ſchoͤn und feurig, die Mundoͤffnung iſt ungen 
der Rachen kann ſtark erweitert werben, da die Kinnladen nur mit 
Bänder zufammenhängen; der Schlund dehnt ſich zu einem Kropfi 
3 — 4 Mai größeres Thier fast als die Schlange felbft, wenigfen 
ihrer Dicke, iſt. Die Zunge tft in einer Scheibe verborgen, iſt lang 
und beweat ſich pieilfcnelt in Radyen, elotiert une una dad A 


Schlangen 781 


ie Ränder der Kinnlaben find gezähnt, dienen aber nicht zum Zermalmen 
fen, ſondern bloß zum Sefthalten des erhafchten Raubes. Nur bei eini? 
n ſich vorn ein Paar längere, zum Verwunden gefchidte Zähne. Diefe find 
eglich, in einen feften Knochen eingefenkt und ſtehen mit ber Speichelbrüfe 
dung. Sie können durch eine Bewegung bed Unterkieferd und mittelft 
uskeln hervorgeſtreckt und eingezogen werben. Hinter ihrer Wurzel liegen 
üschen, in welchen ſich aus der Speichelbräfe ein Gift abfondert, welches 
ß vermittelft eines Druds in den hohlen Zahn und durch eine aͤußerſt 
nang an der Spite deffelben in die Wunde fließt. Diele Schlangen, be: 
a den heißen Ländern, führen ein fo fcharfes Gift bei ſich, daß es in kurzer 
elbſt auf der Stelle, tödtet. In Anfehung der aͤußern Bekleidung halten 
angen das Mittel zwifchen den Fifchen und Eidechfen. Die Schuppen, 
m äußern Überzug bei den mehrften ausmachen, weichen in Hinfiht auf 
id Geſtalt bei den verſchiedenen Battungen fehr von einander ab, und auf 
l und Zufamfenftelung beruhen meift die Charaktere der Gefchlechter 
tungen, obgleich diefe Merkmale nicht ganz ficher find. Das Knochenge⸗ 
Schlangen ift hoͤchſt einfach und befteht außer dem Schädel in einer vom 
zum Schwanzjze reichenden Reihe von Wirbeibelnen, ohne irgend weitere 
jungen. Die einzelnen Wirbelbeine find ſehr beweglich und endigen fich 
en Theile mit einer Kugel, die in der Pfanne des folgenden Wirbelbeine 
h An den Seiten berfelben ſtehen die Rippen, die ſich nach mehren Rich» 
legen. Gegen das Ende des Schwanzes haben die Wirbelbeine weber 
od) Zaden. Rippen und Wirbelbeine machen übrigens die einzigen feften 
dem Rumpfe der Schlangen aus, und die Innern reichen Theile find da> 
nten durch Nichts als durch bie breiten Bauchſchuppen und durd) eine bes 
Lage von Fett zwiſchen Haut und Eingeweiden befhäst. In der Größe 
‚ bei den Schlangengattungen die Äußerfle Verfchiedenheit; einige erreis 
Länge von 30 und mehr Fuß, dagegen meffen andre nur wenige Zoll. 
d Die Zeihnimgen und Farben ungemein mannigfaltig und bei einigen fo 
daß man fie zu den ſchoͤnſten Thieren rechnen kann. — Die Schlangen 
nut in der heißen und in den gemäßigten Zonen, nicht jenſeits des Polar: 
In den heißen Ländern innerhalb der Wendekreiſe gibt es die meiften, die 
re ſchoͤnſten und die gefäprlichften. Mehre Battungen trifft man ſowol 
n al6 neuen Welt an. Faſt alle lieben feuchte, dumpfige, aber zugleich 
ster. In der Hitze des hoben Sommers find fie am lebhafteften und thaͤ⸗ 
ie giftigen aber auch am gefährlichften. Dagegen werben fie im Herbfl 
ger und erflarren zulegt, wo der Winter aud) nur einigermaßen ſtreng if. 
Winterſchlafe verbleiben fie, bis das Frühjahr fie wieder erweckt. Als⸗ 
ten fie fi. Die größern Schlangengattungen find dem Winterfchlaf nicht 
en , ba fe nur in heißen Ländern leben; auch zeigen fie feine Geſelligkeit, 
tarı die kleinern öfter in ganzen Befellfchaften und in einander verfchluns 
Höhlen ıc. findet. Alle Schlangen können im Waffer leben und ſuchen 
ihren Fraß dort; aber fie müffen beftändig Luft fchöpfen, wenn fie nicht 
oflen. Die Nahrung der Schlangen beſchtaͤnkt ſich auf das Thierreich. 
ur Gattungen fangen Inſekten und Gewuͤrme, die großen aber ftellen 
größten Säugthieren nad) und feibft Panther und Reoparden werben ih» 
zur Beute. Sie zerfauen Ihren Fraß nicht, ſondern verfchluden ihn ganz. 
Jeute dazu zu groß, ſo zermalmen ſie ſie durch ihre Windungen. Die Ver⸗ 
er mit Haut und Haar verſchluckten thieriſchen Koͤrper ſcheint bei den 
chlangen viel Zeit ‚u erfodern und daher ihr Fraß im Magen ſelbſt in 
berzisgehen. Daraus laffen fich die übelriechenden Ausbänftungen erklaͤ⸗ 
han bei alten Schlangen bemerkt, und die wol Urſache fein indaen, dod 


732 Schlangenbab Schlegel (Lob. Elias) 


man ihnen fonft eine betäubenbe Zauberkraft zufchrieb. Ste gehoͤren fl 
ben eierlegenden Thieren, doch brüten einige ihre Eier Im Leibe feihfl 
eigne Wärme aus; diefe pflegt man daher auch Iebendiggebärende ode 
(Viviparae) zu nennen. Für den Menſchen haben die Schlangen kein 
den Nugen. Einige dienen zu Arzneimitteln, andre, felbft die giftigften 
rung. Man Eennt jegt 9 Gefchlechter der Schlangen, welche in ungefäh 
tungen zerfallen. — Bei den Alten hatten die Schlangen eine heilige‘ 
Schon in den älteften Zeiten erhält fidh die Vorftellung der Schlang 
böfen Wefens, und fie wurde daher bald Symbol des Boͤſen, Schäpii 
deutigen der verlodenden Woluft, der verberblichen Lift, aber auch dei 
keit. Das Erſte findet fich in der heil. Sage vom Sünbdenfall und in de 
Dualismus, wo Ahriman in Geftalt der Schlange den Stier des D: 
berifch anfällt. Als Symbol der Fruchtbarkeit erfcheint fie aber ber 
Mpthologie, wo fie auch ald guter Genius (ayaFodarumv) angefeh 
ehrt wurde; und ebenfo als Symbol [haffender Kraft in der phönisifd 
genie. Hiermit hängt aud) zufammen, daß man ihr zauberifche umd hei 


zuſchreibt. So wird fie Attribut des Äskulap und Symbol der Zauber: 


kunſt. Bei den Griechen war aber auch die Schlange dem traumfpende 
geheiligt und wurde darum bei dem Drakein aufbewahrt. Hier wird 
der Seherkraft und Welffagung. — Die Schlangen, deren ſich die 
Priefter bedienten und die u. d. N. Knep bh vorkommen, waren von R 
fie wurden nur abgerichtet. Diefe Schlange hatte, nach Älian, ihre 7 
rung, umd nach Mosheim’s „Geſch. der Schlangenbrüder der erſten Ki 
fie von den gnoftifhen Ophiten (f. d.) in das Chriſtenthum eingefüh 
die Askulapiusfchlange, welche in Epidaurus verehrt wurde. 

x Schlangenbad und Langenſchwalbach (f. Schw: 
der vormals kurheſſiſchen Grafſchaft Niederkagenellnbogen, in ber Naͤ 
nen Rheingaues, gehören jegt zum Herzogthum Naffau und liegen in « 
tifchen Waldgegend. Ein Rind, das krank ſich täglich vom der Heerde fi 
von dem Hirten an der warmen Quelle gefunden warb, von ber ed G 
hielt, entdeckte diefe Quelle vor 200 Jahren. Dr. Glarin aus Won 
1657 diefelbe nebft nothdürftigem Bauholz; um 2 Ohm Wein von | 
von Berſtadt. Später warb das Bad heffifch und 1694 mit Anlı 
fhmüdt, die immer fortgefegt wurden. Die Alleen und Spaziergänge 
die mit den fchönften Zimmern verfehenen Gebäude, geſchmackvoll ange 
naffauer Haus iſt durch einen bedeckten Gang mit dem hefftfchen Haufl 
und enthält 3 Quellen und 10 geräumige Bäder, außerdem auch noch 
bad. Das neue Haus hat 6 Bäder. Obige 3 Quellen geben in 24 Ser 
Ohm Waffer, das 21 — 22° Reaumur hat und Thon und Kalkerde a 
verjüngt gleihfam das Alter, indem es als feifenartiges Waſſer mb 
milde Wärme gefehmeidig macht, die ftraff gewordenen Hautfafern a 
ftärkt und Steifigkeit und Conttacturen hebt. Schärfe der Säfte, Fid 
und Stein, Dörrfuht, Krämpfe bes Unterleibes, krampfige Engbräfig 
es ebenfalls. Der Haut gibt es eine unglaubliche Zartheit und Weichh 
blaulich und wie Seifenmwaffer anzufühlen. Die ihm eigne Fettigkeit ſi 
Seftalt eines ſchmierigen Schmuzes auf dem Waffer. Der Badeſch 
zum Heilen und Trocknen alter Geſchwuͤre benust. Zwiſchen Scha 
Schlangenbad ift ein immermährender Verkehr, ſodaß die Gaͤſte beider 
faft täglich befuchen. Das ſchwalbacher Waffer wird auch täglich in da 
Morgens nad) Schlangenbad gebracht und dort gebraucht. 

Schlegel (Johann Elias), geb. den 28. Fan. 1718 zu Riiſ⸗ 
ſchon im 12. 3. deutihe Verle. Sein Vater, dafelbft AppeWationdeeit u 


De X 


Schlegel (Johann Kol) 7188 


‚ Ve ihn durch Privatiehrer unterrichten. Mit großen Kenntniffen in den 
chulwiſſenſchaften ausgeruͤſtet, befuchte er Schulpforte, wo er auch über 
n Bruder, Johann Adolf, die Aufficht übernahm. Durch f. Vater er: 
ſtudirte er den Horaz, fuchte diefen Dichter und die „Cyropaͤdie des Xeno⸗ 
überfegen, las auch Sophokles und „„Euripides”, und verfertigte ſchon in ſ. 
hren ein Trauerfpiel, welches er „Die Trojanerinnen‘ nannte. So begeiftert 
wenn er arbeitete, fo ſtreng in der Kritik war er gegen fich felbft, und häufig 
die Hälfte ſ. Arbeit, die er Abends vorher gemacht hatte, am andern Mor: 
b. In Leipzig, welches er 1739 befuchte, um die Rechtöwiffenfchaften zu 
‚ ward er mit Bottfched bekannt, der, feinen wankenden Ruhm durch Vers 
em mit jungen talentvollen Dichten zu fichern bemüht, auch Sch. an ſich 
ı mehre Auffäge deffelben in f. „Beiträge zur Eritifchen Hiſtorie der deuts 
prache, Poefie und Beredtfamkeit" aufnahm. Nach Beendigung der Uni» 
jahre (1743) ging Sch. als Privatfecretair des fächf. Kriegsraths und Ges 
v. Spener, feines Verwandten, mit nach Kopenhagen, nahm fpäterhin an 
emiſchen Beiträgen” thätigen Antheil, und gab ſelbſt eine Wochenſchrift: 
remde“, heraus, worin er f. Bemerkungen über dänifche Sitten, Vers 
Geſchichte, Spreche ıc. vortrug. Diefe Wochenfchrift ward in Dänemarf 
B in Deutfchland fehr günftig aufgenommen. Für das bänifche Theater ars 
e einige Luftfpiele aus, welche nach f. Handfchrift ins Dänifche überfegt 
Durch den Einfluß des Freih. v. Holberg, deflen Gunft er fid durch f. 
3er dänifchen Geſchichte und Sprache erworben hatte, ward er (1748) zum 
entl. Prof. an der neu errichteten Ritteralademie zu Soroe ernannt. Aber 
afte waren fehr gering, und deſto größer f. Arbeitfamkeit, die, verbunden 
zungsforgen, ihm ein higiges Fieber zuzog, woran er 1749 im 31. Jahre 
- Höhft ruͤhmlich, aber Lärglich belohnt, war das Streben biefes Mannes 
Kteratur feines erften und zweiten Vaterlandes. Er mar nach Andre. Gry⸗ 
u erfte deutſche dramatiſche Schriftfteller, der genannt zu werden verdient. 
dramatifchen Arbeiten jet gleich tief unter ben Werth geſunken, den fie 
m urfprünglichen Erſcheinen hatten, und fchließen fie fich gleich zu fehr an 
en der franz. Dramaturgen und an bie Bottfcheb’fche Schule an, von wel» 
kch nie ganz losreißen konnten, fo bleiben fie doch immer fhägbare Denk: 
B Aufbluͤhens umferer [hönen Literatur. Kür fein beſtes Trauerſpiel wirb 
mm” gehalten. Sch. behandelt den Alexandriner mit Leichtigkeit. Joh. 
Schlegel’ 86 Werke” (herausg. von Joh. Heine. Schlegel, Kopenh. und Lp;. 
-70, 5 Bde.) enthalten außer den dramatiſchen Stüden andre Gedichte 
ſeiſche Ausarbeitungen, namentlich auch die obige Wochenſchrift: „Der 


ıchlegel (Johann Adolf), Dichter und Kanzelredner, geb. zu Meißen 
bezog mit feinem Bruder Johann Elias, nachdem Beide zu Schul⸗ 
be erſte gelehrte Bildung empfangen hatten, bie Univerfität zu Leipzig. Hier 
zwiſchen ihnen, Gellert, Rabener, Cramer, Ebert u. A. jener Freund» 
und, der auf die Ausbildung des deutſchen Geſchmacks fo vortheilhaft wirkte. 
zremiſchen Beiträge” waren die erfle Frucht dieſes Bündniffes. Späterhin 
iefelben Df., von denen 3. A. Sch. einer der eifrigften war, u. d. T.: 
iſchte Schriften”, eine Monatsfchrift heraus, die als Fortfegung jener 
je zu betrachten ift. Nachher arbeitete er mit an der von Cramer herausg. 
aſchrift: „Der Iüngling”.: In Afthetifher Ruͤckſicht erwarb ihm jedoch 
egung von Batteux's Zurücführung der ſchoͤnen Kuͤnſte auf einen Grund⸗ 
‚es beaux arts reduits à un même principe”‘), welche er mit eignen 
di. und Anmerk. begleitete (1751, 3. 4. 1770), den meiften Ruf, obgleich) 
nfichten oft ebenfo unhaltbar find mie die des von ihm verbeutfchten und 


184 Schlegel (Auguſt Wilhelm und Friedrich v.) 


zum heil widerlegten Originals. 1754 warb er al Prediger und Pref. 
lofopkie am Gymnaſium zu Zerbft angeftellt, von wo er 1759 nad) Hax 
und 1787 das Amt eines Generalfuperintendenten bes Fürftenthums | 
erhielt. Ex ftarb 1793. — Obgleich der größere Theil von f. dichteriſche 
für unfere Zeiten Beinen Werth mehr hat, obgleich f. aͤſthetiſchen Anficte 
Zeitalter gemäß, noch höchft befchränkt waren, fo verdienen body f. Ben 
um bie deutfche fchöne Literatur Achtung, und felbft f. Fabein (ps. 1 
°f. geiftlichen leder („Vermiſchte Gedichte”, Th. 1, Hanov. 1786) 9 
dem Beflern, was wir Deutfche in diefen Dichtungsarten aufzuweiſen b: 
aufgeklaͤrter Kanzelredner fihherte ſich Sc. gleichfalls einen dauernd 
durch mehre Sammlungen von Predigten, umter benen bie zu Leipzig 
3 Bdn., eine der vorzuͤglichern ift. 

Schlegel (Johann Heinrich), geb. zu Meißen 1724, ein B 
Johann Elias und Sohann Adolf, mit denen er gleiche Erziehung erhie 
von 1741 an In Leipzig die Rechtswiffenfchaften, befchäftigte ficdh aber 
mit der Gefchichte der fchönen Literatur, und kam durch Vermittelung fe 
Bruders, Johann Elias, als Secretair der daͤniſchen Kanzlei nach Kopen 
er (1780) als Prof. der Geſchichte, koͤnigl. Hiſtoriograph und Juſtiz 
Er hat mehre Schauſpiele von Thomſon und andern engl. Dramatil 
Maßgabe feiner Zeit fehr gluͤcklich, verdeutſcht. Außer andern, die din. 
betreffenden Werken hat er auch eine „Geſchichte der dänifchen Koͤnig 
oldenburgiſchen Stamme“ (Kopenh. und 2p;. 1777, 2 Bde., Zot., mit 
ſchrieben. 

Schlegel (Auguſt Wilhelm und Friedrich v.), 2 Bru 
durch ihre kritiſchen Beſtrebungen, durch eigne poetiſche Erzeugni 
durch Nachbildungen und Überſetzungen auf deutſche Kunſt und Wiſſen 
ſam und beftuchtend eingewirkt haben. A. W. iſt den 8. Spt. 1767 y 
geb., F. ebend. 1772. Ihr Vater war Joh. Adolf. (S. oben.) Wie 
der Elegie von A. W. S. „Neoptolemus an Diokles“ anbeutet, herrſcht 
lichen Haufe das liebevolifte Verhaͤltniß. Won der Mutter, einer treffti 
ward er in der Religion, von Hauslehrern und auf der Schule zu Ham 
Elementen der Sprahen und Wiſſenſchaften ımterrichtet. Ein beſonde 
zeigte er für Sprachen. Fruͤh entwidelten ſich f. Dichteranlagen und! 
erften, zum Theil abenteuerlichen, Jugendverfuchen zeigte er eine ungen 
tigkeit im Versbau und Reim. Als 18jähriger Juͤnguing ſprach er auf 
an einem Geburtstage des Könige eine felbflverfertigte hexametriſche 
eine Sefchichte der deutfhen Dichtkunſt im Abriß gab und mit Recht 
wurde. Sin Göttingen ftudirte er anfange Theologie, ging aber bald p 
gie über. Hier gewann er Bürger’6 Freundſchaft, welcher Ihm in der 1 
2. Ausg. f. Gedichte (1789) die poetifche Weihe gab und In einem fi 
Sonctte die Unfterblichkeit verfündigte. Auch arbeitete er an beffen „At 
(hönen Redekuͤnſte“, in weicher ſich 3. 8. f. „Ariadne“ umb ein Auffay i 
findet. Zugleich war er Mitglied des philologiſchen Seminariums wm 
und eine lat. Abhandl. über die homeri'che Geographie, welche 1787 b 
erhielt, bewährte f. gründliche Bekanntſchaft mit einem der ſchwierigſten 
ferer Kenmtniß des Alterthums. Auch fertigte er 1788 das Regifter m } 
Birgil. Von Göttingen ging er ale Hofmelfter nady Amſterdam in 
des Banguiers Muilman, von wo er nad) einem Zjährigen Aufenthalte b 
land zurüdehrte und fid) bald nad) Jena begab. Er nahm an den „Der 
fpäter an den Muſenalmanachen von Schiller lebhaften Antheil (beſord 
außer den Briefen über Poefte, Syibenmaß und Sprache, die Überfege 
dem Dante, mit ihrem Commentore , die Aufmerkſamkeit dee Amt 


Schlegel (Auguft Wilhelm und Friedrich v.) 785 


die Form des Originals abfichtlich verlegt war) und mar bis 1799 vielleicht 
zigſte Mitarbeiter an der „Allg. Lit. = Zeit.” 1797 begann er bie Überfegung 
akſpeare, deren wohlthätiger Einfluß auf den Geift und auf das Gemüth 
dter Deutfchen, ſowie auf theatraliſche und declamatoriſche Darftellung noch 
ortdauern wird. Von dieſer Überf. find I Bde. erſchienen, und Tieck hat 
iſion berfelben mit Beifügung der noch unuͤberſ. Stüde in einer neuen Aufl. 
nmen. Er lebte jegt, mit dem Titel eines Raths, als Prof. in Jena, wo 
tifche Vorlefungen hielt und fi von 1798 — 1800 mit f. Bruder zur. Herz 
e des „Athenaͤums“ verband, einer aͤſthetiſch⸗krit. Zeitfchrift, die bei aller 
m Strenge die Keime lebendiger Bildung in empfänglichen Gemüthern zu 
m fuchte. Diefes „Athendum”, wiewol e8 feiner Schärfe und f. übermüthis 
ns wegen Vielen mißftel, hat auch durch Lie Theilnahme befreundster Geiſter 
getragen, einen freiern Geiſt in der deutfchen Literatur aufjuregen, und die 
n Vortheile haben infofern den Nachtheil überwogen, dem diefe Zeitſchrift, 
durch ihre eigne Übertreibung als durch einige tölpelhafte Nachtreter be- 
Noch erfchien während f. Aufenthalts in Jena die erfte Ausg. ſ. Gedichte 
unter welchen befonder® die Sonette, beren zweiter Vater unter den Deuts 
ſ. W. Schi. ift, namentlich die geiftlichen und Kunftfonette einen Chor 
chickten und ungefchidten Nachahmern erweckt haben. — In bie legten Fahre 
olemifchen Periode in Jena fällt noch das „Leben Nicolai's von Fichte‘, wel⸗ 
mit einer Vorrede heraußgab, und die „Ehrenpforte für ben Theaterpräfidens 
kogebue’ (1800). Diefe Geburt des Muthwillens, durch den „Hyperbo⸗ 
Eſel“ von K. veranlagt, ift von Vielen angefochten worden; doch muß man 
Spottgediht aus ihrem eigenthuͤmlichen Geſichtspunkte betrachten und ber 
ft zur Ehre geftehen, daß Schl. dieſes Quodlibet herausgab, als die Zeis 
Kotzebue's gewiffe Rüdkehr ſogleich nach feiner Gefangennehmung gemeldet 
Der Gedanke war originell, feinen Begenftand in allen poetifchen Formen 
gen. — 1801 erfhienen die „Charakteriftiten und Kritiken“ in 2 Thln., 
yen Brüdern herausgeg., worin das Urtheil über Buͤrger's Werke, von A. 
bi. mit Einficht und Unparteilichkeit außgefprohen, neu war; die andern 
: waren aus mehren Zeitfchriften zufammengeftellt. Gewiß ift es, daß diefe 
lung mandyen Beiftesfunten entzündet und manche treffliche Ideen in Um» 
wacht bat. Bald barauf erfchien der , Muſenalmanach auf das 3. 1802, 
er mit 2. Tieck gemeinfchaftlid) herausgab. Ein myſtiſch⸗ſymboliſcher Geiſt 
bier vor; doc, werden viele mit Freuden biefer Erſcheinung gedenken, 5.8. 
renden Sonette von A. W. Sch. an f. Stieftochter, Augufta Böhmer. 
pt lebten jegt die beiten Schl. ein ſchoͤnes Leben mit gleichgefinnten Freun⸗ 
id nur der Tod von Novalis (f. Hardenberg) hatte fie in diefem Zeits 
betrübt. — A. W. Schl., der fich von f. Gattin, einer geb. Michaelis, 
‚ wandte fi) hierauf nach Berlin, wo er Ende 1802 Vorlefungen über Lis 
‚, Kunft und Geift bes Zeitalters hielt, die im 3. Bde. der „Europa“ feine® 
8 abgebrudt find. 1803 erfchien der „Jon“, ein antikes Trauerſpiel, ohne 
kmnliche Lebenskraft, Über welches in der „Zeitung für Me elegante Welt“ 
Her A. W. Schl. mit Rath, und That arbeitete) auch in Be:iehung auf den 
es umd auf die theatraliſche Darftellung ſehr lehrreiche Geſpraͤche zwiſchen 
di, Schelling und dem Verf. geführt wurden. Jener Zeitung hatte fich 
: „Breimüthige”, von Kogebue und Merkel berausgeg., entgegengeſetzt, und 
nun zu einem Federkriege gegen bie fogen. neue Schule und ihre Häupter, 
Hhem cuch Kiätfchereien und Zerrbilder nicht verfhmäht wurden; U. W. 
sing jedoch auf diefen Schmus nicht cin. — 1803 erfchien der 1. Bd. des 
en Theaters, welcher 3 Stüde des Calderon enthielt; der 2. Bd. folgte 
Sch. hatte Fury zuvor, im ?. Stud der „Europa“, aufden Genuß jenes 
„Ber, Siebente Aufl. Bb. IX, - AN) 


788 Sethlegel on (ir Duhelm und Bin 








r Mbten; auch hat, er ſich In Beziehung auf Sy Reime oh Al 
> Die ſtrengſten Geſetze vorgeſchrieben und durchgeſuͤhrt. A. W. Stl. 
einen ausgezeichneten Rang unter f vereinigt Kefe 


lin gewann einen neuem Wendepunkt, indem ex einer unfreundlich benga 
durch eine ber edelſten Frauen entrifien warb, mit welcher ex nad new 
der Wahrheit und Schönheit forfchte. Mit ber Frau von Stasi, bie a 
dee Elegie „Rom“ gefeiert bat . ‚sine ee 1805 auf Reifen amd lebte * 
bald in Stalin, Frankreich, Wien, Imı. Einige 
nen von ihm aus dieſem Zeitpunkte finden wir in der, Jenaiſchen nr 
terhin in den „Heidelberger Jahrbuͤchern!. In franz. Sprache ſcheich ex 1 
„Wergleihung der Phaͤdra des Euripibes mit der bes Racine“, weiche u 
parifer Titeratoren ungemöhnihet Auffeben machte. Im ma Frühling 1808 
Wien, vor einem glänzenden Kreife, Worlefungen über dramatiſche Kuml 
teratur, bie 1809 — 11 in 3 Tin. efühmen find find (2. Xusg., 1817). € 
alle gebilbete Sprachen Äüberfept worden. Seine Abſicht babei ıwar, ca 
meinen überblick zu geben und bie Begriffe zu entwickeln, nad) denen U 
werth der dramatifchen Hervorbringungen verfchlebener Zeitalter und 1 
ſchaͤten if. Im biefen Vorleſungen herrſcht eine Klarheit und Leichtigken 
trags, und, wenn man die Vorfiebe für einige Meifter abrechnet, eine d 
. heit des Urtheils,. bie nichts zu wuͤnſchen —* läßt: ——5 — ni 
neue Sammlung f. poetifchen Werke, von welcher wir 3.24: 
2. Aufl. 1820). Im biefen Gerichten, worin zugleich bie ke Sonden 
wen Farben fpielt, findet ſich der größte Reichthum poetifcher Terme 
"Adlon" , ——— , „Dex h. Lucas“, ſ. ſchoͤnen Sonette uhb be 
1, welche ex der Frau v. Gtaäl purignete, bezeichnen [. Auf 
ben —E An dem „Deutſchen Auſeum“ ſ. Bruders nahm el 
durch die gründlichen Unterſuchungen Antheil, welche er in mehren Gchä 
ben über das Lied ber Nibelungen anſtellte — Die großen Exeigniffe du 
mächtigten ſich f. Gemuͤths; er warb im. verhaͤngnißvollen J. 1013 
Schriftſteller in franz. und deutſcher Sprache, begleitete ſelbſt den Some 
Schweden, welchen er 1812 in Stodholm kennen gelernt hatte, als 
auch hat er zur Anerkennung feines Verdienſtes mehre Orden und * 
erhalten. — Nach Napoleon's Sturz kehrte er zu Mab. Stasi eräd m 
nach den Tode f. Gönnerin 1818 einen Muf als Prof. an bie 
den er annahm. Er verheirathete ſich 1819 mit der SE: des Richammeill 
zu Heidelberg, aber auch diefe Ehe ward ſchon 1820 wieber getrennt. J 
Laufbahn ale akademiſcher Lehrer trug er vorzuͤglich die Geſchichte bir fühlen 
und Wiſſenſchaften alter und neuer Zeit vor und wandte — mit befanden 
unterflügt durch bie preuf. Regierung, dem Studium ber orienteiifhen 
und namentlich des Sanfkrit zu. Dem zufolge gibt er feit 1820 Die 
bliothek heraus und beforgt durch die von ihm nette indiſch⸗ 
Abdruck des großen ſanſkritaniſchen „Ramäyana’. 1823 erfäie ai! 
Bearbeitung ſanſkritaniſcher Texte eine Epifode aus dem Epos ‚Bunt 
„Bhagavad⸗Gita“, mit Latein. Überfegung. eine orientallſchen Cal 
ihn In den legten Jahren nach Frankreich und 1823 nach Engiend efühe 


V 













Schlegel (Auguft Wilhelm und Friebrich v.) 787 


don, Drford, Cambridge und in der oftind. Lehranftalt zu Hayleybury die 
chriften unterfuchte. Nach f. Rüdkel,e hat er in Bonn auch die Aufficht über 
tufeum vaterländifcher Aiterthümer übernommen. Noch ſchrieb er einen Aufs 
er Neder, im 3. Stüd der „Zeitgenoſſen“; eine italienifche fehr gelehrte 
dlung, in ber „Biblioteca italiana‘ (1816), über die bronzenen Pferde zu 
ig, die er für griech. Kunſtwerke erlärt; eine Abhandl. über die Gruppe der 
in ber „Bibliotheque universelle” von Genf, 1817; eine hiſtoriſche Notiz 
en florentinifchen Maler, Joh. von Kiefole, und eine Erklärung von deffen 
de de heil. Dominicus; Bemerk. über die provenzal. Sprache und Kiteratur 
1818), auch einige gehaltvolle Recenfionen, 3. B. über Niebuhr's, Römifche 
"in den „Heidelberger Jahrb.“. 1827 reifte er nad) Berlin und hielt dort 
em gemifchten Publicum Vorlefungen über die ſchoͤnen Künfte, welche man 
heil in dem „Berliner Gonverfationsblatt”' gelefen hat. 1828 vertheidigte er 
einer trefflich gefchriebenen Broſchuͤre gegen bie ihm gemachte Beſchuldigung 
pptofatholiismus. — A. W. v. Schi. ift Ritter des rothen Adlerordens. — 
Zruder, Sriedrich v. Schl., verlebte f. Kindheit bei f. Oheim und dann 
teften Bruder, welche beide Randgeiftliche waren. Obgleich der Vater ihn 
ufmannsftande zu widmen wünfchte, ließ er ihm doch einen vielfeitigen Un⸗ 
geben, um ihm eine defto freiere Wahl vorzubehalten. Er zeigte bei natürs 
Verſtande und lebhaftem Geifte keine bebeutendbe Spur eines ausgezeichneten 
3; doch fühlte er, als er in Leipzig die Handlung erlernte, f. Unfähigkeit 
lebhaft, daß der Vater feinen Bitten nachgab und ihn zurüdnahm. Jetzt, 
Fahre, fing er f. gelehrte Bildung mit dem glähendften Eifer an. Er mid» 
9 ber Philologie, ftudirte ein Jahr in Göttingen, dann in Leipzig, und 
sach Vollendung feiner atademifchen Studien fid) ruͤhmen, jeden un® übrig 
men griechifhen und römifchen Schriftfteller von einiger Bedeutung aus eig» 
«ubium zu kennen. Die erſte Schrift, mit weldyer er, fo viel wir wiffen, 
& auftrat, ift ein Auffag über die griech. Dichterfchulen (in der „Berl. Mo» 
rift“), der etwa in das 3. 1793 fällt. Dann war er Mitarbeiter an Rei: 
SFournale ‚‚Deutfchland”. (Berlin 1795 und 1796), fowie an beffen 
zu der ſchoͤnen Künfte” (1797). Seine Beiträge beftanden in Charakteris 
und Kritiken, wie z. B. die Auffäge über Forfter und Leſſing. Die erfte 
Fr. Schl.'s von größerm Umfange waren die „Griechen und Römer” 
), welcher ein Auffag über die Platoniſche Diotima und über die Darftelung 
Wlichkeit in den griech. Dichtern angehängt war. Den Werth diefer Schrift 
ſelbſt Heyne mit Achtung an. Sie ift nicht fortgefegt worden; man kann 
e „Poeſie ber Griechen und Römer” (1798) als den 2. Th. derfelben anfes 
olewol audy diefe Sefchichte leider nur Bruchſtuͤck geblieben iſt. In diefen 
a zeigt Fr. Schl., bei einer Fülle von Gelehrſamkeit, die Originalität des 
venker6 und die Kraft der biftorifch = Eritifchen Waffen, mit welchen er fich im 
er alten und neuen Poeſie zu bewegen anfing. Dabei befchäftigte er fich mit 
tie des Platon, in Beziehung auf weichen er fid in Berlin mit Schleierma: 
band, z0g fich aber von der Überfegung diefe® Schriftſtellers zurück, nach⸗ 
Bogen davon bereits bei Frommann gedrudt waren. Sm „Athenaͤum“, 
‚er mit f. Bruder gemeinſchaftlich herausgab, befinden fid, gediegene Auf⸗ 
a ihm, ımb fruchtbare Andeutungen in Fragmenten, Ideen u. ſ. w. 1799 
als freies Werk der Phantaſie, des Gefühle und des Nachdenkens zugleich, 
EhL. der, Lucinde“, die bis jegt unvollendet geblieben ift, wiewol der Verf. 
der „Europa“ erklärte, daß er fie fortzufegen gedente. Schwerlich haben 
iber ein Wer verfchiebenere Stimmen erhoben, jedoch ſcheint der Verf. felbft 
06 Aufgeben ber Sortfegung beffelben die Wahrheit und Gerechtigkeit der Urs 
nerkannt zu haben, die in ihm eine gefährliche Verklärung der Wolluſt wobx⸗ 
50 * 


788 Schlegel (Auguſt Wilhelm und Sriebrich v.) 


sunehmen meinten. Damals lebte Ir. Schl. in Berlin. 1800 ieh e 
Privatdocent in Jena nieder, wo er mit großem Beifall philoſophiſche Ve 
hielt. In diefer Periode trat er zuerft als Dichter auf, da er vorher imm 
hatte, daß es ihm an der Sprache gebreche. Die erften Gedichte von ihn 
fi) im „Athenaͤum“, deffen legtes Stud 1800 herauskam, nammtid 
gen „Terzinen an bie Deutfchen”. Im 2. Bd. der „Charakteriſtikm md 
(1801) erſchien darauf ein größeres Gedicht im elegifchen Spibenmaße: 

Mufagetes", welches für die Ergreifung f. eigentlichen Charakters md 
fehr wichtig if. Von jest an fprady er ſich in den mannigfaltigften Fo 
3.3. im „Mufenalmanadye” von Vermehren auf 1802 und 1803, ver, 
im „Mufenalmanady” von Tieck und A. W. Schlegel. Die Affonany ı 
bei größern Gedichten zuerft an, naͤmlich im, Alarkos“ (1802), eine 
originellen Trauerfpiele, welches AÄſchyleiſch gedacht, aber dem Stoffem 
ßerlichkeit nach comantifcy genannt werden muß. Dean fieht bemfelben 
bung aus einer Romanze an, und es will ſich nidht dramatiſch geflalte 
lebte ex einige Zeit in Dresden, zu welcher Stadt ihn alte Erinnerungen 
bort verheirathete Schwefter öfter6 hinzogen. Dann reifte er mit f. & 
T. Diendelsfohn’6) nach Paris, too er Vorlefungen über Philoſophi⸗ 
Monatsſchrift: „Europa“, beftehend aus 2 Bhn. oder 4 Stuͤcken, bera 
ſich außer der Kunft und den ſuͤdlichen Spradyen befonders mit der inbifd 
und Literatur befchäftigte. Die Früchte dieſes Studiums legte er 18 
Schrift: „Über die Sprache und Weisheit der Indier“, nieder; auch bei 
geihaftigkeit dieſes Verſuchs iſt doch der gluͤckliche Fleiß des unermädliche 
ruͤhmlich anzuerkennen. Auch machte er fidy während f. Aufenthaltes in 
die altfranz. Ritterromane verdient, indem er 180% eine Sammlung ro 
Dichtungen des Mittelalter aus gedr. und bandfchriftl. Auellen in 2% 
gab, ſowie 1805 den Lother und Malle. Doc, war das Original de 
ſchichte, die er nad) einer ungedruckten deutſchen Handſchrift bearbeitete; 
lich italieniſch. Nicht minder verdanken wir ihm biplomatifdye Aufklaͤr 
die Gefchichte der Jungfrau von Orleans, die er aus den „Notices et 
zog. Fe. Schl. ging nun nad) Deutfchland zuruͤck, und f. vaterlaͤndiſch 
ergoß ſich auf der Reife zum Theil in dithyrambiſchen, zum Theil In eieg 
fingen. Dan findet ben Auedruck diefes Gefühle nicht allen in f. Gedicht 
fondern auch in f. „Poetifchen Zafchenbuche” fr 1806, worin er zugleh 
deutſche Kunft, befonders über das Weſen der gothifchen Banfımfl 
Worte gefprochen, und nad Zurpin’e „Chronik, den „Roland“, ein Ba 
in Romanzen, mit durchgehender Affonanz gebildet hat. In Koͤln cin 
Gattin zur kath. Kirche über, eine Veränderung, die auch auf f. ſchriſt 
Charakter bedeutend, wenn auch nicht immer vortheilhaft, wickte E 
gebrudtes hiftorifches Drama: „Karl V.“, durch Benusung biftorifcher Ik 
vollenden, ging er 1808 nad) Wien, war 1809 als kaiſerl. Hoffecreteit | 
quartier des Erzherzogs Karl u. wirkte Durch kraftvolle Proclamationen au 
der Nation. Bei der ungluͤcklichen Wendung der Dinge kehrte er zur li 
Thätigkeit zurüd und hiele zu Wien Vorleſungen uͤber bie neuere Geſchicht 
die Geſchichte der Literatur aller Voͤlker, weiche 1811 umb 1812 im Dan 
nen find. Vorzuͤglich in den erften tritt ſ. Befangenheit in refigiofer Auf 
cher ex feit dem Übertritt in bie kath. Kirche zugethan ift, hervor. Dee 
ein lebensreiches Gemaͤlde aller Literatur, ein Werk, welches der gamer 
Nation angehört. 1812 gab er das „Deutfche Muſeum“ in 2 Yahradnae 
erwarb ſich Metternich’8 Vertrauen durch manche diplomatiſche Saul 
dann Legationsrath der oͤſtr. Geſandtſchaft bei dem deutſchen Bundettoge 
furt a. M., welche Srelie ar in Ainkomae 1818 wieder verlaſſen Bat, | 


Schlegel (Auguft Wilhelm und Friedrich v.) 789 


zuruͤckzukehren, wo er gegenwärtig als Hoffecretair und k. k. Legationsrath 
Nachher gab er eine Darftellung der jegigen Staatenverhältniffe und f. 
wi. Schriften heraus. 1820 unternahm er zu Wien eine Zeitfchrift: „Con⸗ 
a”, in der Abficht, die verfchiedenen Meinungen über Kirche und Staat zu 
tigen, aber fie erhielt fidh nicht lange. — Wir haben bei der überſicht der 
e dieſes Schriftſtellers manche Beiträge nicht erwähnt, die er B in Roſtorf's 
htergarten“, im „Attifhen Muſeum“ niedergelegt hatte; auch hat er mit f. 
we, 2. Ziel, die Schriften von Novalis, den 1. Xheil des „Florentin“ von 
kin, und 1807, noch vor der Ciſcheinung des franz. Originale, die „So: 
der Frau v. Staäl deutſch heraueg., welche überſetzung, ſowie die „Romans 
Dichtungen des Mittelalters“, ebenfalls von feiner Gattin herruͤhren ſoll. 
ie 1822 in 10 Bon. zu Wien erſchienene Sammlung f. Werke enthaͤlt die 
lichſten derfelben in neuer Drbnung mit einigen VBeränterungen und Zufäsen. 
bielt er in Wien Vorlefungen über die Philofophie des Lebens, von welchen 
rflen auch im Druck erſchienen find. Ihr Inhalt ift eine vormehme Popular: 
phie, welche ber wiſſenſchaftlichen Phitofophie nicht gefährlich werden kann, 
in einem ſchon zurüdgelegten Standpunkte eingemurzelt iſt. — Die litera: 
Revolution, welche diefe geiftigen Dioskuren bewirkten, wurbe, wiewol fie 
n genug hinterlaffen hat, mehr durch die Schuld vieler fogen. Schlegelianer, 
Stifter ſelbſt, welhen man Tief: und Fülle der Kenntniffe und eine gediegene 
Ber Darftellung nicht abfprechen kann, verhaßt. Beſondeis ift die Profa von 
Schl. wegen ihrer Klarheit und Anmuth zu loben, zu welcher fich der Tief: 
6 Bruders nicht immer herabläßt ; Dagegen verräth die Poefie des Exften, vor: 
in den fpitern Erzeugniſſen, bisweilen eine zierliche Kuͤnſtlichkeit. Mir 
u aber von den eignen poetiſchen Schoͤpfungen dieſer verbruͤderten Kraft die 
von Beſtrebungen ſondern, welche eine dankbare Nachwelt gewiß nicht verken⸗ 
isdb. Es verdient Lob, daß fie bei ihren fleten polemifhen Berührungen, 
Kuͤckſicht auf berühmte Namen, immer auf das wahrhaft Vortreffliche dran: 
das Schlechte und Mittelmäfige aber mit entfchietenem Haſſe verwarfen, 
fie audy in jugendlihem Seuer oder in wohlgemeintem Scherze bisweilen zu 
yegangen fein foliten, wie 3.3. in jenen Buͤcheranzeigen des „Athenaͤums“ 
nterfchieden, wie oben ſchon angedeutet ift, die Grenzen der antiken und ros 
ſchen Kunft und die einzelnen Dichtungeformen genau, drangen mehr auf 
deale und auf bie Dbjectivität der Darftelung und machten in diefer Hinficht 
höhe aufmerkfam, deffen gruͤndlicheres Studium fie wirklich singeleitet haben. 
tieben fie durch ihr reges Leben in einer reichern Welt, ſowie durch den ſchnel⸗ 
ntaufch ihrer Ideen von aller Pedanterei und geiftigen Faͤulniß frei, welches 
elehrten nicht immer der Fall iſt. Worzüglich ift e8 A. W. Schl., welcher 
ms großen Sinne und Umfange Vermittler der deutfchen und auslündifchen 
tur geworden ift. Die gegenfeitigen Werhättniffe der beiden Brüder find am 
unteſten ausgefprochen in A. IB. Schlegel's „Gedichten“, 1. Th. ©. 216, 
dr. Schlegel's „Gedichten“, &.369. Sie lebten ſtets harmoniſch mit ein- 
, wenn ſie auch ihre Anſichten nicht immer theilten. Auf ihr gegenwaͤrtiges 
litniß wirft Die Ichte Broſchuͤre A. W. Schl.'s einiges Licht. über eine ge: 
Einſeitigkeit in der Liebe zum Mittelalter, über ihre Polemit gegen franz. Poe: 
vie über manches Andre, bat fich die edle Freundin der beiden Brüber, bie 
v. Staël, befonders im 3. Thle. ihres Werks über Deutfchland erklärt. Bei 
len Verdienſten fönnen fie eben nicht fo firenge für das Unheil verantwortlich 
ht werden, welches bald nad) ihrem Auftreien in der deutſchen Literatur 
einem Gefpenft umberging. E8 wurden zwar in manchen jungen Gemüt: 
herrliche Kräfte geweckt; es ift aber auch nicht au leugnen, daß bei vielen 
Anhänger die Form vorwaltete, daß oft ein lofed Spiel mit dem Heiligen 


® 


zu fein. 


7190 EEchleiermacher 
getrieben wurde, und daß Manche den Thyrſus ſchwangen, cha 


Schleiermacher (Friedrich Daniel Ernft), einer unferer geld 
geiftreichften Theologen und Philologen. Geb. zu Breslau 1768, emp 
Schulbildung auf dem Pädagogium der Brüdergemeinde in Niedky, 
in dem Seminarlum bderfelben in Barby das theologifche Studium an 
1787 auf ein Mitglied dieſer Gemeinde zu fein und bezog die Uni 
wo er feine Studien unter Nöffelt und Knapp fortfegte, dabei audy E 


: Wolf hörte. Nach zuruͤckgelegten Univerfitätsjahren mar er Erzieher b 


fen Dohna auf Finkenftein in Preußen, und trat fodann zu Berlin in da 
terfeminarium unter Gedike's Leitung. 1794 ward er zum Prebigtamt 
zuerst Hülfsprediger in Landsberg a. d. Warte, dann von 1796 — 18 
am Charitehaufe zu Berlin. Hier trat er zuerft ald Schriftſteller auf, 
der jegige Biſchof Sad einen Theil der Überf. des legten Bdos. der Blal 
digten übertrug. Dann überf. er auf deffen Anrathen Fawcet's Predig 
nahm hierauf Antheil an dem von A. W. und Fr. Schlegel Herausgeg. . 
und ſchrieb die herrlichen, durch Kübnheit der Gedanken und ben S 
Vortrags ausgezeichneten „Reben über die Religion” und die „„DRonol 
noch bei Belegenheit des Senbfchreibens jüdifcher Hausväter an Te 
eines Prediger außerhalb Berlin‘. Im diefen Jahren wurde zwifd 
Fr. Schlegel eine gemeinfchaftliche Überf. des Platon verabredet, die er 
unternahm. Won berfelben find, aus Schuld feiner wechfelnben Lage 
ten überhaupt, von 1804 bis jegt erſt 9 Bde. erfchienen. Die „Rep 
maͤus⸗, „Kritias“, die „Geſetze und Briefe” und eine verfprocdhene € 
des Platon und feiner Philofophie find noch zu erwarten. Diefe 2 
unftreitig zu den wichtigſten und fruchtbarften,, die über den Platon u 
worden, da wol fchwerlic, unter den Meuern irgend einer tiefer in der 


‘ lichen und unergrändlichen Geift des Philofophen eingedrungen 


Noch 1802 gab Sch. die erfle Sammlung feiner Predigten heraus 
2 andre allmälig gefolgt find. Einige Predigten, groͤßtentheils bei be 
anlaffungen, find außerdem einzeln gedruckt. Alle diefe Reden find‘ 
klaren, gediegenen, eindringenden Vortrags, wiewol nicht zu leugnen 
minder an das Gefühl als an das Denkvermögen der Zuhörer wenden 
legtern Gattung der Erbauungsrede ift Scht. Meifter, aber auch den e 
wegs fremd. In demf. 3. ging er als Hofprediger nach Stolpe, wo 
der Sittenlehre'"und bie „Zwei unvorgreiflichen Gutachten in Sachen ! 
tifhen Kirchenweſens“ verfaßte, leptere ohne feinen Ramen. Einen Rı 
verſitaͤt Würzburg lehnte er, nad) dem Wunſche der Regierung, ab u 
in demf. J. als Univerfitätsprediger und auferorbentl. Prof. der 2 
Philoſophie nah Halle berufen. Der Univerfitätögottesdienft kam jedı 
kurz vor dem Kriege zu Stande, der die Univerfität auf eine Zeitlan 
unterbrach. In diefen 2 J. hatte er theologifche Encyklopaͤdie, Ereye 
matik gelefen, auch philofophifche Sittenlehre vorgetragen. Er ging 1: 
auf einen Sommer, nady Berlin zuruͤck, begab fid) dann, ale Halle ab: 
den, ganz dahin und hielt Vorlefungen vor einem gemifchten Public 
nahm er, ald wahrer Patriot, den lebhafteften Antheil an den politifi 
nijfen, unter welchen fein Vaterland fchmachtete, und fprady unaufhi 
Kaniel in dem berrlichften Sinne für König und Vaterland, mit einem 
Trotze, ber felbft inmitten der Banonnette Davouſt's unerſchuͤtterlich b 
fer Zeit erfchienen auch feine Heine Schrift: „Über Univerfitäten”‘, dab, 
ben über den erften Brief an den Timotheus“ und der Auffag übe 
MWolffcen ‚Mufeum der Altecthumataiteniiiantten‘  unb Eeüher „Die! 


Schleifen Schleißheim 791 


”. 1809 ward er Prediger an ber Dreifaltigkeitskicche zu Berlin und verheirn: 
ſich. Als 1810 die neue Univerfität eröffnet wurde, trat er bei felbiger ale or: 
Icher Prof. auf, wie er es auch zuletzt in Halle ſchon geweſen mar. Wol möchte der 
abi der ihm angemeffenfte Wirkungskreis fein. Hier zeigt fich feine Beredtfam: 
och glänzender als auf der Kanıel. Im großen zufammenhängenden Redebau, 
Kunft von der fliegenden Anmuth eines freien Vortrags belebt wird, faßt er die 
wigften und reichhaltigften Gegenſtaͤnde der Wiffenfchaften mit Scharffinn 
Larheit zufammen und verfolgt fie auf das Einzeinfte mit heller Ordnung und 
eheit. 1811 ward er Mitglied der Akademie der Wiſſenſch. und 1314 Ses 
der philofophifchen Claſſe, bei welcher Gelegenheit er von dem Antheil, den 
1810 an ben Arbeiten in ber Abtheilung für den öffentl. Unterricht im Minis 
er des Innern gehabt hatte, wieder freigefprochen ward. Seit 1811 kommen 
„Denkſchriften der Akademie” mehre Abhandlungen, befonders die Geſchichte 
Een Philoſophie (3. B. Anarimander, Diogenes von Apellonin, Sokrates) 
end, von ihm vor. Auch fällt in diefe Zeit noch feine „„Darftellung des theolo⸗ 
x Studiums". Bon Vielen wird ihm, mit welchem Rechte, ſteht dahin, das 
erünfchimgsfchreiben an die zur Verbefferung der Liturgie niedergefeute Com⸗ 
er zugefchrieben. Unverkennbar herrtſcht darin diefelbe platonifche Dialektik, 
der Schrift gegen Schmalz (f. d.) ebenfo bewundernswuͤrdig als graufam 
zit. Zuletzt hat er in Beziehung auf Harms 99 Thefen gegen den Oberhofpre⸗ 
». Ammon gefchrieben Die Schrift über „Religion u. Mythologie“ iſt feiner 
Adlichen Erklärung nach nicht von ihm. Sein letztes Werk ift die „Chriſtliche 
Senslehre“, welche nichften® in einer 2. Ausg. erfcheinen wird, fomie auch bald 
Überf . des Platon vollendet herauskommen foll. 
Schleifen heißt in der Muſik, 2 oder mehr unmittelbar nacheinanderfols 
*Toͤne unabgefegt vortragen. Dies gefchieht beim Gefange und bei den Blas⸗ 
Bnenten mit einem fanften und ununterbrochenen Athemzuge, bei den Bogen» 
Bnenten mit einem einzigen fortlaufenden Bogenftrich, bei den Claviaturinſtru⸗ 
mn durch einen fanften Drud der Singer, durch das Verweilen derfelben auf 
aſten und durch einen siehenben Übergang derfelben von einer Zafte sur andern. 
Bezeichnung des Schleifens ift ein bogenförmiger Strich, welcher alle zu 
rende Noten umfaßte — Schleifer, ein deutfcher Nationaltanz, deffen Cha⸗ 
huͤpfende Freude ift. Er ift im Dreiachteltaßt gefegt und beſteht auß 2 Me: 
;von 8 Zalten. 
Schleißheim, ein koͤnigl. Luſtſchloß 3 Stunden von Minden, zu dem 
auch zu Waffer gelangen kann, befteht auß einer Altern Anlage , die von Wil: 
V. herſtammt, jest in einen Wirthfchaftshof verwandelt, und einem prädti- 
Schloffe, mit fehr ausgedehnten Lufthainen, die Marimilian Emanuel in der 
an unfruchtbaren Gegend ausführen ließ, um thätige Menfchen herbeiruziehen. 
Plan des aroßen Schloſſes iſt von ital. Baumeiftern in dem Üüberziertem neuital. 
entworfen, deſſen Kleinlichkeit aber bei der Ausdehnung des Gebäudes weni: 
6 Auge fäut. Die Abſicht Mar. Emanuels, der Umgegend durch diefen Bau 
heifen, fchlug fehl. Der Ort blich eine große Einſiedelei, die vermittert, ehe fie 
soliendet ift. Noch fehlt die große Marmortreppe, die ausgebaut eine der präch: 
s in Europa geworden waͤre. Durch hölzerne werden die Marmorſtufen er: 
welche ausgearbeitet in dem Baufchuppen liegen; dody fcheint die fchnelle Ver: 
ıng des Stein die einftige Ausführung felbft gu widerrather. Eine Samm⸗ 
von Gemälden, welche Kurfürft Ferdinand Maria durch den Maler Zriva, 
Echüler Guercino's, sufammengebradht hatte, mar f[hon feit Mar. Emanuel 
merer Schmud in den geräumigen Sälen von Schleißheim aufgeftellt morben. 
n Muͤnchen der Schag der Gemälde fo bedeutend anwuchs, daß zu ihrer Auf: 
ng der Raum zu beengt war, befchloß der großfinnige Kunkfund , Kein, 


792 Schleſien 


Marximilian Joſeph, Schleißheim zu einem Muſeum zu erheben, wie 
andres Land eines ähnlichen ruͤhmen kann. Man burfte in München | 
thum an alten Gemälden aller Schulen ımd jener Periode, welche 
vorausging, am eine Sammlung denken, die gefchichtlich angeorbnet, 
Kunft und ihrer Entwidelung von den erften unbeholfenen Anfängen ar 
ften Gebrauche aller Kunftmittel, die Fortſchritte und Stillſtaͤnde, die 
gelungenen Beftrebungen anfchaulich vor Augen legte. Zur Aufnahme 
lung ward Schleißheim beflimmt und dem verfl. Dir. v. Mannlich di 
diefer Idee übertragen. Wie viel durch eine Örtliche Zufammenftelt 
werde, um bie Bewegungen bed Kunfigeiftes in den Werken, bie er 
die Seele zu bringen, braucht feiner Erklärung; doch wuͤrde es zu vie 
wenn man tco& aller Fuͤlle (mehr als 2000 der verfchiedenartigften K 
bier ausgeſtellt ift, eine luͤckenloſe Folge aller befannt „gewordenen 
ſuchen wollte. Die Sammlung führt bie gefchichtliche Anordnung 
wo nicht Local und Licht zu Abweichungen nöthigten. Da fie fort: 
Münden neuen Zuwachs erhält, fo darf fie nicht als abgefchloffen ı 
den; zu ihrem Deile, denn Sammlungen unbeweglidy machen heiät f 
herabfegen. Nirgends fo fehr wie in Schleigheim möchte es möglich 
nigkeit der alten Meifter in ihrer Farbenpracht durch Vergleichung ker 
Bilder von Joh. v. Eyk, von jenem alten Meiſter, deffen Malerzeich 
Schön, bald Mart. Schoͤnhawer gelefen wird, von Wohlgemuth, Arc 
lich die Enthauptung der Heil. Katharina und die Ehebrecherin), vc 
Holbein begegnen hier dem Beſchauer günftig aufgeftelit und forg! 
Zu den berühmteften Zierden diefer reichen Galerien gehört das jüngf 
Rubens, das Kunſtfreunden durch einen Kupferflich des Prof. Hei 
. Andenken ift, obgleich keine verkleinerte Darftellung eine Ahnung v 
kann, mas das ungewöhnlich ebel gezeichnete Bild, mit Rubens ſchen 
in feinen großen Verhältniffen ſelbſt iſt. Vormals in Düffeldorf, ı 
bier aufgeftellt werben, weil fein Saal in München hoch genug war 
men. Außer dieſem Rieſenbilde befigt Schleißheim in der Gapelle der 
zweites, die Kreuzigung von Zintoretto (einft in der Auguſtinerkirche 
welches für das größte bekannte Staffeleigemälde gilt. Kreunden n 
fher Darftellungen werden die Bilder von Breughel, von Mieri 
Jagdſtuͤcke von Joh. Bapt. Weenir, die einft im Schloffe zu Ben 
als Tapeten angebracht waren, zufagendern Genuß geben. Dody Nie 
Säle verlaffen, ohne Guido Reni's Söttin des Gluͤcks, welcher der 
feine Huldigung zu bringen. Das Bild wird von Kennern feiner W 
der Sala Borgia zu Rom vorgezogen, die einft in Paris fo allgem 
wurde. 1827 wurbe die vom König Ludwig von Bniern erfaufte Be 
Semäldefammlung (f.d.) in Scleißheim aufgeftellt. — Mod, 
Ganalführung zu Schleißheim merkwürdig. In dem Hofgarten zu ' 
manches Seltene den Pomologen und den Botaniker Überrafchen. 
Schleißheim durch die Errichtung einer in ihrer Art einzigen landwi 
Lehranftalt einen neuen Zuwachs an ſehenswerthen Gegenftänden. | 
ſelbſt die Zöglinge, nach Maßgabe ihrer Bildung und ihres künftigen 
Glaffen, von Knechte bis zum bloß befehlenden Güterbefiger vertl 
throretifch und praßtifch unterrichtet. Diefe mit allen nöthigen San 
Huͤlfsmitteln verfehene Anftalt zählte 1823 47 Zöglinge, die nad! 
nen Gtaffen nur 100 — 300 Gldn. jührlid) entrichten. Die Regien 
feinen Zufchuß; fo fparfam und zweckmaͤßig wird das Ganze vermalt 
Schlefien, ein ehemals zu Böhmen gehoͤriges Herzogthum 
theils zu dern preugiichen,, theik® zu ren rein. Staate gehört und 


Schleſien (preuß. Prov.) 793 


d Nieberfchlefien,, politifdy aber in Preußiſch⸗ und Öftreichifch « Echles 
Niederfchlefien begreift die Fuͤrſtenthuͤmer Breslau, Brieg, Schweid⸗ 
kiegnitz, Wohlau, Glogau, Carolath, Münfterberg, Sagan, Dis und 
‚ die Standesherrſchaften Militſch, Wartenberg und Gofchüg und die 
haften Neuſchloß, Freihan und Sublau, und ift ganz preubifch ; Obers 
:eift die Fuͤrſtenthuͤmer Oppeln, Ratibor, Neiße, Troppau, Jaͤgern⸗ 
‚und Bielis, die Standeeherrfchaften Pleß und Beuthen und die Min⸗ 
en Loslau, Oberberg, Freiftadt, Freudenthal, Friedeck, Deutfchleus 
nwaldau und Ron, movon die an dem rechten Ufer ber Oppa liegenden 
Troppau und Zägerndorf ‚ ber Keine füdl, Theil von Neiße, ein Theil 
g und ganz Teſchen, Bielig, Freudenthal, Freiſtadt, Sriebed, Deutſch⸗ 
ihenwaldau und Roy oͤſtreichiſch find, das übrige preugifch ift. Auch 
die Sraffchaft Blag zu dem preuß. Schlefien. Seit der neuen Eintheis 
us. Staates iſt der Umfang des preuß. Schlefiend verändert worden, 
‚rmalige fchwiebufer Kreis des Kürftentb. Glogau zur Prov. Branden⸗ 
ien, und nebſt Glag auch ein Bleiner Theil der Neumark und der durch 
Songrefacte 1815 an Preußen abgetretene Theil der Oberlaufig (mit 
ver Herrſchaft Hoyerswerda und der weſtlich von derfelben gelegenen 
mit dem preuß. Schlefien vereinigt worden find und nun die Prov. 
Iben. — Die preuß. Provinz Sch lefien grenzt, nad) jenem Um⸗ 
DM., 2,100,000 &.) und nad) ber neuern Eintheilung des preuß. 
en D. an die Prov. Polen, das Königreich Polen und den Freiſtaat 
jen ©. an das oͤſtreich. Schlefin, Mähren und Böhmen; gegen W. 
Sachſen und Brandenburg, und gegen N. an Brandenburg und Pos 
ien ift die wichtigfte Prov. des preuß. Staats, weiche -; der gungen 
enthält und über 4 zu den Bedürfniffn des Stants beiträgt. Der 
idl. Theil des Landes ift gebirgig, weil bier Lie Sudeten mit ihren Abs 
liegen. Der Gebirgszug, welcher am Queis anfängt und bie an die 
zlatz hinzeicht, heißt das Iſer-⸗ und Riefengebirge (f.d.), welches 
‚n Böhmen trennt. Den oͤſtl. Arm der Sudeten bildet das mährifche 
elches durch Glatz und den füdl. Theil Schlefien® zieht und ſich bei Ja⸗ 
n im Öftreich. Schlefien) dem karpatbifchen Gebirge anſchließt. Gegen 
g und Pofen zu ift das Land ohne Gebirge und eben, aber zum Theil 
umpfig, doch zum Aderbau durchaus brauchbar. Der Hauptjluß ift die 
), welche aus dem Öftreich. Schlefien in das Land tritt, dafeibft ſchiffbar 
ganzen Länge nach durchfließt, an beiden Seiten viele Fluͤſſe (befonders 
teiße, Ohlau, Bartſch, die in der Kriegsgeſchichte von 1813 fo berühmt 
abbach und den Bober mit dem Queis) aufnimmt und von der groͤß⸗ 
seit für den Handel Schlefiens ift. Die ſuͤdoͤſti. Grenze berührt die hier 
utende Weichfel. — Es iſt im Ganzen genommen ein fehr fruchtbares 
an Getreide jeder Art, ale Weisen, Roggen, Gerſte, Dafer, Spels, 
en, Linſen, Heidekorn und Bohnen. Die beften Gartengewaͤchſe baut 
reslau, Brieg, Liegnig und Neiße. Das Dbft bei Niederbeuchen und 
iſt das vorzüglichfte. Der fhlefifche Wein, beionders der an legterm 
nde, ift, menn er einige Jahre gelegen hat, fehr gut. Aus dert ſchlech⸗ 
ird Efjig gemacht. In den gebirgigen Gegenden, wo der Boden fich 
: (Hetreides und Gartenbau eignet, ift er dody mit Hol; bewachſen, oder 
Jeiden und Wieſen. Flachs wird in großer Menge gebaut, und iſt ein 
der Kabriken und des Handels. Hanf hat man nicht fo viel, wie ver- 
'; aber der Handel ind Ausland mit Kärberröthe, deren Anbau bier von 
cl. Kaufmann im 16. Jahrh. eingeführt ward, iſt deſto beträchtlicher. 
viel Hopfen, befonders in der Gegend von Münfterherg, grhant um 


794 Schlefien (preuß. Prov.) 


ausgeführt. Scharte, ein Färbekraut, fammelt man in mehren Gegm 
meife ein. Der Tabacksbau ift feit einigen Jahren gleichfalls fehr in Auf 
tommen. Das Holz nimmt freilich auf dem platten Lande ab, indeſſen 
noch aus den Fichten, Tannen und Kiefern viel Holz, Theer umd Pech 
den Lerchenbäumen Terpenthin und Kienruß verfertigt und ausgeführt. 

und Pferdezucht reichen nicht zu den VBebürfniffen des Landes hin. D 
Schlachtvieh kommt aus Polen und Ungam. Die inlaͤnd. Schafzucht 
und die Wolle der fchlefifchen Schafe wird fehr geruͤhmt und gehört zut 
Sorten, welche die Provinzen bes preuß. Staates liefern. Die feinfte un 
um DIE und Namblau. Ziegen gibt es vielim Gebirge, und bie Bir 
befonders in der Herrſchaft Muskau und in Oberfchlefien wichtig. W 
Fiſche find reichlich, vorhanden. Das Mineral: und Steinreich iſt ole 
ergiebig an Eifen, Kupfer, Blei, etwas Silber, Arfenit, Galmei, Vitri 
fel, Steintohlen an vielen Orten, Kalt, Gyps, Mergel, Marmor, Schü 
und Schleiffteinen, Jaspis, Agat, Topaſen, Kamiolen, Onyr, Ameth 
neralmaffer find befonders zu Warmbrunn, Flinsberg, Reinerz, Landeck 
Charlottenbrunn ıc. Die Leinwandmanufacturen und die bazu gehörig 
reien und Bleichen find fehr berühmt. Sie lieferten 1805 für 104 
Waaren, und der Ertrag der Baumwollen: und Wollenmanufacturen 
derbereitungen flieg beinahe ebenfo hoch. Man webt Leinwand von v 
Güte und Breite. Feine Leinwand wird befonders in Greifenberg und 
gegend verfertigt. Das die fchlefifche Leinwand fo berühmte ift, verdanl 
fachlich den eingeführten Schauanftalten, die alle gewebte Leinwand pruͤ 
Unter den Metallfabriten find nur bie in Eifen von Bedeutung. Auch 
piers, Tabacks⸗ Fayence⸗ und Icdengefchirrfabriten. Die vorsüglichfte 
artikel find Garn, Leinwand, Tuch, Baummollenwaaren und Krapp. 
fuhr überfteigt im Allgemeinen die Einfuhr. — Schlefien ift in Z Re 
zirke, Breslau, Liegnig und Oppeln, getheilt. Die hoͤchſte Berichtöpfli 
die koͤnigl. Oberlandesgerichte zu Breslau, Liegnis und Ratibor. Ein: 
der oben genannten Fürftenthliimer, Standes: und Minderherrfchaft 
mittelbaren Sürften, Standes: und Minderherren befeffen, die zwar 
auch ihre eignen Regierungen und Juſtizkanzleien, aber eine Ianbeshe 
haben und ber Aufficht der k. Oberlandescollegien untergeorbnet find. — 
fien Einw. find Lutheraner und Katholiken. Doch iff auch andern gottel 
Parteien, Huffiten, Reformirten , griech. Chriften, Herrnhutern, Sch 
und Juden die freie Übung ihrer Religion geftattet. Die Katholiken flı 
henfahen unter dem Bifchof von Breslau, ber zugleich Fürft von N 
ſolcher, wegen der beftehenden Theilung diefes Zürftenthums , auch oͤſtr 
tban ift. Die geiftlichen Sachen der Eutheraner werden von ben In je 
rungsbezirk beflehenden Kirchen: und Schulcommiffionen, und in le 
von dem Gonfiftorium zu Breslau beforgt. Zu Breslau, der Hauptf 
Schlefien, ift eine Univerfität, womit 1811 die proteft. Univerfität zı 
vereinigt worden iſt, fodaß fie jest 2 theologifche Facultäten, eine für die 
ten und eine für die Katholiken, hat. Gymnaſien und andre gelehr 
find zu Breslau, DIE, Brieg, Glogau, Hirfchberg, Jauer, Liegnitz (die 
demie ift in eine Erziehungs und Lehranftalt für die gebildeten Geh 
fchaffen), Schweitnig, Görlis, Lauban, Blag, Oppeln, Leobſchuͤt un 
Juͤdiſche gelehrte Schulen find zu Breslau und Glogau, und zu Ri 
die Herenhuter ein alademifches Collegium, das in Ruͤckſicht der ZI 
Stelle der Univerfität vertritt. Überhaupt wird ſowol auf dem Lande 

Städten für den Effentlihen Unterricht auf das befte geforgt; auch bat 
befonders in Frühen Zeiten , vorualiie Wien ont Gelehrte bern 


Schlefien (oͤſtreich. — Geſchichte) 795 
4 König von Preußen bat aus feinem Schleſien jährlich 3 Miu. Thlr. 
ıfte 


Inter Öftreihifh = Schlefien verfteht man denjenigen Theil, wel⸗ 
rn bubertöburger Frieden 1763 dem Haufe Öftreich verblieb. Er grenzt an 
iſch⸗Schleſien, Galizien, Ungarn und Mähren; feine Beftandtheile find 
enannt. Das Sanze ift feit 1784 in den troppauer und tefchener Kreis eins 
t, und zu Mähren, unter dem Gubernium zu Brünn, gefhlagen. Auf 
M. enthält es 27 Städte, 4 Marktfl., 646 Dörf. und 350,000 Einw. Nach 
uf dem deutſchen Bundestag Üübergebenen Etat hat das oͤſtreich. Schlefien 
00 Eimm., meil die galisifchen Diftricte Zator und Auſchwitz (zufammen 
zjogth. von 874 DM , 335,000 Einw.) als ehemalige böhmifche Lehen mit 
blefien gerechnet werben. - Das Land ift fehr gebirgig, denn im D. find die 
ehen und im W. das mährifche Gebirge, eine Abzweigung der Sudeten ; das 
ift jedoch gemäßigt, nur im Oſten rauh und kalt. Der größere füdlicdye Theil 
chener Kreiſes ift wegen f. fteinigen Bodens wenig fruchtbar, mehr jedoch im 
wer Kreife, wo auch der Garten: und Obſtbau blühender if. Die Einw., 
durch mühfamere Bearbeitung und beffere Düngung den Ertrag ihrer Acker⸗ 
zus erhöhen fuchen, treiben außer dem Getreide:, Obſt⸗ und Gartenbau aud) 
r Flahyebau. Die Waldungen find anſehnlich, befonders von Nadelholz. 
indvieh⸗ und Pferdezucht koͤnnte bebeutender fein, das Schlachtvieh zieht man 
rgarn und Galizien. Schaf: und Bienensucht find nicht unwichtig. Es wer: 
fen s und Steinkohlenbergwerke bearbeitet. Die Einmw. find theils deutfcher, 
flawiſcher Abkunft und zeichnen ſich durch Gewerbfleiß aus, indem fie beſon⸗ 
pichtige Tuch⸗ und Wollenzeuchfabriken unterhalten und viel Leinwand. ver: 
m. Der Handel mit Landes» und Kabrikerzeugniffen, ſowie der Commiſ⸗ 
Band Tranfitohandel gewähren dem Lande viele Vortheile. Die berichende 
Kom ift die katholiſche, ‚aber bie Proteftanten haben auch öffentliche Religione> 
= Die politifchen Angelegenheiten des Landes beſorgt das Gubernium zu 
rin Mähren. Gymnaſien findet man zu Troppau, Tefchen und Weißwaffer. 
In ältern Zeiten wurde dieſes Land von den Engiern und Quaden bewohnt, 
im 6. Jahrh. durch die Slawen verdrängt wurden, wodurch Schlefien an 
kam. Der Namen Schiefien entfland aus dem ſlawoniſchen Worte Zle, wo⸗ 
BR Polen den Begriff des Worts Quade (böfe) bezeichneten. Unter polnifcher 
Haft wurde auch polnifhe Sprache und Sitten, welche noch in mehren Ge⸗ 
m Schleſiens fortbeftehen,, und die hriftliche Religion eingeführt. Zur Bes 
Eng der legten warb 966 zu Schmoger ein Bisthum errichtet, welches end⸗ 
nd) Breslau verlegt vourde. Als der polnifche Megent Boleslaus III. f. Laͤn⸗ 
38 unter f. Söhne theilte, bekam der aͤlteſte, Wladislav oder Uladislaus, 
andern Landfchaften auch Schlefien und den vornehmften Antheil an der 
zung. Er wurde aber von f. Brüdern, denen er ihren Antheil nehmen wollte, 
Bolen verjagt, und f. Bruder Boleslaus III., der ſich feiner Ränder bemaͤch⸗ 
utte, trat mit Zuflimmung f. Brüder Wladislavs II. Söhnen, nämlich dem 
Map, mit dem Zunamen der Hohe, oder Altus, Miciblav und Konrad, Schles 
IG3 ab. Diefe3 Brüder, welche ſich in das Land theilten, wurden die Stamm» 
Bee ſchleſiſchen Herzoge aus dem piaftifhen Geſchlechte. Die zahlteichen Nach⸗ 
a dieſer 3 Herzoge theilten fich wieder in ihre väterlichen Kandesantheile; das 
en bie vielen Beinen Sürftenthümer, aus denen Schleſien beiteht; doch 
, befonders in Dberfchlefien, auch noch Fürften Dttokarifch : Böhmifchen 
ums, von einem natürlichen Sohne Königs Ottokar (fl. 1278), nainentlich 
ergoge zu Zroppau, Jaͤgerndorf und Ratibor. Johann, König von Böhmen, 
»da6 durch diefe Theilungen, durch die Uneinigkeit feiner Megenten und durch 
Urſachen geſchwaͤchte Schlefien umter f. Scepter zu bringen, und von ARYI 


796 Schleſiſche Dichter Schleswig 


an trugen auch wirklich alle fchlefifche Herzoge (2 ausgenommen) ihm Ihre! 
Vorbehalt der anfehn!ichften fuͤrſtl. Hoheitsrechte, zu Lehen auf. Selm 
Nachfolger, Kaifer Kari IV., erhielt durch f. Gemahlin, Anna, bas E 
in den beiden noch übrigen Fuͤrſtenthuͤmern Sauer und Schweidaig u 
1355 ganz Schiefien der Krone Böhmen ein. Die Könige von Polen lei 
und 1338, nachher wieder 1356 und 1372 auf Schleſien Verzicht. 
böhmifchen Herrfchaft breiteten fi hier Huß's, Luther's, Calvin’ un 
feld's Lehren aus, und die Anhänger derfelben erhielten zum Theil Freih 
übung ihres Gottesdienftes. Das Ober: und Fürftenrecht (supremı 
prineipum atque ordinum), welches König Wladislav 1498 den H 
Ständen ertheilte, verband die Herzogthuͤmer zwar näher mit einande 
Lestern Macht ward immer mehr geſchwaͤcht, forwie bie Gewalt der Di 
nahm, und die piaftifhen Herzoge ausſtarben, beren Lande theils der. 
men unmittelbar unterworfen, theild andern Fuͤrſten, aber mit weit: 
fhräntungen, zu Zehn gegeben wurden. Mit den polnifchen Regenta 
den auch größtentheild polnifche Sitten und Gebräuche; Alles ward a 
Fuß geftellt, und Handel und Gewerbe, Künfte und Wiffenfchaften fü 
zublühen. Mod) höher aber würde ſchon in frühern Zeiten der Flor de 
fliegen fein, wenn nicht die Proteftanten während der oͤſtr. Derrfchaf 
druͤckt worden wären. Gchlefien ward zwar, feit feiner Vereinigung n 
zu Deutſchland gerechnet, hat aber nie in unmittelbarer Verbindung m 
fhen Reiche geftanden und iſt nie, wie bie übrigen deutfchen Staaten, 
lehn gewefen. Beſonders haben die Könige von Preußen biefes Land ı 
freies und unabhängiges Beſitzthum angefehen und ſich baher auch foı 
oberfte Herzoge von Schlefien genannt. Über die neuere Gefchichte ' 
Friedrich Wilhelm (d. große Kurf.), Friedrich II., Fried 
helm II., Preußen, Deutſches Reich und Thereſia (Mar 
Schleſiſche Dichter, ſ. Deutſche Poeſie, III. 
Schleswig, daͤniſches Herzogthum (1634IIM., 323,000 € 
14. Mfl., 1500 Doͤrf.), macht den ſuͤdlichen Theil von Juͤtland aus. 
gegen Mitternacht an Norbjütland, gegen Mittag an das Herzogth 
(von dem es durch die Eider und den kieler Kanal getrennt wird), gegı 
das deutfche Meer und gegen Morgen an den Kleinen Bel. Das! 
eben und flach. Auf der Weftküfte liegen niedrige und fette Marfchländ 
Damme foryfältig gegen das Eindringen der Meereswellen geſchuͤtzt we 
befonders gegen die Spring: ober Sturmfluten, bie oft bi6 13 Zuß 
Durch die Mitte des Landes zieht fich eine fandige Heide mit Torfmot 
feind hin. Die Oftküfte ift nicht fo niedrig als die Weſtkuͤſte, ober au 
ber fruchtbar und ergiebig. Berge find gar nicht vorhanden, fonden 
und Anhöben. Das Klima it im Ganzen gemäfigt und gefund, nur: 
füfte feuchter und weniger gefund. Da® Land iſt reich an Getreide, ' 
jährlich an 150,000 Zonnen ausgeführt werden; an Rindvieh, wen 
gleichfalls ein großer Handel getrieben wird, fondern welches auch But 
zur Ausfuhr liefert; an Pferden, von denen jährlid) über 3000 Stuͤck na 
lande hin verkauft werden. Auch wird mit Fiſchen ein bedeutender Hant 
Aber an Bau: und Brennholz ift Mangel. Die Einw , welche fi jur 
Kirche bekennen, find theils vom beutfchen, theild vom friefifchen % 
ud reden meijtens plattdeutjch ; boch hört man auch bier und da bänif 
nähren ſich buuptfählih vom Ackerbau, Viehzucht und Fifcherei. * 
nur in den zögern Städten und von geringer Bedeutung, am beiräb 
Spisen : und Wollenſtrumpffabriken. — Schleswig war von jeher ein fl 
Dänemarks , und die Behauptung, op et un beutiches Reichslehn gem 


Schleuſe 797 


ſtoriſch erwleſen. Dagegen aber hat das Land faſt immer den nachgeborenen 
nn Prinzen als Apanage gedient, und verſchiedentlich zu Famillenſtreitigkei⸗ 
fonderheit über die Frage, ob der Befig deſſelben erhlich oder perſoͤnlich fei, 
zegeben. Erſt feit 1720 ift Dänemark im unbeftrittenen Beſitze Schles⸗ 
doch find die Anſpruͤche des Hauſes Holftein erſt durch den Vertrag von 
Öllig ausgeglichen worden. Übrigens fteht das Land noch in gewiffer Ver: 
mit Holfteln,, wird mit demfelben durch einen gemeinſchaftlichen koͤnigl. 
alter nach gleichen Gefegen regiert, und die Streitigkeiten der Unterthanen 
‚ande werden nach einerlei Rechten beurtheilt und gefchlichtet. Die Hauptſt. 
b wig liegt an der Schley, befteht aus der Altſtadt, dem Lollfuß und dem 
hsberg und hat 1280 meifl gut gebaute H. mit ungefähr 7000 Einw., ohne 
litair. Das Rathhaus zeichnet ſich aus. Auch ift der Dom fehensmerth. 
aehren milden Stiftumgen find das graue Kloſter, das Waiſenhaus und 
haus die vorzuͤglichſten; deßgleihen eine Taubſtummenanſtalt. Aufdem 
zu dem man über eine Schiffbruͤcke kommt, ift das Johanniskloſter, wor⸗ 
Priorin und I Stiftefräulein wohnen. Von Fabriken befinden fich bier 
wence⸗, eine Segeltudys, eine Strumpf: und eine Battiſtfabrik und eine 
ederei. Die Schifffahrt ift, da die verfandete Schleymuͤndung durch einen 
ahrbar gemacht worden, ziemlich lebhaft. Nahe bei der Stadt liegt das 
Gottorp, auf einer Inſel des Meerbufens Schley, vormals die Refidenz 
zoge von Schleswig: Holftein, jegt der Sig des koͤnigl. Statthalter6 und 
len Behörden von Schleswig und Dolftein. 
Schleufe nennt man einen folhen Bau (von Holz, Erde oder Steinen), 
immt ift, das Wafler eines Sees, Fluſſes u. f. w. aufzuhalten und zu er» 
um es zu beliebiger Zeit fließen laffen zu koͤnnen. &o hat man Schleufen, 
h das Waffer von Kiüffen gehemmt und gefammelt wird, um e6 in größerer 
mm Betriebe der Mühlräder laufen zu laffen; andre Schleufen wieder bies 
m, das Seewaſſer von dem niedrig gelegenen Lande zurüdzuhalten, und das 
‚ wenn es nöthig iſt, unter Waffer zu fegen, wies. B. die Schleufen in 
mu.f.w. Wenn 2 fhiffbare Ströme, von denen ber eine höher als ber 
kegt, zur Beförderung der Schifffahrt durch einen Canal in Verbindung 
ander gebracht find, und ein Theil des höher liegenden Stromwaſſers in den 
ren geleitet worden, ober wenn die Schifffahrt auf dem Strome durch ein» 
e Muͤhlwehre unterbrochen wird, und letztere durch Gandle umgangen wer⸗ 
‚ legt man darin Schleufen an, mittelft deren man an einem Punkt das Wafs 
niedrigern Stroms dem höhern gleich bringen fann. Dieſes Gebäude nun 
in einer von allen Seiten wohl verwahrten Kammer, die fo weit ift, daß 
if gemaͤchlich hindurchkommen kann, und fo lang, daß 2, auch wol 3 
auf eimmal darin legen Binnen. Bei ter Einfahrt ſowol als der Aus⸗ 
oder oberhalb und unterhalb des Canals, ift bie Kammer mit Piorten ober 
Bgein — bei Heinern Schleufen nur mit Stäben — verfehen. Will nun 
hiff ſtromab, oder aus dem höheren Strom in ben niedrigern fahren, fo wer⸗ 
obern Thorfluͤgel geöffnet, und die untern zugelaffen; das Waffer in ber 
fr wird nun duch das zuſtroͤmende anwachſen und fich fo meit erhöhen, bis 
nie dem hoͤhern Stromſpiegel in der Ebene befindet, wo dann das Schiff bes 
einfahren kann. Nachher werden die obern Thorflügel gefchloffen und bie 
öffnet, worauf das Waſſer aus der Schteufe abflieft und bis auf den uns 
efinndlichen Stromfpiegel fällt. Well nım das Schiff zugleich mitgefunten, 
Durch auf den oͤfters mehre Ellen tiefer liegenden Strom gebracht worden 
ann e6 dann ohne Hirderniß die Fahrt weiter fortfegen. Will im Gegen» 
Schiff ſtromauf fahren, ſo laͤuft es in die Kammer der Schleuſe ein; die un⸗ 
»fluͤgel werden geſchloſſen, die obern aber geöffnet. Das zufiimente Wal: 


798 Schlez Schlichtegroll 


fer ſteigt dann in der Kammer fo lange, bi es die Höhe des höher lieg 
ferfpiegel® erreicht hat; das Schiff wird zugleich mit gehoben, unb fa 
den Ganal weiter ſtromauf bis in den Hauptſtrom fahren. 

Schlez (Johann Ferdinand), feit 1800 Infpector umd Ode 
Schlitz, aud) großherz. Kirchenrath, vorher Pfarrer zu Ippesheim in } 
er am 27. Suni 1759 geb. ward, ein helldenkender, gemeinnügiger ı 
Schriftſteller, deſſen zahlreiche Schriften vorzüglich die Bilbung dei 
Jugend und ihrer Rehrer bezwecken. Als Volksfchriftfteller ſuchte er ni 
f. „Landwirthſchaftspredigten“ (1788) und durch f. „Vorleſungen ge 
mer, Aberglauben, Fehler und Mißbraͤuche; in Betftunden dem Lan 
ten" (17786) fondern auch durch: „Fliegende Volksblaͤtter, zur Verbrä 
licher und geſchmackloſer Volkslefereien‘‘ (1.3d.,1797 und 1798) und 
„Der Volksfreund“ (1798— 1800), fowie durch die unterhaltend und- 
ſchrieb. „Geſchichte des Dörfleins ZTraubenheim” (3. A., 1817), „ber 
Hausfreund‘; den „Rhein. Boten”; „Körfter Oswald's Geſpraͤche 
freunden” (1812) und a. Schriften wahre Volksaufklaͤrung zu befoͤrder 
fchligifche Gefangbud, ward von ihm (1814, 3. X.) herausgegeben, 
fchon früher (1797) in f. „Beitraͤg. zu einer gründlichen Verbefferumg | 
tifchen Liturgie’ auch über ben religiöfen Befang f. Gedanken vorge 
Die Jugend verdankt ihm, außer dem befonders für Franken beaı 
Rochow'ſchen „Kinderfreund” (3. A., 1795), nicht nur mehre Lehrbuͤch 
fibel zur Befoͤrderung der Lautmethode (1810), „Abcſchuͤler und A 
große Wandfibel”’ (1825), „Leitfaden zum erften Unterricht in ber chril 
(1795) und in der Naturgefchichte (1797), „Briefmufter für das 
ben, befonders für Buͤrgerſchulen“ (6. A., 1820) und in dem „Den 
A., 1822) ein fehr zweckmaͤßiges Lehrbuch zum Unterrichte in gemeinnuͤ 
niffen ; fondern auch lehrreiche und unterhaltende Lefebücher: „Para! 
und „Kinderdeclamationen (1821) und a. Schriften. Auch gab « 
Steinbeck eineneue ‚Sugendzeitung” heraus. Den Volkslehrern fteilt 
Schlaghart und Lorenz Richard” (2 Thle., 3. A., 1813) fomol einen 
er nicht fein fol, als auch das Ideal eines guten Lehrers auf. „Lori 
Unterhaltungen mit f. Schuljugend über Rochow's Kinderfreumd” (17 
und „Handbuch für Volksfchullehrer” (6 Bde. 1815 — 24) geben ni 
tifhe Anleitungen zur Unterrichtöfunft, fondern auch ben nothwendi 
Außerdem lieferte Sch. mehre Beiträge zu Muck's Homilien und ki 
f&hriften. Schl.'s Leben findet man in „Deutfchlands jegt lebenden Bi 
lern‘ (1. Deft, 1795). 

Schlichtegroll (Adolph Heinrich Friedrich), König. bair. Dice 
neralfecretatr der Akad. ber Wiſſenſch., Mitglied vieler gelehrter Geſell 
ter des bair. Civilverbienftordene und bes St.⸗Michael⸗ Hausordens, 
bliothefer, Numismatiter und Gelehrter überhaupt, wie ale Menſch 
bensverhättniffe Höchft ausgezeichneter Dann, ward geb. zu Waltersha 
zogthum Gotha, d. 8. Dec. 1765. Sein Vater, bafelbfi Amt 
fpäter Lehnfecretaie und Hofrath in Gotha, und eine Häuslich Fromm 
zogen Ihn religiös und einfach. Seine claffifche Bildung verdankt Sch.! 
fium zu Gotha. In Jena begann er 1783 nady dem Wunſche f. Batrı 

‚ſtudium; f. Neigung führte ihn aber zur Theologie, und vorzuͤglich x 
Döderlein, Griesbah, Schuͤtz, Eichhorn und Hufeland wirkten am 
wiffenfchaftliche Bildung ein. Später ſtudirte er in Goͤttingen die Alt 
fenfhaften, wo er unter Heyne's Augen die Heine Schrift: „Uber de 
Hercules"! (Gotha 1788), verfaßte. Dann war er faft 14 Jahre ii 
an dem Gynmafium zu Sata, we er nad die Stellen eines Bible 


Schlieffen 799 


ers des Muͤnzcabinets erhielt. Hierdurch kam er in nähere Verbindung mit 
erzog Ernſt II, ber ihm außerdem einen Theil feiner Privatgeſchaͤfte und a. 
ge anvertraute. Mit gluͤcklichem Eifer befoͤrderte er vorzuͤglich die Muͤnz⸗ 
Er ſtand mit den beruͤhmteſten Numismatikern, ſowie mit Heyne, Hee⸗ 
A. im fleißigſten Briefwechſel. Die Wirkſamkeit dieſes vereinigten Strebens 
m die von Schl. 1804 herausgeg. (leider mit dem 1. Hefte d. 2. Bd6. unter⸗ 
ven) „Annalen der Numismatik,“ und f. „Dactyliotheca Stoschiana’' (2 
Nuͤrnb. 1805). 1805 machte er eine Reife nah Senf und Paris, wo er 
hren Mitgliedern des Inftituts näher befannt wurde. Später befuchte er 
nftreiche Dresden. 1806, Eurz vor der Schlacht bei Siena, trug ihm der 
‚Auguft auf, das Münzcabinet und die vorzüglichiten Kleinodien des herzogl. 
zu flüchten. Er brachte Alles gluͤcklich nach Altona und im folg. I. wohl⸗ 
n nach Gotha zurüd. Mit f. alterthuͤmlichen Korfhungen verband Schl. bios 
Ihe Arbeiten, die f. Herz, das fire echte Menſchenbildung rein und kraͤftig 
vorzüglich anzog. Noch jegt nennt man Schl.'s „Nekrolog merkwürbiger 
90 — 1805 verft. Deutfchen‘‘ (Gotha 1791— 1806, 28 Bde.) mit Liebe 
btung. Bald ſuchte das Ausland — Rußland, Berlin, Dresden und das 
Iherer Entwidelung firebende Baiern — den kraftvoll vielthätigen Gelehrten 
weignen. Sch. zog den Ruf nach München vor, wo er im Mai 1807, uns 
a Präfidenten F. H. Jacobi, Generalfecretait der k. Akad. der Wiffenfch., 
zugleich Director der Hofbibliothed wurde und nach Jacobi's Austritt bie 
3 de6 Ganzen allein über fich hatte. Hier wirkte er mit bem reinſten Eifer 
iſſenſchaft und Kunft. Er brachte den Ankauf der Coufinery’fhen Münzs 
ung zu Stande. Er ſchrieb die Jahresberichte der Akademie, mehre Heben 
Bhandlungen. Insbeſondere befchäftigte ihn der Meorganifationsentwurf der 
poerfland vergeblich angefeindeten Akademie. Zugleich, nahm er Theil an dem 
Verein für ältere deutfche Geſchichtskunde und begann mit dem erſten 
ekar Scherer eine period. Schrift: „Teutoburg“, für die Fortbildung 
ieſchichte der deutfchen Sprache; auch legte er ein „Archiv des heiligen Buns 
m. Beide Zeitfchriften hatten feine lange Dauer. Dann fammelte er für 
ſchichte ber Lithographie und gab das Turnirbuch des Herzogs Wilhelm IV. 
Aern heraus. Außerdem war er einer von den Stiftern des mündyner polys 
hen Vereins und Theinehmer an Vorherr's Inftitut für die Verſchoͤnerung 
adbauweſens. Endlich fuchte er in Nürnberg eine Buchhändlermeffe zu ers 
» Dabei führte er mit Gelehrten in und außer Deutfchland den lebhafteften 
hechſel. Mandyes: Zeindfelige mit Liebe vermittelnd und alles Gute, vor 
Religion und Geſetz, redlich umfaffend, drüdkte ihn bloß das Gefühl, fo vies 
ehäften unterliegen zu müffen. Sein Körper unterlag, nicht fein Geiſt. Uns 
un Leiden ohne Klage, dabei bie zum legten Tage thätig, flarb Schl. am 4. 
#22. Seine Battin, Tochter des gothaifhen Münzcabinetsbirectors Roufe 
Bat ihm 3 Söhne, wovon 2 bereit# in bair. Staatöbienften flehen, und 2 
wgeboren. SKajet. von Weiler (Nachfolger im Directorium der Akademie) 
wie Schl.'s Leben und Wirken am 28. März bei der Stiftungsfeier der Akad. 
ch. (Münden 1823). Vgl. Zſchokke's „Überlieferungen“, Juli 1823, 
wide’ „Neuen Nekrolog der Deutfchen” (Jimenau 1824, 1.). 20. 
be. en (Martin Emft v.), geb. 1732 zu Pubenzig bei Gollnow in 














, trat früh in Kriegedienfte und kam 1749 nach Potsdam unter bie fs 
. Mit unglaublichen Eifer und ohne Lehrer erwarb er ſich bier mannig⸗ 
Menntniffe, doch eine gefährliche Krankheit und eine unbegeeiflidhe Laune 
H8 entfernten ihn aus dem preuß. Dienjt. Er wurde hierauf in Heffen an» 
Belangte zu dem bedeutenden Poften eines Adjutanten des die alliicte Armee 
BDirenden Prinzen Ferdinand von Braunſchweig und war am Ende der Te 


809 Schlippenbad) 


benjährigen Krieges Generalmajor. 1772 ernannte ihn Landgraf Fried 
Generallleutenant und Staatsminifter. Jetzt entftand bei ihm der er 
zur Stiftung eines freien und unabhängigen deutſchen Fuͤrſtenbundes: 
ber Friedrich IL. mitgetheilt und von ihm lebhaft aufgefaßt wude. 
Schlieffen als Generallieut. und Gouverneur von Weſel In preuß. Di 
beſaß in vorzuͤglichem Grade das Vertrauen Friedrich Wilhelms II. ım 
wichtigen Sendungen nad) Holland und England beauftragt. Die Un 
oͤſtreich Niederlanden gaben ihm viele und ſchwierige Befchäfte. 1792 
f. Entlaffung und lebte feit diefer Zeit, ganz den Wiffenfchaften gereit 
Gute Windhaufen bei Kaffel, wo er am 15. Sept. 1825 flarb. 17 
nom heraus: „Nachricht von dem pommerſchen Geſchlecht der von 
Schlieffen“; dieſes Werk (2. A. 1784) iſt nicht nur ein Muſter einer tx 
fchlechtögefchichte, fondern die vorausgeſchickte Abh.: „Won der Beſch 
beutfchen Adels in alten u. mittlern Zeiten‘, enthält in einer edlen, kraͤfti 
geiſtvolle Reſultate tiefer Forfchungen und ausgebreiteter Belefenheit 
Befte, mas über die Geſchichte des Adels gefchrieben ifl. — Auch hatbe 
Greis die Befchichte f. Lebens gefchrieben ; ſollte das Manuſc. berfelben 
gegeben werden, fo erhält die deutfche Literatur ein Werk, welches, nad 
Urtheile, den beften Memoiren des Auslandes an die Seite gefegt wer 
Schlippenbach (Ulrid) Heinrich Guſtav, Freih. v.), geb. 1 
Mai in Groß: Wormfahten in Kurland, bezog, im vaͤterlichen Haufe gu 
die Univerfität Königeberg, um die Nechte zu fludiren. Nach einem aı 
rigen Aufenthalte dafelbft ging er im Frühlinge 1791 nach Leipzig un 
im gefelligen Umgange mit ausgezeichneten Dienfchen, den Brumd zu 
Weltbildung, deren der wahre Dichter nie entbehren darf. Schon fri 
das poetifche Talent in ihm geäußert: die heitere Muße eines reichen | 
teifte den Keim zur vollen Bluͤthe. Unterbeffen rief die Pflicht bes 
nad Kurland zurüd. Er begann 1797 f. Gefchäftsieben als Bevolln 
ambothenfchen Kicchfpiels ; 1799 ward er zum Landnotar und 1807 y 
bes piltenfchen Kreiſes erwählt. Bleichzeitig über nahm er das Kan; 
der Ritterfchaftecomite und ging, bereits 1809 zum Mitglied der I 
commiffion ernannt, 1814 nad) Petersburg als Adelsbevollmächtigt 
Kaifer Alerander die Gluͤckwuͤnſche der piltenfchen Ritterfchaft zum erkd 
den darzubringen. In demf. J. ward er Mitgl. der wegen Verbeſſerun 
des der Eurländifchen Bauern niedergefegten Commiſſion, und von di 
dacteur ihrer Arbeiten erwählt. Für den bei dieſem Geſchaͤfte bewiele 
tehnte ihn der Kaifer 1815 mit dem Kronengute Kannenedlen auf 123 
mals von f. Kreife abgeordnet, um die Rechte beffelben bei den Land 
treten, oder um hohen Reifenden aufzuwarten,, hatte ee Gelegenheit, | 
chen perfönlich bekannt zu werden, der ihn 1818 nah Aufhebung di 
Landrathscollegiums, mit Beibehaltung des landräthlichen Praͤdicat 
als Dberhofgerichtsrath nach Mitau verfehte. In demf. J. wurde er 
neu errichteten Provinzial: Gefegcomite, Correſpondent derſelben fi 
Eſthland; 1820 Curator der fuͤrſtl. Sacken' ſchen Famillenſtiftungen: 
ſident der Provinzial-Gefegcommiffion. Schon fruͤher hatte der Don 
penbach's Verdienfte um die Befchreibung der Herzogthuͤmer Kurland v 
len durch das Geſchenk eines Brillantringes anerfannt; 1821 vertiel 
St.:Unnenorden 2. Claſſe. Außerdem ift Hr. v. Schlippenbadh feit 
teferrittee und als Samilienvater Inhaber der zum Gedaͤchtniß bei 
Siegesjahres 1812 geftifteten Adelsmedaille. in bleibendered Di 
hat er fi durch die Gründung der „Kuriſchen Geſellſchaft fir Literaten 
1816 errichtet , deren Stifter und erftes Mitglied er war. — Weit mifa 


os 


Sclittfhuhfahren Schloffer (Johann Georg) 801 


Befchäfte dem Dichterberufe nachzufegen,, beſchraͤnkten vielmehr jene bie Er⸗ 
fe f. Muſe. Das Publicum Eennt ihren poetifhen Werth. Hr. v. Sc. 
‚och daß feltene Talent des muſikaliſch⸗lyriſchen Improviſirens. Seine ſchoͤn⸗ 
dichte befinden fich zum Theil unter diefen vergänglichen Schöpfungen des 
blicks; fie Haben ganz den Zauber jener reichen, fafl üppigen Phantafie, wel⸗ 
ben übrigen Exzeugniffen bes Dichter6 mitunter an das Fluͤchtige, Negellofe 
Wir zeichnen ımter den gedruckten Gedichten aus: „Die Wolken”, „Die 
der Liebe” umd die „Epigramme”. — Dr, v. Schl. gab von 1806 — 9 bie 
ria und Wega” heraus. Außerdem find von ihm erfchienen: „Ikonologie 
tigen Zeitalter6” (Riga 1807); „Maleriſche Wanderungen durch Kurland” 
1809); „Gedichte“ (Mitau 1812); „Beiträge zur Gefchichte des Krieges”, 
e (Mitau 1813); „Lebensbläthen” (2 Bde. Hamburg 1816), und „Er 
igen von einer Meife nadı St.» Petersburg im 3. 1814" (2 Bde., Hamburg 
. Sc. ftarb den 20. März 1826 zu Mitan. 
3chlittſchuhfahren, nach Heinfius richtiger als Schrittſchuhfahren, 
an mit dieſen Schuhen nicht Schritte macht, ſondern wie auf Schlittenkufen 
tet. Klopſtock ſchrieb Schrittſchuh, von ſchreiten, „weil man, den homeri⸗ 
zoͤttern gleich, auf dieſen gefluͤgelten Sohlen uͤber das zum Boden gewordene 
inſchreite“. Dieſer Art des Eislaufes warb ſchon vor 800 Jahren In der 
" gedacht, in dem Bilde von dem Botte Uller, „ben Schönheit, Pfeil und 
ſchuhe vor den übrigen auszeichnen”. Jetzt veranlaßt diefe gymmaſtiſche 
bes Nordens an mehren Orten Volksfeſte, nicht allein in Holland, fondern 
s London, Paris, Berlin und Wien; doch ift fie noch nicht zur ſchoͤnen Kunſt 
ildet. Klopſtock befang fie in mehren Oben :,, Der Eislauf” (1764); „Braga“ 
)3 „Die Kunſt Tialf's“ (1767); „Der Kamin‘ (1770); „Winterfreuden“ 
), Auch Göthe, Herder, Cramer, Krummadyeru. A. haben fie befungen. Vgl. 
N. Vieth's, Verſuch einer Encyklopädie ber Leibesübungen” (Th. Il, 1794); 
J. Guts Muthe's, Gymnaſtik für die Sugend” (2. A., m. K., Schnepfenth. 
; Deffelb. „Zumbucdh”‘ (Frkf. a. M. 1817); 3. Gatcin, „Le vrai patineur 
(m. K., Paris 1813.) ; Aloys Mayer, „Das Schlittſchuhfahren; ein Ta⸗ 
" (Salzb. 1814), und Chriſtoph Sigm. Zindel, „Der Eislauf, ober das 
tſchuhfahren“ (m. Kupf., Nuͤrnberg 1825). — Schneeſchuhe find 
s Schlittſchuhen dadurch verſchieden, daß fie 6 — 7 Fuß lang und ganz von 
nd. Dean bedient fich ihrer in Norwegen u. a. Ländern, um über den Schnee 
birge, beſonders wenn er nicht mehr loder, fondern hart geworben ift, ſchnell 
und das Wild einzuholen. Dan bedient ſich habei eines langen 
zu nicht einzuſinken, unten mit einer Scheibe verfehenen Stockes. Natuͤr⸗ 
angt man mit diefen Schuhen bergaufiwärts nur mühfam, bergab aber fährt 
it der Geſchwindigkeit eines Pfeile. 
5 chloffer (Sohann Georg), geb. 1739 in Frankfurt a. M., Goͤthe's 
freund, ſtudirte zu Gießen, nachher zu Altorf die Rechtswiſſenſchaften und 
m letzterm Orte die Doctorwuͤrde. Darauf ging er indie Dienfte des Herzogs 
ch von Würtemberg nach Mömpelgard, von ba nad) Karleruhe, mo er Hof: 
Amtmann zu Emmendingen, auch) Geb. Hofrath wurde, kam als folder 
nach Karlsruhe zuruͤck und wurde 1790 wirklicher Geh. Rath. und Director 
ſgerichts. 1794 foderte er aus Gerechtigkeitsliebe feinen Abſchied, weil ein Ge⸗ 
Iches er zu Gunſten armer Bürger gemacht hatte, nicht gelten ſollte. Wegen 
volutionskrieges begab er ſich 1796 nach Eutin. 1798 wählte ihn f. Va⸗ 
t Frankfurt zu ihrem Syndikus, mo er ſich aufs neue als einen vielfach thaͤti⸗ 
d müglichen Befchäftemann zeigte, aber ſchon 1799 im 61.9. flarb. Schl. 
n feuriger Denker und Wahrheitöforfcher, der für Gott, Recht und Tugend 
ſchrieb und handelte. Er fammelte bie wohlthätigen Wahrheiten aus dem 
d.e@er. Siebente Aufl. Mb. IX. 51 


802 Schloſſer (Friedrich Chriſtoph) 


Gebiete ber Politik, Geſchichte, Moral und praktiſchen Philoſophie khe 
ſoendete fie mit einer glänzenden Beredtſamkeit aus. Man mußte ſ. 
wundern, f. wohlwollendes Herz lieben, ſ. weltbürgerliche Geftunung, 
thigkeit und den edeln, männlichen Ton feines Vortrags ehren, wen 
gleich nicht von einem gewiſſen Dange zur Paraborie freifprechen kann. 
wohnt war, Alle auf praktiſche Wirkſamkeit, auf das Thun, zuruͤchuf 
da f. phantafiereiches Philofophiren nicht für trockene, abgezogene Gri 
madıt war, fo gereichte ihm Kant's kritifche Philofophie mit ihren tieff 
terfuchungen zum Ärgerniß, und er fchrieb ‘mit einer Leidenſchaftücht 
die ihn als Kenner verdächtig machte, und bes praftifchen Weiſen nict ı 
Sein „Seuthes, oder der Monarch” und andre Schriften uͤber Gege 
Staats « und bürgerlichen Rechts zeugen von hellem Kopfe und ma 
für Wahrheit und Recht. Er liebte und fludirte die Alten fleißig ı 
Longin „Vom Erhabenen” und Mehres aus dem Aſchylus, Plato, Arift 
endides u. f. w. uͤberſetzt. Außer f. zahlreichen übrigen Schriften h 
Sammlung Heinerer Auffäge und Überfegungen, u.d.X.: „I. G. Schu 
Schriften“ (mn. Aufl., Bafel 1787— 94, 6 Thle.) herausgegeben. 
Schloſſer (riedrich Chriſtoph), D. der Philoſophie und Pı 
ſchichte zu Heidelberg, feit 1824 Geh. Hofrath, ein durch innere Kraft 
bien und reiche Welterfahrung auf eigenthümliche Weiſe gebildeter Hi 
felbftändig und ftreng, oft ſcharf, ja rauh in f. Urtheil, was er gewiffent 
bat, ruͤckſichtslos darſtellt. Geb. zu Jever d. 17. Nov. 1776, vater 
dem 6. J., von 12 Kindern, unter 10 Brüdern, das juͤngſte, ward er t 
auf dem Lande erzogen, mo ihm ein braver Schullehrer bie Liebe zu 
impfte. Der „Robinfon”, Campe's Schriften, eine Menge Reifebefchte 
a. Buͤcher, regellos gelefen, unterhielten ben lebhaften Knaben bis ind 
befuschte jeßt bie gelehrte Schule zu Fever, wo in dem Haufe ſ. Mutter 
und der Seldprediger der aus Amerika zuruͤckgekehrten anhalt⸗zerbſtiſch 
den wilden Fri gern um fi hatten. Dadurch und mittelft Benutzun 
bibliothek lernte er vieler Herren Länder, Völker und Sitten kennen. 
ſchraͤnkter Lage, oft hart geftraft, wuchs er auf, ohne die Zucht der Liebe 
Endlidy gewann ein trefflicher Lehrer das Herz des gereisten Knaben unt 
Geiſte eine gluͤcklichere Richtung für Sprady > und Sachſtudium. | 
nahm jebod die Leferei aufs neue fo überhand, daß er bi6 zum 15. J 
3000 Bücher durchlaufen hatte, darunter folhe, die f. Glauben an p 
gion ſchwaͤchten. Planmaͤßiger betrieb er In Prima alte Sprachen, ! 
und neue Sprachen, wobei er das Leſen deutfcher Schriften ganz aufge 
durch eigne Studien gut vorbereitet, ging er Oftern 1793 nad) Goͤt 
Theologie zu fludiren. Hier genügten dem überaus fleißigen, fe 
Sünglinge am meiften Plank's und Eichhorn’6 Vorträge. Die Dorf 
Teſtaments, wie die Sonfequenz des alten bogmatifchen Suftems, y 
ſehr an. Bei Spittler hörte er ein geiftreiche® Collegium uͤder altı 
Auch bei Kaͤſtner lernte er viel duch Nachfragen; bei Lichtenberg hört 
Das Meifte lernte er für fich in voͤlliger Zuruͤckkgezogenheit von jeder : 
Auch befchäftigten ihn die ſchoͤne Literatur der Staliener, Spanier md 
Reiſebeſchreibungen und Mathematik. Pebtere gab er erft nach 20° 
Sein Freund Köppen (jest Doft. und Prof. in Erlangen) machte ihn 
Sena erkannten Werthe der Philofophie befannt. Dann wırde eG 
Waldeckſchen, wo er, befonders zu Arolfen, ſich in einem trefflichen Fa 
gefellig ausbildete. 1796 kehrte er nach Jever zuruͤck. Gen kleine u 
ter ererbtes Vermögen hatte genau hingereicht, um ohne Unterftätung 3 
Er uͤbernatm daher die Cehehong der Rinder bes Grafen v. Bentink in® 


Schloffer (Friedrich Chriftoph) 808 


Shere Welt beobachten lernte und für ſich Philofophie aus Plato und Kant ſtu⸗ 
3 dabei fepte er das Etudium ber Reifebefchreibung fort. 1798 gab Schl. 
B Verhaͤltniß auf, um in f. Vaterlande ein Pfarramt zu erlangen, und verfah 
Seilen die Stelle eines Predigers auf dem Lande. Als nad) 6 Monaten kein 
ſich zeigte, wollte er f. Stud in Rufland ſuchen. Allein der ruffifche Ges 
in Damburg (damals in Altona) verweigerte ihm den Paß; er nahm daher 
Ehmarſchen bei Altona eine Meine Hauslehrerſtelle an, in welcher er Kant, 
we, Schelling, den Thucydides, den Euripides und die Metrik zu ſtudiren 
ve fand. 1800 erhielt ex eine Hauslehrerſtelle bei einem reichen Kaufmann in 
Bfurt a. DM. Bier fegte er f. claffifchen und hiftorifchen Studien fort, las den 
Oteles ımd die Scholaſtiker, befchäftigte fich viel mit Chemie und Botanik, bes 
e die Stadtbibliothek zur Abfaffung eine® aus den Quellen unmittelbar ges 
Ken „Leitfadens der Geſchichte und hatte vielfache Gelegenheit, in ben Kriegs⸗ 
mr das Getreibe der MWeltbegebenheiten anſchaulich kennen zu lernen, ſowie 
: den vertrauten Umgang mit intereffanten Dienfchen fein todtes Wiffen zu bes 
Er gab jegt (1806) den Gedanken an ein Pfarramt auf und mollte fidh 
eine Ueberfegung ımd Erläuterung der entflellten Schrift des Ariſtoteles „De 
xis in die Gelehrtenrepublik einführen. Gurlitt und Schneider riethen zur Ders 
be; allein fie genügte ihm nicht. Nun arbeitete er die Schrift „Abaͤlard und 
An“ aus (Gotha 1807); hierauf „Das Leben Bezas und Peter Martyr“ 
weiberg 1800), wozu ihm Loͤffler aus der herzogl. Bibliothek zu Gotha bie 
Fchriftlichen Briefe der ſchweizer und franzoͤſ. MReformatoren mittheilte. Uns 
Fien war er Oftern 1808 als Conrector an die Schule zu Fever berufen wors 
Dieſes Amt unterbrach f. hiftorifchen Studien. Er legte es daher nieder und 
4809 nady Frankfurt zurüd. Hier übernahm er einige Lehrflunden am Gym⸗ 
um, entwarf f. „Sefchichte der bilderſtuͤrmenden Kaifer des oftrömifchen Reich” 
malfurt a. M. 1812), fludirte zugleich die Gefchichte und Literatur des 18. 
„und fchrieb Recenf. fie die „Sen. Lit⸗-Zeit.“ (3. B. von Neander’s „Sulian‘‘) 
r bie „Heidelb. Jahrb.“ (3. B. von Grimm’s „Correspondance‘, und feits 
zuehre andre von bleibendem Werthe). Mit außerordentlichem Fleiße las er alle 
Aften, die ihn in das Innere der Welt und Zeit einführen konnten. Dabei 
er den Unterricht in der Familie ſ. Freundes fort, deffen aͤlteſte Kinder ex früher 
M800) erzogen hatte. Der edle Dalberg ernannte ihn 1812 zum Prof. ber Ges 
wte und der Befchichte ber Philofophie bei Dem neuerrichteten Lyceum in Frank⸗ 
5 er lehnte daher einen Ruf nach Heidelberg an Neander's Stelle ab. Für 
welefüngen gab er jetzt den 1. und 2. Theil f. „Weltgeſchichte in zufammenhän- 
wer Erzählung” heraus, ein aus dem Schacht der Beweiſe felbft zu Tage geförs 
Werk, das, obwol in feiner Form — was die beiden erften Theile betrifft — 
mer anziehend, dennoch durch feinen Inhalt gründlich belehrt. Des 3. Bde. 2. 
„ 2. Abtheit., geht bis auf die Zeiten der Entftehung des Schweizerbundes 
me. a. M. 1815— 24). Eine 2. Aufl. der erften Theile wird erwartet. Seit⸗ 
erſchlen der erſte Band von f. „Univerfalhiftor. Überficht dee Gefchichte der als 
Weit und ihrer Cultur“ in 3 Abtheil. (Frankf. a. M. 1826 fg.). Nach ber 
nung des Fuͤrſt⸗Primatiſchen Staats, 1814, ging das Eyceum ein. Senat 
Bärgerfhaft ernannten nım Schl. zum Stadtbibliothekar; diefe Stelle 
f. Quellenftubium,, und ber mit der alten und im Mittelpunkte des eus 
beutfchen Weltverkehrs auch mit ber neuen Zeit innig vertraut gemorbene 
um erhielt dadurch die rechte Weihe zu einem Priefter der Geſchichte. Schl. 
ve 41817 in Deibelberg Wilken's Nachfolger. Vor Kurzem hat er die außer 
Body von ihm geführte Bibliothekdirection niebergelegt. Zur lebendigen Aus⸗ 
Ing f. Skizze ber Sefchichte des 18. Jahrh. und der franz. Revolution machte 
" eigne Koften 1822 eine Reife nach Paris, wo er bie bereitwiigte OOU.EN 
Si 








804 Schloͤzer (Auguſt Ludwig v. — Dorothea) 


(he Aufnahme fand und zugleich die Handfchriften der Bibllothek für bie 
Theile ſ. Weltgefchichte benugte. Jene ſchon in der Handſchrift von Als. 
boldt feines Beifalis gewuͤrdigte „Befchichte bes 18. Jahrh. in gedrängtrei 
mit fteter Beziehung auf die voͤllige Veränderung der Denk: und Regiers 
am Ende deſſelben“ (2 Thle., Heidelberg 1823) ward ins Franzöf. überfeg 
1825). Auch ift fie reich an hellen und ſcharfen Blicken in den großen &ı 
Weltgeiftes. 

Schlözer (Auguft Ludwig v.), einer unſerer gruͤndlichſten und un 
ften Geſchichts forſcher, geb. 1737 zu Jagſtadt an der Jaxt im Hohenle 
bergifchen,, verlor f. Vater , Prediger dafelbft, früh, ward bei Verwandte 
und ging, mit guten Vorkenntniffen in der lat., griech., hebr., halbäift 
ſchen und franz. Sprache außgerüftet, 1751 nad) Wittenberg, um bort 
Willen f. Verwandten Theologie zu ftubiren. Hier ergriff ihn der Wunf 
faſt f. ganzes Leben hindurch feurig verfolgt und dennoch nicht erreicht 
Drient zu bereifen, und veranlaßte ihn zum gründlichen Stubium der orle 
Sprachen. Nachdem er zu Wittenberg über eine Abhandlung „De vitaD: 
di8putirt hatte, ging er nach Goͤttingen, wo 2$ahre hindurch gleichfalls 
vorzüglich biblifche Philologie, fein Hauptftubium blieb. Ein vortheill 
nender Vorfchlag führte ihn als Hauslehrer nach Schweden, wo er vierte) 
theils zu Stockholm, theils zu Upfala verlebte und 1758 ſ. „Verſuch einer 
gefchichte” in ſchwediſcher Sprache herausgab. Aber ſtets f. Reifeplan im 
haltend, kehrte er 1759 nach Goͤttingen zurüd. Neben den orientaliſch 
chen, befonder& der arabiſchen, in der ex bald ſelbſt Unterricht ertheilen ko 
er ſich mit Eifer, vorzüglich unter der Anweifung des Geburtshelfers RU 
fen T. nachher f. Gattin ward, auf die Mebichn, die er für nothwendig je 
gen feines Plane hielt, und ſchon wollte er barin promoviren, fchon hatt 
hundert Dukaten Meifegeld erfpart, als ein Antrag aus Rußland f. gany 
plan ftörte. Der berühmte ruſſiſche Reichshiſtoriograph Müller ließ ihm 
flag machen, als Hauslehrer und Ikterarifcher Gehuͤlfe in f. Dienfte zu t 
ber Ausficht auf eine künftige Anfteltung bei der peteröburger Akademie 
in der Hoffnung, f. Reifeplan dadurch zu fördern, begab ſich 1761. naı 

‚burg. Die Abenteuer f. Reife und f. dortigen Aufenthalte hat er felbft | 
bend in dem eriten Bruchſtuͤck f. Selbſtbiographie befchrieben. Gein ı 
ſchaͤft in Rußland war die Erlernung der Sprache, mit deren Hülfe er ' 
das Studium der altruffifchen Jahrbücher ging. Allein eben dadurch reizt 
ler's Eiferfucht‘, ber uͤberdies weder für f. Reifeplan noch für f. Anſtelln 
Eifer zeigte. Schl., der f. Ausfichten fo unangenehm geſtoͤrt ſah, fuhri 
die mittlere euffifche Gefchichte aus den Chroniken und fonftigen National) 
lern zu bearbeiten, ward 1762 Abjunct bei der Akademie und Lehrer an! 
mowoky'ſchen Erziehungsanftalt und trennte ſich von Müller, der jett | 
dener Gegner warb. In dieſer Lage war ihm 1764 die Ernennung all 
Göttingen, wenngleich für jetzt noch ohne Gehalt, die er auf Michaelis's X 

hielt, fehr willtommen. Allein Müller wirkte ihm entgegen und brachte 
daß der Senat förmlich befahl, Schloͤzer's Abreife aus dem Reiche aufzuh 

ihm f. biftorifhen Sammlungen abzufodern. Das Leptere geſchah zwar ı 
beffen mußte er doch bleiben. Nach manchen Verhandlungen bewilligte 
lich die Regierung 1765 f. früher gemachten Foberungen und ernannte 
Prof. bei der Akademie mit 860 Rubel Gehalt, wobei alte ruſſiſche Geſch 

zur Dauptbefchäftigung angewiefen ward. Auch befam er dreimenatlihe 
zu einer Reife nach Deutfchland, die er fogleidy antrat. Nach f. Nädkeh 
noch 2 Jahre in Peter&burg,, bann Eehrte er 1767 aufs neue mit Urlaub me 
fingen zuruick, wo er zum artentl, Drot. ter Batitl ernannt wurbe. — PR 


, Schluß (logifcher) 805 


Zellung beginnt f. glänzende gemeinnuͤtzige Thätigkelt, bie fich über einen weiten 
ekungskreis verbreitete. Die vorsüglichfte Ausbeute f. hiftorifchen Korfhungen 
en f. „Allgem. nordifche Gefchichte” (zuerft 1772) und ſ. „Neſtor“, ben er bis 
- 980 überfegte (1802 — 9). Mit nicht minderm Eifer bearbeitete er die Sta⸗ 
P. Wiewol er darin nur zu große Vorliebe für das Tabellenweſen zeigte, fo ges 
et ihm doch der Ruhm, zuerft ihren Begriff und Umfang genauer beftimmt 
eine vollftändige Theorie derfelben entworfen zu haben. Naͤchſtdem verdankte 
bie Univerfalgefchichte neues Licht und Leben; dies beweifen f. „Weltgefchichte 
Auszuge und Zufammenhange” (1792), ſowie eine Vorbereitung zur Weltge⸗ 
Bhte für Kinder. Noch nicht zufrieden mit diefen Leiftumgen,, umfaßte ſ. Stre⸗ 
Die geſammte Staatswiſſenſchaft, die er nach ihren Haupttheilen in kurzen Abs 
ers aussuarbeiten fi) vornahm ; leider erfchienen davon nur 2 Hefte. Einen bes 
em Einfluß auf Deutfchland erhielt er als politifcher Schriftfteller durch f. 
Gefrwechfel” (1776— 82) und f. „Staxtsanzeigen” (1782—93), deren Haupt: 
B war, ohne Sucht und Scheu Mißbraͤuche und Mängel zu rügen. Seine Ans 
en find nicht ohne Parabdorie, ſowie ſ. Darftellung zwar intereffant, aber derb iſt 
Häufig bem guten Geſchmacke trogt. Als alabemifcher Lehrer hielt er mit gros 
Beifall und vor einem zahleeihen Auditorium, hauptfädhlicy über allgemeine 
Egeſchichte und Statiſtik, Über europäifche Staatengefchidhte, allgemeines 
mtörecht, Politik und nordiſche Geſchichte Vorträge ; auch la er ein Reife = und 
Beitungscollegium. Nachdem er ſich mit feinem 70. J. von allen Geſchaͤften zus 
gezogen hatte, verlebte ex die legten 5 Fahre nicht ohne tiefen Kummer über bie 
ige Lage, in der er f. Vaterland fehen mußte, und ftarb 1809 als Geh. Juſti;⸗ 
und Mitglied mehrer gelehrten Gefellfchaften, auch feit 1804 vom Kaiſer Ale⸗ 
mer geadelt und mit dem Wladimirorden 4. Ct. beſchenkt. — Auch feine T., Do: 
ea, verehel. Rod de zu Luͤbeck, verdient eine ruͤhmliche Erwähnung. Sie 
die gründlichen Kenntniſſe eines Gelehrten mit aller Liebenswuͤrdigkeit ihre® 
Mhlcchtö zu vereinen , bearbeitete, um ihrem Vater Freude zu machen, 3. B. bie 
Ye Muͤnzgeſchichte in den trodenften Reductionen und Münzberechnungen, 
nie 1787 die Doctormürde und trat mit ihrer Verheirathung anſpruchlos in den 
= Kreis ber weiblihen Wirkſamkeit zurid. Sie ftarb auf der Ruͤckreiſe aus 
fEdL. Frankteich zu Avignon ben 12. Juli 1825, 55 3. alt. — Ihr Bruder, 
eiſt ian v. Schloͤzer, Prof. der polit. Dkon. und der Diplomatik an der Unis 
wie zu Moskau, Hofrach und Ritter des St.»Annın:D., bat fich durch f. 
watswirtbichaft”” (uff. und deutſch, Halle 1804— 6) und durch Kleine Schrif: 
ber die Statiſtik in latein. und franz. Sprache 1822 fg. befanntgemadht. 
e Biographie A. E.v. Schl.'s und f. Tochter fteht in den „Zeitgenoſſen“, XIV. 
Schluß, logifher Schluß. Der Schluß entſteht, wenn mehre Urs 
w in ein inmere® Verhältnig zu einander geftellt werden, ſodaß eins als Folge 
dem andern als dem Grunde abgeleitet wird. Man unterfcheidet aber Wahr- 
inlichkeitsſchlüfſe, dergleichen Induction und Analogie find, in welchen 
Aligemeine aus dem Befondern gefolgert wird, und Nothwendigkeits⸗ 
Affe oder eigentlich logiſche Schlüffe, in welchen ſich das Befondere aus 
Algemeinen ergibt. Das einfachfte log. Verhaͤltniß zwiſchen Urtheilen findet 
Hlatt, wenn eins derfelben unmittelbar als Folge aus dem andern abgeleitet 
), fobaß alfo der ganze Schluß ein zweiſaͤtziger iſt, d. h. nur aus einer Prämiffe 
man einen begründenden Sag im Schluffe) und dem Echlußfage (eon- 
üe) befteht. Einen ſolchen Schluß nannte man fonft auch faͤlſchlich einen Vers 
abesſchluß — aber der Verftand ift überhaupt das Vermögen des Denkens, 
Ei) auch des Schließene — richtiger eine unmittelbare Folgerung (consequen- 
umediata). Die unmittelbaren Schluͤſſe beruhen lediglich auf der Verwandt⸗ 
E ameiee Urtheile in Hinficht ihrer logifhen Form, zu deren Era u trunk 


806 Schluß (mufil.) Schmalkaldiſcher Bund 


vermittelnden bedarf. Weil man ſonſt aber gewohnt war, den Schub, in 
die Abfolge eines Urtheils aus dem andern durch ein drittes, beiden verwandt 
als das vollftänbigere anzufehen, fo meinte man, ber unmittelbare fei ein ver 
und folglich etwas, vielleicht die Regel des Schluffes felbft, hinweggelaſſen 
aber verhalten fi wie unmittelbarer und mittelbarer logifcher Zuſamm⸗ 
Über den mittelbaren Schluß f. Syliogismus. Die Schlüffe find ferne 
liche und nicht förmliche, einfache ober zufammengefegte. Letztere nem 
Schlußreihen oder Polyſyllogismen: fie find wieder vollftändiger, offenbar 
mengefegte, wenn die Säge alle außgefprochen find, oder verftedt zufammen 
wenn Säge zu ſuppliren find; dieſe nennt man auch Schlußketten, Kette 
(Soriten, f.d.). Ä 

Schluß, Zonfhluß, f. Cadenz. 

Schluͤſſel, Muſik- oder Notmfhläffe. — Weil man ſich inte 
Muſik eines größern Umfangs der Toͤne bedient ald in der alten, und m 
Umfang der bei uns gebräuchlichen Toͤne nicht mit einem Linienfpiteme v 
nien vorgeftellt werben konnte, obne die Noten bis zur Verwirrung bes Au 
Mebenlinien zu uͤberhaͤufen, fo hat man in der Tonſchrift ein Mittel erfund 
nicht mehr als 5 Linien den Umfang ber Toͤne jeder Stimme unb jedes Taflı 
mit Bequemlichkeit darftellen zu koͤnnen. Dieſes befteht in der Verſchiede 
Schluͤſſel, vermittelft welcher man den auf dem Linienſyſteme dargeſtellter 
die Bezeichnung einer hoͤhern oder tiefern Region verfchaffen kann. — Mau 
fi) 3 verſchiedener Arten diefer Schlüffel, naͤmlich des F-Schluͤſſels, woh 
die tiefere Hälfte der Töne unſers Tonſyſtems bargeftellt wird, und den 
ber auch den Baßſchluͤſſel (f. d.) oder das Baßzeihen nennt. eine] 
DE, Der zweite, oder G-Schlüffet (f. d.), dient für die höhere Hi 
Toͤne und heißt auch Violinfchläffe. Seine Form if & Der britte 
fel fi der C-Schlüffel: — Er zeigt an, daß auf der Linie, auf 
flieht, das eingeftrichene C iſt. Man braucht ihn jest hauptſaͤchlich in ! 
ſchrift für die Discant, Alt» und Tenorſtimme. Für den Discant fett! 
auf die unterfte Linie und nennt ihn dann Discantfhläffel; für ben ? 
er auf die mittlere Kinie gefegt und heißt Altſchluͤſſel, und für den Tener 
zweite von oben und heißt Tenorſchluͤſſl. Beim Discant bezeichnet da 
Mote auf der 1., beim Alt eine auf der 3., und beim Tenor eine auf ber 
daffelbe eingeftrichene C. | 

Schlußfall, f. Cadenz. 

Schlußſatz, f. Finale. 

Schmade, ein mittleres Kauffahrteifhiff. Es ift unten platt s 
und hinten fehr voll gebaut, und hat an den Seiten Schwerter (d. i. ſtark nett | 
ſchlagene Planken, faft in Geftalt einer Schuhfohle, die am Schiffe ungel 
die Floßfedern am Fiſche angebradht find, um deffen zu vieles Abtreiben 
die Seite legen zu verhindern). Der erſte Maft ift ein Gabelmaft (der ein 
bintenzu laufenden Stod [Gabelbaun) hat, an welchem das Segel befrfl 
ber Befanmaft (hintere) iſt viel Eleiner und fteht ganz hinten auf dem Ded 
Schmade hat außer der Kajuͤte noch auf dem Verdeck einen zur Rüden. 
den Hof. Das Takelwerk hat mit dem der Kufen und Galioten Ähnliche 
Holland, auf der Elbe und auf der Weſer find fie vorzüglich gebraͤuchlich. 

Schmähfhrift, f. Pasquill. 

Schmallatviiher Bund heißt die Vereinigung, melde im 
1531 von 9 proteftant, Triten rd Sroken nt LA WUREAFLRTen gar ge 


Schmalkaldiſchet Bund . 807 


ichen Vertheidigung ihres Glaubens und Ihrer polit. Geltftändiykelt gegen 
"Karl V. undbie kathol. Stände zu Schmalkalden im Hennebergiſchen, vors 
auf 6 Fahre, gefhloffen und auf den Gonventen zu Srankfurt, im Jullus und 
beffelben J., mit der Beſtimmung beftätigt wurbe, daß der Kurfuͤrſt von 
en und ber Landgraf Philipp von Heffen die gemeinfchaftlichen Angelegenheis 
6 Däupter des Bundes leiten follten. Ex wurde, ba ber ſeichte nuͤrnberger 
gionsfriede (f.d.) feine Erhaltung nicht unnuͤt machen konnte, anf eis 
jſonvent zu Schmalfalden 1535 durch den Zutritt neuer Glleder, durch die 
ngerung auf 10 Jahr und durch den Beſchluß, ein ſtehendes Bundesheer von 
VOM. zu ımterhalten, fehr verftärkt und erhielt auf dem Convent 1537 ein 
Band der Vereinigung durch die von Luther abgefaßten Wermahrungsartitel, 
von den zu Schmalkalden anwefenden Theologen unterfchrieben wurden und 
T.der ſchmalkaldiſchen Artikel bekannt find. Ihre erfte Beſtimmung, 
m vom Papfte angekündigten Concillo in Mantua jur Durftellung des evang. 
end zu dienen, konnten fie zwar nicht erreichen, ba diefes Goncilium nicht 
tande kam, doch find fie ale völlig uͤbereinſtimmend mit der augsburgifchen 
ſſion unter die fombolifchen Büdyer der evangelifchstuuherifchen Kicche aufges 
ven worden und durch ihren derben Ton In Beftreitung der papiftifchen Lehren 
Kißbraͤuche ein Beweis der Erbitterung und ruͤckſichtsloſen Heftigkeit, von 
re Luther und feine Partei damals befeelt war. Seit diefer Zeit nahm ber 
lkaldiſche Bund immer mehr eine feindliche Stellung gegen die Katholiſchen 
Die volle Hälfte der Kräfte Deutfchlande war damals auf feiner Seite; ganz 
fen, da das Meifinifche nach Georgs Tode an den gut Iutherifchen Herzog 
ich von Freiberg fiel, Heffen, Würtemberg, Lüneburg, Dänemark, Poms 
, Brandenburg, die anhaltifchen und mansfeldifchen Lande in Vereinigung 
on oberdeutfchen, ſchwaͤbiſchen, fränkifchen, rheiniſchen, meftfälifchen und 
fachſ. Städten, die faſt alle dem Bunde zugethan waren, boten eine Macht 
gegen bie fi) weder die 1538 gefchloffene heilige Ligue der kathol. Fuͤrſten, 
ver durch die Türken umd wiederholte Kriege mit Frankreich beſchaͤftigte Kaifer 
jenug fühlte. Daher blieb der kühne Schritt, den der Kurfürft Johann Fried» 
on Sachſen und der Landgraf Philipp 1542 auf einem Feldzuge zu Gunſten 
wädte Boslar und Braunſchweig, durch Vertreibung Herzog Heinrichs d. J. 
zraunſchweig (weicher das eifrigfte Mitglied der Ligue mar) und durch vöRige 
nahme feiner Lande wagten, vor der Hand umgeftraft. Der Kaifer wendete 
Mittel der Lift an, die Proteftanten durch Unterhandlungen friedlich hinzu⸗ 
ı, und diefe würden gerade jest durch einem offenen, gemelnfamen Angriff 
aiſers Alles erlangt haben , was fie wünfchten, wenn nicht bie Uneinigkeit uns 
nen felbft, die Verlegenheit Philipps wegen feiner Doppelehe, und Johann 
richs grillenhafter Eigenfinn ihre Thatkraft gelähmt hätte. Sie fahen der Uns 
loffenheit und Demüthigung des ihnen geneigten Herzogs von Kleve und bem 
jen Erfolge der Meformation des von ihnen verlaffenen Kurfürften von Köln 
tig zu; fie lehnten aus fürftl. Stolz den Beitritt tapferer und vielgeltender 
dritter zu Ihrem Bunde ab; fie ſetzten auf die wiederholt angebotene und wie⸗ 
mausgeſchobene Unterftägung bed Koͤnigs von Frankreich, der freilich weit 
nt, den Proteftantismus befchügen zu wollen, ihren Bund nur ald Gegen» 
he gegen den Kaiſer gu brauchen gebuchte, bald zu viel, bald gu wenig Vers 
v amd verwilligten dem cömifchen Könige die Tuͤrkenhuͤlfe zu einer Zeit, wo 
ſelbſt ihr Argfter Keind zu werden drohte. Indeß mar ihre Macht, als ber 
endlich im Juli 1546 von dem Heere der oberländifchen Städte unter Schärts 
ıd von den beiden Bundeshäuptern In Schwaben begonnen wurbe, groß ges 
um den wenig gerüfteten Kaifer in Verlegenheit zu frgen. Schaͤrtlin ruͤckte 
ich an der Donau vor, um dem aus Itallen heramchtenten Laien. gie 


808 Schmalte Schmalz 


den Paß zu verfperren. Doch die traurige Eiferſucht des Kurfürften Jah 
rich und des Landarafen Philipp laͤhmte auch biefen großen Feldherrn. D 
daß nach der d. 20. Juli gegen beide Bunbeshäupter erlaſſenen kaiſerl A 
rung Morig von Sachſen die Kurlande als Vollſtrecker der Acht in Def 
wodurch der Kurfürft zum Ruͤckzuge gendthigt wurde. Nun eroberte per 
Friedrich fein Kurfürftenthuns noch im Herbſte 1546 wieder, allein m 
Winters rüdte Karl V. nebft feinem Bruder Ferdinand mit einem ſchl 
Deere, das ihm ſchon ſaͤmmtliche oberdeutfche Bundesglieder unterwe 
durch Sranken vor, bald ftanden Johann Friedrich und Philipp im der 
Gefahr allein und von den übrigen Bunbesgliebern verlaffen, und bie u 
Niederlage bei Muͤhlberg, d. 24. April 1547 , brachte fie beide in des K 
walt. Diefer traurige Erfolg, an dem Verrätherei und Schwäche gleich 
haben mochten, beenbigte den ſchmalkaldiſchen Krieg und loͤſte ben ot 
flreueten Bund völlig auf. Der Zweck des Bundes aber, die Sikhe| 
Religiondfreiheit, für welche die Proteftanten gelämpft hatten, wurd 
kuͤhnen Streich des Kurfürften Morig erreicht, der 1552 den paffauer 9 
Folge hatte. (Vgl. Morig von Sachſen.) 
Schmalte oder Smalte ift eine blaue Farbe, bie in v 
Künften häufig gebraucht wird. Dan erhält fie aus calcinirtem Kol 
und Sand, bie zufammengefchmelzt ein blaues Glas geben, welches n 
einem feinen Pulver germahlen wird. Man färbt damit Kryſtall⸗ und € 
fer, bemalt damit das echte Porzellan, die Fayence⸗ und Toͤpferwaaren 
dienen fi die Maler derſelben zu Paſtell⸗, Wafler-, Wachs: und DIf 
man zum Behufe der Porzellanmalerei eines reinem Kobaltoxydes bed: 
Schmalte gewoͤhnlich enthält, fo kann man einen Theil Schmalte mi 
Kalt ſchmelzen und das Kiefeldt in Waffer auflöfen, worin das Kobalte 
den fällt. Der erfte Gebrauch des Zaffer zu Färbung des Glaſes fällt 
Haͤlfte des 15. Jahrh. Die geringfte Sorte gebrauchen die Waͤſcherim 
fag zur gewöhnlichen Stärke, um dadurch die Weiße der Waͤſche zu erh 
falten, wo Schmalte verfertigt voicd, heißen Blaufarbenmwerke. 
Schmalz (Theodor Anton Heinrich), Dr., koͤnigl. preuß. 
und Prof. der Rechte auf der berliner Univerfität, ift geb. zu Danover : 
dirte zu Göttingen und Rinteln, erlangte hier 1786 bie juriftifche D 
und 1787 eine außerorbentlihe Profeffur. 1789 erhielt er einen Rı 
nigsberg. Als Schriftfieller war ee 1783 durch f. „Denkwuͤrdigkeite 
fen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe” aufgetreten. Später zeigte er fid 
Gebiete der Staatswiſſenſchaften und Staatswirtbfchaft und der Red 
ein geiſt⸗ und Eenntnißreicher und fehr fruchtbarer Schriftſteller. (S 
zeichn. feiner Schriften im Meuſel.) 1815 erregte er durch die Kleine pol 
„Berichtigung einer Stelle in der Venturini’fchen Chronik”, in der preu 
hte, wie überhaupt in Deutfchland, eine große Bewegung, da es fd 
Schm. die Begeifterung des deutfchen Volks 1812—15 herabfegen wo 
Fortdauer geheimer und gefährlicher Vereine die Rebe war und alferhani 
Zwietracht ausgefäet ſchien. Niebuhr, Schleiermacher, Koppe, Lu 
land, Fr. Sörfter, Sr. Ruͤhs, Krug, 2. Luͤders u. X. traten gegen Ih 
es wurde diefer Streit mit einer folchen Erbitterung geführt, daß der 
Preußen endlich befahl, es folle daruͤber weber für noch gegen weiter etw 
werden. In diefem Gabinetöfchreiben murden zugleich bie Werbienfte d 
früher beftätigt gewefenen Zugendbundes in den Tagen und Jahren d 
bes Vaterlandes anerkannt. In neuerer Zeit ift Geh.⸗Rath Schm—. all 
ner Beinen Schrift über Ständeverfammlungen (Berlin, bei Räder) gaı 
den, bie ebenfalts mandgeriei SGrearuiägtiiten unt Reititen veranlaft fi 


Schmauß Schmerz 809 


Buch des beutfchen Staatsrechts (Berlin 1825, 2Bde.) umfaßt aufer 
umbesflaatörechte auch das allgemeine Territorialftaatsrecht ; im legterer Hin⸗ 
Ett der Verf. als entſchiedener Gegner gegen bie von Kiüber aufgeſtellten 


ſaͤtze auf. | 
Schmauß (Johann Jakob), einer der berühmteften beutfchen Staats⸗ 
»Drer, geb. zu Landau im Elſaß am 10. März 1690, hatte zu Strasburg 
alle ftudirt. Er hielt dafelbft Worlefungen und wurbe 1721 von dem Mark: 
zu Baden » Durlach zum Hofrath und 1728 zum Sammerrath ernannt. 
ing er ald Prof. des Natur » und Voͤlkerrechts nach Göttingen, 1743 als 
des Staatsrechts nach Halle und 1744 wieder nach Goͤttingen zuruͤck, wo er 
ſtarb. Er las zu Göttingen mit dem größten Beifall tiber Befchichte und 
Brecht, und war Überhaupt ein geiftzeicher Kenner und Bearbeiter diefer Wiſ⸗ 
ften, beſonders der neuern Geſchichte. Er war fcharffinnig und freimäthig 
e manche neue Anfichten. Aber fein Charakter hatte viele Flecken. Er 
na Tyrann in feinem Haufe und von rohen, anftößigen Sitten, Unter Schm.’6 
ten find zu merken: „Corpus juris publici saeri Romani Imperii acade- 
2’ (Reipsig 1745, 2 Bde.), mit Anmerk. von Schumann (ebendaf. 1774); 
as jur. gentium academicum” (Leipz. 1730, 2 Bde.); „Einleit. za ber 
twiſſenſchaft (Epz. 1742, 2 Thle). Durch f. „Neues Syſtem des Rechts 
atur” (Göttingen 1753) erregte er Aufmerffamtelt, da er einige neue Ans 
‚Darin aufftellte. Sein „ Neuefter Staat von Portugal” (Halte 1714, 2 Thle.) 
st gleichfalls als eine fehr gute Geſchichte dieſes Staats voll vortrefflicher kri⸗ 
Bemerkungen Achtung. 
Schmelzen. Sobald ein fefter Körper bis zu einem gewiſſen Grabe er 
wird, vermindert ſich f. Cohaͤſion dergeftalt, daß f. kleinſten Theilchen be» 
hwerden, ihre Lage gegen einander verändern und mit geringer mechanifcher 
getrennt werben Eönnen. Der Körper wich dann flüffig, und biefer Übergang 
su feſten in den flüffigen Zuftand heißt Schmelzung. Dan pflegt einen 
ı Körper tropfbar flüffig zu nennen. Mad) der Verſchiedenheit der Körper 
nich eine verfchiebene Temperatur zur Hervorbringung dieſes Zuftandes erfos 
fodaß manche ſchon bei der gewöhnlichen mittiern Luftwärme ober noch vor 
ziühen ſchmelzen, wieder andre einen noch hoͤhern Brad ber Hige dazu erfo⸗ 
und endlidy manche felbft bei den hoͤchſten Wärmegraben, bie wir hervorzu⸗ 
u im Stande find, durchaus nicht zum Schmelzen kommen. Quedfilber z. B. 
je ſchon bei — 35°, Waffer bei 0°, Wachs bei +- 65°, Zinn bei 4- 228°, 
ei 4 312°, Kupfer bei + 2530°, Eifen bei 4 12,000° ıc. Vermehrt man 
mperatur eines gefchmolzenen Koͤrpers noch weiter bis zu einer gewiſſen Höhe, 
mt der Körper Luft: oder Gasgeſtalt an. In vielen Fällen wird die Schmel⸗ 
buscch eine Verbindung verfchiedener Subftanzen befördert. Kupfer mit Zimt 
%t fließt leichter als für ſich; reine Thonerde ift nicht für ſich allein und nur 
bindung mit Kali fhmelzbar. Die Art und Weife, wie die Schmelzung 
t, ſowie die Nebenumftände, find auch bei verfchiedenen Körpern verfchies 
-— Nach Entdedung des Balvanismus (f.d.), hat man benfelben ans 
bet, um fehr hohe Temperaturgrade bervorzubringen und dadurch das 
elzen der ſchwerfluͤſſigſten Körper zu erleichtern. Näheres über biefe interefs 
Verfuche, gleichwie über bie andern neueften auf den Schmelzsungeprocef 
babenden Entbedungen findet man in Klaproth's und Wolff’s „Chem. 
eb.” (Berlin 1819, m. d. Suppiem. 9 Bbe.). 
Schmelzmalerei, f. Email. 
Schmerz nennt man eine eigenthümliche hervorflechende umb unangenehme 
ndung. Urfprünglich bezieht fich diefed Wort nur auf unangenehme koͤrper⸗ 
mpfindungen; dann aber bezieht man es aud auf Untuftgefühle, tie inte. 


810 Schmerzftillende Mittel 


Geele felbft ren Grund haben. Sprechen wir nım von jenen puerſt, 
: wie, daß nicht die Sinnesorgane eigentlicd, ber Gig des Sch fünt 
den stur von gewiſſen Gegenſtaͤnden angenehm oder unangenehm bei 
ohne Gefühl von Schmerz. Ein unangenehmer Geſchmack z. B. 
Schmerz, edenſo wenig ais ein wibriger Geruch, das Anhören eh 
Pufttu.f.f. Allein das Sinnesorgan felbft, als Theil bes Drganikı 
dem Bansen an und iſt infofern auch mit Nerven des Bemeingefül 
folglich auch durch dieſes felbft des Schmerzes fähig. Der koͤrperliche 
fieht demnach von einer heftigen und beſchraͤnkenden Einwirkung auf 
des Gemeingefuͤhls. Eine ſolche Einwirkung kann theils von Aufen 
nämlic, von miechanifchen Urfachen, von Verlegung des Zuſammen 
Stich, Schmitt, heftigen Stoß oder Druck, von chemifdyer Einwitku 
der Subftangen, 5. B. Agender Mittel, ober von organifch einwirkenden 
Leit eines Theile in feiner Ordnung flörenden Dingen ; theils aber kann 
von Innen felbft erzeugt werben durch die widrige Aufregung bes Gi 
mittelſt gefeßtwidriger Erhebung eines Drgan In dem Körper vor ben 
durch die Harmonie aufgehoben wird und ein Theil bes Nerven In fein 
eine Störung und Hemmung erfahren muß. &o 5. B. erregt jede En 
Innern um fo mehr Schmerz, je reichlicher ber entzimdete Theil mit 
ſehen iſt, daher iſt auch jedes Fieber mit fchmerzbaften Empfimbur 
Gliedern verbunden, und je größer dies Schmerzgefuͤhl ift, auf bei 
Stoͤrungen der Geſundheit ift zu ſchlleßen. — Der körperliche Sch 
feinen Solgen nachtheilig, aber auch wohlthätig fein: Das erftere iſt 
niederfchlagende Einwirkung alıf das Gemuͤth, durch die Verhinderun 
fes bei Kranken, wenn er anhaltend und heftig tft, durch die Störung 
tungen des Übrigen Theils des Nervenſyſtems, welche zuweilen burd 
anhaltenden Schmerz fo heftig werben können, daß bloß hiervon bet 
Wohlthaͤtige Folgen kann der Schmerz haben, indem er die Seele a 
auf das Leiden ihres Körpers macht, als es ohne ihn gefchehen würd 
den Menſchen antreibt, ſich um Huͤlfe zu bemühen. Aber auch ale n 
leitungsmittel wirft der Schmerz oft heilfam auf die verirrte Aufmı 
Seele, wenn das Bewußtſein felbft ſchlummert oder unterdruͤckt iſt. 
wir nicht überfehen, daß der Schmerz felbft ein Zeichen wiederkehren 
—* iſt, wenn er naͤmlich nicht empfunden wurde, ba doch die Urſachen 
anbden, 3.8. bei Lähmung bes Nerven, bei gänzlicher Unthätigkeit' 
Verhärtungen und manchen Ealten Gefchwülften. Endlich müffen wiı 
Anſchlag bringen, dag der Schmerz ald Zaum und Gebiß für das be 
lichen Genuͤſſen und als moralifches Zuchtmittel bei manchen wohlthät 
sen harte Haut fhon ſtarke Schläge verlangt, wenn das moralifche 
erwachen fol. “Jeder zu hoch getriebene Genuß wird zum Schmerz, 
ftörendes Object für das Gemeingefühl wirkt und alfo Schmerz erreg 
Aufbören eines jeden Schmerzes ſchon an ſich als Luſt empfunden n 
Störung in ben Nervenverrichtungen des Gemeingefühls aufhört un 
gefühl wieder zur vorigen Klarheit und Ruhe zuruͤckkehrt. 
Schmerzftillende Mittel, ſ.nodyna. Die unmittelb 
flilenden Mittel benehmen durch ihre betäubende Grundlage den Re 
meingefühl& die Empfänglichkeit für ben Gegenftand bes Schmerzes w 
demnach die Seele an der Wahrnehmung befielben. Ihr Gebrauch 
ftattfinden, wo die Urfache des Schmerzes nicht gehoben oder nicht | 
fernt werden kann, als es die Heftigkeit deſſelben erfobert; ferner da, 
Drud bes Schmerzes ſelbſt nachtheiliger wirkt als feine Urſachen, indem 
Störung des Schlafes tie alunllüge Entiinettiung iin Krankheit verb 


Schmettau (Reichögrafen von) Schmetterlinge 811 


t aber nicht angewendet werben, wo man bie Urfache des Schmerzes kennt 
fernen kann, fondern hier muß der Arzt ſolche Mittel anwenden, welche bie 
er des Schmerzes, 3. B. Blutanhaͤufung, Entzündung, Verletzung von 
fremden Körper u. a. m., entfernen. 
Schmettau (Brafenv.). 1) Samuel, Reichsgraf von Schm., koͤnigl. 
Generalfeldmarſchall, Grand Maitre d’Artillerie, Mitter des ſchwarzen 
edens, erfter Curator der koͤnigl. Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin, 
554. Er focht zuerfi in einem fürftl. anfpadyifchen Regiment, weldyes in 
- Dienften ftand, unter Prinz Eugen und Marlborough bei Hochſtaͤdt 170%; 
sat er in polnifche Dienfte, wo er bei den bortigen fogen. Confsberationsuns 
sen Könige Auguft wichtige Dienfte leiftete,, der ihn auch nach der Schlacht 
walewe zum Oberften ber Artillerie ernannte. Nach der Schlacht bei Bel 
717 trat er in Öftreich. Dienfte und wurde, nachdem die Türken beruhigt 
„ gegen die Spanier nach Sicilien geſchickt, wo er als Generalfeldwachtmei⸗ 
der Schlacht bei Villafranca rühmlichft focht, worauf ihm der Oberbefehl 
* Belagerung von Meffina anvertraut wurde (1720). 1731 ging er auf 
Befehl nad) Genua, um die dortigen Aufrührer zu beruhigen. Auch dies 
Ihm, und nun zog er 1733 als Generalfeldmarſchall⸗Lieutenant unter dem 
fehl des Herzogs v. Braunſchweig⸗Bevern gegen die eindringenden Franzo⸗ 
sch dem Rhein. 1737 zog er wieder gegen bie Kürten mit gleichem Waffen: 
°, wie früher. Von ber Befhuldigung, als habe er einigen Antheil an ber 
wühmlichen Übergabe Belgrads gehabt, iſt er voͤllig freigefprochen. (Vgl. 
£’6 „Hist. des traites ete.“ XIV, 361). 1741 ward er Felbmarſchall. 
„Ausbruche des Kriegs zwifchen Eſtreich und Preußen berief ihn Friedrich II, 
N. Vaſallen, zurüd; er folgte gern, da in Wien feine Neiber ihm viel 
machten. Da er nicht wünfchte, gegen Öftreich zu fechten,, fo brauchte 
Birich mehr ald Geſandten, zuerſt nad; München, dann an Kalfer Kart VII. 
den König von Frankreich. Er ftarb zu Berlin 1751. Er hat in 28 Schlach⸗ 
MB bei 32 Belagerungen mitgefochten — 2) Kari Chriſtoph, Meiches 
on Schm., Eönigl. preuß. Generallieut., Ritter des ſchwarzen Adlerordens, 
696, des Worigen Bruder, ſtand zuerft in Öftreih., dann während des 
ähr. Kriegs in preuß. Dienften; er vertheidigte Dresden 1759. 
Schmetterlinge oder Zweifalter find geflägelte Inſekten (ſ. d.), 
die 3. Ordnung diefer Claſſe von Thieren einnehmen ; fie charakteriſiten fich 
4 beftaubte Flügel und eine fpiralföcmige Zunge. Der Staub ihrer Flügel 
aus einer Menge kleiner Schuppen ; ihre Nahrung im Safte ber Blumen, 
d auch mehre nichts zu genießen fcheinen. Um ihre Art fortzupflangen und 
Aſtaͤndige Ausbildung zu erhalten, durchlaufen fie mehre unvollkommene Zus 
. Das Weibchen legt Eier, aus welchen Larven (Raupen) mit nicht we- 
als 8, aber nicht mehr als 16 Süßen kriechen, die fehr gefräßig find, fich 
Male häuten und in den Zuftand der Puppen übergehen, wo fie mehre Zeit 
Rahruug faft leblos verweilen und unterdeffen fich zum vollkommenen Infekt, 
it Gefchlechtäunterfchied verfehen iſt, entwideln. Waͤhrend des Puppenzu: 
8 erzeugt ſich in ihnen rothes Blut, was zur volltommenen Ausbildung des 
etterlings nothwendig und ſtets im Überfluffe vorhanden if. Das nicht vers 
te entläßt ber ausgekrochene Zroeifalter tropfenweis, wo es dann oft für 
gen gehalten wird. Man findet Zweifalter, die des Tages umberfchwärs 
nd beim Sigen ihre Ftügel in die Höhe halten, fie werden Tagevoͤgel (Pa- 
genannt; andre haben einen bidern und rauhern Körper, ein Theil bavon 
mt in der Dämmerung, fie heißen Daͤmmerungsvoͤgel (Sphinx); ein and» 
» Pachtoögel (Phalaena), find in der Nacht am gefhäftigften. Die Raupen 
‚geoögel haben alle 16 Füße; fie verpuppen ſich ohne Beipiankt , Inte Yuyyen 








si? Schmid (Karl Chriſtian Ehrhard) 


find gewoͤhnlich golbfarbig (Chryfaliden) , hängen ſich an dem Hinterkhell 
Eoramen in 3 Wochen aus. Zu dieſen Vögeln gehören diejenigen Veiß 
sen Raupen unfern Obſt⸗ und Küchengewähfen oft großen Schade 
Die Dämmerungsvögel haben Raupen, die mit dem Oberleibe gewöhrät 
figen (daher der Name Sphinx) und ſich unter ber Erbe ohne Geſpimiſter 
Die Vögel felbft ſchwirren beim Stiegen, weßhalb fie Schroärmer heie 
ſehr fchnell und legen beim Stilffigen die Flügel dicht an ben Leib. D 
milchraupe, LZindenraupe, die bed Todtenkopfes, find bie bekannteſten 
ſchlechts. Das Geſchlecht ber Nachtvoͤgel iſt an Arten weit zahlreicher ı 
ben vorigen, und ihre Raupen find weit ſchaͤdlicher. Weide, Voͤgel uml 
find des Nachts fehr munter , diefe verfriechen fi) oft am Tage in die & 
hen erft des Nachts auf Nahrung aus. Sie verpuppen fich alle, Died 
ausgenommen, in feidenartiges Gefpinnfl. Bon mehren Arten, von 
ber Seidenraupe (Phal. bombyx mori) fammelt man biefes Gefpinnfl ı 
beitet e8 als Seide (f. d.). Außerdem gibt die Raupe des Atlasvog 
300 breit ift, in China wilde Seide, die fpinnewebenartig im bie Citzs 
gefponnen ift und ba gefammelt wird. Auch liefert die Phal. noctua scı 
pan eine fehr leichte Seide, ſodaß 10 lange Frauenkleider, bie davon g 
nur ein Pfund wiegen. Zu den ſchaͤdlichen Raupen dieſer Wögel zäh 
Stammraupe, die Ringelraupe, die Fichtenraupe, die Proceffiontn 
Ochſenheimer's treffl. Werk: „Die Schmetterlinge von Europa”, ha 
Treitſchke fortgefegt (Leipzig 1825 fg., 6. Bde. 1. Abth., 1877). 
Schmid (Karl Epriftian Ehrhard), Prof. der Theologie und 9 
zu Jena, ein ebenfo vielfeitig als gründlich gebilteter Gelehrter, trug 
Schriften viel zur Verbreitung der Kant’fchen Philofophie bei. Geb. gu 
im Weimarfchen d. 24. Dct. 1761, und von feinem Vater, Pfarrer bs 
‚Univerfität gut vorbereitet, fubirte er.in Jena Theologie und verband! 
lologte, Geſchichte, Philofophie, Mathematik, Naturwiſſenſchaft un 
As Privardocent zu Jena (feit 1783) machte er ſich mit dem Geifte de 
faft unbeachteten Schriften des großen koͤnigsberger Philoſophen befan 
Schm.'s „Kritik der reinen Vernunft, im Grundriffe zu Vorleſungen 
nem Wörterbuche zum leichtern Gebrauche der Kant ſchen Schriften” (A 
erfchien (ohne das MWörterb.) die 4. Aufl. 1798. Gein „Verf. einer 
loſophie“ (Sena 1790, 4. A. 1802) zeichnete ſich ebenfo durdy Tiefe 
Klarheit aus; Kant’ „Zugendlehre‘, bie fpäter erſchien, hatte nicht Di 
lendung. Durch feine „Empiriſche Pſychologie“ (Jena 1791, 2. A. 179 
bahnte er der Behandlung der Pſychologie nach Kant'ſchen Grundſaͤtzen 
der neuerlich gefoderten pſychologiſchen Behandlung der Philoſophie uͤbe 
Meg. 1791 erhielt Sch. einen Ruf als ordentl. Prof. der Philofophi 
fen. Hier ward er wegen ber Herausgabe der feltenen Schrift: „De tri 
storibus ete.‘, zur®erantwortung gezogen; balb nachher 1793 folgte ex 
nad) Jena als Diakonus und als ordentl. Prof. der Phitofophie. Seit 
er, als Lehrer und Schriftſteller gleich thätig, bei der großen Umgefl 
Philoſophie nach Kant's Grundfägen oder nach der Eritifchen Methode. 
nen nur f. „Phnfiologie, philofophifch bearbeitet‘ (3 Bde., 1798—1A 
aber entwidelte fid, in Jena aus ber Kant’fchen Schule felbft eine Art; 
phiren, welche über die durch jene als nothwendig gefundenen Grenx 
fhreitend, aus einem Sage alle Wahrheit abzuleiten verfuchte. Da © 
Michtung, welche Alte mit ſich fortzog , feſt widerfland, fo gerieth er 
in Streit, ber in f. „Philofophifchen Journal (II, 4) den klaren Schm. ı 
fophen für „Nichts“ erklärte. Diefer fogen. Annihilationsact iſt auch inꝰ 
Leben abgedruckt. Schwa. voucde KISS hritter Wrok der Theol. und 180 


Schmid (Karl Ernſt) Schmidt (Michael Ignaz) 818 


gie, 1804 erhielt er vom Herzog von S.⸗Gotha ben Titel eines Kirchen⸗ 
. Aa den legten 6 Jahren feine® Lebens leitete er ein von ihm errichtete® 
angsinſtitut und half 1809 einen Verein fliften, der reinere Begriffe von 
web ein fittlich-wiffenfchaftliche® Leben unter den Studirenden befördern, dem 
Bivefen aber feuern follte. Schm.'s legte Schriften find f. „Adiaphora” - 
5 1809) und f. „Algen. Encyklop. und Methodologie ber Wiſſenſchaften“ 
1810). Er ftarb zu Jena 1813. 
Schmid (Karl Emft), Dr., herzogl. fächf. Geh.-Rath, jegt erfter Kath 
meinfchaftl. großherzogl. und herzogl. ſaͤchſ. und fuͤrſtl. reußiſchen Oberappels 
gerichts zu Jena, auf der nicht akademiſchen Seite deſſelben, iſt geb. 1774 
imar, aus einer Familie, welche feit einer langen Reihe von Jahren dem 
: Beamte und der Univerfität Jena Lehrer faſt in allen Fächern geliefert 
Schm. ſtudirte zu Jena 1793 —96 und war im Begriff, ſich der akademiſchen 
hn zu widmen, als er 1797 einen Ruf nach Balreuth zur Mebaction der 
a polit. Zeitung annahm, weldye ex bi6 1804 führte. Daneben betrat er 
mwöhnlichen Weg ber Vorbereitung zum Staatsdienft, als Aufcultator und 
abarius bei der dortigen Regierung und und wurde 1803 als Criminalrath 
304 als Stadtgerichtsrath angefteltt. Nachdem die Provinz Baireuth an 
wich, abgetreten war, ging er 1807 als Megierungs» und Conſiſtorialrath 
Sübburghaufen, 1809 als ordenel. Profeffor der Rechte nad) Jena, 1810 
B Mitglied des geh. Rathscollegii wieder nach Hildburghaufen, wo er 1811 
Äftdent fämmtlicher Landescollegien und 1812 Geh.⸗Rath wurde. Nachbens 
16 den Gonferenzen zur Errichtung des gemeinfchaftlichen Oberappellations⸗ 
Bund Abfafjung der Gerichtsorbnung beigewohnt hatte, trat er felbft in daſ⸗ 
be ımd bat feitdern auch Vorleſungen vorzuͤglich über Staatstecht gehalten. 
ftſtelleriſche Thaͤtigkeit ift großentheild auf eine ziemlich lebhafte Theil⸗ 
—* „Jen. allgem. Literaturzeitung“, ber „Leipziger Literaturzeitung“, 
BE. Converſationsbl.“ und am „Hermes“ gerichtet geweſen, deſſen Redaction 
dem Tode des verewigten Stifters übernahm. Auch zu unſerer, Real⸗Ency⸗ 
je" Hat er wichtige Beiträge aus dem Staatsrechte und ber Rechtswiſſenſchaft 
upt geliefert. Außer einigen Eleinen Schriften („Über Kriegsſchaͤden“, 1808 ; 
ſchlands Wiedergeburt“, 1814; „Über das Bürgerrecht der Juden“, 1816; 
ben Nachdruck“, 1823; eine Schrift zur Vertheidigung des Geh.⸗Oberme⸗ 
aths Kohlrauſch zu Berlin, gegen ein Urtheil des koͤnigl. Kammergericht, 
iſt fein „Lehrbud) bed Staatsrechts (Jena 1821, 1. Abth.) zu bemerken. 
unternahm er ein größere® Werk über das geſammte franz. Recht, deflen 
ung durch Äußere Umftände gehemmt und endlich burdy den Umſturz der 
Herrſchaft ganz unterbrochen wurde. Man kann ihm nicht vorwerfen, bies 
reſchaft gefchmeichelt zu haben; jenes Wert enthält mehr, als damals ein 
freimuͤthige Kritiken der franz. Geſetzgebung. Schm. Hält ſich zu ber Mino⸗ 
w beutfchen Suriften, welche In der Rechtswiſſenſchaft auf die Verbindung 
ſchichte mit der Philofophie bringen und bie eine ohne bie andre für unvolls 


Schmidt (Michael Ignaz), einer der verdienſtvollſten Gefchichtfchreiber 
biande, geb. 1736 zu Arnftein, einer Stadt im vorm. Hochſtift Würzburg, 
m erften Unterricht in ſ. Vaterſtadt, und nach dem Tode f. Vaters 1749 auf 
yanaftun zu Würzburg erhalten. Er wählte den Stand eines Weltgeiſtlichen 
Kbeßhalb in das biſchoͤfl. Seminartum, wo er außer ber Theologie ſich beſon⸗ 
e Gefchichte, Philofophie und der frange Sprache befchäftigte. Nach 5jähr. 
yalt in dem Seminarium ward er Licentiat der Theologie und Prieſter, und 
lan zu Haßfurt angeftellt ; bald darauf kam er nad, Bamberg als Haus⸗ 
a dem SBroßhofmeifter v. Rothenhan, einem Manne von vielen Kent 





. 270€ seyn se ein wupysue 


eines geifttichen Ratha mit Sig und Stimme in der g 
war er ernſtlich auf die Verbefferung bes Schuls und 
wobei er von feinem Landesherrn möglichft unterftü 
Hatte er indeffen durch feine ſchaͤtzbare Schrift über bi 
(„Methodus tradendi prima elementa religionie , 
Bamberg und Wuͤrzb. 1769) auf die Reformation v 
Beit fliftete ber Fuͤrſtbiſchof mit Schm.’s Zujiehung un! 
für Candfauliehrer, eins der erften in Deutfcyland, 1 
ten großen Beifall fand. 1772 erfchien f. Geſchichte t 
und Leipzig; ber eigentliche Verlagsort war Würzburg 
philoſophifchen Beobachtungsgeiſte feines Verfaffers 1 
Empfehlung Karls v. Dalberg (nachmaligen Großherze 
zum Mitgliede der Akademie der Wiffenfchaften in Exfı 
ex bie Herausgabe feiner „Befchichte ber Deutſchen“, 

Leben widmete. Diefem Werke verbankte er feinen I 
Bibliothek, welchen er aber ablehnen mußte. Indeſſ 
um die dortigen Archive zur Forfegumg feiner Befchicht: 
Kolferin ihm ihren Antrag, in ihre Dienfte zu treter 
denfelben, ohne weiter auf ben Fuͤrſtbiſchof zu achten 
wirklicher kaiſerl. Hoftath und Director des Haus s ur 
Der Kalfer Joſeph kannte Schm.’s Werth und benug 
daß er ihn zum Mitgllede des neu organificten Genfu 
in der Gefchichte für feinen Neffen und Thronfolger 
von ftreidh, ernannte. Nachdem er 14 Jahre in Wien 
Er war der Exfte, welcher eine Befchichte ber deutfchen 
Vorgänger bearbeiteten nur deutſche Kaiſer⸗, Reiche 
ſchichte. Seine Hauptabficht war, zu zeigen, wie Di 
gen Sitten, Aufliärung, Gefege, Künfte und Wiflen 
feine Staats und Kirhenverfaffung erhalten habe, | 
ſel, was es wirklich if. Und fo war bie Bildimgäge 
nehmfter oaenftanb. Gomeit er biefen durch feinen I 


Schmidt (Johann Ernft Ehriftian) Schminke 815 


“, 8Bbe. (1783—93), und „Neuere Gefchichte”, 17 Bbe. (1785 — 
— Für bie Befiger der ulmer und wiener Ausg. ift v. Dreſch's „Geld. 
hlands felt dem Rheinbunde“, 3. Abth. (Ulm 1824 fg.), auch als Fortſ. 
hen.⸗Milbiller ſchen „Neuern Geſch. dee Deutfchen”, 18., 19. und 20. Bb., 
eben werden. Der Vonfländigkeit halber führen wir hier noch an: Joſeph 
jeg’6 „‚Wefchichte des deutſchen Reichs unter Kalfer Kranz II.” 
Schmidt (Johann Ernſt Chriftian), großherzogl. heſſiſcher Geh.⸗Rath 
ſter Prof. der Theologie an der Univerſitaͤt zu Gießen, iſt 1772 zu Buſen⸗ 
t Öberbeffen geb., wo fein Water Prediger war. Auf ſich felbft vertiefen 
er fon früh, fi) mit Begenftänden des Wiſſens zu befchäftigen, beſon⸗ 
it Raturgefchichte und Geometrie. Mit dem 11. Jahre begann fein Mater, 
? bequemere Stelle erhalten hatte, das Studium der alten Sprechen einzu» 
obne jedoch dem an Selbfiunterricht bereitd gemöhnten, aufſtrebenden jun⸗ 
Aſte Feſſeln anzulegen. Won den griech. unb lat. Dichten ging Schm. zu ben 
gen Über, erlernte das Arabifche, Syriſche und Chaldäifche ohne andre 
fe als die der Bücher und begann nebft Philoſophie die theologiſchen Wiſſen⸗ 
a, beſonders Dogmatik, zu ftudiren. 1788 bezog or die Univerfität, wo er 
1b Jahre zubracdhte; auch hier nicht fowol ducch den Beſuch der Collegien 
vb ſtets ſtrenger geordnetes Selbſtſtudium fi) Bahn brechend in dem autge⸗ 
u Felde der theologiſchen Wiſſenſchaften. Die Schriften von Herder und 
x zeigten dem allfeitig umgreifenden Sünglinge ben Weg in dem Labyrinth 
bm ihm Veranlaffung, ein planmäßige® Studium gu beginnen. Erklaͤrung 
nen Teſtaments, Kirchengefchichte und Patriftit waren feine Hauptbefchäfs 
. 1791 beftand er die Prüfungen ber Candidaten des Prebigeramtes ehren» 
w gab im naͤchſten Jahr die erfle Probe feiner Gelehrſamkeit und feines 
ns in einer neuen Überfesung und Erklärung des fogen. „Segens be 
s im folgenden Jahre erfchien von ihm: „Salomo’d Prediger oder Kohe⸗ 
ehren, Verſuch einer neuen Überfegung und richtigen Erklärung” (Gießen 
1793 trat er als Privatdocent auf und lehrte mit vielem Beifall; es 
ıber, als habe fich in diefer Zeit Mancherlei vereinigt, f. Ausfichten zu trüben 
ver Wunfche, als atademifcher Lehrer Unterftügung zu finden, entgegen zu 
Er übernahm daher die 4. Lehrerftelle am akademiſchen Pädagogium, 
= bie 1798 bekleidete. Mehre philologifche und theologifhhe Schriften und 
‚Hungen fchreiben ſich aus dieſer Zeit her, too befonders f. „Clavis über das 
.“, den fpäter Welcker fortfegte, zu nennen ift. 1798 wurde er orbentt. 
er Theologie, und gab nun, unermüdet auch als Lehrer, wiſſenſchaftliche 
en aus den verfchiedenen Zweigen der Theologie heraus, unter welhen (f. 
e’6 „Heſſiſche Gelehrtengeſchichte“) befonder® feine „Kirchengeſchichte 
ı 1801—20, 6 Thle, vom 1. und 2. Bde. iſt eine 2. Aufl. erfchienen), um 
indlichkeit der Forſchung, der Gelehrſamkeit und des Scharfſinns bei Bes 
ber beſten Quellen und der vielfach Höchft originelien, tiefen und geiftreichen 
m willm, den allgemeinen Beifall der gelehrten Welt erhalten hat und feis 
men der Nachwelt überliefern wird. Don f. „Lehrb. der chriſtl. Kirchen⸗ 
te” erſchien 1827 die 3.4. Auch um die heſſiſche Geſchichtskunde hat er 
& f. „Sefchichte des Großherzogthums Hefſen“ (bis jegt 2 Thie., 1818 fg.) 
; gemadht. 65. 
ihmirgel, Smirgel. Diefes Mineral befteht aus unreinen, feins 
ı, blaulich⸗grauen Abänderungen bed Sapphire oder Korunds und kommt 
fentopfe in Sachſen, in Spanien ımd auf der Inſel Naros vor. Er wirb 
H gefhlemmt und beim Schleifen, Sägen und Bohren der Ebelfteine ıc. 
idet. 
ich minke, ein Mittel, wodurch man bie Flecke und ſchlechte Farbe der 


816 Schmußer 


Haut zu verbeffern und ihr ein jugenbliches, friſches Anſehen zu geben 
fchon bei den Griechen und Römern, ia felbft bei den Hebräern im Behr: 
wurde aus fehr verfchiedenen, bisweilen in hohem Grabe nachtheifigen ( 
reitet. — Die weiße Schminke wird meiftens aus Kreide (vdn Bi: 
Wismuthoryd bereitet. Aber die Kreide verftopft die Hautporen nd 
Ausbünftung; das Wismuthoryd wird ſchwarz, wenn es mit gefelkefi 
ferftoffgas in Berührung kommt. Da nun diefes häufig in ber Luft vo 
fo bekommen die Frauen, welche ſich diefer Schminke bedienen, gewoͤl 
ſehr Häglichen Teint. Darum bereitet man die weiße Schminke auı 
Kreide, zu ber ein wenig sperma ceti binzugefegt wird. — Zur B 
eothen Schminke bedient man ſich theild (vorzüglich auf dem Theater) 
bers, der manchmal Speichelfluß und andre Zufälle erregt; theils bere 
aus Safran; theild wird Garmin vermittelft ein wenig Schleim üı 
ſchwebend erhalten (vinaigre de rouge); ober es wird ein wollenes Laᷣ 
pon) fo mit der Farbe getraͤnkt, daß es, angefeuchtet, bie Haut färbt, 1 
trieben wird. — Im Altgenieinen ift jede Schminke der Haut und ihrer 
nachtheilig. Die erftere wird raub, troden, ſchmutzig; die legtere wirt 

Schmöllnig (ungar. Szamolnok), ein Bergfleden in der C 
Zips, unter 48° 35’N.B. und 38° 25° d.. (nach Lipsky's Chan 
von Bergen umgebenen, engen und häufigen überſchwemmungen audgı 
gelegen, hat meift hölzerne Häufer, worunter der Kammerhof, die neue 
evangel. Pfarrkirche, fowie die wichtige Münze (für Kupfergelb mit d 
ben S) zu bemerken. Die Einw. (5450) find meiftens Deutfche, meld 
gründner Dialekt ſprechen und ſich vom Bergbau nähren. Die ſchmoͤl 
beftehen aus einem blaulichen, mit Glimmer gemifchten Thonfchiefer, 
pfererzgebirge wird in 3 Felder, das Öftliche, mittlere und weſtlich⸗ 
welche Erzlager ſaͤmmtlich aber fehr verbauen und hoffnungsarm fin! 
Läuft fic die jährliche Ausbeute des ſchmoͤllnitzer Bergbezirks noch auf 
Silber und 20,000 Gtr. Kupfer (morunter 1000 Etr. Caͤmentkupfer 
Schwefel, Schwefelblumen und Kupfervitriol gewonnen. Die hydra 
ſchinen, zumal bie zu Heraufbringung des Gämentwaffers, find fehent 
ſchon vor alten Zeiten unter Zapolya und Bathory gangbare Bergbau 
lich auf Rechnung der Regierung betrieben, ſeitdem bie gräfl. Cſakr 
die eine Hälfte des Dominiums durdy Gonfiscation verloren und bie 
Tauſch veräußert hat, und wird durch einen unmittelbar unter ber Si 
Wien ftehenden Oberinfpector dirigirt, welcher zugleich dem hier befin 
berggericht über die oberungarifchen Bergwerke beifist. 

Schmutz er (Jakob Matthäus), der berühmtefte aus einer nid 
ten Künftierfamilie, Sohn von Andreas Schm., geb. 1733 u 
im 7.3. zur Waife. Ein reicher Verwandter, Fleiſcher feines Hand 
ſich des fehr armen Knaben an; er mußte die zur Schlachtbank beflin 
mel auf einer Wiefe nahe bei der Kunftatademie hüten. Aber ein 
Drange folgend, übergab Schm. feine Heerbe einem mitweibenben 
beſuchte die Zeichenfäle, wo f. Fleiß Aufmunterung, aber f. uͤbelriech 
Anftog fanden. Da trat Matth. Donner ein und verfchaffte Mittel 
ber wiener Akademie fortftudiren kommte. Seine Fortfchritte erwarbe 
ner, deren entfcheidender Einfluß ihn ber Kupferftechertunft beftim 
mandherlei Übungen außerhalb f. Sphäre, durch die Noth veranlaft 
durch Wohlwollende und eine Heirath (1753) fo viel, daß ex ſich der 3 
kunſt ausfchließlich widmen konnte; namentlich war es der Gen. Bart 
der ihn beinahe zwang, bei f. Arbeiten dem Atzwaſſer und ber Nadel 
und nur das Brabeifen zu ahrankım. Ex hat in biefer ſchwierigen? 


Schnecken Schnee | 817 


geleiftet. Sein Zalent hatte ihm die Gunſt des Fuͤrſten Kaunitz ertworben, 
m die Moͤglichkeit verfchaffte, in einer forgenfeelen Lage 1762 eine Reife nad) 
z zu machen. Unter Wille that er fidy bald hervor. Er war ber Befte in dem 
?, der fih um Wille gebildet hatte. Ein Bild des Zürften Kaunitz, Le goute 
nd nach Terbourg, der Sefchirrflider nad) Kraus, und die Savoyardin, wel⸗ 
wen Sohn die Leier fpielen lehrt, nach Greuze, erwarben ihm in Paris Bels 
nd Auszeichnung. 1766 kehrte er nach Wien zuruͤck, warb Hofkupferſtecher, 
arauf Director der neuen Akademie für Zeichnung und Kupferſtechkunſt. Als 
Director aller erbländifchen Normalzeichenſchulen feit 1771, hatte er viel Eins 
nf Hebung der inländifchen Induſtrie durch gefaͤllige Muſter. Bei der nach⸗ 
en Veraͤnderung in der innern Einrichtung behielt ex Aber ſtets die oberfte Lei⸗ 
der Kupferſtecherſchule bei. Unter der Menge feiner vortrefflichen Blaͤtter 
en fich feine Arbeiten nach Rubens aus, deffen Eigenthümlichkeiten Ihm am 
zuzuſagen fchienen. Wenige möchten fo berufen geweſen fein, ſich an dieſen 
rigen Meifter zu wagen. Gerade diefe fich hervorhebenbe Anordnung, bie 
nigfaltigkeit der kuͤhnſten Stellungen und bie kraͤftigen Gegenfäge von Licht 
Schatten wußte Schm. mit uͤberraſchender Geſchicklichkeit wiederzugeben. 
Mucius Scaͤvola, 1775, und ſ. heil. Ambroſius, der dem Theodoſius den 
ng zur Kirche verwehrt (nach Gemälden der fuͤrſtl. Kaunip’fchen und der Gas 
bes Belvedere), die Geburt der Venus, 1790, und Neptun und Thetis, 1792 
ber gräfl. Schoͤnborn ſchen Sammlung), find hiervon die vollgültigften Be⸗ 
»  Ebenfo bewunbernewerth hat er ſich in? großen BI. gezeigt, einer Jagd 
Luchſen auf Steinböde (nad) Ruthart) aus der Galerie Lichtenftein 1804, und 
em andern, mo Adler Schlangen und einen Wolf erlegt haben (nach Sneyder, 
Ades Hrn. v. Birkenftod). Der Grabſtichel iſt hier mit unglaublicher Mei» 
geführt, und das Metallifche, welches man in andern Blättern bemerkt, 
vermieden. Auch mehre Büdniffe ber Kaiferin Maria Therefia, des Für: 
nis, namentlic, das en medaillon nach einem Bronzerelief von Hagenauer, 
Zw. gehören zu den Prachtſtuͤcken jeder Sammlung. Das Verdienftliche feiner 
Me erkennt man in den Arbeiten von Kohl, Sohn u. ſ. w. wieder. Schm. 
(nad; Bartfch) 1806. 
Schnecken, f. Schalthiere. 
Schnee, ein Erzeugniß geftorener Wafferdünfte. Die durchfichtigen elaftis 
Waſſerduͤnſte werden in der obern Luft durch die Kälte zu Nebel oder Wolken, 
der Beinen Dunftbläschen, weicher Zuftand ihrer gänzlichen Niederfchlagung 
kaffer vorangeht. Haben dieſe Bläschen durch die Kälte allen Wärmefloff ver» 
fo ſchießen fie unter gemiffen Umftänden in kleine Eisnadeln an, welche ſich 
ge in ber Luft ſchwebend erhalten, bis die Wolke, zu der fie gehörten, ihre 
icitaͤt verloren hat. Nun fallen fie herab, und fegen ſich, wenn fie unterwegt 
ee nahe kommen, meift unter Winkeln von 60, aber auch von 30 und 120 
3 ar. Mad) Befchaffenheit der Atmofphäre und des Windes verbinden ſich 
rehr, bald weniger Eisnaͤbelchen mit einander zu einem Ganzen, welches wir 
nennen, und welches bei näherer Unterfuchung eine fehr regelmäßige Bildung 
Eine ſolche Schneeflode befteht aus lauter fechBedigen Sternchen von vers 
zer Größe und — die fechBedige Figur ausgenommen — von unbefchreiblich 
Igfaltiger Bildung und Iufammenfegung. Se kälter die Luft iſt, defto Eleiner 
e Flocken, ja bei fehr firenger Kälte fallen die einfachen Nadeln felbft herab; 
Die Pole hin ift der Schnee dem Staube aͤhnlich. Dagegen find die Schnee- 
t zum fo größer, je gelinder das Wetter ft. Wegen feiner großen Lockerheit 
er Schuec fehr langfam herab, fenkt ſich auch, wenn er einige Zeit gelegen hat, 
De im Verhaͤltniß des Raums, welchen er füllt, nur wenig Waffer. Er iſt, 
1 Waſſer und Eis, der Verduͤnſtimg unterworfen, befonders (halt irkiae, 
WsBer. Siebente Aufl, Sb. IX. 52 





Jenleits des juduchen Wenderrenes Fängt er ſcon etwas fri 
dem Suͤdpole hin trifft man weit eher unaufhörliches Schr 
Nordpol zu. Hohe Berge, wie die Schweiſeralpen, der 2 
Südafrika und felbft die Andes und Cordilleras unter od 
amerika haben ewigen Schnee. — Der Schnee ift von wohl 
dem heftigften Froſte der Polargegenden bleibt die Temper 
der Oberfläche des Schnees immer die des aufthauenden E 
welche Dede er dem Exbboden mit den darauf befindlichen ! 
wie warm felbft bie umter dem 6 — 8 Ellen hohen Schne 
Polarmenfchen liegen müffen. Auch bei ung ift der Schne 
unentbehrliche Dede; viele Gewaͤchfe gehen, wenn er fehlt 
ſchadet er felbft den zarteften Gewaͤchſen nicht, die gar feine 
Sie liegen ſicher darunter, unb einige Pflanzen wach[en ım 
fer Dede. Ebenſo ſchuͤtzt der Schnee den thieriſchen Koͤr 
Wirkungen einer übermäßigen Kälte. eifende, von der. 
den Schnee begraben wurden, lebten wieber auf, da fiec 
wacht wären. Daher wählen fid) auch die Bewohner der 9 
vor Ermüdung oder der Nacht wegen ihre Winterwohnung / 
fo tief als möglich in den Schnee ein, und fegen nad) einig 
Reife weiter fort. Der Schnee auf den Gebirgen iſt ein 
Quellen. Irrig ift e&, ibm eine befondere befcuchtende A 
den Pflanzen nur als Feuchtigkeit und al6 Dede gegen die 
padius s „Grumdrig der Atmofphärologie” (Freiberg 1808 

Schneeberg, mwohlgebaute Bergftabt im erjgebir, 
reichs Sachſen, auf einem Berge, unweit ber Mulde, au 
abgeleitet iſt, worauf das Helz nad) Schneeberg geflößt wi 
hen, darunter die Stadtkirche eine der ſchoͤnſten im Landı 
€. , welche vom Bergbau, von Verfertigumg von Seiden⸗ 
den, Pofamentirs und Dredhelerarbeit, von Arzneimaarenb 
wei leben, und Spigenhandel treiben. Es find hier der € 
Gymnaſium, mehre Buͤrgerſchulen, worin zugleich das 


— — Ki 


Schneeloppe Schneider‘ (Eulogius) 819 


rgenzeche war vorzüglich reich. Daß Herzog Albrecht den 23. April 1477 In 
£ Grube mit ſ. Raͤthen an einer Stufe gediegenen Gilbererzes von 7 Lachtern 
te und 2 Lacdhtern Höhe, aus welcher 400 Gtnr. Silber gefhmolzen wurden, 
tft habe, iſt nach Adelung (Direct. 220) nicht erwiefen. In der Folge hat bie 
bhaltigkeit dieſer Bergwerke ſehr abgenommen; dagegen wurde man nun auf 
Robalt aufmerkfam. : Kobalt und Silber find noch jet die Haupterzeutaniffe des 
sen Bergbaus; in der Gegend wird auch Wismuth, Blei, Zinn und Eifen 
ann. 

Schneekoppe ift der Höcfte Berg (4950 chein. Fuß üb. d. Deere) auf 
ſchleſiſchen Riefengebirge(f.b.) im Fürftentyum Sauer, an der böhmifchen 
se, und ber gräfl. Familie v. Schafgotfch gehörig.” Auf bemfelben fteht eine - 
Ge, worin fonit jährlich 5 Mal kath. Bottesdienft gehalten wurde, jest aber 
Wirthſchaft ſich befindet. — Erift von dem Schneekopfe, der hoͤchſten 
je (2886, nach Andern 2975 Zuß) des Thüringerwaldes, zu unterfcheiden. 

Scäneelinie, diejenige Höbe, zu welcher ſich 3. B. Berge in einem Erd⸗ 
e erheben müflen, damit ber Schnee dort dauernd liegen bleibt; fie ift nach 
chiedenheit der Breiten verfchieben. Auf der Norbfeite des Himalayagebirae® 
u 2833 Toiſen (gegen 17,000 Fuß); auf dem Chimboraffo 26244 Xoifen 
746 F.). Humboldt fegt die Schneelinie unter dem Aquatot auf 2460 Toiſen 
E60 $.). Polwärts finkt fie immer tiefer über ber Meeresfläche. In ben Als 
unter 46° N. B. kann fie 1400 Toiſen (8400 F.) fein, folglich ſenkt fie ſich 
wden Breitengrad um 23 Toifen. In den Porenden ift fie in dee Höhe von 

Koifen (9600 F.). Gegen N. ſinkt fie fchnelter herab und am Nordcap uns 
® beträgt fie nur 366 Toiſen, ſodaß fie auf einem Breitengrade 41 Tolfen 
bat, und die Schneecurve folglich im 80° die Exdfläche berühren wuͤrde. 
geünt die Erde auf Spigbergen unter 76 — 80° Br. im Juli und Aug. 
Zeit lang. Um die umtere Gletfcherlinie zu beflimmen, muß man foldye 
wählen, die von fehr hohen, fich weit erſtreckenden Gebirgen nieberfteigen, 
m Ehamounythal und im Grindelwald. Hier fcheinen die Eismaſſen ſich bie 
ID Toiſen über das Meer hinabzufenken. In Lappland, Island, Grönland 
ven bie Bletfcher, die von den Bergen nieberhängen, das Meer unter 66 — 
woraus folgt, daß die untere Öletfcherlinie von der Alpenkette an bis gegen 
ür jeden Breitengrad ebenfalls um 23 Toifen fällt. In hoͤhern Breiten über 
wie auf Spighergen und in der Baffınsbai, ſenken fich die Bletfcher nicht nur 
E Mierresfläche herab, fondern fogar unter diefelbe hinunter. Doc, wird die 
Diefer Senkung durch große losbrechende Eismaffen und den darauf wirkenden 
nftog befhräntt. (S. Meisner’s Annalen”, I, 1. Bern 1824.) In Derico 
A50 N. B. ift die beftändige Schneeregion 1300 Toifen (78005). Die 
Ber Schneegrenze in Europa, vorzüglich auf den norweg. Gebirgen, hat Hr. 
ich beflimmt, umter 70° zu 5508. Die Zwergbirke und bie Salix lanata 
tbdaſelbſt faft bie zur Schneegrenze, und der ſenkrechte Abſtand zwiſchen dieſer 
x Zwergbirkengrenze beträgt 154%. Die Kiefer kommt noch in einer Höhe 
21 8. fort. Dies gegenfeitige Verhaͤltniß bleibe fich immer gleih. Iſt In 
a Gegenden 5. B. die Kiefergrenze in einer Höhe von 3000 Fuß (500 T.), fo 
aſelbſt die Birfengrenze in einer Höhe von 37505. (625 X.) und die Grenze 
nigen Schnees In einer Höhe von 5570 8. (9284 X.) fein. S. Alcenius, 
kermino atmosphaerae terrestris nivali” (Abo 1823, 4.). 
WS chneider (Eulogius), geb. zu Wipfeld im Würsburgifchen d. 20. Okt. 

„ mar Priefter, zeigte als Dichter ein herrliche® Talent und ward. vom Kurz 
3 von Köln ald Prof. nach Bonn berufen und von diefem geiſtreichen und ed: 
krften mit Ste überhäuft. Die Begebenheiten in dem revolutionirten Frank⸗ 
wirften aber auf f. lebhafte Phantafie fo leidenfchaftlid, ein, daß er (. Water: 

52 * 


820 Schneider (Johann Gottlob) 


fand, f. Studien und f. Wohlthäter verließ, nach Strabburg ausuam 
bier, fortgeriffen von dem Wahnfinne jener Zeit, einer der wuͤthendſten D 
wurbe und die Nationalfranzofen felbft in ihren Graͤueln zu überbieten fin 
. der Spige eines Revolutionsheeres und begleitet von der Guillotine d 
von Ort zu Ort bie ganze Umgegend von Strasburg. Auf die biof: 
feiner Gehuͤlfen wurden Menſchen jedes Geſchlechts, Alters und St 
das Blutgerüft gefhidt. Nachdem Schn. viele Graͤuelthaten verhbt 
Ben ihn die Sommiffaire de® Convents, St.:Juft und Lebas, jedoch n 
feinen Hochmuth als dur f. Verbrechen wider ihn aufgebracht, den 
1793 verhaften und ſchickten ihn nach Paris, wo er am 1. April 1794 
tet wurde. 

. Schneider (Iohann Gottlob). Diefer berühmte Philolog , gel 
Kolm bei Wurzen, fludirte auf der Landesſchule zu Pforta, und in ke 
Ernefti, wo ihn ein bemittelter Verwandter in Dresden unterftügte, bı 
dem damals in Sachſen vielgeltenden Geh. Kammerrath Heineke empfal 

chneider f. Erſtlingsverſuch, die von ihm 17770 herausgeg. „Anmıe 

nakreon“ zueignete. Bald darauf fing er an, in f. philologifchen Unte 
gegen Klotz zu Felde zu ziehen, begab ſich nady Göttingen und erlangte 
Seroogenheit Heyne's, der ihn dem franz. Kriegeprocurator Brunk em 
deffen Amanuenfis er nach Strasburg ging, um dort gemeinfdhaftlich 
ber Herausgabe von beffen „Analekten“ zu arbeiten. Drei Jahre le 
dann erhielt er durch den Geh.: Rath v. Zeblig einen Ruf an die Univerfitd 
fint a.d. O., und dort gab er, mit Brunk noch gemeinfchaftlich, den £ 
aus. 34 Jahre wirkte Schneider hier nuglich ald Prof. der alten Eprad 
ger durch Vorträge vom Katheder herab als vielmehr durch eine Diem 
Ausg. von alten Claſſikern. Sein Fleiß wandte ſich befonder® auf folt 
ſteller des Alterthums, deren Werke zugleich Aufſchluß über die damali 
niffe ber Naturgegenftände gaben, indem er den Glauben hegte, daß hi 
fonders das Sprachſtudium gefördert werde. So entftanden nach u. na 
von Altan’s „Thiergeſchichte“ und von Nikander's 2 mediciniſchen Lei 
mit den griechiſchen Scholien und der Periphrafe bed Eutefnius. Get 
ria amphibiorum‘', beren erfle beide Faſcikel bereite 1779 erfchienen, m 
durch ungünftige Umftänbe veranlaßt, nicht fortgefegt. Ebenfo auegen 
sen ſ. Verdienfte, welche er ſich um die Ichthyologie erwarb, bei melden 
ihm die Sreundfchaft des jüdifchen Arztes D. Bloch in Berlin viel nuͤh 
merkwuͤrdiges Cabinet dieſes Zweiges der Naturgefchichte befaß und es € 
ſchungen bereitwillig öffnete. So nad) und nach immer tiefer in die Ri 
einscingend, gab er endlich, nach 3Ojähriger ämfiger Arbeit und Mühe, I 
gebliebenen Bücher des Ariſtoteles, die Thiergefchichte enthaltend, bera 
1811, 4 Bbe.), ferner die phyf. und meteorolog. Schriften bes Epikur, 
fetten zur Metallurgie der Alten”, die „Eclogae physicae ete.”. Au 
fien machte er ſich aber durch die Ausarbeitung f. befannten trefflichen Gi 
terbuchs“, das bereitd 3 Aufl. und eine Umarbeitung von Pafſow erlebte 
wenig dazu beigetragen hat, daß das Studium der griech. Sprache im mı 
einen neuen und beffern Schwung unter ung erhalten hat. Außer alen 
forgte er noch die Ausg. ber politifchen Schriften des Ariftoteles, ferne 
phon, Afop, Pſeudo⸗Orpheus, der „Scriptores rei rustieze”, Bite 
phraft u. A. Als 1811 die Univerfität von Frankfurt a.d. D. nach Bret 
wurd, kam auch Schn. mit ihr an diefen Ort, wo er zugleich die € 
Oberbibliothekars erhielt, in welchem Poften er ſich ſehr gluͤcklich fühlte u 
Butes wirkte. Er ftarb hier am 12. Ian. 1822. As Menſch warme 
tungswerth wie ld Gelehrter, wah die Liebe zu f. Vaterlande erloſch, 


Schneider (Anton) 821 


be als 23jähriger Juͤngling verließ und nachher mur noch einige Male auf kurs 
Reifen wiederſah, nie in feiner Bruſt. 

Schneider (Anton), geb. am 13. Oct. 1777 in dem voraribergifchen 
14 bairiſch verbliebenen) Flecken Weller. Sein Vater, ein armer Wundarit, 
ste feinen Rindern keine angemeffene Erziehung geben. Schneider's lebhaf: 
Walent, treuhersige Freimuͤthigkeit und unerfchöpftiche Sovialitdt halfen ihm 
b eine mühevolle Jugend hindurch, bis er an ber innsbrucker Hochſchule Die 
uraiflenfchaft vollendete und fid) der Advocatie zu widmen beſchloß. Mittlers 
e war Vorarlberg 1796, 1799 und 1800 von den Heeren Moreau's und Maſ⸗ 
's hart angegriffen worden, und die Vertheidigung von Feldkirch infonderheit 
uhmmoller Tag geroefen (25. Mär; 1799). Schn. diente in diefer Zeit ale 
seiner, Feldwebel und zulegt als Lieutenant und 309 als Freiwilliger bis vor Zuͤ⸗ 
mit. Die juridifche Facultaͤt der innsbruder Hochſchule wollte nad) beendigtem 
ge dem tapfern Vorarlberg ein Zeichen ihrer Hochadhtumg geben und einen ta⸗ 
polen Landesvertheidiger unentgeltlich zur Doctormürde promoviren. Ihre 
St fiel auf Schn., der ſich darauf in Bregenz ganz der Advocatie wibmete 
ein in Vorarlberg, in Schwaben und in ber Schweiz fehr gefischter Rechtsfreund 
Be. Schon 1807 wurde er, In Folge einer Itrung Über die Sonfeription, zu 
u als ein geheimer Agent Oſtreichs verhaftet, aber fogleich wieder in Freiheit 
mt. Als öſtreich zur Rettung Spaniens und feiner eignen den wahrhaft na: 
milen Heldenkampf von 1809 begann, erhoben ſich einftimmig Zirol und Vor⸗ 
weg für ihren alten Heren und für ihr altes Recht. Vorarlberg war ſowol für 
orgung des von allen Selten fireng blofirten Tirols mit Lebensbeduͤrfniffen, 
moralifcher Reiter nad Schwaben und nady der Schweiz und für die Be⸗ 
vieler taufend Kriegsgefangenen ungemein wichtig. Das Heine Ländchen 
von f. 91,000 Seelen 20,000 M. unter Waffen. Schn. wurde von den 
Vorarlbergs zum Generalcommiffair gewählt und von f. Schulfreunde, 
Ereiherrn v. Hormayr, Damals bevollmaͤcht Hofcommiſſair in Zirol und Vor⸗ 
vg, als ſolcher beſtaͤtigt. Schn. erſchuf ſich mit bewundernswerther Thaͤtigkeit 
zei und Geſchuͤtz, machte bedeutende Ausfälle nach Schwaben und hielt den 
B aufrecht, obgleich die Unterftügung der Öftreicher kaum 400 M. betrug und 
aid, Munition, Waffen u. a. Erfoderniffen druͤckender Mangel herrfchte. Ge⸗ 
ian Augenbli der Schlacht von Wagram mar der Aufftand Tirols und Vor- 
egs am drohendſten. Ihre Unterwerfung durch die Waffen hätte Napoleon eine 

Armee getoftet,, wie denn auch bald darauf der Marfchall Herzog von Dan: 
nit großem Verluft aus Tirol verjagt und diefe® Land binnen 4 Monaten zum 
ar Male befreit wurde. Aber die Vertheidigung Vorarlberg löfte fich mit dem 
zer Waffenftiüftande auf, vom Kronprinzen von Würtemberg von vorne, ven 
amont im Rüden angegriffen. Schn. verfchmähte es, an die rigne Rettung 
gnßen, und, tie er aufgefodert wurde, mit den Öftreicheen hinmegzusichen. 
raterbandelte mit dem mwürtemberg. Vorpoſtencommandanten rine Gapitulation 
a6 Land, auf Sicherheit der Perfon und des Eigenthums; dann lieferte er fich 

aus. Aber die Capitulation wurde nicht gehalten; er warb geplündert, mißs 
eilt und als Gefangener erklärt. Napoleon hatte aus Schönbrunn das Todes: 
»Al wolder ihn gefprochen, und fein Leben wurde nur dadurch gerettet, daß ihr 
Tronprinz (der jegige König) von Würtemberg auf den Hohenaspery abführen 
wnd f. Auslieferung dem franz. General Beaumont, ter ungeflüm darauf 
8, fhlechterdings verweigerte. Die im tolener Frieden ftipuliete Amneſtie vet. 
uch Schn'e Leben und Freiheit. Ex mar lange Gefangener ie Ulm, in Lindau, 
empten gewefen. Anfangs Febr. 1811 kam er nah Wien und wurde £. £. Ap⸗ 
ionsrath. Als 1812 in Rußlands Schneemüften jenes furchtbate Gottesge⸗ 

Über dad Heer Napoleons erging, und gan, Deutfdyland die Sehniudtt un- 






822 Schneider (Johann Ehriftian Friedrich) 


zudte, das Fremdlingsjoch abzumerfen, ergriff auch Tirol und Worariberg 
gebuldige Verlangen, jest zu erreichen, was 1809, trotz fo großer Dyfe 
erreicht worden war. Allein ein feltener Zufammenfluß von Umftänben hen 
Ausbruch und flellte bie gute Sache bei Lügen und Bautzen noch einmal au 
ferfte Spige. Hormayr, Schneider und die vorzüglicdhften Männer von 
Tirol und Vorarlberg kamen in Staatsgefangenſchaft, Eril oder unter frı 
obachtung. Nachdem Schn. mehre Sabre lang in f. Heimath privatifirt da 
ee am 17. Juli 1820 im graubüindtnerifchen Bade zu Fidris ploͤtzlich am: 
nen Herzen. Der Erzherzog Johann von Öftreich feste ihm dort ein 
Denkmal. 

Schneider (Johann Chriſtian Friedrich), herzogl. anhaltsdr 
Gapellmeifter, Mitgl. der Akad. der Muſik zu Stockholm, berühmt als C 
mehrer großen Oratorien, ift geb. d. 23. Jan. 1786 in dem lauſitziſch 
Waltersdorf an der böhmifchen Grenze. Geinen Trieb für die Tonkun 
nebft f. Bruder (Johann, Organift in Goͤrlitz, einer der erſten lebend 
ler auf der Orgel, jegt in Dresden) von feinem Vater, der, früher Zwil 
es durch angefttengten Fleiß dahin brachte, baß er vom Mathe zu Zittau zum 
lehrer und Drganiften diefe® Dorfes gewählt wurde und bald eine beffere 
einem andern Dorfe erhielt. Vom 4. Fahre an unterrichtete er ſ. Sohn in 
Kunft mit Eifer. Er lehrte ihm erft Glavier und Orgel, dann bie zum 1 
alle a. Sinftrumente. Auch bediente ſich der Water feiner, um den vielen | 
die ihm zuflrömten, Unterricht zu geben. Im Generalbaß und im Sing 
unfer Componift nicht mindere Sortfchritte.e Schon 1794 verfuchte er f. 
fchen Gedanken zu Papier zu bringen. Die Erfcheinung der Mozart‘) 
vierſtuͤcke in der Breitkopf⸗Haͤrtel' ſchen Ausgabe brachte eine neue Epoche 
ſikaliſchen Studien hervor. Die Anhörung der Mozart’fcyen „‚Zauberfl 
von einer Eleinen Truppe in einem naheliegenden Stäbtchen aufgeführt wı 
endete biefe Revolution in feinem Innern, und die Anhörung einer ital 
Diesden, wohin ihn fein Vater mitnahm, zeigte ihm die Tonwelt in ihre 
Umfange. 1798 brachte ihn f. Vater auf das Gymnaſium in Zittau, w 
dem Cantor Schönfelder f. muſikaliſches Stubium fortfegte und bie befl 
und neuern Mufitwerke, zu deren Aufführung er felbft thaͤtig mitwirkte 
lernte. Inder Compofition half ex ſich felbft fort, inbem er die ihm von 
überfendeten Partituren fleißig ftudirte, Partituren aus Stimmen 30 
den Stadtmuſikus in Zittau fogen. Hornmuſik für ale Gattungen von BI 
menten zu mannigfaltigem Gebrauch componiste. Haydn zum Vorbild 
verfuchte er auch die Compofition einiger Meffen; er hätte fchon damals N 
verlaffen und ſich ausſchließend der Muſik gewibmet, wenn nidyt f. Yataı 
höhere Ausbildung beforgt, ihn bavon abgehalten hätte. Doch zog ihn r 
Unterrichtögegenftänden am meiften Mathematit an. Er gab dann andı! 
fhen Unterricht, befonders auf dem Pianoforte, und fpielte bei Operauffil 
in Zittau im Orcheſter mit. Sein Talent wurde von einigen Muſikfreund 
muntert, obgleic) fein Streben, ſich ganz der Mufil zu widmen, viele Hi 
fand. „Gin Gönner ſchickte 3 von ihm componirte Clavierſonaten nach Er 
fie gedruckt wurden (1803, Breitkopf u. Härtel) ; dies verfchaffte ihm mebre 
in Zittau und Goͤrlitz. Als Präfect des Chors in Zittau (1804) ſchrieb er 9 
für mehrſtimmigen Gefang, u. A. eine Hymne mit Orchefterbegleitung, ı 
fid) im Dirigiren. 1805 bezog er die Univerfität Leipzig, um bort ſich in dır 
fomwie in denjeninen Wiffenfchaften auszubilden, weldye fidy auf eine algem 
dung beziehen; er fand an Platner, Carus und an ben Tonſetzern A. € 
und Schicht Gönner und Befoͤrderer f. Talents. Hier warb es ihm möclid, 
f. Sompofitionen zur Aufttihrung ya biingen | 0% traten Ber als tuͤchtizn 


Schneller 823 


:efpleler Öffentlich auf und ſtudirte die Muſik praktiſch an dem Beſten, was dort 
aören ift. Fr. Rochlig gab ihm manchen nüglichen Rath. 1807 wurde er Orga- 
an der Univerfitätslicche ; dabei gab er Muſikunterricht und fanb in vielen mu 
ſchen Familien Anerkennung. Darauf übernahm er feit 1810 die Muſikdirec⸗ 
Belle bei dem Privatunternehmer Sof. Seconda, der abmechfelnd in Dresden auf 
u Linke’fchen Bade und in Leipzig fpielte, und wurde fo der Vorgänger des humo⸗ 
kfehen Erzähler Hoffmann in diefem Amte. Als aber da8 Amt eines Organiften 
der Thomaskirche in Leipzig erledigt wurde, verließ er jene Anftellung (1813, 
ihjahr) und übernahm diefed Amt. Won diefer Zeit an befchäftigte er fid mit der 
Höpfung großer Werke. Seit 1814 fchrieb er mehre Vocalwerke für die durch 
hicht gegrümbete Singakademie, 3. B. die trefflidie Meffe aus F-dur für bloße 
agſtimmen, welche der König von Sachſen, bem er diefelbe dedicirte, mit gro» 
Huld aufnahm. Nachher übernahm er die Leitung der genannten Akade⸗ 
e, für welche er noch 4 Vocalmeſſen ſchrieb. Als Mitglivd dir 1815 ges 
BR Liedertafel lieferte ex eine Reihe ber Eöftlichften Befellfhaftslieder. In demf. 
Bam er mit dem geiftvollen X. Apel in Verbindung, der ihm f. Gedicht: „Das 
Btgericht‘', 1816 mittheilte, Diefes Wert nahm f. volle Kraft in Anfpruch, und 
atfland die durch ganz Deutfchland bekannte Compofition dieſes großen Drato: 
ms, das er jedoch erft 1819 in einem Eurzen Zeitraum nieberfchrieb. — 1817 
zmahm er die Mufikdirectorftelle bei dem neueröffneten Stabtheater in Leipıig, 
weiches er mehre Duverturen und a. Muſikſtuͤcke ſchrieb, 3. B. die beliebte Ou⸗ 
re, weiche „God save the King” zum Thema bat. 1820 führte er das 
leltgericht”” zuerft in Leipzig mit einflimmigem Beifall auf. Im Vai 1821 
her er nach Deffau, wohin man ihn ald Capellmeifter berufen hatte. Seitdem 
idieſer raſtlos thaͤtige Tonmeiſter Niemeyer's Cantate: „Die Todtenfeier“, 
Be Pſalmen für das koͤlner Muſikfeſt, das von de Grote gedichtete Oratorium: 
e Guͤndflut“, componirt und im Sommer 1824 ſelbſt dirigirt. Das von ihm 
Bonirte Oratorium: „Das verlorene Paradies“ (gedichtet von dem Schuldirector 
Zarées), führte er beim Mufikfefte in Magdehurg am 2. Sept. 1825 in An» 
rrheit des Königs von Preufen mit großem Beifalle auf. Er hält daſſelbe für 
gelungenfte f. Werke. 1827 gab er die 2. Aufl. ſ. „Elementar⸗-Handbuchs 
Darmonie und Tonſetzkunſt“ und einen zweifachen Curfus von Geſangsuͤbun⸗ 
Für Schulen heraus. Ein neues Dratorium hat er bei dem Düreröfefte in 
mberg (7. April 1828) aufgeführt. — Überfieht man Schneider’ zahlreiche 
kpofitionen (bis jest find gegen 60 größere Mufitftüde von ihm herausgege: 
worden), fo bemerkt man, daß e# keine Gattung gibt, in welcher diefer Frucht: 
mufitalifche Geiſt ſich nicht verfucht hätte. Sein eigentliches Geſchaͤft fcheint 
u das Gebiet der vollfiimmigen Inſtrumentalmuſik und die kirchliche Vocal: 
ik zu fein. Seine Dratorien find cine große Bereicherung der deutſchen Muſik, 
En defhalb, weil Schn einer der größten Contrapunktiſten, welche jegt leben, 
in der geſchickten Behandlung des Orcheſters wie Wenige gewandt und erfak- 
iſt, fondern auch darum, weil er mit den Erfoderniffen eines Tonkuͤnſtlers eine 
e gewöhnliche Einficht in die Paefie und ein ernſtes Gemüth verbindet, das bie 
‚Be feiner Aufgabe kennt. 44. 
Schneller (Iulius Franz Borgias), Dr., geb. zu Strasburg 1777, ver: 
kt f. Bildung der Hochfchule zu Freiburg, wo f. Vater Prof. der Rechte war. 
ithematik befcyäftigte ihn zuerft, fodag er fhon als Juͤngling den erkrankten 
feffor derfelben an der Albertina fupplirte (1704). Wiihrend f. Rechtsſtudien 
ieb er die Flugſchrift: „Über Preußens Demarcationslinie” (1795). Bei Me: 
u's num drohendem Nheinübergange wirkte er mit grofier Anfltengung für das 
fgebot tes Landfturms in Hauenſtein und zog mit ben Studirenden von Freiburg 
en ben Feind, wo er bei Wagenftatt mi fte (1706). Der Sieg des Kein: 


felden zu Linz und fpäter zu Gratz in Steiermark (130 
Weltgeſchichte“ in 4Bdn., dann eine „Staatengefchi 
reich” in 4 Bbn. dem Drude. Zugleich lieferte er viele 
„Wiener Zeitfchrift”, in Caſtelli's „‚Gonverfationsblatt” : 
In diefem gab er die zu Prag gebrönte Preisſchrift: „ 
Falſerthume Öftreih". — Obrol Nordamerika und Grı 
fterftaaten vorſchwebten, hoffte er dennoch den allmätigen 
dem Feftlande Europas vorzüglich von kraftvollen Fuͤrſten 
die allgemeinen Menſchenrechte anerkennen ober für einzel 
großartig wirken würden Er hatte ſ. Grundſaͤte ſtets alı 
gebinbert vorgetragen. Als man aber nach Bonaparte'i 
flalten thells untergrub, theils vernichtete, wurde f. Steu 
Man machte ihn wegen Neuerungs ſucht oder Gonftitutio 
Bonapartiften verdächtig und bewirkte, daß die Wiederau 
unterfagt und der 5., alfo teste Theil der Öftreich. Geſ 
gelaffen wurde. Diefe Beſchraͤnkung in der Schriftftelle 
wog ihn, nach einem 28jährigen Aufenthalte die übrige 
in Oeſtreich aufzugeben und das Lehramt der Phitofophie 
burg anzunehmen (1823). Als er von Graͤtz ſchied, exi 
ſchon fräher eine andre in Steiermark, das Bürgerrecht 
ſchwieriger Angelegenheit zur Zeit des Krieges und nad 
Weltgeſchichte det 1. Bd. in 2. Aufl. (kpz. 1823) erfd 
geſcichte des Kalſeithums Öftreidy” (Grit 1820) wird 
ebenfalls in Deutfdyland herausfommen. Das didattifd, 
ein Sonettenkranz, zum Weihnachtgeſchenke“, ift ſcho 
1822) vergriffen. Außer f. Antritterede zu Freiburg: „Ü 
geſchichte auf die Philofophie” (1824), fchrieb er einzel 
AFeeiburger Wochenblatt” (1824); für die „Steiermär 
für Muͤnch's „Deutfhes Mufeum” (1825): „Zacharic 
ger", bie „Sreiheittufe von Palafor‘. Die Satpre „S 
kl" gaber u d.N. Julius Velor heraus. 18277 ſchri⸗ 


Mika PIRRA N) in Aue HE Waldrnkihtiae 


Schnellpreſſe 825 


alte Hülfsmittel zur Ausführung f. Plans fand und ſich zur weiten Ber: 
mmnung f. Erfindung mit dem mathematifchen Inſtrumentenmacher Bauer 
Stuttgart verband. Beide Männer ftellten nad) Überwindung vieler Schwie⸗ 
en eine Drudmafcdine auf, auf weicher am 29. Nov. 1814 zuerft die 
a‘ gedruckt wurden. Sie bauten nun nody mehre Mafchinen, doch wurde 
durch die Unredlichkeit ihres dritten Compagnons, bes Buchdruckers Bensley, 
afenthalt in England verleidet, und ba fie, durch den damaligen König von 
, Dorimilian, bei dem Ankauf des ehemal. Kloſters Oberzell bei Wuͤrzburg 
kuͤtzt, vollkommene Gewerbefreiheit zugefichert erhielten, fo legten fie daſelbſt 
eine mechanifche Werkitatt, eine Eifengießerei ıc. an, zur welcher fie ſich Bauern 
ngegend als Arbeiter gezogen hatten. Hierauf begannen fie den Bau von 4 
inen, wovon 2 in der Haude= und: Spener’fchen Zeitungsbruderei und 2 in 
ecker'ſchen Officin zu Berlin aufgeftellt worden find. Bald darauf legte 
Gotta zum Drud ber Taſchenausgabe von Schillers Werken und der „AGs 
en Zeitung‘ in Augsburg eine Druderei mit 2 Mafchinen an. Durch 
Verbeſſerung wurden jegt die Mafchinen auch für Eleinere Etabliffements 
»bar gemacht; denn die bisher gebauten wurden durch Dampfmafchinen 
ar. Diefe wurden nun entbehrlich, da 2 Männer durch ein Schwungrad 
sfchine ohne befondere Anſtrengung in Bewegung fegen konnten. Sie lie: 
zit diefer Bereinfachung feit 1814 mehre Mafchinen, als nady Hamburg, 
Jagen, Stuttgart, Leipzig, Berlin, Koblenz, Frankfurt und Paris. — Schon 
bon bauten 8. und B. verfhiedene Arten von Druckmaſchinen, welche fie 
Lady in Deutfchland noch verbefferten und vorzüglich vereinfachten. Aus 
Bericht von 1825 geht hervor, daß fie jet 3 Arten verfertigen: 1) Die 
Andige Maſchine; diefe dbrudt ben Bogen auf beiden Seiten und liefert 
-4000 Bogen in einer Stunde; diefe Mafchine kann nicht wol anders als 
wine Dampfmafdjine getrieben werden; zum Anlegen und Abnehmen des 
@ find 2 Burfche erfoderlih. 2) Die doppelte Maſchine; diefe druckt 
Bgen nur auf einer Seite auf einmal und liefert 2400 Abdrüde in einer 
E; es find bei derfelben 2 Bürfche zum Anlegen und 2 zum Abnehmen ber 

noͤthig. 3) Die einfache Mafchine; diefe drudt auch den Bogen nur 
er Seite und liefert 1400 Abdrüde in der Stunde; bier find nur ein Burfche 
rzlegen und einer zum Abnehmen der Bogen nöthig. Don biefer Art gibt es 
zen zu groß und Elein Kormat. Da dieſe verfhiedenen Arten auf einem und 
»en Princip beruhen, fo wollen wir von ber legten Art, al& der einfachften, 

Lefern einen Begriff zu geben verfuhen. Bekanntlich find mittelſt des 
Verkzeugs des Buchdruckers, mit der Preffe, 2 Mann ungefaͤht 250 Bogen 
ger Geite in einer Stunde zu druden im Stande, wobei jede einzelne zum 
eines Bogens nöthige Vorrichtung unmittelbar durch Menſchenhand ge: 
ı muß. Vermittelſt einer Druckmaſchine geſchehen aber alle die Vorrich⸗ 
3. B. das Nehmen und Vertheilen der Farbe, das Schwaͤrzen der Lettern, 
ud u. f. m. durch einen fehr zufammengefegten Mechanismus, der auf eine 
kreisfoͤrmige Bewegung zuruͤckgebracht ift, fodap ber Menſchenhand Nichts 
a übrig bleibt, ald den Bogen einzulegen und nad dem Drud in Empfang 
men. — Man bente ſich eine gereöhnliche Schriftform auf einer horizonta⸗ 
tie ununterbrochen hin = und zuruͤckgetrieben. Ungefähr über der Mitte diefer 
Ind eine Anzahl Walzen angebracht, welche die Druderfhwärze von einem 
: Behälter empfangen, durch beftändige Umdrehung auf ihrer Oberfläche 
‚ten und der darunter hingebenden Form durch leichte Berührung mittheilen. 
u drudende Boyen wird von einem Anaben auf eine mit Schnuͤren oder 
men befpannte Fläche gelegt, bie flill fteht, bis der Bogen aufgenommen ift, 
ınn in Bewegung geſetzt wird, um ihn der ſich barunter beftändig urntreken: 


826 Schnepfe Schnepfenthal 


den Druckwalze zu überliefeen. Eine Anzahl endlofer Bänder ſchlu 
den Bogen um bdiefe Walze. Unten trifft berfelbe mit der gefchmär 
fammen und ber Drud wirb durch Berührung mit der gleihmä 
Form abgnommen. Der fo auf einer Seite bedruckte Bogen loͤſt 
der Drudwalze ab und wird von einem andern Knaben in Empfan 
die zuruͤckkehrende Form wird von den Farbecplindern aufs neue g 
derfelbe Kreislauf von Bewegungen und Operationen fortgefet! 
einmal bie Erfindung gemacht war, haben ſich in England und Fr: 
Mechaniker damit befchäftigt, Druckmaſchinen zu bauen, die abı 
Hauptfache mit der befchriebenen Art übereinflimmen. — Es gibt 
nen, wo bie Lettern auf ber Drudwalze felbft ſtehen, diefe Art ift 
nur für Stereotypplatten anwendbar. Die befannteflen Erbauer v 
ſchinen find Applegath und Comper, Donkin, Brightley, Rutt, 8 
und Miller, Congreve, Wood, Napier und Hanſard; dody bleiben d 
fprünglichen Erfindern gebauten immer bie beften, wie die Darauf geli 
ten beweifen. Die neuefte Veränderung an der Druckmaſchine der „ 
von dem Hrn. Applegath her und bewirkt, daß gegen 4000 Bogen a 
in 1 Stunde gedrudt werben; diefe Mafchine iſt die unter Nr. 2 an 
neuern Zeiten hat man, ganz von biefen Druckmaſchinen verfchieben, 
verbefferte Preſſen von Gußeifen in mehren Arten erfunden, bie zur 
ter Gonftruction ſehr von einander abweichen. Die vorzüglichften 
fogen. Stanhope:Preffe, in Deutfchland von verfchiedenen Buchdrud 
hanitern nachgemacht und zum Xheil verbeffert. 2) Die Cogge 
Deutſchland von dem Mechanikus Hofmann in Hamburg nachgema 
Ruthwen⸗Preſſe. 4) Die Ruffell:Preffe. 5) Die Eiymer > oder 
Prefſe, in Deutfchland von ben Herren Vieweg und Sohn in Braun 
gemadt. 6) Die Albion⸗Preſſe, und endlih 7) die erſt 1826 erfi 
des Mechanikus Sr. Hofmann in Leipzig. 

Schnepfe (Scolopax).. Bon diefem Gefchlecht, a. db. Orbnun 
vögel, find über 50 Gattungen befannt, von denen an 14 noch n 
ftimmte Gattungen in Deutfchland einheimifchh find. Nach ber ! 
Schnabel vertheilen die Naturforfcher die Schnepfen in 3 Familien 
waͤrts gekruͤmmtem, 2) mit geradem und 3) mit aufwärts gefrümmt 
Sie halten ſich meiftens an der Erbe auf; felten fieht man fie auf X 
den Süumpfen, Moräften und feichten Gemwäffern waten fie mit X 
umber und fuchen Sewürme, Ssnfeßtenlarven und Inſekten, wovon fi 
doch freffen fie auch verfchiedene Pflanzenblätter. Aus den kalten Lün 
meiftens im Herbfte nad) den füdlichen. Dan ift von den Schnej 
das Steifh. Das gefammte Eingemeide, nebft dem in den Därme 
Kothe, wird, unter alleiniger Befeitigung der Galle und mit flarter 1 
fehen, zu einer Art von Brei gellopft, auf Semmelfcheiben geftrichen 
felben Pfanne, welche beftimmt ift, die von den am Spieße befindlich 
herabträufelnde Butter aufzunehmen, gebraten. Den Feinſchmecke 
Gericht als ein ganz befonderer Lederbiffen. 

Schnepfenthal, eine von Salzmann angelegte Erziehu 
dem Amte Reinharböbrunn des Herzogthums Gotha, am Fufe di 
waldes, eine halbe Stunde von der Stadt Waltershaufen. Die Lane 
nehm, die Inſtitutsgebaͤude liegen ſaͤmmtlich auf einem geräumigen f 
eine weite Ausjicht auf eine mit Dörfern befäete Eber.e, nach Gotha b 
von weldyer Stadt man bas Kefidenzfchloß deutlich liegen ſieht (melde 
Zug : und Nachtgleiche, von diefem Standpunkte aus, beim Unterga 
einen auffallend Ionen und weärinhen Anblid gewaͤhrt, in welchen 


Schnepper Schnorr (Weit Hans von Karolsfeld) 827 


der Feenſchloͤſſer realiſirt zu fein ſcheint). Dagegen erfreut fich die hintere 
e ber Gebäude der romantifchen Anficht von ber walbigen und gebirgigen Ges 
um Reinharbebrumn. Die + Häufer des Inſtituts umfchließen von 2 Seiten 
ordern Platz des Hügel, in deffen Mitte ein umzaͤuntes Baſſin und vor dies 
ein laufender Brunnen angebracht ift. Der Hügel iſt vom mit vielen Obſt⸗ 
sen beſetzt und auf einer Seite mit hohen Pappeln eingefaßt. Daß ältefte (zu⸗ 
jebaute) Haus enthält, außer der Wohnung bes Directors und a. Zimmern, 
Speifefaal, den mit einer Orgel und Galerie verfehenen Betfaal zum Behuf 
Borgenandachten und Bottesverehrungen, und das Naturaliencabinet, welches 
Zerhaͤltniß zu feinem Zweck nicht unbedeutend ift. Die Inſtitutsbibliothek bes 
t fi in einem andern Haufe. Außer den nöthigen Seitengebaͤuden hat bie 
mit auch eine bededite Reitbahn und ein reitkundiger Lehrer beforgt den Unters 
-im diefem Sache. Der Plag für die gymnaſtiſchen oder Turnuͤbungen iſt an 
a ſchattigen Orte, an ber Spike eines nahen Laubwälbchens, mit allen dazu 
Ban Vorrichtungen ausgerüftet, und ein klarer Teich in der Nähe von Reins 
Börumn dient für das Baden und die Schwimmübungen im Sommer. Diefe 
Be Erziehung von leiblicher Seite, für die Erhaltung und Befeftigung der Ger 
ſeit der Kinder und Erwachſenen fo vortheilhafte Rage bes Inſtituts, die leichte 
asft, die Nähe intereffanter Waldgegenden macht diefen Ort zugleich zu einem 
ebmen Aufenthalte für Fremde, bie fich für das Inſtitut intereſſiren ober 
zuähere Bekanntſchaft machen wollen, oder für die Altern der Zöglinge, die 
Exıber und deren Erzieher zumeilen befuchen. — S. die gebrudite „Nachricht 
= Einrichtung der Erziehungsanftalt” in der Buchhandlung der Erziehungs» 
nn (Bol. Salzmann.) 
Schnepper ober Schnäpper, eine Kleine flählerne Armbruft, fo 
MER wegen bes fchnappenden Laute der Schne; dann 2 wundaͤrztliche 
Bamge, von denen das eine zum Abderlaffen, das andre beim Schröpfen 
kehrt wird. 
ES chnorr (Veit Hans v. Karolsfeld), ein ruͤhmlich bekannter Maler, geb. 
Enneeberg im Erzgebirge 176%, verfuchte ſich ſchon früh in ber mechaniſchen 
E ber bildenden Kunft. Da ihm die damalige Befchaffenheit der niedern 
en den mtfchiebenften Widerwillen einflötte, fo wuchs er faft ohne alle wiſſen⸗ 
Ehe Renntniffe auf; deſto lebhafter zog ihn die Natur an, in der er, fich ſelbſt 
Fen, einen großen Theil feiner Zeit verlebte. Als 14jaͤhriger Knabe begleitete 
Tater auf einer Gefchäftsreife nad) Leipzig. Der kurze Aufenthalt in biefer 
bewirkte eine völlige Veränderung in dem Juͤngling; um einft dahin zuruͤck⸗ 
au koͤnnen, nahm er die Bedingung dazu, die Rechte zu ſtudiren, fogleich am. 
Beifeitefegung jeder Lieblingsbefchäftigung ſtudirte er nun mit rafllofem Fleiße 
"achte es in 3 Jahren fo weit, daß er die Univerfität besiehen konnte. Aber tie 
Drudenz Eonnte ihn nicht felfeln, und als nad) vollendeten Studien und bes - 
mem Eramen fein Vater ſtarb, ging er, verheirathet und durch einige Verhälts 
trieben, nad) Königsberg in Preußen, wo er bei Dippel umd einem Univer⸗ 
weunde Rath und Theilnahme fand. Die Einladung von einigen abeligen 
wn, den Ihrigen Unterricht zu ertheilen, nahm er gern an und entfpradh ihr 
aıtem Erfolg. Im Begriff, mit dem Sohne eines ruff. Minifter6 nad) Pe⸗ 
wg zu gehen, erhielt er, auf Betrieb feiner Mutter, eine Stelle an der magde⸗ 
e Dandlungsfdule, die er jedoch nad) Verlauf eines Fahre aufyab. Er ging 
Eeipzig zuruͤck, wo er fih mit Miniaturmalen und Buchhändlerarbeiten bes 
ste. Durch raſtloſes Studium der Kunft und im Umgange mit Der, Weiße, 
>g, Seume und a. trefflihen Männern bilbete er f. Anlagen immer vollkom⸗ 
: aus, wiewol Ihm das Gluͤck nicht zus Theil wurde, f. ganze Zeit forgenfrei 
inzig bee Kunſt zu widmen. Ex hat vielfältige Arbeiten auf Elfenbein, In Kun 


828 Schnorr (Veit Jullius von Karolsfeld) 


pfer, Thon und Gyps und viele Staffelelbilder, unter welchen auf 
in dl, geliefert, die den Beifall der Kenner fanden. Seit 1816 ik a Di 
Prof. der k. Kunſtakademie zu Leipzig. Unter feinen Kindern zeichnen fi: 
ler aus: Louis (verheiratet in Wien), Ebuard und Julius, 
Schnorr (Veit Julius v. Karolsfeld), Prof. der Hiflorienmaln 
2. Akad. der Künfte In München, geb. zu Leipsig am 26. Mär; 1794, ; 
f. aͤtern Brüder, frühzeitig Talent zum Zeichnen, Darftellen und Nadt 
Geſchicklichkeit im Schnigen und Mobelliren. Er componirte im 11.u 
mit einer Leichtigkeit, wie ein Kind, das fpielend ſich am Beftaltenzeichn 
dabei hatte er fchon im 9. 3. Ernſt und Beharrlichkeit genug, um Anato 
zuzeichnen. Der Tod der Amazonenkoͤnigin, bie Hercules im Irtthun 
eine Darftelung, die er im 14. J. vertieft in Schiefer fchnitt, war eine k 
werthe Probe feines frühen Talente. Dieſes Intaglio, ſowie ein an 
ältern Bruders, der wetteifernd 2 Kämpfer in Schiefer grub, iſt noch 
des Vaters. Benvenuto Cellini, das Leibbuch unfers Julius, weckte 
neue Verſuche. Bald warb mobellirt, bald gezeichnet, und die vom V 
nommene Verkleinerung ber Slarman’fchen Umriſſe zur Goͤſchen'ſchen 
Homer gab felbft zum Radiren Weranlaffung. So gewann er im Mı 
und Techniſchen Gewandtheit und in allen Theilen feiner Kunft bis au 
parentmalen eine vorläufige Übung. Wie ernft felbft der Brüder Spiel 
der Umftand beweifen, daß Julius, In Bemeinfchaft mit einem aͤltern, 
Bruder, ein Kriegsfpiel nach eignen Ideen verfertigte, das in diefem Um 
in diefer Eigenthuͤmlichkeit neu, roegen bes Scharfſinns in der Berechm 
Beifall fand. Als Julius durch mehre Studien, in Kreide wie in DI, 
terrichtgeben und einige Arbeiten fir Buchhändler eine gewiffe Reife erh 
ging er in feinem 16. 5. zu f. beiden aͤltern Brüdern nah Wien. Auch! 
Unterricht, um, gleich den Brüdern, einen Theil feiner Beduͤrfniſſe zu gen 
der Vater allen Anfprüchen einer fo zahlreichen Samilie zu genügen auf 
war. Damals trat bei unferm jungen Kuͤnſtler jener Iwiefpalt ein, den: 
beftanden hat, dem es mit f. Beftreben Emft ift. Srüher hatte ihn Mic 
gewaltige Kraft angezogen; dann mehr dem Gleihmaße der Formen x 
war er an der Richtigkeit feiner Wahl irre geworden. In Wien Hatte ſich 
von der Würde ber Kunſt fo gefteigert, daß er zweifelte, ob er je ihren X 
merds genügen koͤnnen. Schon war er daran, völlig umzutehren, um ı 
werker nüslicher zu wirken, als ihn der vaͤterliche Zuſpruch und die Erm 
einer Schwefter aufö neue ermuthigten. Nun wanbte fid Schn, den biel 
Lofigkeit der verflachten Kunft anekelte, mit jugendlicher Bewunderung a 
lenvollen Ausdrude der altdeutfchen Meiſter und zu ihrer Kindlichkeit m 
flellung. Ein Zuruf des Vaters, ben Weg wohl zu beachten, den er gı 
die Kritiken der leipziger Kunftfreunde, erregten ſ. Aufmerkſamkeit und f 
Sein ganzes Streben gewann einen neuen Anlauf, der zu einem füh 
führte. Nach Beendigung des Kriegs entftand bei Schn. der Wunſch, na 
zu gehen. Durdy eine Verſteigerung einiger eingefchichten Arbeiten, 
Freunde unter ſich anftellten, murben einige 100 Thaler gewonnen, die, 
vermehrt durch den Verlauf des h. Rochus an Hın. Proclamator Bi 
einer heil. Samille an Hrn. v. Quandt, hinreidhten, um die Reife a 
Unterwegs entwarf Julius die Hochzeit zu Sana, die, halb vollendet, eine! 
länder in Mom fo anzog, daß er den Künfiler auffoderte, fie für ikn ; 
den. Bald darauf erhielt Schn. vom Marchefe Maſſimi den Auftrag, im 
Saale feiner Billa zu Rom Scenen aus Artofto in Freſsco zu malen. © 
ſogleich das Ganze im Kleinen zu entwerfen und zu coloriren; aber ieh 
von dem italleniſchen Sieber befallen, 08 Yan und, un eäallae Wirt 


Schnupfen 829 
Ben ſchwaͤchte, daß er an der Möglichkeit der Ausführung feines Unternehs 
verzweifelte. Ex glaubte, um nicht den Marcheſe und ſich ſelbſt in Verlegen⸗ 
wſetzen, biefer Arbeit entfagen zu mrüffen, und ging, um zu genefen, nach los 
Dier erlangte er f. völlige Geſundheit wieder. Bald darauf vernahm ber 
zrinz, jetzige König von Batern, in Rom, was gefhehen. Ihm, ber fchon 
: Den jungen Kuͤnſtler mit Wohlgefallen ausgezeichnet hatte, that deſſen Ent⸗ 
leid; aber die Ausführung war bereits einem Staliener übertragen worden. 
ba darauf ſtarb diefer Staliener, und dem Wunfche des Kronpringen zufolge 
Dem nun völlig genefenen Schn. die Arbeit übertragen. 1825 hat der Kuͤnſtler 
&önen Gemälde, Scenen nad) Ariofto, vollendet, von deren Werth die 11 Cars 
Die einige Zeit in ber Amtswohnung bes Vaters in Leipzig zu fehen waren, auch 
eutſchland die begrümbetfte Meinung verbreitet haben. Vgl. das „Kunftblatt” 
„Morgenblatt”, &t. 26, 3.1825, wo auch ein Umriß mitgetheilt worden iſt. 
f berief ihn der König Ludwig von Baiern nach München. Schn. verließ Ita⸗ 
kehrte zuerft inf. Vaterhaus zurüd, reiſte dann nach Wien, wo er ſich vers 
Khete, und hat fich nun in München niedergelaffen, wo er jegt für ben kunſtlie⸗ 
m König eine Galerie aus den Nibelungen zu malen beauftragt ift. 19. 
Schnupfen, eine Krankheit, die mit Froſt und gelinder Hige, zuweilen 
Belt Kopfſchmerz anfängt, mit häufigem Niefen verbunden iſt und endlich in 
GScleimausfluß aus der Nafe übergeht. Während der ganzen Zeit ift bie 
Höhle verftopft und innerlich verſchwollen, der Geruch fehlt, ſowie auch ber 
mack; beide kehren erft nad) Beendigung bed Schnupfens zurid. Wem 
mehtigkeit ausfließt, fo nennt man den Schupfen fliefend ober triefend; iſt 
we Rafe innerlich fehr verſchwollen und der Ausfluß fehlt ganz, ober iſt fehe 
B nennt man bies ben Stockſchnupfen. Der Schupfen hat feinen Gig in der 
Achaut ber nach hinten über ben Gaumen, nad oben bis an die Hirnſchaͤdel⸗ 
Debreiteten Nafenhöhle. Diefe Haut befteht aus loderm Zellgewebe, In 
B fid) eine außerordentliche Menge von Blutgefaͤßen veräftelt, wodurch fie ihe 
Anſechen erhält. Außer mehren andern Nerven, welche ſich in diefer Haut 
Ben und fie fehr empfindlich machen, ift befonber6 der eigentliche Geruchſsnerv 
Vrdig, indem diefer feine Zweige vorzüglich in den Theil der Schleimhaut 
Eert, welcher die beiden oben Naſenmuskeln und ben größten Theil der Scheis 
En Der Nafenhöhle bedeckt. Diefe Zweige find außerordentlich weich und ver» 
= fich zulebt ganz mit dem ſchwammigen Gewebe der Schleimhaut. Die Abs 
kung von Seuchtigkeit und Schleim ift in der Nafenhöhle zur Erhaltung der 
Seit und Zartheit der die Geruchänerven umfaflenden Haut, alfo zur Befoͤr⸗ 
des Beruchsfinnes, nicht aber zur Reinigung des Blutes von Schärfen vors 
wt, denn zu dem legtern Zwecke würde die Natur wol nicht einen Theil bes 
nur, welcher durch bie Dienge feiner Nerven, durch bie Zertheilung derſelben zu 
huferit empfindihen Organ wird, ebenfo wenig als die Abfonberung ber 
wer in der Thränendrüfe des Auges, die Abfonderung des Ohrenfchmalzes 
Bern Gehoͤrgange ıc. als reinigende Abfonderungen in Ruͤckſicht des Blutes 
achten find. Dagegen ift bie mit fo zahlreichen arteriellen Haargefäßen ver» 
„Daut um fo leichter der Entzündung ausgeſetzt, und alle Zufäle des Schnu⸗ 
yeigen an, baf er nichts Andres fei als eine Entzündung der Schleimhaut der 
Höhle. Diefe Entzuͤndung entfcheidet ſich gewoͤhnlich durch vermehrte Ab- 
mung eines dicken häufigen Schleims in Zeit von 2 — 4 Wochen, nad wel⸗ 
Zeitraume fie ſich wieder zertheilt, die Geſchwulſt der Schleimhaut abnimmt, 
Ft wieder freier durch die Nafe gezogen werden kann. — Liber die Urſachen 
uupfens find die Miinungen ebenfo verfchieden, twie über das Wefen deſſel⸗ 
Wäufig wird er noch für eine goige von Schärfe im Blute und von Erkältung 
den. Allen wir feben oft, daß ganz geſunde Menfchen, bei henen Leine 


ö— — —— ne eine 


Te 


Swyepug ım verwen, auv vurwunsue Ayuuyer 
Urfachen, welche ben Ausbruch des Schnupfens veranla 
wirklich die Tätigkeit bes arteriellen Hanrgefäßfofter 
Übermaß bringen, befonders Einwirkung von fauerftofi 
Uch bei Rordoft- und Nordweſtluft der Schnupfen, for 
Entzündung jeder Art, allgemein herefchend wird. Al 
zur Exhigung, wodurch die Thätigkeit des arteriellen BI 
dird, kann diefeß bewirken, baher plöglicyer Übergang aı 
heiße Stuben, in welche man aus der falten Luft komm 
higenden Getränken, befonders Wein und Branntwein, 
häufige Veranlaffung zum Schnupfen ift die Unterbrüd 
daher auch bei feuchter und Ealter Luft der Schnupfen fü 
ter und Fruͤhjahr find beſonders die Jaheeszeiten, in w 
ſchend ift, weil in ihnen alle oben angeführte Urſach 
fneler Wechfel von Kälte und Wärme, Überfülung 
toben Stoffen von zu reichlichem Genuffe der Nahru 
finden. — Der Schnupfen iſt alfo allemal auch eine K 
indere, bie aber durch ihre Heftigkeit und Verbreitun 
urſachen und ſogar gefährlich werben kann, wenn der 
Vernachlaͤſſigung oder forigefegte Einwirkungen der Ur| 
ober nad) den Lungen hinzieht. Kann man alfo ben &ı 
in der Regel beffer. Nur darf man nicht glauben, daß 
gebe, wenn man fich recht warm hält; im Gegenteil 
und fegt ſich um fo leichter der Erkältung aus. Gerade 
Gruben ſich aufhalten, ſich in Pelz und Wolle einhuͤll⸗ 
von einem rauhen Luͤftchen befttichen werden, und hi 


Schnupfen. Die krankhafte Empfindlichkeit, in welch 


zaͤrtelung verfegt wird, pflanzt ſich auch auf bie innen 
und gibt bie Anlage zum chronifchen Schnupfen. Zur | 
gehört überhaupt Stärkung ber koͤrperlichen Natur, Ab 
die Einflüffe der Witterung, Verhuͤtung einer Anhaͤu 
Nabrımasitoffen im Blute. Hierau bient oͤfteres Bad 


Schnuͤrbruſt 881 


man ganz. — Wer mit dem Schnupfen wirklich befallen iſt, beobachte in 
Periode, von etwa 3 — 4 Tagen, durchaus bie kuͤhlende Methode, halte 
er nur ganz mäßig erwaͤrmten Stube auf, waſche den Kopf, daB Geficht, 
m, den Hals und bie Bruft einige Mal des Tages mit altem Waffer, 
ch öfters mit Waſſer, worin etwas Salpeter aufgelöft, ober welches mit 
Weineſſig vermifht iſt. Wer fich vorher gewöhnt hat, zumeilen kaltes 
s die Nafe zu ziehen, thue es auch jest öfters; wer aber hieran nicht ges 
und heftigen Stodfchnupfen hat, mit ſtarkem Schmerz in die Stim bins 
n die Backenknochen, der ziehe öfter6 ben Dampf von warmem Waſſer in 
fee aber dieſes nicht länger, als bie Umftände es nöthig machen, fort. In 
‚ der Speifen und Getränke lege man ſich firenge Enthaltſamkeit auf. 
:änf beftehe aus Limonade, Zuckerwaſſer, oder audy bloßem reinen Waſſer; 
ein und andre erhigende Getränke vermeide man. Der Speifen enthalte 
‘0 viel als fein kann, und genieße bloß etwas Suppe von Hafergrüge, leicht 
es Butterbrot, oder etwas Ahnliches. Dabei nehme man einige Mal des 
fonderd Nachmittags und Abende, eine Babe von Weinſteinrahm, Sal: 
Zucker. Bor dem Schlafengehen waſche man ſich noch ein Dal auf ſchon 
: Meife und fege die Füße in ein laues Bad. Dabei vermeide man auch 
Periode nicht ben Genuß ber freien Luft, fondern, zumal wer ſchon daran 
ift, gebe täglich ind Freie. Nur vor ben zu warmen Zimmern hüte man 
er Zuruͤckkunft. Durch diefe Behandlung bricht man gleich anfangs die 
ärte des Schnupfene, ſodaß Fieber, Hige und Kopfſchmerzen, die läflige 
Hung und Verſchließung der Nafenhöhle und die Entzündung berfelben 
er zunehmen und ſich ausbreiten wirb. In der folgenden Periode hat man 
thun, als daffelbe Verfahren, nur etwas gelinder, fortzufegen. In Ans 
e Diät kann man nun Etwas zugeben und bie Eßluſt mit mehren Speifen 
n. Inden Nacken kann man jetzt ein Pechpflafter legen, als gelindes Ab: 
ıtttel. Abends kann man einige Zaflen Thee von Fliederblumen mit Wein» 
ı und Zuder trinken, dabei fegt man die Fußbaͤder fort. Sollte der Schnu⸗ 
g werden oder mit Zufällen drohen, bie fogar Verbreitung ber Entzuͤndung 
Theile andeuten, 3. B. es ſtellen fich heftige Kopfſchmerzen, ſtarkes Fie⸗ 
en mit Beengung der Bruſt, beſchwerlicher Athem, Keuchen oder Stechen 
te ein, fo brauche man ben Arzt. 
Hnürbruft, Schnürleib, ein Sthd der weiblichen Kleidung, wel⸗ 
einer umfaffenden Bebedung des Unterleibes und der Bruft ſowol ale der 
nd des Ruͤckgrathes befteht, aber zugleich durch die Härte der bazu kom⸗ 
Stüde und durch die Feftigkeit der Anlage fo befchaffen ift, daß es nicht 
en Theilen, die es bedeckt, nachgibt und deren Form annimmt, fondern 
itheil diefelben in Zwang hält und feine Form ihnen aufdringt. Die dazu 
em Stüde, entweder von Holz oder von Fifchbein, felbft von Stahl 
‚ werben in Reinwand eingenäht, auf diefe Weife in die paffende Form 
und das Ganze am Rüden berauf zufammengefchnürt. Die Form 
erfchieden geweſen, je nachdem nun die Abficht ihres Gebrauch fie nach 
benden Meimmg über Schönheit des weiblichen Körpers oder nach einem 
Beduͤrfniſſe beftimmte. Sou fie zur Beförderung der Schönheit dienen, 
e der Idee der weiblichen Schönheit entfprechen und dem Körper nicht 
e Form aufjmwingen, als bie Natur mitfichbringt. Die Beflimmung, 
e Natur dem Weibe gegeben bat, bringt es mit ſich, daß ber weibliche 
sehr Zartheit, Vollheit und Rundung, Biegſamkeit und MWeichheit hat, 
ders in der Form ein unmerklich fanfter Übergang von einem Bliede zum 
von einem Theile des Körpers zum andern flattfinde, daß er in harmoni⸗ 
haͤltniſſen ſchlank, rund und voll fei, daß Buſen und Unterleib, jener in 


832 Sghnuͤrbruſt 


aͤrkerm, dieſer in ſchwaͤchern Bogen nach Außen ſich bemerklich u 

bergang in beiden Seiten auf bie Huͤften muß in ganz unmerklichen 
von der Seite der Bruſt herunter mit unmerklich einwaͤrts gehendem, 
die Hüfte mit fanft auswärts gebendem Bogen gefchehen. Diefe | 
welche die Schürbruft oder ber Schnuͤrleib unterflügen muß. — 
dern Moden in der Kleidung ging, fo auch mit diefem Stuͤck derfelbe 
nis, Bequemlichkeit, natürliches Gefühl des weiblichen Geſchlechts 
und Verfchönerung erfand es, Liebe zur Veränderung verfchlimmert 
ferte daran, je nachdem Eitelkeit, Nachahmungsſucht oder beffere Übr 
Herrſchaft hatten. Inſofern die Schnuͤrbruſt und der Gchnürleib 
nannten Foderungen entfprehen, kann man ihren Mugen nicht leui 
geben dem Körper eine Bekleidung, die gut anliegt, den Unterleib q 
hätt, zu einer ſchicklichen und bequemen Befeſtigung der untern RI 
dimt, obne ben Unterleib zufammenzufchnüren, wie bei dem Bind 
über den Hüften außerdem unvermeidlich ift. Durch feine anfchmieger 
es den Vortheil, daß es die ſchoͤne Geſtalt des weiblichen Körpers ı 
fondern fie bei dem Gebrauche der übrigen Kleidungsſtuͤcke noch bi 
durch welche fie außerdem zu fehr verhülft würde. Dabei erleichtert 
und Steifpeit des Schnürleib® dem Körper die gehörige Haltung. 4 
Gebrauch der Schnürbruft diefe Vortheile gewähren und Beinen Naı 
Geſundheit verurfachen, fomuß fie der Geſtalt des weibl. Körpers überh 
Perſon insbefondere angemefien fein, für welche fie beftimmt iſt, ohr 
Abweichung, weber in Anfehung der Größe, noch der übrigen Zei 
Die Schnürbruft darf, indem fie angelegt wird, durchaus die natärli 
Körpers nicht verändern, ſondern fie muß ſich ganz nach ihr richten; 
nach vorn elaftifcy , nach den Seiten nachgebend , nach vorn und unteı 
weniges weiter und in einem kaum merklichen Bogen ausfchweifen! 
Seiten herunter muͤſſen durchaus Über bie Hüften, wenigſtens einen : 
untergehen und dieſen gefchloffen anliegen. Nach unten und vorn, t 
leib umfchloffen wird, kann die Form fteif und etwas rund, nad 
vom mehr platt und breit fein, auf den Seiten einen Bogen nad) hints 
Bis in die Gegend ber Herzgrube kann die Schnürbruft anliegen, doch 
nur den Unterleib, wenn er etwas zu ſtark ift, wenn er herunterhäng 
muß fie durch etwas feſtern Drud unterflügen. Dieb ift nicht mm 
Nachtheil und dem Gefühl beim Gehen fehr wohlthätig, fondern e 
den Körper felbft vortheilhaft, indem es die Eingeweide des Unterleib 
und die zu große Ausdehnung deffelben, welche der Schönheit zum 
ſchraͤnkt. Won der Gegend der Derzgrube an, unter der Bruft, mır 
von der Schnürbruft aufhören. Hier muß fie ausgefchnitten fein : 
Seiten und dem Rüden zu etwas weniges höher gehen. Sol fie 
Bruft noch höher heraufgehen, fo muß fie nach dem Bogen, den bie! 
ser gehörigen Lage bilden, gewoͤlbt fein, fobaß fie von der 7. Rippe 
14 oder 2 Zoll hoch eine bogenförmige hohle Woͤlbung bildet, welche! 
wenigſtens der untern Hälfte derfelben, Schus gegen Drud und Oi 
eine Unterftügung aeben, daß fie nicht zu tief herabfinten. — Zum‘ 
Schnuͤrbruſt ſchicken ſich dünne Fifchbeinftäbcren am beſten, welche 
tigen Elaſticitaͤt verſehen ſind, ohne zu ſtarken Druck auszuuͤben. N 
dazu wäre vielleicht, zumal im Winter, gewoͤhnlicher Hutfilz, der ni 
rigen Form gefchnitten in Leinwand eingmäht würde. Bei der 4 
Schnürbruft ift zu beobachten, daß der Drud überall nur mäfig fein 
fie an allen Stellen zwar gefchloffen und feft anliegt, doch den Theiler 
als die naturgemäße Torm at. Der räunigmäßig ſtaͤrkſte Drad u 


Schnürbruft 838 


ſten Theile, dem eigentlichen Schnürleibe, ausgehen, und nicht ſtaͤrker fein, 
foderlich iſt, um die Eingeweide in ihrer natürlichen Rage zu erhalten, oder, - 
fie (bei Fettbäuchen, Hängebäuchen) von derfelben etwas herunterwaͤrts ab» 
hen 3 — in dieſelbe zuruͤckkzuheben. Bel juͤngern Perſonen, deren Geſtalt 
die Joͤhre oder durch andre Veraͤnderungen noch nicht gelitten hat, bedarf der 
leib nur eines maͤßigen Drucks durch das Zuſammenſchuͤren, ſodaß der 
uͤrleib der natürlichen Form des Unterleibes nur feſt anliegt, dem Gegen: 
: nicht nachgibt und nur ein Stuͤtzpunkt fir den Unterleib wird. Von bier aus 
oben muf das Anziehen in der Stärke grabweife abnehmen, ſodaß es um bie 
3 Rippen herum ſchwaͤcher wird, und die darunter liegenden Theile nicht ge- 
I werden. — Die meiften Schnürbrüfte find unten zu eng und preffen den 
deib zu fehr ein. Hierdurch müffen allemal die Eingemweibe berfelben fehr viel 
kausſtehen, wodurch das Athmen aͤngſtlich und erfchwert wird, Bellemmun- 
Herzklopfen, Ohnmachten, Blutungen, befonders Bluthuften und andre 
entſtehen. Auch muß die ſchaͤdliche Einwirkung auf die Nerven bes Uns 
"8 in Erwägung fommen,, die durch öftern Druck beleidigt und in ihrer Vers 
ng geflört werden, daher fo häufig Krämpfe, Hofterie, felbft Melancholie 
Urfprung bloß von dem Mißbrauche der Schnücbrüfte haben. Ein andrer 
iſt der, wenn die Schnürbruft zu weit heraufgeht und dabei eng und platt 
Daß fie die Bruͤſte mit Gewalt heraufdrängt und an ihrem untern Theile 
Diefer Fehler ift jegt, da man die ehemalige Form der Schnürbrüfte et: 
geändert hat, noch häufiger als der vorige. Nach der Altern Mode follte 
Schoͤnheit gelten, wenn die Srauenzimmer um die Hüften herum fo eng zu: 
zıgefchnürt waren, daß von beiden Seiten die Hüfttnochen weit hervorftans 
prozu die auf beiden Seiten durdy hohle Zafchen (poches) außgebreitete Kleis 
moch mehr beitrug, ſodaß damals die fo angepusten Damen mit Recht eis 
verglichen wurden, das in ber Mitte ganz duͤnnleibig ift, nad) oben 
Bten aber immer breiter wird. Doch blieb damals die Bruft mehr verfchont, 
te Schnürbruft nad) oben geräumiger war und die Brüfte weniger drückte, 
were Art aber preßt diefe nicht nur mehr in die Höhe, fondern drückt fie auch, 
Tuͤrlichen Schönheit ganz zumider, vor unten beinahe platt, welches zu den 
fen Folgen Anlaß gibt. Die Natur hat die Bruͤſte nicht unter das Kinn 
wo hinauf man jegt zumellen fie gepreßt erblickt, fondern ih Platz iſt von 
bis zur 6. oder 7. Rippe. Jede Verlegung derſelben kann di. traurigften 
haben; und felbft ein gelinder, aber oft roiederholter und anhaltender Druck 
Ge Theile kann hoͤchſt nachtheilig werden. Auch find diejenigen Schnürleiber 
S, die mit einem fogen. Blankſcheit verfehen find, welches nach oben zwi: 
am Bufen auf die Bruſtknochen druͤckt und das Schnürleibchen fo gegen die 
: ambrängt, daß diefe von unten platt und hinaufwaͤrts recht voll gepreßt wer: 
Mad, unten aber drüdt diefes Blankfcheit fo auf den Unterleib, dag auch 
ns Schnürleibchen feſter und flärker denfelben zurüddrängt. Diefe Anwen: 
6 Blankſcheits, zumal wenn e6 zu lang und von Holz oder gar von Metall 
ze In jeder Ruͤckſicht Manches wider ſich. Es ift der wahren Schönheit und 
nicht günftig, wenn ein Frauenzimmer fo gerade, fteif, gezwungen und 
"t einhergeht, ald menn der ganze Körper aus Holz gefchnigt wäre, ober 
Die Bruft von unten herauf platt gebrüdt ift, oben der Stab herausgudt, 
wıf dem Leibe die untere Spige des Blankſcheits fi) von dem Drude nady 
Kegt und mie ein Schnabel die Oberkleider in die Höhe hält. Iſt aber auch 
Tankſcheit nicht zu lang, fo ann ſich dech ein Frauenzimmer, beim Büden 
Den Drud von demſelben, wenn es zu ſtark und zu hart ift, oder wenn es 
a der Mitte nach ber Seite hin verfchiebt, auf die Bruft oder auch auf den 
"ib den größten Schaden zufügen. Wenn fie denn aber nüthia iut , mu 
ßen, Oicbente Aufl. Bd. IX. 53 





legt lebte er von allen Sefhäften zurüdgezogen in St 
ſchoͤne Bibliothek an einen Engländer, feinen ehemalig 
mehte von Schn. unvollendet gelaffene Arbeiten fortzuf 
nen philofogifchen Abhandlungen über bie Pfalmen, übe: 
nennen wir f. „Bibliotheca arabiea” (neuefle Aufl., 
rühmlichen Beweis von des Verf. Genauigkeit und G 
Kraft druͤckte ſich in feinem Charakter aus; Ernſt und T 
das zugleich einnahm und Ehrfurcht gebot. Ex flach 
Memminger's „Würtemd. Jahrb.” (1824). 

Scod, 1) eine Anzahl von 60 Stüden; 2) v 
den und Thaler befannt waren, in einem Theile Dei 
münze von 60 Groſchen. In Sachſen hatte man 2 
Withelminer oder alte filberne, wovon 160 eine fein 
und Loͤwengroſchen, von benen 60 Stuͤc ein Schock unt 
Groſchen ausmachten. Daraus entftand der Unterfchli 
Schoden, ber in Sachſen noch jegt in gewiſſen Fällen 
fattfindet, wo dann ein altes Schod zu 20 Groſchen 
12 Gr. gerechnet wird. 3) Helfen gewiſſe Landftem 
(Bgl. Quatember.) 

Schoen (Martin), einer ber aͤlteſten und vorz 
auch Goldſchmied und Kupferftecher, wurde zu Kolmbı 
Kolmar. Er lernte bei Franz Stoß (nach Andern bei R 
ten ihn Buonmartino, auch Martino d'Anverſa, viell 
detlanden anfhielt, wie Hr. v. Quandt glaubt. Erif 
her und hat vorzüglich nach Bildern der niederlänbifd 
fliftete eine bauernde Sreundfchaft mit P. Perugino. ' 
Jugend den Traum des heil. Antonius, den Martin 
hatte, copirt haben. Man hat ihn aber mit dem Ma 
gauer, geb. zu Kolmar und 1699 geft., häufig verwer 
Sch. 121 gröftentheils biblifhe Gemälde. Noch gegı 

Genie, Rei 





Scholaftiter 835 


elalter entſtand eine eigne Gattung von Philofophen u. d. N. Scholaftiker und 
eigne fcholaftifche Philofophie oder Schulweisheit, deren Wefen in der Ans 
ung einer aus der alten Zeit flammenden Dialektik auf die Theologie und der 
en Verbindung beiber beftand. Da diefe Anwendung mehre Verfchiedenheis 
zebietet, welche periodifd zum Vorfchein kamen, fo flimmen die Gefchicht: 
ber über den Anfang der ſcholaſtiſchen Phitofophie nicht überein. Diejenigen, 
e den theologifhen Gehalt derfelben vorzüglich berüdfichtigen, machen den 
flinus zum Ucheber derfelben, Andre finden ihren Anfang in den monophyſi⸗ 
u Streitigkeiten im 5. und 6. Jahrh. Gewoͤhnlich nennt man als erfien 
Hafliker Joh. Scotus Erigena (f. d.) im 9. Jahrh., ohne diefen zum eigent: 
a Ucheber der Scholaſtik zu machen. Er war Philofopb f. Jahrhunderts, der 
latoniſchen Weife ſich anfchliegend. Die ſcholaſtiſche Philofophie erhielt ihren 
en dadurch, daß fie aus den von und feit Karl d. Gr. geflifteten Schulen zur 
mg der Beiftlichen hervorging. (&. Schulen.) Die hier vorgetragene Phi: 
die beftand in einer aus dem Latein. Erklaͤrern des Ariſtoteles, befonders dem 
bo-Auguftinus und Boẽthius, fomie aus des Porphyrlus Einleitung zu den 
Heelifchen Schriften gezogenen Zufammenftellung logifcher Regeln und ontolo> 
Fr WBegriffe, dieu.d. N. Dialektik die theoretifche Philofophie überhaupt aus: 
en und mit ber fpätern aleranbrinifchen Vorſtellungsart von Gott, f. Eigen» 
sw und Verhältniffen zur Welt verbunden oder darauf angewendet wurden. 
Izfprüngliche Tendenz war Beine andre, als das dogmatiſche Religionsfpftem 
sche zu befefligen und zu vertheidigen. — Buhle fegt 3 Perioden fell: Die 
B auf Roscellinus (1089), ober bis auf den Streit der Realiften und No⸗ 
Kiften (f. d.); die zweite bis auf Albertus Magnus (ft. 1280), wo die me: 
chen Werke des Ariſtoteles allgemeiner befannt und erläutert wurden ; bie 
Bais auf die Wicderherftellung der alten Literatur in der Mitte d. 15. Jahrh. 
uw Dadurch bewirkte Verbefferung der Philofophie. — Nach Tiedemann, ber 
Keholafticiemus als diejenige Behandlungsart der Gegenflände a priori ers 
mu0 , nad) Aufftellung der meiften für ımd wider aufzutreibeuden Gruͤnde in 
Wifcher Form, die Entſcheidung aus Ariſtoteles, den Kirchenvätern und dem 
wenden kirchlichen Syſteme genommen wird, fängt die Gefchichte deffelben 
un Stanciscaner Alerander von Hales (fl. 1245), einem Klofter in Glouce⸗ 
”e, an, welcher von ben Ariftotelifhen Schriften zuerft einen bedeutenden 
wich machte. Der genannte Alerander Haleſius war ber erfte ausführliche 
vztator der Gentenzen Peters des Lombarden und erwarb fid) ale Lehrer zu 
den Beinamen Doctor irrefragabilis. Auch erläuterte er die Pſychologie 
Uſtoteles. Ohne eignes Denken entfcheidet und urtheilt er allenthalben nach 
E Kichmfcriftftellern und Philofophen. Das zmeite Zeitalter der Schola⸗ 
Eseginnt Tiedemann mit Albertus Magnus (f. d.), welcher ſowol die phy⸗ 
hen als philofophifchen Schriften des Ariſtoteles, mehre bibl. Bücher ıc. ers 
w. Noch groͤßern Ruhm erwarb fein Schüler, Thomas von Aquino (f. d.), 
mter der Moral und ſtrenger Anhänger des Ariftsteles, Über den er 52 Som: 
we hinterließ. Dieſem ftelite fich der Sranciscaner oh. Duns (f.d.) &co: 
zer mit dem zuvor genannten Job. Scot. Erigena nicht zu verwechſeln ift, 
en, einer der dunkelften, fpisfindigften Dialektiker, ber durch fein ſcholaſti⸗ 
Obder barbarifches Latein bekannt ift. Da er als Gegner des Thomas auftrüt, 
au fi die Thomiſten und Scotiften (ſ. d.), deren Zwiſtigkeiten be⸗ 
lebhaft wurden, als Scotus ſich gegen die durch Thomas vertheidigte 
we Auguftinifche Lehre von der Gnade erklärte, und welche Jahrhunderte lang 
der Kirche erhielten. Außerdem waren ſcharfſinnige Scholaftiker dieſes Zeit: 
BE der Sranciscaner Bonaventura, Schüler bes Alerander Halefius, eigentlich 

yſtiker (f. Bonaventura), ber General des Dominicamerniene Kwurg, 

58 


836 Scholien Schön 


der Franciscaner Franz Mairon, Schüler des Duns Scotus und € 
bonnifhen Disputation zu Paris, bei welcher der Mefponbent von 6 
bis 6 Uhr Abends ganz allein die Streitfäge vertheidbigen mußte, und: 
Mahlzeit auf dem Katheber zu ſich nehmen durfte. Das dritte Zeita 
laſticismus fangen einige mit Wilhelm de St.» Pourcain ober Durant 
Porciano (geft. zu Meaur 1332) an; beffer beginnt man mit ihm 
alter ber fcholaftifhyen Theologie. Wegen feiner Fertigkeit in Aufloͤ 
ger Sragen bekam er den Beinamen Doctor resolutissimus. Er m 
terfchied zwiſchen theologifcher Wahrheit (die auf der Autorität der 
und philofophifcher (die unabhängig vom Kirchenglauben durch eign 
begründet werde) und gab zu, daß manches theologifcy wahr und doc 
falfch fei. Andre fangen ben dritten Zeitraum der Scholaſtiker mit TE 
oder Dccam (geft. 1347) an, einem Franciscaner, der die faſt verg 
tigkeiten der Nominaliften wieder belebte und ſich als unerfchroden 
der chriſtlichen Freiheit gegen die Anmaßungen ber Päpfte merkwuͤrdi 
ner der legten dieſes Zeitraums war Gabriel Biel (geft. 1495), e 
Nominalift und thätig bei der Begruͤndung der Univerfität Tuͤbing 
Tennemann nimmt 4 Perioden der ſcholaſtiſchen Philofophie an. D 
12. Jahrh., charakterifirt er durch blinden Realismus, einzelne pi 
fuche in der ſyſtematiſchen Theologie. In diefe Periode gehört vor 
Scotus Erigena, Berengar von Tours, fein Gegner Lafranc, Da 
debert von Lavardin und der große Anfelm von Canterbury. II. E 
Nominalismus und Realismus. Sie geht von Roscellin bis zu Al 
fen im Anfange des 13. Jahrh. Wir nennen aus derfelben Rosce 
Wilh. von Champeaur, Hugo de St.:Victore, Richard de St -X 
Porretanus, Pet. Lombarbus, Pet. von Poitiers, Alanus und v. 
v. Salisbury. IH. Ausfchließliche Herrfchaft des Realismus. V 
dung des firchlichen Syſtems und der Ariftoteliihen Philofophie v 
Großen bis Decam im 14. Jahrh. Hierher gehört Aler. von Hales 
Beauvais, Bonapentura, Thomas von Aquino, Petrus Hifp 
Goothals, Ri. Middieton, Duns Scotus, Franz Mairon, | 
IV, Exneuerter Kampf des Nominalidmus mit dem Realismus, mi 
bes erftern, und allmälige Trennung der Theologie und Philofop 
gehört With. v. Drcam, Marfilius von Inghen, Robert Holcot, 
Joh. Buridan ıc. (&. Tennemann’s „Grundriß der Gefchichte der 
4. Aufl, oder 2. Bearbeit. von Wendt.) — Wegen der Spisfinbig! 
ſcholaſtiſchen Phitofophie heerfchte, hat der Ausdruck ſcholaſtiſch! 
bes fpisfindigen erhalten. Seit der Reformation und der Emeuerumg 
ratur verſchwand nad) und nach der Scholaſticismus. Nur einzeln fl 
deutende Scholaſtiker auf, wie der fpan. Jeſuit Suarez (geft. 1617 
von Verulam und Descartes beginnt das freiere, von Autorität una 
loſophiren. 

Scho lien find kürzere oder längere Erklärungen zu einem g 
Schriftfteller, welche vornehmlich; die alten Grammatiker, bie dem pr 
der Sprachwiſſenſchaft lehrten, beizufchreiben pflegten. Die Verf 
lien heißen Scholiaften. Wir befigen noch eine Menge alter &chı 
Dichtern und Schriftftellern, weniger zu lateinifchen. Die Namen 
meift unbefannt. Man kennt jedoch ben Scholiaften Didymus, der 
und Euftathius, den berühmten Scholiaften ded Homer (beide Lehte 
12. Jahrh.). 

Schoͤll (Martmilian Samſon Friedrich), ausgezeichnet als 
Scheiftfteller, Buchhändter wit Diplamaıt, art. 1766 in einem nafl 


Schoͤll 887 


Dorfe, verlor f. Vater (Suftisamtmann), als er erſt 7 Fahr alt war, und da 
Mutter nah Buchs weiler wendete, fo erhielt er feine Bildung auf dem Gym⸗ 
n dafelbft, bis er, 15 J. alt, die Univerfitäe Strasburg beziehen Eonnte und 
ster Koch befonders in Gefchichte, Politit und Staatsrecht ausbildete. Bes 
geworden im Daufe der Generalin v. Krook aus Liefland und Erzieher ihres 
es, kam er hier in einen Kreis der gebilbetften Männer von allen Nationen 
egleitete fie mir ihrer Samilie auf einer Reife buch Frankreich nach Italien, 
sch Hirt's Geſellſchaft für ihn doppelt lehrreich wurde. In Paris war er 
Zeuge der erſten Revolutionsauftritte, und obfchon er, als ex feinen bisheri⸗ 
leifegefährten nach Petersburg gefolgt war, hier fehr glänzende Eintadungen 
, fo führte ihn der Enthuſiasmus für die erwachte Freiheit doch ſchon 1790 
nad) Straßburg zurüd, mo er ſich, der juriftifchen Laufbahn widmend, bald 
end auszeichnete, aber auch bald von feinen fchönen Träumen zuruͤckkam. 
Schrediensfpftenn drohte auch feine Eriftenz zu gefährden. Zu rechter Zeit ge: 
verließ er Strasburg, um in der Nähe von Kolmar zu leben. Auch hier in 
‚Sten Sefahr, floh er nad) dem Wasgau und von da nach dem eidgendffi- 
aber fireng blokirten Mühlhaufen, von wo er aus Furcht, ausgeliefert zu 
o als Fleifcher verkleidet in die Schweiz ging. In Bafel legte er fich auf die 
innifchen Wiffenfchaften, und eine Einladung rief ihn 1794 erſt nach Weis 
nd dann nad) Berlin, wo ihm der berühmte Buchdrucker Deder den Vor⸗ 
machte, eine eben errichtete Druderei in Pofen zu übernehmen. Robes⸗ 
B Sturz; 1795 erlaubte ihm die ſichere Heimkehr ins Vaterland, und fo kam 
mit ihm überein, daß er flatt des Geſchaͤfts in Poſen einer ihm in Baſel 
zen Buchhandlung und Druckerei vorftehen möchte. Unter der Firma: Ja⸗ 
ecker, ward fie, von ihm geleitet, mebre Jahre lang ber Sammelplag Aller, 
dem neutralen Bafel die Exrzeugniffe der franz. und deutfchen Kiteratur kennen 
wollten. Die Herausgabe von Delille’$ „L’homme des champa“, von ber 
m Monate 40,000 Er. zu 1 bi6 96 Fr. in allen Formaten abgefegt wurden, 
gewiß zu den feltenften Urtternehmungen des Buchhandels. Nac dem In: 
E Frieden verkaufte Deder feinen Antheil an der Handlung, und SH. ver: 
e nad) Paris, bis er fie 1806 mit der der Gebrüder Levrault vereinigte, mo 
ch nicht vollendete Humboldt'ſche Meife — ein Exempl. koſtet gegen 2000 

— wiederum zu den größten Unternehmungen gehört, die von Privatleuten 
ährt wurden. Bon 1807 an richtete Sch. feine Aufmerkſamkeit darauf, 
az. Gelehrten mit den verfchiedenen Ausgaben der alten Claſſiker befanntzus 
ı und das Studium diefer zu verbreiten, allein biefe mancherlei gemagten 
ehmumgen und die Stodungen 1812 in allen Gefchäften wirkten aud auf 
nachthrilig, daß er nur durch die Unterflügung eines großmuͤthigen Freundes 
alliſſement entging. Beim Einzuge der Verbündeten in Paris ward er im 
rt des Koͤnigs von Preußen, auf Antrag von Aler. v. Humboldt, angeftellt, 
ich der Abreife des Könige blieb er bei der preuß. Geſandtſchaft. Napoleons 
ehmung 1815 beftimmte ihn, Frankreich zu verlaffen. Der Fürft Staats: 
rief ihn nad) Wien, von wo er nad) Berlin ging und fi) wieder bem Gabis 
nifchließen den Befehl erhielt. _ So kam er bald nody einmal nad) Paris zu- 
nd leiftete als Legationsrath beim Liquidationsgefchäfte wichtige Dienfte. 
nanchen diplomatifchen Sendungen 1819 ward er in Berlin als Geh. Ober: 
mgerath u. vortragender Rath beim Fürften Staatskanzler angeftellt und er: 
aͤterhin noch die Mitgliedfchaft des Obercenfurcollegiums. In diefer Sphäre 
gegenwärtig, feine Muße gelehrten Arbeiten widmend. Von mehren treff« 
Werken, die er verfaßt und herausgegeben hat, nennen wir f. „Histoire de 
erature romaine‘ (1815, 4 Bde.); „Histoire de la litterature greeque‘’ 


afl., Paris 1824, 4 Bde.); „Congres de Vienne” (1815, 6. Umerke: 





yuvson) menuy gusge Juuy snaty wein Bupsiung su 0p0y mus wm 


Es kann nämlich, unbeſchadet jenes harmonifchen Verhäl 
Ding ſchoͤn genannt werden darf, bie Idee, welche ben C 
weder die Form ganz erfüllen und gleihfam aus ihr heri 
ches der Fall ift, wenn die Idee felbft ſich auf den Kreis 

telbar bezieht. Hier, wo die Form un ganz anzieht un 
erklärt, wo die Vollkommenheit ber Form mit einem lei 
zutreten ſcheint, reden wir von Anmuth und Graziı 
die Gabe der Natur, der hoͤchſte Reiz, welchen biefe ihre 
ja fie erſcheint auch überall natuͤrlich und ungeswungen. 

Ben der Formen, eine den Sinn ergägende und an ihre 
wegung find die Zeichen der Anmuth, ein heiteres, ruhig 

ihre Wirkung. Ober 2) die Form eines Begenftandes 

tung einer Idee, welche über alle Form erhaben ift, zu 

Gefühle des Unendlichen. Dies ift da6 Ethabene; und | 
infofern e8 Etwas ift, das dem unendlichen Geift durch f 
wirkung in feinem innerften Wefen erſchuͤttert, indem ı 
lichen umd Unerreihbaren in ihm aufregt. Hier ſcheint d 
fein inneres Wefen auf uns zu wirken ald durch feine Fo 
Form abzumerfen (3. B. Selfenmaffen, bie gen Himmel 

durch feine Form, wenn auch nur negativ, indem er bad U 
an bie Unendlichkeit ber Ideen andeutet, aber feine Außer 
bar zu biefer Stimmung mit. Nun aber wirkt ein du 
ertenfiv (diefeß dad mathematifch Exhabene, welches auf 
intenfiv (dieſes das dynamiſch Erhabene, welches auf S 
zuht); das Geiftige aber wirkt durch bie Kraft ber Vor 
des fittlichen Willens das Gefühl des Erhabenen. Hien 
Erhabenen die Rede fein, das unter dem Charakter der ı 
Schönheit erfheint, küryer von dem Erhabenen, welches 
ſtig⸗ ſinnlich) if. Es wird durch das Zufammenmirken 
muß darum aud) das Gemüth mit Macht bewegen und ı 
portragen. — In der Wirklichkeit nun neigen ſich die & 


Schön (v.) Schönborn (Reichögrafen v.) 841 


yäufig vorlommende: die Natur: und Idealſchoͤnheit, welche ſelbſt das 
des Kunftfchönen beſtimmen foll, und durch jene das in die Kunſt überges 
Naturſchoͤne, durch diefe das in dem Kunftgebiete ideenmäßig ımb ur: 
ich erzeugte Schöne bezeichnet, oder auf die mehr oder minder Lünftliche 
tuelle und artiftifche) oder einfachere Bildung (Naturalismus) hindeutet, 
die Werke der Kunft verrathen oder vorausfegen. (Vergl Naturdichter 
efie.) In der Kunſt kann endlid das Schöne ſich ebenfowol unter dem 
ter des Ernſten ald des Scherzenden darſtellen. Das Komifche alfo wird 
8 als eine Gattung des Schönen anzufehen fein, wenngleich es feinem Be: 
u widerſtreiten fcheint. Jede Kunft beruht aber auf einer eignen Darſtel⸗ 
em der Schönheit. (Vgl. Kunſt, Poefie, Malereiu. a) — De 
ieſes Art., welcher hier größtentheils feiner eignen Anficht gefolgt iſt, ver 
: Dinficht der Literatur dieſes Gegenſtandes auf Erſch's „Literatur der ſchoͤ⸗ 
inſte“, Nr. 5—31 (foftemat. Schriften über Äfthetit), insbefondere auf 
—67. Kenner werden beurtheilen, wie fich die bier gegebene Anſicht zu 
ne'fchen Beflimmungen: „1) Schönheit iſt, was ohne alles Intereſſe ges 
2) Schönheit ift Form der Zweckmaͤßigkeit eines Gegenftandes, fofern fie 
orflellung eines Zwecks an ihm wahrgenommen wird; 3) fchön iſt, mas 
'egriff allgemein gefäut; 4) fchön iſt, was ohne Begriff als Gegenſtand 
thmwendigen Wohlgefallen® erfannt wird“, ober zu der daraus gefloffenen Er: 
: „Schön iſt, was durch feine Form gefällt, oder: was durch feine Form 
ungskraft und Verſtand in eine freie harmoniſche und fpielende Thätigkeit 
welche mit Wohlgefallen (einem hohen Gefühle ber Luft) verbunden iſt“, 
ꝛ. Doch iſt zu erinnern, daß das Schöne auch bei Kant dem Erhabenen ent» 
font wird. Übrigens vgl. Äfthetil, Baumgarten, Batteur. T. 
Schön (v.), ein um die Verwaltung Preußens hoͤchſt verdienter Staats⸗ 
k. preuß. Wirkt. Geh.⸗Rath und Oberpräfident ber beiden Prov. Oft: und 
eußen. Bor der 1824 erfolgten Verfegung des Landeshofmeiftere v. Auers⸗ 
den Rubeftand war er Oberpräfident der Provinz Weftpreußen zu Danzig, 
Seh. Staatsrath und Präftdent der lithauifchen Regierung. Der verft. 
ver fhildert ihn als einen Mann von eigner Kraft und Gewandtheit, der, in 
ſ. Fach erfoderlihen Wiſſenſchaſt vollkommen unterrichtet, ganz feinem Bes 
t. Hr. v. Sc. bat ſtets für das Beſte der unter ſ. Leitung ftehenden Pros 
mit Einfiht, Kraft und Thätigkeit geforgt. So that er 1812 alles Moͤg⸗ 
ım bie Ausführung der Vermögens » und Eintommenfteuer im Königreiche 
n zu bintertreiben, weil er glaubte, daß diefes von dem Kriege und bei dem 
narfche ber franz. Heere nady Rußland ganz erfchöpfte Land nicht vermoͤgend 
e Steuer aufjubringen. Er verfolgte f. Widerſpruch mit folder Beharrlich⸗ 
d ſolchem Eifer, daß er darüber in fißcalifchen Anfpruch genommen wurbe. 
Id darauf eintretende Kataftrophe von 1813 hat diefe Sache in Vergeſſen⸗ 
racht, nicht aber das Verdienft des Mannes. Der Staatskanzler Hardenberg 
te ihn f. Vertrauens. Auch war er in der legten Zeit bei den Berathungen 
8 Provinstals Ständemwefen , unter dem Vorſitze des Kronprinzen, in Berlin 
Artig. Die Wiederherſtellung der Marienburg (f.d.) ift hauptſaͤchlich 
‚Mitwirkung erfolgt, fowie alles Gemeinnügige an ihm den eifrigften Be⸗ 
e findet. ' 
5shönborn, Reichsgrafen v., Erbtruchfeffe in den Ländern unter und 
Ins, befaßen ehemals 2 Stimmen auf ber fränlifchen Grafenbanf und wur⸗ 
06 mebiatifirt. Die Linie Schönborn: Buchheim oder der Öftreihifchsm: 
‘Zweig befigt: a) die mittelbaren Herrfhaften Schönborn (Dorf, Amt, 
Schloß und großer arten, im Lande unter der Ens), Weierburg, Mauten 
Tag in Öftreich (zuf. 13,500 Einw.), b) die Herrfchaft Munkacs und St; 





127 LIWW. , 9209 EIN. UND /9,UWU ZI. EINT.), gryor 
Refidenzfchloß mit einer außgeroählten, beſonders burd 
gen Bibiiothek und einem ſchoͤnen Garten, in welchen 
zur Verewigung der neuen Verfaffung Baierns eine car 
nem dreifachen Sodel von randersacker marmorartigem 
zichtet hat. 1825 gründete der @raf hier ein Dentma 
neder f. Eoloffale Büfte Schiller's wiederholte. " 

Schönbrunn, f. Wien. 

Schönburg (das Haus), ober die Fürften, ( 
ſten) zu Schoͤnburg, ein ehemals reichsunmittelbares 
Sachfen, evangel.ziuther. Religion, hatte auf der weti 
und Stimme auf bem Reichötage, beſaß aber nie eir 
fondern böhmifche und meißnifche Lehns · Standesherrſe 
mit eignen Bafallen» Ritterguͤtern, unter fächfifch «mel 
Beweis, wie verworren noch immer in Deutfchland Se 
dalrechte mit alten Dynaſtenvorrechten in Heinen zerſti 
kreuzen umd jebe Herftellung einer einfachen und reinen 
tungsform hindern, flehe hier die Angabe von den € 
Haufes Schönburg. 1. Jene Feuda majora nebft ben 
tern, bie alten Stammguͤter bes Hauſes, bilden jegt bier 
ten ober mit ber umtergeorbneten Lanbeshoheit (nach ber. 
fenen und auf dem wiener Congreſſe d. 18. Mai 1815 b 
beliehenen 5 Receßherrſchaften Glauchau, Walbenbure 
und Ste, bie auf 6,74 IM. 9 Städte und 80 Doͤ 
higen Einm. enthalten, in einem fdyönen, fruchtbaren Th 
im ſaͤchſ. Erzgebirge, liegen und commiſſionsweiſe an dı 
wieſen find. Die 3 erflen waren bis 1779 alte boͤhmiſch 
meißnifche Lehen. Durch den tefchner Frieden von 17 
über die 3 erften die Landeshohelt. Die landeshoheit 
nen Receß von 1740 in Anfehung diefer 5 Herrfchafte 
zelne ausdruͤcklich bezeichnete Regierumgsrechte als Au 


Raie melde In her Manal hm @Änine man Dnchlen neh 


Schöne Künite Schöne Wiſſenſchaften 848 


ns Nechteverhältniß der ſchoͤnburg. Herrſchaften zum Königreiche Sachſen im 
ben Bunbe eine Vereinigung zu treffen. II. In Anfehung ihrer übrigen Befl: 
n, Lie theils aus altfchriftfäffigen Herrſchaften (Feuda minora: Penig, Roch6s 
Wechſelburg und Remiſſa [4,° IM. ), ſaͤmmtlich an der zwickauer Mulde im 
er Kreife gelegen), theils aus Rittergütern (3. ®. Ziegelheim, Olsnitz, Abtei 
Angwitz u.a. m.) mit Patrimonlalgerichten,, theils endlich aus entfernt und 
st liegenden, ererbten Gütern beftehen, find die Herren zu Schönburg zugleich 
fifche, preuß., böhmifche und batrifche Vaſallen. Als Befiger ber obengenann⸗ 
uda minora und Rittergüter indbefondere gehören fie im Rönigreihe Sach⸗ 
der 2. Claſſe ber Landftände oder zu der Ritterfchaft. — Unter dem Lehnshofe 
fammtregierung zu Glauchau ftehen die Vaſallen des Hauſes Schönburg, 
e Befiger der Rittergüiter Alberoda, Kallenberg, Thurn, Schönburg , Ober» 
‚ Dbermofel u. a.m., Über welche das Geſammthaus ebenfalls die unters 
ete Landeshohrit ausuͤbt. Doch legen einige'andre Nittergliter, wie Kändler, 
t, Bonig u. a.nı., deren Oberlehnseigenthum dem Haufe Schönburg ges 
anter fremder (fächfifcher, preuf. , gothaifcher) Souverainetaͤt. — Die Hers 
Schoͤnburg leiten ihren Urfprung ab von Alban Scönburg, dem Kaifer 
- 936 in der Reihsdomaine Zwickau bie Vertheidigung bes Landes gegen die 
m übertrug. Ernſt v. Schönburg (fl. 1534) befaß die genannten 5 Feuda 
m amd ftiftete durch f. Söhne Hugo und Wolfgang die beiden Hauptlinien: 
mburg und Penig, welche 1700 bie reichsgraͤfl. Würde beftätigt erhielten. 
waldenburger, 1790 in ben Reihsfürftenftand erhobene, oder die obere 
Hauptlinie zu Waldenburg, melde ungefähr 8 IM. mit 29,000 Einw. 
’0,000 Thirn. Einkünfte befigt, hat fih 1816 in 2 Äfte gethellt: a) Stein» 
riburg: Fürft Otto Victor, refidirt zu Waldenburg, befigt die mit der Erſt⸗ 
werbundenen Herrfchaften Waldenburg, Lichtenftein und Remiſſa nebfl den 
sütern Kallenberg, Reichenbach, Tirſchheim, Ziegelheim und Ölsnig, ſaͤmmt⸗ 
Ber ©, fächf. Souverainetät; b) Stein Hartenftein: Fuͤrſt Alfred (der Bruder 
Otto Victor zu Waldenburg), der zu Hartenflein reſidirt, und dem feit 
Sie Herrſchaften Stein und Hartenftein nebft dem Nittergute Zſchocken (zus 
rı 13,000 €.) gehören. Ein dritter Bruder, Fürft Eduard (kathol. Relig.), ift 
pr boͤhm. Herrſchaft Dobritfchan und Tuhorſchitz. Weide, nebit dem jüngften 
>, dem Prinzen Hermann, und ihren Schweftern, befigen gemeinfchaftlich mit 
Mutter, nach gewiffen Antheiler, die im Baireuthfchen liegenden Güter 
:x3bad) und Förban, fomie die ererbten, vormals gräfl. Podewills ſchen Guͤ⸗ 
wıpelhof bei Berlin, Guſow und Platkow bei Frankfurt a. d. O., und die im 
chen Kreife von Hinterpommern gelegenen Guͤter Wuſterwitz, Buddiger, 
in und Schmarfom. II. Hauptlinie des Hauſes Schönhurg, oder die gräfl. 
Einie zu Penig, welche ungefähr 8 IM. mit 26,800 Einw. und etwa 
> Ehlın. Eink befist, theilte fi 1662 in 2 Afte: a) Penig-Remiffe, und 
Tg: Penig. Der Aft Penig⸗Remiſſa theilte ſich 1746 in die beiden Familien: 
choͤnburg⸗Rochsburg: Graf Heinrich Ernft zu Rochsburg, mit deffen Tode 
Pril 1825) diefer Aft erloſch, und bb) Schönburg: Dinterglauchau: Graf 
u zu Slauchau. Der Aft Penig:Penig oder Wechfelburg befist die vordere 
Daft Glauchau und Penig, wie auch Mechfelburg, welche feit 1815 dem Gras 
El Heinrich Alban gehören. ©. Pinther's „Topographie von Schoͤnburg“. 
Schöne Künfte, f. Kunft, III und IV. 
Schöne Wiffenfchaften (belles lettres) nannte man fonft die Dicht: 
und Beredtſamkeit, weiche beide zu den Künften gehören, weil man die Worte 
a fhaft und Kunſt, wie die Alten Emrozrun und reyyı;, seientia und ars, 
chbedeutend nahm und fo dad Verſchiedenartige vermechfelte. (Vgl. Kunft, 
Den Unterfchied der fchänen Wiffenfchaften und Rlnfte \ekte nom Tank im 


844 Schonen Schoͤnheitsmittel 


die Verſchiedenheit der Zeichen, deren fie ſich zur Darſtellung derſelben Gegen 
bedienen. Die ſchoͤnen Wiffenfhaften, fagte man, bedienen ſich der wiztl 
Zeichen, worunter man bie menfchlihe Sprache verftand ; die ſchoͤnen Kkıf 
gen bedienen ſich der natürlichen, d. i. ber Töne und, fichtbaren Form. 
siannte man oft, wiewol ebenfalls unrichtig, alle nicht ſtrenge Wiffenfhaftn 
Miffenfhaften. Die Deutfchen haben, nad) genauerer Unterfuchung übe I 
f&hiedenheit der Künfte und Wiffenfchaften, diefen Sprachgebrauch mit Re 
gegeben, fodaß er faft nur noch hiſtoriſches Intereffe hat. 

Schonen (ſchwediſch Gkäne), eine Provinz von Gothland in & 
gegen N. von ben (ſchwediſchen) Prov. Blekingen, Smaland und Hallen 
O., S. und W. von der Oftfee und dem Sunde umgeben. Sie enthaͤlt 18 
DM. und 291,500 E., die fi) durch ihre Mundart ſowie durch ihre Gi 
den übrigen Schweden auszeichnen. Schonen, beſonders im Süden einer d 
ften und fruchtbarften Theile des ſchwediſchen Reiche, ift flach, umd nur g 
finden ſich einige mit niedriger Holzung bewachſene Bergruͤcken. Bormals 
fie den Dänen, warb aber im roeskildſchen Frieden (1658) nebſt den fi; 
ten Blekingen, Dalland und Bahus an Schweden abgetretm. Scht 
liberfluß an Getreide, vortreffliche Viehzucht, bedeutende Waldungen m 
indes Klima. Man baut audy Taback und etwas Hopfen. Pferbe fowola 
vieh fallen hier größer und flärker als im übrigen Schweden. Auch bie Bü 
wird mit Fleiß betrieben. In den Landſeen und an den Küften findetn 
Überfluß an Fiſchen. Aus dem Mineralceiche gibt es Sand >, Schleif- m 
fleine, Alaunfchiefer, Kalt, Steinkohlen und Bleierze. Die vorzuͤglichſten 
artikel beftehen in Getreide, Vieh und Holz. In diefer einzigen Landſ 
Schweden gibt e8 Stoͤrche und Nachtigallen. Schonen iſt jegt unter bie be 
(Statthalterfhaften) Chriftiansfladt und Malmoehuus vertheilt, wovon 
öftliche und diefe das ſuͤdweſtliche Schonen begreift. Die größte Stadt if! 
zu Lund befinbet ſich eine Univerfität. 

Schönheitsmittel. Da die Schönheit des menſchlichen A 
auf beruht, daß er regelmäßig gebaut und geſund fei und daß er durch f. 
$dee einer hoͤhern Vollkommenheit in dem Befchauer erwede, fo kann al 
heitöpflege nur darauf hinausfommen, die Befunbheit bed Körpers und | 
zelnen Theile zu erhalten und durch harmonifche Ausbildung unferer Geil 
gen, duch Bildung zur wahren Menſchenwuͤrde dafür zu forgen, daß di 
finnung aud) aͤußerlich fich ausfpreche. Denn mie Eörperliche Krankheit, | 
auch niebere Leidenſchaften, Lafter und ruheloſes, unflätes Gemuͤth fid 
in der Form bes Menfchen aus. Körperliche Schönheitspflege wide bei 
den allgemeinen bidtetifchen Regeln vorzüglich die Sorge für die aͤußern O 
Körpers zu beruͤckſichtigen haben, dahin gehört die Haut, die Haare, 9 
Zähne. Alle Pflege diefer äußern Theile kommt aber vorzüglich auf Rı 
hinaus, daher die warmen und kalten Bäder und Wafchungen in öfterer 2 
lung für die gefammte Haut das wichtigfte und ſicherſte Schönheitsmittei | 
Daare verlangen außerdem nichts weiter als von Zeit zu Zeit den Geha 
milden Dies oder Fettes, um die Gefchmeibigkeit und das Wachtthum bei 
befördern. Die Zähne erfodern außer dem öftern Ausfpülen des Munder 
nem frifchen (weder zu kaltem, noch eigentlich warmem) Waffer das Reit 
Huͤlfe einer nicht zu fteifen Zahnbürfte und eines Pulver aus Kohle und ei 
fammenziehenden Pflanzenftoffe, z. B. der Eichenrinde, der florentiniſch 
chenwurzel und ähnliche; harte, reibende, mineralifhe Zahnpulver, Zahaka 
und Zahntincturen find zu verwerfen. Das Reinigen der Zähne muß ty 
Morgens und ebenfo nach der Hauptmahlzeit gefchehen, ach muf der 
Wechſel von kalten und heiyen Spk un Getraͤnken, der häufige Om 


Schopenhauer 8415 


ers und das Ausſtochern derfelben mit metallifchen Werkzeugen vermieden wer⸗ 
So bedürften wir zur Schönheitäpflege ſelbſt nur menige und einfache Mittel, 
wirklich haben die meiſten der empfohlenen Schoͤnheitsmittel mehr den Zweck, 
Te Mängel der Schönheit zu verbeffern oder zu verbergen, ober fie haben den 
ur vermeinten) Zweck, diefen Mängeln vorzubeugen. &ehr oft erfüllen fie dieſe 
Me nicht nur nicht, fondern haben felbft nachtheilige Kolgen für die Schönheit 
"dr die Befundheit. Die Haut milb und weiß zu machen, empfiehlt man mehre 
Fer, Tincturen, Seifen und Paften. Am befannteften ift eine Mifchung aus 
mwaſſer und Benzoetinctur (Verhaͤltniß von 12:1), mit welcher man Abends 
Baut zu waſchen pflegt, das Reinwaſchen und Abtrocknen gefchieht erft am an⸗ 
Morgen; ein unſchuldiges, gewiß aber auch ganz unkräftiges Mittel. Zuden 
Befem Zweck gebrauchten Tincturen kommt meiftene Benzoe, Perubalfam, 
Babalfam ıc. Die Wäffer, bie man zum Vertreiben der Hautflecke zu verlaufen 
£, enthalten oft metallifche Gifte und find daher weder zweckmaͤßig noch ums 
lich. Die Seifen find um fo beffer, je volltommener in ihnen die Sättigung 
auge mit dem Öle ober dem Fette flattgefunden hat und je reiner das Fett 
Die wohlriechenden Zufäge verbeffern die Seife nicht. Übrigens muß nach dem 
rauche jeder Seife der damit gewwafchene Theil forgfältig wieder mit reinem 
fer gereinigt werben, weil fonft die Haut, ebenſowie von dem zu häufigen Bes 
«he der Seife, leidet. Weit mehr als von der Seife follte man von der Mandel⸗ 
sum Wafchen Gebrauch machen ; diefe nimmt jede Unreinigkeit, felbft aus ben 
eften Hautftellen, weit beffer hinweg, erhält die Haut weich, weiß und frei 
jedem Ausfchlage und hat flatt des ekelhaften Geruchs der Seife einen hoͤchſt 
nehmen Geruch ohne Parfum. Die Handpaften zum Wafchen beftehen meis 
B au® zerriebenen Mandeln, mit Zufag von Eidotter, Gitronenfaft, wohlrie⸗ 
den Wäffern und Ölen; die reine Mandelkleie hat jedoch außer der Wohlfeilheit 
noch den Vorzug vor ihnen, daB fie beffer reinigt. Gegen Sommerfproffen 
Leberflecke dient oft der reine Citronenſaft friſch aufgeftxichen und erſt nach 
ven Stunden wieder abgewafhen. Die Schminken (vgl. d.) find faſt 
mtlich ſchaͤdlich, indem fie die Haut verderben ober wol auch felbft innere Krank⸗ 
m veranlaffen koͤnnen. Die Pomaden find fehr mannigfaltig, zum großen Theil 
ehrlich, durch mineralifche Zufäge und durch gewuͤrzhafte Öle nachtheilig und für 
n Zweck leicht zu erfegen durch eine Mifchung aus einem Lothe Mandeloͤl und 
Tropfen Perubalfam. Selbſt das in neuern Zeiten berühmt gewordene Macafs 
Imöchte nicht viel Andres fein als eine ähnliche Miſchung. Die zum Färben der 
we vorgefchlagenen DRittef find größtentheile ſehr ſchaͤdlich und koͤnnen nur unter 
fältiger Aufficht eines Sachkundigen angewendet werden; ebenfo die Mittel, 
ze aus einzelnen Stellen des Koͤrpers auf bie Dauer zu entfernen. Wir ems 
len: &. €. Kletten's „Verſuch einer Befchichte des Verfchönerungstriebes im 
lichen Geſchlechte, nebſt einer Anweifung , die Schönheit ohne Schminke zu er» 
n“ (Gotha 1792); J. B. Trommsdorff's „Kallopiftria, oder die Kunſt der Toi⸗ 
für die elegante Welt, eine Anleitımg zu Verfertigung unfchädlicher Parfums 
Schoͤnheitsmittel“ (Erfurt 1805); ©. H. Th. Schreger's „Kosmetiſches Ta: 
Bud, für Damen zur gefundheitsgemäßen Schönheitöpflege ihres Körpers’ 
berg 1810); 3. ©. Klees, „LÜber die weiblichen Brüfte und die Mittel, fie 
id und fchön zu erhalten, ein Lefebuch für Sraumzimmer” (Frankf. a. M. 
3); „‚Unentbehrliches Tafchenbuch für Srauen, oder Anleitung, die weibliche 
mdheit und Schönheit zu erhalten und zu erhöhen” (Berlin 1823). 16 
Schopenhauer (Johanna), geb. 1770 zu Danzig, wo ihr Vater, Heinr. 
Ina, Senator war, zeigte ſchon fruͤh entfchiedene Neigung zum Zeichnen und 
en, ſowie ein großes Talent für Sprachen. Nachdem fie im aͤlterlichen Haufe 
Torgfältige Erziehung empfangen und eine glüdliche Jugend Turdulcht haste 


846 Schöpf Schöpflin 


verheirathete fie ſich mit bem Banquier Heine. Floris Schopenhauer. Die 
f. junge Gattin durd) Dentſchland nad) Frankreich, von da nad Eonden 
länger weilten, und dann durch Brabant, Flandern puch Danzig zurbd. | 
fie bis zur Befignahme diefer freien Stadt ducch die Preußen 1793; du 
Jahre brachte fie mit ihrem Gatten in ſehr angeuchmen Verhaͤltniſſen in | 
zu. 1803 traten beide eine größere Reife an. Sie befuchten Holland, R 
seih, England, Schottland, und gingen von da über Holland nad Pari 
von dem berühmten Auguftin gründlich in der Mintaturmalerei, bie ſtett 
ImMgsbefchäftigung geroefen war, unterrichtet ward. Won Paris ging bu 
durch Südfrankreich nach Genf, durchftreifte die Schweiz, ſah Münde 
Presburg, Schlefin, Böhmen, Sachſen, Brandenburg, berührt: Da 
Sam nad) 3 Fahren wieder in Hamburg an, wo fieihren Gatten durch dei 
„lor. Sie nahm 1806 ihren Wohnfig in Weimar, wo ſich bald ein höcfl 
mer gefelliger Verein um fie bildete, zudem Goͤthe, Wieland, Deine. M 
now, Bertuch, Kalk, Sr. Majer und viele Literatoren und gebildete Fr: 
Stadt gehörten. Jeder dazu geeignete Fremde war hier wißfommener | 
Fernow, von dem fie die ital. Sprache erlernte, knuͤpfte fie balb ein ſchoͤn 
ſchaftsband, das leider ſchon nach 2 Fahren der Tod dieſes trefflichen Ma 
G. v. Kügelgen war um biefelbe Zeit nad, Weimar gekommen unb hat: 
Wieland's, Herder's und Schiller's Bildniffe gemalt. Eine Befchreibu 
Gemälde und fpäter eine von mehren Ölgemälden des Lanbfchaftmaler 
(in Bertuch's „Modejournal“) war das Erfte, womit Mad. Scope 
Schriftſtellerin auftrat. Auf Cotta's Wunſch ſchrieb fie „Fernow's Lebeı 
Zwei Jahre ſpaͤter gab ſie „Erinnerungen von einer Reiſe durch Englar 
heraus (2. Aufl. 1818); 1816 folgte ein Band „Novellen, fremd u 
1817 die „Reife durch das füdliche Frankreich bis Chamoumy“ (2. Auf 
Bde.) und 1818 die „Ausflucht an den Rhein und deffen nächte Um 
Seine Beobachtungen, verbunden mit einer leichten und anziehenden 2 
haben diefen Schriften gerechten Beifall erworben. Dann erfcien | 
„Gabriele“, ein meifterhaftes weibliches Charaktergemälbe in einer | 
mannigfaltigen Umgebung ber vornehmen Welt, deren Schilderung ber 
befonder6 gelingt (1819, 3 Bde., 2. Aufl. 1826), und ein Werk üb 
Eyk und f. Nachfolger” (1823, 2 Bde.), das ſich In&befondere mit ber 
ſchen Kunſtſammlung befchäftigt. Seitdem hat fie fi ganz dem Novel 
widmet. Ihre neueften Schriften find, außer einzelnen Erzählungen: „I 
ein Roman (1822, 2 Bbe.); „Erzählungen (1825—28, 6 Bbe.), ı 
man „Sidonia” (1827 — 28, 3 Bde.). | 
Schöpf (Sofeph), ein ausgezeichneter Sredcomaler, geb. d. 3. | 
zu Telfs im Oberinnthale in Zirol, ſtudirte die Kunft in Sunsbrud, 
Daffau, Wien, und von 1776 — 84 in Rom, wo er ein Freund David 
Zauner's u. A. war. Der Minifter Graf Fiemian zu Mailand zeichnet 
Ientvollen Künftler fehr aus. Dan kennt von ihm mehre treffliche Gen 
3. B. Amor und Pfyche, bie von Aktäon erblidte Diana, Viele ber bei 
gemälde und Altarbilder in den Kirchen Tirols find von diefem Meifter, 
woͤhnlich Giuſeppe Schöpf, Zyrolefe, unterzeichnete. Beinahe 805. alı 
ee 1820 den Plafond in der Servitenkicche zu Imsbruck, des h. Joſep 
von der Welt und deffen Eintritt in den Himmel. 
Schoͤpflin (Johann Daniel), Geſchichts⸗ und Alterthumsfen 
d. 8. Sept. 1694 zu Sulzburg im Breisgou, wo f. Water am ‚Hofe dei 
fen von Baden: Durlad) angeftellt war, geb. Er ftudirte zu Baſel und 
und ward 1720 Prof. der Geſchichte und Beredtſamkeit. Ex erhielt » 
Zürften und Univeritäten Berufungen , any s6 ober nor, in Strasbun 


Schöpfung Schöppen 847 


bereifte er Frankreich, Italien und England. Nach f. Ruͤckkehr erhielt er ein 
nicat an St.:Thomas. Auch ward er franz. Rath und Hiftoriograph. Die 
ichte bes Elfaffes befchäftigte Ihn; um Materialien dafür zu fammeln, bes 
er bie Niederlande, Deutfchland und die Schweiz. Die Frucht diefer Bemuͤ⸗ 
mmwar 1751 der 1. Bd. ſ. „Alsatia illustrata‘' (Fol.). Als er dieſes Werk dem 
je von Frankreich überreichte, benutzte er dieſe Gelegenheit, für die Privilegien 
oteftant. Univerfität Straßburg zu ſprechen, und bewirkte deren Befkdtigung. 
?2. Bd. der „Alsatia illustrata” erfchien 1761. Inder Zwiſchenzeit gab er die 
diciae celticac‘ heraus, worin er bewirs, daß bie Kelten ein ganz von 
zermaniern verfchiedener Volksſtamm waren. Als Nachtrag zu f. „Geſchichte 
lſaſſes“ wollte Sch. noch eine Urkundenfammlung und eine Sammlung ber 
ichtfchreiber Diefer Provinz liefern, bie jedoch erſt nach f. Tode von Koch u. d. 
‚Alsatia diplomatica‘ und „Alsaticarum rerum scriptores‘' herausgegeben 
m. Sch.'s letztes großes Werk war eine Geſchichte f. Geburtslandes in 7 Bon., 
t „Historia Zaringo-Badensis (1763— 66). Won f. Heinern Abhandl. find 
: in den „Denkſchriften der franz. Akademie der Infchriften” gebrudt. Er 
zu Straßburg d. 7. Aug. 1771. Seine ſchoͤne Bibliothek und f. reiches Mu⸗ 
vermachte er der Stadt Strasburg; Oberlin hut es in f. „Museum Sehöpfli- 
m’' befchrieben. 
Schöpfung wird in Beziehung auf das fchaffende MWefen diejenige freie 
lung der Gottheit, wodurch die Welt hervorgebracht wurde, in Beziehung auf 
zeſchaffene der Inbegriff aller außer Gott vorhandenen Dinge genannt. Da 
te Begriff der Schöpfung nicht ohne einen Schöpfer denken läßt, fo kann er 
je Art ber Weltentftehung,, welche die Gorpuscularphilofophie (f. Atomen) 
mt, nicht angewendet werden. Auch flimmt die in ben orientalifchen Kosmos 
a und in den philofopbifchen Syſtemen ber alten Briecdyen vorwaltenbe Meis 
von der Emigkeit der Materie, nach welcher dem geifligen Princip nur das 
aͤft, bie vorhandenen Stoffe zu ordnen und zu geftalten, zukommt, bie Daher 
ndene Lehre von einem der höchften Gottheit untergeorbneten Weltſchoͤpfer 
Bnofis) und die Meinung bes Kirchenvaters Drigenes, welcher fid) daß Das 
mfangsiofer Weltenreihen vor Entſtehung des gegenwärtigen Weltſyſtems 
,„ mit dem biblifchen und dhriftlihen Glauben nicht überein. Nach diefem 
ben hat Gott die Welt in Anfehung auf Stoff und Form aus Nichts, d. h. 
einen vorhandenen Stoff dazu zu haben, bloß durch das Machtwort feines 
n6 gefchaffen. Der kirchliche Lehrbegriff unterfheibet dieſe erfte unmittelbare 
‚fung, welche das Ganze der Welt hervorbrachte, von ber mittelbaren Schoͤ⸗ 
„ welche durch bie in die Natur gelegten Kräfte jedem Geſchoͤpfe fein Dafein 
Die Philofophie der Neuern unterftügt den chriftlichen Glauben, indem fie 
it, daß die Materie ihrer Natur nach veränberlich und vergänglidy fei und 
tinen von ihr verfchiedenen, teingeiftigen Ucheber nicht hätte entfliehen koͤn⸗ 

Über die mofaifche Kosmogonie der Ffraeliten und die Sagen andrer Völs 
ver die Vorwelt vgl. m.: „Die Urgefchichte der Menfchheit”, von Puſtku⸗ 
temgo 1821). E. 
Schöppen, Schöffen, nennt man 1) die Beifiger in ben Gerichten, 
ers aber in ben Dorfgerichten ; 2) vom Staate beftellte Juſtizcollegien, deren 
t es ift, Urtel über die an fie zur Entfcheibung geſchickten Rechtsſachen zu 
‚ die aber Beine eigentliche Berichtsbarkeit haben. Ihr Name kommt von 
fen, weil fie gleichſam das Urtheil fchufen, d. b. erfanden (daher man fie lat. 
nos nennt), richtiger von Schöpfen, weil fie ihre Ausfprucdye aus den Rech⸗ 
dpften. Schon in den Älteften Zeiten Deutfchlande konnten die Richter nur 
ericht anordnen und ſchuͤtzen, aber das Urtel mußte von Beifigern gefprochen 
ben, gemwiefen) werden, die man im Mittelalter Schöppen oder Schäfen 





———— 
maßen kundig waren; aber ihre Kenntniß erſtreckte ſid 
deutſche Recht, weiches fie daher auch fehr ſtandhaft erh 
dringen ber fremden römifchen und kanoniſchen Rechte fd 
durch daß deutſche Recht von feinem gänzlihen Untergan; 
gel.) Wo keine Gefege vorhanden waren (mie fie benm 
ten), ober ihre fehr eingefchränkte Rechtskenntniß fie vi 
Biligkeit, Herkommen und gefunder Vernunft. Ihr‘ 
man nicht nur das ganze damals gebräuchliche vaterländi 
ſcheidungen bildete, fondern aud Ausländer, 5.8. die 
freiwillig Ihren Ausfprüchen unterwwarfen, welches befor 
ſchen Schöppenftuhle, dem berühmteften unter allen, g 
theils das roͤmiſche und kanoniſche Recht 1495, ale Hi 
im deutſchen Rechte nicht beſtimmten Faͤlle, ausdruͤckl 
theils den Juriſtenfacultaͤten ebenfalls das Recht, Urtel zi 
verloren fie das Monopol der rechtlichen Entſcheldunge 
Sqh oͤppenſtůhle zu Halle, Jena, Leipzig xc. 

Schoreel (Joan oder Hans v.), der treffliche 
hielt diefen Zunamen von f. Geburtsorte Schoreel, einer 
er 1495 die Welt betrat. Im früher Jugend verwaiſt, 
wandte feiner an, umd als fich bei dem Knaben fein Ber 
Spiele Äuferte, als er jedes gemalte Fenfter nachzeichneti 
faß mit gartgefchnigelten Geftalten zierte, brachten fie ih 
nelis if Teinem 14. 3. in die Lehre. Sein Meifter waı 
rauh und: eigennägig und dem Trunk ergeben, und fo ı 
nicht von der betretenen Bahn verfheucht zu werden. 
lich frei und wanderte nun nady Amfterdam im die Werl 
eines der berühmteften Maler und Holzfchneider jener Ze 
lang das gtüdtichfte Kuͤnſtlerleben führte. Doc imm 
ging er, von den Segenswuͤnſchen des Meifters und dem 
ſter Tochter, die Sch. liebgewonnen hatte, begleitet, zu 
benden Meifter. ob. von Mabuſe in Utrecht. dem M 


Schoͤrl Schott 849 


: bafelbft an der Stätte, mo Chriſtus geboren worden feinfoll. Auf ber Heim⸗ 
veilte er auf Rhodus, welches er nebft der umliegenden Gegend aufnahm, 
in Rom bei den Werken Rafael's, Mich. Angelo’ und Giulio's, bis 
n VI, ein Niederländer aus Utrecht, 1522 den päpfti. Stuhl beftieg und ihm 
ufficht über das Belvedere auftrug. Adrians Zod im folg. Fahre trieb ihn 
y über Frankreich und Amfterdam in die Heimath zu gehen und um bie zuruͤck⸗ 
me Geliebte anzuhalten. Sie war ihm nicht treu geblieben. Sch. aber faßte 
en Entfchluf, bloß der Kunft hinfort zu leben. Und fo arbeitete er manches 
he Stud im Haufe feines Gönners, des Dechanten Lodhorft in Utrecht, 3.8. 
inzug Chrifti in Serufalem , auf welchem Bilde die Stadt treu nach ber Nas 
wgeftellt war (nachher in dem zu Utrecht), fowie, als bier bürgerliche Unruhen 
nden, in Harlem, im fleten Umgange mit den Edelſten und Gebilbetften des 
8, die den vielgemanderten und umermübeten Kunſtler liebgewannen, und von 
u Zeit andre Städte in ben Niederlanden befuchend, für die er ehrenvolle 
Age erhielt. So bat man ihn, ein großes auf 4 Slügelthüren auszufuͤhren⸗ 
Itargemälde in der Marienkirche zu Utrecht zu übernehmen, das nachher Phis 
1. 1549 für Spanien erlaufte. Selbſt nad) dem hohen Norden drang fein 
u, und Schwedens König fandte ihm einen Ring, einen Marberpel; und feinen 
3 Eisſchlitten mit vollſtaͤndigem Geſchirre. Seine Landsleute nannten ihn bie 
lder flandrifhen Maler, auch eignete er fich wirklich den Geſchmack der Ita⸗ 
an. Zu feinen Schülern gehört auch Mart. Hemskerk. Sein Freund war 
nn Everard (Joannes Secundus), ben er auch malte. Am 6. Dec. 1562 
er. Dean hat ihn mit Soh. v. Eyk, und wol mit Recht, verglichen, da er in 
ertroffener Farbenpracht, Wahrheit in dem Colorit, dem Ausdruck, der Wärme 
eichnung, dieſem gleich und hoͤchſtens in der Ausführung der Einzelheiten ihm 
kebt. Leider hat die Wuth der nachherigen bilberzerftörenden Fanatiker viele 
haͤtbarſten Werke von ihm vernichtet. Schon 1566 traf die meiften, bie bes 
is allen Kirchen und Klöftern ber Niederlande diefe® Loos, und nur in wenigen 
Ifammlungen findet man daher, was jenen Zagen des blinden Fanatismus 
gen iſt. Vier von unfhägbarem Werthe finden fich in der Boiſſerée ſchen 
mlung: die flerbende Mutter Jeſu mit 2 Seitenbiltern, und eine Scene aus 
indheit Jefu. 
Schoͤrl, Schirl, f. Zurmalin. 
Schott (Heinrich Auguft), ordentl. Prof. der Theologie zu Sena und 
etz. ſaͤchſ. Kirchenrath, ein gelehrter Theolog und gefchägter Kanzelredner, 
im 5. Dec. 1780 zu Leipzig, wo f. Vater (Aug. Friedrich) ald ord. Prof. 
Panbetten 1792 ftarb. Schon die in „Beckii Comment. societ. philel.” 
ruͤckten Abhandlungen, welche Sch. als Mitglied des philologifhem Seminare 
Ipzig fchrieb, wo ex auch dem Unterricht der am Ende des vor. Jahrh. noch les 
m berühmten akademiſchen Lehrer der Theologie, Philofophie, Philologie, Ge: 
te sc. genoß, ingleichen die „Commentatio philologico-acsthetica, qua Ci- 
tis de fine eloquentiae sententia examinatur et cum Aristotclis, Quin- 
Dj et recentiorum quorundam scriptorum decretis comparatur” (2pj. 
1, 4.), mit welcher er ſich das Recht erwarb, akademiſche Vorlefungen zu hals 
die einige Jahre ſpaͤter herausgeg. „Texvn untopıxı; , quae vulgo integra 
Ysio Halicarnassensi tribuitur, emendata, nova versione lat. et com- 
ario illustr.‘ (&pz. 1804) geben ein ruͤhmliches Zeugniß für die gründliche 
ogifche Kenntnis und große Belefenheit ihres Vfs. Nicht weniger fprechen 
enfalls in gutem Latein abgefaßten Differtationen, welche er feit 1805 als 
»xd. Prof. der Philofophie, 1808 als außerord. Prof. der Theologie zu Leips 
809 bei Erlangung ber theol. Doctorwuͤrde und ale Prof. der Theol. zu Wit- 
9 und feit 1812 zu Jena verfafte, für f. eregetifchen Kenntniffe. Einige der 
o.:er. Giebente Aufl. Bd. IX. RR‘ 


E23 





J 
i 


er 


wserk: „Wie Theotie dee Meredtjamfeit, mit Dejonderer 
liche Berebtfamkeit in ihrem ganzen Umfange” (1815 v 
dern. Aus diefem Geſichtspunkte koͤnnen auch f. „Geiftt 
zum Theil mit befonberer Binficht auf bie Ereigniffe de 
liche Religtonsvorträge Über gewöhnliche Perikopen und fi 
2 Bde.), und die vielen einzelnen, mit forgfältiger Berlid 
tie der Homiletit aufgeftellten Regeln gearbeiteten Beleg: 
mehre Auffäge in der von ihm mit Rehkopf gemeinfchaftl 
für Prediger” (3 Bde, 1811— 12), und in Tzfch 
deren erſte H. des 4. Bos., in Abweſenheit des Heraus 
giete, angefehen werden. Bon f. Leiftungen ald Direr 
in Sena geben die von ihm herausgeg. Denkfchriften biefi 
chetiſchen Seminars erfreuliche Kunde. 

Schottland bildet, vereinigt mit England un 
Theil von Großbritannien. Auf der Weftfeite wird es vo 
N. von der Ealedonifchen oder Nordſee, im D. gleichfalls 
von England umgeben. Vom legtern theilt es bis Kerhol 
often umd ber Norbcanal in Suͤdweſten, während zwiſchen 
öfter unterbrochene Huͤgelkette Hinläuft. Es liegt zwifchı 
die indeffen, rechnet man noch die Shetland > und Dr 
61° 12’ geht, und zwifchen dem 1— 5° MW. 2. von Gi 
aber, daß, bie in M. gelegenen Inſeln dazu genommen, d 
Fer gedacht werben muß. Im ber gröften Ausdehnung 
(engt.) Meilen, dagegen auf andern Punkten nur 180 - 
größten Ausdehnung 147, in der geringften 36 Meilen. 
auf 1461 geogr. DM. (mit 2,092,014 Einw.), oder auf 
18,944,000 engl. Ader mit Einfchluß der Infeln gefchäi 
gebaut, 13,900,550 müft find und 638 von Seen wı 
Schottland zerfällt in bie Graffhaften Berwick, Rorbı 
Kirkcudbright, Wigten, Ayr, Renftew, Lanark, Peebles 
Linlithgow, Stirling, Dumbarton, Ciackmannan, Kine 
Krante inrarhine Äherhom MRnff Hain Maim Cm 


Schottland “ 851 


aden Zhälern, bie beſonders nach &. und Süboften hin vorfommen, bilden 
nördlichen Theil. Diele diefer Berge find mit Gras bedeckt und begünftigen 
bie Schafzucht. Die meiften indeffen tragen Heide oder Moo8, oder find Fels 
Bandberge und endigen oft in große Selfen von 3 — 4000 Fuß Höhe, in ver: 
rte Hörner, ſodaß der Blick zwar oft auf große, malerifche, aber nicht fehr ab⸗ 
feinde Maffen ftößt. Die betriebfamen Bewohner, welche auf den Bergen 
den von Schaf: und Rindvieh halten und in den Thaͤlern alle nur gebeihenbe 
Tanzungen verfuchen, haben den undankbaren Boden fo gut als möglich zu be: 
n gewußt und jeden beffern Strich aufß befte veredelt. Länge den Fluͤſſen ziehen 
Theil dürre Sandftreden hin. An den Mündungen der Fluͤſſe ift dagegen oft 
3 Land zu finden. Die Bergketten nach W. zu, in ber Nähe von Roß und 
derland, bachen ſich (im IB. am höchiten) nach D. ab; die Oftküfte diefer Stris 
ſt daher flaches Land, das mit einem Vorgebirge, Ordhead, endet. Gaithneß, 
zier anfängt, bildet dann den nordöftlichen Theil und iſt mit geringen Ausnah⸗ 
im Ganzen moraftig und niedrig gelegen. Weſtwaͤrts liegen die ſchwarzen, 
m Hügel von Sutherland. Den mittlern Theil Schottlands bucchfchneibet 
bloß mit Heide bedeckte Bergkette in der Breite von 40 — 60 Meilen ; body ges 
le Thaͤler treffliche Weiden. Auch diefe Berge bachen fi) nach O. ab, ſodaß 
deen, Moray, Banff zum großen Theil Ebenen find, und von den erſtern nur 
Braffchaft Argyle bedeckt wird, während die See zugleich große Buchten an ber 
e bildet. In beiden Theilen Schottland (mehr als 2 Dritttheile feines Flaͤchen⸗ 
ltes) gleicht der des Anbaues fühige Boden nur längs der oͤſtlichen Küfte dem 
England. Dagegen hat der fübliche Theil die größte DRannigfaltigkeit; grüne 
en find von mwafferreihen Fluͤſſen belebt; unzählige Heerben weiden darauf, 
ide Hügel wechfeln mit fruchtbaren Thälern, Gehoͤlzen, Felſen, fteilen, engen 
Iuchten, rauſchenden MWafferfällen, und um den Gontraft zu erhöhen, fehlen 
Btsilde Heiden und unfruchtbare Moore nicht. Die Chevtothills (Cheviotberge) 
® bier längs der Grenze von Northumberland; eine andre Kette geht durch 
6 und länge den Grenzen von Berwid und Habdington; eine dritte durch 
Serbian und eine vierte nad) der Mündung der Clyde. Die darin liegenden 
che find eben, fruchtbar und waſſerreich. Der füdweftliche Theil ift bergig und 
B bevölkert. Am noͤrdlichen Abhange diefer Bergrüden liegen die eigentlich 
1. Niederlande bis zur Srampiantette, bie fie vom mittlern Schottland trennt. 
dieſer großen Ebene bilden die Baien vom Forth- und Clydefluß eine Landenge. 
Sen der Sidlawkette und den Grampiansbergen liegt das große, fruchtbare, 
e Thal von Strathmore. Wenig Länder haben eine fo große Kuͤſtenausdeh⸗ 
als Schottland; vom Schloß Berwid, an ber Auferften Suͤdoſtkuͤſte, gebt 
e bis zum Forthbufen nordweſtlich, der von Lothian und Fife begrenzt wird. 
Bftlichen Theil des letztern durchfchneibet bie Bucht vom Kay, beren Breite 
5 Meilen beträgt. Bon feiner Mündung aus fleigt die Küfte nordnordoͤſtlich 
Finnairbhead, dem Außerften norböftlichen Punkte von Aberdeenfhire. Zwi⸗ 
üeſem Vorgebirge und der Küfte von Caithneß ift ein großer, breiediger Meer: 
deffen äftlihe Ausdehnung 70 Meilen beträgt, und ben man in bie Engen 
Saien von Morap, Cromarty und Dornoch theilt, welche von Heinen Halb⸗ 
Sebildet werben. Die Norbküfte zwifhen Duncanshrhead und Gap Wrath 
Dem Pentlandbuſen ift wegen des fteinernen Felſenufers ſchwer zu befahren. 
der Weſtkuͤſte bildet die See viele Einſchnitte und darin treffliche Ankerplaͤtze. 
Rer iſt die Muͤndung der Clyde, den auf der einen Seite Ayrſhire, auf der an⸗ 
Santyre, Arran und Bute begrenzt. Von da geht die Küfte bis Mull of 
rway, dem ſuͤdweſtlichſten Grenzpunkte Schottlands. Zahlreiche Fluͤſſe durch⸗ 
>en Schottland aller Orten, und in der Nähe ihrer Quellen bilden fie bie 
Een Landfchaftspartien mit Wafferfällen aller Art. Die vornehenten in nl 
5x 





vt. Oterl. Wolditade. Auf Silber arbeitet man jegt 

arößte Bleigrube iſt in den Odillsbergen. Überhaupt fir 
Quedfiber, Kobalt, Wismuth, Kupfer und Steinkoh 
mittlern und füblichen Schottland.  Kalt-, Sand um 
in Menge. Einige Marmorbrüche koͤnnen mit denen 3 
phire, Topaſen, wie fie fein Land auftoeifen kann, Rubir 
ten, Amethyſten (zum Theil 30 — 40 Guineen werth), 
(diefe in allen Arten, wo WBafaltfelfen find, aus denen 

Kryſtalle, Jaspis, Kiefel in allen Farben, Chalcebon, Gr 
finden ſich zum Theil in größter Menge und Güte vor. ' 
mehre diefem Lande ziemlich eigne Foſſilien, namentlic 
Maffen bei Staffa. Stahlwaͤſſer find unzäplig. Schn 
Edinburg, Moffat x. Andre Quellen enthalten Salze. 
gen entfpringend, zeigen verfteinende Kraft. — Die | 
Wälder” find jegt fehr Bein geworben und beſtehen mu 
indeß fehlt es nicht an Eichen und andern Lanbhölzen. 4 
Länge von 30 — 40 Meilen; daher gibt es betraͤchtlich 
auf dem Spey ıc. — Einzelne Thäler, wie bei Berwid, i 
find fo trefflich angebaut als irgend ein Theil ber ganzen 
Aderbau Im Süden und im mittlern Lande auf einer h 
menheit. Weisen, Roggen, Gerfte, Hafer, Kartoffeln, 9 
in Menge. Für Hanf und Flachs aber fagt der Boden fü 
England wacfende Früchte. Der Gartenbau macht 

Äpfel und ähnliche Früchte find Im Überfluffe vorhanden. 

mit Nadelholz angefäet, wobei man außer Tannen befc 
ſowie auf Laubhoiz Rüdfiht nimmt. Der Wachholde 
Bergen; bie Küften find mit ang bedeckt, ber für die 
ſalzes ein bedeutender Gegenſtand ift. — Vermoͤge fein 
einer nördlichen Breite wechſelt Schottlands Klima ung: 
ter weniger anhaltend als in ähnlicher Breite auf ben ef 
tühlen die Seewinde die Luft. Seibſt im ©. Englands if 


Rates ahan im Didımsstauh mamähutic Ihmnan Mia nel 


Schottland 858 
m find. Beſonders wehen fie im März und April, oft aber auch den Juni 


em ganzen Sommer hindurch. Bei dem nahen Meere iſt die Luft im Sons . 


iner, gemäßigter und gefünder, als man es in dieſem nörblichen Klima vers 
n follte. Tiefen Schnee findet man nur während des Winters im Innern 
ochlande. — Bon wilden Thieren gibt es in Schottland Füchſe, Dachfe, 
„Hirſche, Rebe, Wiefel und Igel ꝛc. Ehemals fand man auch Wölfe, Auer: 
‚ Biber. Die fHottländifchen Schafe find Eleiner, geben aber beffere Wolle 
engliſchen. Der hiefige Schäferhund bildet eine befontere Race und ift zum 
noch ganz rein erhalten. Won MWaldvögeln gibt es Faſane, Schnepfen 
aber in geringer Zahl), Auerhähne, Hafelhühner, Rebhuͤhner ıc. Das zahme 
jet läßt keine befondern Arten bemerken. Die Fluͤſſe und Buchten haben einen 
18 von Fiſchen, namentlich an Heringen, Neunaugen, Lachſen, Aalen, Stoͤ⸗ 
Stodfifhen c. An den Küften der Orknepinfeln treiben oft Wallfiſche an. 
n dies Befchlecht gehörige Art ftreift Häufig an der Weſtkuͤſte und belebt mans 
ranfieberel. — Das Manufacturwefen Schottlands hat einen hohen Auf: 
ig genommen. Indeſſen vergingen gegen 150 Sabre, ſeitdem Schottland 
igland vereint iſt, bevor es aus feinem Schlummer erwachte. Seit 1750 ift 
ber Zweig des erftern aufgeblüht. Flachs und Hanf werben vielfach verars 

Indeſſen hat die feinere Keinwandfabrication durch die Concurrenz mit Ir⸗ 
nd den vermehrten Gebrauch der baummollenen Stoffe verloren; auch iſt 
pinnen des Flachſes nicht mehr die Kieblingsbefchäftigung aller ſchottiſchen 
a, fondern durch Maſchinen verbrängt worden, ſodaß Tauſende derfelben ges 
t werben, in den Manufacturen zu arbeiten, wo beide Sefchlechter ohne Un⸗ 
d zuſammen find, und die Sitten immer mehr von jener frühern Einfalt 
m. Diefe Spinnmafdyinen find befonders In Aberdeen, Angus, Fife und 
18 zu Haufe. Weit beträchtlicher ift die Baummollenmanufactur. Muffes 
Bhamis ıc. werben in großer Menge und von vorzuglicher Güte geliefert. 
ve Mafchineneinrichtung ift fchottifhen Urfprungs. Der Hauptfig diefes 
riezwelges ift Glasgow, Paidley und die Umgegend. Garne der Art geben 
age nach Weſtindien. Der Drud ber Calicos ift von nicht geringerer Bes 
g. Schottlands Eiſenhaͤmmer gehören zu ben bedeutendften in Europa. Die 
Fabrik der Art ift Carron bei Falkirk. Es werden bier jährlich 6500 Ton⸗ 
soffen, und 2000 Menſchen find in fleter Arbeit. Man zählt im ganzen 
40 — 50 Fifemgießereien, die eine Maffe von 30,000 Tonnen jaͤhrlich 
00 Etnr.) fördern. Eine Menge Eifenwaaren geht nad) Amerika, Wefts 
und in andre beitifche Colonien, namentlidy Anker, Achfen, Walzen, Arte 
er ꝛc. Da in Schottland gegen 3600 Waffer:, 100 Wind» und mehre 
‚andre Mühlen find, fo kann man darnach die Zahl der in Holz arbeitenden 
ven berechnen. Der Mafdyinenbau, namentlicdy dee ber Dampfmafchinen, ift 
eutender Induſtriezweig. An diefe Claſſe von Arbeiten reihen ſich die Er⸗ 
on Schiffen, muſikaliſchen Inftrumenten ıc. Docken zur Ausbefferung und 
ng von Schiffen finden ſich in allen Städten. Die Durchſchnixszahl von 
hen Fahrzeugen in allen Größen wird über 2500 berechnet. Glashuͤtten, 
: Sorten Glas liefern, Seifen⸗, Lichtes, Stärkefabrilen, Gerbereien, 
tweinbrennerelen, Brauereien find in Menge ımb von ausgezeichnetem Um⸗ 
a. Die Heringefifcherel an der Küfte, der Wallfiſchfang In der Davids: 
und bei Srönland befchäftigt eine Menge Hände, was felbft vom Adrigen 
nge an der Küfte und in den Flüflen gilt. — Ehemals nahm Schottland 
waͤrtigen Handel wenig Antheil. Es taufchte hauptſaͤchlich Wolle, Haͤute 
dre rohe Producte gegen Kom, Wein und Spezereien aus. Indeſſen war 
nd Ausfuhr von geringer Bedeutung; denn im 13. Jahrh. hatte das Land 


kleine Fahrzeuge, bie der Hebriden abgerechnet. Au Creme & Arıkan ur 





— — 





1814, wo die Oſtindiſche Compagnie im ihrem Monopol b 
dahin Schiffe ab. Dit London findet ein lebhafter Küfi 
fegler gehen regelmäßig in unglaublicher Geſchwindigkeit, 
getrieben werden, Wind und Wetter fein Hindernig ents 
Zölle haben daher, nebft den andern Eink des Staates, 
und waren feit 1801 — 14 von 2 Mitt. Df. St. bis auf 

Die Bewohner Schottlands theilt man in Hoch 
Sprache, Kleidung, Gewohnheiten find bei Beiden wei 
gleichen darin den Einw. Iriands und denen von Wales 
ũch den Engländern. Die Sprache ber erſtern ift ein Zw 


. fogen. galiſchen, wie fie im Innern und im N. Irlands 


malige Art fidh zu kleiden herrſcht noch in vielen Orten; 
tragen fich fo bei befondern Gelegenheiten. Diefe Kleidı 
Beuche, verſchieden gefärbt, Tattane genannt, ber der « 
lich. Im ©. find Kleidung und Sprache die englifche, n 
feiten. Da das Englifche die Sprache der Gelehrten un 
ſchottiſche aber nicht mehr gefchrieben wird, fo fleht fie in E 
Indeffen werden einige ihrer trefflichen Nationalgefänge 
Burns viele Proben aufbewahrt haben, immer zeigen, 
und Gebräuche ſchottiſcher Vorzeit aber erhalten ſich in 
ChHarakteriftifhe Züge, Wendungen und Ausbräde der 
unfterblihen Romanen mit einer Kraft, Lebhaftigkeit 
vor, daß fie die Theilnahme des ganzen Europas rege ı 
ſchottiſche Poefie ift zw benugen Dav. Irving's „T 
pocts with preliminary dissertations on the litterar 
(2 Bbe., 1804) und Alten Cunningham’s „Songs of S 
Die Schotten find kuͤhn, unternehmend, thätig, und 
ſchen, in allen Theilen der Erde zerſtreut, wo fie ihre 
benswelſe nicht vergeffen. Sie find gelſtreicher und froͤ 
auch fehr gaftfrei. Nur wirft man ihnen vor, daß fie, 
oft zu gerälig, nachgiebig, felbft enechtiſch find. — & 





Schottland, Verfaſſung 855 


noch die Univerfitäten und koͤnigl. Ortfchaften Ihre Abgeordneten fen: 
aus 200 Predigern, 89 Kirchenaͤlteſten, 67 AÄlteſten aus koͤnigl. 
Prebigern der Univerfitäten, in allem 361 ; fie ift der Hödhfte geiftliche 
‚ teitt jährlich im Mai zufammen und arbeitet 10 Tage lang. Die 
er Geifllichkeit find maͤßlg und bei verheiratheten gerade ausreichend; 
us Ländereien, Renten und bem Zehnten, von dem ein Theil bei der 
ı dazu angemwiefen ward. Bor einiger Zeit ging eine Acte durch, die 
tatseinkünften das Fehlende zuſichert, wenn der Geiftliche jährlidy un: 
bezieht. Außer Presbpterianern finden ſich noch eine Menge Anhaͤn⸗ 
öfl. Kirche, Quaͤker, Wiebertäufer, Katholiken in den Hauptftädten 
des Landes, wo ihre Religion durch die Reformation nie ganz ver: 
en if. — Kür Erziehung ift in keinem Lande beffer geforgt als bier; 
8 Volk auch ungewöhnlich gebildet. Schon unter Wilhelm und Ma⸗ 
rch eine Acte in jeder Pfarrei eine Schule angeordnet, worin Elemen⸗ 
‚ in vielen auch Griechiſch und Lateinifch- getrieben wird. Unwiflens 
: jener Zeit für Schande. Die damals ausgeworfene Befoldung der 
ift feitdem um 2 Deitttheile erhöht und jedem ein Wohnhaus mit wes 
zimmern und einem Garten angewiefen worden. Unter den & fdyottis 
täten, Edinburg, St.:Andrems, Aberdeen und Glasgow, behaup: 
‚den erften Rang, beſonders in der Arzneiwiſſenſchaft. 
te Verfaffung Schottlands ſchwand feit ber Vereinigung mit England 
n Parlament wird ber fchottifche Adel durch 16 Pairs vertreten ; bie 
aben für das Unterhaus 30 Abgeordnete zu ernennen; dazu fenden 
koͤnigl. Ortſchaften 14 und die Stadt Edinburg einen. Dagegen 
n Einrichtungen und Geſetze geblieben. Ein Suftizcollegium, errich⸗ 
ob V. 1532, verwaltet bie bürgerliche Rechtspflege nad) jenen altem 
‚läßt nur an bie Lords eine Appellation zu, von welchen es felbft einen 
figern und einem Präfidenten beftehenden Ausfchuß bildet, der feit 
in 2 Abtheilungen zerfällt. 1815 ward für bürgerliche Rechtshaͤndel 
senengericht ernannt, das aus einem Vorſitzenden und 2 Beifigern bes 
peinliche Fälle gibt e8 einen befondern Gerichtöhof, der gleich den eng» 
n duch Gefchworene entfcheibet; es darf jedoch ber Angeklagte keinen 
werfen. Dagegen wirb ihm eine Abfchrift der Klage vorher mitge⸗ 
haͤlt das DVerzeichniß der auftretenden Zeugen und eine Lifte von 45 
ıu8 welchen 5 Geſchworene binnen 15 Zagen von ihm zu bezeichnen 
vorfigenden Lords burchreifen jährlich das Land 2 Mat. Die Schap: 
diefelbe Macht und Gewalt wie in England, und befteht außer den 
n aus 5 Baronen, von denen einer an ber Spige ſteht. Eine Jury 
uch hier in zweifelhaften Sällen. Das Seeweſen wird von einem Ad⸗ 
fe verwaltet, den ein Lieutenant und Gerichtsanwalt des Königs in 
und Handelsangelegenheiten xepräfentirt, von deſſen Ausſpruch dann 
tion an jene beiden Gerichtshöfe Für Civil: und Criminaljuftiz flattfin- 
dem bie Befchaffenheit bes Falles if. Das Advocatencollegium ent: 
igl. Inſtituten der Art und umfaßt zugleic, dieRotarien amd nicht pro- 
hteanmwälte. Uber Ehen und Eheſcheidungen, Teſtamente, Begraͤb⸗ 
Schulden unter 40 Pfund ıc. entfcheibet ein Bericht von 4 Männern, 
: ernennt. Diefelbe bezeichnet auch den Großſiegelbewahrer, den Klein⸗ 
er, ben Kronanwalt u. f. f. Außerdem bat jede Braffchaft ihren She: 
Serichtsbarkeit fi) auf mehre, jenen Gerichtshoͤfen nicht unterwor: 
che und peinliche Fälle bezieht. Noch unbedeutendere Fälle werben von 
oͤrden verhandelt, und ber Sheriff hat die Oberauffiht. Seit 1809 

Stiedensgerichte, deren Wirkungskreis Indeffen nicht genau beftimmmt. 


. 856 i | Schottlands Geſchichte 


iſt und Schulbſachen unter 5 Pf. werben vor einem beſondern Gerlch 
fummarifch abgeurtheilt. 

Die früheften Bewohner Schottlands gehörten wahrſcheinlich zu 
Geltenftamme. Die Römer, die ſchon 50 Jahr v. Chr. in Suͤbbritam 
ten, befesten 130 Jahr fpäter auch Norbbritannien ober Kaledonien, 
der im weiteſten Sinne den ganzen Landſtrich vom Tweed bis an bai 
Ende des Landes bezeichnete; das eigentliche Galebonten aber begriff m 
[haften Stratherne, Argyle, Breadalbane, Athol und Perth. Die 
ein vcher, aber tapferer Volksſtamm oder Voͤlkerbund, festen den Ri 
hartnädigen Widerftanb entgegen; biefe erbaueten daher, um ihre 
fihern, unter Hadrian's Regierung eine fefte Mauer zwifchen bem € 
dem Tyne, und 20 53. fpäter eine zmeite ähnliche Schutzwehr. 1823 
Grafſchaft Fife in Suͤdſchottland eine alte roͤmiſche Eolonie, bie Url 
Titus und Piolemäus aufgefunden. (Die Fundamente von 30 Häufe 
hen, und ein großer dreiediger,, aus einem Felſen gehauener Tiſch auf 
und einem Sußgeftelle ruhend, wahrſcheinlich eine Art Sonnenuhr.) 
wohner des Landes theilten ſich nad) dem 2. Jahrh. in 2 Haupwoͤlker, 
im Hochlande jenfeitd der Grampianberge angeflebelt, und die Pikten, 
im Niederlande wohnten. Jene fcheinen aus Irland herüber gekomn 
Beide Völker fochten zumellen vereint gegen bie Römer, waren aber haͤ 
den mit einander, bis im 9. Jahrh. der Scotenklönig Kenneth II. di 
zwang und beide Völker und Reiche u. d. N. Schottland vereinigte. 
ſtenthum fcheint im 6. Jahrh. durch irlaͤndiſche Mönche verbreitet woı 
Die Reihe der aͤltern Könige iſt ungewiß. Erſt mit Malcolm III., ge 
more, dem Sohne des von Macbeth ermordeten Duncan, kommt Licht i 

Sagengeſchichte des Landes. Bel einem Einfalle, den er in der 2. 
41. Jahrh. in England machte, entführte er viele Gefangene. Durt 
viele Fremblinge , bie bald nach der Eroberimg Englands durch bie Nor 
anfiebelten, wurden in Sübfchottland, das überhaupt früher als da 
Sortfchritte in der Gefittung gemacht hatte, Sprache, Sitten, Kenntı 
braͤuche der Angelfachfen eingeführt. Die Hochlande lagen noch in tiefe 
Schon im 12. Jahrh. beftanb eine Lehnsabhängigkeit der ſchottiſchen. 
den englifhen, und obgleich Richard I., um Geld zum Kreuzuge 3 
diefe Oberherrlichkeit ablöfen ließ, To gaben doch die fpäter erneuerten 
oft Anlaß zu biutigen Kriegen zwifchen beiben Ländern. Nach dem Auı 
männlichen Linie des alten fchottifchen Herrſcherſtammes (1289) erranı 
von England, Eduard I., durch Einmiſchung in den Streit der Kronb 
Oberherrſchaft über Schottland. Der großherzige Wilhelm Wallae 
lag in dem Verfuche, Schottlands Freiheit zu retten; Robert Bruck 
Abkoͤmmling des alten Kürftenftammes, gewann (1306) die Krone ı 
durch den Steg bei Bannockburn (1314) die Unabhängigkeit feines 9 
Mas fein Helbengeift errungen hatte, Tonnten feine ſchwaͤchern Nach 
behaupten, und die meift unglüdlichen Kriege mit England bamerten fi 
alte Bund Schottlands mit Frankreich, der durch die feindfelige Stel 
Länder gegen England herbeigeführt wurde, der Zwietracht immer neu 
gab. Robert Bruce's Mannsflamm erloſch ſchon 1371, und das 
Haus Stuart (f.d.) Fam auf den Thron. Die Kriege mit Engla 
häufigen vormundfchaftlichen Regierungen in bem durch eigne Schub w 
Fuͤrſtengeſchlechte trugen hauptſaͤchlich dazu bei, die Macht des, wi 
zahlreichen Adels mehr als in andern Ländern zum Nachtheil der koͤn 
und des Gemeinwohle zu erheben, da in dem armen und gewerblofen 
fpät ein gebildeter Mittelttond aufturn. mar anf «8 auch Bier, wie ie 


Schottlands Geſchichte 857 


ruͤh eine den König beſchraͤnkende ftändifhe Macht, die aus ben unmittelba⸗ 
ftlichen Vafallen der Krone und den um mehr als ein Drittheil zahlreichern 
yen Baronen beftand; auch nahmen ſchon umter Robert Bruce die, jeboch 
ahlreichen Städte Antheil daran; aber diefe achteten ihre ftänbifchen Vor⸗ 
© geringe, daß fie noch im 15. Jahrh. durch Zwangsgeſetze zum Erſcheinen 
flament angehalten werben mußten. Die Ständeverfammlmg beftand nur 
ver Kammer; baher fcheuten die ftäbtifchen Abgeorbneten die Gegenwart bes 
gen Adels, während diefer, nur bes Kriegshandwerks kundig, bie Arbeiten 
feggebung gern ber Geiſtlichkeit überließ. Des Könige Vorrecht war es, das 
nent zu verfammeln und Gefege vorsufchlagen, bie immer angenommen 
3. Oppoſition galt mit Hochverrath fire gleichbedeutend, und bie mißver⸗ 
n Glleder der Ständeverfammlung Eonnten ihre Unzufriedenheit nur bucch 
eiben zu erfennen geben. Die Rechtepflege gehörte zwar ſcheinbar dem Koͤ⸗ 
die Kriegsmacht und ber größte Theil der bürgerlichen Michtergewalt aber 
in den Händen der meltlihen Barone, weld;en bie geringern Edlen theils 
Berleihungen von Ländereien, theils durch Stammverbindungen, theils 
Anwartſchaft auf Belehnungen anhingen. ine Eigenheit des ſchottiſchen 
eſens war bie Abgabenfreiheit zu einer Zeit, wo andre Länder, wie z. B. 
ei, ſchon mit Steuern belaftet waren, und ber Umftanb, baß die eönigl. 
Et im Kriege geſchwaͤcht wurde, in Sriedenszeiten aber wuchs, da im Kriege 
daten ihren Häuptlingen und nicht dem Könige gehorchten. Bis zu Ans 
»es 15. Jahrh. hatten die Schottlänber nur geringe Fortſchritte in der Geſit⸗ 
emacht. Krieg war die Beichäftigung des Adels, Jagd und wilde Zeches 
er Zeitvertreib ber Häuptlinge. Die Solgen des Despotismus, Knechtfinn, 
te und Dürftigkeit zeigten ſich in auffallenden Zügen. Die Lanbleute, wie⸗ 
88 durch Muth und Anhänglichkeit an ihr Vaterland ausgezeichnet, folg⸗ 
w SBeifpiele, das ihnen die Mohheit ihrer Obern gab; von den Wohlthaten 
Hnherren abhängig, kannten fie feine Gewerbſamkeit. Selbſt die gerings 
amufacturerzeugniffe, 3. B. Hufetfen, Saͤttel, Zäume, kamen aus!Flandern. 
Berbau lieferte nur die nothduͤrftigſten Erzeugniſſe, da gerade bie fruchtbars 
sudfchaften, das füdliche Grenzland, ſtets ben Verheerungen bes Krieges 
St waren. Mod im Anfange des 15. Jahrh. mußte durch ein Strafgefeg 
x werden, daß jeder Pachter, der mit 8 Ochſen pflügte, jährl. eine Metze 
eo 2 Megen Erbfen und 40 Bohnen ausſaͤen follte. Brot warb als Lecker⸗ 
jegeffen. Innere Fehden flörten unaufhoͤrlich die Herrfchaft des Gefeges, 
zım die Regierung den Frieden ſchuͤtzen wollte, geſchah es durch Mittel, die 
Biel Rohheit verriethen; fo ward 3.3. 1396 der Streit zweier feindlichen 
me des nördlichen Schottlands durch einen gerichtlichen Kampf von 3O Kries 
S jeder Partei in Gegenwart des Königs und feined Hofes gefchlichtet. Jas 
der ald Befangener in England erzogen, feine trefflichen Geiſtesanlagen in 
Srade ausgebildet hatte, fuchte durch Eraftvolle Verwaltung Befittung zu 
en und ben Landfrieben herzuftellen. Ein Obergerichtshof ward errichtet, 
gung von Bafthöfen in ben Städten (1424) befohlen; Handwerker kamen 
zndern. In der fländifchen Verfaffung wurde, da die Verfammlungen, 
* Gtrafdrohungen, nur unregelmäßig befucht wurden, 1428 eine Veräns 
gemacht, wodurch die Heinern Barone und Freifaffen von ber gemöhnlichen 
zung befreit wurden, unter der Bedingung, daß aus jeder Graffchaft 2 ger 
Abgeorbnete erfchienen, die zugleich das Recht erhielten, den Sprecher 
enten) des Parlaments zu wählen. Weniger gelang der Verſuch, das nörbs 
chottland, das unter mächtigen Häuptlingen ſtand und von dem übrigen 
purch hohe Berge getrennt und durch eine eigne Sprache gefchieden war, ber 
walt der Könige gänzlicy zu unterwerfen. (S. Hochlaudy Ie Var 


858 Schottlands Gefchichte 


formen reisten ben Übermuth des Lehnabels. Ein Edier, Robert Gm 
erlittene Befängnißftrafe erbittert, verband ſich mit Andern, dem Ko 
ſchwerden bes Adels vorgutragen; von feiner Deftigkeit aber hingecifl 
in der Ständeverfammlung von feinem Sige auf, trat wuͤthend zu 
und feine Hand an den König legend, rief er: „Ich verhafte Euch, 
ber hier verfammelten Stände Eures Reichs. Wie Euer Volt Euch & 
ſchworen, fo feid auch Ihr durch einen Eid gebunden, nach dem Ge 
ſchen, nicht aber Eure Unterthanen zu kraͤnken, ſondern fie gerecht zu 
Und ſich umſehend, feste er hinzu: „Hab ich nicht wahr geredet?" € 
fogleich verhaftet, zu Verbannung und Güterverluft verurtheilt; aber 
gene kündigte dem Könige aus feiner Verbannung in einem Briefe de 
auf und drohte ihm Rache. Mit Verſchworenen verbunden, wozu | 
Oheim gehörte, drang ber Beächtete am MWeihnachtsfefte 1437 ins € 
ber König wurde nebft feiner Gemahlin ermordet. Seine nädflen 
-fegten den Kampf gegen ben unruhigen Lehnabel fort, während bie 
England nur ducch Eurze Waffenftiliftände unterbrochen wurden. 4 
niſche Jakob III., der nad) Bewaltherefchaft ſtrebte, obgleich fein © 
ternehmen nicht gewachfen war, unterdrüdte alle Stände, fuchte ben 
Parlaments zu vernichten und führte bie noch beftehenbe, in unfern; 
tig angefochtene Gemeinbeverfaffung ein, indem er ben Bürgern bas u 
ihre Stadtobrigkeit zu wählen, entriß, und dem abgebenden Rathe | 
neuen überließ. Er fiel feig im Kampfe gegen ben empoͤrten Adel. 
Nachfolger, Jakob IV., einem geiftreichen Zürften, begann eine be 
Schottland, und feine Bermählung mit Margaretha von England, £ 
Zochter, legte den Grund zur fpätern Vereinigung beider Länder. 
pflege wurde verbeffert, der Landfriede gefichert und das Recht der fi; 
geordneten, zu den Steuerbewilligungen ihre Zuflimmung zu geben, 
gründet. Schifffahrt und Fiſcherei wurden ermuntert; um Aderbauı 
ſamkeit zu beleben, wurben die geringern Lehnsleute 1457 von perſoͤnl 
bienften befreit und bloß zu Abgaben und Ianbwirthfchaftlichen Dien| 
tet. Die unwiffenden Edelleute mußten bei ſchwerer Strafe ihre Soͤhr 
Sprache und in den Wiffenfchaften unterrichten laffen, um fie zu! 
Beamten tauglidy zu machen, eine Maßregel, bie viel zur Verbreitum 
niffen beitrug; die Erziehung ber geringern Volksclaſſe aber blieb v 
weil man fie für unnöthig ober gar der Lehnsabhängigkeit und bi 
Obergewalt nachtheilig hielt. Es konnte daher, ungeachtet im 15.9 
verfitäten, Glasgow und Aberbeen, gefliftet wurben, allgemeine X 
nicht gedeihen. Ein neuer Krieg mit England, worein ber König unl 
einließ, endigte (1513) mit ber Niederlage bei Flodden, bie ihm und 
des Landes das Leben Eoftete. Dieſes Ungluͤck brachte Schottlands I 
keit wieder in Gefahr und flürzte das Land in neue Zerrüttungen, um 
eine minderjährige Regierung folgte, während welcher Parteiungen he 
England benugte. Seitdem war ſtets, bis zur Vereinigung beider A 
engl. Partei in der Regierung Schottlands wirkſam. Jakobs V. Bea 
einer Verwandten des franz. Königshaufes, Maria von Guiſe, Enüpfi 
mit Frankreich fefter. Der engl. Partei trat nun eine franz. entgegen, | 
befto verderblicher wurden, ba die Guifen durch diefelbe bald Belegen 
ihren Eifer gegen die Reformation auch in Schottland wirken zu laflen. 
Lehre hatte durch mehre fchottifche Edelleute, die in der erften Zeit nad 
mation in Deutfchland gewefen waren, in Schottland früh Eingang 9 
es bier ſchon im 15. Jahrh. heimliche Anhänger Wictef’s (f.d.) ga 
bie in mitternächtlicher Einfonoteit die Bibel in der engl, Üüberfegung ! 


Schottlands Geſchichte ' 858 


herrſchende Unwiſſenheit unter G.iftlichkeit und Laien feste jedoch 
19 des Lichts viele Hinderniffe enttgegen. Während in Deutfchlamb, 
gland und Frankreich bie Wiederauflebung der Wiſſenſchaften der Mes 
ausgegangen war unb beten! Furtfchritte befchleumigte, hatte in 
erade das Gegentheil flatt, da der Anfang literarifcher Bildung bier 
ig ber proteftantifchen Lehre folgte. So war bie griech. Sprache larıge 

wo man fie auf dem Feſtlande und in England ſchon mit Eifer trieb, 
unbefannt in Schottland, bis endlich 1534 ein Edelmann, Erskine 
n gelehrten Franzoſen mitbracdhte, der eine Lehranftalt in Montrofe 
le Schüler bildete. Die hebr. Sprache ward erft nad) der Gründung 
‚ Kirche gelehrt. Patrik Hamilton, ein zum geiſtlichen Stande bes 
gling von edler Geburt, war ber erſte Schottländer, der fich öffent: 
ı Lehre bekannte. Er wurde (1538) verbrannt; aber die Slammen, 
i8 1530 mehre andre ftandhafte Bekenner verzehrten, Leuschteten wie 
yucd) das Land. Es war Alle® zu einer gänzlichen Ummandlımg und 
ton Einführung der neuen Lehre vorbereitet. Während bie Geiſtli⸗ 
hrer Spise der eifrige und verfolgungsfüchtige Cardinal Beaton der 
des Proteftantismus ſich widerfegten,, gewann diefer bald unter dem 

Anhänger. Die Bifhöfe waren lange vor ihrem Falle ein Gegen⸗ 
des und der Eiferfucht der Edelleute, während bie niedere Geiftlich- 
ihre Unwiſſenheit veraͤchtlich und durch die Erpreffungen , welche fie 
ıntern Volksclaſſen erlaubte, verhaßt machte. Das Beiſpiel Eng⸗ 
n Abel die Hoffnung, ſich durch bie geiſtlichen Güter zu bereichern, 
Schottländern eigne Dang zum Nachdenken verſchaffte ber neuen Lehre 
ahme, fobald die Hinderniffe gehoben waren, die der Verbreitung 
sgenftanden. Dies gefhah durd) den auf ben Antrag eines Ebel 
erfolgten Beſchluß des Parlaments, der dem Volke das Lefen ber 
tandesfprache erlaubte. Seitdem wurben Überfegungen berfelben in 

aus England eingeführt, und überall erichienen Schriften, die ben 
unafung und den Aberglauben der kathol. Geiſtlichkeit mit Ernft und 
en. Sob. Knor (f.d.) trat nun mit feiner Unerfchrodenheit und 
ven Standhaftigkeit an die Spige der Reformation. Auf feinen 
1560 eine Kicchenverfaffung eingeführt, die theild von Genf, theile 
hen Kirche entichnt war. Diefe Verfaffung mar wefentlich auf 
tündet; jeder Vorrang unter den Beiftlichen wurde abgefhafft, und 
glich fogen. Superintendenten das Auffeheramt der ehemaligen Bis 
ı, fo waren fie body den eingeführten Synoden untergeorbnet, wie 
reinen Verfammlung (General assembiy), die gleichfalls 1560 als 
chliche Behörde angeordnet wurde. Erſt 30 Jahre fpäter ward bie 
Form der Verfaſſung vollendet, ald an die Stelle jener Auffeher 
en famen, die aus ben Geiftlichen und Kirchenälteften mehrer be> 
rchfpiele beftanden. Der Sieg der Reformation wurde vorzüglich 
rüttung begünftigt, worein Schottland nad) Jakobs V. Tode und 
Minderräprigkeit feiner Tochter Maria Stuart (f. d.) gerieth. 
‚ die Megentin, Eonnte ungeachtet ber franz. Kriegsvoͤlker, die fie 
ad gerufen hatte, die Anhänger der neuen Lehre um fo weniger bes 
der Argwohn, den fie durch ihre unkluge Nachgiebigkeit gegen franz. 
egte, viel dazu beitrug, die Sache der Meformation mit der Be: 
ifcher (Freiheit zu verflechten. Als ihre Tochter den Thron beflieg 
der Sieg fhon entfhieden. Maria fah in den Mächtigen, bie ihn 
en, ihre Stügen ; daher blieb fie, ungeachtet ihrer offen erklärten 
t an den Ölauben ihrer Väter, lange ihrer Zufage treu, die einge 


8.60 Schottlands Gefchichte 


flihete Glaubenslehre und bie Beroiffensfreiheit zu ſchuͤßen. Wem 
durch ihren Oheim, ben Cardinal von Lothringen, fich verleiten Gef, : 
zur Ausrottung der proteflant. Liehre beizutreten und dadurch Argme 
Gefinnungen erweckte, fo war es boch nicht ihre, dem Volk freilich v 
benheit gegen den Katholiclemus , ſondern vielmehr die Parteiung be 
nigin Ellfabeth aufgerelsten Adels, was ihren Sturz herbeiführte, 

Leidenſchaft zu Unbefonnenheite:r verleitet und ſelbſt von dem führe 
dachte verfolgt, bie Achtung den Volks verloren hatte. (S. Mari 
Sobald ihre Gegner fich der Stiratögewalt und der Wormundfchaft 

muͤndigen Thronfolger Jakob VI.. bemächtigt hatten, und ihres Vau 
Sohn, der Brafv. Murray, an die Spitze der Regentfchaft getreten 
die Herifchaft des Proteſtantismus völlig geſichert. &. Cook's grimd 
teilfche „History of the reformation in Seotland” (bis zu ihrer g 
feftigung 1567, 2. Auft., Ediriburg 1819, 3 Bde). Die fpäte 
des Landes bis zur Union mit England wurden meift durch bie Reh, 
beftimmt, die es während bes N7. Jahrh. zerrütteten.. Jakob V 
bei aller Gelehrſamkeit, womit er eitel prahlte, nicht fähig, dem je 
ftande de® Landes abzuhelfen. Der wilde unlenkſame Geift bes 2 
zahllofe und graufame Fehden. Ungeftraft wurbe gemorbet. Di 
ſchwach, durch Strafen abzuſchrecken, oder zu träge, dem Frevel zu 
muͤßlger Zufchauer, und feine kraftloſe Verwaltung warb verächtiid 
tracht, worein er bald mit ben prasbyterianiſchen Geiftlichen gerieth, 

Störungen und zu Erfhütterumgen bes koͤnigl. Anſehens Weranlafl 
der erſte Anlaß zu feinen fpätern Schritten gegen eine Kicchenverfaffu 
publikaniſche Form feinen Anfichten ber Fürftengewalt burchaus entge 
preöbpterianifchen Prediger gaben ihm freilich burch den firengen Eif 
nach ber freimäthigen Sitte der Zeit öffentlich gegen Werwaltungsm 
dien, welche die Blaubensfreiheit zu bebrohen ſchienen, nicht felten 
Anſehen für beleidigt zu halten. Als er 1603 den engl. Thron be 
konnte er zwar das Vorhaben, beide Reiche zu vereinigen, nicht burı 
fein Übergeroicht war allmaͤlig fo geftiegen, daß ber beharrlich verfol 
die biſchoͤfl. Kicchenverfaffung in Schottland einzuführen, 1610 ı 
Das bifhöfl. Kirchenweſen war hier jeboch von der engl. Kirchenein 
verſchieden. Die ſchottiſchen Biſchoͤfe hatten weder richterliche Gem 
liche Vorrechte, und ihre Einkünfte beftanden bloß aus den duͤrftigen li 
nicht veräußerten ehemaligen. Kicchengutes. Die unzeitige Herſtel 
ſchofswuͤrde erregte Argwohn bei allen Glaffen des Volkes, und al 
der Folge eifrig bebacht war, einen Theil der gottesbienftlicyen Gebroͤr 
Kirche in Schottland einzuführen, flieg das Mißvergnügen immer hi 
(ſ. d.) verfolgte den Plan feines Vaters. Er that Alles, was ihm di 
der Schottländer von allen Parteien rauben mußte. Den Abel erbit 
bie Einziehung der Zehnten, womit er die neuen Bifchoffige außfkattet 
die völlige Einführung einer neuen Form ber Gotteöverehrung (1637 
auch die untern Volksclaſſen fo fehr, daß ein heftiger Aufſtand in der 
ausbrach. Seine unbefonnenen Maßregeln führten zu einer feſten 

des Presbpterianer und zur Erneuerung des fogen. Govenante ([ 
drohende Widerfland machte den ſchwachen König nachgiebig. Der fl 
byterianismus gemann 1639 wicder die Oberhand, bie hierarchiſche 
wurde gänzlich vernichtet und das Kirchenweſen durchaus auf eine ſerie 
faffung gegründet. Die unglüdtichen Zwiſtigkeiten zwiſchen Karl ın 
bie das koͤnigl. Anfchen immer mehr erfchütterten , befeftigten bie neu. 
foffung. Als Cromwert C. v) Ve Trial. Saale nernichtet hattı 


Schottlands Sefcdrichte 861 


zttlaͤnder, die größtentheil® auf Kari II. Seite flanden, um fo leichter bes 
da die herrſchenden Presbpterianer durch Zwietracht gefchwächt waren. Ee 
gemeine Kirchenverſammlung auseinan dergehen und beglinftigte nur dies 
artei, die fich früher ſchon gegen den Köı ig erlärt hatte. Schottland litt 
unter dem Drude engl. Befayungen, daß man das Ereigniß, melde 6 
. (f. d.) aufden Thron brachte , als giä: Zliche Rettung begrüßte, und troß 
nmen einzelner ſtrenger Presbpterianer,, die den König nur unter Bedin⸗ 
bergeftellt zu fehen wuͤnſchten, wurbe ichts über bie künftige Korm ber 
erfaffung feftgefegt. Karl, dem Pretibpterlanismus fo abhold als feine 
en, führte die bifhöfl. Verfaffung 1660 wieder ein, und als er 2 Empoͤ⸗ 
11666 und 1679) durch MWaffengewalt befiegt hatte, wurde Schottland 
ichthabern, bie des ſchlechten Könige rouͤrdig waren, mit einer eifernen 
veherrfcht, und bie Freiheit der Gewiffen wie des Buͤrgerlebens imter em» 
ı GBräueln vernichtet. Jakob s U. (f. d.) Megierung war zu kurz, als 
Plan, auch in Schottland das Papftttrum wieberherzuftellen, hätte aus⸗ 
werben koͤnnen, obgleich auch hier die (Stände jeden feiner Eingriffe in bie 
ıng mit Enechtifcher Unterwuͤrfigkeit befrIftigten. Die Revolution warb in 
ud wie in England duch Wilhelm til. (f. d.) Leicht bewirkt, unb mit 
die Morgenroͤthe der Freiheit. Der Presbyterianismus war!) bie herr⸗ 
Kirche; die bürgerlichen Rechte des Vorks und ber verfaffungens äßige Ein« 
Parlaments wurden gefichert. Der arijtokratifche Geiſt blieb zwar bis zur 
gung beider Reiche vorherrfchend und hernmite die Verbeſſerung bee Lage bes 
aber das Volk war doch in einem geficherten Redytszuftante, und Gewerb⸗ 
und Handel nahmen allmälig einen hühern Schwung. Der tSeift ber 
Ht war aber keineswegs gebannt, und es entflanden neue Partelvı:cbindun 
eiche die Ruhe des Bandes noch oft ſtoͤrten. Die Anhänger der bifchöflichen 
ſerfaſſung waren unwillig über bie den Presbyterianern verliehenen Rechte 
Uffen die Partei des verbannten Könige. Sie wurden baher SFakobiten, 
I fie den Huldigungseid nicht Leiften woll ten, Eidweigerer (Na n Jurors) 
Sie blieben mit dem vertriebenen König in heimlichen Brief echfel und 
He Unzufriedenheit und Erbitterung, welche die neue Ordnung ider Dinge 
atte. Die Vereinigung Schottlands mir: England, die nach Icıngen Uns 
angen 1707 erfolgte, gab dem Parteigeift eine neue Richtung, da man 
bätigen Folgen diefer Maßregel, welche durch bie Unterdrüdung; bed Ari» 
zus bie Seffeln bes Volks Löfen und vollenden follte, was bie Hlevolution 
: hatte, vorausfah. Der Gedanke, die Selbftändigkeit und Un bhängig- 
Aten Reichs vernichtet zu fehen, war allen Ständen empfinblidy und machte 
8 dem Volk im Allgemeinen fehr verhaßt. Religioͤſe und politiliche Par⸗ 
haßen eine Zeitlang ihre gegenfeitige Exbitterung bei dem gemeinfamen Uns 
ser dieſes Ereigniß; ja ſelbſt die heftigften Gegner ber Stuarte Hielten es 
roͤßeres Übel als felbft die Zurhdberufung bes verbannten Könige. Die 
ke ber Parteien, die feitbem fuͤr das vertriebene Fuͤrſtenhaus heirnlich wirk⸗ 
> befonder# die Anhänglichkeit der bem herrſchenden Koͤnigsſtanime abhols 
Länder, begünfligten bald den Verfuch, den ber Prätendent (ſ. Jakob III.) 
ıchte, das Reich feiner Väter wiedberzuerobern. Das unbedadht[am begon⸗ 
ſchlecht geleitete Unternehmen mißlang , aber bie Hoffnungen ber Jakobi⸗ 
a noch immer auf den Hof der verbannten Stuarte in St.⸗Germain ges 
ab der Aufftand zu Gunften derſelben 1745 (f. Eduard, Rarl) hätte 
jhritanmiens Schickſal den entfcheidendften Einfluß haben können, wenn 
aards Heer einig geweſen wäre und von Frankreich Unterflügung erhalten 
Die wichtigſte Folge dieſes Aufftandes für Schottland war bie Aufhebung 
werfaflung im Hochlande (f. d.), wodurch auch dieſer Theil des 


862 Scout by Nacht Schrecken 


Landes den Fortſchritten der Geſittung geoͤffnet wurde. S. Lmbars I 
Schottlands" (Dresden 1826 fg., 4 Bochn.; in der „Hiſtor. Taſchenbibl 

Schout by Nacht (ausgeſprochen: Schaut bei Nacht), ſ. Adn 

Schraffiren (ital. igraffiare), Schraffirung nemt 
zeichnung des Schettens in Zeichrumgen und Kupferflichen durch neben 
gefeßte ober ſich durchkreuzende Striche, twobei die Striche vom Dunkil 
das Delle zu immer feiner werben. Hierbei kommt auf bie Richtung de 
ſowie auf den größern oder geringen Abftand derfelben von einander fe 
Schraffirte Zeichnung iſt eine Feder zeichnung. 

Schraube ohne Ende. Die Schraube, deren Einrichtung 
kannt vorausfegen, ift eine von den 5 mechaniſchen Potenzen ober enfı 
ſchinen. Man kann durch fie erſta unliche Laſten bewegen und einen Dr 
bringen, der ungeheure Gewichte erfobern wuͤrde. Der Cylinder, welch 
per der Schraube ausmacht, heißt die Spindel; um ſie herum laͤuft de 
bengang ſchneckenfoͤrmig. Ein antırer Körper mit einer cylindriſchen Di 
der Weite, daß die Spinbel hineinpaßt, und mit einem Schraubmgang 
in deffen Vertiefungen die erhabene Schraubenlinie der eigentlichen Sch 
beißt die (Bchraubenmutter. Cine aus einee Schraubenfpindel 
Stimrade fo zufammengefegte Schraube, daß die Schraubengeminde g 
Zähnen bes Rades eingreifen, einen Zahn nach dem ander fortfcie 
diefe Art das Rad umdrehen, beißt Schraube ohne Ende, weil bei 
Wiederkelhr des Nades die Schraubenfpindel unaufhörlich fortbewegt wm 
ohne daß fie, role die gemeine Schraube, einmal auf einen feften Pın 
Über die SEheorie der Schraube f. die Lehrblicher ber Mechanik; auch g 
„Grundr. ber mechamifchen, optifchen und aftron. Wiffenfch.” (2. A. Dt! 
m. X.) eine gute Anleitung. " 

Schrecken, eine heftige, umangmmehme Empfindung bed Gen 
einem plößlich ergreifenden, befonder& von einem Gefahr drohenben ( 
veranlaßt. Der Schrecken ergreift das Gemuͤth fo heftig und wirkt fd 
Mervenfofliem fo nachtheilig, daß ber ganze Körper'daran Theil nimmt; 
das Nervinfoftem eine vernichtende, lähmende Gewalt aus, fobaf 9 
Ohnmacht, Stillſtand des Herzſchlags, Erſtarrung der Muskeln, 
Schwindel, Schlagfluß, ſelbſt Verruͤcktheit danach folgen koͤnnen. € 
welcher von einem heftigen Schrecken uͤberfallen wird, befommt ein Ge 
nen elektrifchen Schlag durch den ganzen Körper, fein Bewußtſein verh 
einen Augenblick oder es verſenkt ſich doch in das Gemüth, daß er nur da 
ihn fo ſchmerzlich und heftig ergriff, denken und fühlen kann. Eine S 
Muskeln bemächtigt ſich feiner im nächften Augenblick; nach dem erſten 
fahren bleibt er eine Zeitlang in der nämlichen Stellung ; nach bem erſten 
lich außgeftoßenen Ausruf bleibt die Sprache gleihfam in dem geöffn: 
fieden. Der Herzſchlag und das Pulficen der Arterien wird fo ſchue 
fpeichwörtliche Redensart davon herfommt: „Das Blut fiand mir vor € 
den Adern flille” ; daher tritt auch ein Erblaffen des Geſichts fogleich m 
nur dann erſt der lebensrothen Färbung wieder Platz macht, wenn der erf 
bes Schredens vorbei ift. Die Roͤthe des Geſichts tritt um fo ſchneller 
wenn der Gegenftand des Schreckens ſich bei näherer Betrachtung in ei 
gen verwandelt; denn auc, eine plöglich eintretende Freude wirkt im nf 
blicke dem Schreden gleih. Der Schrecken aber, ber ven einem wirkli 
nehmen Gegenftande herruͤhrt, wirkt länger nad), obgleich die folgend 
fung immer ſchwaͤcher wird, da jeder Affect fi in der Dauer ſelbſt ſcha 
bei dem Schreien um fo cher gefchieht, da ber Gegenſtand bei nähen 2 
faft nie Das iſt, wos er hei dem erken Anktid au fein ſchien. In Ruͤcſ 


Schreibart Schreibelunft 869 


= wirkt ber Schrecken zumächft auf das Nervenſyſtem vom Senrüth aus. Die 
Eye Furcht vor einem drohenden Unglüd bringt jenes fo außer Saflung, daß 
eroußtfein außer Stand gefegt ift, in demſelben Augenblicke den Gegenſtand, 
wehältmiffe der Außenwelt und ben Zuftand bes Gemuͤths klar zu überfchauen, 
Bst daher firirt auf die dunkle Vorftelung von dem Schrecken erregenden Bes 
abe, fodaß es für alles Andre verfchloffen bleibt. Die einzige ſtarke Erre⸗ 
fie mag nım ſinnlich durch einen wirklich zur Anfchauung kommenden Ge: 
erwb, oder durch ein bloß in der Einbilbungskraft durch Worte, felbft durch 
Dhantaſie erregtes Bild der Vorftellung gefchehen fein, ift aber fo heftig, daß 
allem Anden hervorragt. Sowie aber die gewöhnlichen Vorſtellungen ſchnell 
eine beroorbrechende verbimkelt werben, fo werden auch die Drgane ber Sees 
-Ichtungen im Gehirne felbft gehemmt, da die Kunctionen des Geiſtes mit bes 
we Seelenorgane In fo genauer Verbindung ftehen. Alle traurige Affecten wir 
wabezu ſchwaͤchend auf das Nervenfuftem, baher muß nothwendig ber Schres 
ui der ſtaͤrkſte Affect, dies im hoͤchſten Brade thun und in einem Augenblicke 
wecklichſte Wirkung vereinigen, welche Tangfamer wirkende unangenehme Af⸗ 
auf Wochen und Monate vertheilen. Doc, iſt die Wirkung des Schreckens 
Acht bei alen Menfchen gleich heftig; es kommt bier auf bie Faſſungskraft, 
man Gegenwart des Geiſtes nennt, und auf bie Kraft des Nervenſyſtens 
zunöge beren es fähig ift, eindringenden piöglichen Angriffen mehr ober went 
volderfiehen. Daher das, was den einen heftig erfchredit, bem andern nur 
macht, nämlich feine Aufmerkſamkeit in hohem Grade und plöglich erregt, 
edoch das Bewußtſein für die übrigen Werhältniffe nicht verdunkelt, auch auf 
ülgper keine fo fürchterliche Wirkungen hat, als ber Schredien. — Da ber 
udden feine Wirkungen auf den Körper ſchnell äußert, fo ift es jedesmal nöthig, 
mqtheiligen Folgen berfelben zuvorzulommen. Hierzu find demnach Mittel 
B, welche das Gegentheil von jenen Einwirkungen hervorbringen können. 
wefätterte Gemuͤth muß von dem einzigen Gegenſtande bed Schreden® los⸗ 
un werden, das Bewußtfein muß ſich auf andre Begenflände wenden, fobaß 
wgenftand , welcher den Schrecken erregte, felbft von einer andern Seite anges 
"und unterſucht wird. In phyſiſcher Rüdficht muß man fuchen, bie Laͤhmumg 
"evenfoftems , die krampfhafte Erftarrung des Muskel⸗ und Arterienfyflems 
w aufzuheben, das nach dem Herzen züfttömende ober bafelbft ſtockende Blut zu 
Bien. Amı beften und jederzeit anwendbar ift ein warmes Bad, wenigſtens ein 
28 Fußbad, von Zeit zu Zeit eine Kaffe Meliffen » ober ähnlicher Thee, Reiben 
mit warmen Tuͤchern, oder mit einer Bürfte, mit wuͤrzigen Eſſenzen 
net. Man laffe öfters an dergl. flärkende Eſſenzen oder Spiritus riechen, 
an das fogen. englifche Riechſalz, Salmiakſpiritus mit Lavendeloͤl, koͤlner 
mu. dgl. Innerlich farm man auch zunaͤchſt etwas Eräftig Ableitendes und 
higendes, 5. B. Satz in Waffer aufgeloͤſt, Satpeter mit Weinfteincahm, ges 
dann aber, wenn der erfte Sturm vorüber iſt, laſſe man zuweilen ein wenig 
‚, einige Tropfen Effigäther in Waffer, oder Thee, oder Hoffmann’fchen Li⸗ 
H. 


en, 

Schreibart, f. Styl. 

Schreibekunſt iſt die Kunſt, durch Buchſtaben oder a. Zeichen, auf Pa⸗ 
der e. a. Maſſe, ſ. Gedanken zu äußern oder mitzutheilen. Auf fie bezieht fich 
Schoͤnſchreibekunſt oder Kalligraphie (f.d.); 2) die Rechtſchreibekunſt 
Yrthograpbie(f.d.), welche auch ein Theil der Grammatik oder Sprach 
? (f. d.) iſt; 3) die Geſchwindſchreibekunſt oder Tachygraphie (f.d.); 4) 
wbeimfchreibetunft (Kryptographie) oder Steganographie (ſ. d.) 
die Schreibmalereicf.d.). Die erfte Grundlage der Schreibelunft wa» 
Hider, durch die man das Andenken merkwuͤrdiger Perfonen oder Begebenhel⸗ 


864 Schreiber (Aloys Wilhelm) _ 


ten aufbewohrte, aus denen fpäterhin die Hierogl pphen (f. d.) mil 
ſollen. Als eigentliche Erfinder der Buchflabenfchrift, welche die Ihn 
nicht die Vorſtellung ober Sadye, wie die Bilderfchrift, bezeichnet, mrı 
Phoͤnicier, von biefen Lam fie, nach der Sage ſchon durch Kabmus, ; 
hen, jedoch kann bie eigentliche Buchſtabenſchrift nicht viel über dat 
Zeitalter binaufgerücht werben; dann zu ben Hetruskern und Roͤmern 
zuerft auf Stein, Blei, Erz, Baumrinde, hernach auf den aͤgyptiſch 
im 3. Jahrh. v. Chr. auf Baummollenpapier, feit dem 8. Jahth. n. ( 
dem 14. Zahrh. auf Keinen » oder Lumpenpapier. (&. Amelang, „X 
terthume der Schreibekunft in der Welt”, Leipz. 1800; Hug’s „E 
Buchftabenfchrift”, Ulm 1801, und Weber's „Verſ. einer Geſchichte! 
kunſt“, Böttingen 1807.) Mit dee Herrfchaft der Römer wurde bie € 
immer mehr verbreitet. In Deutfchland (auf weldyes wir un hier all 
ten) war anfangs bie Runenſchrift (f. db.) bekannt; jedoch wurbe ! 
nifche Schrift ſowie die lat. Sprache bei dem Schreiben üblich, theils ı 
lands Lehrer, bie aus Irland und England kamen, in diefer Sprache fd 
weil die deutfche Sprache noch zu rauh und an Worten fehr arm war. € 
ſchichte der Schreibelunft unter den Altbeutfchen bis auf Karl d. Gr. | 
„Ausführlicher Schreibungslehre der deutſchen Sprache”. Erſt ımte 
wurde fie durch Kero und Otfried gebildet; im 9. Jahrh. fing man aı 
ben, jedoch bloß mit Latein. Buchſtaben. Überhaupt wurden öffentl 
3.8. Geſetze, Briebensfchläffe und Verträge, nicht bloß mit latein. &ı 
auch in latein. Sprache abgefaßt,, weil bie Geiſtlichen, die allein der la 
mächtig waren, ſich duch den Gebrauch berfeiben in dem Alleintefi 
ſten Staatsämter zu erhalten fuchten. Die Zeit, im der zuerſt bie dei 
gewoͤhnlich geworben, ſetzt man gemeiniglich ins 13. Jahrh., umter! 
Kaifer Friedrichs II., dagegen Andre biefen Zeitpunkt fpäter annchme 
bildung ber deutfhen Schrift wurde wol am meiften durch die Buchdr 
fördert. Deutſchland hat, wie Breitkopf bemerkt, nur 2 eigne Sch 
Fracturs und Gurrentfchrift, indem bie Kanzleifchrift bloß eine zun 
ſchreiben eingerichtete Fractur iſt, in der bie Buchftaben mehr gebogen 
ander verbunden find. Die Kracturfchrift bildete fi) aus der im 11 
ſtandenen fogen. neugothifchen und Moͤnchsſchrift. Spaͤterhin und: 
d. 15. Jahrh. kam auch bei dem Drude die Current⸗ ober Curſivſchrift 
man hatte nämlich bisher bloß mit gerade ftehender Schrift gedruckt, 
tere Aldus Manutius in Venedig erfand auch die ſchiefliegende oder 
Im 16. Jahrh. erhielt endlich die deutſche Schrift ihre vorzüuglicfte 
durch Albrecht Dürer (f. d.); diefer fegte anfangs für bie Fractur, 
auch für die übrigen Schriften die Proportion feſt, worauf fie durch) f. 
die Schönfchreiber die jegige regelmäßige Geſtalt erhielten. 
Schreiber (Aloys Wilhelm), Hofrath und Hiftorlograpb 5 
geb. d. 12. Dct. 1764 zu Kapell unter Windel, in einem ber anmauth 
des unten Schwarzwaldes, kam auf das Lyceum in Baden, wo dom 
ftellen noch in den Händen der Erjefuiten fidy befanden und ber ganıe U 
auf Latein und Griechiſch befchränkte. Unterbeffen wurbe Wiehrl, beks 
nachherigen Verfolgungen, welche die Intoleranz ihm bereitete, als Le 
Iofophie nach Baden gerufen, und erft jegt erfuhren die Schüler, daj 
neuere Literatur gebe und fogar eine deutſche. Schr. wurde, be 
des philofophifchen Gurfus, mit 3 andern jungen Männern nad Freib 
um fic) dort fuͤr das Lehramt zu bilden. Won der Universität kam Sch 
an die Schule nad; Baden zurüd. Später ging er nad) Mainz, wur 
bei dem verft. Braten von Wehrhdeo Lehrte, als eben ber Krieg wi 


(Shrifiien) Schreiber (Philipp Wilhelm) 865 


var, In f. Vaterland zuruͤck und lebte bort einige Fahre in flillee Zus 
.Verſchiedene Verbindimgen veranlaßten ihn, während des Con: 
idt feinen Aufenthalt daſelbſt zu nehmen, mo er auch u. A. in Geſell⸗ 
handverifchen Minifterrefidenten v. Schwarzkopf das Congreßhand⸗ 
1800 wurde er zum zweiten Male Profeffor (der claſſiſchen Litera⸗ 
und 1805 erhielt er von feinem ihm immer wohlwollenden Fuͤrſten 
:of. der Aſthetik nach Heidelberg, den er auch annahm. Das aka⸗ 
und Treiben hat viel Abnliches mit dem Schauſpielerleben, und es 
wo man bdiefe Bemerkung beſonders in Heidelberg machen konnte. 
ahen fidy dadurch veranlaft, anderwaͤrts ein Unterkommen zu fuchen. 
rubenden Intrigue müde, that Daffelbe. Er bat f. Fürften um bie 
od erledigte Stelle eines badiſchen Hiſtoriographen und erhielt fie. 
: Heidelberg und zog nad) Karlsruhe, wo er einzig ber Wiffenfchaft, 
ſ. Samilie lebt. Unter den zahlreichen Schriften Schr.'s find f. Ger 
ch bie in alemamnifcher Mundart, und Erzählungen, f. topographi⸗ 
riſchen Werke, befonbers die „Anleitung zur Rheinreiſe umd bie 
Sagen’ am gimftigften aufgenommen worben. eine „Poetifchen 
nen Tuͤb. 1817. Seit 1816 hat er das Taſchenbuch für beutfche 
elia“, herausgegeben. 
ber (Chriftian), Kirchenrach umb Oberpfarrer ber Ephorie Lengöfelb 
thum Sachſen, geb. zu Eiſenach d. 15. April 1781, iſt bekannt 
aröftentheils in Schiller'ſcher Manier gefchriebene Poeſien, indbe⸗ 
‚Religion, ein Gedicht in 2 Geſaͤngen“ (Gotha 1816), und durch ſ. 
ederbuch”” (Eifenach 1816), forte buch „Predigten, Homtlien und 
ı’ (Eifenady 1817). Auch gab er gemeinfhaftlic mit Veillodter 
eine „Allgem. Chronik der 3. Jubelfeier der Meformation‘ (Gotha 
) heraus. 
ber (Philipp Wilhelm), geb. zu Wilhelmehoͤhe bei Kaffel d. 9. Juni 
e fi) dee Handlung, fpäterhin den Rameralisifienfchaften, beſonders 
haft. Durch vielfältige Reifen ımb Umgang mit Menfdyen aus als 
ete er fich für das Geſchaͤftsleben. Er bewies dies in ber Sache der 
Jomainentäufer. Das vormals kurfuͤrſtl. heſſiſche Domainengut 
nmeit Kaffel, welches Schreibers Schwager , ber Dekonom Schnei⸗ 
ter gleichfam urbar gemacht und in welches er den größten Theil f. 
mandt hatte, war 1807 kaiſ. franz. Domalne geworden. Napoleon 
en franz. Obrift v. Zimmer. Der neue Eigenthämer ließ, mit Be 
Kaiſers, Freyenhagen zum Verkauf ausbieten. Der frühere Pach⸗ 
Familie ruinirt, wenn das Gut in andre Hände fam. Daher ent« 
r., daffelbe zu kaufen. Ex reifte 1811 nad) Paris und brachte es das 
Yonateur Ihm Freyenhagen kaͤuflich überließ. Aber kaum fah er fich 
es im guten Glauben und mit Beobachtung aller Formen des Redytö 
iften Eigenthums, als bie Auflöfung des mweftfälifchen Staats ers 
hr die Freude Über die Reftauration des angeſtammten Fuͤrſtenhauſes 
ur die Nichtanerfenmung bee Handlungen der weſtfaͤliſchen Regie⸗ 
hen getrübt warb, iſt bekannt. Auch Schr.'s Kauf von Freyenha⸗ 
nichtig erflärt, und obfchon er ſich mit vieler Gewandtheit nody einige 
f. Eigenthums zu erhalten fuchte, warb er body deffelben zulegt nit 
x bewaffneten Macht den 4. Sept. 1816 entfegt. Gleiches Schie: 
eilten alle übrige Domainenfänfer in Kurheſſen. Schr. war der Ein 
Muth hatte, diefe Angelegenheit oͤffentlich zu vertretm. Mit Voll⸗ 
iner großen Anzahl ber Betheiligten verſehen, begab er ſich, nachdem 
n Kaffel, auf gütlihem Wege etwas zu erlangen , weiglongen wuren, 
fiebente Kufl. 8b. IX. 65 





wa one]. u um AUT y wow sun Weruyuan ıyoer ↄ· 
torwirde. Schr. brachte bie von ihm betriebene Any 
mehrmals in Anregung. Man fah ihn 1818 in Aach⸗ 
archencongrefles; 1819 zu Karlebad, als der Mini 
und zu Wien während der Minifterialconferengen 1 
hierauf (1821—24) die Angelegenheit pecfönlich an | 
ver, Braunfchrweig und Berlin. (Vgl. f. Vorftellung 
Rov. 1823.) Inzwiſchen war zu Berlin eine aus AI 
loͤſung des Koͤnigreichs Weftfalen betheiligten Megier: 
miſſion in Thätigkeit getreten, und D. Schr. handel 
allen mit der Aufiöfung des Koͤnigreichs Weſtfalen in 
genheiten ; unter biefen iſt bie weftfät. Centralſchulden 
Notwendigkeit einer endlichen Feſtſtelung der fäm 
wurde allgemein, felbft von ben betheiligten Regleru 
der weftfäl. Domainenkäufer ift nämlich, nach der rid 
zu erkennen gegebenen Anficht des k. preuß. Cabinets 
Schatz des vormaligen Koͤnigrelchs Weſifalen geflof 
durch ertweißlichen versio in rem , als eine von der & 
welche fich In das mweftfälifche Gebiet getheilt haben, yı 
ben; vorausgeſetzt, daß die einzelnen PRegierusigen e8 ı 
finden, ben Foderungen ber Domainenkäufer auf ihren 
einkunft Genüge zu leiften. Preußen gab hierin das ! 
ſchrift Schr.’8 an die Bundesverſammiumg vom 30.9 
Reclamanten, durch den Beſchluß der Bundesverfam 
von felbiger wegen Mangel an Competenz abgemiefer 
‚gen aber ward empfohlen, bahin zu wirken, daß bie Re 
amgelegenheiten durch bie zu dieſem Zwecke in Berlu 
bewirkt werbe. 

Schreyvogel (Joſeph), geb. 1768 in Wien 
1793 und 1794 durch [. Theilnahme an Alringer’6 
zuerſt als Schriftſteller bekannt madıte. Gegen d 
Jena, wo er ſich 2 Jahre aufbielt. Hierauf kehrte er ı 


Schreibmalerei Schrift 867 


mE. €. Hoftheatern angeſtellt. Während biefer neuen Anftellum 2 bat 
n Namen ©. 3. Weft außer dem Driginalluftfpiele: „Die Gleichg Iigen", 
5., mehre Übertragungen aus dem ©panifchen, worumter „Donna Diana”, 
utierce” und „Das Leben ein Traum‘, auf bie Bühne gebracht. 1819 — 
jte er bie Redaction bes Taſchenbuches „Aglaja” umd befchäftigte fich mit 
mmlung f. geößtentheil noch ungebrudtten Schriften. 
Hreibmalerei (die Malerei mit ber Feder) dankt ihren Urfprung ben 
meiftern oder Schönfchreibern. Zur Zeit ber Erfindung der Buchdrucker⸗ 
e befonber# in berg eine Claſſe derfeiben, bie man Modiſten nannte; 
ten nicht bloß ſchoͤn zu fchreiben, fondern auch ihre Schrift durch allerlei 
Verzierungen und Sonderbarleiten zu heben. Zuerfl erfanden fie bie 
eiberei; fie fchrieben nämlich mit fo Meinen Buchſtaben, daß man folche 
ıe Vergrößerungsglas lefen Eonnte. Der Gebrauch berfelben erhielt ſich 
nd zu Anfange des 18. Jahrh.; man findet noch im öffentlichen Bibliothe⸗ 
Bilbercabinetten ganze Bilbniffe mit Einfaffungen, bie aus ganz kleiner 
‚eftehen, toelche die Geſchichte ber abgebildeten Perfon, eine Lobfcheift ders 
re biblifche Stellen enthält. Da diefe Arbeit mit vieler Muͤhe verbunden 
wählten ſich die Schönfchreiber einen freieen Spieleaum und fertigten zu 
ng ihrer Schriften, befonder& zu Anfang und am Ende derfelben, mit der 
aze Lanbfchaften u. dgl. Der beffere Geſchmack hat jedoch ſowol die Klein» 
I als auch die eigentliche Schreibmalerei in Vergeſſenheit gebracht. 
hrift (Beige), f. Bibel und (Altes und Neues) Teſtament. 
hrift. Sprache und Schrift, wie alle zum Stammgute des Menſchen⸗ 
ja Ideen, giehen ſich, aller Zeitbeflimmung fpottend, gleichfam in ihre 
uruͤck; Ihr Weſen und Urfprung wird daher auf dem gewöhnlichen Wege 
— Forſchung nicht ausgemittelt, wenn auch einzelne verlorene Spuren da⸗ 
ezeigt werden. Sprache iſt veranſchaulichtes Denken oder Erkennen, 
demnach auf ſinnliche Anſchauung hin. Dem gemaͤß ſpricht ſich mit jedem 
den fie auf dem Wege aus dem Gemäth heraus thut, ein allmaͤliges Ver⸗ 
8 Subjectiven in das Obiective aus. Sie braucht nämlich Drgane des Leis 
Elemente, wie Luft und Licht, um als Ton» und Geberdenſprache fich zu 
hen , oder hörbar und fichtbar zu werden. Als Geberbenfprache iſt fie (on 
ter leiblicher Begenftand geworden, und Beberbenfprache eignet darum, 
‚bachtungen der Reiſenden, vorzüglich finnlichern Völkern und Stämmen. 
und iſt fie alfo Figur. Wird aber die Tonſprache für einen andern Sum 
Ihr feftgehalten, fo entſteht Schrift, d. h. eben für das Auge feflgehaltene 
be, mithin fchaltet Schriftfprache im Raume ale Bildzeichen und Buch 
Diefe beiden müffen urfprünglich in der Idee Eins und Elemente ber Ur: 
6 in Zeit und Raum bildenden Geiſtes fein. Wer aber kann die Zeit und 
? jener Schritte genau angeben und beſtimmen? und, wenn Einer es 
wäre bamit wol das Wefen ber Idee ausgemittelt? Da num das Bildzei⸗ 
die Hieroginphe mehr die Anfchauung, der Buchflabe aber ben Begriff in 
nimmt, fo fegt Buchflabenfchrift ſchon eine Höhere Ausbildung des Gei⸗ 
6, wenngleich auch die Hieroglyphik mehre Stufen durchlaufen mußte, 
u vollenden. Dies ergibt fich bald, wenn man das Verhältniß von Bild 
+, wie von Wort und Wiffenfchaft ernſtlich erwägt und ihre Wechſeldurch⸗ 
auffaft. — Sind wie nun aber hiermit ruͤckſichtlich der Schrift in eine 
ruͤckgewieſen, fo muß Entflehung , Bewahrung und Element der Schrift 
ig heilig fein. Darum fchreibt die Sage durchgängig die Erfindung ders 
em Gott zu, wie auch die Folgezeit bie Gage mißverſtanden und biefen al⸗ 
s und allegeit waltenden Bott 5. B. zu einem Kadmus individualiſtrt, ben 
Xythus alfo zur Babel umgedeutet haben möge. Ben Faro Vorl 





pweue, juwin Wrona- mw wrwnupyajaz Heyvore m 


Geiſtes Grundzüge bleiben hier wie 
die fenkrechte, tongerechte und Kreislinie. Die Buch 
den verfchledenen Alphabeten vorliegt, verräth, wie! 
Verwandtſchaft mit religiöfen Ideen über Zeugumg 
Raum. — Derfelbe heilige Sinn und Inſtinkt nun 
Schreibweiſe oder dem Anreihen und Mebeneinanderfti 
ter in Anien aus. Auch diefe kommen, wie bie eiı 
Grundſchema umd den Typus nicht verleugnen konnten 
rechte und Kreieförmige zuräd. Man hat nämlich al 
Kionaͤdon » ober Säulenfchrift, wo Buchftabe unter 2 
gefegt wirb, wie beiden Chinefen; 2) Furchen » aud 
Weften, von Weften nach Rorden, von Norden nach € 
3) Sphärddon: ober Krriöfdzeift,, welche beide Ichterr 
ollendung ber beider erftern find. Gedichte in Bel 
Form find fpätere Spielereien, aus welchen der Sin 
dem Grenzen ber Befchichte liegende Übergang ber bilb 
biitichen Scheiftmalerei zur eigentlichen Schrift, di 
hung ober Abkürzung jener war, muß In Dflafien bu 
Syrachen gefucht werden. Gleiches Beduͤrfniß uud gt 
Erfindung auch bei mehren gleichzeitig gemacht haben 
Zeugniſſe bes Alterthums, die nad) Phönizien hinwei 
Gähreibmaterialien waren im Verlaufe ber Zeit Steir 
Blaͤtter, Holz, Wade, Eifendein, Mufceln, Scher 
Pergament, aͤghptiſches ober Nitpflanzenpapier, Ba 
pier. Geſchrieben ward mit Meißeln, Eiſen ⸗ ober Be 
tel. Auch Dinte war früher erfunden, aus mancher 
dem Safte der Serfpinne, aus Zinnober ober Purp 
trägt noch fein Schreibezeug im Gürtel. Bis zur Er 
gab es Schön = und Schneliſchrelber ( Kalligraphen un 
Nitpapler wurden Bogen (scapi), aus diefen Rollen 
einem Stab aus Buchs. Elfenbein ober Gold. ber ı 


Schriften in den Druckereien Sqriftgießerei 869 


weiben befähigen. Name des Exfinders, Erfindungsjahr des Alphabets 
Schrift lafjen-fid) nicht angeben. Die Elemente derfelben find religiös 
iffen in Religion, als dem Weſen des GBeiftes, ſich ſchließen und er- 
a. 
‚hriften in den Drudereien, Lettern. Dan unterfcheibet 
Drudereiem die verfchiedenen Arten der Schriften einmal nach der Größe, 
ich der Lage der Buchftaben. Die Sprache macht dabei keinen Unterſchied. 
vöhnlichen Namen find in auffteigender Linie von der Bleinften an: Perl, 
‚ Nonpareil, Petit, Borgois, Barmonb oder Corpus, kleine Cicero, grobe 
Eleine Mittel, grobe Mittel, Tertia, Text, Doppelmittel, Eleine Kanon, 
anon, Meine Miffal, grobe Miffat, Heine Sabon, grobe Sabon x. Sind 
ſche Schriften, fo nennt man fie Perl⸗Fractur; lateiniſche, Perls Antiqua ; 
he, Perl⸗Griechiſch ꝛ. Im Anfehung der Lage unterfcheidet man bie gerab» 
: Schrift von der Curſiv. Die Schwabacher Schrift ift eine nach altgothi⸗ 
t gebildete Sracturfchrift. 
hriftgießerei, Schriftgießerkunft, oder die Kunſt, Buchdru⸗ 
en zu gießen, wurde von Peter Schäffer gegen 1452 zugleich mit ber Buch⸗ 
unft erfunden. . Buhbdrudertunft.) Das Verfahren bei ber 
gießerei ift ungefähr folgendes: Der Buchflabe wird zuerft erhaben auf eb 
hlernen Stempel (poingon) geſchnitten, und biefer dann fo gehärtet, daß 
n in Kupfer einfchlagen kann; biefer Abfchlag oder diefe Form wird bie 
e genannt, in welche die Buchflaben hernach mittelft der Gießlade (meule) 
ı werden. Die gegoffenen Buchflaben werden dann auf Sandſteinen abge 
‚ auf den Winkelhaken zufamımengefegt und in dem Beſtoßzeuge (coupeir) 
bhobeln und Abſchaben der Rauhheiten, unnöthigen Eden und des Brabes 
I) fertig gemacht, im Schiff in Columnen aufgefegt und aufgebunden. — 
ketall übrigens, aus welchen die Buchdruckerlettern gegoſſen werben, iſt eine 
nenfegung aus Blei und martialifchem Spießglaskoͤnig, welcher dem Blei 
ige Härte gibt. 1467 brachten zu Rom 2 Deutfche, Amolb Pannarı und 
Sweinheim, zuerft bie Antiqua zu Stande. Der Italiener Aldus Mann⸗ 
sicher 1515 flarb, bat die Eirfiofchrift erfunden. Die rechten Scheiftusnße 
Achen deutſchen Schrift brachte Joh. Meudorfer 1538 zu Nürnberg hervor. 
Hriftgiefer Schwabach erfand die fogen. Schwabacher Schriftm. In ben 
00 Jahren der Buchbrudertunft hatte Leipzig eigne Schriftfchneider und 
be Schriftgießereien nicht; die erfte, wovon man Rachricht bat, befaß der 
uder Hahn 1656 , die er an den Buchdrucker Janſon verkaufte. Aus die: 
and in ienem Jahrh. noch die berühmte Eberharb’fche; allein die Abfchläge 
Schriften ließ ſowol dieſe als die zugleich entflandene Porsdorf’fche Gießerei 
nberg kommen, wo es immer geſchickte Schriftfchneider gab. Der Buch⸗ 
der fich zuerft aufs Stempelfchneiden legte, war Mäller; die bei feinem 
Abdfterben hinterlaffenen Stempel und der Anfang einer Meinen Gießerei 
durch Heirath feiner Witwe 1719 an den Altern (Bernh. Chriftoph) Breit: 
effen Sohn, Joh. Gott. Immanuel, fich durch große Erweiterung und 
erung feiner Schriftgießerei (welche noch jegt eine der vollſtaͤndigſten in Eu: 
), durch Erfindung der muftlalifchen Typen, der Landchartentypen und der 
hen Lettern zur chinefifhen Schrift, hauptſaͤchlich aber als Hiſtoriograph 
unſt große Verdienfte erworben hat. Das größte Verbienft bei der Schrift: 
befteht in der Kunft, Stempel zu fchneiden, und hierin haben ſich in den 
eiten bie Elzevir und Stephanus, fpäter in England Baskerville, unter den 
ben Zink und Schmidt, neuerlich aber die Didot in Paris und Bodoni in 
euhmvoll bervorgetban. Die vorzuͤglichſten Schriftgießereien in Deutſch⸗ 
id, außer der Breitkopf ſchen, die Zauchnin’fche in Reipiig, du Traokr \r 





forifefäffige, beidenen Dies nicht der Fau iſt und die bie! 
barkeit des Amtmanns entziehen. — Auch mit allen hi 
iſt die auf ben Gerichtöftand ſich begiehende Schrift 
Schroͤckh (Johann Matthias), zu Wien d. ! 
von f. lutheriſchen Altern in Froͤmmigkeit erzogen un 
Gymnaſium zu Presburg zu begründen, im 10. J. fe 
Bel, evangel, Prediger bafelbft, Abergeben. Hier bro 
Glaubensgenoſſen und der Anbii ber harten Bebrä« 
der kath. Geiftligjkeit in Ungarn und Oftreich Leiden mı 
des Knaben zu dem Entfchluffe, einft Prediger unter 
gerechte Sache zu verfechten. Sein Vater, ber ihn lieb: 
te, gab diefer Neigung nach und fandte ihn 1750 auf d 
bei Magdeburg, wo Schr. nach 14 3. zur Akademie 
Göttingen. Hier verdankte er feinem Lehrer Mobhein 
ſchichte und biftorifchen Kunſt, f. Lehrer Michaelis bi 
Sprachen und den Trieb zum eignen Forſchen. Zugl 
am akademiſchen Leben, fuͤr welches er ſich ganz entfchl 
malige Prof. Bel zu Leipzig, ihn 1754 nicht nur zum ! 
herausg., Aotis eruditornm” und den „Leipziger geleh 
dern auch fonft reichlich unterftägte, Seit 1756 hielt 
zu Leipzig Vorleſungen über bie Bücher des A. Teſt. 
bungen berühmter Gelehrten und bie „Allgem. Bio 
1767 erſchien. Dieſes Werk begrimbete feinen Ruf 
gefhmadvoller Schriftſteller. Schon 1762 war if 
übertragen worden, und ba ſich zu Leipzig feine pafler 
Beförderung zeigte, nahm er 1767 die Profefiur dı 
Ob wol claffifch gebildet, ſchlen er doch bei den Vorleſu 
berg über hebr. und fat. Dichter hielt, fremden Götter 
waren von geringem poetifchen Gehalt. Eifrig fahr: 
Collegien und Schriften immer mehr bes Gebiets zu b 
außjeichnen follte. Endlich erhielt er 1775 bie Profeffi 


Schröder (Friedrich Ludwig) 871 


6. Geburtstage hafte er das Ungluͤck, das Bein zu brechen, worauf er nad) 
m Leiden 1808 ftarb. Nigfch und Pälig fepten ihm Beine biographiſche 
yale; eine ausführliche Befchreibung feines Lebens und Charakters hat 
ner im 10. Bde. der Schröcdh’fchen „KRirchengefchichte feit ber Reformation” 
yeilt. — Ein großer Fleiß im Sammeln und Forſchen, ein feines Gefühl 
ahren und Guten, eine muflerhafte Treue und Zuverläffigkeit, eine verfläns 
queme Anordnung bliden aus Schr.'s hiftorifchen Werken hervor ; f. Spra⸗ 
ticht erhaben, aber edel; f. Styl einfach, klar, leicht und belebt gemug, um 
iften Lefer aus allen Claffen zu verſchaffen. Daher bie weite Verbreitung 
ltgeſchichte für Kinder”, welche zuerft 1779— 84 (4 Thle. In 6 Bbn., mit 
fin.) erſchien, f. hiftorifchen Compendien, welche ältere und unzweckmaͤßige 
gten und lange in den Schulen regiert haben, und f. in mehren einzelnen 
Iungen vortreffliche ‚ Altgemeine Biographie (1767 — 92, 8 Bbe.). 
at er zur Herausgabe von Guthrie's und Gray’ „Allgem. Weitgefchichte” 
‚ franz., nieberländ. und engl. Geſchichte 1770 — 76 mit einer Einficht 
orgfalt bearbeitet, die diefen Überfehungen den Vorzug vor dem Original 
fe bat. Doch unfterblid warb fein Name durch f. „Kirchengeſchichte“. 
anfangs weber fo groß angelegte, noch für Gelehrte beſtimmte Werk, deſſen 
h erft unter ber Arbeit entwickelte, erfchien u. d. T.: „Chriſtliche Kirchen⸗ 
e'’ (1768—1803, 35 Bde.) , in denen die Erzählung bis zum Zeitpunkte 
ormation fortgeführt iſt; daran ſchließt fich f. „Kirchengeſchichte feit der 
ation” (1804 — 12, 10 Bde.), deren 2 legte von Tzſchirner mit ruͤhm⸗ 
inſicht und Sorgfalt abgefaßt find. Schr. hat in f. „Rirchengefchichte” 
ig das fchönfte Zeugniß feines Fleißes und die reifſte Frucht feine® Lebens 
; fie iſt das vollſtaͤndigſte zufammenhängende Gemaͤlde der Menfchen und 
ıheiten, die feit 18 Jahrhund. in der chriſtlichen Kirche Bedeutung erhiel- 
d haben audy Andre Einzeine® tiefer aufgefaßt, berebter und freimüthiger 
Rt, fo gibt es doch Fein andres Werk, in bem das Ganze umfaffender, lehr⸗ 
md anziehender behandelt wäre als in dem Schroͤckh' ſchen. Auch ſolchen 
agt es zu, die bei andern geiſtvollen Kirchenhiſtorikern die chriftliche Gefin⸗ 
gern vermiffen; denn die aufrichtige Frömmigkeit, mit der Schr. an den 
md Gebraͤuchen feiner Kirche hing und die heil. Schrift als ein über jeden 
erhabenes Wort Gottes achtete, erlaubte ihm nicht, dem fleptifdyen Geiſte 
theologifhen Unterfuhungen Einfluß auf feine Darftelungen je vers 


chroͤder (Friedrich Ludwig), Director des Hamburger Theaters, gleich 
chnet ald Menſch wie als mimiſcher Künftier und Dichter, wurde 1744 zu 
in geb. Seine Mutter war die als Schaufpielerin und Theaterdirectrice 
e nachherige Mad. Adermann, fein Vater einft Organiſt in Berlin. In 
urg, wohin die Witwe Schröder mit Ackermann zu ber Hilferding’fchen Ge⸗ 
t verfchrieben war, betrat der junge Schr. als Zjährige® Kind zum erſten 
Bühne. Seine Mutter, eine geiftreiche Frau, hatte ein allegorifches Vor⸗ 
ichtet, in dieſem ward dem jungen Schr. die Holle der Unfchuld, und er 
ie Paar Worte: „O nein, ich ſprech' dich frei!“ (feine ganze Rolle) fo 
us, daß die Raiferin Elifabeth das Kind in die Loge holen und Mutter und 
eſchenken ließ. In Moskau, wohin fi die Geſellſchaft begab, verheirathete 
r.'s Mutter mit Adermann, und dba das Ehepaar in Rußland viel Geld 

hatte, fo errichteten fie nun felbft wieder eine Geſellſchaft (mie vorher bie 
Schr. ſchon in Hamburg und Kaffel gehabt hatte, und Adermann gleich» 
nd durchzogen Kurland, Danzig und endlich auch Preußen, wo Adermann 
Ioberg die Erlaubnig erhielt, im Junkerhofe ein Theater zu errichten, auf 
ber nach und nach heranwachſende Schr., ſowie früher in Danzig, bald in 





teten, ging e6 nicht beffer. Sein Fleiß zog ihm zwar Lot 
wille aber bie fchärfften Züchtigungen zu, und als bie i 
den Ältern Nichts mehr von ſich hören ließen, ba ward eı 
zeit, aus ber Anſtalt entlaffen und wuͤrde haben umkonm 
armer Schuhflicker, der das leerſtehende Schauſpielhaue 
zu bewachen hatte, fic feiner erbarmt und an Ihm gei 
kannter that. Schr. half jegt feinem Wohlthaͤter Schub: 
gewoͤhnte fich aber leider auch den Branntwein an unb m 
meinheit zulegt untergegangen fein, hätten nicht der zu 
tänzer Stuart und deffen gebildete Gattin ſich feiner aı 
flige Ausbildung Sorge getragen. 1759 ließen ihn endl 
land nachkommen, um ihn als Lehrburfche im der Hanb 
Läbed unterzubringen; ba ber Juͤngling aber weder feſt 
burſchen zu machen, noch der Lübedder Onkel ihm zu erna 
feinen fi) damals in ber Schweiz aufhaltenden Altern 
in Solothurn die Buͤhne wieder betrat, neue Händel n 
fih als Schaufpieler und Zänzer ausbildete, feine er 
mit Überfegung eines franz. Luffpield machte, mit der € 
deutenden Orte der Schweiz und bie Rheingegenden burı 
fehr wüftes Leben führte, bis zulegt ber bramfende Moſſ 
aus dem unbänbigen Wilbfang ein achtungswerther u 
In Hamburg, wohin die Ackermann'ſche Geſellſchaft na 
wieber gekommen tar, zeichnete ſich Schr. anfangs vı 
und im Luftfpiel aus; fpäter ging er in® tragifche Fach d 
ex fich den Ruhm des erſten Kuͤnſtlers f. Zeit erwarb. 

Mutter gemeinſchaftlich bie Direction der Bühne, von 

ſich losſagte, auch trat er jegt als braniatifcher Schriftfi 
„Der Argliftige”, auf, dem bald mehre nad) und nad) 
bekanntgewordene Arbeiten folgten, bie zu jener Zeit x 
zum Theil, bei unferm bermaligen Mangel an guten Luſ 
den, wenn manche unzeitgernäß geroorbene Redewendun 


> 


Schröder (Sophie) 873 


peare’fchen Zrauerfpiele trug er zuerſt mit dazu bei, diefen großen britifchen 
r auch auf den deutfchen Bretern heimifchy zu machen. Der Anfang der achts 
fahre des vergangenen Jahth. war der glängenbfte Zeitpunkt Schr’. 1780 
: er mit f. Gattin eine große Kunſtreiſe durch die Hauptftäbte Deutfchlands, 
e Paris und nahm im folg. J. einen vortbeilhaften Ruf nady Wien zu dem 
a Doftheater an, wo Kaiſer Joſeph ihn ehrenvoll auszeichnete. Bald ſich 
nach dem ihm werth gewordenen Hamburg zurückſehnend, übernahm er von 
die Leitung des dortigen Theater, die er bis 1798 führte, wo er fie aber 
siederlegte und fich, müde der enblofen Pladereien, denen jeber Theatervor⸗ 
außsgefest ift, auf ein erkauftes Landgätchen (Relling bei Hamburg) zuruͤck⸗ 
id hier nur noch theils als dramatifcher Schriftſteller, theils als Vorſteher 
eimaurerloge zu Hamburg, fuͤr deren Arbeiten er ein eignes Syſtem begruͤn⸗ 
ad ſich uͤberhaupt vielfach verdient um den Orden machte, wirkte. Zeitum⸗ 
der Wunſch eines großen Theils des Publicums und die Einſicht, daß das 
flich von ihm begründete Inſtitut unter den Händen von Ungeſchickten dem 
‚ange fihon fehr nahe war, bewogen ihn indeß 1811, die Verwaltung der 
e von neuem zu übernehmen ; leider entleimte ihm aber aus diefem Ent⸗ 
e wenig Segen. Er erntete für al feine Mühen nicht einmal den Dank der 
Inten Dienge, für deren Vergnügen er ſich und fein Vermögen eigentlich aufs 
 Gche. farb 1816 den 3. Sept., beinahe 73 3. alt, bedauert von Allen, 
nft und Wiſſen zu fchägen mußten. Seine Leichenbeftattung wurde von den 
zurern und mehren ber angefehenften Einwohner Hamburgs aufs feierlichfte 
vn. Zu f. beften dramatifchen Dichtungen gehören: „Das Teſtament“, 
Murkopf”, „Der Fähndrich”. Außerdem bat man von ibm noch viele, 
gedruckte, theils im Manuſcript aufgeführte, Schau: und Luftfpiele, mehre 
eitungen fremder Stüde, theatralifche Gelegenheitöfachen u. dgl. Eine aus⸗ 
be Beſchreibung des reichbewegten Lebens von Schr. und feiner vielfachen 
mfte um die Kunſt findet man in dem Werke des Prof. F. L. W. Meyer über 
yamb. 1819), fowie im 9. Hefte der „Zeitgenoffen”, wo Schint, Schr.'s 
d, eine Biographie von ihm einruͤcken ließ, umd in dem Tafchenbuch „Dis 
"für 1818, im welchem Böttiger in Dresden des Werft. Verbienfte würdigt. 
‚ Werth als Schaufpieler f. auch Tieck in f. „Phantafus” (3. Bd., 2. Abth.) 
f. „Dramaturgifchen Blättern‘. 
Schröder (Sophie), eine der erften jest lebenden tragifchen Schaufpies 
a dee Deutfchen, ©. ©. Hofichaufpielerin in Wien, wurde 1781 in Paderborn 
Ihre Mutter, welche ſich nach dem Tode ihres erſten Mannes, des Schau⸗ 
z Bürger, mit dem ruͤhmlich befannten Scyaufpieler Keilholz verheirathete, 
einem Rufe nad) Petersburg. Sie hatte zwar bie damals 12jährige Sophie, 
h diefe ſchon ale Kind in kleinen Rollen Talent bewielen, noch nicht für die 
e beftimmt ; da aber das Perfonale der Tolli'ſchen Schaufpielergefellfchaft 
ersburg fehr befchränft, und zufällig das Fach der jugendlichen Rollen in 
und Schaufpiel unbeſetzt war, fo gab fie den Bitten der bedrängten Di: 
nah, und Sophie begann in der Ditterdborffhen Oper: „Das rothe 
jen“, als Lina ihre theatralifche Laufbahn. In Reval, wohin die Befellfchaft 
veifte, heirathete fie als 14jähr. Mädchen den Schaufpieler Stollmers. Hier 
fie auch Kopebue Eennen, und fie erhielt auf f. Empfehlung eine Anftellung 
n wiener Hoftheater. Sie fpielte damals noch ansſchließend naive Rollen 
fiel ale Margarethe in den „Hageſtolzen“ und Bretchen in den „Verwandt: 
n’' fehr. Mad) einem Jahre ging fie jedoch nady Breslau, mo fie vorzugs⸗ 
für die Oper engagixt wurde und befonders als Hulda im „Donauweibchen“ 
Nüd machte. 1801 unter fehr vortheilhaften Bedingungen nah Hamburg 
Rn, betrat fie Hier die Bahn, auf welcher fie jegt al8 ein Stern erker Exit 





und doch wohlklingendes Organ, ein wirkſames Auge 
Sicherheit entwickeltes Talent. Starkes Betonen und ı 
Bulegt heirathete fie den Schauſpleler Kumft, von dem fü 
Zwei ihrer Toͤchter find Bierden der Opernbühne. 
Schröpfer (Johann Georg), ein Betrüger, de 
Jahrth. großes Auffehenmachte. Nachdem er erſt bei einı 
gedient hatte, ward er in Leipzig Caffeewirth und fpielte 
Freimaurerotden, ben er als ben Weg vorzeichnete, bie mu 
kommnen, wenn man bete, fafte, Buße thue, und fo b 
felbft mitt dem hoͤchſten Wefen in innigere Gemeinſchaft 
fein Benehmen Unruhen. Ex gerieth mit ihrem Vorſt 
quill, das er auf ihn machte, 309 ihm eine Injurienklage, 
« heit öffentliche Beſchimpfung zu, und am Ende mußte 
verlaffen. Defto mehr Auffehen machte er num an verfch 
beſchwoͤrer. Daß kuͤnſtliche Vorkehrungen, ein von du 
durch dad matte Licht hin» und hergetragener Kerzen er 
berauſchende Getränke eralticte Zuftand feiner Jinger I 
ben fo unerſchuͤtterlich ſtark machte, ift wol kein Wunde 
optifche Spiegel uind die Elektricität hier mitwirkten, ur 
Beifall und den Schug, welchen er von einem fehr erlaut 
jeben Angriff gefchligt wurde. Wahrfcheinlich war er d 
die ihn nachher verließ. Unter ihrem Schuge ging er nach 
eine Art von Loge bafelbft für Beifterbefchtoi mo! 
mahl, Faſten ıc. die Hauptceremonien machten, und | 
daß er, wofür er ſich außgab, eigentlich ein Oberfter v. S 
geweſen und Sohn eines feanz. Prinzen fei. Bei alle De 
daß er fahe, wie er nicht mehr ohne Schande herauskon 
1774 ging er mit 4 feiner Freunde unter dem Vorwar 
dentliches zu zeigen, vor Sonnenaufgang in das Rofer 
ſich ſeitwaͤrts und erfhoß ſich. Seine Papiere zeigten, 
Überlegung that; Geldmangel und gaͤnzliches Verzroeifi 


Schröter Schubad 878 


ua einer Eifenflange abgehauenen Stuͤcke, baber auch bie Schrotart: ein 
zeug, Etwas zu ſchroten ober von einander zu hauen, Schrotfäge ıc. 3) Als 
melwort, ohne Mehrzahl, a) Beine Bleikuͤgelchen oder kleine Stuͤckchen ges 
8 Eifen, damit aus Feuergewehren zu [hießen ( Dafenfchrot, Wolfsfchrot) ; 
—— und ungebeuteltes Getreide ıc. zum Viehmaͤſten (Roggenſchrot, 
aſchrot ıc.). 
Schroͤter (Johann Hieronymus), Aſtronom, geb. 1745 zu Erfurt, lebte 
wfligcath und Oberamtmann zu Lilienthal, einem Dorfe im Herzogthum Bre⸗ 
Nachdem er zu Göttingen die Rechte ſtudirt, zugleich aber durch Kaͤſtner's 
richt die Mathematik und befonders die Aftronomie leidenfchaftlich lieb ges 
en hatte, empfing er bie juriftifche Doctorwürde und warb 1778 bei ber hands ' 
ven Regierung angeftellt. Unausgefept mit ſ. Lieblingsſtudium, der Aſtrono⸗ 
xeſchaͤftigt, machte er wichtige Beobachtungen und Entbeddungen in allen Re⸗ 
u des Himmels, hauptfächlich über ten Mond, welcher der Gegenſtand feiner 
tenbften Aufmerkfamteit wurde und von bem er einen fehr genauen Atlas les 
In feinem Lilienthal errichtete er eine herrliche Sternwarte, die er nach und 
nit den beften Inſtrumenten ausflattete. Schon fein 13fuͤßiges Teleſtop ers 
Zalande für das befte unter allen vorhandenen. Später verfertigte er mit un⸗ 
ver Mühe und großem Koſtenaufwande aus eignen Mitteln noch mehre groͤ⸗ 
Inftrumente, umter denen ein Z5füßiges von bewundernswuͤrdiger Wirkung 
ıdem ed 5. B. die ganze Milchſtraße in unzählbar kleine Sterne aufloͤſt. Mit 
Iben ift auch ein großer Theil von Schr.'s Entdeckungen im Monde gemacht 
m. Im Srühlinge 1813 verbrannten bie Franzoſen den größten Theil feiner 
warte. — Die Dauptwerke diefes bid zu f. Tode (29. Aug. 1816) unermuͤ⸗ 
Bimmelsbeobachter6 find die „Selmotopograph. Fragmente ꝛc.“ (Goͤtt. 1793 
02, 2 Bbde., gr. 4., m. Kpf. u. Chart.); „Beite. zu den neueflen aftronom. 
ee.’ (Bört. 1788— 1800, 3 Bde., m. Kpf.); „Apbroditifche Fragm. zur ges 
rr Kenntniß der Venus” (Goͤtt. 1796, gr. 4., m. Kpf.); „Kronographiſche 
mente zur Kenntniß des Saturn“ (Goͤtt. 1808, m. Kpf.); „Hermograph. 
nn. 3. Kenntniß des Merkur” (Goͤtt. 1816, m. Kpf.). — S. das Verz. bei 
Eus im 3., 5. und 6. Bd. 
Schub, Schubwefen, eine in neuerer Zeit eingeführte polizeiliche 
»egel, um fich der fremden Bettler, Landſtreicher u. f. w. zu entlebigen, welche 
befteht, daß man fie aufgreift und unter Aufſicht von Ort zu Drt und Land 
ad bie zu ihrem Geburtsorte zuruͤckſchaffen, gleichſam weiter fchieben laͤßt, 
pach den allgemeinen "Mechtögrundfägen der Geburtsort Desjenigen, der fich 
ſelbſt ernähren kann ober fich nicht auf eine ehrliche Weiſe ernähren will, zus 
: bie Obliegenheit hat, ihn im erflern Falle zu unterflügen, im legtern aber 
Zwang dazu anzuhalten. 
Schubad (Johannes), einft der Etifter und Chef eines der erſten Hand⸗ 
.s und Bankierhäufer in Hamburg, geb. dafelbft 1732, geft. 1817, war gleich 
Ardig als Menſch und als Patriot. Mit hoher Rechtſchaffenheit, mit einem 
ztigen und humanen Charakter, mit gründlichen Kenntniffen und reichen Er⸗ 
ingen in dem Gebiete der Handlungspolitit, der ſtaatswirthſchaftlichen Öko: 
e und ihrer hoͤhern Rechenkunſt, die er mit Worliebe und großer Sicherheit 
en Reſultaten trieb, vereinte ficy in ihm die genaue Kenntniß der Finaniſy⸗ 
ber wichtigften Staaten von Europa, ſodaß, hätten Werhältniffe oder Nei⸗ 
ihn dazu berufen, er das ſtaatswirthſchaftliche Ruder eines monarchiſchen 
8 mit Umficht, Gewandtheit und Gluͤck würde haben führen können. Sein 
ſchnell auffaffender Blick in die höhere Staatsökonomie und in den Gang 
Beithandels, ſowie feine von Vorurtheilen und Bleinlichen Rüdfichten freien 
‚ten, ſowol ber wichtigften Angelegenheiten und Unternehmungen & Sit 





—— — — — 









lend, dort mit ſchneller und kraͤftiger Wirkfamtrit wie 
dem innerlichen Selbſtgefuͤhl feine® geifligen und bürg 
ihn dennoch nie ein gewiſſer kindlich befcheidener Gin 
Mittheitung feiner Rathfchläge, vielmehr trat er willig 
Anfichten Andrer erkannt hatte. Auch das Ausland fi 
Mann ; fo erklärt ſich &cy.’6 Einfluß durch Rath und 
andrer ihn hierzu auffobernder Staaten. Aus der bei 
gung für zwar kraͤftiges, doch flille® und beſcheidenes X 
Widerwilie gegen alle® eitle Hervortreten in öffentlichen 
vermied gern jebe Öffentliche Belobung und lehnte die 
Dienfte ihm angetragenen Titel und Ehrenzeichen beha 
ber Kaufmann fland er in der Mitte des vor. Jahrh. 
häften. Der Schredenstag des Erdbebens am 1.8 
Irömmern eines großen Theils diefer Stadt gegen IC 
welchen Sch. wie durch ein Wunder fein Laben vettete, 
Lebensjahre, für ihn ein Feſttag, den er mit frommen ü 
der Wohithaͤtigkeit an Arme und Leidende bezeichnete 
naͤchſten Verwandten und Freunde heiter befchloß. 
Schubart (Chriftian Friedrich Daniel), geb. 

der ſchwaͤbiſchen Grafſchaft Limburg. Er zeigte anfanı 
plöglicy erwachten feine Geiſteskraͤfte, er übertraf bald « 
wies namentlich ein beroumdernswerthes muſikaliſches 
f. Vater auf das Lyceum zu Nördlingen. Hier las er bi 
ſtudirte auch die Werke deutfcher Dichter, befonders I 
machte außer latein. und deutfchen Ausarbeitungen a 
felbft componirte. 1756 ward er auf die Schule zum 
geſchickt, wo er für feinen Kunftfinn Nahrung fand; 
Ein zuͤgelloſes Leben filırzte ihn in Schulden. Er kam 
nad Haufe. Die Muſik zog ihn bald von ber Theolo 
Zeit Hauslehrer aeweſen, fuchte er in Aalen und bei 


Schubart (Chriftian Friedrich Daniel) 877 


Amts fuͤr verluſtig erklaͤrt und bes Landes vertiefen. Ohne zu willen, wohin, 
efi er, nur mit einem Thaler, Ludwigsburg und fam nad) Heilbronn, wo er fid) 
Muſikunterricht näherte. Der Bedankte an f. unglüdtiche Familie trieb ihn 
Heidelberg, endlich nad Manheim, wo er Gelegenheit fand, fich vor dem 
erften hören zu laffen. Sein Spiel gefiel dem Kurfürften, und ſchon wollte 
e ihn anftellen, als er durch eine unverfichtige Außerung ſich den Unmwillen des 
ben zuzog. Sept nahm ihn der Graf Schmettau bei fih auf. Nachher warb 
it dem bairifchen Gefandten, Baron Leiden, bekannt, der ihm rieth, katholiſch 
erden. Noch ehe er diefen Rath ausführen konnte, mufite ex auch München 
ffen. Nun ging er nad) Augsburg, two er feine bald fehr gelefene „Deutſche 
weit" fchrieb. Er gab Unterricht in der Muſik ımb in den Wiflenfchaften, 
ıb und dichtete unb gab Lefeconcerte, in benen er die neueften Stüde ber deut⸗ 
ı Dichter mit dem größten Beifall declantirte. Altes dies wurde ihm reichlich 
hie, aber durch Unbefonnenheiten und Ausfchweifungen machte er ſich, befons 
unter der Geiſtlichkeit, die er angriff und verfpottete, viel Feinde. Ploͤtzlich 
ber auf Befehl des kathol. Buͤrgermeiſters verhaftet und genöthigt, die Stadt 
niaffen. Ex ging nad) Ulm, feßte dort f. „Chronik” fort, zog ſich aber auch 

wo er fich wieder mit ſ. Familie vereinigt hatte, ebenfo viel Seinde ale Frrum- 
Rn. Als angenehmer Geſellſchafter hatte er fic viel Liebe erworben, aber bald 
rer auf Anftiften des kaiſerl. Miniftere, Gen. Ried, verhaftet werden, weil er 
„Chronik gemeldet hatte, die Kaiferin Maria Thereſia fei vom Schlage ges 
t wordm. Sch. wurde auf eine verrätherifche Weiſe ins MWürtembergifche 
Pe, zu Blaubeuren (den 22. Sam. 1777) auf landesherrlichen Befehl verhaftet 
amf bie Feftung Hohenasperg gebracht. Der Feſtumgscommandant war ein 
remann. Er tröftete den Ungluͤcklichen und theilte Ihm geiftliche Bücher, my: 
m und theofophifchen Inhalte, mit. Der durch Ausſchweifungen entnervte, 
keiden niebergebrücdkte, zur Hypochondrie geneigte und mit einer glühenden 
Safie begabte Sch. ward jegt für das Myſtiſche geftimmt. 1778 ward feine 
a genſchaft etwas erleichtert. Nachdem er LO Fahre, ohne Verhoͤr, im Kerker 
Bar hatte, ward er auf Shrbitte der Karfchin 1787 befreit und zum Director 
Tzogl. würtemb. Hofmufit und bes Theaters zu Stuttgart emannt. eine 
wgenfchaft wurde ihm als eine Discipllnarmaßregel dargeftellt. Noch waͤh⸗ 
Geſangenſchaft hatte er f. „Bedichte” herausgegeben, die von f. zahlreichen 
iDen mit lebhaften Beifall aufgenommen wurden. In Stuttgart fing er am, 
>eutfche Chronik" umter dem neuen Titel: „Vaterlandschronik“, fortzufegen, 
feine mufitalifhen Arbeiten und feine Lebensbefchreibung herauszugeben. 
er ſtarb nod) vor Beendigung ber legten 1791 im 52. 3. feines Alter. — 
war kein claſſiſcher Dichter und Profaift, aber ein genialer, Eräftiger Kopf, 
Mine fonderbaren Schidfale, feine Werirrungen und Thorheiten ebenfo mer; 
g machen als f. Talente. eine „Chronik war ein echte® Volksblatt über 
ik, Literatur, Kunſt und vaterländifcdye Sitten, das durch nie verfiegende Laune, 
Keftändig abwechſelnde Formen, durch Freimuͤthigkeit, Faßlichkeit und Derss 
€ anzog. Sie kam heraus von 1774—78. Seine ſaͤmmtlichen Gedichte, 
Ger vielem Schwuͤlſtigen, Rohen und liberfräftigen auch viel Volkéemaͤßiges, 
zes und Erhabenes enthalten (man erinnere ſich des „Hynmus auf Friedrich 
Sroßen”, der, Fuͤrſtengruft“, des „Ewigen Juden“ und des Eräftigen Vollko⸗ 
= „Auf, auf, ihe Brüder ꝛc.“), wurden zu Frankfurt a. M. 1787 in 2 Bin. 
Bgegeben (eine neue wohlfelle Ausg. ebendaf. 1824, 3 Bbde., 12.) Gem 
ı , ©. preuß. Legationsrath zu Rürcnberg (ft. 1812), gab auch 1806 zu Wien 
Kt. Frieder. Daniel Sc ubart’d Ideen zur Aſthetik der Tonkunſt“ und bie 
maifchten Schriften” f. Waters (Zürich 1812, 2 Thle) heraus, gleichfalls vo 
er Anfichten und Urthelle, wenn auch fragmentarifc. 





— — — 






Vteis WEGEN DET VON DET veri. ataveme DET inench 
über den Anbau ber Futterfräuter erhielt. Diefeb Ber 
‚den Namen eines Edlen v. Kleefeld. (Ex flelite mm el 
wirthſchaft auf, deffen Grundlage war: — 
ber But» und Triftgerechtigkeiten, um dadurch den Fu 
‚gen, ber dann die Mittel A größere Viehſtaͤnde auf 
auf biefem Wege mehr Düng ung zu ——ñ— Hg 
doppelt und ber Anbau andrer nüglichen Gewaͤchſe 

Auch brachte er den Kabadebau, Krappbau und a 
Beifpiel in Aufnahme. Geine wichtigften Werbefferuz 
feinen Okonomiſch· kameraliſtiſchen Sqhriften (Reipy 
Dionomiſchen ‚Briefmechfel” (Ebendaf. 1786, 4 Def 
ahmer, wiewol feine Heftigkeit und Undulbfamteit ihm 
Unter ben Verbeſſerern ber Landwirthſchaft wirb er im 
behaupten. Ex flarb den 24. Aprii 1787; [. Biogeapt 

Schubladenſtück (piece à tiroir), fo nenn 
ſches Stüd, welches aus lauter ſodiſchen Auftritten 
Verbindung haben oder nur vermöge einer unbedeut⸗ 
werben, 3. B. Kotzebue's „Unglädtihen”, die bekann 
zur Kumfl“, „Proberollen ıc.". 

Schubiehen, Schupflehen, Fallleh 
welche bie Inhaber nur auf eine gewifſe Zeit, meiſt au 
der Grundhert fie wieder einziehen kann, wenn er will. 
Worte ſchleben hergeleitet, weil die Exben folche Lehen 
erhalten, fonbern fie von dem Lehnsherrn gleichſam weg 

Schude roff (Ionathan), Dr. der Theologie, 
rath (1824), Superintenhent und Oberpfarrer zu Ri 
zu Altenburg am 24. Oct. 1766. Schon als Prebige 
(feit 1790) trat er nicht nur als philoſophiſch · paͤdagogi 
„Briefen über die moraliſche Erziehung In Hinſicht a 
(1792) und „Etwas zur Beherzigung für Mütter vor 


ml DRAIEMT aeeF_ Enschame salnta manch Calna mantunrta Mia 


Schuh Schulclaſſen 879 


ichen Evangelien bes ganzen Jahres“, ſondern auch mehre muſterhafte Car 
en, welche insgeſammt ihrem Verf. einen ehrenvollen Platz unter Deutſch⸗ 
kanzelrednern ſichern. Auch durch ſ. „Communionbuch für gebildete Chris 
6 allen Ständen” (2. Aufl., 1816) ſuchte ex den Geiſt wahrer chriſtlicher 
fität zu verbreiten. Seit 1802 fing er an das „Journal zur Wereblung 
edigers und Schullehrerſtandes, des öffentlichen Religionscultus und des 
pefens‘' herauszugeben, weiches unter diefem Titel bis 1808 ununterbrochen 
am, feitbem aber als „Neues Journal u. f. w.“ noch jetzt fortgefegt wird, 
lches ebenfalls mehre gediegene Auffäge des Herausgebers enthält, ber aber 
gleich noch andern theologifchen, afcetifchen und Britifchen Zeitfchriften feine 
ihme widmet und mit Roͤhr und Schleiermacher ein „Neues Magazin von 
Belegmbeits » und andern Predigten“ feit 1823 herausgibt. Ohne Zweifel 
inſch, die evangel. Kirchen in einer fledeniofern Beftaltung zu erbliden, ver: 
ihn 1809, „Über Kirchenzucht, mit befonderer Hinficht auf die proteftant. 
Vorſchlaͤge zu thun, welche zum Theil vieleicht aus Mißverſtand feiner 
‚ zum Theil aber aus Gründen, welche bie entgegengeſetzte Anficht darbietet, 
Biderfpruch fanden, der zu Gegenerklaͤrungen Anlaß gab. An diefe Schrift 
n ſich einige andre an, als: „Anfichten und Wünfche, betreffend das prote⸗ 
ye Kicchenwefen und bie proteftantifche Beiftlichkeit‘ (1814), ‚Briefe über 
oteftantifche Kirchenwefen” (1815), „Grundzüge zur evangelifch » hriftt. 
werfaffung und zum evangel. Kirchenrechte“ (1817). Doc) nicht nur über 
befferung des Kirchenmefens, über bie Vereinigung der beiden proteftant. 
ſprach Sch. feine Anfichten in Schriften oder einzelnen Auffägen freimuͤ⸗ 
6, fondern auch in f. „Nebenftunden” (2 Bde., Ronneburg 1823 u. 1825), 
über manche der Beherzigung werthe Gegenſtaͤnde fein von pſychologiſchem 
blick zeugendes Urtheil ab. Selbft „Fuͤr Landesverfchönerung‘‘ ſprach er 
: unter biefem Titel 1825 erfhienenen Schrift und empfahl fie dringend, 
us dem Geſichtopunkte der Pflicht und Religion betrachtet. Einige mit 
eiſte der Freimaurerei ihm nicht vereinbar [cheinente Wahrnehmungen ver: 
n ihn, in einer kleinen Schrift: „Über den dermaligen Zuftand der deut: 
reimauterel” (Monneb. 1824), darauf aufmerkfam zu machen. Er glaubt, 
ee Bumanitätsverein einer neuen Geſtaltung nach beftimmten Zweden bes 

Auch die anonymen Schriften: „Die Märtyrer der Liebe, von 3. S.“, 
lichard und Augufte, ein Roman in Briefen‘‘ (1805), find von ihm verfaßt. 
a feiner Gemeinde und f. Wirkungskreiſe betvogen ihn, mehre ehrenvolle 
e zu andern Ämtern, wie zu der Beneralfuperintendbur im Altenburg, abzus 

11. 


hub, f. Fuß. 

5chulclaffen nennt man bie verichledenen Abtheilungen der Schüler für 
ed des Unterrichts in befondere Zimmer. In manchen Schul gibt es 
in mandyen weniger folcher Claffen ; in manchen Schulen auf dem Lande 
kleinen Städten find fogar bie geſammten Schulkinder verfchiedenen Alters 
in einer Glaffe beifammen. In Bürgerfchulen theilt man gewöhnlich die 
ıte Schuͤlerzahl in 3 oder 4 Claffen, welche bei einer zu großen Schuͤlerzahl 
Ihre Nebenabtheilungen (Colonnen, Chöre oder mit einem andern Namen 
te Abtheilungen) haben. In Gelehrtenfchulen gibt es gemeiniglih 4 — 
en. Auch die Grundfäge und Regeln, nad, weldyen bie Gtaffification, d. i. 
theilung der Geſammtzahl von Schülern einer Schule in einzelnen Haufen 
t, find nicht überall biefelben; baher es auch verfchiebene Schulclaſſifica⸗ 
teme gibt. In manchen Schulen beflimmt dem Schüler die Rüdficht auf 
aͤhigkeiten, Geſammtwiſſen und fittliche® Verhalten, in andern die beſon⸗ 
ickſicht auf deffen Kortfchritte in einzelnen nach dem Zwecke der Schule Für 





bart ein päbagogifches Gutachten über Schulcaffen un! 
ber Idee des Hrn. Regierunger. Graff, befanntgemaı 
weichem auch die Gruͤnde, weiche ſich für und gegen B 
fiems auffinden laffen, erwogen find. 

Schuld heißt nicht nur im juribifchen Sinne D 
rechtlich (5. B. durch Contract) zu leiften verbunden bi 
Ye iteßet ober der Mangel an Sorgfalt, um dei 
Anſpruch genommen werben Bann (oulpa, im Begenfa 
fen Abſicht), ſondern man verfteht auch darunter in mn 
fittlichen Untoerth, welcher durch· die Michtachtung des 
— oder das Boͤſe, was ber Menſch fich als freies 

bat. Zur Schuld, wie zu dem emtgegengefepten Wer 
feeier Urheber feiner Handlung, und die Größe feiner € 
Größe feines unfittlihen Willens. 

Schuldfhein (Schuldverſchreibumg, Obliga— 
eine Schrift, worin ein Schuldner bekennt, daß er dei 
Sache ſchuldig fei. Weil, beſonders bei Darlehnsvertrd 
häufig dem Gläubiger Schulbfcheine ertheilt werden, eh 
das Darlehn wirklich vorgeftredt hat, fo ift die Bemweisi 
befdyränet worden, und es ſoll ein folder Schulbfcheh 
Jahre gegen ben Ausfteller beweiſen, felbft wenn in de 
lich die Auszahlung des Darlehns anerkannt iſt. Vor Al 
Schuldner ſich nicht bloß mit der Einrede des nicht gez 
Tann auch den ausgeſtellten Schein mittelſt einer Klage zı 
geleifteter Zahlung des Darlehns ift es daher für den GL 
außer dem Schuldſchein noch eine befondere Quittung I 
laffen, ober bie Zahlung beffelben in Gegenwart zweier « 
an den Schuldner zu leiften, teil ihm fonfl, wenn de 
den Empfang des Geldes leugneten, bie Beweislaſt ob 
Beweis zu führen, genügt e6 übrigens, wenn ber Glaͤ 
der Schuldner ihm Binfen_ bezahle babe. Auch if m 


Schule Schuͤle 881 


bat, fie zuruͤckzufodern. Öffentliche, d. b. vor Gericht außgeftellte und bes 
? Schuldfcheine und Quittungen bebürfen jebody Eeine® Ablaufs von 2 Jah⸗ 
rw 30 Tagen, um gefeßliche Beweiskraft zu erlangen. 
Echule nennt man in der Reitkunft die künftlichen und regelmaͤßigen Gänge 
ferdes, foroie die Art und Weile, die der Reiter zu beobadıten hat, das 
gehörig zu regieren und es feinem Willen gemäß zu leiten. Das Zureiten 
ferde gefchieht gemeiniglich auf befondern mit Sand und Kies befchütteten 
r, die man Reitbahnen nennt. Ein in der Schule zugerittene® und in der⸗ 
gebrauchtes Dferb heißt Schulpferd, und ſchulgerecht reiten, den Res 
weldye die Reitſchule vorfchreibt, gemäß reiten. In ähnlicher Bedeutung 
man in der Mufit Schule die gehörige Methode im Singen oder Spies 
$n einer andern Bedeutung tedet man von Schulen der Philofophen ımb 
er. (S. Malerſchulen.) Dier bezeichnet man bamit einen Kreis von 
men, welche durch Anfichten oder Methode eines originellen Lehrers cder 
es, welchen fie bei ihren Werken gefolgt find, oder durch Nationalität eis 
zueinfchaftlichen Charakter angenommen haben. Mit der Schule iſt etwas 
»flanztes und ein Feſthalten an einem leitenden Einfluffe Deffen verknuͤpft, 
wir zu einer Schule rechnen. Doch fchließt dies weber Freiheit noch Eigen» 
h keit der Bildung aus. 
5chuͤle (Johann Heinrich, Edler v.), einer ber beruͤhmteſten deutſchen 
zuten, wurde 1720 zu Kuͤnzetlau im Hohenlohiſchen geb., wo fein Vater 
zelfchmied war. Seinen nachmaligen Wohlftand und Ruhm verdantte er 
zen frühen Fleiße, feiner unermübeten Thaͤtigkeit und feinem unabläffigen 
m. 1739 kam er nad) Strasburg in die Lehre und 1745 als Dandlungss 
dach Augsburg, wo er fi) kurz darauf verheirathete und dadurch neben ei- 
waen Daufe eine Ausfchnitthandlung von ungefähr LOOO Bulden erwarb, da 
mes Vermögen nur aus 10 Dukaten beftand. Nun erweiterte er in kurzem 
Dandel, widmete fidh beſonders dem Wertriebe von Cattun und Bembaſin 
muterte die Weber zur Wereblung ihrer Waare auf, wodurch der Umfag in 
Artikel bald ein neues Leben erhielt. Anfangs lieb er feine Waaren in Ham⸗ 
wen, aber 1753 fing er an, fie in Augsburg felbft einmalen zu laffen, und 
Damburger zu viel Lohn verlangten, legte er 1759 eine eigne Zitzmanu⸗ 
A, deren Erzeugniſſe wegen der Zeichnung, Friſchheit der Karben, fau: 
Parbeitung und reinen weißen Bleiche weit mehr gefucht waren als bie 
Then und englifhhen. Ex fegte von 1745—66 bloß durch den Verbrauch 
unen, f. Gewinn ungerechnet, in Augsburg die Summe von 3,750,000 
in Umlauf, während welcher Zeit die augsburgifchen Weber für ihn 
D Stuͤcke gewebt und dafür 1,233,000 Gulden erhalten hatten. Ein Pros 
dem Magiſtrat und der Weberzunft, wegen ber Einfuhr oftinbifcher Cat⸗ 
Deicher erft 1785 geendigt wurde, veranlaßte ihn, 1766 nach Deidenheim 
Etembergifchen zu gehen, von wo er jedody 1768 wieder nach Augsburg zu⸗ 
Te. Er vervolllommnete nun feine Cattundruderei immer mehr durch Er⸗ 
neuer Farben und Mufter und führte das ſchoͤne Gebäude vor dem rothen 
uf. Schon 1772 erwarben ihm feine Werdienfte den Adel, ben Titel eis 
rl. Wirklichen Rathes und ein Privilegtum, daß feine Zeichnungen und 
> von keiner andern Fabrik follten nachgemacht werben dürfen, und daß er 
wein ſolle, feine Zige befonder® zu bezeichnen , fowie auch feine Fabrik unter 
"am Ealferl. Schug fiehen folle. Ungluͤckliches Zufanmentreffen von Un: 
and fein vielleicht zu unbiegſamer Charakter brachten biefe berühmte Fabrik 
wu nach und nach ins Stoden, und er flarb, feinen Ruhm überlebend, 
m jiemlich dürftigen Umfländen. Seine großen Fabritgebäude in Augsburg 
En eine Tabacksfabrik umgewandelt. 
Per. Siebente Aufl. BB. IX, 55 








amd im Augenblide der Not verſtaͤndig eingreifen fü 
Soche ihrer bedarf, fo muß der Zugang zu Kenntı 
Fi dem Niebrigen und Minderbegabten offen flı 
ſrundſatze entfprechen, zeigt uns bie Geſchichte er! 
Welt überließ Erziehung und Unterricht dem hust 
Eterbte und Erworbene forfgepflangt und erhalten. © 
thum oder der Despotiemus der Könige über die Wi 
eiſt Schulen fuͤt die Söhne der Großen und Priefter 
ſterſchuie wurde Mofes, im einer Erziehungsanftale 
bildet ; bie indiſchen Braminen pflanzten ihre Weisl 
Gefegkundigen unter ben Hebrdern In den Propheten 
nagogen und Mabbinenfhulen, wo wibegierige IL 
verfammelten. Die Bildung war gefchlofien und U 
terricht beſchraͤnkte fid auf kehrgeſpraͤche Leſen, %ı 
helliger Buͤcher. — Mehr geſchah unter den Griech 
ten in ihren Staͤdten Knaben und Mädchen leſen, 
kelſchulen, denn die Geſetzgebung überließ die Biidi 
Wilke, umd was Lykurg in Sparta veranftaltete, 
siehung abgefehen. Juͤnglinge, die nad) etwas Hi 
Unterricht der Philoſophen und Sophiſten, deſſen fch 
Gefprädhe find. Das Landvole Slieb in Unmiffenke 
mo mm um 300 v. Chr. Knabenſchulen für bie S 
Gäfar’s, der den Lehrern das Wärgerredht ertheilte, 
Grammatiter hatte. Hier wurde bie latein. amd grie 
Ieent, und von ben Stammatikern gingen fähige Ji 
rem über, bie, wie Quintiflan, fie durch Medeübım 
fentlichen Berebtfamkeit bitdeten. Ein gesrbnetes Sc 
Völker des Alterthums nicht. Die Schul waren 
oder Privatunternehmungen. Kalfer Vefpaftan Fifi 
mifchen Juͤnglinge fie den Staatsdienſt öffentliche Pı 
Rhetorik mit beftimmter Wefoldtmg, und 1501. G 


Schulen 883 


ı bem Unterricht neuen Stoff und Schwung gegeben. Zuerft im Orient von 
Beiftlichen ausgehend, kam er allmälig ganz in ihre Hand und unter Ihre Auf: 

Wo es Chriften gab, errichteten fie Schulen für Katechumenen in Städten 
in kleinern Flecken, und zur Bildung der Geiftlichen in einigen Hauptftäbten 
Katechetenfchulen, von denen im 2. bis zum 4. Jahrh. die zu Alerandria die 
ndfle war. Seit dem 5. Jahrh. fcheinen jedoch diefe höhern Lehranſtalten er: 
n ımd an ihre Stelle die Epiſkopal⸗ oder Kathedralfchulen gekommen zu fein, 
| die für ben geiftlichen Stand beftinimten Sünglinge neben dee Theologie die 

7 freien Künfte lernten, naͤmlich Grammatik, Dialektik, Rhetorik (Tri: 
‚, Arithmetit, Gecmetrie, Aftronomie und Mufit (Quadrivium), wie fie 
rikaner Marcianus Capella 470 zu Rom dürftig genug in feiner „Encyklopaͤ⸗ 
ehandelt hatte, welche bei LOOO J. Lang das herrfchende Schulbuch in Europa 

Die Kaiferfchulen verloren ſich, da in der Zeit der Völkerwanderung die Ve: 
gen außblieben, theils in die Kathedralſchulen, theils in die ftädtifchen Pa- 
Schulen für Knaben und Juͤnglinge aus allen Ständen, worin auf Lefen und - 
iben der nun beliebte encyklopaͤdiſche Curſus des Trivium folgte, daher fie 
in den Namen Trivialſchulen erhielten. — Bedeutender als diefe Anflalten 
ra feit dem 6. Jahrh. die Klofterfchulen, die anfangs bloß Pflanzftätten für 
doͤnchsleben waren, bald aber auch als Bildungsanftalten für die Laien bes 
nurden. Die Benedictinerktöfter In Itland, England, Frankreich und 
Hland glänzten von dem 6. bis in das 11. Jahrh. ala die Dauptfigederneuern 
Kihen Bildung. Die Zucht war hart und moͤnchiſch, der Unterricht aber 
eſſer ats in andern Lehranflalten, theils wegen des öftern Zufammenfluffes 
Licher Köpfe, die ſich dem Moͤnchsleben zumendeten, theils wegen der ber: 
@legenheit, bei dem befländigen Verkehr der Kiöfter unter einander und ber 
gung fchreibfeliger Geiftlichen in ihnen, zum Beſitze anſehnlicher Biblio⸗ 
au gelangen. Einzelne Iehrhafte Priefter und Mönche zogen weit her Schuͤ⸗ 
fich. Bor andern berühmt roaren die Klofterfchulen zu Armag und Gloghar, 
iterbury, VYork und Weftminfter, zu Tours, Rheims, Clermont, Paris, 
zlburg, St.Emmeran in Regensburg, Hersfeld, Korvei, Fulda, wo 
LE Maurus, der größte deutfche Schulmann des 9. Jahrh., lehrte, Dir: 
and St.⸗Blaſien auf dem Schwarzwald ıc., aus denen bie Gelehrten jener 
umderte bervorgingen. Sie gaben der ſcholaſtiſchen Philofophie (Schola- 
hen die Lehrer an den Kiofterfchulen) Geftalt und Namen und wetteiferten 
um biſchoͤfl. Kathebralfchulen, doch immer mehr zum Vortheil bes Priefter: 

als der allgemeinen Nationalbildung. Diefe hatte Karl db. Gr. bei der Vers 
xg im Auge, die er 789 zur Verbefferung des Schulweſens für die Völker 
weiten Reichs ausgehen ließ. Nicht nur jeder Biſchofsſitz und jedes Klo: 
iondern auch jedes Kicchfpiel in Städten und auf dem Lande follte eine eigne 
w haben, jene zur Bildung der Geiſtlichen und Staatsbeamten, dieſe für die 
w Stände. (Vgl. Landfhulen) An feinem Hofe errichtete Karl eine 
Mie ausgezeichneter Gelehrten, von denen er felbft lernte und in der damit 
gdenen Doffchule (Schola Palatii) feinen Prinzen und andern fähigen Kna⸗ 
wligen und unabeligen Standes Unterricht ertheilen ließ. Dieſen beiden mit 

Hoflager berummandernden Schulen feste er feinen gelehrten Sceund Al⸗ 
Xf.d.) als Rector vor. Auch die Damen feines Hofes nahmen an bem Un: 
E: Theil, wie denn mehre Frauenkloͤſter in der Sorge für die Bildung ihre® 
Echts hinter den Moͤnchskloͤſtern nicht zuruͤckblieben, und die Fräulein Latein 
z, wie jegt Franzoͤſiſch. Karl führte felbft die Oberaufficht über die Schu: 
wes Reichs, lieh fich Berichte einfenden, ſtellte Unterſuchungen und Pruͤfun⸗ 
X amd hielt dem Schuͤlern feiner Hoffchule in eigner Perfon Ermahnungste: 
— Da bie Geiftlichkeit an den Kathedral: und Demtichn Keim 2 IR. 

56 





t 





— — 





Eduard der Bekennet fie wiederherzuſtellen ſuchte, allmd 
Inzwiſchen hatten bie Rabbinenſchulen der Juden ir 
felbft in Europa, wo es zu Lunel In Frankreich im 7. 
Spanien im 10. und 11. Jahth. juͤdiſche Akademier 
ſchaftlichen Bildung bes Alterthums fortgepflanzt, umt 
ſchmack feit dem 9. Jahrh. die Schulen der Araber in 
ſchen Khalifat und in den ſpaniſch⸗mauriſchen König: 
Fottſchritte in den mathematifchen und mebicinifhen W 
naͤchſt dem Süden des chriſilichen Europa mit. Im 
den Gothen und Longobarben eingeriffenen Barbarel er| 
wieder Schulen für die größern Städte angelegt hat 
Frankreich, wurde beim Entftehen der Facultaͤtsſchulen 
dung bemerklich. Zu Salerno, Montpellier und Sei 
und die naturhiftorifhen und mathemat. Werke der € 
chriſil. Gelehrten geſucht. Dagegen gab die Ausbildun 
Anlaß zur Gründung befonderer Rechtsſchulen, unter 
den größten Ruf erlangten. Das Privilegium der akı 
ches erftere 1158 vom Kaifer Friedrich I. erhielt, wu 
faffung der Univerfitäten, die im 12. und 13. Jahrf 
auch ſolcher unabhängigen gelehrten Körper, um in jen 
und Üppigkeit der Geiſilichen Stifte = und Kloſterſchul 
neue Lehrer zu bilden und den Geſchmack ber Völker fl 
Altein auch hierbei konnte es nicht an kirchlicher Einf 
Anfange des 13. Jahrh. die Bettelmöndye nicht nur m 
len verbanden und in ben flädtifchen Pfarreien als Kind 
fi) auch als Lehrer in die Univerfitäten einzubrängen wı 
res Ordens und die Macht des Papſtes zu erhöhen. — 
des Schulweſens im Mittelalter keineswegs fo blühen! 
früherer Jahrhunderte und nach Karls d. Gr. Anftalte 
die Stelle de& freien Vortrags kam ſelbſt in hoͤhern 

Dictiren; Gedaͤchtnißkram galt für die Gelchrfamtei 


Schulen 885 


keſen, Schreiben und das Trivium gelehrt wurde. Für biefe, und da bie 
lei und Pfarrer aufgehört hatten, fic mit dem Jugendunterrichte zu befkhäfs 
auch für die Stifts⸗ und Pfarefchulen wurden herumfchweifende Mönche 
tubdenten zu Lehrern angenommen. Hierdurch bildete ſich ein Schuilehrers 
ber zwar dem geiftlichen Stande (welcher damals allein im Beſitze gelehrter 
ig war) angehörte, aber durch feine zunftartigen Abftufungen umd durch bas 
zberbende Wandern von Ort zu Ort einen eignen, handwerkẽmaͤßigen Cha» 
erhielt. Die Schul: und Kindermeifter wurden von den Stabträthen und 
m auf Jahresfriſt ober vierteljährige Auflündigung gebungen, und mußten 
daßgabe der Kinderzahl felbft auf ähnliche Weife Gehuͤlfen annehmen und 
efolbung mit ihnen theilen. Diefe Unterlehrer oder Befellen (Locati, weil 
ungen wurden, Stampuales, weil fie den Elementarunterricht ertheilten) 
auch wo das Patronatrecht den Stadtraͤthen zuftand, nebft ihren Mei⸗ 
m Pfarren ımtergeben, welche fie als Schreiber und Kirchenbiener brauch» 
Bisweilen hießen die Schulmeifter, welche Latein lehrten, Rectoren; die 
hrer, denen der Unterricht im Bingen, Lefen und in der Religion (Aus 
lernen des Glaubens, der 10 Gebote, der Gebete und Pfalmen) anvers 
yar, Santoren. — Aus biefer Abtheilung entftand in Deutfchland ber Uns 
d der Latein. und deutfchen Schulen, welche feit dem 16. Jahrh. entweder 
yon einander getrennt, ober, wie an ben meiften Orten gefchab, durch Ans 
j von Gonrectoren und Subrectoren als Gehülfen des Rectors beim Unters 
den claffifchen Sprachen und durch Einführumg der Anfangsgrände bes Las 
ven in bie untern Glaffen als ein erweiterte Ganze zufammengefchmolzen 
t. Die größern Zöglinge der Oberclaffe wanderten häufig von einer Schule 
bern und trieben als fahrende (reifende) Schüler unter dem Volke allerlei 
Aige Künfte mit Schaggräbereien, Mummereien und Hanswurſtiaden, da⸗ 
bald Histriones (weil fie, wie in Frankreich die Songleurs und Gaillards, 
ten Schaufpielerbanden bildeten), bald Bacchanten (Vacantivi, Muͤßig⸗ 
) genannt wurden. Gewoͤhnlich führten fie jüngere Schüler mit fich, welche 
mit Leib und Leben angehörten, Knechtsdienſte leiften, und wenn es eben 
andern Ermerb gab, durch Betteln und Stehlen (Schießen in der Burſchen⸗ 
, daher diefe kleinern Schüler Schügen hießen, wovon der Spigname 
chuͤten) Unterhalt verfchaffen mußten, ohne davon mehr zu bekommen, al6 
wannen ihnen aus Gnade zumarfen. Im 14. und 15. Jahrh. war das Un: 
ieſer ſcholariſchen Landftreicher und Banden, unter denen es oft 3Ojährige 
mten gab, bie noch keinen latein. Autor erponicen konnten, in Deutſchland 
flen; fie machten, weil ihnen als angehenden Studenten das Degentragen 
: war, die Straßen unfiher und flörten nicht felten die öffentliche Ruhe. 
e etwa Lernens halber in einer Schule verweilten, fanden fie mit ihren 
en Derberge in den Lehrzimmern und auf den Kichhöfen, und lebten von 
oblthaten der Buͤtger. Auch kam ed, wo an einem Orte mehre Schulen 
ven, zwiſchen den beiderfeitigen Schuͤlern bisweilen zu förmlichen Fehden, 
ch Weiſe des Fauſtrechts biutig entfchieden wurden. Noch im Anfange des 
ihrh. beklagt Luther, daß folche verwilderte Menſchen Lehrerftellen erhielten; 
neiſtentheils ließen nur Bacchanten, bie kaum eine Univerfität gefehen hats 
ch als Locaten und Schulmelfter dingen, dagegen edlere gelehrte Juͤnglinge 
eiftlichen Pfruͤnden und akademiſchen Lehrämtern ſtrebten. Einzig in ihrer 
r in der Geſchichte des Schulweſens diefer Zeit die fromme Bruͤderſchaft ber 
'npmianer (f.d.). Sie beftanden aus Klerikern und Laien, melde u: 
t lebten und ſich teils mit Handarbeiten, theils mit bem Unterrichte in den 
!ifter errichteten Schulen für Knaben und Mädchen befchäftigten. Diele 
Lefen, Schreiben und näglihe Handarbeitn; Fr wigtegterige Karten 











erpnawisse vneny sieben WUntuysan 


‚gegen Ende des 15. Jahrh. durch die von Konrad Celtes 
Geſellſchaft für die Wiedererweckung der großen Alten 
geiftiger Lupus der Großen und Gelehrten; body kam 
mann von Bafel, Tübingen, Heidelberg und Witten 
und Melanchthon's Auftritt Deutfchlande Lehrerin m 
und Plan der Reformatoren, melde durch die Schu 
1529 das vorleuchtende Beifpiel einer ernſtlichen Sorg 
ten gaben, gründeten nun die Stadträthe Gymnaſien u 
ten Lehrern. Das eingezogene Kirchengut ward in | 
Schüler verwendet. Schulmänner, wie die Rectorer 
1589), Friedland, genannt Trotzendotf, in Golbbe 
Nümberg (ft. 1568), Neander in Ilefeid (ft. 1595), 
diker um ben Schulunterricht und die Zucht weitwirkeni 
Buchdruckerkunſt vervielfältigten Autoren kamen in d 
‚Herummandern berfelben hörte auf, und jenes wilbe, 
der Profa eines wiſſenſchaftlichen Geiſtes, ber den al 
verdrängte. Nur die Klofter:, Stift: und Trivial 
ben noch in ben bürftigen Schematismus der 7 freien J 
Abenteuerlichkeiten ber ſcholariſchen Lebensweife früher 
nur noch die wegen der Übung im Lateinſprechen nuͤt 
nun errichteten. Singecydre und Currenden, bie feftliche 
Gregoriudumgang, welde Mittel zur Unterftügung d 
ler wurden, und ber dem beutfchen Zunftwefen fo nahe v 
Auch für die Mädchen errichtete man In den Städten b 
in proteftantifchen Rändern auf den Dörfern Schulmei 
muß zu lehren. — Während ſich nun fo im 16. Jal 
ein planmäßig geordnetes Schulwefen bilbete und bie al 
ſelbſt in Meinen Landftäbten befeelten, erhoben ſich g 
dert6 umter den Katholien die Jefuitenfhulen, die bı 
und methodifchen Geift bald das Übergewicht Über bi 
ihrer Kirche erhielten und felbft bie Fiferfucht vroteſtan 


Schulen im 18. Jahrh. 887 


uiten nur folche Knaben aufnahmen, die brauchbare Glieder ihres Ordens 
den verfpradhen, und bald zeigte es ſich, daß fie e6 bamit nicht auf wahre 
benbildung, ſondern auf eine Abrichtung ber Jugend für ihre herrſchſuͤchti⸗ 
see angelegt hatten. Doch erwarben fie ſich das Verbienft bei der ſchnellen 
itung ihres Ordens, das Licht einiger wiffenfchaftlichen Bildung in bie ent: 
en, finfterfien Gegenden zu bringen. In Spanien und Stalien waren ihre 
ern lange die beften, in Ungarn und Polen neben den Kloſterſchulen und ben 
en ber Piariften die einzigen, felbft Amerifa und Ajien nahmen duch) ihre 
nen Theil an den Sortfchritten der neuern europäifhen Bildung. Diefe 
ideß im 17. Jahrh. bei weiten nicht fo ſchnell von ſtatten als im vorher: 
en. Das ſtrenge Halten auf orthobore Kirchlichkeit, das Heftige Streiten, 
fe Dogmatismus felbft in ber Philologie und die kleinliche Spibenftecherei 
fich von den Univerfitäten höhern und niedern Schulen mit. Die Gymnaſien 
ceen erflartten in den Formen der Grammatik, die Zrivialfchulen hielten es 
m größten Ruhm, ihnen darin aͤhnlich zu fein, bie unterften Volksſchulen 
der elmden Kührung verdorbener Studenten und Scholaren oder unwiffen» 
indwerker und Bedienten preisgegeben. Kaum wurde irgendivo eine andre 
zkraft der Kinder geuͤbt als das Gedaͤchtniß, burbarifche Härte der Zucht 
erfegen,, was den Lehrern an Achtung und Liebe der Schüler abging. Über⸗ 
tfprengte der dreißigjährige Krieg manche Schule auf lange Zeit, wilde 
irmerei zerflörte von beiden Selten, was Frömmigkeit und Sachkenntniß in 
a Zeiten gegründet hatten. Dabei war das Beftreben des Schullehrerſtau⸗ 
ih jeber kirchlichen Bevormundung zu entziehen, beſonders unter den Pros 
m fichtbar. Durch Verheirathung waren manche Lehrer ſchon vor der Mes 
ion aus dem geiftlihen Stanbe getreten, und ba bie neuen Schulen meift 
eitlichen Obrigkeiten abhingen, fo vermweltlichte fidy auch der in ihnen herr» 
Geiſt, und ber Grundſatz der alademifhen Ungebundenheit trat an bie 
ber Eiöfterlichen Zucht, die überhaupt nur ba erhalten werden konnte, wo 
hüler in Erziehungehäufern , wie in den Kürften : und Klofterfchulen und bei 
fuiten, zuſammenlebten. Inzwifhen forgten um biefe Zeit einige hervor» 
epaͤdagogiſche Schriftfteller,, wie der engl. Kanzler Baco und ber landfluͤch⸗ 
iſchof der mährifchen Brüder, Amos Gomenius (f.d.), für eine zweck⸗ 
se Einrichtung des Unterrichts. Auch gab es damals einen pädagogifchen 
und Abenteurer, Wolfgang Ratich, der mit neuen Lehrmethoden an den 
berumreifte, das Heil ber Menſchheit vertündigte, wie Baſedow, und enb» 
14 durch fürftl. Freigebigkeit bis zur Errichtung einer Normalſchule zu Kos 
um, die aber bald wieber fpurlos unterging. Die durch folche Rathſchlaͤge 
erſuche empfohlene Bildung des Verſtandes und der Einbildungskraft ging 
weniger in das Leben der Schulen ale in bie Privaterziehung ber höhern 
e ein. 
Kehr Einfluß erhielt gegen das Ende des 17. Jahrh. der durch Kenelon und 
e (vgl. Pietismus und Auietismus) aufgeftelite Grundſatz der Ans 
keit und frommen Befchauung, aufden A. H. Franke(ſ. d.) f. Stiftungen 
te. Schulmaͤnner feines Geiſtes verbreiteten ſich in ber erften Hälfte d. 18. 
von Halle aus über das ganze nördliche Deutſchland; Klofter- Bergen bei 
Iburg warb eine Mufterfchule diefer Art für Studirende, und auch in bie 
I: und Randfchulen Drang neben der Anbächtelei biömeilen etwas von den Frans 
ı Methoden. Doch ftand e8 im Ganzen um das Volksſchulweſen viel ſchlech⸗ 
um die Gelehrtenfchulen, wo, wenn auch oft ohne Geſchmack, Latein und 
ſch tuͤchtig erlernt wurde, denn die humaniftifche Bildung galt in den Augen 
ehrten noch als die einzige. (Vgl. Human.) Die von Baco und Mon» 
imgeregte Idee einer der Natur und allgemeinen menſchlichen Beſtimmung 


888 Schulen im 18. Jahrh. 


angemeffenern Lehr» und Erziehungsweiſe erhieit um diefe Zeit eine v 
Entwidelung durch Locke md Rouffeau (5 d.), und ber Philan 
Baſedow's und feiner Freunde verpflanzte fie in der 2. Hälfte d. 18. 
deutfchen Boden. Hier fand bie praktifche Richtung biefer Erzieher, 
Bildung der Tugend für den verftändigen Genuß und bie Geſchaͤfen 
Lebens beabfichtigten und auf die Brauchbarkeit in der bürgerlichen Beft 
arbeiteten, bei der nicht gelehrten Leſewelt großen Beifall. In die geld 
len, wo bisher neben dem alten Sprachen nur Mathematik geduldet n 
kam nun burdy biefen Einfluß der faft ganz vernachlaͤſſigte Unterricht ü 
kenntniſſen (Realien) ; es entftanden befondere Realfchulen, z. B.! 
zu Berlin, in denen neben den Sprahm auch Geſchichte, Geographie 
gefchichte, Technologie und bürgerliche Rechnungstunft gelehrt wurde, fü 
des höhern Bürgerftandes. Ste wurden auch Mittelfchulen genam 
zwifchen den Volksſchulen und Gpmnafien mitten inne ftehen. Zur 
diefer Lücke des beutfchen Schulmefens dienen auch bie Militairakade 
Mefibensftäbten größerer Staaten, die Handlungsſchulen, die Forſtu 
Bildungsanftalten fire befondere Stände. In ähnlicher Abficht id 
riſche Regierung bei ihrer neuen Schuleinridhtung neben den Stul 
(Gymnaſien) fuͤr fünftige Gelehrte 1307 und 1808 zu Münden, Xı 
Nümberg Realinftitute, wo Knaben und Sünglinge, die Künfl 
ärzte, Apotheker, Kabricanten werden, oder fich dem Bergbau, dem 
widmen mwollen, neben dem zur allgemeinen menſchlichen Bildung ni 
gions⸗ und Sprachenunterricht audy die mathematifchen und Naturn 
tennen lernm. Die Trivialfchulen, die noch in kleinern Städten u 
Gymnaſien auch ingrößern beftanden, verwandelteman feit dem Ente? 
in höhere und niebere Buͤrgerſchulen (f. d.), neben benen für bie fü 
Unterricht aufwachfenden Kinder der Armen in größern Städten befond 
Armenſchulen, zu ihrer Beſchaͤftigung außer den Schuiftunden Aı 
auch Induftries oder Gewerbſchulen genannt, wo die Kinder Spinn 
nuͤtzliche Handarbeiten lernen, für Handwerkslehrlinge und Gefelie 
Leute aus der dienenden Elaffe, die mit allzu geringen Vorkenntniffe 
verlaffen oder Trieb zu weiterer Bildung hatten, Sonntagsfchulen x 
im Lefen, Schreiben und Redynen errichtet wurden. — So erfüllte m 
men Wünfche des Philanthropiften, obwol bei weitem nicht überall, ı 
war. Die kath. Staaten Europas hatten bavon wenig Kemntniß get 
ihre Regierungen fonft ben Jugendunterricht der Geiſtlichkeit allein üb 
befonders dem mwohlthätigen Einfluffe der von den Jeſuiten, Piariſte 
rinnen und andern geiftlichen Orden unterhaltenen Schulen für Knabe 
chen unbedingt vertrauten. Durch die Aufhebung der Jeſuiten 1773 
Lüde, welche die meift bloß auf Trivialſchulen eingerichteten Piariſten 
füllen unfähig waren. Am menigften wurde diefer Mangel jedoch in 
fühlbar. Schon damals hatte Öftreich, durch die Gründung der ver 
ger zuerft in Böhmen eingerichteten Normalſchulen (f.d.) (Sb 
Jugend der niebern Stände , welche ben gefammten Volksſchulen dei 
ale Norm [Mufter) dienen follten) eine beffere Ordnung im Unterricht 
fuch vorbereitet, und die Thätigkeit des Edlen v. Schulenftein, ber bi 
form in Böhmen auch auf die Landfchulen ausdehnte und Induſtrieſche 
ernftlich unterftuͤtzt. Freilich fchien bie hier eingeführte fteife Literaten 
der todte Mechanismus des Unterrichts, den die nach Art des Crercie 
entworfenen Eaiferl. Schulverorbnumgen vorfchrieben, ein Grenzſtein Ein 
befferungen zu werden, es fehlte noch fehr an brauchbaren Lehrern m 
ber Schulauffichht beauftragten SANNERA on Xbeilnahme und padeges 


Schulen Frankreich 889 


leſe ſoll fie jedoch durch die unter dem jegigen Kaiſer errichteten Profeffutren 
dagogik an den Univerfitäten und biſchoͤfl. Seminarien erhalten, um hinter 
etfcheitten, welche im 19. Jahrh. die Stiftung neuer Bürgerfchulen und 
sfien, die Verbeſſerungen der Lehrergehalte und das Inſtitut dee Sonntags 
in diefer Monarchie bezeichnet, nicht zurüchzubleiben. — Die Normalſchu⸗ 
yen in ben meiften kath. Staaten Deutfchlande bald Nachahmung. Mainz, 
re, Zulda, Salzburg und befonders Würzburg und Bamberg nahmen ſich 
‚ des Volksſchulweſens an, das freilich an vielen Orten erſt entſtehen follte. 
ngarn und Galizien blieben nicht ganz zuruͤck, obwol mehr in Anfehung der 
ven Schulen und Gymnaſien, welche die Geiſtlichkeit nicht allein verforgen 

gefchehen ift, ale auf dem Lande, wo noch jest viele Gemeinden ohne 

find. Stalien, Portugal und Spanien fuhren in gewohnter Traͤgheit 
a6 Wohl ber Jugend dem Priefterflande und dem Zufall anheimzuftehen. 
inigen bifchöfl. Seminarien, den Piariftenfchulen und den Klöftern, in bes 
jfame Altern ihre Kinder unterrichten laſſen, gibt es dort keine Anftalten, bie 
ern Schulen verglichen werden Einnten. Was Leopold in Toscana , nach 
ufter Oſtreichs, zur Einrichtung guter Volksſchulen fuͤr beide Geſchlechter 
verfiel zum Theil in der Mevolutionsperiode wieder, und nad) Vertreibung 
nzofen glauben bie ital. Fürften, mie ber König von Spanien, die geiftige 
g ihrer Völker um fo weniger heben zu dürfen, je gefährlicher die franz. Auf: 

ihrer Ruhe gerworden ift. Die wieberermedhten, geiflig fehr unbebeuten; 
ulten werden in biefer Stimmumg nichts verändern und bie alte Unwiſſen⸗ 


‚en. . 
m das Schulmefen Frankreichs zu würdigen, darf man auf die während 
bolution ımb unter Napoleon Über diefen Gegenſtand in Paris befanntges 
mIdeen, Plane und Decrete keine Ruͤckſicht nehmen; fie blieben geiſtreiche 
r oder wohllautende Verfprechungen ohne erhebliche Wirkung. Vor der Mes 
a gab es außer den bifchäfl. Seminarien und Kiofterfchulen flädtifche Lyceen 
Hegien, wo bie fiudirende Jugend unter Flöfterlicher Zucht zur Akademie 
itet wurde. Kür das Volksſchulweſen that der Staat nichts, bier und ba 
von den geifttlichen Orden und einzelnen Wohlthätern, beſonders nach Senes . 
nregung, Flementarfchulen unterhalten; was fonft geſchehen follte, mußs 
Gemeinden felbft unternehmen, denn aus den Fonds der milden Stiftun⸗ 
die Geiſtlichkeit nicht leicht etwas her. Der Unterricht war bürftig, durch 
elek befchränkt und den Fortfchritten der deutfchen Methodik ganz fremd. 
nd der Revolution murben die Schulen für Staatsanftalten erklaͤrt, bie 
‚güter ımd Stiftungen zum Staatseigenthum gezogen und ihren Zwecke ent: 
: amd babucch bie Mittel zur Herftellung eines geordneten Schulweſens ges 
n Denen abgefchnitten, bie fo viel Herrliches über Staatsbildung zu fprechen : 
Da Paris unter dem Nationalbirectorium eine polptechnifche Schule, 
faffung und Abſicht nach ganz den bairifchen Realinftituten ähnlich, erhielt, 
ıpoleon einige Militair⸗ und Gemwerbfchulen gründete, die verfallenen Fraͤu⸗ 
e in Erziehumgshäufer fuͤr Die Kinder der Ehrenlegionnair® verwandelte und 
iſerl. Univerfität als Oberbehörde für das gefammte Unterrichtöwefen des 
einrichtete, konnte nur ſehr Wenigen zu ftatten kommen. Der mit folbatis 
ngherzigkeit entworfene Plan diefer Univerfität gedich im feiner Ausführung 
eiter, als das fchon Vorhandene ſich benusen ließ. Die Akademien (Facul⸗ 
ten) und bie ganz militairifdy geordneten Lyceen traten an bie Stelle der ches 
ı Anftalten gleicher Battung. Die zu errichtenden Secondairſchulen (Bürs 
en) famen an den menigften Drten, die Primairſchulen (Elementars und 
ulm) faſt nirgends zu Stande, meil e8 an Gelb und gutem Willen fehlte. 
ivatanftalten, denen gewiffenhafte Altern ihre Kinder anvertrauten , wer 


ET," eie gu Paris errichteten Armenfdyulen wird bie Anwen 
ar durch inquifitorifche Srömmelei erſchwett. Die Brüb 
vn (Freres ignorantins, weil fie bie Unwiſſenden belehres 
u ſelbſt find), eine nad) Art der geiftlichen Orden verbumt 
reich, die fi), ohne beftändige Gelübde abzulegen, t 
aus den niedern Volksclaſſen wibmet, und während be 
gegangen war, lebten unter Napoleon wieber auf. € 
Gtieder, bie unter ihrem Directionshaufe zu kyon fleh 
Armenſchulen. Sicher waͤchſt noch jegt im biefem ded 
dung ſich ruͤhmenden Reiche ein Deitttheil der Bevoͤlker 
vatunterricht auf. Seit 1816 bemühte man ſich, diefer 
von Elementarfdulen nach Lancaſter's Methode abzuhel 
die Entſtehung, Fortſchritte und den jegigen Zufland bi 
reich" im Morgenblatie“, 1817, Ne. 122 fg. 

Nicht viel beffer ſteht es um die Jugend auf den g 
fen. Man weiß, daß die engl. Regierung durch Aufcecht 
in deren Schoße bie nach altElöfterlicher Art eingerichteten 
leg ien) al6 bewährte Schulen der claſſiſchen Philologl 
die geiftige Wohlfahrt ihrer Völker geforgt zu haben glau 
zum Gelehrtenftande beftimmten Jugend aber dem Zufi 
nügiger Privatgeſellſchaften überläßt. Die Penfionsan| 
Theil der Jugend beiberlei Geſchlechts aus den höhern ı 
‚gen wird, find nicht beaufſichtigt und von fehr ungleichen 
fonds werben in den Kirchſpielen Freiſchuien umterhalt 
nicht angehalten ihre Kinder hineinzuſchicken. Für bie 
man in ben Fabriken braucht, find die Sonntagsfchuk 
des ihnen fonft gänzlid mangelnden Schulunterrichts. 

' nach ben neueften Nachrichten bei 30,000 Kinder ganz ı 
.’ elaͤglich es um die Methoden des Elementarunterrichte flı 
u Beifall, den Bell und Lancaſter mit ihrer aus Sparſar 
1000 Kindern auf einmal berechneten und nur auf m 








Schulen in Deutfchland 81 


ſchon von Wiabimir d. Gr. erzwungenen Erziehungshaͤuſer fir bie Soͤhn⸗ 
Sen gab, mit Schulplanen getragen, die einigen Bildungsanflalten für bie 
Stände in den Mefidenzen da® Dafein gaben. Nach den Schulverordnun⸗ 
Kaiſers Alerander follten Kreißs, Bezirks: und Kirchfpielfchulen im gan⸗ 
He errichtet werden, um der tiefen Unmiffenheit des bisher vernachlaͤſſigten 
buhelfen. Die Kreisſchulen beftehen nun nach Art der deutſchen Gymna⸗ 
ben meiften Gouvernementäftädten, die Bezirksſchulen in einigen Mittel⸗ 
die Kicchfpielfchulen aber noch auf fehr wenigen Dörfern, und das Meifte 
ſte diefer neuen Schöpfung foll erſt werben. Etwas früher gab es ſchon in 
tſchen Provinzen gute Gymnaſien und einige Bürger: und Landfchulen, 
> bie letztern noch in fehr unvolllommenem Zuſtande. Für die Bildung ber 
agend haben bie von der Kaiferin Katharina II. in Weißrußland aufgenom> 
Jeſuiten auf ihre Weife geforgt. — Polen, mo fonft nur der Abel durch 
geiftliche (Lazariften, Piariften, ehedem auch Jeſuiten) erzogen wurde, 
r f. legten Theilung einige gegen Ende d. 18. Jahrh. geftiftete Summafien, 
s und Landſchulen, die es beſonders ber Periode des preuß. Einfluffes ver 
body lange noch Feine vollftändige Schulverfaſſung. Was die Plane des 
er herzogl. warſchauiſchen Regierung niedergefegten Erziehungsrathes für 
mentarunterricht beider Geſchlechter in allen Kirchſpielen beabfichtigten, iſt 
b in f. Entwidelung begriffen. — Daͤnemark, aus dem literarifche Nah⸗ 
die lat. Schulen ber fehr lernbegierigen Islaͤnder kommt, Holland, hinter 
kath. Niederlande in der Sorge für den öffentlichen Unterricht weit zuruͤck⸗ 
und die Schweiz halten mit dem pädagogifchen Streben des proteftant. 
‚ande ziemlich gleichen Schritt. Die legtere koͤnnte nad) Peftalozsi’6 Ans 
für die Volksſchulen noch mehr gethan haben; doch findet man in einigen 
en Seminarien für Schullehrer, bie Dänemark ſchon feit 40 Jahren hat. 
eife Auswahl des Zweckmaͤßigſten aus dem großen Vorrathe neuer päbagogis 
beem iſt bie von der dänifchen Megierung für die deutfchen Provinzen 1814 
e Schulorbnung. — Durch treffliche Anftalten zur philologifhen Bildung 
e fih Holland ſchon lange aus, und bie 178% vereinigte Privatgefell 
kr das Gemeinwohl hat den Volksſchulen eine muſterhafte Einrichtung ges 
die fortwährend befteht. 
)och nirgends wurde mehr über das Schulwefen verhandelt und auch im 
und Kleinen dafür gethan als in Deutfchland. Welche neue Gat⸗ 
von Schulen hier entftanden, haben wir ſchon oben erwähnt, und vers 
in Ruͤckſicht der Bildung des Landvolks auf d. A. Landfhulen. Das 
bei diefen Verbefferungen hatten deutfche Kürften und Obrigkeiten gelegent⸗ 
d nach und nach veranflaltet, eine allgemeine, durchgreifende Einrichtung 
hulweſens als National» und Regierungsangelegenheit aber im 18. Jahrh. 
ht unternommen. — Batern mar der erfte größere Staat, der hierin ein 
en erregendes Beiſpiel gab, da nach ben feit 1806 ins Werk gefegten koͤnigl. 
mungen das Erziehungs⸗ und Unterrichtwefen in biefem Reiche ein wohlges 
tes zuſammenwirkendes Ganzes wurde. Cine befondere Section im Minis 
ı des Innern ift die Oberbehoͤrde des baitifchen Schulweſens, das alle die 
nannten Gattungen von Schulen inſichfaßt, bei den General⸗Kreiscom⸗ 
aten durch die Kreisſchulraͤthe vertreten und, was die niebern Volkeſchulen 
„ durch die Decane und Diftricteinfpectoren beauffichtigt und geleitet wird. 
beffere Bildung und Befoldung der Lehrer ift dabei auf zweckmaͤßige Weile 
‚ und die anfangs nad franz. Muſter verfügte Vereinigung aller den Unis 
en und Schulen gewibmeten Fonds zur oberften Behörde in München als 
Geſchaͤftegang erſchwerender und die Verwaltungskoſten vermehrender 
ff, 1816 durch Zuruͤckgabe der Verwaltung diefer Fonds an die Ortsbehoͤr⸗ 








AAIEM UND WIEN Semmatien ſur TONDQuNEHEEr an 
man dort etwas langfamer vorwärts zu gehen, waß | 
franz. Herrfchaft wol erflärt. — Sach fen hatte bie 
gezeichnete Bahn ſichern Schritts verfolgt, und fand 
beffernd und auf das Vorhandene bauend, bei den neuefl 
der Schulen weniger nachzuholen als feine Nachbarn. 
ſchulen hat ſich behauptet, die Sorge für gute Lehrerſe 
gerſchulen und bie 1805 erlaffene Schulordnung beweif 
Neue verftändig angewendet wir. — Obwol ſchon fei 
von Berlin und Halle aus mandye Schuiverbefferung 
durch das 1787 zu Berlin errichtete Oberſchulcollegiin 
richtung der Belehrtenfchulen befetebigend geforgt morbı 
doch im Ganzen fehr jener Anregung, bie das Wolksfi 
durch den edlen Willen des Könige feit 1808 erhielt. 
Plane reifen der Ausführung immer mehr entgegen, u 

+ Schulangelegenheiten neuerdings auf eine verftändige 
der Provinzialtegierungen aufgenommen worben, an gi 
der Lehrer ein Mangel (eine neue iſt das Schullehrer 
amd auch die Geiſtlichkeit für die Sache ber Schulen in 
‚gen Ift, dürfte e8 wol, wenn die That dem Worte entfpı 
zehenden zu einer wahren beutfchen Nationalbildung b 
richt fommen. — Giuͤcklicherweiſe werben bie Mißgriſ 
tigen Dringens auf Einführung der Realien durch ein 
‚gung der Lehrgegenftände in höhern und niedern Schul 
eitle® Hinauffdrauben einzelner Schulen über ihren 
punkt nicht bloß in den preuß. Bändern begangen umd an 
fo fehr getadelt wurden, jegt von der Mehrzahl der beut 
und immer forgfäftiger vermieden. Man hält es nicht 
auf den Gymnaſien die Hiftorifdyen und philoſophiſch⸗ 
‚ganzen Umfange gelehrt, in ben niedern Bürger» und 
ſchichtigen Stoffe der Naturgefchichte und Technologie 
Panhhaufımbe in hefonbern Pehrfknnten ahachandelt mu: 


Schulen felt 1818 ‚893 


Inigten Staaten von Norbamerita ein einigermaßen georbnete® Schul⸗ 
deſſen Erfolg jedoch für die Gelehrſamkeit bis jest unbebeutenb und meift 
Verbefierung des bürgerlichen Lebens befchränkt geweſen ift. In den auf 

[hen Nieberlaffungen beftehenden Schulen für die Goloniften» und Skla⸗ 
er erkennt man kaum irgendwo mehr als unvolllommene Nahbilbungen 

zulen in ben Mutterländern. &o trägt der Jugendunterricht in Suͤdamerika 

präge der fpanifchen Trägheit, das Schulmelen am Gap und in ben Miſ⸗ 

Bei den Hottentotten Merkmale der holldnd. Sorgfalt und Betriebfamkeit, 
ne Anfang des Negerunterrichts in Weftindien Spuren engl. Sparfamteit 
riz. Oberflaͤchlichkeit. Ganz unabhängig von europälfcher Bildung gibt es 
adien, China, Sapan und den übrigen Reichen bes öftlichen Afiens Schulen 
dener Grabe, worin Despotismus und Prieflergeift die Jugend abrichtet, 
fie braucht; auch Perfin unterhält jegt Schulen, worin die Anaben aller 

lefen und fchreiben lernen; nur die Türkei und das nördliche Afrika bes 
en noch, nach alter Weife, allen Unterricht auf die zu Auslegern des Korans 

Staatsdienern beflimmten Jünglinge. — So bat Europa an feinen Schus 
Anftalten zur Volkobildung eine Bürgfchaft feiner geiftigen lberlegenheit, 
‚noch lange kein andrer Theil ber Erde fireitig machen wird. 

Seit 1818 bat das Schulweſen fehr ungleiche Kortfchritte gemacht. Die 
>», an Gehalt und Reichthum jeder andern überlegene päbagogifche Litera⸗ 
ve mit fleigendem Eifer fort, ihre Rathſchlaͤge weltbürgerlid auszubieten, 
- wurden wenigſtens für die Elementar⸗ oder Volksſchulen um fo brauche 
je fieghafter aus dem Streite über ben Werth alter und neuer, illiberaler 
eraler, mechanifirender und den Geiſt beiebender Schuleinrichtungen und Un» 
Imethoden, die ale Sachkundige und Wohlgeſinnte jest einigende Übers 
u hervorging , daß harmonifche Bildung ber jugendlichen Kräfte zum Ziele 
sh Vernunft und Offenbarung vorgefhriebenen Menfchenbeflimmung ber 
ine Zweck, der über Wahl, Abgrenzung und Behandlung ber Lehrgegen- 
nad) Mafgabe des Alters und künftigen Berufs der Schüler, wie über 
md Verfaſſung ber Schulen entfcheiden müffe, und baf der Staat verpflichs 

jedem in feinem Gebiete aufwachſenden Kinde eine ſolche Schulbildung zu 
fen und zu fihern. Anerkannt ift diefe Theorie jest ziemlich allgemein, am 
ften in den Ländern dbeutfcher Zunge, die auch für ihre Anwendung das 
und Beſte thaten. Preußen fleht in der neueften Zeit durch die Einficht und 
keit feiner wohlorganifirten Schulbehoͤrden und durch bie Größe feiner Opfer 
zbefferung de8 gefammten Schulmefens obenan. Zu den 19 Seminarien, 

818 ſchon hatte, errichtete e8 noch 9 neue, ſodaß es feit 1825 auf 28 Haupt⸗ 
) Heinen Localfeminarien mit einem Aufwanbe von mehr als 100,000 Thlrm. 
taatscaffen, 1500 Seminariſten für die 21,000 Lehrerftellen an den Volks⸗ 
feines Reiche bildet. Auch hat es Schulmänner auf Staatskoſten reifen 
um fich das Gute auswärtiger Schuleinrichtungen anzueignen. Seminarien 
lkeſchullehrer haben jegt alle deutfhe Staaten, nur die Öftreichifchen noch 
sreichend. Die Werbefferung der Lehrerbefolbungen, Schulgebäude und 
tel blieb jedoch überall noch zu fehr dem Vermögen und guten Willen der 
inen und Localbehörben überlaffen, und, was die Geſetzgebung im Zuſtande 
rigſten Volksclaſſe ändern kann, um regelmäßigen Schulbeſuch aller Kinder 
su machen, noch zu unbeadhtet, als daß nicht auch jegt Tauſende von deut⸗ 
orfſchulen gefunden würden, benen es in vieler Hinſicht am Nöthigen fehlt. 
bulorbnungen, bie im 19. Jahrh. faft jedes beutfche Land, die mufterhafs 
ſſau, erhalten hat, verfprechen überall mehr, als wirklich gefchieht und vor: 
iſt. (Vgl. „Wahrheit ohne Schminke ıc.”, Nümb. 1825.) Naͤchſt dem 
er Wärme und Einficht, mit der Kürften, Regierungen und Obrigkeiten fich 











wle lelcht fachunkundige Behörden durch Schauſtücke 1 
eingeuͤbier Leiſtungen zu blenden find. Selbſt bei dem! 
Buͤcgerſchulen iſt daher Scheln und Sein wol zu unterſch 
Verhältniffe wurden die Gelehrtenſchulen Deutfchlande | 
gere Drganifation ber Gymnafien, Lyceen, Studienanfta 
fie in wenigen Jahren mehrmals, zulegt 1825) u. f.iw. ge 
foldung ihrer Lehrer Manches, in Preußen das Genuͤger 
ogiſche Bildung der zu biefen Lehrämtern beſtimmten 
taatöregen fo viel als Nichts. Auch bie von phllolo 
gehenden find bei ihrer Anftellung mit der Unterrichtsku 
Behandlung der ſcholaſtiſchen Dißchplinen meift unbeka 
Talent und Fleiße Überlaffen, ob fie während ihrer Am 
werben eine richtige Frage zu ſtellen, und die unter ih 
werdende Vernachiaͤſſigung theologifher Studien macht 
unterricht zu ertheilen, welcher daher an vielen Gpmmaf 
gen Lehrgegenftände beſtellt ift. Dagegen haben ſich in! 
raſchen und gluͤckllchen Fortſchreitens im Studium der a 
der griechifchen, und des mit jedem Fahre wachfenden ei 
lexikographiſchen, grammatiſchen, metrifchen, Eritifchen u 
mittein, die Gelehrtenſchulen auf einen Standpunkt phil 
porgeſchwungen, bee vor 20 Jahren noch kaum erreichba 
ſten lernen ſich in griech. Auffägen und Verſen nicht m 
ausſprechen als in lateiniſchen, und ein tleferes Einbein 
den Geiſt des Alterthums wuͤrde zu hoffen fein, wenn maı 
Tenntniffe mit gleichem Eifer betriebe. Nur in ben oͤſtreich 
nafien noch auf magere Chreftomathien befchränkt und his 
weit zuruͤck. — Außer Deutſchland blieben bie Gelehrtenſe 
alten Standpunkte, und das Volksſchulweſen weit unter 
Die vielverſprechenden ru ffifhen Schul ⸗ und Wolkser 
theilweife, und felöft da, wo nım Kreis» und Bezirksſch 
fändig zur Ausflprung. Jene ft find jegt großentheils mil 


Schulen feit 1818 898 


ilen verbeffertes, durch Erhöhung der Lehrerbefolbungen wohlthaͤtig gewor⸗ 
nur on Überhäufung mit Realien in den Lectionsplänen leidendes und bie 
yulen zu wenig beachtendes Schulmefen, Bilbungsanftalten für Volksſchul⸗ 
aber gar nicht. In einigen größeren Städten beftehen Teit 1820 Lancaſter⸗ 
für Solbatenkinder und Arme. Die ausgezeichnete Bildung des ſchwedi⸗ 
zauerſtandes, der häufig feine Kinder felbft unterrichtet, und bie vortreffliche 
ye Sittenzucht, gleicht die Mängel der ſchwediſchen Wolkefchulen einigerma: 
8. Daͤnemark hofft jegt das Heil der feinigen, nicht ohne Verkennung 
ıten, was fie zum Theil ſchon bißher leifteten, von der Einführung bes wech» 
en Unterrichts nach Zancafter, die 1819 von bem Abjutanten Abrahamfon 
n Soldatenfchulen verſucht, durch Werbefferung biefer Methode 1822 vers 
unb barauf vom Könige für alle Volköfchulen, deren 2000 fie bis jegt ans 
2, empfohlen worden if. Vom englifchen Schulweſen ift nichts Neues 
hren; es fleht immer noch, befonders in Dinficht bes Elementarımterrichte, 
nter dem ſchottiſchen zurkd. Das an ſich lobenswerthe Schulweſen ber 
srlande gewann noch beffere Ordnung, da feit Suni 1825 ein Geſetz be- 
‚a6 die Errichtung von Schulen und Privatanftalten von der Staatsregie⸗ 
bhängig macht. In Frankreich arbeitet die mächtige, vom Minifterium 
nern wnterftügte, ariſtokratiſch ultramontane Partei darauf hin, den Schus 
Einfeitigkeit und Geiſtesbeſchraͤnkung wieder einzuimpfen, in der fie ber Ein- 
8 Path. Klerus vor der Revolution erhielt. Sie hat die von ber conftitu: 
len Partei mit Erfolg begonnene Ausbreitung der Lancafterfchuien zu hem⸗ 
wußt und beguͤnſtigt die Brüder der chriftlichen Lehre und die Sefuiten, bes 
Negien nicht nur felbft Erziehungshäufer wurden, fondern auch auf andre 
z gewinnen. Aber auch abgefehen von biefem Beginnen geben die franz. 
m, mit Ausnahme dee Mathematik und der Naturmiffenfchaften, wenig 
ſche Bildung; geſchickte Lehrer findet man nur in den großen Stäbten, bie 
Baben meift elende Trivialſchulen, umd das Landvolk waͤchſt noch großen» 
ohne Schulunterricht auf. Das Lateiniernen in ben Colleges des ganzen 
wird mit 15 Fr. für den Kopf verfteuert, welche nebft andern hohen Abgas 
sch von ben Lehrern ſelbſt, der Univerfität zu Paris, d. i. dem Generalſtabe 
n3. Unterrichtöwefene, zufließen. Hierdurch erklaͤrt fich die andermwärte, wo 
chulweſen nur Koften verurfacht, unerhoͤrte Thatfache, daß nach dem Budget 
26 die Schulen und Akademien Frankreichs 2,526,911 Fr. 63 Centimes 
hten, 2,213,200 Fr. koſteten, folglich 313,710 $r. reinen Gewinn gaben. 
r Tardinifhen Staaten, wo das ohnehin fchlechtbeftellte Unterrichts: 
ben Jeſuiten wieder anvertraut wurde, ift Leſen⸗ und Schreibeniiernen De: 
enicht über 16500 Lr. Capital, und das Studium der Wiffenfchaften Denen, 
ye über 1500 Lr. Renten haben, durch ein koͤnigl. Edict verboten. Das 
Iserifche proteftantifche Schulweſen ift im Fortſchreiten zum Beſſern; 
holiſche durch die Freiburger Sefuiten und ultramontanifche Umtriebe ges 
Das italienifche Schulweſen flagnirt ımter ähnlichen Einflüffen. 
Hat noch nicht dazu kommen können, ihm eine befondere Aufmerkſamkeit 
wen; im Kirchenſtaate, Modena und Lucca beherrfchen es die Jeſuiten; 
enmifchen, wo zu Florenz 1821 Lancafterfchulen durch einen ‘Privatverein 
t würden, fleht e8 auf ziemlich gleichem Fuße mit bem Unterrichtöwelen im 
Italien, das wenigſtens regelmaͤßig georbnet und gegen jeſuitiſche Ein» 
J gefichert, wenn auch nicht weiter im Fortfchreiten ift als das ungarifche. 
ten fleht auch in biefer Hinficht unter allen europ. Staaten am tiefften. 
haͤtigkeit der Univerfitäten nnd vieler Schulen wurbe durch die Mevolution 
ch mehr durch die Meftauration feit 1823 unterbrochen. Wo noch unterrich⸗ 
, geichieht e@ nach den Grundſatzen des Klerus in alter ſcholaſtiſcher Weite: 





wir folgende: Matthias Johann, Graf von be 
fehligte als Generallieutenant in ſaͤchſ. Dienften ein ſaͤch 
gen Karl XU. Er wurde von diefem am 12. Oct. 171 
hielt zwar den Angriff aus, machte aber noch in der Nach 
Umftänden, faft ganz ohne Meiterei und Immer gegen 
Zeind kaͤmpfend, einen nicht unberühmten Rückzug nad ( 
Generalfeldmarſchall der Republik Wenedig und erwart 
gung der (1715) von dem Kürten belagerten Feſtung Kı 
deren Andenken die Republik feine Bildfäule auf den 51 
ſetzen ließ. Et flach zu Verona 1747. (S. Varnhag 
deffelben.) — Achaz v. d. Sch., k. preuß. Generallieı 
1669 zu Apenburg in der Altmark, flubirte zu Frankfur 
Regierung des Kurfuͤrſten Friedrich IH. in preuß. Kriege 
nete er fich in dem ſpan. Erbfolgekriege aus, wo er beid 
Malplaquet (1709) und Mont rühmlic) gefodhten. Ex f 
bienft hat er ſich um bie Schulen für Solbatenkinden 
Sriedrid, Graf v. d. Sch., E. preuß. Generallieut 
ſchwarzen Ablerordens, geb. zu Wolfenbuͤttel 1688, ſtu 
mie zu Luͤneburg, dann zu Utrecht. Von 1705—13 befa 
Dienſten und focht in den Schlachten von Oudenarde un! 
Bon hier trat er in preuß. Dienfte, wo er unter Friedrich ' 
ſchen Feldzuge und dem am Rhein 1734 beimohnte. 1 
bei Molwig (1741). Obgleich verwundet, verließ ex 
zweite Wunde gab ihm den Tod. — Levin Rubo 
Generallieut. und wirkt. Staats und Kriegeminifter, ge 
rend des ſiebenjaͤhr. Krieges immer in dem Gefolge Friel 
— Der Graf v. d. Schulenburg-Wolfsbui 
giſcher Staatsminiſter, der nad) dem Tode des Herzog 
Pringen:Regenten von England an bie Spige der Land 
ihum Braunſchweig geftelt worden war, hatte ſich frühe 
dann an der Spige der Stände, ſowol im Königreiche Wi 


Schulinſpection Schullehrerſeminarien 897 


macht werden. In andern Gchulanflalten aber gibt es befondere Schuls 
welche entweder auf einem Bogen in dee Schulftube aufgehängt find, ober 
ſſen Zeiten vorgelefen werben. Sie beziehen fi) auf Schulbeſuch, Reinlich⸗ 
rhalten in der Schule, beim Beben in die und aus der Schule ıc. 11. 

’hulinfpection iſt der Name ber geiftlichen oder weltlichen, ober aus 
Ständen gemifchten Behörden, melden die Aufficht über eine ober mehre 
a übertragen iſt. Gegen bie bisher noch in mehren Ländern den Geiſtlichen 
ene Schulaufficht haben ſich verſchiedene Stimmen erhoben, als früher ſchon 
19, Reſewltz, Gedike, Schutze, Stephani und Geidenftäder (‚Über Schul: 
ten”, 1797); umb vor einiger Zeit J. H. Voß („Freimuͤthige und wahre 
ungen über den Schulftand”), J. Geo. Kelber (‚Die deutfchen Wolkö- 
) und ein Ungen. D. J. H. B. („Der Prediger: und Schullehrerſtand 
Uch ihrer Verhaͤltniſſe zu einander ꝛc.“). Die gegen die geiſtliche Schul⸗ 
on vorgebrachten Gruͤnde laſſen ſich auf folgende zuruͤckfuͤhren: Die Ehre 
mie erfodere Selbſtaͤndigkeit; die Schule gehöre zum Gebiete des Staats, 
re Kirche; fie wurde vormals von der Kirche zu ſehr vernachlaͤſſigt; ber 
:and von ihr geringgefchägt, gemißhanbelt umb gedrückt; er würde daher 
nabhängigkeit von der Kirche ein froheres, Iebendigere® und Eräftigeres Wir: 
altem. Eine widerlegende Prüfung der gegen die geiftliche Schulinfpection 
rd von Stephani) vorgebrachten Gründe hat Dachröden, eine Pruͤfung 
e von Voß, Kelber u. A. aufgeſtellten Säge hat der Diftrictöfchulinfgector 
arrer zu Gruͤndlach, J. M. Solger, verfucht („Über ben Vorſchlag, bie 
hulen und ihre Lehrer von dem geiftlichen Stande unabhängig und felbftän- 
nahen”, Nuͤrnb. 1820). Er ſucht die Beibehaltung der geiſtlichen Schul 
om mit Gründen zu unterflügen, welche er in dem Urfprunge und kirchlichen 
der Schule (nach ſ. Meinung hat die Schule für die Kirche mehr zu leiften 
den Staat), in der Befaͤhlgung des geiftlichen Standes zur Schulaufficht 
bem der Schule zu ftatten kommenden geiftlihen Anfehen findet. Schneibler 
amd Dir. des Gymm. zu Worms) rt fi) in „Volksbildung, im Geiſte 
ch den Bedürfniffen umferer Zeit” (Mainz 1821) nur gegen die ausſchlle⸗ 
(bhängigkeit der Volksſchulen vom Klerus, wiewol er befien Theilnahme an 
m erfprießlich findet. D. Krummacher dagegen in f. Schrift: „Die chriſtl. 
hule im Bunde mit der Kirche” (Efien 1823), Hält diefe Abhängigkeit von 
he für etwas Wefentliches. — Auf den Stand, aus welchen die Schul⸗ 
on genommen iſt, fcheint weniger als auf bie Ein = und Umficht und über 
uf die Geſchicklichkeit und Weisheit anzukommen, mit welcher die Schul⸗ 
om ihr Amt verwaltet, und den Zweck deffelben,, die Wervollommmung ber 
. durch Sorge für geſchickte Lehrer und fuͤr deren Unterhalt zu beffidern 


Shullehrerfeminarien find Anflalten des Staats zur Bildung 
re Lehrer, befonder® für Landſchulen. Sie find ein Erzeugniß der neuern 
welchem theilß die von einzelnen Prebigern gemachten Verſuche, einem ober 
Zanbfchullehrern etliche Wochen oder Monate lang über das Unterrichten 
weifung zu geben, theils die durch Baſedow eingeleitete Schulreform bie 
fung gaben. Dan hat ſolcher Anftalten jegt faft in allen deutfchen Staa: 
Ste find als ein wefentlicher Beftandtheil der Organifation des Schulweſens 
des anzufehen und dürfen in Ruͤckſicht des Umfangs der zu lehrenden Ge: 
be nicht zu hoch und nicht zu niebrig geftellt werden; ber Unterricht darf 
oß theoretifch, fondern muß mit eier Schulanftalt, in welcher die Semina- 
derſuche in der Anwendung des Erlernten machen koͤmen, verbunden fein. 
e fittliche Bildung dee Seminariften darf nicht unberuͤckſichtigt bleiben. Die 
age zu dem Seminar in Hanover war daB Wermächtniß eines dortigen 
„er. Giebente Aufl. Bd. IX. H1 





emgeſuhti. So nennt man DIE monatuchen Over Diet 
längern Beittaume ftattfindenden Zufammentünfte de 
oder Infpection oder eines Schulſprengels an einem 

Schul⸗, Pfares oder Superintendentenwohnung), u 
angelegenheiten zu unterhandein. lber bie zmedmäßi, 
rengen hat u. A. Dinter in einer Heinen Schrift unter o 
„Btiefwechfel einiger Schullehrer und Schulfreunde · 
gefagt. — Einen ähnlichen Zwed beabſichtigen die S 

* ten ober Schuliehrervereine. Mehre in ber Näte bei 
lehrer fliften nämlich unter ſich eine Verbindung für de 
Vervoilkommnung. Gewöhnlich fteht ein Lefeciekel umt 
damit in Verbindung. In Natorp’s „Briefinechfel zc 
Sefege ſolcher Vereine; auch in Kruͤger's und Harn 
Vereine ober Verbruͤderungen, die al6 Fortbildungsan 
fiehenden Schultehrern viel Gutes wirken Finnen, wen 
lid) ein Geiſtlicher — feinen Poften mit Würde und € 
haben Stephani und Dinter, jener durch f. „Schulfe 
erwähnten „Schulconferenzen zu Ulmenhain” ins Leber 
ein von 170 Schullehrern in und um Nürnberg und ! 
fondere Zeitfehrift: „Der Volksfcpultehrerverein" (N 
gemeinnügig gemacht. 

Shulordnung, die, in einem Lande, enthaͤ 
weſens getroffenen Verfügungen in Abfiht auf den 3 
gegenftände, Lehrmittel, auf die Zeit des Schulbefuche, 
prüfungen, ſowie allgemeiner Beftimmungen tiber bie 
manchen Ländern gelten noch Schulordnungen aus früf 
in neuern Zeiten neue zweckmaͤßigere an bie Stelle der äl 
Baben, Naffau, Preußen u. A. Zu Heinliche Beſtimmi 
Kehrform und Anordnung zwedloſer Schreibereien vı 
darf eine zwetmäßige Schulorbnumg,, weiche überhaupt 
fortſchreitend, öfterer Verbefferungen bedarf, nicht ent 


GAhulnbarte 7 Shelkaufkuten 


Schultens Schulweſ⸗ en. 899 


Organiſation öffentlicher Schulen und Erziehungsanſtalten““. Dann find 
iften eigentliche Schul⸗, d. i. Lehrblicher, die ſowol für bie befonbern Gegen: 
3 Schulunterrichts Überhaupt als auch fuͤr das eigenthuͤmliche Beduͤrfniß 
tehranftalten beſonders eingerichtet fein koͤnnen. Letztere machen, wenn 
was ratbfamer ift, von dem Schüler ſelbſt angefchafft werben und beffen 
m bleiben, einen Theil des fogen. Schulapparatsaus, wohin insbes 
le für ganze Glaffen eingerichtete gemeinfchaftliche Lehrmittel, als Wand» 
'ehrtafeln und Tabellen, Inſtrumente, Sammlungen, fowie Schultabels 
elche die Namen der fehlenden Schüler eingetragen werben, eine Abfchrift 
gefege, wo ſolche vorhanden find, Genfurliften und dergl. gehören. Es 
icht der Ort, die wichtigften Schuls und Lehrbücher einzeln zu nennen. 
rken nur, daß umter den gemeinfchaftlichen Bilbungsmitteln bie Schulge⸗ 
Schullieder die größte Beachtung verdienen, und bag in beider Hinficht 
eratur einige ausgezeichnete Mufterfchriften beſizt. Gute Gebetsformu⸗ 
jedoch nach ber eigenthuͤmlichen Befchaffenheit jeder Lehranſtalt leicht ab⸗ 
verden können, haben Plato, Dinter, Schlachter, Mai u. A. verfaßt. 
ngbüdher haben Salzmann, Niemeyer, Plato und Dolz, Zerrenner u. A. 
. Im weitern Sinne kann man auch diejenigen Volkslieder, welche fich 
nge für Schulen und die Jugend überhaupt eignen, Schullieder nennen, 
er's „Muſikaliſchem Jugendfreunde“ find ſolche Gefänge gefammelt. 
oerweiſen wir auf die, Schulzeitung“, welche Dilthey (Conſiſtorialrath in 
t) und Dr. Zimmermann (Hofprediger in Darmſtadt) 1824 herauszu⸗ 
vefangen haben. 20. 
dultens (Albrecht), einer der berühmteften Orientallſten, war 168 
ıgen geb. , ſtudirte dort, zu Leyden und Utrecht, außer ber Theologie, bes 
e arabifche Sprache, ward 1711 Prediger zu Waflenaer bei Leyden, 1713 
orientalifchen Sprachen, und 1717 Univerfitätsprediger zu Franeker. 
mutzung bes orientalifchen Sprachſchatzes brach er eine beflere Bahn, indem 
; der hebräifchen verwandten morgenlänbifchen Sprachen, vorzüglich die 
kritiſcher benutzte, und eine neue, das Studium diefer Sprache fehr er» 
' Methode erfand. Sehr bald wirkte er durch biefelbe auf feine Lands⸗ 
kter aber folgenreicher auf die Deutfchen. Vorzuͤglich geſchah dies durch 
fines hebraeae sive hebraeae linguae antiquissima natura et indo 
(Franeker 1724; 2. Thl., Leyden 1733), noch mehr aber durch die 
ones ad fundamenta linguae hebr.“ (ebend. 1737, 4.), von denen man 
And. und lat. Auszug hat. — Ruͤhmlich trat in feine Fußtapfen fein 
'ohbann Jakob, geb. zu Franeker 1716, flubirte zu Leyden, wurde 
Herborn Prof. der orientalifchen Sprachen und der Gottesgelahrtheit und 
1778. Man hat von ihm mehre gelehrte Differtationen und Abhand⸗ 
- Sein Sohn, Heinrich Albrecht, zuerſt von feinem Vater gebils 
te nachher zu Oxford, und warb nach feiner Ruͤckkehr Prof. ber orienta⸗ 
prachen und ber Alterthämer am Athendum zu Amflerdam. Als fein 
eb, erhielt ex deffen Stelle in Leyden und farb 1793. Er hinterließ mehre 
Berke, beſonders eine arabifche Anthologie. &. auch „DH. A. Schultens, 
je von Hr. Th. Rink“ (Riga 1794). 
Julmwefen, das, ein Hauptgegenftand der fogen. Erziehungspolizel, iſt 
zeiff aller derjenigen Anftalten und Leiftungen, durch welche Staat und 
ve gemeinfchaftliche Beſtimmung, den Denfchen als ein finnliches Ver: 
m naturgemäß auszubilden, zu erreichen fich beftreben. Wie dies gefcher 
jeigt bie Pädagogik; tie dies gefchehen Bann, zeigt die Politil. Beide 
ı füch in der allgemeinen Vorfchrift, dag in der Schule Wiffen und Glau⸗ 
bie intellectuelle und die fittlich s religioͤſe Bildung ſich gegen[elta hie 
' 51 





ruige juhit. Su mes ums VIE MORWUNgJeR porr vie 
längern Zeitraume flattfindenden Zuſammenkuͤnfte dı 
ober Infpection ober eines Schulfprengels an einem 

Schul⸗, Pfares oder Superintendentenwohnung), u 
angelegenheiten zu umterhanbeln. Über die zmedimägi 
tenzen hat u. X. Dinter in einer Heinen Schrift unter ı 
Beiefwwechfel einiger Schullehrer und Schulfteunde 
gefagt. — Einen ähnlichen Zweck beabſichtigen bie S 

* ten ober Schullehrervereine. Mehre in der Näte be 
lehret fliften naͤmlich unter ſich eine Verbindung für d 
Vervolltommnung. Gewoͤhnilch ſteht ein Lefecirkel um 
damit in Verbindung. In Natorp's „Briefioechfel 2 
Geſetze folder Vereine ; auch in Kruͤger's und Harr 
Vereine oder Brrbrüderungen, die als Fortbildungsa: 
ſtehenden Schullehrern viel Gutes wirken koͤnnen, wer 
lich ein Beiftlicher — feinen Poften mit Würde und : 
haben Stephani und Dinter, jener durch f. „Schuifi 
erwähnten „Schulconferenzen zu Ulmenhain” ins Lebe 
ein von 170 Schullehrern in und um Nürnberg und 
fondere Zeitſchrift: „Der Volksſchullehrerverein (9 
gemeinnägig gemacht. 

Schulordnung, bie, in einem Lande, enth! 
weſens getroffenen Verfügungen in Abfiht auf den £ 
gegenftände, Lehrmittel, auf die Zeit des Schulbeſuchs 
prüfungen, ſowie allgemeiner Beftimmungen Über die 
manchen Ländern gelten noch Schulorbnungen aus frü 
in neuern Zeiten neue zweckmaͤßigere an die Stelle der & 
Baden, Raffau, Preugen u. A. Zu kleinliche Beftimm 
Lehrform und Anorbnung zweckloſer Schreibereien v 
darf eine zwecmaͤßige Schulordnung, weiche überhaup 
fortfchreitend, oͤfterer Verbefferungen bedarf, nicht en 

Shulnfarte.! Ehrfionfhuten 


Schultens Schulweſen 899 


die Organiſation oͤffentlicher Schulen und Erziehungsanſtalten““. Dann find 
ſchriften eigentliche Schulz, d.1. Lehrbücher, die ſowol fr bie befondern Gegen: 
des Schulunterrichts Überhaupt als auch für das eigenthuͤmliche Beduͤrfniß 
er Lehranftalten befonders eingerichtet fein können. Letztere machen, wenn 
ht, was rathfamer ift, von dem Schüler felbft angefchafft werden und beffen 
thum bleiben, einen Theil des fogen. Schulapparats aus, wohin insbes 
'e alle für ganze Glaffen eingerichtete gemeinfchaftliche Lehrmittel, ale Wand: 
n, Lehrtafeln und Tabellen, Inftrumente, Sammlungen, fowie Schultabel⸗ 
n welche bie Namen ber fehlenden Schüler eingetragen werden, eine Abfchrift 
hulgefege, wo ſolche vorhanden find, Genfurliften und dergl. genören. Es 
e nicht der Drt, bie wichtigften Schul» und Lehrbücher einzeln zu nennen. 
emerken nur, daß unter ben gemeinfchaftlichen Bildungsmitteln bie Schulge- 
nd Schullieder die größte Beachtung verdienen, umd daß in beiber Hinficht 
Literatur einige ausgezeichnete Muſterſchriften befigt._ Gute Gebetsformus 
vie jeboch nach der eigenthuͤmlichen Befchaffenheit jeber Lehranftalt leicht ab⸗ 
et werben können, haben Plato, Dinter, Schlachter, Mai u. X. verfaßt. 
jefangbücher Haben Salzmann, Niemeyer, Plato und Dolz, Zerrenner u. X. 
welt. Im weitern Sinne kann man auch diejenigen Volkslieder, welche fich 
efange für Schulen und die Jugend überhaupt eignen, Schullieder nennen. 
udner’d „Mufitalifchem Jugendfreunde“ find ſolche Befänge geſammelt. 
86 verweifen wir auf die „Schulzeitung“, weldye Dilthey (Conſiſtorialrath in 
Eabt) und Dr. Zimmermann (Dofprediger in Darmftabt) 1824 herauszu: 
amgefangen haben. 20. 
Schultens (Albrecht), einer der berühmteften Orientaliften, war 1686 
mingen geb. , ſtudirte dort, zu Leyden und Utrecht, außer der Theologie, bes 
> Wie arabifche Sprache, warb 1711 Prediger zu Waffenaer bei Leyden, 1713 
Bier orientalifchen Sprachen, und 1717 Univerfitätsprebiger zu Franeker. 
Bemutzung des orientalifchen Sprachſchatzes brach er eine beffere Bahn, indem 
mit der hebräifchen verwandten morgenländifchen Sprachen, vorzüglich die 
De, kritiſcher bemuste, und eine neue, das Studium diefer Sprache fehr ers 
be Methode erfand. Schr bald wirkte er durch biefelbe auf feine Lande: 
Maͤter aber folgenreicher auf die Deutfchen. Vorzuͤglich geſchah dies durch 
nes hebraeae sive hebraeae linguae antiquissima natura et indo 
9 (Braneler 1724; 2. Thl., Leyden 1733), noch mehr aber durch die 
wutiones ad fundamenta linguae hebr.” (ebend. 1737, 4.), von benen man 
llaͤnd. und lat. Auszug hat. — Ruͤhmlich trat in feine Sußtapfen fein 
Johann Jakob, geb. zu Franeker 1716, ftubirte zu Lenden, wurde 
us Herborn Prof. der orientalifchen Sprachen und der Gotteßgelahrtheit und 
wet 1778. Man hat von ihm mehre gelehrte Differtationen und Abhand⸗ 
— Gen Sohn, Heinrih Albrecht, zuerft von feinem Vater gebil: 
Bdtete nachher zu Oxford, und ward nach feiner Ruͤckkehr Prof. der ortenta- 
Sprachen und der Alterthümer am Athendum zu Amfterdam. Als fein 
Tarb, erhielt er deſſen Stelle in Leyden und flarb 1793. Er hinterließ mehre 
Werke, befonders eine arabifche Anthologie. &. auch „DH. X. Schultens, 
Bisze von Fr. Th. Rink“ (Riga 1794). 
Sculwefen, das, ein Hauptgegenftand der fogen. Erziehungepolizei, iſt 
Wegriff aller derjenigen Anftalten und Reiftungen, durch weldye Staat und 
Mibre gemeinfchaftliche Beſtimmung, den Menſchen als ein finnliche® Ver: 
elem naturgemäß auszubilden, zu erreichen ſich beſtreben. Wie dies gefche: 
E, zeigt die Pädagogik; wie dies gefchehen kann, zeigt bie Politit. Beide 
ven ſich in der allgemeinen Vorfchrift, dag in der Schule Wiffen und Glau⸗ 
Dar die intellectuelle und bie fittlich = religiäfe Bildung ſich gegenteiig bin 
51 





herjigung für Lehrer, Altern und Erzieher“ (Leipg. 1 
die beutfchen Volksſchulen enthalten bie von Dr. &chı 
und Dr. Schellenberg herausgeg. „Jahrb. ber allgı 
(Helbeib., 6i6 1827 7 Bbe.); Dr. Schuberoff’s „. 
Gen: und Schulweſen (Neuftadt, 26. Jahrg. 1827) 
preuß. Voltsfhultvefens" (Berlin, 7. Wh. 1827). 
Schulz Friedrich), zulegt Hofrath und Prof 
Symnafium zu Mietau, ward 1762 zu Magdeburg g 
viſche Erziehung feines Waters eine Art von Schucht 
Jahren ganz abzulegen im Stande war.. Nachdem ı 
jahre befonders auf die franz. Sprache gelegt hatte, w 
Halte zu beziehen. Seine Kenntniß der franz. Sprache | 
und Überfegungsarbeit. Übrigens erwarben ihm fein 9 
allen Freunden und Landsleuten Unterflägung umd gal 
gerieth er bann und wann in Noth und ging daher 1’ 
Schauſpieler zu werden. Als ihm biefes mißlang, 
Schriftftelerei. In diefer Zeit erſchien fein „Rat Tre 
fenfeld“, ferner „Berdinand von Löwenhain", „Fritz 
leteiften” und andre Schriften. Anfangs war feine | 
ger als glänzend; fie verbefferte ſich aber, nachdem eı 
ter geworden waren. Dann lebte er bis 1791, ohne A 
iin, theils auf Reifen, am längften zu Weimar, wo 
Im diefer Zeit bearbeitete er einige franz. ſchoͤnwiſſer 
beſonders feine beiden Kinderromane : „Morig" umb ,, 
nen Beifall erhielten. 1789 und 1790 brachte er in 
Aufenthalts war ſ. „Geſchichte der großen Revolution 
für das wahrhaftigſte und unpartelifchfte Gemälde aut 
fein Wert über „Paris und bie Parifer” das Icbenbigft 
jener Heinen Welt darſtellt. Bon Paris kehrte er 179 
einen Ruf als Prof. ber Geſchichte am akadem. Gyn 
&he ex dahin abging,, ertheilte ihm noch der Herzog t 


Schulz (Friedrich Auguft) Schulze (Erf) 901 


Hier nahm aber bald feine bisherige Kränklichkeit fo zu, daß er kurz 
im Det. 1797, ftard. — Die Werke, welche Sch. in der Gattung des 
& geliefert hat, zeichnen ſich durch einen leichten fließenden Styl, durch leb⸗ 
hendes Golorit, durch guten Ton und durch zarte Behandlung der aus dem 
ſchen Leben rein aufgefaßten Charaktere aus. 

chulz (Friedrich Auguft). Diefer unter bem Namen Sriebr. Laun be: 
Romanfchriftfteller und fruchtbare Erzähler, geb. 1770 zu Dresben, fah 
fhon von Kindheit an für die MWiffenfchaften erzogen, doch durch wibrige 
iſche Verhaͤltniſſe genöthigt, feine atadem. Ausbildung, als fie eben begin: 
be, auf eine günftigere Zeit zu verfchieben und ſich inzwifchen zur Annahme 
telle bei der Kanzlei des geh. Finanzcollegiums zu entfchließen. Unter 
sten Studien gelang es ihm, 1797 jene Stelle aufgeben und auf der Uni- 
keipzig feinen Zweck weiter verfolgen zu koͤmen. 1800 kehrte er nach Dres: 
2E. In demf. Jahre erſchien von ihm die Erzählung: „Dir Mann auf 
Büßen’, und mehre andre Erzählungen , die wegen ihrer gefälligen und nai⸗ 
ptigkeit viele Lefer fanden. Die Battung bes Muntern und Naiven iſt fei- 
dent Überhaupt am angemefienften, das von Manier nicht ganz frei iſt. 
ganz zufällige Wahl bes Namens Laım, und daß er bamit keineswegs ein 
des Hindeuten auf den Inhalt beabficytigte, hat ex fich in feinem fpätern 
e: „Das Schloß Riefenftein” (1. Thl.), erklaͤrt. Außer vielen, theil in 
ften und Taſchenbuͤchern, theils beſonders abgedruckten Erzählımgen und 
en , deren Titelverzeichniß ſchon einige Seiten füllen wärbe, hat er auch mit 
das „Sefpenfter: und Wunderbuch herausgegeben, und 1828 eine Samm⸗ 
ner Gedichte. Seit 1807 iſt er als erpedirender Secretair bei der Com⸗ 
tation in Dresden angeftellt und hat 1820 ben Titel eines Commiſſions⸗ 


halten. 
zchulze (Johann Abraham Peter), einer der ſcharfſimigſten muſikaliſchen 
Her und cin claſſiſcher Componiſt für den Volksgeſang, ber Sohn eines 
, wurde zu Lüneburg 1747 geb., bildete ſich unter Kirnberger in Berlin, 
tm Dienfte einer polnifchen Fuͤrſtin (1770) Frankreich und Italien, wurde 
Bapellmeifter bes Prinzen Heinrich zu Rheinsberg, ging 1787 nach Kopen⸗ 
wo er gleichfalls als Capellmeiſter angeftelit wurde, privatifirte wegen 
heit feit 1795 zu Schwedt, umb ftarb daſelbſt 1800. Mit dem allgemein- 
Hall wurden feine „Geſaͤnge am Clavier“ (1779), feine ‚Lieder im Volke: 
3 Thle., 1782— 90), „Uz's lyriſche Gedichte religtöfen Inhalts” (1784), 
keligioſe Dden und Lieder‘ (1786) aufgenommen. Viele feiner einfachen 
m find in das Volk übergegangen. Aber audy feine Dratorien, Chöre und 
e aus Racine’s „Athalla‘‘ (1785), „DMinona” (1786), die Oper Aline“ 
gehören zu dem Vollendetiten, was die Kumft in diefem Sache aufzumeifen 
Br erfand eine Methode, Partituren großer Muſikwerke in dem Bleinften 
yemat auf wenige Bogen mittelft Chiffern abzubruden. Sein Oratorium: 
mes und Marie‘, ift auf diefe Art 1791 zu Kopenhagen gedrudt. Zu Sul⸗ 
Theorie der ſchoͤnen Künfte” lieferte er viele muſikal. Artikel. Reichardt hat 
3. Sahrg. (1800) der „Leipz. muſikaliſchen Zeitung” vorteefflich gefchildert. 
Schulze (Ernſt). Diefer durch einen frühen Tod in der Blüthe feines Le: 
26 entriffene talentvolle Dichter war 1789 zu Zelle geb. Als ein lebhafter 
zeigte er mehr Anlagen als Fleiß. Sein Dichtertalent, durch Ritterbücher 
nmärchen geweckt und genaͤhrt, entwidelte fid) früh. Dagegen gewann er 
reten Studien nur allmaͤlig lieb. 1806 ging er nach Goͤttingen, um Theo: 
ſtudiren, die er aber bald mit der Philologie vertaufchte, da er ben Vorſa 
ch zum Lehrer ber alten Sprachen und ber ſchoͤnen Literatur zu bilben. 
te mar ihm bamals Wieland Mufter, und Bouterwet, Vera we \i 





tere acuie ſato ais ZUPTET einer ITANTHEN, DIE TAJE ein 
nagt hatte. Während dieſer Zeit erreichte Sch.s Enthı 
‚Höhe , und fobald fein Schmerz ruhiger geworden, fa 
ein Gedicht zu verberrlichen, auf das er feine ganze 
So entſtand bie „Caͤcilie, ein romant. Gedicht in 20 
‚ Stanym, das er in 3 Jahren vollendete. Wir fehen 
vollen Hintergrunde diefer Dichtung, deren Stoff mı 
Begebenheit zufammenhängt und eigentlich reine Ex| 
Milde und Edle im ftärkften Gegenfage mit dem Zur 
hervortreten. Die Rofe, bie ihm ein Sinnbild des 
worden war, finben wir fehon hier gefeiert; fpäter ge 
Gedichte. Nebenher entfloß eine Menge Heiner Gedi 
äitern gab ber Verf. 1813 in einer Sammlung heran 
1814 durch den Krieg gegen Frankreich unterbrochen 
williger in dem Grubenhagen ſchen Jaͤgerbataillon Th 
Beſchwerden und Entbehrungen wirkten guͤnſtig auf 
und feine durch Bruſtſchmerjen bedrohte Geſundheit 
theile waren nicht dauernd. Mac) dem bald erfolgte 
tingen zurück, theils um feine „Cäcitie” zu vollenden, 
Studien fortzufegen. Sein Truͤbſinn kehrte zuräd 
f&hloffener, fein Gefimdpeitözuftand warb aufs nem 
guͤnſtigen Gegenwart, deren nachtheiligen Einfluß er 
er eine Reife nad) Italien. Im Sommer 1816 befa 
gen auf die Reife; im Herbſte unternahm er eine Zu 
und Maingegenden, auf der feine Geſundheit It. N 
feine Beuftfchmerzen zu, feine Kräfte ab. Cchon | 
liebliche Gedicht: „Die bezauberte Roſe“, weiches d 
ten Preis gewann und durch feinen zarten finnigen ‘ 
Verſe fortdauernd gefallen wird. Inzwiſchen hatte 
immer mehr verfhlimmert. Dennoch reiſte er im Fi 
nen nahen Tod nicht ahnend , ‚ Melde am 26, Juni 


FA ML nn at. —— 


Schulzucht 908 


Hende Maßregeln und Maßnehmungen begreift man unter obigem Namen. 
Benennungen: flrenge und gelinde Disciplin, find relative Begriffe. Die befte 
ıfäreitig diejenige, welche den Zweck erreicht, ohne oft zu Schulftafen ober zu 
Ipraͤmien ihre Zuflucht zu nehmen. Gtrenge Aufmerkfamkeit des Lehrers, 
Pinderfreundliche® Herz, verbunden mit Würde und Emft (ohne erfünftelte 
&rät und Pedanterie), und fein Vorgang mit gutem Beifpiele im Fleiße, in der 
zung umd in der Sittlichkeit und äußern Sittſamkeit wird in gut organificten 
Len firengere disciplinarifche Maßregeln nur felten und nur bei ganz rohen und 
eibenen Semüthern nöthig machen. Der Geiſt der Schulbisciplin ſteht fehr 
Dem Einfluffe des Charakters der Zeit überhaupt und der Geſellſchaft insbe⸗ 
ee, welcher die Schule anvertraut iſt. Anders leiten die Schulzucht Mönche 
Befuiten, anders durch Anlage, Charakter und Bildung zu Schulmännern bes 
e Samilienväter, die zugleich dem Staate und der Kirche angehören. Am au: 
Migſten zeigt fich jener Grift der Dieciplin in den Schulſtrafen, diefem bisher 
Ar unentbehrlich gehaltenen Zweige der Schulzucht. Die den Schülern wegen 
Wverletzung von den Lehrern zuerfannten Strafen, um fie dadurch zur Beffes 
Zu bewegen, beftehen gemöhnlich in Entziehung der Freiheit, der Speife, eis 
Bergnügens , in Beſchaͤmung durch Verweis unter vier Augen , vor der ganzen 
» ‚durch Stehen oder Abfondern von der Glaffe für eine Zeitlang , durch Sigen 
Ener fogen. Strafbant, Herabfegung auf einen untern Plag oder in eine nies 
Slaſſe, feltener in Erlegung einer kleinen Geldfumme, Streafarbeiten (Abfchrei: 
Auswenbiglernen u. f. w.) und hier und da noch in Eörperlicher Züchtigung ! 
eläuterte Pädagogik hat fchon laͤngſt über diejenigen Strafen, durch welche 
Befundheit und dem Ehrgefühle zu nahe getreten werben kann (harte Börperliche 
Bigung, Knien, das Tragen eines Eſelsbildes u. a.), den Stab gebrochen. 
Belten ſcheinen, Gottlob! vorüber, wo ſich in dem Lebenslaufe eines Schulleh⸗ 
Jolche Nachrichten finden, mie die „Paͤdagog. Unterhaltungen”, herausg. von 
deffauifchen Erziehungsinftitute, unter ber Auffchrift: „Haͤuberle und Neu: 
er’, liefern. Johann Jakob Häuberle, collega jubilaeus einer Beinen ſchwaͤbi⸗ 
Stabt, hatte während feiner HLjährigen und 7monatlichen Amtsführung nad 
mäßigen Berechnung an bie ihm amvertraute Schuljugend ausgetheilt : 
317 Stodfdyläge, 24,010 Ruthenhiebe, 20,989 Pfoͤtchen und Klapfe mit 
Eineale, 136,715 Handfchmiffe, 10,235 Maulfhellen, 7905 Ohrfeigen, 
8,800 Kopfnüffe und 12,763 Notabenes mit Bibel, Katechismus, Geſang⸗ 
und Grammatik. 777 Mat hatte er Anaben auf Exbfen knien laffen, 613 auf 
weiediges Stüd Holz, 5001 Schüler mußten den Efel tragen und 1707 die 
be hochhalten, ber fogleic, aus dem Stegreif verfügten Strafen nicht zu geden- 
Unter den Stodfchlägen waren 800,000 für nicht erlernte lat. Vocabeln, und 
e den Ruthenhieben 76,000 für nicht erlernte Bibelfprüche und Liederverfe. 
z feinen 3000 Schimpfwörtern war ein Drittel eigne Erfindung. Alle 2 Fahr 
te er eine Bibel, bie er ſtets zur fchnellen Handhabung der Disciplin in ben 
Ben terug. Während f. Amtsführung hatte er 12 Grammatiken, 7 Katechis⸗ 
„6 Geſangbuͤcher in der Schule und 3 in der Kirche verbraucht. — Nidyt mins 
Überlegung erfodert die Beftimmung von Schulprämien, oder Geſchenken, 
" fleißige und gefittete Schüler und Schllerinnen als Aufmunterung erhalten. 
hierin haben ſich Auffeher und Lehrer oft fehr ftark vergriffen. (Man lefe 3.8. 
Reinhold’6 Leben”, Jena 1825, die Art und Weife, wie die Jefuiten den jus 
ichen Fleiß in ihren Schulen zu belohnen mußten.) So geben felbft jetzt noch 
Ye Erzieher ihren Zöglingen für eine mit Fleiß gefertigte Arbeit einen Ehren» 
ig, d.h. ein Stud Geld, welches die Altern mwiedeserftatten. Leicht können 
end ähnliche Prämien ober Äußere Ehrenzeichen ſchon frühzeitig eine niedere 
und Ehrſucht in ber Kindeöfeele erregen. Und wolırven alle Kinver doxc dh 








man biefe nach sichtiger Abwaͤgung vertheilt, fo find fie 
ulch, Indem fie manchen edlen Keim buch Die Prrabe befi 
Germäth von neuem zum Fleiße ermuntern. Überhaupt i 
Element bes reinern Lebens, ein nicht genug zu beher 
zucht. Zur Erwedhung einer fittlichen Freude tragen insb⸗ 
licleiten, welche, einfad und würdig veranflaltet, bat 
alltäglichen Leben durch bedeutungsvolle Handlungen « 
und einen geiftigen Auffchwung verlrihen können. Solch 
anzuorbnende Feierlichkeiten follten flattfinden bei ber 

gange eines Lehrers bei ber Aufnahme ober dem Abganı 
desfällen und bei aubern das jugendliche Herz beruͤhrend 
gehören biecher die Schutfefte, dia entweber im ber € 
von ber Jugend — am wirkſamſten durch eigne Theilna 
anftaltung unb Ausführung — gefeiert werden. Algen 
der Scyaljugend aller Duta eines Landes begangen werbi 
welche nur von ber Schuljugend eines Orts oder von ein 
feiert werben. (in ehedem fehr beliebtes, allgemeines € 
riusfeſt (ſ d.), weiches aber ber Zeitgeift nicht ohne | 
von weldem ſich nur noch auf einigen Dörfern Spuren 
fingen finden. In Hamburg wurde auf gleiche Art ba 
Kuaben erwählten aus ihrer Mitte einen Abt, ber den! 
rum erhielt, und bex in einen befondern Kleidung an 

Pomp von ihuen in bie Kirche geführt wurbe. Des d 
wit einem Freudenmahle. Im 14. und 15. Jahrh. fuͤh 
deſttagen aud Schaufpiele, meiften® biblifdye Gefchich! 
dem Meifterfänger Hans Sachs. Im 47. Jahrh. verk 
nach und nach aus ben proteflantifdyen Gymmafien; in 
meiftens im den Colleglis der Jefuiten haben fie ſich bi 
zu Bogota, ber Hauptſtadt Colombias, wurden in dem 
noch 1823 von den Schuͤlern Schauſpiele aufgefühst. 
Atıae bauern noch jest an vielen Orten fort, ba fie — Iel 


Schuß, Schußweite 905 


chulfeſte fpricht bie Natur des menfchlichen unb insbeſondere bes Einblichen 
8. Aber die Anordnung ſolcher Feſte ift bis jest eine noch nicht befriedigend 
Aufgabe der Pädagogik. Schon die Wahl der zu Schulfeften zu nehmenden 
laffungen ift ſchwierig; ebenfo, Im Fall fie im Freien gefeiert werben follen, 
uffinden eines ſchicklichen Plates und die Auswahl zweckmaͤßiger Unterhals 
1. Vogelſchießen und Tanz dürften ſich wenigſtens zu einem Schulfeſte 
ganz eignen. über Aufzüge wie beim ſonſtigen Gregoriusumgang hat bie 
ne Pädagogik ſchon längft den Stab gebrochen. Wo es eine von Rüdkfichten 
Infeitigen ober engherzigen Beforgniffen nicht befangene Volkserziehung gibt, 
tes auch, wie in der Schweiz, allgemeine religiöfe und volksthuͤmliche, an 
biftorifche Erinnerungen gefnüpfte Nationalfefte, mit welchen zugleich, unter 
wäßigen Abänderungen, auch Schulfefte veranftaltet werden koͤnnen, wie bie® 
bei Gelegenheit der Meformationsjubelfeier in mehren proteftantifchen Laͤn⸗ 
iefchehen ift. Denn durch gemeinfame Freude wird, nach. Seneca's Bemer⸗ 
auch das gemeinfame Streben für alles Gute, Schöne und Große erwedt. 
Ar G. Zerrenner's „Grundſaͤtze ber Schuldisciplin“ (Magdeburg 1826). 
oſenfeſt.) 
Schuß, Schußweite (portee). Der Schuß ober die Entladung und 
ung einer Schießwaffe ift entweder blind, d. h. wo bie Ladung nicht zum Tref⸗ 
ngerichtet war, ober ſcharf, wo fie einen Pfeil, Bolzen, Kugel oder einen ans 
Körper gegen ein Biel treibt. Der Schuß wird insbefondere Wurf genannt 
Balliſt ith, wenn der fortgetriebene Körper, wie aus Haubigen und Dörfern, 
nem Fluge eine parabolifche Bahn befchreibt. Man unterfcheibet 1) den Kerns 
$, wo man in horizontaler Richtung nach feinem Ziele ſchießt, er iſt gewoͤhn⸗ 
we wirkſamſte und raſirt, wenn er uͤber eine Fläche ſtreicht; 2) der erhöhete 
Iete) Schuß, wo man die Schießwaffe über die horizontale Linie gegen das Ziel 
#, ber abgefchoffene Körper aber dieſes in bogenfürmiger Bahn erreichen ſoll; 
sgefentte (plongirte) Schuß, wo die Waffe unter die Horizontallinie gefenkt 
‚ ua einbohrende Wirkung zu erhalten. ine Art Bogen » oder Rollſchuͤſſe 
Ne Ricochetſchüſſe, wo man mit ſchwacher Ladung und Elevation des 
Meobrs die Kugel auf harten, glatten Boden mehre Male auffchlagen ober 
E kuͤrzere und niedrigere Bogenfprünge (Ricochets) machen läßt. Auch nannte 
Drecollſchuß den, wo bie Schußwaffe nicht gerade auf ihr Ziel, fondern 
einen nebenfichenden Gegenſtand gerichtet, jene® durch das Abpralien der Ku⸗ 
Ser einem gewiffen Winkel treffen follte. — Die Entfernung, in welcher ein 
5 f. Gegenſtand gehörig treffen kann, nennt man die Schu ßweite im el 
Ben Sinne; denn die Entfernung, in welche ein Körper überhaupt getrieben 
x kann, iſt zu relativ und zu fehr zufaͤllig. Die Schußweite hängt theils vom 
amd von der Einrichtung der Waffe, theils von der Büte und Beſchaffenheit 
dadung, theil won der Richtung und Handhabung des Gefchoffes ab; oft 
en noch andre, wicht genau zu erörternde Umflänbe in Betracht. Man kann 
anen, daß je vollkommener und länger (dieſes jedoch bis auf eine gemiffe 
ve) des Impuls der treibenden Kraft auf den zu treibenden Körper in ber Waffe 
Ht, deſto weiter trägt fie. Daher Büchfen und gesogene Gewehre, überhaupt 
'e Schießroͤhre und foldye, in welchen die Kugel Beinen oder nur fehr geringen 
warn hat, weiter reichen, unb eine Ranonenkugel weiter als Kartätfchen, eine 
Akugel weiter ald Schrot. Ferner macht die Stärke der Ladung nicht den weis 
Schuß, fonderm die Güte und hauptfäclich das richtige Verhaͤltniß derſelben 
zum Bau des Geſchofſes als zu dem zu treibenden Körper. Endlich fliegt ein 
offener Köcper aus erhöhter Richtung viel weiter; doch wird mit jedem Grade 
whöhung das Treffen immer ungeroiffer. So ließ fich 3. B. mit einer halben 
Base unb.45. Grad Elsvation eine Kugel auf 6000, und Lägt Th undı wir du 





Verſuchen und Probefhäffen, ſowie jeder einzelne Schüg 
Sen pflegt, um nad) und nad) und für alle Umftänbe miı 
deffelben vertraut zus werben. 

Schuſt er (Jofeph), ein ehemals fehr belichter Con 
den 1748 geb. Schon frühzeitig für Muſik beftimmt, tr 
berähmten Naumann 1765 eine Reife nad) Stalien en, ſtu 
den Contrapunkt und erwarb ſich ſchon damals, unterſtuͤtz 
weifungen, mit verſchiedenen Opern Beifall auf den ital 
Staliener behaupteten, ex ſei im Kicchenftple trefflicher. N 
er (1772) Eurfürftt. Kicchen» und Rammercompoflteur. © 
Italien erntete er anfehnliche Belohnungen und den groͤß 
endlich 1787 zum twickt. kurfͤrſti. fächf. Capelmeifter erna 
und muntern Operncompofitionen und durch f. „Lob ber S 
der Mufit fattfam bekannt, hat er den Ruf eines ber belüi 
erlangt. Er ſtarb 1812. 

Schütter-Quäker oder Shakers heißen di 
Secte, bie mit den Quaͤkern in Rüdficht der Werwerfung | 
teitlichen Standes, der Kriegsdienſte, des Eidſchwurs, ber 
des Lurus und des äußern Gebraucht der Sarramente, ſor 
der heit. Geift Allen ohme Unterſchied f. Offenbarungen m 
fonft aber auf feine Weife mit ihnen zufammenhängt. Ihr 
cubine eines engl. Officiers, Anna Leeſe, die 1.774 nach N 
unter dem Borgeben, fie ſei das auserwählte Weib, vom 
Johannis, Gap. 12, die Rede ift, Anhänger zu verſchaffe 
heimgifvolle Gemeinſchaft mit Gott und untruͤgliche propl 
und allen himmliſchen Gegen durch ihre Wermittelung erw 
derlaffung ihrer Gemeinde entftand zu Nisquenia unweit 
andre Golonien haben fich feitdem in derfelben Landfcha 
noch jet , obgleich Anna Leefe ſchon 1784 ftarb und erſt J 
fen Tode (1787) aber Joſeph Meacham (der 1801 noch | 
Dberhäupter der Secte zu Nachfolgern hatte. Ihr Nam 


Schuͤtz (Chriftian Gottfrieb) 907 


Higiöfen Anfehens in Claſſen ab, von denen die höhern Beichtiger und Fuͤh⸗ 
r niedern find. Jedes Mitglied bat eine berathende Stimme in Sachen bes 
bens. Als Regel beffelben achten fie das Neue Teftament, verwerfen aber (ob⸗ 
Chriſtus von ihnen als Verföhner der Menfchen mit Gott geehrt wird) bie 
inigkeitslehre, die Gnadenwahl, bie Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen und die Ehe. 
m findet bei ihnen weder ein Kamilienleben noch eine Sortpflanzung flatt. Die 
mzimmer wohnen in abgefonberten Häufern beifammen wie die Mannsperſo⸗ 
jede Gefchlechtöverbindung wird hart beſtraft. Die Secte vermehrt fich nur 
Aufnahme neuer Mitglieder , bie, wenn fie verheirathet find, ihrer Ehe gaͤnz⸗ 
itfagen müffen. Auf diefe Art fol durch Unterdruͤckung alles Zieifchlichen die 
de Adams abgethan werden. Ihre Zeit bringen fie mit Feld» und Gartenbau 
Bimftlichen Handarbeiten zu, deren Ertrag der Gemeinde gehört, da Keiner 
Meigenthum haben darf, fondern alle ihre Güter gemeinfhaftlich find, unter 
yaltung des Älteften ſtehen und fo weit als nöthig zur Wefriebigung ber Erper- 
: Bebürfniife Aller angewendet werden. Eine einfache, durchaus gleiche Tracht 
ine gänzliche Abſchließung vom Weltverkehr erhöht diefen durch ihre Zucht be: 
tigten Bemeingeift. Ihre Beobachter rühmen die Reinheit ihrer Sitten, ihre 
icklichkeit und Arbeitſamkeit. Noch haben fie fi) genauern Nachforfchungen 
ie entzogen, als daß Über die religisfe Bedeutung ihres Gottesbienftes, bei 
mi jene Tänze Ausbrüche ber Freude über die befiegte Suͤnde fein follen, volls 
ge Erklärungen gegeben werben könnten. Ihre Anzahl beläuft ſich kaum auf 
Seelen und foll jegt im Abnehmen fein. E. 
Schüs (Chriftian Gottfried), einer unferer verbienteflen Gelehrten und 
reichnetfien Philologen, warb am 20. Mai 1747 zu Dederftädt im Mans: 
Jen geb. Seine Schulbildung erhielt er auf der lat. Schule zu Halle, fludirte 
RR, wo er namentlich mit Semler In ein engeres Verbältmiß trat, umd warb 
Magiſter mit bem Plane, bei der Univerfität zu bleiben. Doch folgte er in 
Fahre dem Rufe als Lehrer der Mathematik an die Ritteratabemie zu Brans 
eg, von wo er 1769 nad) Halle als Sinfpector bes theologifhen Seminars 
Berufen warb und Vorlefungen hielt. 1776 warb er ordentl. Prof., ging 
1779 als Prof. der Pocfie und Beredtſamkeit nad) Sena, wo ihm 1789 
Serzoge von Weimar der Hofrathöcharakter ertheilt ward. Hier, wo er ſich 
Eche Zuhörer verfchaffte und befonders über Literaturgefchichte mit einem bis 
unerhoͤrten Beifalle las, gründete er mit Wieland, der fich aber bald losſagte, 
Jertuch 1785 die „Agemeine Literaturzeitung”. 1804 erhielt er unter Höchft 
ilhaften Bedingungen von Seiten der bairifchen Regierung einen Ruf nady 
burg und zugleich einen nach Halle. Sc. entfchied ſich für den letztern und 
"o wieder ald Prof. ber Biteraturgefchichte und Beredtſamkeit, nebft feinen 
re, der eine Profeffur erhielt, und dem Prof. Erſch nach Halle, wo er mit 
bie „Literaturzeitung“ fortfegte, während Eichftäht in Jena ein neues Inſti⸗ 
ründete. Seit Wolfs Abgange (1807) erhielt Sch. audy die Direction des 
. Seminars, ward Diitglied der bairifchen Akademie der Wiffenfchaften und 
- bei der Feier feines Magifterjubiläums , das durdy bie allgemein außgefpro: 
Theilnahme zu einen der ſchoͤnſten atademifchen Feſte warb, Mitter des ro⸗ 
Mdlesordend. Sch. gehört zu den Philologen, die ganz befonder& einer ges 
rdvollern Behandlung der Philologie vorgearbeitet haben, und der Eifer und 
ebe zu biefem Studium ging zum großen Theil aus f. VBorlefungen und Schrifs 
ervor, durch die ſich Männer wie Jacobs, Creuzer u. A. bildeten. Unter f. 
saben alter Schriftfleller bemerken wir vor allen f. Bearbeitungen Giceronianis 
Schriften, zuerſt einzeln, dann aber in der Ausgabe ſaͤmmtl. Werke (feit 1814). 
rdem bat er ben Aſchyiu⸗ (neueſte Ausg. 1809— 21, 5 Bde.) und den Ariſto⸗ 
es feit 1821 bearbeitet, Hogevem’6 Wert „De particulis graecis!! (RAR 





welcher fie zu ſich nahm umd fie felbft in der Declamation, i 
und Mythologie unterrichtete. Anfänglich rear fie bei der gı 
gurantin im Ballet angeftelt. In ihrem 16. J. verheirat 
noriften Eunide (damals in Berlin), und ging mit Ihrem G 
‚Hoftheater in Mainz, dann nach Amfterdam, wo fie in bei 
die Aufmerkſamkeit des Publitums auffichyog. Won Am 
a.M. kommend (1794), ward fie bort mit bem Maler Pf 
ihr ruhende Talent für bie Pantomime, durch Dittheilung 
pferwerke von den Attituben der Lady Hamilton, bei ihr we 
Ben Veranlaffung zu ber Kunftbahn gab, welche fie 12 Jahre 
Auszeichnung betrat. 1796 begab fie fid mit Ihrem Gatten 
woſelbſt fie 10 Jahre bei der von Iffland geleiteten Vuͤhne bi 
ſpielerin ſowol im hochtragiſchen tie Im gemäthlich » fentiı 
neben der berühmten Bethmann fland. Nachdem fie fidh v 
gettennt und mit einem D. Mayer verheirathet hatte, verll 
und ging mit ihrem Gatten nad) Stettin. Hier trennte fie fi 
wieder von Mayer und heirathete dem bortigen Stabtarzt H 
Ahr indeß nach kurzer Ehe durch den Tod enträffen wurde. Jı 
auräd und untemahm eine Kunſtreiſe, bei welcher Belege 
Halle führte, wo fie den Prof. Schüg d. J. kennen Iemte, 

dend, im Folge der bald darauf fich ereignenden proviforifd 
verfität zu Halle, nun auch bie Breter betrat und mit ſ. G 
durch die größern und Bleinern Theater Deutſchlande beſue 
‚gleich nady dem Tode ihres dritten Mannes hatte Mad. Hr 
Kuͤnſtlerin jegt nannte) neben ben eigentlichen theatzalifche 
nen, ſich in mimifcy-plaftifhen Attituden, nach Art ber fr 
gegebenen, zu zeigen, und das Studium ber Autike ſowe 
Auffaffung alles Deffen, was zur Gruppirung und Drapfr: 
hierbei entwidelte, erwarb ihr verbientermafien ben Beta 
Kenner dieſes Faches und gründete in dieſer Hinficht baue 
Attitude.) Weniger fing ſie jedoch nad und nach an alt 


Schuͤtze (Karl Heinrich Ferbinand) 909 


B, wie fie felbft antümbigte, 1820 mit einigen Gaſtrollen auf ber leipziger 
me ihre theatralifche Laufbahn. Jetzt Lebt fie von ihrem Gatten, ber ſich nach 
aburg getvenbet hat, verlaffen, ber Pflege ihres Schroiegervater6 umb ihrer 


er. 
Schüge (Karl Heinrich Ferdinand), Herr auf Schweta, vormaliger Mit- 
er eines londner Hanbelshaufes, ein durch reiche Erfahrung gebiideter und für 
Gemeinnuͤtzige mit Thätigkeit wirkender Geſchaͤftsmann, ward geb. zu Mei⸗ 
d. 24. Febr. 1778, wo f. Water, Maler an der daſigen Porzellanfabrik, für bie 
ehung feiner 11 Kinder nur mit größter Anſtrengung ſorgen konnte. Der faͤ⸗ 
Knabe, der im 12. Jahre Algebra und Geometrie leicht begriff , befuchte dritt» 
Jahre die Landfchute zu Meißen und erlernte dann in Leipzig bie Handlung. 
Schriften von Buͤſch waren fein Hauptſtudium; dabei las er viel über Laͤnder⸗ 
Völkerkunde, was feinem Wunfche, die Welt zu fehen, fo viel Nahrung gab, 
et 1796 auf gut Gluͤck nach Amerika zu gehen befchloß. Er reifte über Berlin, 
ie Aufnahme in bie Freimaurerverbindung den wichtigften Einfluß auf die fitts 
Bildung bes Juͤnglings hatte. In Philadelphia fand er bald eine Stelle in eis 
angefehenen Hapfe; nadı einem Jahre erhielt er die Procura deſſelben und bie 
ubniß, für eigne Rechnung kleine Handlungegefchäfte zu unternehmen. Als 
terein. Staaten 1797 gegen die Befchlüffe des franz. Nationalconvent® Vers 
igungsanſtalten treffen mußten, trat er als Sreiwilliger unter die Bahnen der 
Bil. Um die Gruͤndung eines eignen Haufes vorzubereiten, ging er im Juni 
> nach Hamburg und hierauf im Nov. nad) Eondon, wo er, nad) einander in 
aıfern angeftellt, den Welthandel im Großen kennen lernte. Am 1. Juli 1802 
rate er zu London mit feinem Freunde Röhre ein eignes Haus unter der Firma: 
ge, Röhre und Comp. ; am 25. März 1803 ward er durch eine Parlaments⸗ 
aturallſirt; auch diente er bei dem Kriege mit Frankreich als Sreitsilliger. Im 
Bolge nöthigte ihn die Ausbreitung ſ. Geſchaͤfts zu häufigen Reifen nach 
Fohland, Holand, Dänemark, Schweden, Finnland, Rußland, in die 
»>eiz unb nach Frankreich. Er befand ſich ein Jahr in Rußland, als Kalfer 
»Ieon 1812 dieſes Reich feindlich überzog; im Mai 1813 begab er ſich nach 
an, wo er, abwechſelnd mit Stralſund, bis zur Zeit der Schlacht von Leipzig 
An Berlin fammelte er Beiträge für die Vereine zur Unterſtuͤtzung der Vers 
«ten, unb hatte dabei Gelegenheit, unter ben in dem Hospitale am oranien⸗ 
x Xhore mit der edeiften Dingebung bülfeleiftenden Frauen die Generalin v. 
‚ängerode und Mad. Berner kennen zu lernen, deren menfchenfreundliche Ans 
kungen, aud) was bie Frau v. WB. betraf, durch die Ertheilung des Louifenors 
anerkannt worden find. 1814 wählte ihn der in London zu Unterftügung ber 
ben Krieg in Deutfchland hülfsbebürftig Gewordenen gebilbete Verein zum 
chufmitgliebe, und auf f. Nachrichten von ben Ländern des Kriegsſchauplatzes 
en mehren Orten unb Gegenden bedeutende Summen zugetheilt ; auch beſchloß 
.usfhuß, durch ihn der Frau v. Winzingerode 1000 Pf. St. zu ihrer ſelbſt⸗ 
igen Vertheilung zuftellen zu laffen. In der Erwartung, daß das Parlantent 
Summe von 100,000 Pf. St. als Beitrag zu den Zwecken bes Hülfscomite 
en würbe, erhielt Sch. ben Auftrag, die Provinzen Deutfchland®, weiche durch 
Rrieg gelitten hätten, zu bereifen und einen Bericht über die Verwendung ber 
ugelber,, ſowie über bie fernern Bebürfniffe einzufenden. Ex befuchte in biefer 
Ht aud) Sachſen und namentlich Meißen, woſelbſt er dem Hülfsvereine vors 
9, 600 Thle., als deſſen Antheil an den engl. Belbern, die er durch ſ. Bericht 
yafft hatte, und wozu er eine Summe aus [. Mitteln binzufligte, zur Errich⸗ 
einer Erziehungsanfals fuͤr die durch Krieg und Seuche aͤlternlos geworbenen 
er zu verwenben , in welchen Falle er mehre Briträge verfprach. So entſtand 
5 ein Waiſenhaus, In welchem nachher 18 Freiſtellen geſtiftet wurden, wozu 





den. Er hatte das Rittergut Schweta bei Oſchat gekauft, 
ein ſchoͤnes Haus umd z0g ſich am Ende 1819 von der Theil 


“ner Handlungshaufe ganz zurüd. Darauf eröffnete er a 


Dresden eine Anſtalt / in welcher 10 arme Blinde unter dı 
meifter® Anweifung zum Korbflechten, Schnuͤrenkloͤppeln, 
erhielten, wozu ihm Anfangs ber Regierungsſecretair Moı 
mer einräumte, dann aber der König ein beſonderes Haus! 
dre Beipülfe an Holz und Kohlen fegte ihn in ben Gtand, & 
beiter faft zu verdoppeln und denfelben auch bie Koft zu gebe 
nem Erwerb in der Anftalt nur 6 Pfennige für die Mahlzeit 
ven überließ er die Anftalt nebft Zubehör und einem Legate v 
Finanzregiſtrator Rasp ihm für diefen Zweck vermacht hatı 
Blindenvereins unentgeltlich; doch nahm er fortwährend a 
eins an ber Direction des Inſtituts Antheil. Seitdem ha 
Unterftägung des Könige noch mehr erweitert, und es ward 
der Stedting’fhen (ehemaligen Flemming'ſchen) Blinden 
nigt. Als Mitglied der Gefellſchaft zu Rath und That hat 
auch nody durch die nach ſeinem Plane, unter Mitwirkung | 
gebrachte und am 3. Febr. 1821 eröffnete Sparcaſſe verdien 
teme Veranlaffung entwarf er die Einrichtung her 1823 
Gparcaffe. Bel Gründung der neuen, von ber genannten 
errichteten Armenſchule war er ebenfall® fehr thaͤtig. Als 
bei dem Landtage, wozu ihn die Stände des meißner Kreiſe 
entwarf er 1822 gemeinfchaftlich mit dem Kriegslammerraı 
laͤuſigen Plan zu einer ünftig allgemeinen Hagelaffecura 
Sachſen, und bie in Leipzig zu einem ähnfichen Zwede zuſ 
ſchaft ward eingeladen, ihren Wirkungskreis nu auf Sach 
mit fid) die Stände des meißner Kreifes an fie —— 
Eifer brachte er auf dem Landtage 1824 die Errichtung ein 
anſtalt oder einer Witwencaſſe für das Königreich Sachfen | 
jedoch mandherlei Hinderniſſe der Ausführung dieſes Worfd 


Schuwaloff 911 


Recht nicht wegen ber Koberungen an die Bemeinbe oder an einzelne eigentliche 
ser in Anſpruch genommen werden; mas fie aber fonft für ben erhaltenen 
aitz zu leiften hatten, war fehr verfchleben beſtimmt. Schutzgenoſſen machen im 
emeinen eine Mittelclaffe zreifchen wirklichen Bürgern und zwifchen Fremden, 
Eye bloß eines vorübergehenben und beliebig aufzukuͤndigenden Schutzes genie⸗ 
zu ihnen gehören 5. B. in England die denizens , welche, ohne naturaliftet zu 
die Erlaubniß haben, Grundeigenthum zu befigen und auf ihre im Lande ges 
uen Kinder zu vererben. In die Gchuggenoffenfchaft der Städte drängte fich in 
wfchland vor dem allgemeinen Landfrieden (1495) ein großer Theil der Lands 
‚ theild ums größere Sicherheit gegen bie Bebrüdungen ber Gutsherren und 
ur Plünderungen und a. Gewaltthaten in ben Fehden zu erlangen, theils aber 
‚ um aus bem Stande ber Hörigen und Leibeignen in die Claſſe freier Bürger 
elangen, unb die Städte nahmen gem folche Ausbürger oder Pfahlbuͤrger auf 
ame, weicher Diejenigen bezeichnet, welche ſich nicht in ber Stadt felbft, aber 
in ihrer Gemarkung, intra palum civitatis, anfiebelten, vielleicht aber aud) 
m ſolche, welche, ohne eine Wohnung unter ftädtifcher Gerichtsbarkeit zu neh⸗ 
nur ſich bloß perfönlich in ihren Schug begaben), weil fie dadurch an Macht 
Anſehen nur gewinnen konnten. Hieraus erklären ſich die Geſetze, welche vom 
Jahrh. an gegen diefe Erweiterung bes ftädtifchen Vereins von den deutfchen 
"en und Reicheftänden gegeben wırden, ſodaß auch in der goldenen Bulle ein 
Es Gapitel gegen bie Pfahlbürger vorlommt. Die Ausbildung ber Lanbeshoheit 
die neuem Anfichten von ben Zwecken und Nechten bes Staats haben einem 
nen Streben ber Städte ohnehin ein Ziel gefegt. Mit diefer Schupgenoffenfchaft 
a6 Ehrenbürgerrecht nicht zu verwechſeln, welches weder Verbindlichkeiten auf⸗ 
noch des Schuge® wegen, fondern als Auszeichnung und Anerkennung bes 
dlenſtes gegeben wird. In Beziehung auf ben Staat befteht die wichtigfte Claſſe 
ofen Schupgenoffen aus den Juden; man fängt aber doch an einnufeben, daß 
lolches Verhaͤltniß nicht bloß Denen, welche auf diefe Weiſe von dem Bürger: 
x ausgeſchloſſen find, fondern auch für den ganzen bürgerlichen Verein felbft 
aſt nachtheilig werben muß. 37. 
Schumaloff(Paul Andrejewitſch, Graf), k. uff. Generallieutenant, Ges 
ulabjutant des Kaiſers, mehrer Drben Ritter, geb. um b. 3.1775, diente uns 
BSſuwaroff, erwarb fi) das St.⸗Georgenkreuz bei bem Sturme auf Praga; 
m focht er in Italien 4799 ımter Sfumwaroff ; auf dem Marſche über ben Gott⸗ 
3 warb ihm das Knie zerfchmettert. Im 25. J. zum General ernannt, zeichnete 
ich in dem Feldzuge 1807 bei mehren Gelegenheiten aus. Im finnländifchen 
»ge war er der erſte Muffe, der 1809 über Tomeo in Schweden eindrang umb 
h einen tühnen Marſch über das Eis Schelefta einnahm, 8000 Schweden ge: 
gen nahm und 121 Kanonen eroberte, worauf er zum GBenerallieutenant ernannt 
de. Bei einer biplomatifchen Sendung an einen der erften Höfe von Europa 
Be er auch biplomatifche® Talent. Im J. 1812 befchligte er das *. Corpb, 
Bte aber Krankheit wegen ben Befehl nieberlegen; dann wohnte er 1813 an ber 
te des Kaiſers allen Schlachten bei, ſchloß den Waffenſtillſtand von Neumark 
26. Juli 1813 und verhandelte uͤber einen Waffenſtillſtand vom 24. Febr. 
zum 5. März 1814 zu Lufigny, der aber nicht zu Stande kam. Nach dem 
marſch in Paris erhielt er ben Auftrag, bie Katferin Maria Louife zu ihren 
er zu begleiten und ben Kaiſer Napoleon nach Frejus zu führen. Diefer auch 
Menſch hochgeachtete Krieger flach plöglich zu Petereburg ben 1. Dec. 1823, 
Dinterließ 2 Söhne. Der Kaifer felbft führte den Trauerzug an. 

































910 Schutzengel Schutzgenoſſen 


bie Zinſen ber Capitalien, Naturalien, Beiträge vom König und Unteridumg 
die Mittel lieferten. Als hierauf der zu London 1815 gebilbete Unterftühtmettnde 
für die duch die Schlacht von Waterloo Betheiligten durch Hrn. Dufour-fume 
in Leipzig die Nachricht erhielt, dab 87 Waifen aus jener Kategorie Hhtfe rap 
ten, zu deren Erziehung eine Summe von 2500 Pf. &t. erfoderlich wär, ſo ker 
Sch. das Glüd, diefen Beitrag von dem Gomite zu erlangen, darauf berviligeie 
derfelbe auch für die Witwen und Waifen preuß. Krieger 10,000 Pf. St — Dh 
vaterländifche Sefinnung fand in Deutfchland dankbare Anerkennung. Dieyab 
tifche Sefelifchaft in Hamburg verehrte dem wackern Manne eine golbene Kach 
und emannte ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Der König von Sachſen If kam 
Porzellan : Theefervice zuftelen, und die Direction des pimafchen Weifenkuit 
nahm ihn zum Ehrenmitgliede auf. Am Ende 1817 kam Sch. ſelbſt nad Dub 
den. Er hatte das Rittergut Schmweta bei Ofchag gekauft, baute dann in Duke 
ein ſchoͤnes Haus und z0g ſich am Ende 1819 von ber Theilnahme an feinem in 
nee Handlungshaufe ganz zuruͤck. Darauf eröffnete er am 24. Apul 1805 
Dresden eine Anftalt, in welcher 10 arme Blinde unter ber Aufficht eine 
meiſters Anweifung zum Korbfledhten, Schnuͤrenkloͤppeln, Mattenwebnz! 
erhielten, wozu ihm Anfangs ber Regierumgefecretaie Morgenſtern en Garzg 
mer einräumte, dann aber ber König ein befonderes Haus überließ. Died 
dre Beihülfe an Holz und Kohlen fegte ihn in den Stand, die Zahl der 
beiter faſt zu verdoppeln und denfelben auch die Koft zus geben, wozu jeder we 
nem Erwerb in der Anftalt nur 6 Pfemmige für die Mahlzeit beitrug. No8? 
ven uͤberließ ex die Anftalt nebft Zubehör ımd einem Legate von 1200 Thk, id 
Finanzregiftrator Rasp ihm für diefen Zweck vermacht hatte, ben Worfda 
Blindenvereins unentgeltlich; doch nahm er fortwährend als Deputirter hi 
eins an der Direction des Inſtituts Antheil. Seitdem hat ficdh baffelhe wi 
Unterftägung des Königs noch mehr erweitert, und e8 warb am 22. Juli iR 
der Steckling'ſchen (ehemaligen Flemming'ſchen) Blindenerziehungsantäm 
nigt. Als Mitglied der Geſellſchaft zu Math und That hat &ch. fich um Du 
auch noch durch die nach feinem Plane, unter Mitwirkung f. Sreumde, a8 
gebrachte und am 3. Gebr. 1821 eröffnete Sparcaffe verbient gemacht. Adi 
tene Veranlaffung entwarf er die Einrichtung her 1823 zu Freiberg alle 
Sparcaffe. Bei Gründung der neuen, von der genannten Geſellſchaft in Du 
errichteten Armenfchule war er ebenfalls fehr thaͤtig. Als ritterſchaftlicha Ed 
bei dem Landtage, wozu ihn die Stände des meiner Kreifes 1820 gemihkheh 
entwarf er 1822 gemeinfchaftlid, mit dem Kriegskammerrath v. Carlowi ie? 
laͤufigen Plan zu einer künftig allgemeinen Hagelaffecurang für das Ki 
Sachſen, und die in Leipzig zu einem ähnlichen Zwecke zufammengetretue Ib 
fchaft ward eingeladen, ihren Wirkungskreis nur auf Sachſen zu befcisla, ? 
mit fich die Stände des meißner Kreifes an fie anfchließen Bönnten. Mitt 
Eifer beachte er auf dem Landtage 1824 die Errichtung einer Witwenreingf 
anftalt oder einer Witwencaſſe für das Königreich Sachfen in Vorſchlag; di 
jedoch mancherlei Hinderniffe der Ausführung dieſes Worfchlags entgegen. 
Schupengel, f. Engel, Geiſter, Genien. 
Schußgenoffeyg, Schußverwandte find im Algemine MP 
nigen, welche, ohne eigentliche Mitglieber irgend einer Geſellſchaft zu (ra dl 
Laften zu tragen oder an ber Verwaltung Antheil zu nehmen, doch mit dache 
einer gewiffen Verbindung und unter ihrem Schutze ftehen. Diefet Bold 
Bann daher nicht bloß bei Stadt» und Dorfgemeinben, fondern aud bei mr 
dern Corporation und in Beziehung auf den ganzen Staat vorkommen &19 
in den Gemeinden die allgemeine gegenfeitige Verbuͤrgung ber Gemeinden in br 
land frank-pledge, franciplegium genannt) befand, konnten bie Che 


















A DE FE ER ED A393 an Mm EC ME DT aD A FD CE Be en Tr Em ae. 


ee ae Se 2 u BE BE um (re DE Me Hr KO Tr rn u 


Schuwaloff 911 


Recht nicht wegen ber Koberungen an die Gemeinde oder an einzelne eigentliche 
ger in Anfpruch genommen werben; was fie aber fonft für den erhaltenen 
ng zu leiften hatten, war fehr verfchieben beftimmt. Schuggenoffen machen im 
meinen eine Dittelclafie zreifchen wirklichen Bürgern und zwiſchen Fremden, 
ye bloß eines vorübergehenden und beliebig aufzukuͤndigenden Schuges genies 
zu ihnen gehören 5. B. in England die denizene , welche, ohne naturaliſirt zu 
die Erlaubniß haben, Grundeigenthum zu befigen und auf ihre im Lande ges 
ım Kinder zu vererben. In bie Schutzgenoſſenſchaft der Städte drängte fich in 
tfchland vor dem allgemeinen Landfrieben (1495) ein großer Theil der Land⸗ 
, theils um größere Sicherheit gegen bie Bedruͤckungen ber Gutsherren und 
ı Plünderungen und a. Gewaltthaten in ben Fehden zu erlangen, theils aber 
, um aus ben Stande ber Hörigen und Leibeignen in die Claſſe freier Bürger 
langen, und bie Städte nahmen gem folche Ausbürger oder Pfahlbürger auf 
Name, welcher Diejenigen bezeichnet, welche ſich nicht in der Stadt felbft, aber 
in ihrer Gemarkung, intra palum eivitatis, anfiedelten, vieleicht aber auch 
ſolche, welche, ohne eine Wohnung unter ftäbtifcher Gerichtsbarkeit zu neh⸗ 
‚ nur fich bloß perföntich in ihren Schug begaben), weil fie dadurch an Macht 
Anfehen nur gewinnen tonnten. Hieraus erklären fich die Geſetze, welche vom 
Jahrh. an gegen diefe Erweiterung des ftädtifchen Vereins von den beutfchen 
en und Reichefländen gegeben wurben, ſodaß auch in der goldenen Bulle ein 
6 Gapitel gegen die Pfahlbürger vorkommt. Die Ausbildung ber Landeshoheit 
ie neuen Anfichten von den Zwecken und Rechten bes Staats haben einem 
ra Streben ber Städte ohnehin ein Biel gefegt. Mit biefer Schutzgenoſſenſchaft 
B Ehrembürgertecht nicht zu verwechfeln, weiches weber Verbindlichkeiten aufs 
mod) des Schutzes wegen, fondern als Auszeichnung und Anerkennung be6 
enſtes gegeben wird. In Beziehung auf ben Staat befteht die wichtigfte Claſſe 
ofen Schupgenofien aus ben Juden; man fängt aber body an einmufeben, bag 
lches Verhätmig nicht bloß Denen, welche auf diefe Weiſe von dem Bürger: 
causgeſchloſſen find, fondern auch für dem ganzen bürgerlichen Verein felbfl 
nachtheilig werden muß. 37. 
Schumwaloff(Paul Andrejewitſch, Graf), €. ruſſ. Generallleutenant, Ge: 
idjutant des Kaiſers, mehrer Drden Ritter, geb. um d. 3.1775, diente un: 
ſuwaroff, erwarb fich das St.⸗Georgenkrenz bei dem Sturme auf Praga; 
Focht er in Italien 1799 unter Sſuwaroff; auf dem Marfche über den Gott⸗ 
ward ihm das Knie zerfchmettert. Im 25. J. zum General ernannt, zeichnete 
> in bem Feldzuge 1807 bei mehren Gelegenheiten aus. Im finnländifchen 
e war er der erfte Muffe, der 1809 über Torneo in Schweden eindrang und 
einen fühnen Marſch über das Eis Schelefta einnahm, 8000 Schweden ges 
nahm und 121 Kanonen eroberte, worauf er zum Generallleutenant ernannt 
>. Bei einer diplomatifchen Sendung an einen ber erften Höfe von Europa 
er auch diplomatifches Talent. Im J. 1812 befehligte ex das &. Corps, 
> aber Krankheit wegen ben Befehl niederlegen ; dann wohnte er 1813 an ber 
des Kaiſers allen Schlachten bei, fchloß den Waffenſtillſtand von Neumark 
>6. Juli 1813 und verhandelte über einen Waffenftilfiand vom 24. Febr. 
tm 5. März 1814 zu Lufigny, der aber nicht zu Stande kam. Nach dem 
arſch in Paris erhielt er den Auftrag, bie Kaiſerin Maria Louife zu ihrem 
> zu begleiten unb ben Kaifer Napoleon nad) Frejus zu führen. Dieſer auch 
Nenſch hochgeachtete Krieger ſtarb plöglich zu Petersburg den 1. Dec. 1823, 
ünterließ 2 Söhne. Der Kaifer felbft führte den Trauerzug an. 





Verzeichniß 


der in dieſem Bande enthaltenen Artikel. 


Mabbi, Rabbiner 
Rabbiniſche Sprache 
und Literatur 
Rabelais ( Francois) 
Rabener (Gottlieb 
Wilhelm) .. 

Rabuliſt 

Habutin (Roger) . 

Racen der Denfhen, 
Menſch 


ſ. Denf 
Ratine Feen)! 
Racine (Louis). 
Racknitz (Joſeph Ftied⸗ 

rich, Freiherr zu) — 
Radegaſt. 
Nadicalreformers 7 
Radiren, ſ. Kupfer⸗ 

ſtecherkunſt.. 9 
Radius, f. Diameter — 
Radzivil (Gefchlecht 

— Michael VI. —- 

Ludwig Nikolaus 

— Anton Heine) — 
Raeburn (Sir Henry) — 
Rafael Sanio . 40 
Raffiniren, Raffinabe 16 
Rafflesia Patma . 
Raguſa (Sreiftaat — 

Stadt) . . 
Maimar ( (Sreimund), 

ſ. Rüden . 


ala Il 


— 


2* 





R. 
Geite 
RNaiten.. . 16 Vationel 
Rajah, Rajahs 17 Rub ... 
>22 0 Raubeöge, [Mi 
— Rauch. 
Sigmund — Feamz) — Bauch (Chriflien 
Raleigh (Sir Walter) 18 Rauch (Guſten 
Rallentande . . 0 Rauchen 
Ramdjana . — . 

— BRoamfan . - . 24 Raucourt (Ger 
Ramberg (Joh. Hein» . 
ih). » .»» Raum, Räume 
Rameau (Jean PH — Raumer ( Friche 
Namler (Kari Wuh.) 22 wig Geerga 
Rammelöberg ,» . 23 Karl). . 
Ramsden (Johann) — Raupach (Erf 

Rancs —— jan 
Armand Jean le Raute; ſ. Riewlı 
Bouthilieene) . 24. Rautenglas . 
Rang, Rangordnung — Rautenkrone 
Nanzau (Familie — Ravaillac (Bram 
Joh. v. — Hein⸗ Ravelin 
rich, Graf von — Heaven .. 
Daniel, Graf vor Kavg . . » 
— Ray (Ice) . 
Naoul⸗Rochette (Des - Baynıal (Bullen 
re). . 2... — Domas Frag 
Rapp (Johann, Graf Naydnouarb (gre⸗ 
von) . . 26 Juſte Dick) 
Raferei, ſ. Wahnflm 27 Merctien Rache 

Raſk (Raomus Chris vermoͤgen 

ſtian) . 0. — Heartiom, yorife 
Raſtadt, Raſtadter re 
Friede, Raſtabter Real (Di) - 
Ense. » » — Real (Pia ii 
Nähfel . . 28 cols, Gef). - 

Rational, f. Rationell — Bel . 

Atianalamus —  Beaigeld 


Verzeichniß der in biefem Bande enthaltenen Artitl, 918 


Seite 
ien 50 
ut . 
8... 52 


e, ſ. Real⸗ 
d Gelde. 
en, ſ. Real⸗ 
ee... 

: (Rene Ans 
'erchault de) 
: (Anbreas 
Friedr. v.) 
ation . 
Swelen . 
unft . 

und Rothen⸗ 
(Srafen von 
ih, Graf 
Aloys Franz 
Graf v. — 
„Graf v. — 
Braf v.). 
unſt, Rech⸗ 
yrobe.. . 
sofhine . 


18211 


58 
59 


igung, ſ. Ver⸗ 

ig .. 60 
gun. . — 
ıbigkeit, ſ. 
dorie . 

eibung . 
‚ehrfamtelt, 
gelehrter, 
kundiger 

ft... 65 
ittel 
lege, ſ. Ge⸗ 
und Proceß 


2... — 
ichten, Rechts⸗ 
dlichkeiten 
iloſophie, ſ. 
recht.. 67 
nb . . 
iſſenſchaft 
hithaten . 
ſ. Ruͤckfall 


68 
72 
73 


Seite 
73 


Recipienten 
Recitativ. 
Recitiuen, f. Declamis 


75 
Rede ( Euſ⸗ ab. Charlotte 
GSonftantia, Frau 
vonder)... . 
Reckum (Andreas v) 77 
Reclama 78 
Recognition — 
Recognoſciren 79 
Recollectinnen, ſ. Fran⸗ 
ciscaner und Ciſter⸗ 
te ... 
Reconvention . . 
Rectificiren, Mei 
tion . . 
Recurs 
Redacteur, Medaction 
Re . . .. 
Redekunſt 
Redemptoriſten 
Redende Kuͤnſte 
Medetheile . . 
Reding (Alops v. — 
Theodor v.) 
Redondilien 
Meboute . 
Medoute (Pierre Jo⸗ 
ph) . - 
Reduction . . 
Rees'ſche Regel, f. Rt: 
tenrehnung . 
Mefactie, ſ. Fuſtage 
Reflector, ſ. Fernrohr 
Reflexion 
Reflexion, ſ. Zul» 
ſtrahlung . . 
Meformation — 
Reformirte Kirche 109 
Refraction, ſ. Strah⸗ 
. 115 


—9 mises Il 


1118 


. 4116 
. 147 


Refugies 
Megalien 
Megatta .. 
Rod . . . 2. — 
Mom . . . . 14118 
Regenbogen, Regen⸗ 
gallen . 119 
Regenmeffer . 120 


Ber. Siebente Aufl. Mb. IX. 


Seite 
Regensburg . . 1%0 
Megent, Regentſchaft 121 
Megie, Regiffeur - 
Regierung, Regie⸗ , 
rungsrechte . . 122 
Negiomontanus (Jos 
hann Müller) . 125 
Regifter . 126 
Megifterfchiffe . 
Reglement der franzoͤ⸗ 
fifhen Kammern 
Reglement (Dienft-), 
Erercierreglement 128 
Regnard (Sean Frans 
co). . : 
Megnier (Mathurhn) 129 
Regnier (Zrancois Se: 
raphin Desmarais) — 
Megueß . - 130 
Megulus, Regulinifch — 
Regulus (Marcus a6 
dm) . . 
Rehabilitation . 


Reich 
Reich Philipp Ga 
muß) . 
Meichard (Heine. u 
guft DOttofar) . 132 
Reichardt (Johann 
Friedrich — Julie 
— kouife) . — 
Reiche bee Natur . 136 
Meichenbach (Congreß 
und e zu) 
Meichenbah (Georg 
von) - . 137 
Meichenberg — 
Reichenhall1838 
Reichsabſchied, ſ. Deut⸗ 
ſches Rih . . 139 
Reichsacht, ſ. Acht — 
Reichsaͤmter, ſ. Erz 
Reichsarmee, Deuts 
ſches Bundesheer — 
Reichsdeputation. 140 
Reichsfuͤrſten — 
Reichsffuß — 
Reichsgeſeze141 
Reichshofrath _ 
Reichölammergericht, 
f. Kammer . 


68 


— 


. 431 


— 


014 WVerhelchnig der In biefem Bande enthaltenen XrtiM 


Seite Seite 
Reicherltterſchaft, ſ. Religlonsftiede 479 Befident[.Ge 
Deutiſches Reich 141 Betiiongpbifefopbie 184 Mofa Bi 
Reheflet . . Religionsfhmwärmes 
Bedflat . . 12 wii 185 —* 
Reiqsvicatien. — Reiigionsunterricht — 
FREIE a ——— —E 
Reifenftein Johaun , . f. Union . tatoren 
Friedrich)  . 143 Meliglofm . . . — Bestitutie in 
Meiger, Reiperbaie — Meliglofitt - - — gum . 
Reihe, orithmetifce Neligdien . Reftitutionderi 
und gedmetrifche, Rembrandt vun dtfen Dreifigjähr 
f- Progreffion . — Pal)... — Krieg and 
rn 1 Joh: ei 2 Remedium . . 4192 nand IL. 
Remeſſe, Remeffen Retardat, Reta 
Keimanıt (hermann uh. . . . — Retentionsreh 
Samuel) . 146 Rewmwonſtranten Retif de la 
Reimarus ¶ Johann Rewiſcheid. 194 (Nicolas A 
Albert Heinrich) 147 Remter . Retorfiondfoft 
Beimleriton . Remus, f. Roms — Retouchtren 
Rein . 148 Remuſat (Jean Pierre. Wetrat. . 
Reinede der Fuchs — Al) . . 196 Rettungsanfı 
Reinede (Johann Renegaten. — Me Gean g 
Friedrich — Reni (Guide) .— Paui de | 
Reinhard (Franz Volle Wermell (Fame) . Cardinal d 
ma). . 149 Rem. » . . — Mesfch (Mar 
Reinhard (Karl Fried» Rennie (John) . — Reuchlin (Jal 
eich, Graf) . . 153 Rs . . . 199 Meutauf, f.i 
Reinhold (Karl ron Rntm ...— tag. - 
hat) . .. . 154 Mentenablöfung . 200 Reunionslam 
Reinwardt ( Kaepar Rentenirer . . 201 f. Ludwigs 
a) Kat) . — Mmntenreductien . 202 Regierung 
156 — Repertos Reuß (Eürfl 
Kin, f. mi — _ 206 Graſen), 3 
Reiſen PR f Lande 
Reiste (ob. atos) 162 Wieder holungs · Reuvertrag 
Relßblei. 168 Ereis 207 Reval , » 
Meitn . . . . 164 MRepräfentanten, f. Reventlau ({ 
Reiteri . . 18 Volksvertreter u. — Johan 
KReitkunſt Stine... — wig, Grof, 
Reiz Feiedrich Pa Mepreffalten . .. — Beverbere,® 
gang) - . . 168 Reproduction, Repro⸗ laternen, 
Reizbatteit — iuctionsſyſtem. — ratien, 
Reizend. . .4170 Repubiit , .. 2 ofen . 
Reatv. . .. — Rerutfebi, ſ. Nord⸗ Revers, Ra 
Delegation . . — polewpeditinen 213 breverſe 
Relief . — Requetenmeiſter. — llen 
Religion, Beligiond Requiem . . . — Revolutlen 
sefhihte . . 174 Mequiftimn . . — Revolutien 
Religiondfreieit . 473 Requifitorialn ."— Beynods(d 
Beligionsfreiheit Reservatio mentalis — Mhabarher . 
ah.) 2. A7E Meiere Whdyalk . Ad Whaktemasi 


Verzeichniß der in biefem Bande enthaltenen Arttkel. 


Seite 
‚ f. Englifche 
wet . . 240 
nthus . 
e, Rhapſoden, 
dien, Rhapſo⸗ 
Wiſſen . 24 


via . . 242 
beder — 
0.9243 
d. . ..246 
2. .2...928 
. ...0249 
fen, f. Raus 
und Wild» 
er Fuß, ſ. 
...3% 
| .. — 
sg... — 
fffahrts⸗Oc⸗ 
ffahet und 
he . . 268 
and Gram⸗ 
Rebekunſt, 
ſamkeit, Res 
Künfte und 
en u. Gram⸗ 
2.2. 
Rheumatis⸗ 
donſtantin) — 
8, ſ. Nas⸗ 
...975 
ie .. — 
(Inſel — 
..276 
, Ryombol⸗ 
* . 277 


Siufeppe) 0 
gnoletto . 


David) . 
ipio).. . 288 


287 


Ringelgediht . 
ingelrennen . 


Seite 
Miccoboni (Lobovico) 288 
Richard I. (König von 
England) . 289 
Richard II. (Rönig v. 
England) . . 290 
Richard II. (König 
von England) . 291 
Richardſon (Sam.) 293 
Richelieu (Armand 
du Pleffie, Herzog 
von Er 
Richelieu (Louis Frans 
coi6 Armand bu 
Pieffis, Herzog v.) 296 
Richellzu (Armand 
du Pleſſis, Herzog 
von) . 297 
Richter (Sean Paul 
Friedrich) . 298 


0 Richter (Auguft Gott: 
.. 302 


lieb) . 
Richteramt .. 
Ried (Vertrag zu) . 303 


915 
Seite 
Rinteln . 319 
Rio Janeiro . — 
Ripienſtimme, Ripie⸗ 


niſt. . 320 
Ripperda (Joh. Wil⸗ 
beim, Baron v.) 321 
Rifalit . . 322 
RE... 
Ritornell, Ritornelle — 
Rittenhouſe (David) — 
Ritter, ſ.rRitterweſen 323 
Ritter (Johann Wil⸗ 
beim) . . — 
Ritterguͤter . 324 
Ritterorden, f. Orden 
(Ritters) und Rit⸗ 
terweſen 
Ritterpferde . . 
Ritterfchaft, f. Dr 
nen . . 
Rittrflhlagg . - 325 
Riterfpiele ‚f Nu | 


niere 


Miedinger (Johann Mitterfprung . . 
Elias — Johann Ritterweſen, Ritter 
Jakod — Martin ſtand, Ritterorden, 
Elia) . . — Ritterpoeſie, Rit⸗ 

Riego (Don Rafael terromane . — 
del R.y Nuñez — Rituale.334 
Domna Maria The⸗ Rivarol (Antoine) — 

reſa) Rivci . . . .335 

Rem (Friede, Bir Rizio (David). . — 
beim) . . : 306 Robert I. (König von 

Kin - - . Schottland) . 336 

Hiepenhaufen (Friede Mobert (Ludwig) . 337 
ri — Johann) 308 Robertſon (William) 338 

Mies (Ferdinand). — Mobetpierre (Maxi⸗ 

Rieſen . . . — milien Joſeph) — 

Niefenbetten . 309 Bobinfon, Robinſo⸗ 

Riefendamm . 310 ndn .-. .. 

Niefengebirge . — Robinfon (Sir John 

Riga Steck) . . 342 

—* Bincenzo) — Reochbdale . — 

Rigi 3 Raochechouart (Frans 

Rigorlömus, Rigorks colfe Athenais de) — 
ftifhe Moral. — Rechefoucauld (Kami> 

Nikofhettfhuß. . 314 lie — Stancois VI., 

Rimnii . ».. — Herzog v. La R. — 

Rindviehzucht — François Alexandre 

. 318 Srederic, Herzog de 


La R.Liancoust) 343 
Dar 5 


916 Verzeichniß der in biefem Bande enthaltenen Artikel 


Seite 
Roche · Jaquelin (Hens 
ri, Graf de la — 
Louis Duvergier, 
Mar quis de la 
Marie Louiſe Vic⸗ 
toite, Marg. be la 
— Augufte, Graf: 
del) . . .344 
Modelle (La) . . 345 
Rocheſter (John Wil⸗ 
mot, Graf vo) — 
Rochlitz (Friedrich) — 
Rochow (Erlebe. Eber⸗ 
hard von) 346 
Rocky Mountains — 
Mode (Bernhard). 347 
Rode Pier) . .. — 
Rodney (George 
Boyd) . -» — 
Roger von der Weyde 348 
Rohan » Guemens 
(Louis Rene eduerd, 
Cardinal) _ 
Weode (fpanifähee) . 
Roͤht (Joh. —E _ 
Roland. . . . 350 
Roland (Jean Marie 
Baptifte be la Plas 
tier) . . _ 
Roland (Manon Jeanı 
ne Phlipn) . — 
Rolandsfäulen, Rus 
Iandefäulen, Ruts 
landebilder . . 351 
Role (Joh. Heinrich) — 
Role. 0... — 
Rollenhagen (Georg) 352 
Rollin (Charled) . — 
Rom (Staat) . . 353 
Rom (Stadt) . . 364 
Roman. . . . 375 
Romana (Marquis 
del) ....383 
Romane, hiftorifhe 384 
Romanifche Sprahen — 
Romano (Giulio), f. 
Sulius Romanıs — 
Romantiid . . — 
Romane . . . 358 
Romberg (Anton 1. 
- Gerhard Hein 


Seite 
tich — Bernhard 
— Andread — 
Anton IL) . . 390 
Romein . - ‚391 
Römer. . 
Römermonate, Deut: 


ſches Reich — 
—* ſ. De 


—— Deuts 
ſches Reich . — 

Romilly (Samuel) _ 

Roͤmiſche Cutie . 392 


. Römifcher Kaifer, f. 


Deutfhes Reich 393 
Römifch + kathouſche 
Kiche . .- - 
Römifcher König, ſ. 
Deutſches Reich — 
Römische Kunft, [. 
Baukunft(Gerhich- 
teber), Blldhouer⸗ 
kunſt (Geſch. der), 
Malerei (Öefchichte 
der) amd Mufit 
Gefhichte der) . — 
Roͤmiſche Literatur 394 
Roͤmiſches Reht . 401 
Roͤmiſche Schule, ſ. 
Italieniſche Kunſt 406 
Roͤmiſche Sprache — 
Rommel ehrt) 407 
Romulus . . 
Roncesvalles . - 408 
Rondeau, Rondo . 409 
Ronfard (Pierre de) — 
Roos (Johann Hein ⸗ 
rich — Theodor — 
Philipp — Jakob) — 
Rooſe (Betty) . - 410 
Roquelaure (Gafton 
Jean Bapt., Marz 
quis u. Hetzog v.) — 
Rofa (Salvator) . 411 
Rofa (Monte) . — 
Rofalie . . . - 412 
Roscellinus, f. Nomi⸗ 
naliften . . _ 
Roscius (Quintus) _ 
Rode om) 413 
Raben Rn 


worth Dilu 


PR (Ha 
Rofenfefte, Ref 
den... 
Rofenolyf.Rı 
Rofenkanz . 
Rofenkreuger 
Rofenmälke ($ 
Georg) . 
Rofenmüler ( 
Friedrich 8a 
Rofenmäle (} 
Cheiftoph) 
Rofendt . 
Rofenftein Ri 
Rofette . 
Rofette (Jaſch 
Rofette, Rofen 
Rofinen, Roſu 
Roskolniten 
Roſoglio, Kol 
Branntwea 
Roß (Cap.) f 
polerpeditiin 
Roßbach (Shh 
Roßſchweif. 
Roßtrappe 
een) 


Verzeichniß der in dieſem Bande enthaltenen Artikel. 917 


Seite Seite 
a v. — Karl Rüdungen (enharmo⸗ 
Jakob v.) 431 niſche). . . 459 
. . . 434 Rudbed (Diausl. — 
.. . 435 Olaus 1. — E.3.) — 
fan) . Dvedhimen Bein 
tarlv.) . 436 
‚orough . 437 RL deutſcher 
a . . 488 Kaife) . - — 
"2.2439 Rubel. (vetfeher 
Jean Ant) — NKalfe) : ._. 461 
on Ruffo (Fabeiio, Gar 
F 40 dina) . . . 462 
Lisle (Jos Ruffo » Scida (Rodor 
.. — vico, Cardinal — 
.. . — Alvaro, Fuͤrſt — 
(Sean Bap⸗ Hieronymo, Mars 
.41 Pl .. 
(Sean Jar 
. 442 —E 
weine . 445 üpp L — Georg 
— —e 
446  fien — Johann 
220.447 Lorenz — Mori) 464 
ifabeth) . — Wuglelt . . . 465 
tote) . — Ruhnkenius (David) — 
Alexander 448 Ruͤhrend 466 
e John, Se Rulpieres (Claude Gar» 
) lomandı) . . — 
' u Ci Rum . ...— 
Rumelin, Rum · Ju, 
f. Romelien. . 467 
Lan Die Rumford (Benjamin 
— Antoine Lhonofon, uf 
f) . . 450 
dilatre de), Rute (Rico 
fat . . 451 Petrowitſch· Graf 
mp... — — Paul Petro⸗ 
. — witſch, Graf — 
Peter Pan) — Sergei Petrowitſch, 
.. 458 Graf) 
_ Rumoffeti ( Sterhan 
... — von). .. . 468 
Giovanni) — Rundgeſang 469 
— Runen, Runenfteine — 
friedrih) 454 Munftäbe, Rumenftäbe, 
Recidiv) 455 Signaiſtaͤbe . 470 
Gverkiims Runtelcübenzuder, [. 
1.2.2. Bude... — 
Ve 488 Runen . . . — 
a (chythmi⸗ Bupe . 2... — 
rm Uubcſut... — 


. 463 Ruyter (Micart se 
dilan) 


Seite 
Ri deutſcher 
1 
Pe Zogpmufil it 487 
Ruſſiſches Bad, f. 
Bäder _ 
Ruſſiſches Ss _ 
Ruſſiſche Sprageund 
u .. 
B 497 
—X Amnbe 528 
Ruthe . 
Rurfäberge . \829 


Rutſcherrecht . + 539 
Ruvſch (Briedrih) 51 
Ruvſch (Rachel) 


Ruysdael (Satob) . _ 


off, (‚Eile . . 532 
Rysnit(Dorf — — 


8 
& 
Q 
& 
j 


Saale FE ud 
Saalfeld (Fuͤrſten · 

thum — Stade) 
Saarlouis . . 

Saavedra Barardo, 
f-Sarado . . 
Sabäer, Saba 
Sabaismus 
Er 


ne, 


Den 


Sin, Euhtn, 
ne . 
Gabler . oo... 536 
Sabine . . . 537 
Gabinerinnentanb, f. 

Romulus 


Sachint (Antonio 
—— Bafparo) — 


918 


8 


Sachſen 


Sea ſenfriſt ſ. ur BZ | 


Sachſenjahr 
Sachſenſpiegel. 
Saͤchſifche Schweiz 
Saͤchſiſcher Bergbau, 
[.Selbrg : . 578 
Sad (Joh. Auguſt) — 
Sadletr . . . 579 
Sadpfeife . _ — 
Sacrament, Sacra⸗ 
mente, Sacraments⸗ 
ſtreit, Sacramenti· 
ww... 
Sacramente (kath.) 581 
Sacrilegium, f. Kits 
henfrevel ; 
Sacriftei, Sacriſtan — 
Säcularifation — 
Saͤculum582 
Sacy (Baron Antoine 
Iſaak, Silveſtre de) — 
Sades Marquis v. ) 583 
Shi . . 
Saducaͤer 584 
Saffian, f. Maroquin — 
Saftfarben, f. Dale 
farben . . 
Sagan Fuͤrſtenthum 
— Stadt) . 
Sage 


— 


| Sogmtteife des Die 


telalters, f. Mittels 
alter und Rittetwes 


& fen . — 
ago 585 
Sagunt . . 
Saidſchuͤtz und Seblit — 
Saigern, ſ. Silber 
Sailer (Joh. Michael) — 
- Saint:Aulaire (Louis 

Beaupoil, Grafv. 

— Sofeph Beau: 

poil, Graf v.) . 586 
Saint:Chr; f. Eyr 
Saint:George (Ritter 


vn). . ....— 
Saint: Sermain, f. 

Germain . 
Saint⸗Lambert (Jean 

Stange) . ı 


m 


A 


nrdin. 


Seite 
Saint⸗Marſan (Ans 
ton Maria Philipp 
Afinari, Marquis 
von). . . 587 
Saint: Mortin (Jean 
Antoine) . . 588 
Saint: Pierre (Charles 
Stenee Gaftel, Abbe 
de) . . 
Saint:Pierre (Jaca. 
Bernardin Henri 


de) . 
Saint: Real (Gefar 
Bichardde). . 589 
Saint⸗Simon (Louis 
be Rouvroi, Ders 
309 von — Claude 
Anne, Herzogn.— 
Henri, Graf v. — 


Henri Sean Victor, 
Marquis von) . 590 
Saint⸗Vincent (Lord, 
Straf John Jewie 
von) . — 
Saiten. . . 5941 
Soiteninſtrumente — 
Sakkarah . 592 
Saladin — 
Salamanca .593 
Salamander . 595 
Salami . . — 
Salat (Jakob). — 
Salbung. . . 596 
Saldern (Friedrich 
Chriftoph ven) - 597 
Sam. . . — 
Salep... — 
Salem en . 598 
Salefianerinnen — 
Salfi (Francesco). — 
Salier. — 
Salier, Saliſche Fran⸗ 


ken, Saliſches Ge⸗ 

febuh . . . 599 
Salteri (Antonio) . 
Saline, f. Gradiren 600 


Salis (Johann Gau⸗ 


denz, Freih. von) 


Salisbury..601 
Saliſches Geſetz, ſ. 
Sur . . 602 


* 


Verzeichniß ber In dieſem Bande enthaltenen Arilkel 


Salm (Haus) 
Salm Miklas 
Salm:Dpt (Gı 
ze Marie be 
Fuͤrſtin von) 
Salm⸗ Kyorburg 
drich IV., 
Otto, Fuͤrſt 
Salmaffus (6 
diue) 
Salmiak 
Salomo 
Salonidi . . 
Salpeter 
Saipeterfäur . 
Salt (Heimit) 
Saltareo . . 
Saluso (Fam 
Salvandy (Ru 
Achille von). 
Salvator Roſe 
Roſa (Salon 
Salvegarde 
Salvi (Giambet 
ſ. Saffofzeke 
Salvus Conde 
Salz oo.» 
Salsa (Drrmaml 
Salıbrum . 


Verzeichniß ber in dieſem Bande enthaltenen Artikel. 


919 
Seite Seite Gelt⸗ 
allen (Gans Sarpi (Paolo) . . 649 Gealiger (Joſeph Ju⸗ 
Stadt) . 624 Gartr . . . . 650 fu) . . .672 
elma . . 625 Sarti (Giuſeppe). — GScalpien . . 673 
en (pragmas Sarto (Andrea dei) 651 Scandirm . — 
... 626 Saſſoferato 652 Scapulie . — 
akob (Schlacht Satelliten . Scarabaͤus — 
... — Saartrapen, Satrapien — — Scaramußß. — 
eteroburg, ſ. Sattelhoͤfe. Scarlatti (Aleffanbro 
burg.. — Sättigung . — — Domenico). — 
Eamdflein — Saturnus, Satumia — Searpa (Antonio) . 674 
art Ludwig) — Saturnalien . 653 Scarron (Paul) — 
Sandalen 631 Gatyr . Scaurus (Marcus 
ın (Robert), Sr, Camp 654 Ämiliue) . .» 675 
manianer 632 . 655 Scaͤvola, ſ. Mucius — 
t (Eduard) — erbrannen — Sceaux, Garde des 
6, Sandſchia⸗ Sauerkleeſalz — Sceaux, ſ. Siegel, 
... — Suaͤuerling, ſ. Sauer⸗ Siegelbewahrer — 
(Joachim brunnn . . 656 Seene, ſ. Schauſpiel — 
... —  Gauerfloff . . — Schabemanier, ſ. 
n, Sand . 633 Saͤugthiere . 657 Schwarze Kunſt — 
hinſeln — Saugwerk, Saugpgum⸗ Scchachſpiel, Courier⸗ 
hland. . 635 pen, ſ. Pumpen 658 ſpiel, Kriegsſpiel — 
iſch Sangui Saul— Schachmaſchine, ſ. 
ſ. Lemwera · Saͤule — Kempen . . 676 
Säulenordnung . 659 Schacht, ſ. Grube. — 
in. — Seutenftubt, ſ. Poſta Shit . . . — 
ro Jacopo) — 661 Schaͤdellehre . 677 
otte. . 636 Sauran (ron, a Shadm . . . 680 
0 von)‘. . Schadow (Sof 
ii... — Gäu. . . 662 Gottfried — 
rt... — Gaurin Jacques) — dolf — Bub 
Sappeur . 637 Sauffure (Dorace Bes pdeich . . 681 
... — nedicte de — Ni⸗ . 682 
(von Mitylene cola® de) . 663 Schäfer (Gottfried 
n Ereſſu) — Savanım . . . 664 Heinrich) . 684 
2.2.6838 Savary (Rene, Her: Schaͤfergedicht, Shi. 
da — zog von Rovigo) — ferfpil -. - : 685 
m . — Savigny (Friedrich Saefiseufen (Canton 
_ Karl von) 665 adt) . — 
sü (Mat: Savonarola (Gero⸗ Pi ... . 686 
Kafimir) . 641 nimo) Schaft, f. Saͤule — 
pal . — Savoyen . . . 668 GScaftgefimfe . . — 
. 642 Say (Jean Baptifte) — Schafzucht . — 
Sayn und Witgen⸗ Schagren . 690 
5 Monar⸗ ſtein . 669 Schall .. . — 
. 643 Sbirren . . 0O GSchalmd . . 694 ' 
r, ſJ Quarı 648 Ecabin, f. GSqipp⸗ — Schalthiere ... 695 
zen, Sarka⸗ Scagtiola .. — Sdhaltjahr, ſ. Calender 
ee Sacala, ſ. Tonleiter 671 und Jahr. — 
ag.. —  Gealiger (Julius Caͤ⸗ Schamanen. — 
en .o. 649 far) u. — Schandau er vn 59 


920 ¶ Verzeichuiß ber in biefem Bande enthaltenen Artite, 


Seite . Seite 
Schandpfahl . 696 Schelde.724 
Schanze, Verſchan ⸗ Scheller (Immanuel 
jungen *3..697: _ Johann Gerhard) — 
Scharbock . — Sgelling (Beiebrich 
Sharffhlgen . . 698 — Joſeph 
Schariach - . . 699 . 725 
Schatlachfieber . — —— Siem 731 
— f Schemnitz 
. 704 Scyemtung . \ 732 
PIERRE Scherbengericht, ſ. 
David von). . — Oſtracismus 733 
Schatten und Licht 705 Sheif. . . _ 
Gattung . . 707 Ehmo . . _ 
Sgatulle, [. Epatoule — Gcheuffelin (Hans) 734 
Schatullenguͤter, f. Schiavone (Andre) — 
Domainen . » — Gdiboleth . — 
Schatzkammerſcheine — Schicht (Joh. St 
Spaubäpnnf.üpe _ fee). . - — 
wo... u 
Shur .. . Vorſehung . . 736 
Ce Scäyidfalstragddie _ 
me ... Schiedsmann, Schiede · 
Schaufel... — ddr .. 
Schaufpieler, deut Shiefe der Ektiptit — 
ſche... 746 Scdiefet739 
Schauſpielhaus, ſ. Schienenwege . . - 
Theater . . — Shiedling » - . 740 
Scaufpieltunft . — Schießpulver . . 741 
Shaw . . 748 Schießſcharten . 743 
Geiler (Johann for Schiff. - .—_ 
venz, Fteiherr von) — Sciffsautunft” . — 
‚Shen 4 
flotte . . . 719 Scifffahet . 
Scheffler, f. Angeln _Schifffabrtslunde . 746 
Silesius.. . . 720 Sciffmühle 748 
Scheffner Soham Saiftofun, —E — 
ſeorge). — Ghitn . . 
Scheidemänge . — Schikaneder (Emo 
Scheiden, Scheide: mul) . . _ 
lunſt 721 Shi. . . . 749 
Sceidewaffer.. . Sejitbfnappe oo 
Scheidung, ſ. Chem Sqhildkroͤte, Schilde 
Ehefheidtung . — patt . » 750 
Sheikh, Seite. .—_ Shi (Ferdinand v.) _ 
Schein. . —  Gäiller (Joh. Chris 
Scheintob . 722 ſtoph Friedrich v.) 754 
Sceinwehfel, ‚Wed: Saling PR . 765 
fel 724 Schilling (Friedrich 
———— 3330 0m 
Stammsisaunn, Heine 
eur, Zen — _— re 


S 

(Rütger Jan) 
San Schaaf 
Sin (ui 


Sn (ein 
nedict von) . 
Schiras 
Schirin 
Soiſchtoff Al 
der)... 
Scıism . . 
Scismatiter . 
Schlaberndorf (0 
ſtav, Graf.) 
Schlacht, Sclad 
orbnumg 
Scladytenmakrei 
Saladen, Strad 


eaur 
788 Section, re 6 


Status 
Soh laglicht 
Scdh lagſchatten, f 
Schatten 
Schlagſ cat 
Schlangen · 
Schlangenbad ın 
Langenfhwali 
Schlegel (Iob. & 
Schlegel (Joh Ade 
Schlegel (Joh. he 
dd)... - 
Schlegel (Augufi! 
beim v. und di 
rich v.) . - 
Schleiermadher (ft 
rich Daniel &mj 
Schleifen, Schleift 
Scleißheim - 
Schlefim . - - 
Schleſiſche Digen 
ve 


f- Deutfde 
—* (de 


— 
———— 


Verzelchniß der in diefem Bande enthaltenen Artikel, VOE1 


Seite 
htegroll (Adolf 
inr. Friedrich) 798 
ffen (Martin 
ftvon) . . 799 
penbach (Ulrich 
ineih Guſtav, 
ihere von) . 800 
tſchuhfahren 801 
ffee (Johann 
09). - 
fer ( Feiedrich 
ciſtopph) . . 802 
jee (Aug. Lud⸗ 
| von — Doros 
3 — Chriflien 
). .. 

ß. 

ß, ſ. Gaben; 806 
fl . . 

ßfall, ſ. Gaben; — 
ſßſatz, ſ. Finale — 
ade... 
hſchrift.ſ Do 


ahdiſche Bund, 


malkaldiſche Au 
l 


alte . .:..808 
al ( Theodor 
ton Heinrich) 
auf (Johann 
0b) . . 

eljen, Schmel: 


g 
:lmalerei, 1 
il... — 


. 809 


1 
ciflillende Dit 

. + 810 
ttau (Samuel, 
chsgraf von — 
I Chriftoph, 
chograf von) 
tteringe . 
d (Karl Chris 
ı Erhard) . 812 
d(KarlErnfl) 813 
dt (Michael 

3). 2 2 
dt (oh. Ernft 

fin) . . 815 


811 


—2* . — 
Sch 


— Schoen (Martin) . 


Seite 

Schmirgel - 815 
Schminke . . — 
Schmoͤllnitz 816 
Schmutzer (Jakob 

Matthaͤus) 
Schnecken, ſ. Sa 

bie . . . 817 
Schnee . — 
Schneeberg 818 
Schneekoppe, Schnee⸗ 

topf .. 819 
Schneelinie — 
Schneider (Eulogius) — 


. 820 


. 804 Schneider (Anton) 821 
. 805 Schneider (Joh. Chris 


ftion Friedrich) . 822 
Schneller (Julius 

Franz Borgiat) 823 
Schhnelipeffe . . 824 

nepfe . . 826 


neppe . . . 827 
Schnor (Veit Hans 
von Karolsfeld) 827 
Schnorr (Veit Julius 
von Karolsfeld) 828 
Gchuupfen. . . 829 
Schnüäbufll . . 831 
Schnurrer (Chriftian 
Friedrich von) '. 834 
Schock, Schocke 


Shöfe Pe), . 
Buchdruckerkunſt 
Scholarchat, Solar: 


hen 
Schoiaſtieer 
Scholien, Sqolia⸗ 


ſten 
Schoͤll (Barimilion 
Samfon Friedrich) — 
Schomberg (Friedrich 
Dermann von) . 838 
Schön, Schoͤnheit — 
Schön (von) . . 84 
Schöaborn (Reiche: 
geafen von). . 84 
oͤnbrunn, f. 
84 


Schoͤnburg (das 
Haus) ... . 
Schöne Känfle, ſ. 
Kumfl . . . 
saöne wife 
Shonm 


u 
Beehanr (Io 
. 845 


Paker fe) - 846 
ee (Johann 


Schöpfung. . . 847 
ae Ship 
Schoreel (Joan vy 848 
Schoͤrl, Be Sf Tur⸗ 


. 849 
Son —* Ku 


Schottland . oo. 
Scout by Nacht, f. 
Admiral. . . 862 
Schraffiren, Schrafr 
| I: 22 
Schraube ohne Eine — 
Särdn . . 
Schreibatt, f. Styl 863 
Schreibekunſt 
Schreiber Aloys Wil. 
. 864 


beim) 
Schreiber Ehriftian) 865 


‚Schreiber (Philipp 


Wilhelm) . . 
Schreyvogel (Io 
fpb) - . . 866 
Screibmaleei . 867 
Sceift (Heilige), f. 
Bibel und Teſta⸗ 
ment — 
Schrift . — 
Schriften 869 
Säriftgleßerel, Se 


928 | Verzeichniß der in dieſem Bande enthaltenen Artikel, 


Seite Seite 

* (Sophie) 873 Schulen (philofophis — Heimich 
Schroͤpfer ( Johann ſche), ſ. Pyiloſo⸗ brecht) 
Georg) . phie 896 Schulweſen 
Schrot, Schrotart — Schulen — — Schulz (Friedrich 
Schroͤter (Johann Schulenburg (M Schulz (Friedrich 
Hieronymus) . 875 thias Johann, & auf). . . 
Schub, Schubweſen — von der — Abelf. Schulze (Joh. Al 
Schuback (Johannes) — Friedrich, Graf v. ham Peter) . 
Schubart (Chrifttan d. — Levin Rus Schulze (Ernſt) 
Friedrich Daniel) 876 dolf v. d. — Graf Schulzucht, Echt 
Schubart von Klee⸗ v. d. Sch. "Beife- mien, Schulfe 
feld (Johann Ehrl⸗ burg) — Schuß, Schußwe 
) .n : 878, Schulgefege .. —  Scyufter (Joſeph 
Schubladenſtuͤck — Schulinſpection897 uͤtter⸗Quaͤ 
blehen — Schullehrerſeminarien, Schuͤt (Chriſti 

Schuderoff (Jona⸗ Schulmeiſterſchule, Gottfried) 
than) — ulconferenzen, Schuͤtz (Henriet 
Schuh, ſ. Jußz 879 Schullehrergefell Händel) . 
Schulden . . — fm. -. — Gchüge (Karl 
Sub. . . . 880 Schulebnung . 898 rich Ferdinand 
Sgubfden . . — © —qR  Säugengel, [.E 
ar Schulpferd; ſchulen Geiſter, Seniı 
Schulen . 881 —8 Su  Odutgenofien,® 

Schuͤle (oh. Hein; | Apparat — verwandte 
| Pi enter von) — Schultens (Albrecht Schumaloff (Par 
. 882 — Johann Jakob 


drejewitſch, 6: 








r 


w